PULS Bitte lächeln! Schwerpunkt: Optimismus - Marienhaus-Gruppe
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PULS Bitte lächeln! Schwerpunkt: Optimismus Glaube Liebe Hoffnung Worin eine Eine Hospiz- Hilfe für Ordensschwester schwester erzählt Flüchtlinge aus Zuversicht findet aus ihrem Alltag der Ukraine
Vorwort „Auch hier wird gelacht und es werden Witze gemacht“ Um über das aktuelle Heftthema zu sprechen, trafen sich Marienhaus-Geschäftsführer Dr. Jochen Messemer und Kommunikationschef Dietmar Bochert im Franziskus- Hospiz Hochdahl in Erkrath – nur auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Wahl in Sachen Optimismus. Bochert: Herr Messemer, sind Sie dernden Situation spürt man im gan- und Mitarbeitern, die mit ganzem Optimist oder Pessimist? zen Haus eine Freude und Fröhlich- Herzen dabei sind. Messemer: Ich würde mich in der Mit- keit, die mich beeindruckt. Auch hier te einsortieren. Wer Verantwortung wird gelacht und es werden Witze Bochert: Wie optimistisch schauen übertragen bekommt, neigt vermut- gemacht. Für mich ist das auch eine Sie denn aufs deutsche Gesundheits- lich dazu, eher die Risiken zu betrach- Mahnung, glücklich zu sein mit dem, wesen? ten. Ich denke aber, Optimismus ist was man hat. Das vergessen wir lei- Messemer: Wir sind im Vergleich zu eine Haltung, an der man arbeiten der viel zu schnell. anderen Ländern gut durch die Pan- kann – und dieses Gespräch ist ein demie gekommen. Es gibt in Deutsch- Impuls für mich, das zu tun. Bochert: Inwiefern ist dieser Optimis- land eine tolle Ausbildung – auch mus in den franziskanischen Werten wenn man sicher noch mehr machen Bochert: Wenn Optimismus eine Hal- verankert, auf die sich Marienhaus kann, etwa im Hinblick auf die Aka- tung ist: Lässt sich diese weitergeben? beruft? demisierung der Pflege. Wir haben Messemer: Optimismus ist etwas, Messemer: Es geht um Zugewandt- hervorragende Ärztinnen und Ärzte das ausstrahlt. Das merke ich ganz heit, darum, für die Menschen da zu und eine tolle wissenschaftliche stark hier im Hospiz: Die Kolleginnen sein und auf sie zuzugehen. Wenn Community; Biontech ist ein gutes und Kollegen hier betreuen Men- man anderen helfen kann, gibt einem Beispiel dafür. Es gibt also viele gute schen, die auf dem letzten Weg ihres das enorm viel zurück – das spüre ich Gründe, optimistisch zu sein. Lebens sind. Trotz dieser herausfor- bei unseren 13.000 Mitarbeiterinnen INFORMATIONEN ZUM FRANZISKUS-HOSPIZ HOCHDAHL: franziskus-hospiz-hochdahl.de https://www.marienhaus.de/pulsm VIDEO Foto: Joachim Gies Dies ist ein Auszug aus dem Interview mit Jochen Messemer. Das komplette „Gespräch im Gang“ können Sie sich im Video ansehen. 2 PulsM | Optimismus
Inhalt Gespräch im Gang 2 Vorwort von Marienhaus-CEO Dr. Jochen Messemer Gut zu wissen Wissenswertes und Kurioses zum Thema Optimismus 6 50 Jugend in Deutschland 8 Interview Wir haben zwei junge Menschen gefragt: Wie geht es euch? Bestseller-Autorin Juliane Marie Schreiber verrät, wie Pessimisten Ratgeber 12 die Welt retten können. Viele Tipps, die unsere Sichtweise aufs Leben verändern Glaube und Zuversicht 17 Gastbeitrag von Schwester Edith-Maria Magar Organspende 18 Ein Transplantationsbeauftragter erzählt von seinem Job Auf Herz und Nieren 20 36 Organspende in Zahlen Transplantation transparent 22 Interview mit Ana Barreiros von der Deutschen Stiftung Organtransplantation Ukraine Marienhaus-Mitarbeitende Glück ist ... 24 helfen Flüchtlingen. Wie Hormone unseren Körper beeinflussen Eine Hospizschwester im Porträt 26 Wenn das Sterben Alltag ist 26 Ein gutes Ende Ute Keller begleitet Sterbende. 4 PulsM | Optimismus
Rosas Welt 31 Einblicke in das Leben von Ordensgründerin Margaretha Flesch Ich sage „Ja“ zu ... 32 Geschichten von Mitarbeitenden Ukraine 36 Zwei Geschichten über gelebte Nächstenliebe Expertencheck 40 Ist Lachen wirklich die beste Medizin? Glücksbringer 41 Unterwegs mit Klinikclown Michael Schwan Irren ist menschlich 46 Fehleinschätzungen prominenter Schwarzmaler Ich möchte lieber nicht 50 Interview mit Bestseller-Autorin Juliane Marie Schreiber News/Stippvisite 54 18 In eigener Sache/Impressum 58 Zu guter Letzt 59 Die Marienhaus-Gruppe im Überblick Organspende Ein Akt der Nächstenliebe PulsM | Optimismus 5
