Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan

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Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
73. Jahrgang · Nr. 1 · Ostern 2018

   Pfarrblatt

  Vom Tod zum Leben
Schwerpunkt        Leid. Schmerz. Tod. Trauer. Trost. Auferstehung
Dompfarre          Mysterium des brennenden Herzens · Einkehrnachmittag · Blitzlichter
Spirituelles       Heilige Maria Magdalena · Ostermontag im Heiligen Land
Literatur          Der Kaiser und sein Grabmal · Als Pfarrerlehrling in Mistelbach
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Inhalt                                      Editorial
■ Editorial                            2
■ Wort des Dompfarrers
■ Am Ende hat nicht der Tod,
                                       3
                                            Tod als Teil des Lebens
  sondern das Leben das letzte Wort 4                                                      beschrieben: „Einen Menschen lieben,
■ Gibt es ein Leben vor dem Tod?       6                                                   heißt sagen: du wirst nicht sterben.“
■ Trost inmitten von Trostlosigkeit 7
■ Über den Tod und                                                                         Trauer und Trost
  das Leben danach                     9                                                   So natürlich und manchmal erlösend der
                                                                                           Tod am Ende eines erfüllten Lebens er-
■ Die Pilgerfahrt nach Hause         10
                                                                                           scheinen mag, so gibt es auch die andere
■ »Vergesst die Osterkerze nicht!« 11
                                                                                           Erfahrung: Leid, Krankheit und Tod bre-
■ In der Trauer nicht alleine        12                                                    chen völlig unerwartet mitten ins Leben
■ Alles hat seine Stunde             12                                                    herein. Welchen Trost gibt es dann? Was
■ Muss ich denn sterben                                                                    kann Kraft und Zuversicht spenden?
  um zu leben?                       14                                                        Dieses Oster-Pfarrblatt lädt ein – in-
■ Worte, die Kraft geben             14                                                    nerlich etwas beim Karfreitag und Kar-
■ Von »größter Pein«                                                                       samstag verweilend – über die Erfahrung
  und »ewig’selig Leben«             16     Der Geruch des Todes ist meiner Nase           und die Radikalität des Todes nachzu-
                                            von Kindheit an vertraut. Und dafür bin        denken. Der christliche Auferstehungs-
■ Malteser Friedhofsbegleitdienst 17
                                            ich dankbar. In meiner Familie wurde der       glaube blendet den Tod nicht aus, er gibt
■ Lachen – mitten in Leid
                                            Tod nie tabuisiert. Ich erinnere mich,         Schmerz und Trauer entsprechend Zeit
  und Schmerz?                       18
                                            dass ich bereits als kleines Kind zu Ster-     und Raum. Unser Glaube vertröstet
■ Kindern Trauer zutrauen            18     benden mitgenommen wurde. Auch                 nicht vorschnell auf ein Leben nach dem
■ Was schenkt mir Trost                     wenn dann die vertrauten Gesichter –           Tod, das Osterfest aber schenkt uns Per-
  und Zuversicht?                    20     meist ohne Zähne, mit zerzaustem Haar,         spektiven.
■ Auferstehung –                            eingefallenen Wangen und tief liegen-              Die Auseinandersetzung mit dem
  eine »leere Verkündigung«?         23     den Augen – etwas entstellt waren, so          Tod eröffnet einen neuen Blick auf das
■ Kaum zu glauben:                          war doch immer selbstverständlich, dass        Leben: Wofür leben wir? Und wie leben
  »Auferstehung«                     24     dieser Anblick für jeden zumutbar ist          wir? Was bleibt? Das letzte Hemd hat
■ Mysterium des                             und dass diese Personen in ihren letzten       bekanntlich keine Taschen. Wir können
  brennenden Herzens                 26     Tagen besonders der liebevollen Zuwen-         von dieser Welt nichts mitnehmen. Der
■ Fastentuch                         28     dung bedürfen. Nur weil das Äußere ei-         Theologe Karl Rahner schreibt über das
                                            nes Menschen hinfällig geworden ist,           Sterben:
■ Kunstinstallation im Dom
                                            hat er dennoch nichts an seiner Würde              „Am Ende geht man mit leeren Hän-
  »jetzt jetzt jetzt«                29
                                            verloren.                                      den fort, ich weiß es. Aber so ist es gut.
■ Diakon Peter Schwarz               29
                                                Dieser sehr natürliche Umgang mit          Dann schaut man auf den Gekreuzigten.
■ Mitarbeiterausflug                 30     dem Tod hat mich zeitlebens geprägt. So        Und geht. Was kommt, ist die selige Un-
■ Einkehrnachmittag                  31     durfte ich auch als 15-Jährige am Sterbe-      begreiflichkeit Gottes.“
■ Blitzlichter aus St. Stephan       32     bett meiner Großmutter sitzen und ihr              So dürfen wir uns von dem Vertrauen
■ Chronik                            34     bei ihren letzten Atemzügen die Hand           Jesu am Kreuz inspirieren lassen: „Vater,
                                            halten. Als ich nach einiger Zeit vorsichtig   in deine Hände lege ich meinen Geist“
■ Maria von Magdala                  35
                                            wagte, ihre Hand loszulassen, spürte ich,      (Lk 23,46) – am Ende jedes Tages und
■ Ostermontag im Heiligen Land 36
                                            dass der Rest ihres Körpers schon abge-        auch unseres Lebens. Ostern ermutigt,
■ Als Pfarrerlehrling in Mistelbach 38      kühlt war. Nur die Hand, die ich gehalten      den Tod als Teil des Lebens anzunehmen,
■ Der Kaiser und sein Grabmal        38     hatte, war noch ganz warm. Diese Berüh-        Trauernde und Leidende am Ende in ih-
■ Steffl                             39     rung mit dem Tod war ein sehr bewegen-         rem Schmerz nicht allein zu lassen und
■ Termine                            40     der Moment für mich: die Erfahrung,            offen zu sein für die Begegnung mit dem
                                            dass die Liebe, die wir Menschen einan-        Auferstandenen. „Christus ist auferstan-
■ Termine Karwoche und Ostern        42
                                            der schenken, Wirkung zeigt – über den         den. Er ist wahrhaft auferstanden!“
■ Schutzpatron der Riesenorgel       44
                                            Tod hinaus. Wir können unsere Lieben
■ Gewinnspiel                               nicht festhalten, wenn sie uns verlassen,
                                                                                                                                        Martin Staudinger

  »Jesus Christ Superstar«           45     aber in unseren Herzen leben sie weiter.
■ Zum Nachdenken                     48     Der französische Philosoph Marcel Ga-
■ Impressum                          48     briel hat diese Erfahrung wunderschön             Ihre Birgit Staudinger

2 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Wort des Dompfarrers

              Liebe Freunde!
                                                            gerade auch im theatralischen und fast        auf die Titelseite unseres Pfarrblattes zu
                                                            rauschartigen Kunstritual. Vor allem sein     setzen. Fast wie bei einem Flügelaltar
                                                            synkretistisches Vermengen des bacha-         lädt uns der Künstler ein, bei den Zei-
                                                            nalen Festes mit einzelnen uns lieb und       chen des blutigen Martyriums nicht ste-
                                                            heilig gewordenen vertrauten liturgi-         hen zu bleiben, sondern über die Bahre
                                                            schen Paramenten haben viele Kritiker         und das blutbefleckte kreuzesförmige
                                                            immer wieder verstört. Die Macht des          Malhemd hinaus in das sonnengefärbte
                                                            Lebens, die würdevolle Hochschätzung          Licht der Auferstehung einzutreten. Viel-
                                                            des Blutes als weihe- und kraftvoller Le-     leicht wird der eine oder andere an ei-
                                                            benssaft im Judentum und die rituali-         nem Detail hängenbleiben, wie es mir
                                                            sierte christliche Opfertheologie mit ih-     oft bei Domführungen für Kinder pas-
                                                            rer unblutigen Erneuerung des Kreuzes-        siert, wenn manche Kinder nichts so
                                                            opfers in jeder heiligen Messe sollten Be-    sehr interessiert wie die grauslichsten
                                                            rührungspunkte sein, die mich seit über       Details der auf den Altären und Figuren
              Der österreichische Künstler Hermann          35 Jahren immer wieder neu in der Kunst       dargestellten Marterinstrumente der
              Nitsch ist und bleibt für viele umstritten.   von Hermann Nitsch nach Antworten             heiligen Märtyrer. Aber wahrzunehmen
              Ich hatte das Glück, ihn schon im Gym-        rund um die Fragen von Leben und Tod          und auszuhalten, dass ein Künstler sich
              nasium im Rahmen meines Unterrichts           suchen lassen.                                auch aus dem christlichen Ritualschatz
              in Künstlerischer Erziehung zu studieren                                                    bedient, um seinen Zugang zu Leben
              und dann auch persönlich kennenzuler-         Vom blutigen Martyrium                        und Tod zu finden, kann durchaus auch
              nen. Besuche seiner Ausstellungen und         ins Licht der Auferstehung                    für uns gläubige Christen einen Mehr-
              auch seiner Wirkungsstätte in Schloss         Wie in seiner Kunst scheint ja vieles in      wert darstellen. Jeder von mir durchge-
              Prinzendorf im Weinviertel haben in mir       unserem Leben einfach nur hingeschüt-         betete Kreuzweg ist so wie jede heilige
              das Bild eines Künstlers geprägt, der vor     tet oder gar ausgeschüttet zu sein und        Messe eine Einladung das uns verspro-
              allem im Rahmen seines Orgien Myste-          auf den Überbleibseln unserer oft tra-        chene neue Leben nicht nur für sich al-
              rien Theaters sehr viel Wert auf das Le-      gisch erfahrenen Lebensbrüche und al-         lein zu betrachten, sondern auch das be-
              ben und seine übersteigenden Entgren-         len Formen von Leid, Krankheit, Gewalt        lastende Leid und alle schrecklichen Er-
              zungen legt. Und da hat mich ganz be-         und Tod versuchen wir unsere Hoffnung         fahrungen des Todes nie aus dem Blick
              sonders die religiöse Opferdimension          an der tragenden Glaubensgeschichte           zu verlieren.
              über die jüdisch christliche Symbolwelt       von Tod und Auferstehung Jesu aufzu-              Als junger Mann war ich bis ins In-
              hinaus interessiert. Leben, Blut, Opfer,      richten. Wir haben es gewagt, ein groß-       nerste erschüttert, als mir eine Ärztin die
              Tod und die Hoffnung danach vielleicht        formatiges Werk von Hermann Nitsch            bedrohende Möglichkeit eines bald be-
                                                                                                          vorstehenden Todes als Anregung zu ei-
                                                                                                          ner aufwendigen medizinischen Inter-
                                                                                                          vention aussprach. Über diese heil über-
                                                                                                          standene Erfahrung erlangte ich eine
                                                                                                          neue etwas entspanntere Beziehung
                                                                                                          zum Sterben und zum Tod. Gerade in der
                                                                                                          Begleitung von Sterbenden und ihren
                                                                                                          Angehörigen haben sich für mich so
                                                                                                          manche Sternstunden meines pastora-
                                                                                                          len Dienstes als Seelsorger ergeben. Ge-
                                                                                                          gen die Schwerkraft des sterblichen Le-
                                                                                                          bens in das leuchtende Umfeld der ver-
                                                                                                          heißenen Auferstehung einzutreten ist
                                                                                                          die Einladung der Kirche zu Ostern.
                                                                                                              Ihr dankbarer Dompfarrer Toni Faber

