POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG

Die Seite wird erstellt Dastin Hecht
 
WEITER LESEN
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
Politische
                                   Studien 442
                                   Orientierung durch Information und Dialog

                                                                     63. Jahrgang | März-April 2012 | ISSN 0032-3462 | € 4,50

                                  /// IM FOKUS

Politische Studien /// Heft 442
                                  Frauen in Politik,
                                  Wirtschaft und Wissenschaft
                                  Mit Beiträgen von
                                  Anne Gfrerer | Ursula Männle | Emilia Müller | Hillary Rodham Clinton | Tanja Schwarzmüller |
                                  Matthias Spörrle | Isabell M. Welpe

                                  /// Marcel Huber Zeitgespräch: Ein Minister für Umwelt, Gesundheit und „Leben“
                                  /// Junhua Zhang China: Bedrohung oder Partner für den Westen?
                                  /// Peter Witterauf Die Weltwirtschaft im Umbruch

                                                                                                                   www.hss.de
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
„           Ein Jahr danach – ‚Fukushima’ und die Folgen sind
                           noch lange nicht vorbei.
                                                                              editorial

Das Undenkbare denken
   Tausende Menschen haben ihr Leben verloren und ganze Städte wurden
   verwüstet, als Japan am 11. März 2011 von einem Erdbeben und einem
   Tsunami heimgesucht wurde. Die Zerstörung hatte unvorstellbare Aus-
   maße und geriet zu einer Dreifach-Katastrophe, als es auch noch zu dem
   Reaktorunfall in Fukushima kam. Tagelang beobachteten die Menschen
   weltweit das dramatische Ringen um die Kernschmelze und die Freiset-
   zung von Radioaktivität. Dass in Japan, einer der führenden Industrienati-
   onen mit technologisch hoch entwickelter Wirtschaft, ein Reaktorunfall
   passieren könnte, hieß bis dato gleichsam, „das Undenkbare denken“ und
   führte in Deutschland zu einer Neubewertung der Atomkraft und zur Ener-
   giewende, deren Gelingen seitdem zu einem täglichen Thema geworden ist.
       Ein Jahr „nach Fukushima“ steigt nun wieder die Berichterstattung
   über die Situation vor Ort in Japan. Man erfährt von den Aufräumarbeiten,
   den Dekontaminierungsmaßnahmen und der Rücksiedlung von Bewoh-
   nern. Doch die Lage ist noch immer nicht gänzlich unter Kontrolle. Teile
   der Reaktorgebäude weisen so hohe Strahlenwerte auf, dass sie nicht betre-
   ten werden können und man nur wenig über den tatsächlichen Zustand
   weiß. Um eine weitere Freisetzung von radioaktivem Material zu verhin-
   dern, muss die gesamte Anlage eingehüllt werden. Die Verantwortlichen
   müssen außerdem versuchen, die Kühlung der Reaktoren dauerhaft in Griff
   zu bekommen und überlegen, was mit dem dadurch kontaminierten Was-
   ser passieren soll. Für Japans Wirtschaft ist aber nicht nur die Dreifach-
   Katastrophe eine besondere Belastungsprobe, sondern auch der wachsende
   Wettbewerbsdruck mit den aufstrebenden asiatischen Nachbarländern. Je-
   der kann sich vorstellen, was das für die Menschen vor Ort bedeutet: Angst
   vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, vor kontaminierten Lebensmitteln und
   auch vor weiteren Erdbeben. Es ist bewundernswert, wie gefasst die Bevöl-
   kerung mit der Situation umgeht.

   Silke Franke
   Dipl.-Geographin, Referentin für Umwelt und Klima,
   Ländlicher Raum, Ernährung und Verbraucherschutz, Akademie für
   Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung, München.
                                                            442 // PoLITISCHE STUDIEN   3
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
16

                                        INHALT
                                06   IM FOKUS                                      POLITISCHE-STUDIEN-                        AKTUELLES BUCH
                                                                                               ZEITGESPRÄCH
                                     12 DIE REFORM DES KOLLEKTIVEN                                                            84 KÖNIGIN ELIZABETH II. FEIERT
                                        GEDÄCHTNISSES                              06 EIN MINISTER FÜR UMWELT,                   DIAMANTENES THRONJUBILÄUM
                                        Einführung                                    GESUNDHEIT UND „LEBEN“                     God save the Queen
                                        CLAUDIA SCHLEMBACH                            Politische-Studien-Zeitgespräch            REINHARD MEIER-WALSER
                                                                                      mit dem bayerischen Umwelt- und
                                     16 SCHRITT FÜR SCHRITT CHANCEN-                  Gesundheitsminister                     RUBRIKEN
                                        GLEICHHEIT – ZUM NUTZEN ALLER                 MARCEL HUBER
                                        Frauen in Europa                                                                       03 EDITORIAL
                                        EMILIA MÜLLER                              ANALYSEN                                    87 REZENSIONEN
                                                                                                                              103 LESEEMPFEHLUNG
                                     24 FRAUEN IN DER POLITIK                      52 WIRD CHINA BEDROHUNG ODER               106 ANKÜNDIGUNGEN

30                                      Was hat sich verändert?
                                        URSULA MÄNNLE
                                                                                      PARTNER FÜR DEN WESTEN SEIN?
                                                                                      Neue Überlegungen zu einer alten
                                                                                                                              108 IMPRESSUM

                                                                                      Fragestellung
                                     30 WOMEN’S BREAKFAST 2012                        JUNHUA ZHANG
                                        Remarks
                                        HILLARY RODHAM CLINTON                     61 DIE WELTWIRTSCHAFT
                                                                                      IM UMBRUCH
                                     35 DER HVB FRAUENBEIRAT                          Welcher Ordnungsrahmen ist
                                        Diversity neu denken                          notwendig?
                                        ANNE GFRERER                                  PETER WITTERAUF

                                     39 FRAUEN IN DER WISSENSCHAFT                 72 ZWANZIG JAHRE NACH
                                        Please mind the gap!                          DEM ZUSAMMENBRUCH
                                        ISABELL M. WELPE | TANJA SCHWARZMÜLLER |      JUGOSLAWIENS

                                52      MATTHIAS SPÖRRLE                              Zwischen Fortschritt und Stillstand
                                                                                      OLIVER JOACHIM ROLOFS | JOCHEN STÖGER

4   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                442 // POLITISCHE STUDIEN   5
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
POLITISCHE-STUDIEN–ZEITGESPRÄCH

                                                                                               „     Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche
                                                                                                     Herausforderung.

                                                                                               Politische Studien: Transparenz in der
                                                                                               Nahrungsmittelkette und die Tierhaltung
                                                                                               bleiben sicherlich noch Themen, über die
                                                                                               zu sprechen sein wird. Eine weiteres, gro-
                                                                                               ßes Aufgabenfeld für die Zukunft ist die
/// Politische-Studien-Zeitgespräch
                                                                                               Energiewende. Die Federführung liegt              Marcel Huber: Die Energiewende ist

MARCEL HUBER – EIN MINISTER FÜR                                                                zwar beim Wirtschaftsministerium, aber
                                                                                               es gibt zahlreiche Aspekte, die weitere
                                                                                                                                                 eine gesamtgesellschaftliche Herausfor-
                                                                                                                                                 derung. Dabei kommt es auf alle an.

UMWELT, GESUNDHEIT UND „LEBEN“
                                                                                               Ministerien berühren, beispielsweise bei          Dieser Verantwortung kommen wir ger-
                                                                                               der energetischen Gebäudesanierung                ne nach, gemeinsam mit den Verbän-
                                                                                               oder beim Biomasseanbau. Auch Ihr Res-            den. Die Energieagentur Bayern führt
                                                                                               sort ist betroffen. Das erfordert eine ech-       die Gesamtregie für die Energiewende.
MARCEL HUBER /// ist seit November 2011 Bayerischer Staatsminister für                         te Koordinationsleistung. Gibt es kultu-          Wir selbst haben – als ein ressortüber-
Umwelt und Gesundheit, das sich auch als „Lebensministerium“ bezeichnet.                       relle Hürden zwischen den Ministerien             greifendes Beispiel – noch vor Weih-
Der promovierte Tierarzt wirkte dort bereits von Oktober 2007 bis Oktober 2008                 und den Verbänden?                                nachten den Windenergieerlass verab-
als Staatssekretär, bevor er in das Staatsministerium für Unterricht und Kultus
wechselte und anschließend zum Leiter der Bayerischen Staatskanzlei berufen
wurde. Zu Hause im Landkreis Mühldorf am Inn ist er CSU-Kreisvorsitzender.