Wissen GLÜCKSGENE Forschende gehen davon aus, dass 20 bis 30 Prozent der optimistischen und pessimistischen Neigungen genetisch veranlagt sind. Der Rest entsteht durch unsere Lebenserfahrungen. Eine behütete Kindheit beispielsweise formt eher Optimisten. OPTIMISTEN LEBEN Gut zu LÄNGER Laut einer US-Studie ist die Chance, mit einer zuversichtlichen Lebens- wissen einstellung älter als 85 Jahre alt zu werden, bei Männern 70 Prozent höher als bei ihren schwarzmalenden Voller Zuversicht hat sich die Geschlechtsgenossen. „PulsM“-Redaktion an die „ET HÄTT NOCH EMMER Arbeit gemacht. Wir haben JOOT JEJANGE.“ Quellen studiert und Experten (Es ist noch immer gutgegan- gen.) Artikel 3 des „Rheinischen herangezogen. Die Ergebnisse Grundgesetzes“, einer Zusam- unserer Recherche belegen menstellung elf mundartlicher Redensarten. glasklar: Alles wird gut! TEXT: Sonja Hausmanns ILLUSTRATION: Frauke Leifeld-Janßon DON‘T WORRY, BE HAPPY. Bobby McFerrin Täglich entstehen etwa 60.000 Gedanken in unserem Kopf – doch davon sind nur etwa 3 Prozent positiv. Die Schwarzmalerei ist quasi ein Erbe aus der Steinzeit: Wer damit rechnet, dass der nächste Säbelzahntiger schon auf ihn lauert, verhält sich vorsichtig. 6 PulsM | Optimismus
Wissen GLÜCK, LASS NACH! Ob in der Liebe, im Beruf, in der Familie oder einfach nur so: Es gibt Menschen, die Glücksgefühle meiden, weil sie enttäuscht werden könnten. Psycho- logen sprechen dann von „Cherophobie“. „DAS HABE ICH NOCH NIE VORHER VERSUCHT, ALSO BIN ICH VÖLLIG SICHER, DASS ICH ES SCHAFFE.“ Pippi Langstrumpf BLOSS NICHT UNTERGEHEN Beim Segeln sind „Optimisten“ Einsteigerboote für Kinder. Entwor- fen wurde diese Jolle 1947 vom ame- rikanischen Bootsbauer Clark Mills. Den Namen für das Boot leitete Mills von seinem heimischen Segelklub „Club Optimist“ ab. Es ging also nicht darum, Eltern zu beruhigen, die ihre Kinder in der Nussschale schon kentern sahen. IST DER NAPF HALB VOLL ODER HALB LEER? Die Verhaltensforscherin Melissa Starling machte ein Experiment, bei dem Hunde lernten, bestimmte Töne mit Leckerli zu verknüpfen. Dann spielte die Forscherin „ICH BIN NICHT GESCHEITERT – ICH einen unbestimmten Ton HABE 10.000 WEGE ENTDECKT, DIE – und nur die optimistischen NICHT FUNKTIONIERT HABEN.“ Hunde freuten sich darauf- Thomas Alva Edison hin auf ihr Leckerli. GESUND UND BUNT Einer Harvard-Stu- die zufolge lassen sich in Optimisten- blut höhere Caroti- noid-Werte nachwei- sen als bei Pessimisten. Diese Antioxidantien „DIE EINZIGEN WIRK- stammen zum Beispiel aus LICHEN FEINDE EINES Lebensmitteln wie Karotten und Paprika, MENSCHEN SIND SEINE Tomaten und Orangen. Optimisten EIGENEN NEGATIVEN ernähren sich also gerne gesund. GEDANKEN.“ Albert Einstein Quelle: br.de, Menshealth.de, spiegel.de, wikipedia.de, Zeit.de PulsM | Optimismus 7
Jugend Stell dir vor, die Zukunft wird super und du bist schuld daran! Die Studie „Jugend in Deutschland“ sieht die 14- bis 29-Jährigen im Dauer-Krisenmodus: Sie fürchten den Krieg und die Klimakrise und kämpfen mit den Folgen der Corona-Pandemie. Wir haben zwei junge Menschen gefragt: Wie geht es euch? TEXT: Sonja Hausmanns | FOTOS: Joachim Gies 8 PulsM | Optimismus
Jugend Becky/Noah Reusser (25) (links) und Clarissa Zohner (27) haben vergangenes Jahr ihre Ausbildung in Physiotherapie am Rheinischen Bildungszentrum Neu- wied begonnen. Clarissa stammt aus Limburg und en- gagiert sich im Netzwerk „Wir sind mehr“ gegen Rassismus und Hass im Netz. Zudem ist sie Teil der Klima- schutzbewegung. Die gelernte Büro- kauffrau hat zuletzt ein Fitnessstudio geleitet. erhalten sollte, ist viel zu früh verloren Clarissa: Ich hätte gedacht, dass wir in gegangen. Mir, und das habe ich auch Sachen Geld viel freier sind. Gerade, Becky/Noah gehört zur queeren Com- in meinem Freundeskreis so erlebt, wenn es keine Sicherheit mehr gibt, munity und identifiziert sich