              Titelseite: Ausschnitt eines Schüttbilds mit Malhemd (3-teilig) von Hermann Nitsch,
Suzy Stöckl

              Acryl auf Jute (600 × 300 cm), 2003. Die Aufnahme dieser Installation wurde uns
              dankenswerter Weise von dem Künstlerteam © TEAM[:]niel zur Verfügung gestellt.
              TEAMniel.com
                                                                                                    Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 3
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Vom Tod zum Leben

  Am Ende hat nicht der Tod,
  sondern das Leben das letzte Wort
  Lebe ich heute schon so, wie ich am Ende meines Lebens gelebt haben möchte?
  Wie will ich sterben bzw. wie will ich leben? Wie steht es um den Willen Gottes im Angesicht des Leids?
  Persönliche Erfahrungen und Gedanken von Michael Landau

  Es ist deutlich mehr als ein Jahrzehnt her       Für mich macht dieses Fest deutlich,       Was wichtig ist, erschließt sich vom En-
  und doch sind meine Erinnerungen noch            dass am Ende eben nicht der Tod, son-      de her. Lebe ich heute schon so, wie ich
  sehr lebendig. Meine Mutter lag im Ster-         dern das Leben das letzte Wort hat.        am Ende meines Lebens gelebt haben
  ben. Im Alter von nur 69 Jahren. Ihr Arzt           Im Sterben gelangen wir, jede und je-   möchte? Und was von dem, was mich
  hat mir damals gesagt, dass sie nicht            der von uns, an jenen äußersten Ort, an    heute ärgert, Zeit in Anspruch nimmt
  mehr lange leben würde. An jenem Tag             dem das eigene Leben, die eigene Exis-     oder bedrückt, ist dann vielleicht nur
  wurde plötzlich zur Gewissheit, was bis          tenz, das Leben insgesamt brüchig wird.    mehr halb so bedeutend? Wie wollen
  zu diesem Zeitpunkt lediglich eine bloße
  Ahnung war: die Endlichkeit meiner El-
  tern und indirekt wohl auch die Endlich-
  keit meines eigenen Lebens. Eine Ah-
  nung, die in diesem Moment von Wirk-
  lichkeit durchdrungen wurde.

  Kreuz und Auferstehung
  sind nicht zu trennen
  Mir ist es wichtig, gerade auch zu Ostern
  über den Tod zu schreiben. Denn Ostern
  ist Fest der Kreuzigung, des Todes und
  der Auferstehung. Kreuz und Auferste-
  hung sind nicht zu trennen. Nüchtern
  gesagt: Es gibt kein leidfreies Diesseits-
  paradies. Und zugleich ist Ostern doch in
  jeder und für jede Faser unseres Mensch-
  seins ein Fest der Hoffnung. Nicht der
  kleinen Hoffnung, dass es schon irgend-
  wie gehen wird, sondern einer großen
  Hoffnung, die jede Grenze überschreitet.
  Ostern hat mit Zuversicht, mit Freude,
  mit der Weite unseres Glaubens zu tun.

     »Es gibt kein leidfreies Diesseitsparadies.
                    Und am Ende unserer Tage
           wird die entscheidende Frage sein,
         ob wir aufeinander geachtet haben.
               Ob wir füreinander da waren.«
                                                                                                                                         Peter Wm. Gray, P.S.S., Ph.D.

            Pieta vom Künstler und Priester
                      Peter Wm. Gray P.S.S.
         Wasserfarbe auf handgeschöpftem
                    Lokta-Papier aus Nepal