                                                                                                                                                                                                        Bildnachweis: Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, München.
         Politische Studien: Sehr geehrter Herr     rückstände. Zusätzlich zum nationalen
         Staatsminister, als Chef des Bayerischen   Rückstandskontrollplan wurden 2010
         Staatsministeriums für Umwelt und Ge-      174 Geflügelfleischproben auf Rück-
         sundheit tragen Sie auch für die Lebens-   stände von Antibiotika untersucht. Da-
         mittelsicherheit und das Wohl der Tiere    bei wurden keine Grenzwertüberschrei-
         Verantwortung – was einem Veterinär be-    tungen festgestellt. 89 % des Hähnchen-
         sonders entgegenkommt. In den letzten      und 31 % des Putenfleisches waren
         Wochen gab es in den Medien viele kriti-   gänzlich ohne Rückstände. Zudem hat
         sche Berichte über die Folgen der Mas-     das bayerische Gesundheitsministerium
         sentierhaltung und des Antibiotika-Ein-    gehandelt und eine Sonderuntersu-
         satzes. Wie sieht angesichts dieser Her-   chung zur Keimbelastung bei Hähn-
         ausforderungen Ihr Aktionsplan aus?        chenfleisch in Auftrag gegeben. Ziel ist
         Marcel Huber: Antibiotika sind unver-      es, zusätzlich repräsentative, valide
         zichtbar in der Medizin – für die Ge-      Zahlen über die Resistenzsituation zu
         sundheit von Mensch und Tier. Die          erhalten. Gemeinsam mit den anderen
         neue Situation der Antibiotika-Resisten-   Ländern spricht sich Bayern im Kampf
         zen ist allerdings bedenklich. Es muss     gegen die zunehmenden Antibiotikare-
         alles getan werden, die Wirksamkeit der    sistenzen für einen ganzheitlichen An-
         Antibiotika zu erhalten. Das Bayerische    satz für mehr Tiergesundheit durch eine
         Landesamt für Gesundheit und Lebens-       Optimierung der Hygienestandards, der
         mittelsicherheit (LGL) untersucht regel-   Haltungsbedingungen sowie des Be-
         mäßig Fleischproben auf Antibiotika-       standsmanagements aus.                     Durch die Energiewende sind Solaranlagen weiter im Aufschwung – Minister Huber wirbt für sie.

6   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                               442 // POLITISCHE STUDIEN                                                7
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
POLITISCHE-STUDIEN–ZEITGESPRÄCH

         schiedet. Hier haben wir eng mit ver-        ge Weise. Jüngstes Beispiel ist die Ge-      Marcel Huber: Nein, die Kompensation         gelung wollen wir in der geplanten Kom-
         schiedenen Verbänden zusammengear-           bietskulisse Windkraft als Umweltpla-        von Eingriffen in Natur und Landschaft       pensationsverordnung verbessern.
         beitet, etwa mit dem Landesbund für          nungshilfe. Die Gebietskulisse ist eine      ist bundesgesetzlich festgeschrieben.
         Vogelschutz. Natürlich gibt es auch          Dienstleistung insbesondere für die          Derartige Eingriffe müssen grundsätz-        Politische Studien: Wie sieht für Sie eine
         noch andere Herausforderungen, zum           Kommunen und Regionalen Planungs-            lich vom Verursacher durch Bereitstel-       intelligente Vernetzung von Agrar- und
         Beispiel ein gemeinsames Verständnis         verbände. Sie zeigt nach bayernweit ein-     lung von Ausgleichs- oder Ersatzflächen      Umweltproduktion aus?
         zur Wasserkraft. Auch hier suchen wir        heitlichen Kriterien die geeigneten          kompensiert werden. Ziel ist ein flä-        Marcel Huber: Wir müssen heute so le-
         den Dialog.                                  Standorte für die Errichtung von Wind-       chendeckender Mindestschutz und der          ben, dass auch unseren Kindern genü-
                                                      kraftanlagen auf. Jetzt sind zunächst die    Erhalt unserer Natur und Landschaft.         gend Gestaltungsspielräume für ihr Bay-
         Politische Studien: Wie sieht es denn bei    Kommunen mit ihrer Ortskenntnis und          Dabei besteht keine aus agrarstrukturel-     ern von morgen bleiben. Nachhaltigkeit
         der Wasserkraft aus? Da soll bis zum Jahr    Planungshoheit bei der weiteren Ent-         ler Sicht relevante Flächenkonkurrenz        ist unser Leitmotiv, auch für die Produk-
         2021 der Anteil am Stromverbrauch von        wicklung gefragt. Auch der Leitfaden         zwischen landwirtschaftlicher Nutzung        tion von Agrargütern. So darf die Erzeu-
         derzeit 15 % auf 17 % ausgebaut werden.      Energienutzungsplan leistet den Kom-         und naturschutzfachlicher Kompensati-        gung von Biomasse nicht weiter dazu
         Wie lässt sich das realisieren?              munen seit Februar 2011 eine wichtige        on. So können rund 40 % der Kompen-          führen, dass nur noch Mais angebaut
         Marcel Huber: Die Wasserkraft ist eine       Hilfestellung für eine effiziente Energie-   sationsflächen weiterhin landwirt-           wird. Klar ist, dass die zukünftigen He-
         wichtige Energiequelle, gerade in Bay-       nutzung. Mit dem Energie-Atlas Bayern        schaftlich, z. B. als extensives Grün-       rausforderungen wie die Energiewende
         ern. Sie muss einen Beitrag zur Energie-     haben die Kommunen im Internet unter         land, genutzt werden. Das Bayerische         nur durch eine gemeinsame Kraftan-
         wende leisten. Bereits jetzt liegt der An-   www.energieatlas.bayern.de ein wichti-       Naturschutzgesetz betont darüber hin-        strengung gelingen können. Dies setzt
         teil der Wasserkraft an den regenerati-      ges Instrument an der Hand. Es zeigt         aus die Notwendigkeit, Grünland in           voraus, dass wir noch stärker als bisher
         ven Energien in Bayern bei 60 %. Mit         Potenziale auf und ist Basis für regionale   ökologisch sensiblen Bereichen zu erhal-     über Fachbereiche hinaus zusammenar-
         einem Zehn-Punkte-Fahrplan für eine          Energienutzungskonzepte oder Ent-            ten. Hier setzen wir auf das bewährte        beiten müssen, um intelligente und kre-
         ökologische und naturverträgliche Was-       wicklungspläne für erneuerbare Energi-       Prinzip der Freiwilligkeit und schließen     ative Lösungen zu finden. Die 55 Land-
         serkraftnutzung wollen wir den Ausbau        en. Derzeit sind über 300.000 Anlagen        Verträge mit den Landnutzern. Auch die       schaftspflegeverbände in Bayern, in de-
         weiter voranbringen, vor allem mit Mo-       erfasst, ihre Zahl wächst stetig. Neu        Bayerische Biodiversitätsstrategie ist ein   nen Vertreter der Kommunen, des Na-
         dernisierungen und Nachrüstungen. Ich        hinzukommen wird ein Marktplatz für          wichtiger Baustein, um die Vielfalt an       tur- und Umweltschutzes und der Land-
         strebe für Natur und Artenvielfalt inno-     Abwärme. Ziel ist es, Wärme für Hei-         Arten und Lebensräumen zu sichern            wirtschaft vor Ort zusammenarbeiten,
         vative Lösungen an, eine Win-win-Situ-       zungen aus industriellen Prozessen,          und Entwicklungsmöglichkeiten zu ver-        leisten hier einen wertvollen Beitrag.
         ation für den Natur- und Gewässer-           Müllverbrennungsanlagen oder Abwas-          bessern. Große Erwartungen setzen wir
         schutz sowie die Energieerzeugung. Bis       ser zurückzugewinnen. Der Energie-           auch in die sogenannten „produktions-        Politische Studien: Wie zufrieden sind
         Herbst 2012 soll es zum Beispiel eine        Atlas Bayern wird damit vom Routen-          integrierten Kompensationsmaßnah-            Sie mit den bisherigen Ergebnissen zum
         erste Liste mit Standorten geben, an de-     planer zur virtuellen Planungshilfe für      men.“ Diese führen einerseits zu einer       Flächensparen? Ein signifikant abneh-

                                                                                                      „
         nen Modernisierungsmaßnahmen sinn-           erneuerbare Energien. Er wird bereits        ökologischen Aufwertung von landwirt-        mender Trend ist nicht erkennbar. Brau-
         voll erscheinen oder vorhandene Wehre        rege genutzt – die Anzahl der Klicks         schaftlichen Flächen, andererseits müs-      chen wir straffere Vorgaben?
         nachgerüstet werden können. Auch hier        liegt bei über vier Millionen.               sen die Flächen dafür nicht aus der land-
         ist uns ein enger Energiedialog mit den                                                   wirtschaftlichen Nutzung genommen
         Verbänden wichtig.                           Politische Studien: Ich möchte in diesem     werden. Die Voraussetzungen für eine
                                                      Zusammenhang den „Flächenverbrauch“          solche Flexibilisierung der Ausgleichsre-
         Politische Studien: Wie begleitet das        ansprechen. Boden, das wird uns zuneh-
         Umweltministerium die Kommunen bei           mend bewusst, ist eine wertvolle Res-
         der Energiewende? Viele Gemeinden            source. Nun brauchen wir die Flächen                        Nachhaltigkeit ist unser Leitmotiv, damit auch
         möchten etwas tun, sind aber verunsi-        nicht nur für den Anbau von Nahrungsmit-                    unseren Kindern genug Gestaltungsspielraum
         chert, z. B. was die Regelungen bei der      teln, sondern auch für den Anbau von Bio-                   für morgen bleibt.
         Windenergie angeht.                          masse. Müssen wir um die „ökologischen
         Marcel Huber: Das Umweltministerium          Ausgleichsflächen“ und Grünlandflächen
         unterstützt die Kommunen auf vielfälti-      bangen?
8   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                           442 // POLITISCHE STUDIEN   9
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
POLITISCHE-STUDIEN–ZEITGESPRÄCH

          Marcel Huber: Flächen stehen uns nur in
          begrenztem Umfang zur Verfügung.
          Wir müssen mit dem wertvollen Gut
                                                      künftige Generationen zu sichern. Auf
                                                      der UN-Konferenz geht es darum, sich
                                                      auf einen globalen Rahmen zu verstän-
                                                                                                     „    Ich befasse mich mit zukunftsrelevanten Themen –
                                                                                                          das ist eine tolle Herausforderung.