als non- war es wichtig, aus der Situation auch lohnt es sich doch, etwas zu suchen, binär, also nicht ausschließlich einem etwas Positives zu schöpfen. Ich habe das Sinn gibt. Nehmen wir den Worst Geschlecht zugehörig. Sie/er ist in der die Zeit genutzt, um über mich und Case und morgen wird meine Stadt Schweiz geboren und hat zunächst auf mein Verhalten nachzudenken; ande- angegriffen: Dann möchte ich nichts Lehramt studiert. re haben die Vorteile des Homeoffice bereuen müssen. entdeckt, weil sie mehr Zeit mit der Laut der Studie hat fast die Hälfte der Familie verbringen konnten. Du spiest auf den Krieg an, der uns alle jungen Menschen in Deutschland unvorbereitet getroffen hat. Anders die Angst, gerade die beste Zeit des Lebens Clarissa: Bei mir hat sich während der Klimakrise: Macht ihr der Generation zu verpassen. Geht euch das auch so? Lockdowns der Gedanke entwickelt, vor euch Vorwürfe, dass sie so spät und Clarissa: Bei meinen Freund*innen und die Physio-Ausbildung zu machen. Ich inkonsequent handelt? meiner jüngeren Schwester ist diese war vorher sehr eingespannt im Job, Clarissa: Ich habe generell ein Unver- Angst sehr präsent. Meine Schwester mit meinen Freuden, meinen Routi- ständnis für alle, die jetzt noch kein ist drei Jahre jünger als ich, hat gerade nen. In dieser Blase stellte sich gar Bewusstsein für das Thema aufgebaut ihren Master gemacht und im Studium nicht die Frage: Was will ich eigentlich haben. Mich macht das traurig. Mit quasi keinen Menschen gesehen. Da sonst noch? Aber so war ich gezwun- meinen Freundinnen spreche ich zum merke ich schon, dass sie nicht glück- gen, über den Tellerrand zu blicken, Beispiel häufig darüber, ob es okay ist, lich ist. Durch Corona haben wir alle und habe festgestellt, dass die Welt viel Kinder in diese Welt zu setzen, die unser Leben beiseite legen müssen. größer ist und mir noch viel offensteht. dann die ganze Last tragen müssen. Und auch die Klimakrise zwingt uns Wir wissen alle, dass es weit nach 12 dazu, zurückzustecken und zum Bei- Diese Sinnsuche steht bei vielen eurer ist, und das macht mich wütend. spiel seltener in den Urlaub zu fliegen. Altersgenossen nicht mehr im Vorder- Dass es keine leichte Zeit ist, würde ich grund, stattdessen nennen sie erstmals Becky/Noah: Trotzdem finde ich es in jedem Fall unterschreiben. Persön- seit Jahren wieder Geld als den wich- wichtig, auch andere Sichtweisen zu- lich bin ich allerdings ziemlich zufrie- tigsten Leistungsmotor … zulassen. Wenn ich als Kind mit mei- den, was wohl auch daran liegt, dass Becky/Noah: Ich möchte nach wie vor nem Vater über das Thema gesprochen ich schon ein paar Jahre hatte, in denen einen Job, der mich erfüllt, aber ich habe, hatte ich einen anderen Zugang ich viel sehen und machen konnte. kann das dennoch nachvollziehen. und überhaupt kein Verständnis da- Aber 18 möchte ich heute nicht sein. Wenn man mehr über sein Leben für, wie man schlecht mit der Umwelt nachdenkt und das Sicherheitsbedürf- umgehen kann. Das sind grundsätz- Becky/Noah: Als die Pandemie be- nis an vielen Stellen nicht mehr erfüllt liche Werte, die man als Kind in sich gann, war ich noch im Lehramtsstu- wird, sucht man es woanders. Insofern trägt. Aber das Risiko ist groß, dass dium und habe erlebt, wie sehr die überrascht mich das nicht. Ich fühle sich das im Älterwerden verliert. Wir Schüler*innen gelitten haben. Die Frei- mich aber mehr in dem Sinnsuchen- sind halt eine Leistungsgesellschaft, heit und kindliche Sorglosigkeit, die den verhaftet, das ja eigentlich für was natürlich nicht entschuldigt, man eigentlich so lange wie möglich meine Generation charakteristisch ist. ignorant zu sein. Aber ich habe Ver- PulsM | Optimismus 9