4 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Die Autoren
                                                                                                                                          Mag. Dr. phil. Doris Bach, ext. Univ. Lekt., Klinische-
                                                                                                                                             und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin,
                                                                                                                                             Präsidentin des CliniClowns Forschungsvereins
                                                                                                                                          Mag. Dagmar Bojdunyk-Rack, Geschäftsführerin
                                                                                                                                             Rainbows-Österreich
                                                                                                                                          Mag. Karin Domany, pens. Religionspädagogin,
                                                                                                                                             PGR St. Stephan
                                                                                                                                          Dr. Brigitte Ettl, Psychotherapeutin, dipl. Ehe-, Fa-
                                                                                                                                             milien-, Lebens- und Sozialberaterin, Lehrthera-
                                                                                                                                             peutin f. Existenzanalyse u. Logotherapie sowie
                                                                                                                                             Lehrbeauftragte der Donau-Universität Krems
                                                                                                                                          Toni Faber, Dompfarrer St. Stephan
                                                                                                                                          Mag. Rudi Fleck, Beichtpriester in St. Stephan
                                                                                                                                          Christian Gartner, Ö3 Weckerchef
                                              wir sterben und vor allem und von dieser     brauchte Zeit. Zeit, um wieder beten zu        MMag. Hermann Glettler, Bischof der Diözese
                                                                                                                                             Innsbruck
                                              Perspektive her: Wie wollen wir leben?       können. Zeit, um den Tod als Teil des Le-      Univ.-Prof. em. Dr. Maximilian Gottschlich, em.
                                                                                                                                             Professor für Kommunikationswissenschaft der
                                                  Auch meine Mutter hat sich diese         bens anzunehmen.                                  Universität Wien, Künstler
                                              Fragen im Stillen wohl immer wieder ge-                                                     Reinhard H. Gruber, Domarchivar von St. Stephan
                                                                                                                                          Univ. Prof. Martin Haselböck, Organist, Dirigent,
                                              stellt. Wie sie sie für sich beantwortet     Auseinandersetzung                                Gründer u. künstlerischer Leiter Orchester Wiener
                                              hat, weiß ich nicht. Sie kam recht spät      mit dem Tod ist lebensstiftend                    Akademie, Künstlerischer Leiter Musica Angelica
                                                                                                                                          Univ.-Prof. Dr. Michael Hofer, Professor für Philo-
                                              ins Spital, mit einer fortgeschrittenen      Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn            sophie an der Theol. Fakultät der Kath. Privat-
                                                                                                                                             universität, Linz
                                                                                           ich mit MitarbeiterInnen spreche, die in       Saskia Jungnikl, Autorin, Journalistin
                                                                                           der Hospiz- und Trauerarbeit der Caritas       DI Dr. Andreas Kaiser, Pfarrer von Ober St. Veit, Wien
                                                                                                                                          Petra Keplinger , biomedizinische Analytikerin
                                                                                           tätig sind. Denn ihre Arbeit mit Men-          Dr. phil., Lic. phil., Mag. theol. Franz Lackner OFM,
                                                                                                                                             Erzbischof von Salzburg
                                                                                           schen am Ende ihres Lebens und mit             Dr. Michael Landau, Caritasdirektor der Erzdiözese
                                                                                           Trauernden macht deutlich: Zu einer Kul-          Wien und Präsident der Caritas Österreich
                                                                                                                                          Dr. Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler a.D., Un-
                                                                                           tur des Lebens gehört auch eine Kultur            ternehmer
                                                                                           des Sterbens – eine Kultur der Solidarität     Adele Neuhauser, Schauspielerin, Buchautorin
                                                                                                                                          Alexander Pointner, ehem. Chefcoach der öster-
                                                  Domkapitular                             mit den Sterbenden und Trauernden.                reichischen Schispringer, Buchautor, Coach, Vor-
                                                                                                                                             tragender
                                               Michael Landau                              Auch wenn die KollegInnen vom Mobi-            Dr. Michael Prüller, Pressesprecher d. Erzdiözese
                                               ist Präsident der                           len Hospiz von Schmerzen und Möglich-             Wien und d. Erzbischofs Kardinal Schönborn, Lei-
                                                                                                                                             ter der Öffentlichkeitsarbeit
                                              Caritas Österreich                           keiten optimaler Begleitung sprechen,          Wolfgang Ritzberger, Ökonom, freier Regisseur,
                                                                                                                                             Schauspieler und Produzent
                                                                                           reden sie über das Leben. Auch wenn sie        Karl-Heinz Schlevoigt, Domkurat von St. Stephan
                                              Krebserkrankung. Auch wenn ihr Tod ab-       davon berichten, wie Menschen allmäh-          P. Dr. Nikodemus Claudius Schnabel OSB, Dormitio
                                                                                                                                             Abtei, Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-
                                              sehbar war, vorbereitet ist man auf diese    lich Abschied nehmen, sprechen sie vom            Gesellschaft, Katholischer Auslandsseelsorger
                                              Begegnung nie. Ich war es auch nicht.        Leben – und somit letztlich davon, dass        OStR. Prof. Mag. Peter Schwarz, Diakon in St. Ste-
                                                                                                                                             phan
                                              Nach ihrem Tod spürte ich Leere, Trauer      die Auseinandersetzung mit dem Tod le-         Univ.-Prof. Dr. Ludger Schwienhorst-Schönber-
                                                                                                                                             ger, Vorstand d. Instituts für Alttestamentliche
                                              und geraume Zeit nichts anderes. Mein        bensstiftend ist. Ihre Arbeit ist Ausdruck        Bibelwissenschaft an der Kath.-Theol. Fakultät
                                              Bruder und ich fuhren ins Spital und sa-     dafür, dass jeder Sterbende ein Lebender          der Uni Wien
                                                                                                                                          o. Prof. Dr. theol. Dr. phil. Dr. phil. fac. theol.
                                              ßen dann noch lange an ihrem Bett. Der       ist. Und zwar bis zuletzt.                        Clemens Sedmak, Lehrtätigkeit in USA, London
                                                                                                                                             und Salzburg, Leiter d. Zentrum für Ethik und
                                              Verstand weiß es: Wenn etwas sicher ist           Ich bin überzeugt: Wir werden am             Armutsforschung
                                              im eigenen Leben, dann ist es unser Tod.     Ende unserer Tage nicht vor der Frage          Mag. Birgit Staudinger, Theologin
                                                                                                                                          Katharina Stögner, Leitung Kommunikation und
                                              Aber mit der ganzen Existenz erahnen         stehen, was wir verdient haben, welche            Fundraising, Souveräner Malteser-Ritter-Orden,
                                              wir das nur, wenn wir liebe Menschen         Titel oder welches Prestige in der Gesell-        Großpriorat von Österreich
                                                                                                                                          MMag. Dr. Andrea Taschl-Erber, Institut für Alt-
                                              verlieren. Und das war der Fall. Im Vater-   schaft wir hatten. Kein Sterbender hat            testamentliche Bibelwissenschaft der Universi-
                                                                                                                                             tät Graz
                                              unser, dem grundlegendsten gemeinsa-         sich mit den Worten verabschiedet: Hät-        Univ.-Prof. Dr. Markus Tiwald, Lehrstuhl Neues
                                              men Gebet aller Christen, heißt es an ei-    te ich nur mehr gearbeitet oder mehr              Testament, Kath. Theologie, Universität Duis-
                                                                                                                                             burg-Essen
                                              ner Stelle: „Dein Wille geschehe.“ Dieses    verdient. Hand aufs Herz: Wer von uns          Hannelore Trauner-Pröstler, Koordinatorin Kon-
                                                                                                                                             taktstelle Caritas Wien
                                              Gebet konnte und wollte ich lange nicht      möchte der oder die Wohlhabendste am           Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Weigl, M.A., Inst.
                                              mehr sprechen. Ob es Gottes Wille war,       Friedhof sein? Vielmehr, meine ich, wird          für Bibelwissenschaft – Altes Testament, Kath.-
                                                                                                                                             Theol. Fakultät, Universität Wien
                                              war mir offen gestanden egal. Bei allem,     die entscheidende Frage lauten, ob wir
Landau: Ingo Pertramer / Brandstätterverlag

                                              was sich dazu theologisch sagen lässt,       aufeinander geachtet haben. Ob wir für-        Redaktion.
                                              mit der Schöpfungsgeschichte begin-          einander da waren. Ob wir als Menschen         Redaktionsleitung: Mag. Birgit Staudinger
                                                                                                                                          Lektorat: Mag. Birgit Doblhoff-Dier,
                                              nend. Ich fand es damals einfach nur un-     gelebt haben. Ostern ist kein fernes Fest.       Mag. Karin Domany, Reinhard H. Gruber,
                                              gerecht, dass meine Mutter tot war. Ich      Sondern es gewinnt in dieser Zeit wirk-          Daniela Tollmann
                                                                                                                                          Redaktionsteam: Dompfarrer Toni Faber,
                                              wollte mir diesen „Willen“ nicht auf-        sam, sichtbar Gestalt. Der Möglichkeit nach      Diakon Erwin Boff, Mag. Karin Domany,
                                              zwingen lassen. Bis heute wünsche ich        auch durch jede und jeden von uns.        ■      Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein,
                                                                                                                                            Reinhard H. Gruber, Anneliese Höbart
                                              mir, es wäre anders und sie lebte. Ich                           www.caritashospiz.at

                                                                                                                                  Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 5
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Vom Tod zum Leben

  Gibt es ein Leben vor dem Tod?
  Warum leben wir?                                                                           Meister unter „Leben“ versteht. Und so
  Was ist der Sinn unseres Lebens?                                                           stellt er in derselben Predigt die Frage:
  Und welche Antworten auf die                    Ludger Schwien-                            „Was ist Leben?“ Seine Antwort lautet:
  Frage nach dem Tod finden sich                horst-Schönberger                            „Gottes Sein ist mein Leben. Ist denn
  im Alten Testament? Von Ludger                   ist Professor für                         mein Leben Gottes Sein, so muss Gottes
  Schwienhorst-Schönberger                       Alttestamentliche                           Sein mein sein und Gottes Wesenheit
                                                 Bibelwissenschaft                           meine Wesenheit, nicht weniger und
  „Warum lebst du? – Um des Lebens wil-         an der Kath.-Theol.                          nicht mehr.“
  len.“ Die Aussage könnte von einem reli-             Fakultät der                              Eckharts Antwort auf die Frage: „Wa-
  gionslosen Zeitgenossen stammen, der            Universität Wien                           rum lebst du“ und „Was ist Leben“ kann
  nur ein diesseitiges Leben kennt und kei-                                                  als ein Versuch gewertet werden, die on-
  ne Hoffnung auf ein Leben „nach dem           berühmte erste Frage aus dem Katholi-        tologische Struktur der biblischen Ant-
  Tod“. Tatsächlich jedoch stammt das           schen Katechismus der Bistümer Deutsch-      wort auf die Frage nach dem Sinn des Le-
  Wort von einem Dominikaner aus dem            lands aus dem Jahre 1955 „Wozu sind wir      bens freizulegen. Nach biblischer Tradi-
  Mittelalter, von Meister Eckhart, aus ei-     auf Erden?“ lautet: „Wir sind auf Erden,     tion ist ein Leben dann wahres Leben,
  ner seiner Predigten (Predigt 6). Ich lebe,   um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm      wenn es in der Gegenwart Gottes gelebt
  um zu leben – diese Antwort dürfte vie-       zu dienen und einst ewig bei ihm zu sein.“   wird. Wenn das Bewusstsein um die Ge-
  len unserer säkularen Zeitgenossen ge-        – In dieser Antwort wird unser Leben auf     genwart Gottes – aus welchen Gründen
  fallen, wird doch hier jedes vom Leben        der Erde an einen Zweck gebunden, an         auch immer, sei es verschuldet, sei es un-
  getrennte „um ... willen“ oder „um zu“        ein „um ... zu“. Ein solches „um ... zu“     verschuldet – schwindet, gerät das Le-
  abgelehnt. Meister Eckhart spricht von        lehnt Meister Eckhart ab. Eckhart ver-       ben in eine Krise.

