Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
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73. Jahrgang · Nr. 1 · Ostern 2018 Pfarrblatt Vom Tod zum Leben Schwerpunkt Leid. Schmerz. Tod. Trauer. Trost. Auferstehung Dompfarre Mysterium des brennenden Herzens · Einkehrnachmittag · Blitzlichter Spirituelles Heilige Maria Magdalena · Ostermontag im Heiligen Land Literatur Der Kaiser und sein Grabmal · Als Pfarrerlehrling in Mistelbach
Inhalt Editorial ■ Editorial 2 ■ Wort des Dompfarrers ■ Am Ende hat nicht der Tod, 3 Tod als Teil des Lebens sondern das Leben das letzte Wort 4 beschrieben: „Einen Menschen lieben, ■ Gibt es ein Leben vor dem Tod? 6 heißt sagen: du wirst nicht sterben.“ ■ Trost inmitten von Trostlosigkeit 7 ■ Über den Tod und Trauer und Trost das Leben danach 9 So natürlich und manchmal erlösend der Tod am Ende eines erfüllten Lebens er- ■ Die Pilgerfahrt nach Hause 10 scheinen mag, so gibt es auch die andere ■ »Vergesst die Osterkerze nicht!« 11 Erfahrung: Leid, Krankheit und Tod bre- ■ In der Trauer nicht alleine 12 chen völlig unerwartet mitten ins Leben ■ Alles hat seine Stunde 12 herein. Welchen Trost gibt es dann? Was ■ Muss ich denn sterben kann Kraft und Zuversicht spenden? um zu leben? 14 Dieses Oster-Pfarrblatt lädt ein – in- ■ Worte, die Kraft geben 14 nerlich etwas beim Karfreitag und Kar- ■ Von »größter Pein« samstag verweilend – über die Erfahrung und »ewig’selig Leben« 16 Der Geruch des Todes ist meiner Nase und die Radikalität des Todes nachzu- von Kindheit an vertraut. Und dafür bin denken. Der christliche Auferstehungs- ■ Malteser Friedhofsbegleitdienst 17 ich dankbar. In meiner Familie wurde der glaube blendet den Tod nicht aus, er gibt ■ Lachen – mitten in Leid Tod nie tabuisiert. Ich erinnere mich, Schmerz und Trauer entsprechend Zeit und Schmerz? 18 dass ich bereits als kleines Kind zu Ster- und Raum. Unser Glaube vertröstet ■ Kindern Trauer zutrauen 18 benden mitgenommen wurde. Auch nicht vorschnell auf ein Leben nach dem ■ Was schenkt mir Trost wenn dann die vertrauten Gesichter – Tod, das Osterfest aber schenkt uns Per- und Zuversicht? 20 meist ohne Zähne, mit zerzaustem Haar, spektiven. ■ Auferstehung – eingefallenen Wangen und tief liegen- Die Auseinandersetzung mit dem eine »leere Verkündigung«? 23 den Augen – etwas entstellt waren, so Tod eröffnet einen neuen Blick auf das ■ Kaum zu glauben: war doch immer selbstverständlich, dass Leben: Wofür leben wir? Und wie leben »Auferstehung« 24 dieser Anblick für jeden zumutbar ist wir? Was bleibt? Das letzte Hemd hat ■ Mysterium des und dass diese Personen in ihren letzten bekanntlich keine Taschen. Wir können brennenden Herzens 26 Tagen besonders der liebevollen Zuwen- von dieser Welt nichts mitnehmen. Der ■ Fastentuch 28 dung bedürfen. Nur weil das Äußere ei- Theologe Karl Rahner schreibt über das nes Menschen hinfällig geworden ist, Sterben: ■ Kunstinstallation im Dom hat er dennoch nichts an seiner Würde „Am Ende geht man mit leeren Hän- »jetzt jetzt jetzt« 29 verloren. den fort, ich weiß es. Aber so ist es gut. ■ Diakon Peter Schwarz 29 Dieser sehr natürliche Umgang mit Dann schaut man auf den Gekreuzigten. ■ Mitarbeiterausflug 30 dem Tod hat mich zeitlebens geprägt. So Und geht. Was kommt, ist die selige Un- ■ Einkehrnachmittag 31 durfte ich auch als 15-Jährige am Sterbe- begreiflichkeit Gottes.“ ■ Blitzlichter aus St. Stephan 32 bett meiner Großmutter sitzen und ihr So dürfen wir uns von dem Vertrauen ■ Chronik 34 bei ihren letzten Atemzügen die Hand Jesu am Kreuz inspirieren lassen: „Vater, halten. Als ich nach einiger Zeit vorsichtig in deine Hände lege ich meinen Geist“ ■ Maria von Magdala 35 wagte, ihre Hand loszulassen, spürte ich, (Lk 23,46) – am Ende jedes Tages und ■ Ostermontag im Heiligen Land 36 dass der Rest ihres Körpers schon abge- auch unseres Lebens. Ostern ermutigt, ■ Als Pfarrerlehrling in Mistelbach 38 kühlt war. Nur die Hand, die ich gehalten den Tod als Teil des Lebens anzunehmen, ■ Der Kaiser und sein Grabmal 38 hatte, war noch ganz warm. Diese Berüh- Trauernde und Leidende am Ende in ih- ■ Steffl 39 rung mit dem Tod war ein sehr bewegen- rem Schmerz nicht allein zu lassen und ■ Termine 40 der Moment für mich: die Erfahrung, offen zu sein für die Begegnung mit dem dass die Liebe, die wir Menschen einan- Auferstandenen. „Christus ist auferstan- ■ Termine Karwoche und Ostern 42 der schenken, Wirkung zeigt – über den den. Er ist wahrhaft auferstanden!“ ■ Schutzpatron der Riesenorgel 44 Tod hinaus. Wir können unsere Lieben ■ Gewinnspiel nicht festhalten, wenn sie uns verlassen, Martin Staudinger »Jesus Christ Superstar« 45 aber in unseren Herzen leben sie weiter. ■ Zum Nachdenken 48 Der französische Philosoph Marcel Ga- ■ Impressum 48 briel hat diese Erfahrung wunderschön Ihre Birgit Staudinger 2 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Wort des Dompfarrers Liebe Freunde! gerade auch im theatralischen und fast auf die Titelseite unseres Pfarrblattes zu rauschartigen Kunstritual. Vor allem sein setzen. Fast wie bei einem Flügelaltar synkretistisches Vermengen des bacha- lädt uns der Künstler ein, bei den Zei- nalen Festes mit einzelnen uns lieb und chen des blutigen Martyriums nicht ste- heilig gewordenen vertrauten liturgi- hen zu bleiben, sondern über die Bahre schen Paramenten haben viele Kritiker und das blutbefleckte kreuzesförmige immer wieder verstört. Die Macht des Malhemd hinaus in das sonnengefärbte Lebens, die würdevolle Hochschätzung Licht der Auferstehung einzutreten. Viel- des Blutes als weihe- und kraftvoller Le- leicht wird der eine oder andere an ei- benssaft im Judentum und die rituali- nem Detail hängenbleiben, wie es mir sierte christliche Opfertheologie mit ih- oft bei Domführungen für Kinder pas- rer unblutigen Erneuerung des Kreuzes- siert, wenn manche Kinder nichts so opfers in jeder heiligen Messe sollten Be- sehr interessiert wie die grauslichsten rührungspunkte sein, die mich seit über Details der auf den Altären und Figuren Der österreichische Künstler Hermann 35 Jahren immer wieder neu in der Kunst dargestellten Marterinstrumente der Nitsch ist und bleibt für viele umstritten. von Hermann Nitsch nach Antworten heiligen Märtyrer. Aber wahrzunehmen Ich hatte das Glück, ihn schon im Gym- rund um die Fragen von Leben und Tod und auszuhalten, dass ein Künstler sich nasium im Rahmen meines Unterrichts suchen lassen. auch aus dem christlichen Ritualschatz in Künstlerischer Erziehung zu studieren bedient, um seinen Zugang zu Leben und dann auch persönlich kennenzuler- Vom blutigen Martyrium und Tod zu finden, kann durchaus auch nen. Besuche seiner Ausstellungen und ins Licht der Auferstehung für uns gläubige Christen einen Mehr- auch seiner Wirkungsstätte in Schloss Wie in seiner Kunst