Jugend ständnis dafür, wenn man der Debat- schutz und Nachhaltigkeit ist vorbild- dem eine Psychotherapie guttun wür- te noch nicht zugänglich ist. Das Beste, lich. Persönlich finde ich es eher er- de. Für mich ist die optimistische Sicht was wir machen können, ist, in den strebenswert, für andere ein Vorbild der Dinge eine Lebensstrategie. Aber Dialog zu kommen. zu sein. Nicht, weil ich besser bin. Aber der Optimismus, den ich nach außen wenn andere sehen, dass ich mich für zeige, spiegelt nicht unbedingt mein Clarissa: Bei manchen Themen darf es etwas einsetze, und sie das dann auch Inneres wider. Trotzdem oder gerade einfach keine Kompromisse geben. motiviert, fände ich das super. deshalb finde ich es wichtig, Men- Und wer die Klimakrise noch immer schen ernst zu nehmen, die eine akute nicht sieht, der hat den Knall nicht ge- Becky/Noah: Mein Vorbild sind vor- Lebenskrise haben und sich vielleicht hört. Ich verstehe, dass nicht jeder Ve- herige Generationen, die dafür ge- nicht einmal mehr dazu motivieren getarier werden will, und auch, dass kämpft haben, dass ich heute so frei können, vom Sofa aufzustehen. man sich auf seinen Urlaubsflug freut. zu meiner Identität stehen kann. Aber zu Hause auf dem Esstisch was Grundsätzlich finde ich Menschen in- Clarissa: In meinem Freundeskreis gab zu verändern und die Heizung zwei spirierend, die herausgefunden haben, es schon vorher depressive Krank- Grad runterzudrehen – das sind kleine wer sie sind, und sich trauen, das dann heitsbilder, aber in den letzten zwei Dinge und die haben nichts mit Ver- auch zu leben. Das ist an sich schon Jahren ist das noch deutlicher gewor- zicht zu tun. eine großartige Leistung. den. Es muss noch einiges getan wer- den, damit das nicht mehr als persön- Becky/Noah: Meine Hoffnung ist, dass Fast jeder zweite junge Mensch sagt, liches Versagen abgestempelt wird. bei Menschen, die sich scheinbar ver- dass seine Psyche durch die Pandemie Wir brauchen genügend Anlaufstellen sperren, am Ende doch was ankommt. gelitten hat. Ist das für euch auch ein und Therapieplätze. Aber ich habe den Weil wir doch letztlich alle ein gutes Thema? Eindruck, dass sich in Sachen „Mental und glückliches Leben wollen. Becky/Noah: Ich bin gerade wieder Health“ mehr bewegt als in vielen an- dabei, eine Psychotherapie aufzu- deren Bereichen. Habt ihr Vorbilder? nehmen und habe in meinem Um- Clarissa: Generell die Schweden: Was feld einige Menschen, die psychisch Becky/Noah: Ich nehme da eine neue die antreiben in Richtung Klima- belastet sind. Ich glaube aber, dass je- Offenheit wahr: Durch die Pandemie werden psychische Tiefs auch von Menschen verstanden, die das vorher nicht kannten. Das war heilsam und Jugend in Deutschland hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass psychische Gesundheit genauso wichtig ist wie physische. Die Trendstudie „Jugend in setzt der Jugend zu. Nach zwei Deutschland“ erscheint halbjähr- Jahren Einschränkungen ihres Was macht euch Sorgen – und woraus lich und greift aktuelle Themen privaten und schulisch-berufli- schöpft ihr Zuversicht? der Generation Z und Y auf. Zu- chen Alltags durch die Pandemie Becky/Noah: In manchen Punkten letzt erschien die repräsentative sind viele von ihnen psychisch bereitet mir dir digitale Entwicklung Studie im Mai 2022; befragt wur- angespannt. Die Bedrohung durch Sorgen. Ich habe Angst davor, dass in den rund 1.000 junge Menschen einen Krieg in Europa drückt als Social Media durch persönliche Un- zwischen 14 und 29 Jahren. Deren eine weitere schwere emotionale zufriedenheit eine Gegenbewegung Grundstimmung beschreibt die Last auf ihre Stimmung. Viele ma- zur Offenheit entsteht. Wenn sich Studie folgendermaßen: „Die chen sich große Sorgen um ihre Leute als homosexuell, queer oder dichte Aufeinanderfolge von tief berufliche, finanzielle und wirt- was auch immer outen, beobachte in das Leben eingreifende Krisen schaftliche Zukunft.“ ich, dass das im Netz zunehmend ne- gativ diskutiert wird. Für die betrof- fene Person ist es sehr belastend, https://simon-schnetzer.com/blog/ wenn die eigene Offenheit als Angriff pressemitteilung-zur-trendstudie-sommer-2022/ verstanden wird. Deshalb versuche ich, Abstand von Social Media zu nehmen und im Alltag zu zeigen, dass 10 PulsM | Optimismus