                                                                                             Leben in der Gegenwart Gottes
                                                                                             Das Alte Testament predigt keine Jen-
                                                                                             seitsreligion. Von einem Leben nach dem
                                                                                             Tod, von Auferstehung und ewigem Le-
                                                                                             ben ist in den meisten alttestamentli-
                                                                                             chen Schriften keine Rede. Die grundle-

    »Warum lebst du? –                                                                       gende Frage des Alten Testaments lautet
                                                                                             nicht: „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“,
                                                                                             sondern: „Gibt es ein Leben vor dem

     Um des Lebens willen.«                                                                  Tod?“ Die Antwort: Es gibt ein Leben vor
                                                                                             dem Tod, wenn es in der Gegenwart Got-
                                                                                             tes gelebt wird: „Ich habe den HERRN
                                                                   Meister Eckhart           beständig vor Augen, er steht mir zur
                                                                                             Rechten, ich wanke nicht“ (Psalm 16,8).
                                                                                             Zerbricht das Bewusstsein von der Ge-
                                                                                             genwart Gottes, ist der Fromme zutiefst
                                                                                             verstört. Verfolgung, Krankheit und vor-
                                                                                             zeitiger Tod können eine solche Krise
                                                                                             auslösen: „Ich liege wach und ich klage
  einem Leben „ohne Warum“, und erst ein        steht seine Antwort als Auslegung eines      wie ein einsamer Vogel auf dem Dach“
  solches Leben ohne Warum ist für ihn          Wortes aus der Heiligen Schrift. Das         (Ps 102,8). „Mein Gott, mein Gott, warum
  wahres und eigentliches Leben.                Wort findet sich im Alten Testament, im      hast du mich verlassen, bleibst fern mei-
      Die Antwort mag uns irritieren, er-       Buch der Weisheit, und lautet: „Die Ge-      ner Rettung, den Worten meiner Klage?“
  warten wir doch bei der Frage nach dem        rechten werden leben ewiglich, und ihr       (Ps 22,2). Der Tod, so bezeugen es vor al-
                                                                                                                                          Schwienhorst-Schönberger

  Sinn des Lebens als Christen die Angabe       Lohn ist bei Gott“ (Weisheit 5,16).          lem die Psalmen, ragt mitten in das Le-
  eines Sinnes, der außerhalb unseres Le-          Man kann die provokativ klingende         ben hinein. Besonders in geschichtlichen
  bens hier auf Erden liegt und um des-         Antwort Eckharts nur dann richtig ver-       Krisenzeiten, wie der Religionsverfol-
  sentwillen wir leben. Die Antwort auf die     stehen, wenn man erkannt hat, was der        gung zur Zeit der Makkabäer, konnte die-

6 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Trost inmitten
                se Erfahrung bohrende Fragen hervorru-
                fen. Dabei zeigte sich durch krisenhafte
                                                              von Trostlosigkeit
                Erschütterungen hindurch ein Weg, der         Was tröstet, wenn menschliches Leben an seine Grenzen kommt?
                zu der Hoffnung und Gewissheit führte,        Wenn Leid, Schmerz, Trauer, Verzweiflung und Aussichts losigkeit
                dass die im Leben erfahrene Rettung           sich breit machen? Wenn Glaube und Vertrauen
                durch Gott auch vor jenen Verwerfun-          in Gott zutiefst erschüttert werden? Von Michael Weigl
                gen bestehen kann, die das Gegenteil
                von dem zu sein scheinen, was unter Le-       Trost – in einer medien- und konsumge-        mein Volk“ – so ruft die Stimme in der
                ben zu verstehen ist. Allmählich kristalli-   steuerten Gesellschaft ist dieses Wort        Wüste dem geschundenen Jerusalem zu
                sierten sich verschiedene Vorstellungen       schon fast aus unserem Wortschatz ver-
                von einer alle tödlichen Mächte über-         schwunden. Unsere Welt des 21. Jahr-
                windenden göttlichen Rettung heraus.          hunderts hält eine Überfülle anderer,
                Die wohl bekannteste ist die von der Auf-     scheinbar besser geeigneter Vokabeln            Michael Weigl ist
                erweckung der Toten: „Von denen, die im       zum Ausdruck von Zuwendung, Anteil-            außerordentlicher
                Land des Staubes schlafen, werden viele       nahme, tatkräftiger Hilfe und emotiona-             Professor für
                erwachen, die einen zum ewigen Leben,         ler Stabilität bereit. Großkonzerne und        Alttestamentliche
                die anderen zur Schmach, zu ewigem            multinationale Unternehmen, soge-              Bibelwissenschaft
                Abscheu“ (Daniel 12,2; vgl. Ezechiel 37,1-    nannte „soziale Medien“, Internetplatt-       an der Kath.-Theol.
                14; Jesaja 26,19). Angesichts des Martyri-    formen und jede Menge von zeitgemä-                  Fakultät der
                ums der sieben Brüder vor den Augen ih-       ßen Zerstreuungen kanalisieren unser            Universität Wien
                rer Mutter ruft einer der Söhne dem           Konsumstreben, die Sehnsucht nach
                grausam agierenden König zu: „Du Un-          menschlicher Gemeinschaft und sozia-          (Jes 40,1), in einer wahrlich trostlosen Si-
                mensch! Du nimmst uns dieses Leben;           ler Wärme, nach Geborgenheit geschickt        tuation: Stadt und Volk sind zerstört, die
                aber der König der Welt wird uns zu ei-       in die Richtung, die ihnen nützt: Trös-       Bevölkerung ins babylonische Exil depor-
                nem neuen, ewigen Leben auferstehen           tung durch Konsum, Selbstzentriertheit        tiert, alles verloren, so scheint es. Da
                lassen, weil wir für seine Gesetze ge-        und gesellschaftliche Ellbogentechnik         spricht Gott den Elenden Tröstung zu,
                storben sind“ (2 Makkabäer 7,9). In ei-       haben das zutiefst menschliche Bedürf-        die sich auch ganz konkret äußert: Er
                nem der jüngsten Bücher des Alten             nis instrumentalisiert, oft ohne, dass wir    bricht die Pforten der Gefangenschaft
                Testaments wird sogar, ähnlich wie im         dies selbst überhaupt noch wahrneh-           auf, befreit sein Volk, führt es wie einst
                platonischen Phaidon, davon gespro-           men. Oder sind es doch eher subtile Ver-      beim Auszug aus Ägypten aus der Frem-
                chen, dass das Unglück, das über die          tröstungen, die das intensivieren und         de ins gelobte Land zurück und baut die
                „Seelen der Gerechten“ hereinbricht,          perpetuieren, was sie eigentlich zu lösen     verwüstete Stadt Jerusalem neu auf. Die
                sie letztlich nicht berührt: „Die Seelen      vorgeben? „Opium für das Volk“ … billi-       Zeit der Tristesse ist vorbei, was hoff-
                der Gerechten sind in Gottes Hand und         ger Trost in einer trost-losen Welt. Das      nungs- und trostlos war, ist gewendet,
                keine Folter kann sie berühren. In den        hat Karl Marx im 19. Jahrhundert der Re-      und Gott lässt allgemeinen Jubel aus-
                Augen der Toren schienen sie gestor-          ligion vorgeworfen. Müssen aber nicht         brechen, der im gesamten zweiten Teil
                ben, ihr Heimgang galt als Unglück, ihr       eher wir uns selbst in den Spiegel schau-     des Buches Jesaja (40-55) widerhallt.
                Scheiden von uns als Vernichtung; sie         en? Denn wir selbst haben in den letzten      Gottes Trost für uns bedeutet: Er setzt ei-
                aber sind in Frieden“ (Weisheit 3,1-2).       zwei Jahrzehnten eine Welt der Ver-trös-      nen radikalen, für alle erlebbaren Neube-
                Damit schließt sich der Kreis: „Du über-      tungen geschaffen, an der unsere Ju-          ginn in die Tat um, eine radikale Wende,
                lässt mein Leben nicht der Totenwelt;         gend zerbricht!                               ein würdiger Anlass zum Jubel. Ähnli-
                du lässt deinen Frommen die Grube                                                           che Erfahrungen des Wieder-Auflebens
                nicht schauen. Du lässt mich den Weg          Gott tröstet durch                            durch seine Tröstung finden sich in vielen
                des Lebens erkennen. Freude in Fülle          die Wandlung der Welt (Jesaja)                Schriften des Alten und des Neuen Tes-
                vor deinem Angesicht, Wonnen in dei-          Aber was können Christen gegen die            taments, immer wieder, und stets mit
                ner Rechten für alle Zeit“ (Ps 16,10-11).     heutzutage erlebte Trostlosigkeit und ei-     dem gleichen Effekt: Die trostlos ge-
                In der Kraft des Heiligen Geistes be-         ne perspektivenlose Zukunft dagegen-          scheiterten Menschen ermächtigt Got-
                kennt Petrus am Pfingstfest, dass die-        halten? Nun, auch in der Bibel ist der        tes Trost zum Neuen, zu Hoffnung, ja zu
Weigl: privat

                ses Wort wahr ist (Apostelgeschichte          Trost eine zentrale Kategorie, aber auf ei-   Jubel – und die Menschen können dies
                22,25-28).                               ■    ne ganz andere Art. „Tröstet, tröstet         auch selbst an sich verspüren! Der ▶