scheint ja vieles in wert darstellen. Jeder von mir durchge- Prinzendorf im Weinviertel haben in mir unserem Leben einfach nur hingeschüt- betete Kreuzweg ist so wie jede heilige das Bild eines Künstlers geprägt, der vor tet oder gar ausgeschüttet zu sein und Messe eine Einladung das uns verspro- allem im Rahmen seines Orgien Myste- auf den Überbleibseln unserer oft tra- chene neue Leben nicht nur für sich al- rien Theaters sehr viel Wert auf das Le- gisch erfahrenen Lebensbrüche und al- lein zu betrachten, sondern auch das be- ben und seine übersteigenden Entgren- len Formen von Leid, Krankheit, Gewalt lastende Leid und alle schrecklichen Er- zungen legt. Und da hat mich ganz be- und Tod versuchen wir unsere Hoffnung fahrungen des Todes nie aus dem Blick sonders die religiöse Opferdimension an der tragenden Glaubensgeschichte zu verlieren. über die jüdisch christliche Symbolwelt von Tod und Auferstehung Jesu aufzu- Als junger Mann war ich bis ins In- hinaus interessiert. Leben, Blut, Opfer, richten. Wir haben es gewagt, ein groß- nerste erschüttert, als mir eine Ärztin die Tod und die Hoffnung danach vielleicht formatiges Werk von Hermann Nitsch bedrohende Möglichkeit eines bald be- vorstehenden Todes als Anregung zu ei- ner aufwendigen medizinischen Inter- vention aussprach. Über diese heil über- standene Erfahrung erlangte ich eine neue etwas entspanntere Beziehung zum Sterben und zum Tod. Gerade in der Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen haben sich für mich so manche Sternstunden meines pastora- len Dienstes als Seelsorger ergeben. Ge- gen die Schwerkraft des sterblichen Le- bens in das leuchtende Umfeld der ver- heißenen Auferstehung einzutreten ist die Einladung der Kirche zu Ostern. Ihr dankbarer Dompfarrer Toni Faber Titelseite: Ausschnitt eines Schüttbilds mit Malhemd (3-teilig) von Hermann Nitsch, Suzy Stöckl Acryl auf Jute (600 × 300 cm), 2003. Die Aufnahme dieser Installation wurde uns dankenswerter Weise von dem Künstlerteam © TEAM[:]niel zur Verfügung gestellt. TEAMniel.com Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 3
Vom Tod zum Leben Am Ende hat nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort Lebe ich heute schon so, wie ich am Ende meines Lebens gelebt haben möchte? Wie will ich sterben bzw. wie will ich leben? Wie steht es um den Willen Gottes im Angesicht des Leids? Persönliche Erfahrungen und Gedanken von Michael Landau Es ist deutlich mehr als ein Jahrzehnt her Für mich macht dieses Fest deutlich, Was wichtig ist, erschließt sich vom En- und doch sind meine Erinnerungen noch dass am Ende eben nicht der Tod, son- de her. Lebe ich heute schon so, wie ich sehr lebendig. Meine Mutter lag im Ster- dern das Leben das letzte Wort hat. am Ende meines Lebens gelebt haben ben. Im Alter von nur 69 Jahren. Ihr Arzt Im Sterben gelangen wir, jede und je- möchte? Und was von dem, was mich hat mir damals gesagt, dass sie nicht der von uns, an jenen äußersten Ort, an heute ärgert, Zeit in Anspruch nimmt mehr lange leben würde. An jenem Tag dem das eigene Leben, die eigene Exis- oder bedrückt, ist dann vielleicht nur wurde plötzlich zur Gewissheit, was bis tenz, das Leben insgesamt brüchig wird. mehr halb so bedeutend? Wie wollen zu diesem Zeitpunkt lediglich eine bloße Ahnung war: die Endlichkeit meiner El- tern und indirekt wohl auch die Endlich- keit meines eigenen Lebens. Eine Ah- nung, die in diesem Moment von Wirk- lichkeit durchdrungen wurde. Kreuz und Auferstehung sind nicht zu trennen Mir ist es wichtig, gerade auch zu Ostern über den Tod zu schreiben. Denn Ostern ist Fest der Kreuzigung, des Todes und der Auferstehung. Kreuz und Auferste- hung sind nicht zu trennen. Nüchtern gesagt: Es gibt kein leidfreies Diesseits- paradies. Und zugleich ist Ostern doch in jeder und für jede Faser unseres Mensch- seins ein Fest der Hoffnung. Nicht der kleinen Hoffnung, dass es schon irgend- wie gehen wird, sondern einer großen Hoffnung, die jede Grenze überschreitet. Ostern hat mit Zuversicht, mit Freude, mit der Weite unseres Glaubens zu tun. »Es gibt kein leidfreies Diesseitsparadies. Und am Ende unserer Tage wird die entscheidende Frage sein, ob wir aufeinander geachtet haben. Ob wir füreinander da waren.« Peter Wm. Gray, P.S.S., Ph.D. Pieta vom Künstler und Priester Peter Wm. Gray P.S.S. Wasserfarbe auf handgeschöpftem Lokta-Papier aus Nepal 4 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Die Autoren Mag. Dr. phil. Doris Bach, ext. Univ. Lekt., Klinische- und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, Präsidentin des CliniClowns Forschungsvereins Mag. Dagmar Bojdunyk-Rack, Geschäftsführerin Rainbows-Österreich Mag. Karin Domany, pens. Religionspädagogin, PGR St. Stephan Dr. Brigitte Ettl, Psychotherapeutin, dipl. Ehe-, Fa- milien-, Lebens- und Sozialberaterin, Lehrthera- peutin f. Existenzanalyse u. Logotherapie sowie Lehrbeauftragte der Donau-Universität Krems Toni Faber, Dompfarrer St. Stephan Mag. Rudi Fleck, Beichtpriester in St. Stephan Christian Gartner, Ö3 Weckerchef wir sterben und vor allem und von dieser brauchte Zeit. Zeit, um wieder beten zu MMag. Hermann Glettler, Bischof der Diözese Innsbruck Perspektive her: Wie wollen wir leben? können. Zeit, um den Tod als Teil des Le- Univ.-Prof. em. Dr. Maximilian Gottschlich, em. Professor für Kommunikationswissenschaft der Auch meine Mutter hat sich diese bens anzunehmen. Universität Wien, Künstler Fragen im Stillen wohl immer wieder ge- Reinhard H. Gruber, Domarchivar von St. Stephan Univ. Prof. Martin Haselböck, Organist, Dirigent, stellt. Wie sie sie für sich beantwortet Auseinandersetzung Gründer u. künstlerischer Leiter Orchester Wiener hat, weiß ich nicht. Sie kam recht spät mit dem Tod ist lebensstiftend Akademie, Künstlerischer Leiter Musica Angelica Univ.-Prof. Dr. Michael Hofer, Professor für Philo- ins Spital, mit einer fortgeschrittenen Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn sophie an der Theol. Fakultät der Kath. Privat- universität, Linz ich mit MitarbeiterInnen spreche, die in Saskia Jungnikl, Autorin, Journalistin der Hospiz- und Trauerarbeit der Caritas DI Dr. Andreas Kaiser, Pfarrer von Ober St. Veit, Wien Petra Keplinger , biomedizinische Analytikerin tätig sind. Denn ihre Arbeit mit Men- Dr. phil., Lic. phil., Mag. theol. Franz Lackner OFM, Erzbischof von Salzburg schen am Ende ihres Lebens und mit Dr. Michael Landau, Caritasdirektor der Erzdiözese Trauernden macht deutlich: Zu einer Kul- Wien und Präsident der Caritas Österreich Dr. Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler a.D., Un- tur des Lebens gehört auch eine Kultur ternehmer des Sterbens – eine Kultur der Solidarität Adele Neuhauser, Schauspielerin, Buchautorin Alexander Pointner, ehem. Chefcoach der öster- Domkapitular mit den Sterbenden und Trauernden. reichischen Schispringer, Buchautor, Coach, Vor- tragender Michael Landau Auch wenn die KollegInnen vom Mobi- Dr. Michael Prüller, Pressesprecher d. Erzdiözese ist Präsident der len Hospiz von Schmerzen und Möglich- Wien und d. Erzbischofs Kardinal Schönborn, Lei- ter der Öffentlichkeitsarbeit Caritas Österreich keiten optimaler Begleitung sprechen, Wolfgang Ritzberger, Ökonom, freier Regisseur, Schauspieler und Produzent reden sie über das Leben. Auch wenn sie Karl-Heinz Schlevoigt, Domkurat von St. Stephan Krebserkrankung. Auch wenn ihr Tod ab- davon berichten, wie Menschen allmäh- P. Dr. Nikodemus Claudius Schnabel OSB, Dormitio Abtei, Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres- sehbar war, vorbereitet ist man auf diese lich Abschied nehmen, sprechen sie vom Gesellschaft, Katholischer Auslandsseelsorger Begegnung nie. Ich war es auch nicht. Leben – und somit letztlich davon, dass OStR. Prof. Mag. Peter Schwarz, Diakon in St. Ste- phan Nach ihrem Tod spürte ich Leere, Trauer die Auseinandersetzung mit dem Tod le- Univ.-Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönber- ger, Vorstand d. Instituts für Alttestamentliche und geraume Zeit nichts anderes. Mein bensstiftend ist. Ihre Arbeit ist Ausdruck Bibelwissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät Bruder und ich fuhren ins Spital und sa- dafür, dass jeder Sterbende ein Lebender der Uni Wien o. Prof. Dr. theol. Dr. phil. Dr. phil. fac. theol. ßen dann noch lange an ihrem Bett. Der ist. Und zwar bis zuletzt. Clemens Sedmak, Lehrtätigkeit in USA, London und Salzburg, Leiter d. Zentrum für Ethik und Verstand weiß es: Wenn etwas sicher ist Ich bin überzeugt: Wir werden am Armutsforschung im eigenen Leben, dann ist es unser Tod. Ende unserer Tage nicht vor der Frage Mag. Birgit Staudinger, Theologin Katharina Stögner, Leitung Kommunikation und Aber mit der ganzen Existenz erahnen stehen, was wir verdient haben, welche Fundraising, Souveräner Malteser-Ritter-Orden, wir das nur, wenn wir liebe Menschen Titel oder welches Prestige in der Gesell- Großpriorat von Österreich MMag. Dr. Andrea Taschl-Erber, Institut für Alt- verlieren. Und das war der Fall. Im Vater- schaft wir hatten. Kein Sterbender hat testamentliche Bibelwissenschaft der Universi- tät Graz unser, dem grundlegendsten gemeinsa- sich mit den Worten verabschiedet: Hät- Univ.-Prof. Dr. Markus Tiwald, Lehrstuhl Neues men Gebet aller Christen, heißt es an ei- te ich nur mehr gearbeitet oder mehr Testament, Kath. Theologie, Universität Duis- burg-Essen ner Stelle: „Dein Wille geschehe.“ Dieses verdient. Hand aufs Herz: Wer von uns Hannelore Trauner-Pröstler, Koordinatorin Kon- taktstelle Caritas Wien Gebet konnte und wollte ich lange nicht möchte der oder die Wohlhabendste am Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Weigl, M.A., Inst. mehr sprechen. Ob es Gottes Wille war, Friedhof sein? Vielmehr, meine ich, wird für Bibelwissenschaft – Altes Testament, Kath.- Theol. Fakultät, Universität Wien war mir offen gestanden egal. Bei allem, die entscheidende Frage lauten, ob wir Landau: Ingo Pertramer / Brandstätterverlag was sich dazu theologisch sagen lässt, aufeinander geachtet haben. Ob wir für- Redaktion. mit der Schöpfungsgeschichte begin- einander da waren. Ob wir als Menschen Redaktionsleitung: Mag. Birgit Staudinger Lektorat: Mag. Birgit Doblhoff-Dier, nend. Ich fand es damals einfach nur un- gelebt haben. Ostern ist kein fernes Fest. Mag. Karin Domany, Reinhard H. Gruber, gerecht, dass meine Mutter tot war. Ich Sondern es gewinnt in dieser Zeit wirk- Daniela Tollmann Redaktionsteam: Dompfarrer Toni Faber, wollte mir diesen „Willen“ nicht auf- sam, sichtbar Gestalt. Der Möglichkeit nach Diakon Erwin Boff, Mag. Karin Domany, zwingen lassen. Bis heute wünsche ich auch durch jede und jeden von uns. ■ Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein, Reinhard H. Gruber, Anneliese Höbart mir, es wäre anders und sie lebte. Ich www.caritashospiz.at Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 5
Vom Tod zum Leben Gibt es ein Leben vor dem Tod? Warum leben wir? Meister unter „Leben“ versteht. Und so Was ist der Sinn unseres Lebens? stellt er in derselben Predigt die Frage: Und welche Antworten auf die Ludger Schwien- „Was ist Leben?“ Seine Antwort lautet: Frage nach dem Tod finden sich horst-Schönberger „Gottes Sein ist mein Leben. Ist denn im Alten Testament? Von Ludger ist Professor für mein Leben Gottes Sein, so muss Gottes Schwienhorst-Schönberger Alttestamentliche Sein mein sein und Gottes Wesenheit Bibelwissenschaft meine Wesenheit, nicht weniger und „Warum lebst du? – Um des Lebens wil- an der Kath.-Theol. nicht mehr.“ len.“ Die Aussage könnte von einem reli- Fakultät der Eckharts Antwort auf die Frage: „Wa- gionslosen Zeitgenossen stammen, der Universität Wien rum lebst du“ und „Was ist Leben“ kann nur ein diesseitiges Leben kennt und kei- als ein Versuch gewertet werden, die on- ne Hoffnung auf ein Leben „nach dem berühmte erste Frage aus dem Katholi- tologische Struktur der biblischen Ant- Tod“. Tatsächlich jedoch stammt das schen Katechismus der Bistümer Deutsch- wort auf die Frage nach dem Sinn des Le- Wort von einem Dominikaner aus dem lands aus dem Jahre 1955 „Wozu sind wir bens freizulegen. Nach biblischer Tradi- Mittelalter, von Meister Eckhart, aus ei- auf Erden?“ lautet: „Wir sind auf Erden, tion ist ein Leben dann wahres Leben, ner seiner Predigten (Predigt 6). Ich lebe, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm wenn es in der Gegenwart Gottes gelebt um zu leben – diese Antwort dürfte vie- zu dienen und einst ewig bei ihm zu sein.“ wird. Wenn das Bewusstsein um die Ge- len unserer säkularen Zeitgenossen ge- – In dieser Antwort wird unser Leben auf genwart Gottes – aus welchen Gründen fallen, wird doch hier jedes vom Leben der Erde an einen Zweck gebunden, an auch immer, sei es verschuldet, sei es un- getrennte „um ... willen“ oder „um zu“ ein „um ... zu“. Ein solches „um ... zu“ verschuldet – schwindet, gerät das Le- abgelehnt. Meister Eckhart spricht von lehnt Meister Eckhart ab. Eckhart ver- ben in eine Krise. Leben in der Gegenwart Gottes Das Alte Testament predigt keine Jen- seitsreligion. Von einem Leben nach dem Tod, von Auferstehung und ewigem Le- ben ist in den meisten alttestamentli- chen Schriften keine Rede. Die grundle- »Warum lebst du? – gende Frage des Alten Testaments lautet nicht: „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“, sondern: „Gibt es ein Leben vor dem Um des Lebens willen.« Tod?