Jugend man der Mensch sein darf, der man ist. Ansonsten bin ich aber sehr opti- mistisch: Ich habe das Gefühl, dass die Probleme wahrgenommen wer- den und dass gerade bei Jüngeren die Physiotherapie-Ausbildung Lust da ist, aktiv mitzuwirken. Das finde ich sehr schön. bei Marienhaus Clarissa: Es liegen jetzt alle Themen Die Physiotherapieschule am das bedeutet selbstbestimmtes auf dem Tisch und wir wissen, an wel- Rheinischen Bildungszentrum und entdeckendes Lernen, hand- chen Schrauben wir zu drehen haben: Neuwied ist fest in das Physiothe- lungsorientierter Unterricht, fä- Klimaschutz, Emanzipation – die rapiezentrum Reha Rhein-Wied cherübergreifendes Studieren und wichtiger denn je ist –, Inklusion. Jetzt und das Marienhaus Klinikum Selbstevaluation. Ab dem dritten sind wir es, die etwas verändern müs- integriert. Daraus ergibt sich eine Ausbildungsjahr gibt es die Mög- sen. Wir können uns nicht auf unsere sehr praxisnahe Ausbildung am lichkeit, ein duales Studium zu Eltern oder irgendwelche Babyboomer Patienten. Als Unterrichtsmetho- beginnen – in Kooperation mit der verlassen – es sind nicht deren The- de wird das in den Niederlanden Zuyd Hogeschool in Heerlen (Nie- men, es sind unsere! Ich finde es wich- gängige Prinzip des Problemorien- derlande) nahe Aachen. tig, dass junge Leute wie Greta Thun- tierten Lernens (POL) eingesetzt, berg mit klaren Meinungen und Zielen ans Mikrofon gehen. Dass sich immer nur wenig bewegt, wissen wir seit 100 Mehr Informationen zu Ausbildungs- Jahren. Aber wir schreiten voran und inhalten und Vergütung: es tut sich was. Deshalb glaube ich, https://www.rheinisches-bildungszentrum.de/ dass wir in einer besseren Welt leben ausbildung-1/physiotherapeut können. PulsM | Optimismus 11
Ratgeber Immer schön oben bleiben! Unzählige Ratgeber versprechen uns, dass wir nur dies oder jenes tun müssen, um unsere Sichtweise auf das Leben zu verändern. Wir stellen einige der häufigsten oder ungewöhnlichsten Tipps vor – mit einem Augenzwinkern, aber ohne Gewähr. TEXT: Sonja Hausmanns | ILLUSTRATION: Maamon Alramadan 12 PulsM | Optimismus
Ratgeber SCHREIBEN SIE EIN DANKBARKEITS- TAGEBUCH: Halten Sie jeden Abend fest, wofür Sie in diesem Moment dankbar sind. Das schärft den Blick für die schönen Dinge und gibt Ihnen am Ende des Tages ein positives Gefühl. KONDITIONIEREN SIE SICH POSITIV: Binden Sie sich ein Gummiband um das Handge- lenk. Sollten sich dunkle Gedan- ken in Ihrem Hirn einnisten, ziehen Sie an dem Band und lassen Sie es zurückschnellen. Die kleine Dosis Schmerz hilft, sich negative Denkweisen bewusst zu machen – und sie zu verändern. PulsM | Optimismus 13
Ratgeber FÜHREN SIE REGIE IN IHREM KOPFKINO: Sie malen sich in Gedanken immer wieder aus, was alles schiefgehen könnte? Versu- chen Sie stattdessen lieber, ein Happy End für Ihr Kopfkino zu schreiben: Was kann Gutes passieren? Was können Sie dafür tun? Und wie werden Sie sich am Ende fühlen? Das hilft, die Gedanken zu beruhigen und ins Handeln zu kommen. LEBEN SIE ÜBER DEM DURCH- SCHNITT: Wir tendieren dazu, uns selbst besser einzuschätzen als den Durchschnitt – ob begrün- det oder unbegründet. Psycho- logen sprechen vom „Above-Aver- age-Effekt“. Um ihn zu verstärken, können Sie eine Liste anlegen mit allen Komplimenten, die Sie im Laufe der Zeit bekommen, sei es beruflich oder privat. VERÄNDERN SIE IHRE KÖRPER- HALTUNG: Nicht nur Gedanken beeinflussen unser Denken, sondern auch die Art und Weise, wie wir uns bewegen. Indem wir aufrecht stehen, die Schultern breit machen und den Kopf hochnehmen, lassen sich auch unsere Gefühle „aufrichten“. 14 PulsM | Optimismus
Ratgeber LÄCHELN SIE FÜR MINDESTENS 60 SEKUNDEN: Wenn Sie eine Minute lang Ihr Gesicht zu einem Lächeln verziehen, bekommt Ihr Gehirn das Signal, dass Sie glücklich sind. Ihr Körper schüttet dann tatsächlich Glückshormone aus und Sie fühlen sich sofort besser. DOSIEREN SIE DIE NACHRICHTEN: Bei Katastrophenmeldungen auf allen Kanälen entsteht schnell der Eindruck, dass die Welt nur noch schlecht ist. Um dieses Empfinden zu mildern, hilft es, den Newskonsum einzu- schränken und sich beispielsweise nur noch einmal am Tag bewusst und konzentriert zu informieren. PulsM | Optimismus 15