                                                                                                     Erhalt der Megaressource Wasser und
          verantwortungsvoll umgehen. Bayern          digen, der allen Staaten und Regionen          einen respektvollen Umgang mit der
          steht aber mit einem Anteil von nur         Rückhalt und Unterstützung bei ihren           Schöpfung, um nur einige Schlüsselthe-
          11,3 % Siedlungs- und Verkehrsfläche        Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit              men zu nennen. Natürlich geht es auch
          an der Gesamtfläche im bundesweiten         bietet und sich mit den drängenden He-         um den Erhalt der Heimat, der regiona-
          Vergleich sehr gut da. Ziel der Bayeri-     rausforderungen für die Weltgemein-            len Kultur, der Dorfgemeinschaft und        CO2-Ausstoß pro Bürger und Jahr deut-
          schen Staatsregierung ist es, den Flä-      schaft auseinandersetzt. Nachhaltigkeit        der Solidarität zwischen Stadt und          lich unter sechs Tonnen zu drücken,
          chenverbrauch im Freistaat deutlich und     bildet auch das Leitbild und den lang-         Land. Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der   nicht aus den Augen verlieren. Auch die
          dauerhaft zu senken. Wir unterstützen       fristigen Orientierungsrahmen für die          unseren traditionellen Vorstellungen ei-    Bewahrung der Artenvielfalt ist mir ein
          die Kommunen dabei mit einer Reihe          Politik der bayerischen Staatsregierung.       ner werterhaltenden, im besten Sinne        wichtiges Anliegen. Ich bin aber auch
          von Maßnahmen, beispielsweise mit           Die Staatsregierung hat deshalb be-            konservativen Politik enorm nahesteht.      Gesundheitsminister. Deshalb liegt es
          einer Flächenmanagement-Datenbank,          schlossen, eine neue Nachhaltigkeits-          Aushängeschild des Bayerischen Um-          mir am Herzen, die qualitativ hochwer-
          mit der Kommunen die vorhandenen            strategie zu erarbeiten, die bayerische        weltministeriums ist derzeit das Projekt    tige medizinische Versorgung flächen-
          Flächensparpotenziale erfassen und die      Ziele, Maßnahmen und Lösungsansätze            „Netzwerk Nachhaltige Bürgerkommu-          deckend zu sichern und weiterzuentwi-
          Nutzung dieser Potenziale im Rahmen         für eine nachhaltige Entwicklung in            ne“. Dieses Projekt ist ein gelungenes      ckeln. Das Umwelt- und Gesundheits-
          der kommunalen Planungshoheit opti-         Bayern formuliert und damit die Ziele          Beispiel dafür, wie der Staat eine nach-    ministerium ist das Lebensministerium:
          mieren können.                              der UN-Konferenz unterstützt.                  haltige Entwicklung in Kommunen un-         Es deckt alle Bereiche des Lebens ab –
                                                                                                     terstützen kann. Auch künftig wird das      von der Versorgung der Säuglinge bis
          Politische Studien: Im Juni 2012 tagt       Politische Studien: Das Treffen ist sym-       Bayerische Staatsministerium für Um-        hin zum Bestattungsrecht. Das macht
          die UN-Konferenz für nachhaltige Ent-       bolträchtig, denn es findet abermals in        welt und Gesundheit innovative Mo-          diese Tätigkeit so spannend.
          wicklung. Sie soll die Neuausrichtung       Rio de Janeiro statt, wo sich die internati-   dellprojekte unterstützen, etwa im Be-
          der Volkswirtschaften weltweit hin zu       onale Staatengemeinschaft beim „Welt-          reich der Energiewende oder des Demo-       Politische Studien: Vielen Dank für das
          einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise       gipfel“ vor zwanzig Jahren erstmals zum        graphischen Wandels. Dies sind die          Gespräch.
          – „Green Economy“ – deutlich beschleu-      Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung          großen Herausforderungen, vor denen
          nigen. Welche Erwartungen haben Sie be-     bekannt und das Aktionsprogramm                wir stehen. Ziel der Staatsregierung ist    Das Interview führte Silke Franke, Dipl.-
          züglich der Konferenz und wie bringt sich   „Agenda 21“ verabschiedet hat. Wie geht        es, Unterstützung bei der Bewältigung       Geographin, Referentin für Umwelt und
          Bayern dabei ein?                           es heute mit der lokalen Agenda 21 wei-        der Zukunftsfragen zu bieten.               Klima, Ländlicher Raum, Ernährung und
          Marcel Huber: Nachhaltige Entwick-          ter? Welche Anreize bieten Sie den Kom-                                                    Verbraucherschutz, Akademie für Politik
          lung bedeutet den Erhalt der wertvollen     munen zur nachhaltigen Umsteuerung?            Politische Studien: Sie waren bereits       und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stif-
          ökologischen, ökonomischen und sozia-       Marcel Huber: Der Bezug zur lokalen            2007/ 2008 als Staatssekretär im Um-        tung, München. ///

        „
          len Grundlagen, um damit Wohlstand          Agenda 21 ist richtig, aber nicht ab-          weltministerium. Das Ministerium nennt
          und Lebensqualität für heutige und          schließend. Nachhaltigkeit hat an Be-          sich inzwischen Lebensministerium. Die
                                                      deutung hinzugewonnen. Das berührt             Energiewende setzt allerorten neue             w
                                                      Fragen unseres globalen Wirtschafts-           Schwerpunkte. Welche Akzente möchten
                                                      systems ebenso wie die Themen „Schul-          Sie persönlich als Umweltminister setzen?
                                                      denfreie Staaten“, Ökologisierung der          Marcel Huber: Ich darf mich aktuell
                                                      Energiegewinnung, Ressourcensparen,            wieder mit den Themen befassen, die
                                                                                                     sehr große Zukunftsrelevanz haben.
                       Ziel der Staatsregierung ist die Unterstützung bei der                        Das ist eine tolle Herausforderung. Die
                       Bewältigung der Zukunftsfragen.                                               Energiewende ist natürlich ein zentrales       /// DR. MARCEL HUBER
                                                                                                     Thema. Ziel ist es, 50 % der elektrischen      ist Bayerischer Staatsminister für Um-
                                                                                                     Energie regenerativ bis 2021 zu decken.        welt und Gesundheit, München.
                                                                                                     Dabei dürfen wir unser Klimaziel, den
10   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                           442 // POLITISCHE STUDIEN   11
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
IM FOKUS

/// Einführung

DIE REFORM DES KOLLEKTIVEN

                                                                                                                                                                                                            Bildnachweis: Wilhelm Kranz / Getty Images
GEDÄCHTNISSES
CLAUDIA SCHLEMBACH /// Das kollektive Gedächtnis ist ein wichtiges Moment
für die Identität einer Gesellschaft. Es reflektiert in Teilen das gesellschaftliche
Wertegerüst, erweist sich aber auch als alltagstauglich und anwendungsorientiert,
weil es die Beziehungen zwischen den Menschen abbildet.
                                                                                                 Unser kollektives Gedächtnis ist noch auf Steinzeit programmiert. Das muss sich ändern.