“ Die Antwort: Es gibt ein Leben vor dem Tod, wenn es in der Gegenwart Got- tes gelebt wird: „Ich habe den HERRN Meister Eckhart beständig vor Augen, er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht“ (Psalm 16,8). Zerbricht das Bewusstsein von der Ge- genwart Gottes, ist der Fromme zutiefst verstört. Verfolgung, Krankheit und vor- zeitiger Tod können eine solche Krise auslösen: „Ich liege wach und ich klage einem Leben „ohne Warum“, und erst ein steht seine Antwort als Auslegung eines wie ein einsamer Vogel auf dem Dach“ solches Leben ohne Warum ist für ihn Wortes aus der Heiligen Schrift. Das (Ps 102,8). „Mein Gott, mein Gott, warum wahres und eigentliches Leben. Wort findet sich im Alten Testament, im hast du mich verlassen, bleibst fern mei- Die Antwort mag uns irritieren, er- Buch der Weisheit, und lautet: „Die Ge- ner Rettung, den Worten meiner Klage?“ warten wir doch bei der Frage nach dem rechten werden leben ewiglich, und ihr (Ps 22,2). Der Tod, so bezeugen es vor al- Schwienhorst-Schönberger Sinn des Lebens als Christen die Angabe Lohn ist bei Gott“ (Weisheit 5,16). lem die Psalmen, ragt mitten in das Le- eines Sinnes, der außerhalb unseres Le- Man kann die provokativ klingende ben hinein. Besonders in geschichtlichen bens hier auf Erden liegt und um des- Antwort Eckharts nur dann richtig ver- Krisenzeiten, wie der Religionsverfol- sentwillen wir leben. Die Antwort auf die stehen, wenn man erkannt hat, was der gung zur Zeit der Makkabäer, konnte die- 6 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Trost inmitten se Erfahrung bohrende Fragen hervorru- fen. Dabei zeigte sich durch krisenhafte von Trostlosigkeit Erschütterungen hindurch ein Weg, der Was tröstet, wenn menschliches Leben an seine Grenzen kommt? zu der Hoffnung und Gewissheit führte, Wenn Leid, Schmerz, Trauer, Verzweiflung und Aussichts losigkeit dass die im Leben erfahrene Rettung sich breit machen? Wenn Glaube und Vertrauen durch Gott auch vor jenen Verwerfun- in Gott zutiefst erschüttert werden? Von Michael Weigl gen bestehen kann, die das Gegenteil von dem zu sein scheinen, was unter Le- Trost – in einer medien- und konsumge- mein Volk“ – so ruft die Stimme in der ben zu verstehen ist. Allmählich kristalli- steuerten Gesellschaft ist dieses Wort Wüste dem geschundenen Jerusalem zu sierten sich verschiedene Vorstellungen schon fast aus unserem Wortschatz ver- von einer alle tödlichen Mächte über- schwunden. Unsere Welt des 21. Jahr- windenden göttlichen Rettung heraus. hunderts hält eine Überfülle anderer, Die wohl bekannteste ist die von der Auf- scheinbar besser geeigneter Vokabeln Michael Weigl ist erweckung der Toten: „Von denen, die im zum Ausdruck von Zuwendung, Anteil- außerordentlicher Land des Staubes schlafen, werden viele nahme, tatkräftiger Hilfe und emotiona- Professor für erwachen, die einen zum ewigen Leben, ler Stabilität bereit. Großkonzerne und Alttestamentliche die anderen zur Schmach, zu ewigem multinationale Unternehmen, soge- Bibelwissenschaft Abscheu“ (Daniel 12,2; vgl. Ezechiel 37,1- nannte „soziale Medien“, Internetplatt- an der Kath.-Theol. 14; Jesaja 26,19). Angesichts des Martyri- formen und jede Menge von zeitgemä- Fakultät der ums der sieben Brüder vor den Augen ih- ßen Zerstreuungen kanalisieren unser Universität Wien rer Mutter ruft einer der Söhne dem Konsumstreben, die Sehnsucht nach grausam agierenden König zu: „Du Un- menschlicher Gemeinschaft und sozia- (Jes 40,1), in einer wahrlich trostlosen Si- mensch! Du nimmst uns dieses Leben; ler Wärme, nach Geborgenheit geschickt tuation: Stadt und Volk sind zerstört, die aber der König der Welt wird uns zu ei- in die Richtung, die ihnen nützt: Trös- Bevölkerung ins babylonische Exil depor- nem neuen, ewigen Leben auferstehen tung durch Konsum, Selbstzentriertheit tiert, alles verloren, so scheint es. Da lassen, weil wir für seine Gesetze ge- und gesellschaftliche Ellbogentechnik spricht Gott den Elenden Tröstung zu, storben sind“ (2 Makkabäer 7,9). In ei- haben das zutiefst menschliche Bedürf- die sich auch ganz konkret äußert: Er nem der jüngsten Bücher des Alten nis instrumentalisiert, oft ohne, dass wir bricht die Pforten der Gefangenschaft Testaments wird sogar, ähnlich wie im dies selbst überhaupt noch wahrneh- auf, befreit sein Volk, führt es wie einst platonischen Phaidon, davon gespro- men. Oder sind es doch eher subtile Ver- beim Auszug aus Ägypten aus der Frem- chen, dass das Unglück, das über die tröstungen, die das intensivieren und de ins gelobte Land zurück und baut die „Seelen der Gerechten“ hereinbricht, perpetuieren, was sie eigentlich zu lösen verwüstete Stadt Jerusalem neu auf. Die sie letztlich nicht berührt: „Die Seelen vorgeben? „Opium für das Volk“ … billi- Zeit der Tristesse ist vorbei, was hoff- der Gerechten sind in Gottes Hand und ger Trost in einer trost-losen Welt. Das nungs- und trostlos war, ist gewendet, keine Folter kann sie berühren. In den hat Karl Marx im 19. Jahrhundert der Re- und Gott lässt allgemeinen Jubel aus- Augen der Toren schienen sie gestor- ligion vorgeworfen. Müssen aber nicht brechen, der im gesamten zweiten Teil ben, ihr Heimgang galt als Unglück, ihr eher wir uns selbst in den Spiegel schau- des Buches Jesaja (40-55) widerhallt. Scheiden von uns als Vernichtung; sie en? Denn wir selbst haben in den letzten Gottes Trost für uns bedeutet: Er setzt ei- aber sind in Frieden“ (Weisheit 3,1-2). zwei Jahrzehnten eine Welt der Ver-trös- nen radikalen, für alle erlebbaren Neube- Damit schließt sich der Kreis: „Du über- tungen geschaffen, an der unsere Ju- ginn in die Tat um, eine radikale Wende, lässt mein Leben nicht der Totenwelt; gend zerbricht! ein würdiger Anlass zum Jubel. Ähnli- du lässt deinen Frommen die Grube che Erfahrungen des Wieder-Auflebens nicht schauen. Du lässt mich den Weg Gott tröstet durch durch seine Tröstung finden sich in vielen des Lebens erkennen. Freude in Fülle die Wandlung der Welt (Jesaja) Schriften des Alten und des Neuen Tes- vor deinem Angesicht, Wonnen in dei- Aber was können Christen gegen die taments, immer wieder, und stets mit ner Rechten für alle Zeit“ (Ps 16,10-11). heutzutage erlebte Trostlosigkeit und ei- dem gleichen Effekt: Die trostlos ge- In der Kraft des Heiligen Geistes be- ne perspektivenlose Zukunft dagegen- scheiterten Menschen ermächtigt Got- kennt Petrus am Pfingstfest, dass die- halten? Nun, auch in der Bibel ist der tes Trost zum Neuen, zu Hoffnung, ja zu Weigl: privat ses Wort wahr ist (Apostelgeschichte Trost eine zentrale Kategorie, aber auf ei- Jubel – und die Menschen können dies 22,25-28). ■ ne ganz andere Art. „Tröstet, tröstet auch selbst an sich verspüren! Der ▶ Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 7