Ratgeber ERZÄHLEN SIE VON DEN SCHÖNEN DINGEN: Wir neigen dazu, von Dingen zu berichten, die uns belasten oder nerven. Versuchen Sie stattdessen, mehr über positive Ereignisse zu sprechen. Diese erhalten dann automatisch mehr Gewicht und das sorgt für gute Stimmung. GEWÖHNEN SIE SICH EINE POSITIVE SPRACHE AN: Es macht einen Unter- schied, ob Sie sagen: „Ich will nicht mehr traurig sein“ oder „Ich will fröhlich sein“. Unser Gehirn überhört nämlich das Wörtchen „nicht“ – und so bleibt nur „traurig“ im Gedächtnis hängen. Streichen Sie daher negative Begriffe aus Ihrem Wortschatz und formulieren Sie positiv. 16 PulsM | Optimismus
Gastbeitrag An das Gute glauben Ein Beitrag von Schwester Edith-Maria Magar, Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Krisengeschüttelt präsentiert sich Der, der uns das zusagt, Jesus, hat als unsere Zeit. Fürchterliche Kriege in Mensch auf Erden gezeigt, wie ein Le- Europa und weltweit legen Wunden ben in Gewaltverzicht und Liebe zu offen: Gewalt, Hass, Energie-, Ernäh- allen Geschöpfen geht. Daran will ich rungs- und Klimakrise verbunden mit festhalten und in meinem Lebensum- Flüchtlingsschicksalen, die beispiellos feld das mir Mögliche zu einer fried- sind. Dazu die Pandemie mit ihren volleren Welt beitragen. Auswirkungen und die Krise der Kir- che – all das setzt mir ganz schön zu. Amokläufe, zunehmende menschen- verachtende, auch rassistische und antisemitische Parolen und daraus nicht selten folgende Gewalttaten lassen mich zuweilen am gesellschaft- lichen Zusammenhalt zweifeln. Und nicht zuletzt hat uns die schreckliche Flutkatastrophe unsere Verwundbar- keit und unsere Verwiesenheit auf dramatische Weise bewusst gemacht. Und dennoch: Was an solidarischer Hilfsbereitschaft, an persönlichem Einsatz, an materieller und finanziel- Foto: Andrea Schulze ler Hilfe, auch an Zivilcourage vieler- orts geschieht, das stimmt mich zu- versichtlich und lässt mich weiter an das Gute glauben. Was allein die Mit- arbeitenden in unseren Einrichtungen an enormen Belastungen in all diesen i Geschehnissen auf sich nahmen und nehmen, ist aller Ehren wert! Bei den Waldbreitbacher Für mich als Christin zeigt sich in jeder Franziskanerinnen liegt Person, die Gutes tut, das menschliche der Ursprung der Marienhaus- und liebende Antlitz Jesu. Es ist ein Gruppe. 2011 hat der Orden seine Zeugnis der Menschenfreundlichkeit Einrichtungen jedoch in die Ma- Gottes, weil hier Nächstenliebe ganz rienhaus-Stiftung überführt. Den- konkret mit Kopf, Herz und Hand in noch arbeitet die Marienhaus- die Tat umgesetzt wird. Ja, als Christin Gruppe nach wie vor im Sinne des glaube ich an ein Leben nach dem Tod, Ordens und seiner Gründerin, der an ein Leben in gelingender Gemein- seligen Mutter M. Rosa Flesch. schaft, friedvoll, gerecht und erlöst. PulsM | Optimismus 17
Organspende Wo alle zusammenlaufen Fäden Eine Organspende ist eine Ausnahmesituation. In erster Linie für die Angehörigen – aber auch für Ärzte und Pflegende. Wichtigster Ansprechpartner für alle Beteiligten ist Dr. Johannes Rasbach, Transplantations- beauftragter am Marienhaus Klinikum Neuwied. Er nimmt Zweifel und gibt Zuversicht. TEXT: Sonja Hausmanns | FOTOS: Joachim Gies Was ist Leben? Was ist Tod? Das The- die Patientin einen schweren irrepa- ma Organspende rührt an existenzi- rablen Hirnschaden erlitten hat. Um elle Fragen. Und vielleicht liegt es die Endgültigkeit dieser Diagnose daran, dass in Deutschland nur 36 deutlich zu machen, spricht Rasbach Prozent der Menschen einen Organ- von Menschen, die „im Hirntod ver- spendeausweis besitzen – obwohl storben“ sind. In Deutschland betrifft mehr als doppelt so viele angeben, das lediglich 1 Prozent aller Todesfäl- dem Thema positiv gegenüberzuste- le. „Meistens sind nicht Unfälle die hen. „Die Auseinandersetzung mit Ursache, sondern Schlaganfälle oder dem Tod passt halt nicht so gut zu Hirnblutungen“, erläutert der Inten- unserem Lebensstil“, sagt Johannes sivmediziner. Wenn sich ein Hirntod Rasbach. Als