          Das Kollektive Gedächtnis steht für die     genheit unserer Gesellschaft. Es zeigt       land noch bei 27 %, 2006 erstmals bei              Steiff, Käthe Kruse, Elisabeth Beusen
          „Tradition in uns, die über Generatio-      sich: Unser kollektives Gedächtnis, das      der Hälfte. Heute sind es die Frauen,              oder Aenne Burda. Heute haben wir
          nen, in jahrhunderte-, ja teilweise jahr-   wir so lange gepflegt haben, passt nicht     die die meisten Studienabschlüsse ma-              auf dieser Ebene Elisabeth Schäffler,
          tausendelanger Wiederholung gehärte-        mehr so richtig in unsere Zeit. Die ge-      chen.                                              Liz Mohn oder Nicola Leibinger-
          ten Texte, Bilder und Riten, die unser      wachsenen Strukturen in den unter-         • 1906 prescht Finnland in Europa mit                Kammüller. Auch die sogenannten
          Zeit- und Geschichtsbewusstsein, unser      schiedlichen Lebenswelten von Politik,       dem Frauenwahlrecht vor, 19 weibli-                Führungspositionen sind im Mittel-
          Selbst- und Weltbild prägen“. Es ist        Wirtschaft, Gesellschaft, Familie haben      che Abgeordnete werden in das Parla-               stand mit 20 % Frauenanteil nicht
          deshalb aus gutem Grund zäh und hält        vielfältige, neue Formen angenommen.         ment gewählt, Deutschland folgt 12                 überwältigend, aber doch deutlich
          dem Druck stand, auf jeden neuen            Die Geschwindigkeit, mit der diese Ver-      Jahre später. Immer wieder schaffen es             besser besetzt als in den investorenbe-
          Trend mit unmittelbaren Verhaltensän-       änderungen über uns hereingebrochen          Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg                  triebenen Konzernen. Dort variieren
          derungen zu reagieren.                      sind, die Dynamik, die darin steckt,         in die Spitzengremien der Partei, blei-            die Zahlen zwischen 3,5 und 7,5 % –
             Greifen wir die Beziehung zwischen       steht nun im krassen Gegensatz zu der        ben aber die Ausnahme. Ursula                      so oder so, beeindruckend ist die Mar-
          Mann und Frau in ihrem diversen Rol-        zähen Gedächtnismasse, die sich Verän-       Männle, die sicher als politische Pio-             ge nicht.
          lenverständnis auf, das Bild der Frau und   derungen verweigert.                         nierin gelten darf, schildert in diesem          • Auch in anderen Bereichen waren
          des Mannes bezüglich Familie, Bezie-                                                     Heft ihre Einschätzung darüber, was                Frauen lange Zeit nur als Solitäre aus-
          hung und Ehe. In der Steinzeit erlegten         Die Zähigkeit im Zeitraffer              sich tatsächlich geändert hat.                     zumachen: Therese Giehse auf der
          die Männer als Jäger das Wild und           • 1886 gibt es die ersten Abiturprüfun-    • Die Diskussion um Führungspositio-                 Bühne, Christl-Marie Schultes, die
          schützten den Stamm vor feindlichen           gen von Frauen in Berlin, 1901 darf        nen in der Wirtschaft gab es bis vor               erste Pilotin in Bayern, Johanna So-
          Übergriffen. Die Frauen waren Sammle-         Mathilde Wagner als erste ordentliche      wenigen Jahrzehnten in Deutschland                 phia Kettner, die als Mann verkleidet
          rinnen, hielten die Höhle sauber, zogen       Studentin in Medizin promovieren.          noch nicht, weil das System mit mana-              1746 zum Korporal berufen wurde
          den Nachwuchs groß und pflegten das           Seit 1921 können sich Frauen auch ha-      gergesteuerten Betrieben erst seit Mit-            oder Therese von Bayern, die Tochter
          soziale Netzwerk. Das war eine klare          bilitieren. 1999 bekommt Marion            te des letzten Jahrhunderts entstand.              von Prinzregent Luitpolt, die aus den
          Rollenverteilung. Machen wir einen            Kiechle als erste Frau eine C4-Profes-     Davor standen die Unternehmer im                   Salons flüchtete, Naturforscherin wur-
          Jahrtausendsprung in die Gegenwart            sur in Frauenheilkunde. 1967 liegt der     Blickpunkt und ganz vereinzelt auch                de und den ersten Ehrendoktor der
          und in die kurz zurückliegende Vergan-        Anteil der Studentinnen in Deutsch-        Unternehmerinnen wie z. B. Margarete               Münchner Universität erhielt.
12   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                                  442 // POLITISCHE STUDIEN   13
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
IM FOKUS

              Schlussfolgerungen                      demographischen Daten gehören sicher-           In unserer komplexen Welt ist es
          Es fehlt dem Gedächtnis bis dato noch       lich dazu. Die Gesellschaft schrumpft,      wichtig, jenseits von institutionellen
          die kritische Masse an Frauen, um zu        wir brauchen gut ausgebildete Arbeits-      Zwängen, Glasdecken und Bewusst-                Eine immer komplexere Welt
          einer Veränderung getrieben zu werden.      kräfte und die dürfen dann auch weib-       seinswandel, Frauen in alle Lebensberei-        muss die Frauen in allen Bereichen
          Es gab eben immer schon Amazonen,           lich sein. Die Akademisierungs- und         che verstärkt zu integrieren. Es geht           stärker INTEGRIEREN.
          die sich nicht in die Schablone fügten.     Ausbildungsquoten sprechen dafür. Die       hierbei um die Reduktion von Komple-
          Ihre Handlungen wurden von Frauen           finanzielle Situation erlaubt es außerdem   xität durch Pluralismus, multiperspekti-
          und Männern mehr oder weniger be-           vielen Familien gar nicht mehr, dass es     visches Herangehen an Aufgaben und
          wundert, gefürchtet und belächelt. Es       nur einen Ernährer gibt. Diesem Druck       weibliche Methoden der Konfliktlösung,
          reichte jedenfalls nicht aus, um ausrei-    kann sich heute kaum jemand entziehen.      die sie angeblich sehr gut beherrschen,    Wir haben es mit in der Hand, die
          chend andere Frauen aus der Höhle zu            Und ohne hier in Ursache-Wir-           aber auch um mehr männliche Präsenz        Strukturen dafür zu legen.
          locken. Sie fanden das Höhlendasein at-     kungs-Ketten denken zu wollen, ist si-      in der Familie. Es geht um die Auswei-         Die Hanns-Seidel-Stiftung hat vor
          traktiver, sie trauten sich nicht auf das   cher mitentscheidend, dass mit zuneh-       tung des Nährbodens für Innovation,        diesem Hintergrund zusammen mit der
          neue und damit unsichere Terrain, sie       mender Bildung und damit Aufklärung         die Kombination von Lebenswelten und       Bayerischen Staatskanzlei eine Tages-
          definierten ihre Rolle ganz anders und      und Selbstreflexion einhergehend beide      den darin geltenden Regeln, Methoden       veranstaltung zu Frauen in Politik,
          fürchteten, dem Druck der Gemein-           Geschlechter neue Chancen sehen. Die        und Erfahrungen. Hillary Clinton be-       Wirtschaft und Wissenschaft organi-
          schaft nicht standzuhalten, wenn sie        Frauen wollen in die männliche „Arena“,     schrieb das in ihrer Rede beim zweiten     siert und dabei eine Auswahl von Red-
          „ihr Ding“ machen würden. Die Män-          und mehr und mehr Männer geben zu,          Women‘s Breakfast, das die Hanns-Sei-      nerinnen zu Wort kommen lassen. Bei
          ner wollten keine „Amazone“ neben           dass sie es als Entlastung empfinden,       del-Stiftung zusammen mit der Staats-      der Veranstaltung selbst war deutlich
          sich und verteidigten die Strukturen, die   wenn die Frauen sich zunehmend pari-        kanzlei und WIIS.de organisiert hat,       geworden, dass es innerhalb dieser drei
          sie aufgebaut hatten, die ihnen vertraut    tätisch an der „Jagd“ und dem Schutz        sinngemäß so: „Wenn es in Gesprächen       Bereiche ganz unterschiedliche Heran-
          waren und in denen sie sich sicher be-      des Territoriums beteiligen und sie         darum geht, wie wir uns dem Gegner ge-     gehensweisen an die Problemstellung
          wegten. Sie betrachteten Gleichberechti-    selbst mehr Zeit für die Kinder haben.      genüber verhalten, welchen Schlag wir      gibt und dass die Lösungsansätze sowie
          gung nicht nur als rhetorische Floskel,     Manche zeigen sogar großes Geschick         als nächstes führen wollen, dann wer-      die Bewertung der Eigenverantwortung
          sondern als Angriff auf ihren Status        bei der Pflege der „Höhle“. In der Sum-     den die Einwände der Frauen als weiche,    der handelnden Personen variieren.
          quo, auf die Territorien Raum, Zeit, Fa-    me sind das die Grundlagen einer neu-       nicht zielführende Perspektive abgetan.    Auch hier trägt die Überlappung der Be-
          milie bzw. Frau.                            en, gleichberechtigten Form des Zusam-      Wir weisen das entschieden zurück.“        reiche und die damit gewonnene Trans-
              Für die Mehrheit der Männer und         menlebens und -arbeitens, in der auch           Wenn wir akzeptieren, dass wir die-    parenz zur positiven Gestaltung bei.
          Frauen war das über viele Jahrzehnte        Familie und Kinder wieder eine neue         se Multiperspektivität brauchen, um die    Wir werden weiter daran arbeiten. ///
          hinweg eine gute Symbiose, die von bei-     Bedeutung bekommen können. Sie sind         Herausforderungen unserer globalen
          den Geschlechtern weitgehend mitgetra-      der Katalysator für Veränderung – aber      Welt handhaben zu können, dann
          gen wurde. Scheinbar losgelöst davon        das Ganze bleibt zäh.                       braucht es auch Raum, Gelegenheit und
          aber entwickelten sich Rahmenbedin-             Natürlich zeigt sich, dass der Weg      den Willen der Beteiligten dafür, damit
          gungen, die die Sinnhaftigkeit dieser       aus der weiblichen Lebenswelt in die        sie in die Entscheidungen einfließen
          Rollenverteilung in Frage stellten. Die     Welt der Männer und vice versa nicht        können. Das sind konkret die institutio-
                                                      reibungslos verläuft. Die von den Män-      nellen Rahmenbedingungen, die Über-
                                                      nern aufgebauten Strukturen und Insti-      zeugungen der Männer und Frauen, die
                                                      tutionen sind nicht die der Frauen. Und     Akzeptanz in der Gesellschaft für neue
                                                      die darin ablaufenden Prozesse und Ri-      Rollenzuordnungen, ein wenig Toleranz            /// DR. CLAUDIA SCHLEMBACH
       Zur Änderung des kollektiven                   ten sind ihnen ebenfalls nicht vertraut.    für Reibungsverluste, Geduld und                 ist Referentin für Wirtschaft und Finanzen
       Gedächtnisses braucht es mehr                  Auf der anderen Seite müssen die Män-       gleichzeitig ein nicht nachlassender             der Akademie für Politik und Zeitgesche-
       WEIBLICHE VORBILDER.                           ner erkennen, dass sie mit den klassi-      Druck der Veränderung. Kurz: Es ist die          hen, Hanns-Seidel-Stiftung, München.
                                                      schen Methoden wie Blockade, Verdrän-       Reform eines jahrtausendealten kultu-
                                                      gung, „Beseitigung“ oder Drohung die        rellen Gedächtnisses. Das geht weit über   Anmerkung
                                                                                                                                             *   Assmann, Jan: Thomas Mann und Ägypten, München
                                                      Frauen nicht mehr aufhalten können.         die sogenannte „Frauenfrage“ hinaus.           2006, S.70.