Vom Tod zum Leben ▶ Trost, den Gott schafft, ist eine Tat, nen Erklärungen dafür, weshalb er ins niemanden endgültig verloren gehen kein subjektives Glücksgefühl! Leid gefallen ist. Obwohl sie die theologi- lässt! Und tatsächlich – am Ende kann schen Lehrmeinungen der Zeit vorbrin- Ijob diesen Trost aus dem Munde Gottes Gott tröstet gen, vermögen sie weder Ijob zu trösten, annehmen, er ist, so sagt der Text wört- durch die rettende Tat (Ijob) noch sein Leid zu mildern. Für den ge- lich, „getröstet“ und gibt nach. Die theo- Keine andere Gestalt des Alten Testa- plagten Ijob sind sie „leidige Tröster“, die logisch geschulten Freunde – die Vertre- ments macht dies so deutlich wie der ihm eine Schuld einreden wollen, die ter der rechtgläubigen Lehre – weist Gott unschuldig leidende, fromme Mann Ijob. nicht auf ihm lastet: „Wie wollt ihr mich scharf zurecht: Ihre Lehren taugten nicht Er ist durch eine Intrige seines Widersa- mit Nichtigem trösten? Eure Antworten dazu, Ijob im Leid zu trösten, sie waren chers im Himmel ins Leid gestoßen wor- bleiben Betrug!“ (Ijob 21,34) bloß untaugliche, unsensible und un- den – und Gott hat es zugelassen. Er ist Ijob bleibt voller Geduld und beharrt barmherzige Ver-suche der Ver-tröstung ohne Schuld wie kein anderer vor oder auf seinem Recht. Er fordert immer vehe- angesichts des ungerechtfertigten Lei- nach ihm. Er hat Gott und die Fürsorge menter Gott zur Rechtfertigung, zur Er- dens: Auch die beste, gelehrsamste, re- für die Armen und Entrechteten zum klärung seines Leides auf, stellt Gott zur degewandteste Theologie kann billige Mittelpunkt seines Lebens gemacht. Er Rede. Und der erscheint Ijob an einem Vertröstung sein! Am Ende stellt Gott betet, erfüllt mehr als das Nötige an Punkt, wo bereits alles verloren scheint. Ijob vollkommen wieder her, macht ihn Frömmigkeit, und dennoch fällt er ins Gott rechtfertigt sich nicht für das uner- durch seinen Trost ganz und gar glück- Nichts: Seine Kinder, seinen Besitz, seine klärbare Leid, aber er macht es für Ijob er- lich. Alles löst sich zum Guten. Gesundheit – alles hat er verloren und träglich, er tröstet ihn mit dem Hinweis vertraut dennoch vollkommen auf Gott. auf seine universale Macht, seinen welt- Gott tröstet Seine „Freunde“, die herbeieilen, um ihn umfassenden Plan und den Hinweis auf durch das Leiden Jesu zu trösten, peinigen ihn mit verschiede- seinen tatkräftigen Trost, der nichts und Als Christen glauben wir, dass die letzte und tiefste Tröstung unserer Existenz mit dem Leiden, dem Tod und der Aufer- stehung Jesu geschehen ist. Ein zu Un- recht Leidender wie Ijob, ein an seiner Sendung bis zuletzt Festhaltender, ein ganz auf Gott Vertrauender: Er kann selbst in seiner Todesstunde noch zu Gott flehen und ihn zur Hilfe holen. Der Todesschrei Jesu verhallt im Himmel nicht ungehört. Gott erweckt ihn von den Toten, spendet seinen Trost durch die rettende Tat und schafft damit uns allen, die wir an ihn glauben, die letzte, ultimative, alles verändernde Tröstung. Im Leiden und der Auferstehung Jesu umfängt Gott alles Leid dieser Welt und wendet es radikal, auch wenn der Weg durch Leid und Tod hindurchführt: Wir sind von ihm durch seine rettende Tat ge- tröstet und hoffen darauf, dass diese Tröstung nach Ostern unser Leben er- fasst und durchflutet, und ausstrahlt in die so oft empfundene Trostlosigkeit un- serer gegenwärtigen Gesellschaften. ■ Ijob – der Mensch der klagt: „Dahin sind meine Tage, zunichte meine Pläne, meine Herzenswünsche. … Ich erhoffe nichts mehr“ Andreas Praefcke (aus Ijob 17,11-13). Am Ende tröstet Gott selbst ihn und wendet sein Geschick. Skulp- tur (1957) von Gerhard Marcks in Nürnberg
Über den Tod und das Leben danach Überlegungen über Abschiednehmen, Tod und die Unsterblichkeit der Seele von Martin Hofer Wer über ein Leben nach dem Tod nach- Unsterblichkeit der Seele wäre aber denkt, muss sich zuerst Gedanken über auch denkbar im Sinne einer ewigen den Tod machen. Wiederkehr des Gleichen. Hierfür maß- Michael Hofer ist Also: Was ist der Tod? Nur vor dem Hin- gebend ist lediglich die Annahme einer Professor für tergrund des Todes hat die Rede von einem anderen Zeitstruktur: an die Stelle einer Philosophie an der Leben danach einen ersten Sinn. Ist man Zeitlinie oder eines Zeitpfeils, der nach Theologischen nicht bereit, so etwas wie einen Tod anzu- vorne zeigt, tritt der Kreis. Wird die un- Fakultät der nehmen, dann würde es heißen, dass es sterbliche Seele als in solche Zeit einge- Katholischen immer so weiter geht. Endgültigkeit wäre spannt gedacht, heißt das, dass alles im- Privatuniversität kaum zu gewinnen bzw. – wenn man sich mer wieder kommt. Vermutlich ist man in Linz. davor scheut – leicht zu vermeiden. Mit dann gut beraten, sich mit Nietzsche an Endgültigkeiten, auch in einem vorläufi- die Maxime zu halten: Lebe so, dass du kann. Individuum meint aber im Tod ein gen Sinn, haben wir unsere Schwierigkei- wollen kannst, dass alles immer wieder unverwechselbares Gewordensein als ten. Nicht nur, dass wir uns nicht gerne so kommt. Person, und das hat sich immer nur mit festlegen wollen bzw. lassen, auch in an- Eine andere, damit in Zusammen- anderen ereignet. Auferweckung muss deren Zusammenhängen tun wir uns hang stehende Möglichkeit, die Unsterb- einerseits also mich, nicht irgendeine Ei- schwer damit: z.B. beim Verabschieden. lichkeit der Seele zu denken, liegt darin, genschaft an mir oder so etwas wie ein Man bricht zu einer Reise auf, am Flugha- eine Seelenwanderung anzunehmen: Die allgemeines Bewusstsein meinen, zu- fen verabschiedet man sich, und ein paar Seele nimmt, v.a. zu Läuterungs- bzw. Ver- gleich gehört zu mir aber auch eine gan- Minuten später wird vielleicht der Kontakt vollkommnungszwecken, unterschiedli- ze Welt von Beziehungen. Wenn man an fortgesetzt per SMS und der Abschied ge- che Gestalten an, bis sie sich aus dem Rad Auferweckung glaubt, sollte man dann wissermaßen revidiert. In einem endlosen der Zeit lösen kann. Vorstellungen dieser nicht auch darüber nachdenken, dass Weitergehen könnte alles immer wieder Art begegnen im Raum asiatischer Reli- dies dann alle betrifft, die zu mir und revidiert werden. giosität, auch im antiken Griechenland meiner Welt gehören: also nicht nur die, Wäre dann nicht umgekehrt Endlich- war diese Vorstellung verbreitet. die mir nahe sind, sondern auch die, mit keit geradezu die Ermöglichung von Be- denen mir der Umgang schwer fällt? deutsamkeit? Ich habe diesen und jenen Wer oder was stirbt? Wäre eine Dimension der Erlösung dann Entschluss gefasst und bin – in meinem Für das Christentum leitend war aller- auch, das Loslösen von unguten Konstel- Leben, bis zum Tod – dabei geblieben. Ich dings die Erfahrung, dass man stirbt – lationen zu erhoffen? ■ habe mich über die Jahre in diese und je- also du, alle anderen und wohl auch ich, ne Richtung entwickelt und bin – im Tod und dass das tatsächlich ein Ende be- Wer über ein Leben nach dem Tod – so und so geworden (durch meine Be- deutet. Unwiderruflich. Diese Erfahrung nachdenkt, muss sich zuerst