Transplantationsbeauf- abzeichnet, holen die behandelnden ORGANSPENDE: JA ODER NEIN? tragter betreibt er seit 1997 intensive Ärztinnen und Ärzte Dr. Rasbach hin- Zwar ist der Hirntod eine eindeutige Aufklärungsarbeit, sorgt für rei- zu. Oft sind es auch Pflegende, denen medizinische Diagnose (siehe Kas- bungslose Prozesse und ist zudem die die ersten Anzeichen für einen Hirn- ten) – für die Angehörigen ist sie Schnittstelle zwischen der Klinik und tod auffallen. manchmal dennoch schwer zu be- der Deutschen Stiftung Organtrans- Etwa, dass greifen. Denn die Verstorbenen sehen plantation (DSO), die Organtransplan- eine Patien- aus wie schlafend: Wegen der künst- tationen koordiniert. Vor allem jedoch tin beim Ab- lichen Beatmung hebt und senkt sich betreut Rasbach die Angehörigen der saugen nicht der Brustkorb, die Haut ist rosig und Verstorbenen. Sie erhalten von Ras- mehr hustet oder der Körper fühlt sich warm an. „Oft bach Antworten – und die Zeit, die sie die Pupillen eines Patienten durchge- wirken die Patienten sogar vitaler als für ihre Entscheidung brauchen. Der hend geweitet sind. „Wenn der Ver- zuvor“, beschreibt Rasbach die wider- Reihe nach: dacht auf Hirntod besteht, müssen sprüchliche Situation, die den Ange- wir dies mit gezielten klinischen Un- hörigen zu schaffen macht. Hilfreich DIAGNOSE HIRNTOD tersuchungen einwandfrei belegen“, seien in dieser Situation Bilder, bei- Nicht jeder Verstorbene kommt über- erläutert Rasbach. „Das können wir spielsweise die Nulllinie der Hirn- haupt als Organspender infrage. Vor- aufgrund der Ausstattung und des ströme aus dem EEG oder eine Szinti- aussetzung ist, dass der Patient oder Personals hier vor Ort leisten.“ graphie, mit der sich die fehlende 18 PulsM | Optimismus
Organspende Durchblutung des Gehirns sichtbar die für die Zuteilung von Spenderorga- den Rasbach ins Leben gerufen hat machen lässt: Was einst die Schalt- nen in acht europäischen Ländern zu- und der einmal im Jahr tagt. „Eine zentrale des Lebens war, sieht nun ständig ist. Derzeit brauchen allein in Organentnahme ist auch für uns eine aus wie eine weiße Wolke. „Selbst Deutschland etwa 13.500 schwer- belastende und keineswegs alltäg- wenn die Diagnose verstanden kranke Menschen ein Organ – täglich liche Operation. Gerade dann ist es wird, braucht es Zeit, das zu verar- sterben etwa drei von ihnen. Umso wichtig, dass alle den beiten“, betont Rasbach, der gleich wichtiger ist es, dass zumindest bei gleichen Kenntnis- mit einem weit verbreiteten Irrtum den wenigen möglichen Transplanta- stand haben und aufräumt: „In Filmen wird oft so tionen alles reibungslos abläuft. „Wir wir Raum geben, getan, als ginge es von der Straße tun alles dafür, den Kreislauf auf- um den Patienten in quasi direkt auf den OP-Tisch. Aber rechtzuerhalten, damit die Organe Würde zu verabschie- der Weg zur Organspende ist ein bestmöglich versorgt werden. Das ist den.“ Prozess, der über Tage geht – und der sozusagen vorgezogene Intensivme- sich danach richtet, wie die Ange- dizin für den Empfänger“, erläutert Durchschnittlich kommt es in Neu- hörigen reagieren. Sie können nicht Rasbach. wied einmal im Jahr zu einer Organ- schneller sein, als die Angehörigen spende. Für die eigentliche Entnahme mitkommen. Das führt zu nichts. ABSCHIED IN WÜRDE schickt die DSO spezialisierte Ärzte- Kurz vor der OP zur Organentnahme Teams. Zuletzt fand eine solche Ope- Also geht Rasbach, treffen sich Dr. Rasbach und seine Kol- ration am 3. April 2022 statt – sie hat dessen sonore Stim- leginnen und Kollegen dann zu einem zwei Menschen das Leben gerettet und me Vertrauen schafft, wichtigen Termin: Gemein- zwei weitere von der Dialyse mit Ruhe und Be- sam sprechen sie über die befreit. Das erfuhr Johannes dacht an das Thema heran. Er ver- Vorgeschichte des Patienten, Rasbach etwa vier Wochen sucht, mögliche Zweifel zu entkräf- Rasbach erklärt, wie der später durch einen Brief der ten, gibt aber auch Raum, zu einer Hirntod festgestellt wurde DSO. Auf Wunsch können eigenen Entscheidung zu kommen. und was über den Willen des Verstor- auch die Angehörigen diese Informa- Wenn die gegen eine Organspende benen bekannt ist. Zum Schluss gibt tion erhalten. Es sind diese Nachrich- ausfällt, hat er dafür Verständnis. es eine Gedenkminute. Die Anregung ten, für die Johannes Rasbach uner- „Die Menschen sind in einer extrem für diesen besonderen Termin kam müdlich im Dauereinsatz ist. Was ihm belastenden Situation und sollen aus einem internen Qualitätszirkel, am meisten hilft? „Wir haben hier im dann noch eine so schwerwiegende Haus eine positive Grundeinstellung Entscheidung treffen. Viele sind da zum Thema Organspende.