14   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                             442 // POLITISCHE STUDIEN   15
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
Bildnachweis: AFP/Getty Images                                                                                                                         IM FOKUS

                                                                 /// Frauen in Europa

                                                                 SCHRITT FÜR SCHRITT CHANCEN-
                                                                 GLEICHHEIT – ZUM NUTZEN ALLER
                                                                 EMILIA MÜLLER /// Frauen bewegen die Welt – zuletzt haben das mutige Freiheits-
                                                                 kämpferinnen im arabischen Frühling bewiesen. Dennoch sind Unterdrückung und
                                                                 Benachteiligung von Frauen nach wie vor an der Tagesordnung. Auch in Europa kann
                                                                 trotz mancher positiver Entwicklung von einer Chancengleichheit der Geschlechter
                                                                 noch lange nicht die Rede sein. Auf dem Weg zu mehr Chancengerechtigkeit ist noch
                                                                 einiges zu tun.

                                                                     Arabischer Frühling – Eiszeit für      kämpft haben – mutige und hoffnungs-
                                                                     die Frauen                             volle Bilder.
                                                                 Vor einem Jahr verfolgte Europa mit            Ohne Frauen wäre der Aufstand in
                                                                 Spannung die Demokratiebewegung in         Ägypten und den anderen Ländern der
                                                                 der arabischen Welt. Diese Ereignisse      arabischen Welt undenkbar gewesen.
                                                                 haben Geschichte geschrieben und die       Ein Jahr danach haben sich die Bilder
                                                                 Welt verändert. Wir erinnern uns an die    gewandelt. Wir sehen im Fernsehen
                                                                 Verzweiflungstat eines jungen tunesi-      oder im Internet, wie bei Demonstratio-
                                                                 schen Obsthändlers, der sich aus Protest   nen Frauen von Männern beschimpft,
                                                                 gegen die autoritäre Willkürherrschaft     gedemütigt, verprügelt und verschleppt
                                                                 in seinem Land vor den Augen der Welt      werden. Wir lesen voll Entsetzen in den
                                                                 angezündet hat. Wir denken an die          Zeitungen von sexuellen Übergriffen,
                                                                 Fernsehbilder von tausenden jungen         von Jungfrauentests und Misshandlun-
                                                                 Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kai-      gen – auch westlichen Journalistinnen
                                                                 ro, die sich via Facebook und Twitter      gegenüber. Und schließlich wird nach
                                                                 versammelt und damit einen Umbruch         der konstituierenden Sitzung des ersten
                                                                 losgetreten haben. Und wir haben ein-      frei gewählten Parlaments in Ägypten
                                                                 drucksvolle Bilder von Frauen vor Au-      offenkundig, was viele vorher bereits be-
                                                                 gen, die an vorderster Front in Ägypten,   fürchtet hatten: Der „Arabische Früh-
                                 Arabische Frauen kämpften für   Tunesien und Libyen für die Revolution,    ling“ ist für die Frauen der Revolution
                                 Freiheit und Mitbestimmung in   für Freiheit und Mitbestimmung und         zur Eiszeit geworden. Mit weniger als
                                 ihrem Land.                     für Frauen- und Menschenrechte ge-         zwei Prozent Frauenanteil bei den Abge-
                                                                                                                                    442 // POLITISCHE STUDIEN   17
POLITISCHE STUDIEN 442 - HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
IM FOKUS

          ordneten spielen Frauen in Ägypten po-      schläge, der Siege und Niederlagen – ein   heit, Gleichheit und Brüderlichkeit,
          litisch keine Rolle mehr.                   Weg der kleinen Schritte, der unser Eu-    dauerte es immerhin bis zum Ende des
               Das demokratische Wahlergebnis         ropa seit dem letzten Jahrhundert Stück    Zweiten Weltkriegs, bis die Demokratie         In Europas Parlamenten sind wir
          bestätigt die wissenschaftlichen Unter-     für Stück chancengerechter macht.          Einzug hielt und Frauen wählen und po-         von Geschlechtergerechtigkeit
          suchungsergebnisse des Genfer Welt-                                                    litisch mitbestimmen durften. Den un-          noch WEIT entfernt.
          wirtschaftsforums. In seinem „Global            Europas Wege zur Gleichstellung        rühmlichen Abschluss dieses europäi-
          Gender Gap Report 2011“ werden welt-            von Mann und Frau                      schen Nord-Süd-Gefälles der Demokra-
          weit Fortschritte bei der Gleichberechti-   Allein die Notwendigkeit des Internati-    tieentwicklung bildet die Schweiz. 1990
          gung von Frauen gemessen. Der Report        onalen Weltfrauentags am 8. März zeigt,    musste der letzte Kanton vom Schweize-
          stellt Ägypten und den anderen arabi-       dass dieser Weg noch lange nicht zu        rischen Bundesgericht gezwungen wer-
          schen Staaten ein miserables Zeugnis        Ende ist. Auch unser europäisches Rin-     den, das Frauenwahlrecht einzuführen.        derranking immerhin auf einem ordent-
          aus. Ägypten belegt nur Rang 123 von        gen um Chancengleichheit hat mit muti-     Demokratie – das zeigt dieser kurze          lichen Platz 19 von 135 untersuchten
          135 untersuchten Staaten.1                  gen, selbstbewussten Frauen begonnen,      Blick in unsere europäische Geschichte       Staaten3 und liegt im europäischen Län-
               Zeitungs- und Fernsehberichte an-      die sich in Europa verstärkt für politi-   – ist stets ein langwieriger und schwieri-   dervergleich noch im oberen Drittel.
          lässlich des Jahrestages des Arabischen     sche Mitbestimmung und das Frauen-         ger Prozess. Das Abgeben von Privilegi-      Aber von einer geschlechtergerechten
          Frühlings zeigen sich enttäuscht bis ent-   wahlrecht eingesetzt haben. Für unsere     en und Vormachtstellungen fällt nie          sozialen Repräsentanz der Bevölkerung
          setzt über die offensichtliche politische   Vorreiterinnen der Gleichberechtigung      leicht und Männern, die diese Vor-           sind wir in unseren europäischen Parla-
          und gesellschaftliche Unterdrückung         war es ein harter Weg mit ungewissem       machtstellungen seit Jahrhunderten ge-       menten immer noch weit entfernt.
          der weiblichen Hälfte der ägyptischen       Ausgang. Eine der Anführerinnen der        nossen haben, schon gar nicht. Auch              Der ehemalige EU-Kommissar für
          Bevölkerung. Aber wundert es uns            militanten Suffragetten in England, Em-    heute noch ist Überzeugungsarbeit not-       Beschäftigung, soziale Angelegenheiten
          wirklich, dass die Revolution in der ara-   meline Pankhurst, hat einmal gesagt:       wendig, dass Gleichberechtigung zum          und Chancengleichheit, Vladimir Spid-
          bischen Welt nicht von heute auf mor-       „Die Militanz der Männer hat durch die     Nutzen aller ist – auch der Männer.          la, hat in seinem Vorwort zum Bericht
          gen eine bessere und gerechtere Gesell-     Jahrhunderte die Welt mit Blut getränkt,        Demokratie braucht daher Vorbil-        der Europäischen Kommission mit dem
          schaft hervorgebracht hat? Haben wir        und für diesen Horror, diese Zerstörung    der, engagierte Demokratinnen und De-        Titel „Frauen in der europäischen Poli-
          ernsthaft geglaubt, dass ein jahrtausen-    sind sie mit Denkmälern, großen Ge-        mokraten. Es reicht beileibe nicht, dass     tik – Zeit zu handeln“ die Konsequen-
          dealtes patriarchalisches System über       sängen und Epen belohnt worden. Die        engagierte Frauenrechtlerinnen für           zen aus dieser unbefriedigenden Situati-
          Nacht den Mantel der Männerherr-            Militanz von Frauen hat nur das Leben      Gleichberechtigung kämpfen. Fort-            on gezogen und folgenden Vorsatz for-
          schaft abstreift und Frauen dieselben       derjenigen bedroht, die diesen gerech-     schritte bei der Chancengleichheit           muliert: „Die Europäische Union ist be-
          Rechte wie Männern zubilligt?               ten Kampf gekämpft haben. Nur die          konnten und können nur erzielt werden,       strebt, die Gleichstellung der Geschlech-
               Ein Blick in unsere eigene europäi-    Zeit wird offenbaren, welcher Lohn den     wenn die gesellschaftlichen Wortführer       ter in Entscheidungspositionen zu för-
          sche Vergangenheit zeigt, wie lange und     Frauen zugesprochen werden wird.“2         und politischen Verantwortungsträger         dern, das Bewusstsein für die Ungleich-
          steinig der Weg zur gesellschaftlichen          Rund hundert Jahre später wissen       – bis heute mehrheitlich Männer – diese      behandlung von Frauen in diesem Be-
          und politischen Gleichberechtigung von      wir, dass die Denkmäler, Gesänge und       Entwicklungen mittragen und unter-           reich zu stärken und Maßnahmen zur
          Frauen und Männern ist. Es war und ist      Epen auf diese Frauen eher spärlich        stützen. Denn es gibt nach wie vor kein      Verbesserung dieser Situation zu er-
          ein Weg der Hoffnungen und Rück-            sind. Und wir wissen, wie lange der        Parlament auf dieser Welt, das mehr-         greifen.“4
                                                      Lohn durch politische Gleichberechti-      heitlich mit Frauen besetzt ist, auch
                                                      gung in manchen europäischen Län-          wenn die Frauen in den Ländern Euro-             Frauencharta der Europäischen
                                                      dern auf sich warten ließ. Vorreiter bei   pas in der Mehrheit sind.                        Kommission
                                                      der Durchsetzung des Wahlrechts für             Den skandinavischen Ländern ist es      Mit der Verabschiedung der Frauen-
       Der Weg zu sozialer und politischer            Frauen waren die skandinavischen Län-      zumindest gelungen, ein Frauen-Män-          charta am 5. März 2010 hat die Europä-
       GLEICHBERECHTIGUNG ist lange                   der. In Mitteleuropa wurde fast überall    ner-Verhältnis von rund 40:60 herzu-         ische Kommission die notwendigen
       und steinig.                                   nach dem Ersten Weltkrieg das Frauen-      stellen. Das ist europaweit spitze.          Leitziele klar umrissen: gleiche wirt-
                                                      wahlrecht eingeführt. Aber in den süd-     Deutschland steht mit halb so vielen         schaftliche Unabhängigkeit von Män-
                                                      europäischen Ländern und in Frank-         weiblichen wie männlichen Bundestags-        nern und Frauen, gleiches Entgelt für
                                                      reich, der Wiege des Kampfes für Frei-     abgeordneten im internationalen Län-         gleiche oder gleichwertige Arbeit, eine
18   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                        442 // POLITISCHE STUDIEN   19
Bildnachweis: Alena Yakusheva / Fotolia.com                                                                                                                                                                                                IM FOKUS