                                                                                                     Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 7
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Vom Tod zum Leben
▶ Trost, den Gott schafft, ist eine Tat,     nen Erklärungen dafür, weshalb er ins          niemanden endgültig verloren gehen
kein subjektives Glücksgefühl!               Leid gefallen ist. Obwohl sie die theologi-    lässt! Und tatsächlich – am Ende kann
                                             schen Lehrmeinungen der Zeit vorbrin-          Ijob diesen Trost aus dem Munde Gottes
Gott tröstet                                 gen, vermögen sie weder Ijob zu trösten,       annehmen, er ist, so sagt der Text wört-
durch die rettende Tat (Ijob)                noch sein Leid zu mildern. Für den ge-         lich, „getröstet“ und gibt nach. Die theo-
Keine andere Gestalt des Alten Testa-        plagten Ijob sind sie „leidige Tröster“, die   logisch geschulten Freunde – die Vertre-
ments macht dies so deutlich wie der         ihm eine Schuld einreden wollen, die           ter der rechtgläubigen Lehre – weist Gott
unschuldig leidende, fromme Mann Ijob.       nicht auf ihm lastet: „Wie wollt ihr mich      scharf zurecht: Ihre Lehren taugten nicht
Er ist durch eine Intrige seines Widersa-    mit Nichtigem trösten? Eure Antworten          dazu, Ijob im Leid zu trösten, sie waren
chers im Himmel ins Leid gestoßen wor-       bleiben Betrug!“ (Ijob 21,34)                  bloß untaugliche, unsensible und un-
den – und Gott hat es zugelassen. Er ist         Ijob bleibt voller Geduld und beharrt      barmherzige Ver-suche der Ver-tröstung
ohne Schuld wie kein anderer vor oder        auf seinem Recht. Er fordert immer vehe-       angesichts des ungerechtfertigten Lei-
nach ihm. Er hat Gott und die Fürsorge       menter Gott zur Rechtfertigung, zur Er-        dens: Auch die beste, gelehrsamste, re-
für die Armen und Entrechteten zum           klärung seines Leides auf, stellt Gott zur     degewandteste Theologie kann billige
Mittelpunkt seines Lebens gemacht. Er        Rede. Und der erscheint Ijob an einem          Vertröstung sein! Am Ende stellt Gott
betet, erfüllt mehr als das Nötige an        Punkt, wo bereits alles verloren scheint.      Ijob vollkommen wieder her, macht ihn
Frömmigkeit, und dennoch fällt er ins        Gott rechtfertigt sich nicht für das uner-     durch seinen Trost ganz und gar glück-
Nichts: Seine Kinder, seinen Besitz, seine   klärbare Leid, aber er macht es für Ijob er-   lich. Alles löst sich zum Guten.
Gesundheit – alles hat er verloren und       träglich, er tröstet ihn mit dem Hinweis
vertraut dennoch vollkommen auf Gott.        auf seine universale Macht, seinen welt-       Gott tröstet
Seine „Freunde“, die herbeieilen, um ihn     umfassenden Plan und den Hinweis auf           durch das Leiden Jesu
zu trösten, peinigen ihn mit verschiede-     seinen tatkräftigen Trost, der nichts und      Als Christen glauben wir, dass die letzte
                                                                                            und tiefste Tröstung unserer Existenz
                                                                                            mit dem Leiden, dem Tod und der Aufer-
                                                                                            stehung Jesu geschehen ist. Ein zu Un-
                                                                                            recht Leidender wie Ijob, ein an seiner
                                                                                            Sendung bis zuletzt Festhaltender, ein
                                                                                            ganz auf Gott Vertrauender: Er kann
                                                                                            selbst in seiner Todesstunde noch zu
                                                                                            Gott flehen und ihn zur Hilfe holen. Der
                                                                                            Todesschrei Jesu verhallt im Himmel
                                                                                            nicht ungehört. Gott erweckt ihn von
                                                                                            den Toten, spendet seinen Trost durch
                                                                                            die rettende Tat und schafft damit uns
                                                                                            allen, die wir an ihn glauben, die letzte,
                                                                                            ultimative, alles verändernde Tröstung.
                                                                                            Im Leiden und der Auferstehung Jesu
                                                                                            umfängt Gott alles Leid dieser Welt und
                                                                                            wendet es radikal, auch wenn der Weg
                                                                                            durch Leid und Tod hindurchführt: Wir
                                                                                            sind von ihm durch seine rettende Tat ge-
                                                                                            tröstet und hoffen darauf, dass diese
                                                                                            Tröstung nach Ostern unser Leben er-
                                                                                            fasst und durchflutet, und ausstrahlt in
                                                                                            die so oft empfundene Trostlosigkeit un-
                                                                                            serer gegenwärtigen Gesellschaften. ■

                                                                                            Ijob – der Mensch der klagt: „Dahin sind
                                                                                            meine Tage, zunichte meine Pläne, meine
                                                                                            Herzenswünsche. … Ich erhoffe nichts mehr“
                                                                                                                                          Andreas Praefcke

                                                                                            (aus Ijob 17,11-13). Am Ende tröstet Gott
                                                                                            selbst ihn und wendet sein Geschick. Skulp-
                                                                                            tur (1957) von Gerhard Marcks in Nürnberg
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Über den Tod und das Leben danach
                                           Überlegungen über Abschiednehmen, Tod und die Unsterblichkeit der Seele von Martin Hofer

                                           Wer über ein Leben nach dem Tod nach-             Unsterblichkeit der Seele wäre aber
                                           denkt, muss sich zuerst Gedanken über         auch denkbar im Sinne einer ewigen
                                           den Tod machen.                               Wiederkehr des Gleichen. Hierfür maß-         Michael Hofer ist
                                               Also: Was ist der Tod? Nur vor dem Hin-   gebend ist lediglich die Annahme einer             Professor für
                                           tergrund des Todes hat die Rede von einem     anderen Zeitstruktur: an die Stelle einer    Philosophie an der
                                           Leben danach einen ersten Sinn. Ist man       Zeitlinie oder eines Zeitpfeils, der nach        Theologischen
                                           nicht bereit, so etwas wie einen Tod anzu-    vorne zeigt, tritt der Kreis. Wird die un-         Fakultät der
                                           nehmen, dann würde es heißen, dass es         sterbliche Seele als in solche Zeit einge-        Katholischen
                                           immer so weiter geht. Endgültigkeit wäre      spannt gedacht, heißt das, dass alles im-     Privatuniversität
                                           kaum zu gewinnen bzw. – wenn man sich         mer wieder kommt. Vermutlich ist man                     in Linz.
                                           davor scheut – leicht zu vermeiden. Mit       dann gut beraten, sich mit Nietzsche an
                                           Endgültigkeiten, auch in einem vorläufi-      die Maxime zu halten: Lebe so, dass du       kann. Individuum meint aber im Tod ein
                                           gen Sinn, haben wir unsere Schwierigkei-      wollen kannst, dass alles immer wieder       unverwechselbares Gewordensein als
                                           ten. Nicht nur, dass wir uns nicht gerne      so kommt.                                    Person, und das hat sich immer nur mit
                                           festlegen wollen bzw. lassen, auch in an-         Eine andere, damit in Zusammen-          anderen ereignet. Auferweckung muss
                                           deren Zusammenhängen tun wir uns              hang stehende Möglichkeit, die Unsterb-      einerseits also mich, nicht irgendeine Ei-
                                           schwer damit: z.B. beim Verabschieden.        lichkeit der Seele zu denken, liegt darin,   genschaft an mir oder so etwas wie ein
                                           Man bricht zu einer Reise auf, am Flugha-     eine Seelenwanderung anzunehmen: Die         allgemeines Bewusstsein meinen, zu-
                                           fen verabschiedet man sich, und ein paar      Seele nimmt, v.a. zu Läuterungs- bzw. Ver-   gleich gehört zu mir aber auch eine gan-
                                           Minuten später wird vielleicht der Kontakt    vollkommnungszwecken, unterschiedli-         ze Welt von Beziehungen. Wenn man an
                                           fortgesetzt per SMS und der Abschied ge-      che Gestalten an, bis sie sich aus dem Rad   Auferweckung glaubt, sollte man dann
                                           wissermaßen revidiert. In einem endlosen      der Zeit lösen kann. Vorstellungen dieser    nicht auch darüber nachdenken, dass
                                           Weitergehen könnte alles immer wieder         Art begegnen im Raum asiatischer Reli-       dies dann alle betrifft, die zu mir und
                                           revidiert werden.                             giosität, auch im antiken Griechenland       meiner Welt gehören: also nicht nur die,
                                               Wäre dann nicht umgekehrt Endlich-        war diese Vorstellung verbreitet.            die mir nahe sind, sondern auch die, mit
                                           keit geradezu die Ermöglichung von Be-                                                     denen mir der Umgang schwer fällt?
                                           deutsamkeit? Ich habe diesen und jenen        Wer oder was stirbt?                         Wäre eine Dimension der Erlösung dann
                                           Entschluss gefasst und bin – in meinem        Für das Christentum leitend war aller-       auch, das Loslösen von unguten Konstel-
                                           Leben, bis zum Tod – dabei geblieben. Ich     dings die Erfahrung, dass man stirbt –       lationen zu erhoffen?                   ■
                                           habe mich über die Jahre in diese und je-     also du, alle anderen und wohl auch ich,
                                           ne Richtung entwickelt und bin – im Tod       und dass das tatsächlich ein Ende be-        Wer über ein Leben nach dem Tod
                                           – so und so geworden (durch meine Be-         deutet. Unwiderruflich. Diese Erfahrung      nachdenkt, muss sich zuerst
                                           rufswahl, durch meine Lebensform…).           lässt erkennen, wie man sich selbst ver-     Gedanken über den Tod machen.
                                           Der Tod steht in dieser Hinsicht dann für     steht: als Person, d.h. als handlungsfähi-
                                           Endgültigkeit und Nichtrevidierbarkeit.       ges und damit verantwortliches Lebewe-
                                               Aber selbst, wenn man den Tod als         sen, das sich selbst bestimmen kann und
                                           Ereignis einräumt, ist die Vorstellung,       dafür gegebenenfalls auch eintreten
                                           dass es im ewigen Leben immer so wei-         muss. Das unterscheidet Personen von
                                           ter – wie bisher auf Erden – geht, nicht      Dingen oder auch Tieren. Damit einher
                                           gebannt. Etwa wenn man den Tod nur            geht auch die Selbstauffassung von uns
                                           als einen relativen Einschnitt, wie ande-     als Individuen: einzigartig und insofern
                                           re Einschnitte (Schulabschluss, Führer-       unersetzbar. Wenn ein Mensch stirbt,
                                           schein etc.) auch, ansieht, also als bloße    geht eine ganze Welt unter; also ein gan-
Hofer: privat | Rudolf Ortner/pixelio.de