rufswahl, durch meine Lebensform…). lässt erkennen, wie man sich selbst ver- Gedanken über den Tod machen. Der Tod steht in dieser Hinsicht dann für steht: als Person, d.h. als handlungsfähi- Endgültigkeit und Nichtrevidierbarkeit. ges und damit verantwortliches Lebewe- Aber selbst, wenn man den Tod als sen, das sich selbst bestimmen kann und Ereignis einräumt, ist die Vorstellung, dafür gegebenenfalls auch eintreten dass es im ewigen Leben immer so wei- muss. Das unterscheidet Personen von ter – wie bisher auf Erden – geht, nicht Dingen oder auch Tieren. Damit einher gebannt. Etwa wenn man den Tod nur geht auch die Selbstauffassung von uns als einen relativen Einschnitt, wie ande- als Individuen: einzigartig und insofern re Einschnitte (Schulabschluss, Führer- unersetzbar. Wenn ein Mensch stirbt, schein etc.) auch, ansieht, also als bloße geht eine ganze Welt unter; also ein gan- Hofer: privat | Rudolf Ortner/pixelio.de Veränderung. Woody Allen warf ange- zes Netz an Beziehungen zu anderen in sichts eines so verstandenen Jenseits die dieser Welt als auch eine Verstehbarkeit trefflichen Fragen auf: Ihn interessiere dieses Gefüges wird zerrissen. daran nur, wie weit dieses Jenseits vom Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Zentrum entfernt sei und welche Öff- Unsterblichkeit dann nur als individuelle nungszeiten es habe. Unsterblichkeit in den Blick kommen Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 9
Vom Tod zum Leben Die Pilgerfahrt nach Hause Wohin sind wir unterwegs? Wohin zieht es uns, wenn das Leben an seine Grenze kommt? Gedanken von Michael Prüller „Ich will nach Hause!“, hat meine Mut- kommen. „Auch zuhause habe ich Heim- ter geradezu befohlen, als sie sterbens- weh“, sagt Gilbert K. Chesterton. Die krank, von einem wunderbaren Pallia- glücklichen Momente des Ganzseins tiv-Team betreut, im Krankenhaus lag. sind nur Momente. Nicht einmal die Lie- Nachdem sie wochenlang abgeklärt be füllt uns ganz aus. Der römische Dich- und in größter Ruhe ihr Schicksal ertra- ter Catull hat das um 60 vor Christus in gen hatte, war sie auf einmal rastlos, Michael Prüller ist den Seufzer gefasst: „Odi et amo. Quare fast panisch in ihrem plötzlichen Drang Kommunikations- id faciam, fortasse requiris: Nescio, sed aufzubrechen. Ich frage mich seitdem, chef der fieri sentio et excrucior.” (Ich hasse und welches Zuhause sie eigentlich gemeint Erzdiözese Wien liebe. Warum ich das tue, fragst du viel- hat. leicht. Ich weiß es nicht, aber ich spüre, Ihr Wohnhaus im Mostviertel? Oder Nicht ins Ungewisse gehen wir – dass es geschieht – und es martert mich.) das böhmische Zuhause ihrer Kindheit, aber wo ist zu Hause? Manche vermu- Als ich das, 40 Jahre nach meiner aus dem sie 1945 als 16-Jährige vertrie- ten, Novalis meine das verlorene Para- Schulzeit, wiedergelesen habe, hat mich ben wurde, und das auch später immer dies der Kindheit. Dabei sagt schon zehn das letzte Wort gepackt: excrucior – ich „Zuhause“ hieß: „zu Hause hatten wir…“? Kapitel vorher ein Einsiedler dem Pilger: werde gemartert. Es kommt vom Wort Oder hat sie das endgültige Zuhause ge- „Wenn euer Auge fest am Himmel haf- „crux“, vom Kreuz. Der Mensch wird ans meint? Hatte sie erfasst, was uns ande- tet, so werdet ihr nie den Weg zu eurer Kreuz geschlagen – durch seine eigene ren noch nicht klar war, dass ihre krebs- Heimat verlieren.“ Zerrissenheit und durch die brutalen kranke Tochter, meine Schwester Moni- Versuche anderer, ihre Zerrissenheit zu ka, auch schon dem Tod nahe war? Mei- Ausgesetzt auf den bewältigen. So, dass die Menschen nicht ner Mutter hätte es das Herz zerrissen, Bergen des Herzens nur auf den Bergen ihres Herzens ausge- wenn ihre Tochter sie auf dem letzten Ein endgültig bergendes Zuhause – die setzt sind, sondern auch in Sperrholz- Weg überholt hätte, und dann auf der Sehnsucht danach entspricht unserer booten auf dem Mittelmeer oder einem anderen Seite niemand da gewesen wä- Angst vor dem Tod, vor dem physischen missbrauchenden Erwachsenen oder re, der sie in Empfang nimmt. und dem sozialen Ausgelöschtwerden. mobbenden Kollegen und vielem ande- Ich denke, meine Mutter wollte ganz Vor dem Schrecken, für niemanden mehr ren mehr. nach Hause, in eine der Wohnungen „im ein Jemand zu sein. Diese Angst ist die Doch wenn wir schreien: „Das Leben Haus des Vaters“. Um dort sozusagen für Grundstimmung der gefallenen Welt. schlägt mich ans Kreuz!“, dann antwor- die Ankunft ihrer Monika ein Bett zu Schon als kleine Kinder beginnen wir, an tet Christus: Dann bin ich ja bei dir. Wir überziehen und ein Essen vorzubereiten. dieser Angst wund zu werden, und erle- stehen das gemeinsam durch. Bis wir zu Sie starb dann sehr bald, genau vier Wo- ben uns als halb und zerrissen. Wir erle- Hause sind. ■ chen vor ihrer Tochter. Und wenn je- ben uns, wie es in dem Gedicht von Rai- Über das Jahresmotto 2018 von Radio mand Monika in ihren letzten Tagen ner Maria Rilke heißt: „ausgesetzt auf Maria, „Komm nach Hause“, hat Michael fragte, ob das Sterben sie erschrecke, den Bergen des Herzens“, „ungeborgen…“. Prüller im Jänner bei Radio Maria einen antwortete sie: Ihre Mutter sei ohne Nicht einmal das eigene Heim, das Impulsvortrag gehalten (http://www. Angst gestorben, „also muss ich auch wir uns schaffen, lässt uns ganz zur Ruhe radiomaria.at/player3.php?s=17838). keine haben.“ Daran hat mich vor wenigen Tagen Prüller: Stephan Doleschal | Frank Hollenbach/pixelio.de das Wort von Papst Benedikt erinnert, dass er nun „auf der Pilgerfahrt nach Hause“ sei. Dieses Wort ist gut und alt. So fragt im Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“ des Romantikers Nova- lis aus dem Jahr 1800 der Pilger die ge- heimnisvolle Zyane: „Wo gehn wir denn hin?“ und erhält die berühmt geworde- Wohin zieht es uns, ne Antwort: „Immer nach Hause“. wenn unser Leben verblüht ist? 10 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan ·