                                                                                                                                                    der familiären Verantwortung, signali-      berechtigung von Frauen und Männern
                                                                                                                                                    siert aber auch häufig das Fehlen von       bewirken.
                                                                                                                                                    Kinderbetreuung und Möglichkeiten                Auch beim Thema Lohnungleichheit
                                                                                                                                                    zur Vereinbarkeit von Berufs- und Pri-      zwischen Frauen und Männern in Euro-
                                                                                                                                                    vatleben“,8 folgert die Europäische         pa darf die Politik sich nicht zurückleh-
                                                                                                                                                    Kommission. So unterschiedlich wie der      nen und den Schwarzen Peter der Wirt-
                                                                                                                                                    Status quo sind auch die Haltungen,         schaft, den Arbeitgebern und Arbeit-
                                                                                                                                                    Einstellungen und Maßnahmen in den          nehmern zuschieben. Politik muss zu-
                                                                                                                                                    einzelnen Ländern Europas.                  mindest eine vernetzende Funktion
                                                                                                                                                                                                übernehmen und die Akteure sowie
                                                                                                                                                        Gesellschaftlicher Rollenwandel         Multiplikatorinnen und Multiplikato-
                                                                                                                                                    Bei uns in Deutschland hat sich hin-        ren des Lohnfindungsprozesses an ei-
                                                                                                                                                    sichtlich familiärer Verantwortung und      nen Tisch holen, wie es derzeit in
                                                                                                                                                    Rollenverteilung bei der Kinderbetreu-      Deutschland geschieht. Ich wünsche
                                                                                                                                                    ung gerade in den letzten Jahren ein        mir aber auch, dass mehr männliche Po-
                                                                                                                                                    enormer Bewusstseinswandel vollzo-          litiker in Deutschland und Europa die
                                                                                                                                                    gen. So hat noch vor fünf Jahren ein        Lohnschere zwischen Frauen und Män-
                                                                                                                                                    Bundeskanzler Familienpolitik als „Ge-      nern anprangern. Denn das Thema ist
                                                                                                                                                    döns“ bezeichnet oder die zwei Väter-       keineswegs reine Frauensache. Die Fra-
                                                                                                                                                    monate wurden als „Wickelvolontariat“       ge der Geschlechtergerechtigkeit ist
                                                                                                                                                                                                auch eine Frage der Leistungsgerechtig-
                                                                                                                                                                                                keit in einer Gesellschaft, die künftig
                                                                                                                                                Bayern hat die ZIELMARKE bei der                immer stärker auf weibliche, hoch
                                                   Blumige Zeiten für Familien: Verantwortung kann nun aufgeteilt werden.                       Beschäftigungsquote fast erreicht.              qualifi zierte Arbeitskräfte angewiesen
                                                                                                                                                                                                ist. Ein Lohnunterschied von EU-weit
                                                                                                                                                                                                durchschnittlich 18 Prozent ist diskri-
                                                   ausgewogene Repräsentanz der Ge-                  reicht von 40 bis 75 Prozent: Letzteres        verunglimpft. Heute ist die männliche       minierend und untragbar – das sollte
                                                   schlechter in politischen und wirt-               ist die Zielmarke, die sich die EU bis         Politikwelt viel vorsichtiger mit solchen   von Frauen und Männern gleicherma-
                                                   schaftlichen Führungspositionen in den            2020 für alle 20- bis 64-jährigen Frauen       Äußerungen – hoffentlich aus Überzeu-       ßen so verstanden werden. Wenn statt-
                                                   EU-Mitgliedsländern, Respekt der                  und Männer gesetzt hat.6 In Bayern ha-         gung. Alle Parteien haben inzwischen        dessen versucht wird, das Phänomen
                                                   Menschenwürde und das Recht auf Un-               ben wir diese Zielmarke mit 69,2 Pro-          die Bedeutung der Familienpolitik als       der schlechteren Bezahlung mit weibli-
                                                   versehrtheit von Frauen sowie das Ende            zent fast erreicht. Während in den skan-       Zukunftsthema erkannt. Auch die Vä-         cher Teilzeitarbeit zu rechtfertigen, ver-
                                                   der geschlechtsspezifischen Gewalt und            dinavischen und baltischen Ländern die         termonate sind ein voller Erfolg. Inzwi-    gisst man(n) wohl, dass diese Teilzeitar-
                                                   schließlich die Durchsetzung der                  Erwerbsbeteiligung von Frauen und              schen nimmt rund jeder vierte Vater El-     beit meist ein Ergebnis der ungleichen
                                                   Gleichstellung von Frauen und Män-                Männern fast ausgeglichen ist, sind die        terngeld in Anspruch und lässt sich vom     Verteilung der Familienarbeit ist. Und
                                                   nern auch im Rahmen der EU-Bezie-                 Differenzen gerade in Südeuropa mit            Arbeitgeber freistellen, um sich selbst     wer schlechter bezahlte sogenannte
                                                   hungen zu Drittländern.5                          Werten zwischen 22 und 34 Prozent              um den Nachwuchs zu kümmern.9 Vor           Frauenberufe als Erklärung für geringe-
                                                       Für die zuletzt genannten Zielset-            enorm.7 Eine Elternschaft wirkt sich bei       der Einführung des Elterngeldes waren       re weibliche Löhne ins Feld führt, der
                                                   zungen gibt es einen breiten inhaltlichen         Frauen und Männern sehr unterschied-           Väter, die Elternzeit genommen haben,       sollte genau an diesem Punkt ansetzen,
                                                   Konsens in Europa. Was die gleiche                lich auf die Beschäftigung aus. Wäh-           noch eine verschwindend geringe Min-        anstatt sich mit der Situation abzufin-
                                                   wirtschaftliche Unabhängigkeit angeht,            rend in Europa durchschnittlich 90,3           derheit. An diesem Beispiel wird deut-      den. Berufe, die mit Menschen zu tun
                                                   sieht es schon anders aus. Schon der Sta-         Prozent der Männer mit Kindern arbei-          lich, wie groß die Gestaltungskraft der     haben wie beispielsweise Erzieherin,
                                                   tus quo in den EU-Ländern bietet eine             ten, sind es bei Frauen mit Kindern un-        Politik ist. Die richtigen und praxisna-    Kranken- oder Altenpflegerin, brauchen
                                                   höchst unterschiedliche Ausgangslage.             ter 12 Jahren nur 65,6 Prozent. „Dies          hen politischen Weichenstellungen kön-      eine höhere Wertschätzung. Respekt
                                                   Die Beschäftigungsquote von Frauen                unterstreicht die ungerechte Verteilung        nen viel für Gleichstellung und Gleich-     und Anerkennung gilt allen, die unsere
20                                            POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                                 442 // POLITISCHE STUDIEN   21
IM FOKUS