                                           Veränderung. Woody Allen warf ange-           zes Netz an Beziehungen zu anderen in
                                           sichts eines so verstandenen Jenseits die     dieser Welt als auch eine Verstehbarkeit
                                           trefflichen Fragen auf: Ihn interessiere      dieses Gefüges wird zerrissen.
                                           daran nur, wie weit dieses Jenseits vom           Vor diesem Hintergrund ist klar, dass
                                           Zentrum entfernt sei und welche Öff-          Unsterblichkeit dann nur als individuelle
                                           nungszeiten es habe.                          Unsterblichkeit in den Blick kommen

                                                                                                                               Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 9
Pfarrblatt - Vom Tod zum Leben - Dompfarre St. Stephan
Vom Tod zum Leben

   Die Pilgerfahrt nach Hause
   Wohin sind wir unterwegs? Wohin zieht es uns, wenn das Leben an seine Grenze kommt?
   Gedanken von Michael Prüller

   „Ich will nach Hause!“, hat meine Mut-                                                  kommen. „Auch zuhause habe ich Heim-
   ter geradezu befohlen, als sie sterbens-                                                weh“, sagt Gilbert K. Chesterton. Die
   krank, von einem wunderbaren Pallia-                                                    glücklichen Momente des Ganzseins
   tiv-Team betreut, im Krankenhaus lag.                                                   sind nur Momente. Nicht einmal die Lie-
   Nachdem sie wochenlang abgeklärt                                                        be füllt uns ganz aus. Der römische Dich-
   und in größter Ruhe ihr Schicksal ertra-                                                ter Catull hat das um 60 vor Christus in
   gen hatte, war sie auf einmal rastlos,      Michael Prüller ist                         den Seufzer gefasst: „Odi et amo. Quare
   fast panisch in ihrem plötzlichen Drang     Kommunikations-                             id faciam, fortasse requiris: Nescio, sed
   aufzubrechen. Ich frage mich seitdem,                 chef der                          fieri sentio et excrucior.” (Ich hasse und
   welches Zuhause sie eigentlich gemeint        Erzdiözese Wien                           liebe. Warum ich das tue, fragst du viel-
   hat.                                                                                    leicht. Ich weiß es nicht, aber ich spüre,
        Ihr Wohnhaus im Mostviertel? Oder          Nicht ins Ungewisse gehen wir –         dass es geschieht – und es martert mich.)
   das böhmische Zuhause ihrer Kindheit,       aber wo ist zu Hause? Manche vermu-             Als ich das, 40 Jahre nach meiner
   aus dem sie 1945 als 16-Jährige vertrie-    ten, Novalis meine das verlorene Para-      Schulzeit, wiedergelesen habe, hat mich
   ben wurde, und das auch später immer        dies der Kindheit. Dabei sagt schon zehn    das letzte Wort gepackt: excrucior – ich
   „Zuhause“ hieß: „zu Hause hatten wir…“?     Kapitel vorher ein Einsiedler dem Pilger:   werde gemartert. Es kommt vom Wort
   Oder hat sie das endgültige Zuhause ge-     „Wenn euer Auge fest am Himmel haf-         „crux“, vom Kreuz. Der Mensch wird ans
   meint? Hatte sie erfasst, was uns ande-     tet, so werdet ihr nie den Weg zu eurer     Kreuz geschlagen – durch seine eigene
   ren noch nicht klar war, dass ihre krebs-   Heimat verlieren.“                          Zerrissenheit und durch die brutalen
   kranke Tochter, meine Schwester Moni-                                                   Versuche anderer, ihre Zerrissenheit zu
   ka, auch schon dem Tod nahe war? Mei-       Ausgesetzt auf den                          bewältigen. So, dass die Menschen nicht
   ner Mutter hätte es das Herz zerrissen,     Bergen des Herzens                          nur auf den Bergen ihres Herzens ausge-
   wenn ihre Tochter sie auf dem letzten       Ein endgültig bergendes Zuhause – die       setzt sind, sondern auch in Sperrholz-
   Weg überholt hätte, und dann auf der        Sehnsucht danach entspricht unserer         booten auf dem Mittelmeer oder einem
   anderen Seite niemand da gewesen wä-        Angst vor dem Tod, vor dem physischen       missbrauchenden Erwachsenen oder
   re, der sie in Empfang nimmt.               und dem sozialen Ausgelöschtwerden.         mobbenden Kollegen und vielem ande-
        Ich denke, meine Mutter wollte ganz    Vor dem Schrecken, für niemanden mehr       ren mehr.
   nach Hause, in eine der Wohnungen „im       ein Jemand zu sein. Diese Angst ist die         Doch wenn wir schreien: „Das Leben
   Haus des Vaters“. Um dort sozusagen für     Grundstimmung der gefallenen Welt.          schlägt mich ans Kreuz!“, dann antwor-
   die Ankunft ihrer Monika ein Bett zu        Schon als kleine Kinder beginnen wir, an    tet Christus: Dann bin ich ja bei dir. Wir
   überziehen und ein Essen vorzubereiten.     dieser Angst wund zu werden, und erle-      stehen das gemeinsam durch. Bis wir zu
   Sie starb dann sehr bald, genau vier Wo-    ben uns als halb und zerrissen. Wir erle-   Hause sind.                              ■
   chen vor ihrer Tochter. Und wenn je-        ben uns, wie es in dem Gedicht von Rai-          Über das Jahresmotto 2018 von Radio
   mand Monika in ihren letzten Tagen          ner Maria Rilke heißt: „ausgesetzt auf       Maria, „Komm nach Hause“, hat Michael
   fragte, ob das Sterben sie erschrecke,      den Bergen des Herzens“, „ungeborgen…“.        Prüller im Jänner bei Radio Maria einen
   antwortete sie: Ihre Mutter sei ohne            Nicht einmal das eigene Heim, das            Impulsvortrag gehalten (http://www.
   Angst gestorben, „also muss ich auch        wir uns schaffen, lässt uns ganz zur Ruhe         radiomaria.at/player3.php?s=17838).
   keine haben.“
        Daran hat mich vor wenigen Tagen
                                                                                                                                        Prüller: Stephan Doleschal | Frank Hollenbach/pixelio.de

   das Wort von Papst Benedikt erinnert,
   dass er nun „auf der Pilgerfahrt nach
   Hause“ sei. Dieses Wort ist gut und alt.
   So fragt im Romanfragment „Heinrich
   von Ofterdingen“ des Romantikers Nova-
   lis aus dem Jahr 1800 der Pilger die ge-
   heimnisvolle Zyane: „Wo gehn wir denn
   hin?“ und erhält die berühmt geworde-                                                   Wohin zieht es uns,
   ne Antwort: „Immer nach Hause“.                                                         wenn unser Leben verblüht ist?