»Vergesst die Osterkerze nicht!« Diese berühmten Worte hinterließ Kardinal Franz König in seinem Testament. So hatte er auch noch in seinem Testament eine kleine Katechese gegeben und den Zusammenhang zwischen dem Fest der Auferstehung und dem Begräbnis deutlich aufgezeigt. Pfarrer Andreas Kaiser über das Fest der Auferstehung und die Zeichen und Symbole, die bei der Begräbnisfeier daran erinnern Die Osterkerze, jene Kerze, die Christus schaft konfrontiert. Es ist eine Situation, chen, erinnern uns damit an unsere Tau- das Licht symbolisiert, wird in der Oster- in die sich die Trauergemeinde gut ein- fe, an die Zusage Jesu – ich bin immer nacht in den dunklen Dom getragen mit fühlen kann: Auch sie eilt zum Grab, um bei dir, auch durch den Tod hindurch hi- dem so hoffnungsvollem Gesang des Dia- einen letzten Dienst an einem geliebten nein in die Auferstehung. Nun bekommt kons: „Lumen Christi“ – „Christus das Menschen zu vollziehen: die Beerdigung. der Verstorbene diese Zusage zum letz- Licht“. Kaum vermag die kleine Flamme Auch die Hinterbliebenen sind vielfach in ten Mal zugesprochen. „Im Wasser und das Dunkel des großen Domes zu erleuch- einer Dunkelheit, in der Dunkelheit der im Heiligen Geist wurdest du getauft, ten, und doch spüren alle: hier beginnt Trauer. Aber der Evangelist Markus deutet der Herr vollende an dir, was er in der das Licht der Hoffnung hereinzudringen es an, dass das Licht der Hoffnung diese Taufe begonnen hat.“ Wir beten somit: und die Dunkelheit zu durchleuchten. Wo Dunkelheit bereits durchbrochen hat – Vollende Jesus, was unvollendet geblie- ist die Osterkerze, die Hoffnungskerze, bei „In aller Frühe, als eben die Sonne auf- ben ist. Nimm uns mit hinein in deine unseren Beerdigungen? Die sogenannte ging“ (Markus 16, 2) kamen sie zum Grab. Auferstehung, auf dem Weg hinein in „Lebenskerze“ symbolisiert das Symbol Die Sonne der Hoffnung beginnt herein- Gott. der Osterkerze. Mehr und mehr beginnen zudämmern in die Dunkelheit der Trauer. Bestattungen diese Hoffnungsgedanken Auch in unseren Begräbnisfeiern soll die- Leib als Begegnungsort mit Gott des Lichtes aufzugreifen und manchmal – ser Hoffnungsstrahl der Auferstehung Dann sollte der Sarg mit Weihrauch in- mit einer großen Zahl an Kerzen rund um durch die Traurigkeit der Trauer und des zensiert werden: ein letztes Zeichen der den Sarg – dies auch auszudrücken. Bei Abschiedes hindurchbrechen. Der Hoff- Ehrerbietung für den Leib. „Dein Leib war dieser Vielzahl von Kerzen ist das Wort nungsstrahl der auch durch das Evangeli- Kardinal Königs noch bedeutsamer: „Ver- um, das Wort Gottes, scheint. gesst die Osterkerze nicht!“ Jene Licht- quelle, die auf das wahre Licht der Hoff- Gott vollende den Weg, nung hindeutet. den er in der Taufe mit uns begonnen hat Das Licht der Hoffnung, Seit früher Zeit wird in der Osternacht- Andreas Kaiser das die Dunkelheit feier getauft, und wir erneuern unser ist Pfarrer der Traurigkeit durchbricht Taufversprechen. In den alten großen der Pfarre In der Osternacht folgt nach der Lichtfeier Baptisterien stieg der Taufkandidat über Ober St. Veit der Lesegottesdienst, in dem versucht Stufen im Westen des Taufbeckens in in Wien wird, Gottes große Taten durch die Ge- das Wasser. Das dreimalige Untertau- schichte hindurch zu erzählen. Jene Ta- chen (oder Übergießen) im Wasser bei Gottes Tempel, der Herr schenke dir die ten, die auf das hoffnungsbringende Er- der Taufe deutete die Auferstehung mit ewige Freude,“ wird dabei gesprochen. eignis hinweisen – die Auferstehung Jesu. Jesus an. Der Kandidat kam aus dem Dun- Tempel des Heiligen Geistes zu sein (vgl. Bei der Begräbnisfeier wird auch eine klei- kel des Todes in ein Leben mit Christus 1 Kor 6,19) – welch große Zusage. Wir ne Perikope aus der Bibel, meist aus den an. Über die Stiegen an der Ostseite des sind nicht irgendwann dann einmal fä- Evangelien, gelesen. Die vorgeschlagenen Taufbeckens verließ der Getaufte nun hig mit Gott in Beziehung zu treten, son- Texte sind durchwegs Hoffnungstexte, wieder das Taufbecken. Es wurde deut- dern schon hier und jetzt. Der Leib als welche die Zuversicht der Auferstehung lich, dass wir „mit Christus begraben Tempel, also auch als Begegnungsort durch die Trauer hindurchscheinen lassen sind und mit ihm auferstehen werden“ Gottes mit seiner Welt. Und wie hoff- wollen. Wenn es der Zeit und dem Trauer- (vgl. Kolosser 2,12). Der Tod ist der Ernst- nungsvoll ist die Bitte: „Der Herr schenke fall entspricht, bietet sich natürlich an, ei- fall, der unser Vertrauen prüft, ob wir ihn dir ewige Freude!“ Nicht ein ewiges ne der Auferstehungsperikopen aus der auch annehmen können. Daher wird der Nichts, nicht ein „Aus und Vorbei“ – son- Osternacht zu lesen wie zum Beispiel Sarg nun mit Weihwasser, mit Taufwas- dern Freude, und diese ungetrübt und Markus 16, 1-7. Die Frauen eilen zum Grab ser besprengt. Unzählige Male tauchen ewig, weil wir in dem Leib ankommen Kaiser: privat Jesu und werden dort – aus dem leeren wir im Lauf des Lebens unsere Finger in dürfen, der uns ganz in Gott leben und Grab heraus – mit der Auferstehungsbot- das Weihwasser, machen ein Kreuzzei- sein lässt, ruhig sein lässt. ▶ Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 11
Vom Tod zum Leben ▶ Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Gott „Herr gib unseren Verstorbenen die ewi- Alles hat seine Stunde ge Ruhe, und das ewige Licht leuchte ih- Wenn ein Mensch stirbt, tut sich eine Lücke im Netz unserer Beziehungen nen.“ So beten wir am Schluss des Be- auf. Mit diesem Verlust umzugehen ist ein Entwicklungsprozess gräbnisses. Eine ewige Ruhe ist aber der Seele. Brigitte Ettl über bestimmte Zeiten und Phasen in der Trauer nicht ein ewiges Schlafen, sondern das Sein können in der Vollendung. Also wie- Eine Lücke im Netz Lücke im Netz unserer Beziehungen. Ver- der ein Auferstehungshinweis. „Unruhig unserer Beziehungen trautes ist plötzlich nicht mehr da, die Si- ist unser Herz, bis es ruht in dir, oh Gott.“ „Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe cherheit musste der Instabilität Platz Dieser bekannte Satz des Heiligen Au- zahlen!“ hat die Psychotherapeutin und machen. gustinus soll für den Verstorbenen nun Frankl-Schülerin Dr. Elisabeth Lukas for- Je näher uns der oder die Verstorbe- Wirklichkeit werden. Ein ruhiges, ruhen- muliert. Damit verdeutlicht sie den ne stand, desto größer ist die Verunsi- des Herz, das in Gott ruhen kann. Erfüllt Spannungsbogen der Trauer: Jetzt ist cherung auch im Hinblick auf unsere ei- sein kann. Leben und lieben kann. „Herr „ein Preis zu zahlen“, das heißt, jetzt ist gene Persönlichkeit. Wer bin ich, wenn gib ihm die ewige Ruhe und das ewige Schmerz, Verzicht, Leid. Doch dafür ha- ich jetzt nicht mehr Tochter, Partner, Licht leuchte ihm.“ Nochmals wird am ben wir vorher etwas bekommen: wir Freundin, Bruder oder Schwester dieses offenen Grab der Hinweis auf die Oster- durften einen Menschen schätzen und Menschen bin? Im ersten Moment ist kerze, das ewige Licht, Christus selbst, lieben. Die Begegnungen mit diesem das Gefühl da, auch einen Teil der eige- zugesprochen. „Vergesst die Osterkerze Menschen haben unser Leben berei- nen Identität verloren zu haben. nicht!“, denn Christus hat den Tod be- chert, haben unser Leben kostbar ge- siegt – Halleluja. ■ macht. Wie eine lange Wanderung Diese Begegnungen waren wertvoll - Die Neuausrichtung des eigenen Lebens und diesen Wert haben wir nun verloren. ist jetzt vergleichbar mit einer langen Egal ob der Abschied zu erwarten war Wanderung. Das Ziel ist klar, es geht um oder aus „heiterem Himmel“ kam, der die Wiedererlangung der Lebensfreude, Verlust dieses Menschen führt zu einer um einen zuversichtlichen Blick in die In der Trauer nicht alleine An wen kann sich die Mutter sen Schritt damit, dass „auch Trauernde wenden, die über den Tod ihres Menschen in Not sind.