                                                          Quoten stellen Weichen                     porzes, gerade bei uns in Bayern. Wieso
                                                      Auch ich bin von Quoten nicht uneinge-         tun wir uns dann mit dem Geschlech-
       Geschlechtergerechtigkeit                      schränkt begeistert. Quoten sind Krü-          terproporz so schwer?
       ist eine Frage der                             cken. Aber um Laufen zu lernen, braucht            Wir müssen Frauen europaweit dazu
       LEISTUNGSGERECHTIGKEIT.                        es eben manchmal Krücken. Vernunft,            ermutigen, den Griff nach Macht und
                                                      Überzeugungskraft und gute Argumen-            Verantwortung nicht zu scheuen. Und
                                                      te haben uns in der Vergangenheit leider       wir brauchen mehr positive Beispiele:
                                                      zu wenig gebracht. Darum habe ich              Wir brauchen Frauen, die es wagen, Ver-
                                                      mich in meiner Partei vor drei Jahren für      änderungen anzustoßen. Wir brauchen
                                                      die Quote stark gemacht. Denn die aus-         Frauen, die andere Frauen fördern, sie        /// EMILIA MÜLLER
          Kinder erziehen oder Vater und Mutter       drücklichen Empfehlungen seitens des           unterstützen. Frauennetzwerke sind            ist Staatsministerin für Bundes- und Eu-
          im Altenheim pflegen. Das sind die ge-      Parteivorstandes, Frauen bei Listenauf-        heute unverzichtbar. Ich habe in meiner       ropaangelegenheiten und Bevollmäch-
          sellschaftspolitischen Zukunftsfragen,      stellungen und bei der Nominierung             Partei schon vor vielen Jahren ein gut        tigte des Freistaates Bayern beim Bund.
          die wir als Politikerinnen und Politiker    von Direktmandaten stärker zu berück-          funktionierendes Mentoringprogramm
          angehen müssen, wenn wir Politik für        sichtigen, haben kaum etwas bewirkt.           für junge Frauen gestartet. Wir brau-
                                                                                                                                               Anmerkungen
          die Menschen machen wollen.                 Ich bin froh, dass meine Partei und der        chen Frauen, die zukunftsorientiert        1 Vgl. Hausmann, Ricardo / Tyson, Laura D. / Zahi-
                                                      Parteivorsitzende mit den Beschlüssen          denken und handeln, neue Wege be-            di, Saaida: The Global Gender Gap Report 2011,
                                                                                                                                                  hrsg. vom World Economic Forum, Cologny/Genf
              Schreckgespenst Quote?                  unseres Parteitages im Oktober 2010            schreiten und als Vorbilder mit gutem        2011 S. 8 f.
          Gesellschaftliche Veränderungsprozes-       hier einen Paradigmenwechsel geschafft         Beispiel vorangehen. Das Vorbild ist       2 Zit.   n. www.fembio.org/biographie.php/frau/
                                                                                                                                                  biographie/emmeline-pankhurst.com,
          se und politische Weichenstellungen be-     haben.                                         stärker als alle Worte.                      Stand: 2.2.2012.
          dingen sich immer wechselseitig. Politik        Wir müssen Frauen die Möglichkeit              Nehmen wir uns ein Beispiel an den     3 Vgl. Global Gender Gap Report 2011, S. 53.
                                                                                                                                                4 Spidla, Vladimir: Vorwort, in: Frauen in der euro-
          reagiert auf eine sich verändernde Ge-      geben, politische Führungsaufgaben             mutigen Frauen in Ägypten und in an-         päischen Politik – Zeit zu handeln, hrsg. von der
          sellschaft, genauso wie mit politischen     und Mandate zu übernehmen und dabei            deren arabischen Ländern. Sie lassen         Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und
                                                                                                                                                  Chancengleichheit Referat G1 bei der Europäi-
          Entscheidungen neue Maßstäbe und            zu zeigen, was sie können. Dafür brau-         sich trotz Anfeindungen und männli-          schen Kommission, Luxemburg 2009, S. 3.
          Anreize gesetzt werden, die wiederum        chen wir die richtigen Weichenstellun-         cher Gewalt nicht davon abhalten, für      5 Vgl. http://europa.eu/legislation_summaries/em-
                                                                                                                                                  ployment_and_social_policy/equality_between_
          die gesellschaftliche Realität verändern.   gen. Die Quote ist eine solche Weichen-        ihre Rechte und ihre politische Mitbe-       men_and_women/em0033_de.htm,
          Eine umstrittene, aber dringende Aufga-     stellung. Sie ist eine Interimslösung, da-     stimmung zu kämpfen. Diese Uner-             Stand: 1.2.2012.
                                                                                                                                                6 Vgl.    http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/
          be ist das von der EU-Kommission vor-       mit weibliche Mandatsträger auf allen          schrockenheit sollten wir uns in Europa      economic-independence/index_de.htm,
          gegebene Ziel einer ausgewogenen Re-        Parteiebenen und in allen Gremien zur          zum Vorbild nehmen auf unserem un-           Stand: 2.2.2012.
                                                                                                                                                7 Vgl. Fuchs, Gesine: Gleichstellung auf dem Ar-
          präsentanz der Geschlechter in politi-      Selbstverständlichkeit werden. Ich             gleich leichteren Weg hin zu mehr            beitsmarkt. Ein europäischer Vergleich, in: www.
          schen und wirtschaftlichen Führungs-        weiß, dass gerade junge Frauen oft Vor-        Gleichberechtigung und mehr Chan-            bpb.de/themen/AVISSS.html, Stand: 2.2.2012.
                                                                                                                                                8 http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/eco-
          positionen. Hier ist die Politik am Zug.    behalte gegen die Quote haben, weil sie        cengerechtigkeit. ///                        nomic-independence/index_de.htm,
          Freiwillige Selbstverpflichtungen gab es    befürchten, ihre Leistungsfähigkeit                                                        Stand: 2.2.2012.
                                                                                                                                                9 Vgl. www.bmfsfj.de/BMFSFJ/familie,did=176180.
          in den letzten zehn Jahren zuhauf. Ge-      würde angezweifelt. Sie wollen sich                                                         html, Stand: 2.2.2012.
          nutzt haben sie kaum etwas. Welcher         nicht dem Vorwurf aussetzen, sie
          Mann gibt schon gerne seine gesell-         bräuchten die Quote aus mangelnder
          schaftliche, durch tradierte Rollenmus-     Eignung. Ich sehe das anders: Nicht wir
          ter verankerte Vormachtstellung freiwil-    Frauen brauchen die Quote, um in der
          lig auf? Schaut man in die Vorstandseta-    Politik oder Wirtschaft einen Posten zu
          gen, ist hier deutlich zu wenig gesche-     erhalten. Politik und Wirtschaft brau-
          hen. Deshalb trägt das klassische Tot-      chen die Quote, um künftig für Frauen        Was wir brauchen, sind weibliche
          schlagargument gegen die Quote nicht,       attraktiv und damit zukunftsfähig zu         VORBILDER und Frauennetzwerke.
          das mit der Sorge um eine mögliche Dif-     sein. Zudem kennen wir gerade in der
          famierung von Frauen als „Quotenfrau-       Politik längst die ungeschriebenen Ge-
          en“ argumentiert.                           setze des Regional- oder Religionspro-
22   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                                 442 // POLITISCHE STUDIEN   23
IM FOKUS

/// Was hat sich verändert?

FRAUEN IN DER POLITIK
URSULA MÄNNLE /// „Als einzelne ist die Frau wie eine Rose – zu mehreren wie
Unkraut.“ Diesen Satz, der dem ersten Parlamentspräsidenten des Bayerischen
Landtages zugeschrieben wird, würde heute kein Mann einer Partei mehr öffentlich
aussprechen. Auch wohlgemeinte Worte von Grußwortrednern bei Frauenveranstal-
tungen wie „man fühle sich wie ein Dorn unter lauter Rosen“ ernten heute nur
noch Buhrufe oder abschätziges Lächeln.