10 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan ·
»Vergesst die Osterkerze nicht!«
                 Diese berühmten Worte hinterließ Kardinal Franz König in seinem Testament. So hatte er auch noch
                 in seinem Testament eine kleine Katechese gegeben und den Zusammenhang zwischen dem Fest
                 der Auferstehung und dem Begräbnis deutlich aufgezeigt. Pfarrer Andreas Kaiser über
                 das Fest der Auferstehung und die Zeichen und Symbole, die bei der Begräbnisfeier daran erinnern

                 Die Osterkerze, jene Kerze, die Christus         schaft konfrontiert. Es ist eine Situation,    chen, erinnern uns damit an unsere Tau-
                 das Licht symbolisiert, wird in der Oster-       in die sich die Trauergemeinde gut ein-        fe, an die Zusage Jesu – ich bin immer
                 nacht in den dunklen Dom getragen mit            fühlen kann: Auch sie eilt zum Grab, um        bei dir, auch durch den Tod hindurch hi-
                 dem so hoffnungsvollem Gesang des Dia-           einen letzten Dienst an einem geliebten        nein in die Auferstehung. Nun bekommt
                 kons: „Lumen Christi“ – „Christus das            Menschen zu vollziehen: die Beerdigung.        der Verstorbene diese Zusage zum letz-
                 Licht“. Kaum vermag die kleine Flamme            Auch die Hinterbliebenen sind vielfach in      ten Mal zugesprochen. „Im Wasser und
                 das Dunkel des großen Domes zu erleuch-          einer Dunkelheit, in der Dunkelheit der        im Heiligen Geist wurdest du getauft,
                 ten, und doch spüren alle: hier beginnt          Trauer. Aber der Evangelist Markus deutet      der Herr vollende an dir, was er in der
                 das Licht der Hoffnung hereinzudringen           es an, dass das Licht der Hoffnung diese       Taufe begonnen hat.“ Wir beten somit:
                 und die Dunkelheit zu durchleuchten. Wo          Dunkelheit bereits durchbrochen hat –          Vollende Jesus, was unvollendet geblie-
                 ist die Osterkerze, die Hoffnungskerze, bei      „In aller Frühe, als eben die Sonne auf-       ben ist. Nimm uns mit hinein in deine
                 unseren Beerdigungen? Die sogenannte             ging“ (Markus 16, 2) kamen sie zum Grab.       Auferstehung, auf dem Weg hinein in
                 „Lebenskerze“ symbolisiert das Symbol            Die Sonne der Hoffnung beginnt herein-         Gott.
                 der Osterkerze. Mehr und mehr beginnen           zudämmern in die Dunkelheit der Trauer.
                 Bestattungen diese Hoffnungsgedanken             Auch in unseren Begräbnisfeiern soll die-      Leib als Begegnungsort mit Gott
                 des Lichtes aufzugreifen und manchmal –          ser Hoffnungsstrahl der Auferstehung           Dann sollte der Sarg mit Weihrauch in-
                 mit einer großen Zahl an Kerzen rund um          durch die Traurigkeit der Trauer und des       zensiert werden: ein letztes Zeichen der
                 den Sarg – dies auch auszudrücken. Bei           Abschiedes hindurchbrechen. Der Hoff-          Ehrerbietung für den Leib. „Dein Leib war
                 dieser Vielzahl von Kerzen ist das Wort          nungsstrahl der auch durch das Evangeli-
                 Kardinal Königs noch bedeutsamer: „Ver-          um, das Wort Gottes, scheint.
                 gesst die Osterkerze nicht!“ Jene Licht-
                 quelle, die auf das wahre Licht der Hoff-        Gott vollende den Weg,
                 nung hindeutet.                                  den er in der Taufe
                                                                  mit uns begonnen hat
                 Das Licht der Hoffnung,                          Seit früher Zeit wird in der Osternacht-          Andreas Kaiser
                 das die Dunkelheit                               feier getauft, und wir erneuern unser                 ist Pfarrer
                 der Traurigkeit durchbricht                      Taufversprechen. In den alten großen                  der Pfarre
                 In der Osternacht folgt nach der Lichtfeier      Baptisterien stieg der Taufkandidat über            Ober St. Veit
                 der Lesegottesdienst, in dem versucht            Stufen im Westen des Taufbeckens in                      in Wien
                 wird, Gottes große Taten durch die Ge-           das Wasser. Das dreimalige Untertau-
                 schichte hindurch zu erzählen. Jene Ta-          chen (oder Übergießen) im Wasser bei           Gottes Tempel, der Herr schenke dir die
                 ten, die auf das hoffnungsbringende Er-          der Taufe deutete die Auferstehung mit         ewige Freude,“ wird dabei gesprochen.
                 eignis hinweisen – die Auferstehung Jesu.        Jesus an. Der Kandidat kam aus dem Dun-        Tempel des Heiligen Geistes zu sein (vgl.
                 Bei der Begräbnisfeier wird auch eine klei-      kel des Todes in ein Leben mit Christus        1 Kor 6,19) – welch große Zusage. Wir
                 ne Perikope aus der Bibel, meist aus den         an. Über die Stiegen an der Ostseite des       sind nicht irgendwann dann einmal fä-
                 Evangelien, gelesen. Die vorgeschlagenen         Taufbeckens verließ der Getaufte nun           hig mit Gott in Beziehung zu treten, son-
                 Texte sind durchwegs Hoffnungstexte,             wieder das Taufbecken. Es wurde deut-          dern schon hier und jetzt. Der Leib als
                 welche die Zuversicht der Auferstehung           lich, dass wir „mit Christus begraben          Tempel, also auch als Begegnungsort
                 durch die Trauer hindurchscheinen lassen         sind und mit ihm auferstehen werden“           Gottes mit seiner Welt. Und wie hoff-
                 wollen. Wenn es der Zeit und dem Trauer-         (vgl. Kolosser 2,12). Der Tod ist der Ernst-   nungsvoll ist die Bitte: „Der Herr schenke
                 fall entspricht, bietet sich natürlich an, ei-   fall, der unser Vertrauen prüft, ob wir ihn    dir ewige Freude!“ Nicht ein ewiges
                 ne der Auferstehungsperikopen aus der            auch annehmen können. Daher wird der           Nichts, nicht ein „Aus und Vorbei“ – son-
                 Osternacht zu lesen wie zum Beispiel             Sarg nun mit Weihwasser, mit Taufwas-          dern Freude, und diese ungetrübt und
                 Markus 16, 1-7. Die Frauen eilen zum Grab        ser besprengt. Unzählige Male tauchen          ewig, weil wir in dem Leib ankommen
Kaiser: privat

                 Jesu und werden dort – aus dem leeren            wir im Lauf des Lebens unsere Finger in        dürfen, der uns ganz in Gott leben und
                 Grab heraus – mit der Auferstehungsbot-          das Weihwasser, machen ein Kreuzzei-           sein lässt, ruhig sein lässt.           ▶

                                                                                                          Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 11
Vom Tod zum Leben
   ▶    Unruhig ist unser Herz,
   bis es ruht in Gott
   „Herr gib unseren Verstorbenen die ewi-
                                                   Alles hat seine Stunde
   ge Ruhe, und das ewige Licht leuchte ih-        Wenn ein Mensch stirbt, tut sich eine Lücke im Netz unserer Beziehungen
   nen.“ So beten wir am Schluss des Be-           auf. Mit diesem Verlust umzugehen ist ein Entwicklungsprozess
   gräbnisses. Eine ewige Ruhe ist aber            der Seele. Brigitte Ettl über bestimmte Zeiten und Phasen in der Trauer
   nicht ein ewiges Schlafen, sondern das
   Sein können in der Vollendung. Also wie-        Eine Lücke im Netz                             Lücke im Netz unserer Beziehungen. Ver-
   der ein Auferstehungshinweis. „Unruhig          unserer Beziehungen                            trautes ist plötzlich nicht mehr da, die Si-
   ist unser Herz, bis es ruht in dir, oh Gott.“   „Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe   cherheit musste der Instabilität Platz
   Dieser bekannte Satz des Heiligen Au-           zahlen!“ hat die Psychotherapeutin und         machen.
   gustinus soll für den Verstorbenen nun          Frankl-Schülerin Dr. Elisabeth Lukas for-          Je näher uns der oder die Verstorbe-
   Wirklichkeit werden. Ein ruhiges, ruhen-        muliert. Damit verdeutlicht sie den            ne stand, desto größer ist die Verunsi-
   des Herz, das in Gott ruhen kann. Erfüllt       Spannungsbogen der Trauer: Jetzt ist           cherung auch im Hinblick auf unsere ei-
   sein kann. Leben und lieben kann. „Herr         „ein Preis zu zahlen“, das heißt, jetzt ist    gene Persönlichkeit. Wer bin ich, wenn
   gib ihm die ewige Ruhe und das ewige            Schmerz, Verzicht, Leid. Doch dafür ha-        ich jetzt nicht mehr Tochter, Partner,
   Licht leuchte ihm.“ Nochmals wird am            ben wir vorher etwas bekommen: wir             Freundin, Bruder oder Schwester dieses
   offenen Grab der Hinweis auf die Oster-         durften einen Menschen schätzen und            Menschen bin? Im ersten Moment ist
   kerze, das ewige Licht, Christus selbst,        lieben. Die Begegnungen mit diesem             das Gefühl da, auch einen Teil der eige-
   zugesprochen. „Vergesst die Osterkerze          Menschen haben unser Leben berei-              nen Identität verloren zu haben.
   nicht!“, denn Christus hat den Tod be-          chert, haben unser Leben kostbar ge-
   siegt – Halleluja.                         ■    macht.                                         Wie eine lange Wanderung
                                                       Diese Begegnungen waren wertvoll -         Die Neuausrichtung des eigenen Lebens
                                                   und diesen Wert haben wir nun verloren.        ist jetzt vergleichbar mit einer langen
                                                   Egal ob der Abschied zu erwarten war           Wanderung. Das Ziel ist klar, es geht um
                                                   oder aus „heiterem Himmel“ kam, der            die Wiedererlangung der Lebensfreude,
                                                   Verlust dieses Menschen führt zu einer         um einen zuversichtlichen Blick in die