“ erwachsenen Sohns nicht hin- Die Kontaktstelle Trauer arbeitet auf wegkommt? Wo kann die junge mehreren Ebenen und bietet Trauerbe- Frau, deren Freund tödlich gleitung der unterschiedlichsten Art an. verunglückt ist, über den Verlust Bei einem Erstgespräch sucht man die sprechen, wenn ihr Umfeld für den trauernden Menschen beste Art findet, sie sollte langsam wieder der Begleitung. Die Angebote der Kon- ins Leben zurückfinden? taktstelle Trauer: Trauergruppen für El- tern, für junge Menschen nach dem Ver- Trauernde Menschen, die vom Tod einer lust des Partners, für Angehörige nach nahestehenden Person betroffen sind, einem Suizid, für Jugendliche, die ein El- erhalten in der Kontaktstelle Trauer der ternteil verloren haben und viele mehr. Caritas der Erzdiözese Wien Beratung Außerdem bietet die Kontaktstelle Wan- und Begleitung durch ein multidiszipli- dertage und Spaziergänge für Trauernde Franz Josef Rupprecht/kathbild.at näres Team aus haupt- und ehrenamtli- sowie Kreativgruppen. Bei Bedarf gibt es Die Osterkerze bei unseren Trauerfeiern chen MitarbeiterInnen. auch Einzelbegleitung. ist Zeichen dafür, dass der Hoffnungs- Die Kontaktstelle Trauer wurde 2005 Zusätzlich bietet die Kontaktstelle strahl der Auferstehung durch als erste ihrer Art gegründet. Caritasprä- Trauer Ausbildungen im Bereich Trauer- die Traurigkeit der Trauer und des sident DDr. Michael Landau war dies ein begleitung an. In einem von der Bundes- Abschiedes hindurchbrechen soll. besonderes Anliegen, er begründete die- arbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung 12 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Zur Gänze hört Trauer nie auf, doch Wegbegleiter zu suchen. BeraterInnen Brigitte Ettl ist das Gute an dem Gefühl der Trauer ist, oder SeelsorgerInnen können helfen, Psychotherapeu- dass daneben auch positive, nährende durch ihre Fragen wieder ein wenig tin, dipl. Ehe-, Gefühle möglich sind. Sobald die erste Struktur in diese Verwirrung aus Angst, Familien-, Lebens- Schockphase, das Nichtwahrhaben Zorn, Verzweiflung, Wut, etc. zu brin- und Sozialberate- wollen, vorüber ist, kann neben der gen. rin, Lehrthera- Schwere auch wieder eine gewisse So gelangt man dann immer wieder peutin für Leichtigkeit spürbar werden. Der Weg auf eine Ebene des ruhigeren Schmer- Existenzanalyse führt dann eine Weile über ein Plateau, zes. Vielleicht führt der Weg jetzt auch und Logotherapie doch wie bei vielen Weitwanderungen zu tatsächlichen Plätzen, die für die Be- kann dann plötzlich wieder ein Abstieg ziehung wichtig waren. Schön ist es, Zukunft, der beim Gipfelkreuz wieder in einen dunklen Graben erforderlich wenn es immer mehr gelingt, die ver- den großen Horizont eröffnet. Am Be- sein: es beginnt wiederum ein intensi- storbene Person zu einem inneren Be- ginn dieses Weges ist allerdings völlig of- ves Hadern mit dem Schicksal. Warum- gleiter zu machen. Sie bekommt damit fen, wie lange er dauert. Entgegen man- Fragen, die nicht beantwortet werden einen neuen guten Platz im Leben. Und cher Meinungen, die Trauer als Arbeit se- können, quälen die Seele. Schlafstörun- so geht der Weg langsam Richtung Gip- hen, was bedeuten würde, je intensiver gen, Appetitveränderungen, Konzentra- fel – es kommen immer mehr sonnige ich mich darauf einlasse, umso früher tionsprobleme sind die Folge und rau- Abschnitte, die wieder Freude machen. habe ich diese Durststrecke wieder hin- ben die ohnedies kaum vorhandenen Die Aufmerksamkeit richtet sich auf ter mir, ist Trauer ein Entwicklungspro- Kräfte. Besonders belastend ist es, neue Lebensinhalte, die Trauer wird im- zess der Seele, der nicht künstlich be- wenn in der Beziehung zu dem verstor- mer mehr zur liebevollen Erinnerung. schleunigt werden kann. Auch Verglei- benen Menschen etwas offengeblieben Aus der Schwere wächst ein Gefühl der che mit anderen Menschen sind nur sehr ist, wenn neben der Trauer auch Dankbarkeit für die gemeinsam ver- begrenzt hilfreich. So wie jeder Mensch Schuldgefühle mitgetragen werden. brachte Zeit, für schöne Erlebnisse, die einmalig und einzigartig ist, so dauert Gerade in diesen Abschnitten, die ja auch im eigenen Erfahrungsschatz un- auch der Weg aus der intensiven Trauer auch immer wiederkehren können, verlierbar geborgen sind. ■ unterschiedlich lange. kann es entlastend sein, sich Profis als (BAT-www.trauerbegleiten.at) anerkann- sche Behelfe, Trosthandreichungen, In- die immer aktuell bleibt: „Trauer hat vie- ten Curriculum setzen sich die Teilneh- formationsmaterial und Unterlagen zur le Gesichter. Sie hat kein klar prognosti- merInnen mit Abschied, Tod und Trauer Begleitung trauernder Menschen er- ziertes Ablaufdatum. Trauern braucht auseinander und werden so befähigt, stellt. Die Öffentlichkeitsarbeit ist der Zeit.“ ■ andere Menschen im Trauerprozess zu Kontaktstelle Trauer ein besonderes An- begleiten. liegen, denn Trauernde stoßen oft auf Ehrenamtliche TrauerbegleiterInnen Unverständnis. Die Kontaktstelle Trauer sind auch in Pfarren tätig. Unterstützt will ein Bewusstsein für die unterschied- von der Kontaktstelle schaffen sie in den lichen Bewältigungsstrategien Trauern- Pfarren Orte, wo sich Trauernde austau- der schaffen. schen können und so einander Halt ge- Dazu kommen der fachliche Aus- ben. Früher waren Menschen oft stärker tausch und die Vernetzung mit anderen in der Kirche beheimatet. Heute bleiben Organisationen. Die Kontaktstelle Trauer viele nach dem Begräbnis eines Angehö- versteht sich als Schnittstelle vieler Ein- rigen alleine und haben keine schützen- richtungen und Organisationen: Krisen- de Gemeinschaft mehr, die ihnen vieles interventionszentren, Ärzte, Hospize, öf- abnimmt. fentliche Stellen, etc. Ettl: Foto Wilke /Mediendienst.com | Caritas Neben der Trauerbegleitung und Jetzt, im 13. Jahr ihres Bestehens, ist Kontaktstelle Trauer Ausbildung ist es die Aufgabe der Kon- die Kontaktstelle Trauer eine fixe Institu- PfarrCaritas und Nächstenhilfe taktstelle, Trauer in der Öffentlichkeit tion mit einer Vielzahl von Gruppen und 1010 Wien, Stephansplatz 6/1/2 sichtbar und verstehbar zu machen. Mit- Angeboten, mit einer neuen Generation kontaktstelletrauer@caritas.wien.at arbeiterInnen halten Vorträge in Pfarren von AbsolventInnen des Trauerlehrgangs Leitung: Poli Zach-Sofaly und beraten Gemeinden im Umgang und einer Vernetzung über die Grenzen Tel.: 0664/848 25 17 od. 01/515 52-3099 mit Trauernden. Weiters werden liturgi- Österreichs hinaus. Und einer Botschaft, Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 13
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