          Wenn ich in diesem Beitrag berichten        des Lebens – zumindest auf dem Papier.
          soll, was sich innerhalb der CSU hin-       In den Köpfen der Parteimitglieder ist
          sichtlich der Frauenproblematik verän-      die Veränderung aber oft noch nicht an-
          dert hat, so ist mein Fazit: Vieles hat     gekommen.
          sich gewandelt seit meinem Eintritt in
          die CSU vor fast 50 Jahren. War ich da-         Frauenkandidaturen
          mals als junge Frau in der CSU bei ei-      Der zweite Fortschritt ist in der Reprä-
          nem Frauenanteil von 8 % eine Exotin,       sentanz der Frauen in den politischen
          so sind heute Frauen selbstverständli-      Ämtern festzustellen. Von Beginn an
          cher in der Politik und der Partei gewor-   waren Frauen in der CSU im Vergleich

                                                                                                                                                                                                              Bildnachweis: Bildarchiv Bayerischer Landtag, München.
          den. Einiges hat sich positiv entwickelt.   zu anderen Parteien unterrepräsentiert
          Die programmatischen Aussagen über          und auch heute noch, 67 Jahre nach der
          die Rolle der Frau haben sich grundle-      Parteigründung, hat die CSU Nachhol-
          gend gewandelt. Die Grundsatzpro-           bedarf. Aber es hat sich etwas bewegt,
          gramme tragen den jeweiligen gesell-        nicht nur zahlenmäßig. Es waren nur
          schaftlichen und wirtschaftlichen Ent-      wenige Frauen in den Mandaten, den-
          wicklungen in der Bundesrepublik            noch blieben sie im Gedächtnis, z. B.
          Deutschland Rechnung. Sie lesen sich        Maria Probst (bis in die 80er-Jahre hatte
          wie eine nachträgliche Akzeptanz der        sie keine Nachfolgerin in einem Direkt-
          Änderungen im Frauenbild. Das heuti-        mandat), erste weibliche Vizepräsiden-
          ge Grundsatzprogramm beschreibt die         tin des Deutschen Bundestages und be-
          moderne Frau, kennt keinerlei Rollen-       kannt als „Maria Hilf“, oder Dr. Mathil-
          festlegungen und bekennt sich zur           de Berghofer-Weichner, erste weibliche      „Maria Hilf“ – Maria Probst (links) war die erste weibliche Vizepräsidentin des deutschen
          Gleichberechtigung in allen Bereichen       stellvertretende Parteivorsitzende, erste   Bundestages, 1965 eine wirkliche Sensation.

24   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                                    442 // POLITISCHE STUDIEN   25
IM FOKUS

                                                      nur ein „männlicher“ Stimmkreis wird           einige Parteifreunde gönnerhaft: „End-     War man dann doch sicher, dass der Ka-
                                                      frei. Fragen wir nach den Aufstellungs-        lich machst Du etwas Ernsthaftes“.         meraschwenk auch die Männer dane-
       Der Weg der Frauen ins Parlament               versammlungen nach, wie viele Frauen           Frauenthemen wurden selten wichtig         ben streifte. Apropos Äußeres, leider
       ist nach wie vor MÜHSAM.                       künftig für die CSU im Landtag sitzen          genommen (Ausnahme war der §218,           spielen Aussehen, Auftreten und Klei-
                                                      werden!                                        da redeten die Männer gerne mit). Alle     dung bei Frauen in der Politik eine wich-
                                                          Dieses Problem wird man auch               Vorsitzenden der Frauen Union wissen,      tige Rolle (manchmal sogar eine ent-
                                                      durch die Quote nicht lösen können.            dass sie geringer geschätzt werden als     scheidende). Als Mitglied der Jungen
                                                      Für Delegiertenversammlungen gilt sie          Vorsitzende anderer Arbeitsgemein-         Union schrieb ich in einem Beitrag über
                                                      nicht und Listenquotierungen wären für         schaften. Waren sie vorher Expertinnen     die Rolle der Frauen in der Politik kri-
          Ministerin in Bayern und erste stellver-    die CSU, die die Partei ist, die ihre Man-     auf einem bestimmten Gebiet und hoch       tisch über die unterschiedlichen Bewer-
          tretende Ministerpräsidentin. Sie schrie-   date über die Direktkreise erhält, nicht       anerkannt, werden sie dann nur noch        tungen des Äußeren von Politikern und
          ben Geschichte, Maria Probst in den         wirksam. Und Kampfkandidaturen ge-             unter der Frauenperspektive gesehen        Politikerinnen am Beispiel von Franz
          Anfangsjahren der Bundesrepublik, Dr.       gen amtierende Abgeordnete sind in der         und leider oft belächelt. Und wer erlebt   Josef Strauß und Dr. Mathilde Bergho-
          Mathilde Berghofer-Weichner 30 Jahre        CSU bisher unüblich ... Also abwarten?         nicht heute noch als Frau, dass kaum       fer-Weichner. Die Entgegnung eines
          später.                                     Das dauert. Aber erfreulich ist, dass in-      zugehört wird, wenn sie spricht, dass      prominenten Politikers, man müsse sich
              Es geht langsam, aber nachhaltig.       zwischen einige Frauen durchaus direkt         der Lärmpegel steigt und dass auf ihre     die Frau auch im Bett vorstellen können,
          Besonders schwer war es für Frauen,         kandidiert haben und natürlich auch er-        Argumente nicht eingegangen wird.          spricht für sich. Heute traut sich zumin-
          Direktwahlkreise zu bekommen. Die           folgreich waren. Interessant ist, dass ei-     Wenn aber ein Mann 20 Minuten später       dest niemand mehr, dies öffentlich zu
          CSU glich dieses Defi zit durch die Be-     nige von ihnen – vor allem im Deutschen        exakt das Gleiche sagt, wird dies sofort   äußern.
          rücksichtigung von Frauen auf den Lis-      Bundestag – zunächst über die Liste ka-        gewürdigt und als sehr gute Idee be-
          ten aus. Manchmal diente es auch als        men, sich im Bundestag bewährten und           zeichnet. Die Frau nimmt dies erstaunt         Vertrauen zu Frauen
          Argument bei den Aufstellungen: Mit         dann einen Wahlkreis erhielten: Micha-         zur Kenntnis, schweigt und ist froh,       Frauen wählen keine Frauen - dieses Ur-
          der Verankerung einer Frau auf der Lis-     ela Geiger, Gerda Hasselfeldt oder Do-         dass sich wenigstens ihre Idee durchge-    teil entpuppt sich heute als Vorurteil.
          te könne der Wahlkreis durch zwei Per-      rothee Bär sind prominente Beispiele.          setzt hat, auch wenn sie einem anderen     Mag es vor 60, 70 Jahren gestimmt ha-
          sonen repräsentiert werden, weshalb         Nur wenige Männer müssen diesen Um-            zugeschrieben wird. Dies offen anzu-       ben, dass Frauen weniger zugetraut
          sollte also eine Frau direkt aufgestellt    weg gehen.                                                                                wurde und viele Frauen äußerten, diese
          werden. Jahrelang hat dies funktio-                                                                                                   Kandidatin solle sich lieber um Mann
          niert, aber auch die Anzahl der Frauen           Wahrnehmung von Frauen                                                               und Kinder kümmern anstatt auf politi-
          limitiert. Heute ist es Allgemeingut,       Als Ursula Krone-Appuhn, ehemalige                                                        sche Veranstaltungen zu gehen, oder
          dass nur die Aufstellung von Frauen in      Landesvorsitzende der Frauen Union           Frauen werden in der Politik meist           dass besonders in kleineren Gemeinden
          den Direktkreisen den Einzug von Frau-      sich für den Verteidigungsausschuss be-      NICHT ernst genommen.                        Frauen auf den Kommunallisten trotz
          en in die Parlamente garantiert. Dass       warb, stieß dies auf großes Erstaunen.                                                    guter Platzierung nach hinten gewählt
          damit nicht die sofortige Anhebung der      Inzwischen wissen alle, dass Frauen                                                       wurden, so gilt dies heute nicht mehr.
          Anzahl der Frauen einhergeht, liegt auf     nicht nur in der Sozial- und Bildungspo-                                                  Wie ließe sich sonst der Erfolg von Kan-
          der Hand. Wichtig ist z. B., wo werden      litik kompetent sind, sondern in allen                                                    didatinnen gerade auch bei den Direkt-
          Wahlbezirke frei oder wohnen die rich-      Politikbereichen sich selbstverständlich                                                  wahlen erklären. Wie oft ist es schon
          tigen Kandidatinnen in den dortigen         bewegen. Geschätzt wird heute ihre be-         sprechen und sich zu wehren, fällt den     vorgekommen, dass eine Frau bei einer
          Gemeinden, denn von außen werden            sondere Sichtweise auf die Dinge. Sie          Frauen auch heute noch schwer. Ledig-      angeblich aussichtslosen Kandidatur ge-
          bei sicheren Kandidaturen keine Frauen      stellen andere Fragen, sind konkreter          lich in speziellen Seminaren wird man      wonnen hat. Männer wollten keine Nie-
          akzeptiert. Besonders deutlich sieht        auf die Lebenssituationen bezogen. Die         dafür sensibilisiert.                      derlage einstecken, die Frau hatte nichts
          man das Problem jetzt in Oberbayern.        Frauenperspektive erweitert den politi-            Dennoch werden Frauen heute erns-      zu verlieren und siegte. Wählerinnen
          Bei der letzten Wahl kam niemand von        schen Gestaltungsraum. Aber immer              ter genommen, während sie früher eher      und Wähler trauen heute den Frauen
          der Liste in den Landtag und zur kom-       noch gilt, dass Frauenpolitik eher karri-      als „schmückendes Beiwerk“ galten.         durchaus etwas zu, sie vertrauen sogar
          menden Wahl kandidieren fünf Frauen         erehemmend ist. Als ich Ministerin für         Sehr beliebt waren bei Foto- und Fern-     den Frauen mehr. Und sie werden selte-
          nicht mehr in den Stimmkreisen und          Bundesangelegenheiten wurde, sagten            sehterminen die Plätze neben der Frau.     ner enttäuscht.
26   POLITISCHE STUDIEN // 442                                                                                                                                          442 // POLITISCHE STUDIEN   27
Sie können auch lesen