                                                   In der Trauer nicht alleine
                                                   An wen kann sich die Mutter                    sen Schritt damit, dass „auch Trauernde
                                                   wenden, die über den Tod ihres                 Menschen in Not sind.“
                                                   erwachsenen Sohns nicht hin-                       Die Kontaktstelle Trauer arbeitet auf
                                                   wegkommt? Wo kann die junge                    mehreren Ebenen und bietet Trauerbe-
                                                   Frau, deren Freund tödlich                     gleitung der unterschiedlichsten Art an.
                                                   verunglückt ist, über den Verlust              Bei einem Erstgespräch sucht man die
                                                   sprechen, wenn ihr Umfeld                      für den trauernden Menschen beste Art
                                                   findet, sie sollte langsam wieder              der Begleitung. Die Angebote der Kon-
                                                   ins Leben zurückfinden?                        taktstelle Trauer: Trauergruppen für El-
                                                                                                  tern, für junge Menschen nach dem Ver-
                                                   Trauernde Menschen, die vom Tod einer          lust des Partners, für Angehörige nach
                                                   nahestehenden Person betroffen sind,           einem Suizid, für Jugendliche, die ein El-
                                                   erhalten in der Kontaktstelle Trauer der       ternteil verloren haben und viele mehr.
                                                   Caritas der Erzdiözese Wien Beratung           Außerdem bietet die Kontaktstelle Wan-
                                                   und Begleitung durch ein multidiszipli-        dertage und Spaziergänge für Trauernde
                                                                                                                                                 Franz Josef Rupprecht/kathbild.at

                                                   näres Team aus haupt- und ehrenamtli-          sowie Kreativgruppen. Bei Bedarf gibt es
   Die Osterkerze bei unseren Trauerfeiern         chen MitarbeiterInnen.                         auch Einzelbegleitung.
   ist Zeichen dafür, dass der Hoffnungs-              Die Kontaktstelle Trauer wurde 2005            Zusätzlich bietet die Kontaktstelle
   strahl der Auferstehung durch                   als erste ihrer Art gegründet. Caritasprä-     Trauer Ausbildungen im Bereich Trauer-
   die Traurigkeit der Trauer und des              sident DDr. Michael Landau war dies ein        begleitung an. In einem von der Bundes-
   Abschiedes hindurchbrechen soll.                besonderes Anliegen, er begründete die-        arbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung

12 Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018
Zur Gänze hört Trauer nie auf, doch       Wegbegleiter zu suchen. BeraterInnen
                                                  Brigitte Ettl ist                          das Gute an dem Gefühl der Trauer ist,        oder SeelsorgerInnen können helfen,
                                                Psychotherapeu-                              dass daneben auch positive, nährende          durch ihre Fragen wieder ein wenig
                                                   tin, dipl. Ehe-,                          Gefühle möglich sind. Sobald die erste        Struktur in diese Verwirrung aus Angst,
                                               Familien-, Lebens-                            Schockphase, das Nichtwahrhaben               Zorn, Verzweiflung, Wut, etc. zu brin-
                                               und Sozialberate-                             wollen, vorüber ist, kann neben der           gen.
                                                  rin, Lehrthera-                            Schwere auch wieder eine gewisse                  So gelangt man dann immer wieder
                                                       peutin für                            Leichtigkeit spürbar werden. Der Weg          auf eine Ebene des ruhigeren Schmer-
                                                 Existenzanalyse                             führt dann eine Weile über ein Plateau,       zes. Vielleicht führt der Weg jetzt auch
                                               und Logotherapie                              doch wie bei vielen Weitwanderungen           zu tatsächlichen Plätzen, die für die Be-
                                                                                             kann dann plötzlich wieder ein Abstieg        ziehung wichtig waren. Schön ist es,
                                               Zukunft, der beim Gipfelkreuz wieder          in einen dunklen Graben erforderlich          wenn es immer mehr gelingt, die ver-
                                               den großen Horizont eröffnet. Am Be-          sein: es beginnt wiederum ein intensi-        storbene Person zu einem inneren Be-
                                               ginn dieses Weges ist allerdings völlig of-   ves Hadern mit dem Schicksal. Warum-          gleiter zu machen. Sie bekommt damit
                                               fen, wie lange er dauert. Entgegen man-       Fragen, die nicht beantwortet werden          einen neuen guten Platz im Leben. Und
                                               cher Meinungen, die Trauer als Arbeit se-     können, quälen die Seele. Schlafstörun-       so geht der Weg langsam Richtung Gip-
                                               hen, was bedeuten würde, je intensiver        gen, Appetitveränderungen, Konzentra-         fel – es kommen immer mehr sonnige
                                               ich mich darauf einlasse, umso früher         tionsprobleme sind die Folge und rau-         Abschnitte, die wieder Freude machen.
                                               habe ich diese Durststrecke wieder hin-       ben die ohnedies kaum vorhandenen             Die Aufmerksamkeit richtet sich auf
                                               ter mir, ist Trauer ein Entwicklungspro-      Kräfte. Besonders belastend ist es,           neue Lebensinhalte, die Trauer wird im-
                                               zess der Seele, der nicht künstlich be-       wenn in der Beziehung zu dem verstor-         mer mehr zur liebevollen Erinnerung.
                                               schleunigt werden kann. Auch Verglei-         benen Menschen etwas offengeblieben           Aus der Schwere wächst ein Gefühl der
                                               che mit anderen Menschen sind nur sehr        ist, wenn neben der Trauer auch               Dankbarkeit für die gemeinsam ver-
                                               begrenzt hilfreich. So wie jeder Mensch       Schuldgefühle mitgetragen werden.             brachte Zeit, für schöne Erlebnisse, die
                                               einmalig und einzigartig ist, so dauert       Gerade in diesen Abschnitten, die ja          auch im eigenen Erfahrungsschatz un-
                                               auch der Weg aus der intensiven Trauer        auch immer wiederkehren können,               verlierbar geborgen sind.              ■
                                               unterschiedlich lange.                        kann es entlastend sein, sich Profis als

                                               (BAT-www.trauerbegleiten.at) anerkann-        sche Behelfe, Trosthandreichungen, In-        die immer aktuell bleibt: „Trauer hat vie-
                                               ten Curriculum setzen sich die Teilneh-       formationsmaterial und Unterlagen zur         le Gesichter. Sie hat kein klar prognosti-
                                               merInnen mit Abschied, Tod und Trauer         Begleitung trauernder Menschen er-            ziertes Ablaufdatum. Trauern braucht
                                               auseinander und werden so befähigt,           stellt. Die Öffentlichkeitsarbeit ist der     Zeit.“                                  ■
                                               andere Menschen im Trauerprozess zu           Kontaktstelle Trauer ein besonderes An-
                                               begleiten.                                    liegen, denn Trauernde stoßen oft auf
                                                   Ehrenamtliche TrauerbegleiterInnen        Unverständnis. Die Kontaktstelle Trauer
                                               sind auch in Pfarren tätig. Unterstützt       will ein Bewusstsein für die unterschied-
                                               von der Kontaktstelle schaffen sie in den     lichen Bewältigungsstrategien Trauern-
                                               Pfarren Orte, wo sich Trauernde austau-       der schaffen.
                                               schen können und so einander Halt ge-             Dazu kommen der fachliche Aus-
                                               ben. Früher waren Menschen oft stärker        tausch und die Vernetzung mit anderen
                                               in der Kirche beheimatet. Heute bleiben       Organisationen. Die Kontaktstelle Trauer
                                               viele nach dem Begräbnis eines Angehö-        versteht sich als Schnittstelle vieler Ein-
                                               rigen alleine und haben keine schützen-       richtungen und Organisationen: Krisen-
                                               de Gemeinschaft mehr, die ihnen vieles        interventionszentren, Ärzte, Hospize, öf-
                                               abnimmt.                                      fentliche Stellen, etc.
Ettl: Foto Wilke /Mediendienst.com | Caritas

                                                   Neben der Trauerbegleitung und                Jetzt, im 13. Jahr ihres Bestehens, ist     Kontaktstelle Trauer
                                               Ausbildung ist es die Aufgabe der Kon-        die Kontaktstelle Trauer eine fixe Institu-     PfarrCaritas und Nächstenhilfe
                                               taktstelle, Trauer in der Öffentlichkeit      tion mit einer Vielzahl von Gruppen und         1010 Wien, Stephansplatz 6/1/2
                                               sichtbar und verstehbar zu machen. Mit-       Angeboten, mit einer neuen Generation           kontaktstelletrauer@caritas.wien.at
                                               arbeiterInnen halten Vorträge in Pfarren      von AbsolventInnen des Trauerlehrgangs          Leitung: Poli Zach-Sofaly
                                               und beraten Gemeinden im Umgang               und einer Vernetzung über die Grenzen           Tel.: 0664/848 25 17 od. 01/515 52-3099
                                               mit Trauernden. Weiters werden liturgi-       Österreichs hinaus. Und einer Botschaft,

                                                                                                                                    Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan · Ostern 2018 13
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