“ auch überfordert.“ Umso wichtiger sei es, schon zu Lebzeiten den per- sönlichen Willen mit einem Organ- spendeausweis zu dokumentieren. Was ist der „Hirntod“? „Für die Verwandten ist es enorm entlastend zu wissen, was der Ver- Die Symptome eines unumkehr- nieren, die für grundlegende Kör- storbene wollte.“ Obwohl der Or- baren Ausfalls der gesamten Hirn- perfunktionen wie das Atmen ver- ganspendeausweis testamentari- funktionen („Hirntod“) müssen antwortlich sind. Anschließend schen Charakter hat, würden jedoch zwei erfahrene Intensivmediziner wird geprüft, ob der Hirntod un- niemals Organe gegen den Willen – einer davon Neurologe oder umkehrbar ist. Dies geschieht der Angehörigen entnommen, be- Neurochirurg – feststellen. Dafür nach einer festgelegten Wartezeit tont Rasbach. wird vor allem untersucht, ob die von 12 bzw. 72 Stunden. Hirnstamm-Reflexe noch funktio- Schon während der Gespräche mit den Angehörigen steht Dr. Rasbach in Kontakt mit der Deutschen Stif- Ausführliche Informationen zum tung Organtransplantation (DSO); Thema Organspende: deren Koordinator wiederum infor- https://www.organspende-info.de/ miert die Stiftung Eurotransplant, PulsM | Optimismus 19
Organspende Auf Herz und Nieren: Organspende in Zahlen Zahl der Organspenden sinkt wieder Spitzenreiter Niere Postmortal gespendete Organe in Deutschland Art der postmortal gespendeten Organe in Deutschland 2021 3.511 3.035 3.113 2.995 57 5 2.989 2.901 2.867 2.941 2.905 Pankreas Dünndarm 2.594 310 Herz 299 1.492 Lunge Niere 2.905 insgesamt 201 2 201 3 201 4 201 5 201 6 201 7 201 8 201 9 202 0 202 1 742 Leber Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation Banges Warten Transplantierte Organe und Warteliste in Deutschland 2021* 6.593 Warteliste (Stand 31.12.21) Transplantationen 1.517 848 780 727 329 291 283 271 65 Niere Leber Herz Lunge Bauchspeichel- drüse Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation 20 PulsM | Optimismus
Organspende Wenn die Zeit nicht reicht Ein Organspender rettet bis zu sieben Leben Gesamtzahl Menschen auf 8.730 Warteliste zum 31.12.2021: Während der Wartezeit 826 2021 verstorben: Quelle: www.organspende-info.de Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation Organspende im internationalen Vergleich Anzahl Organspender Einzel-Spenden sind die pro eine Million Einwohner im Jahr 2020 Ausnahme 23 19 Finnland Organentnahmen in Deutschland 2021 Norwegen 18 Schweden Einorgan- entnahme 11% 19 21 Groß- Dänemark britannien 15 10 Niederlande 11 Polen 24 Deutschland Mehrorgan- Belgien 11 entnahme 24 Ungarn Österreich 89% 23 22 Frankreich Slowenien 25 22 Kroatien 38 Italien Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation Spanien Quelle: GODT (nach DSO) Keine Einheit in Europa Immer mehr Menschen besitzen einen Widerspruchslösung Zustimmungslösung Organspendeausweis Entscheidungslösung 2010 25% 2022 39% Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung PulsM | Optimismus 21
Organspende Transplantation transparent machen Ana Barreiros hat 20 Jahre als Transplantationsmedizinerin gearbeitet. Heute ist sie geschäftsführende Ärztin bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Ein Gespräch über Aufklärung in Clubs, unser Bild vom Tod und über Organe aus dem 3-D-Drucker. TEXT: Sonja Hausmanns | FOTOS: Joachim Gies Kurz vor diesem Gespräch hat sich die Schweiz per Volksentscheid für die Widerspruchslösung ausgesprochen: Jeder Bürger ist automatisch Organ- spender, sofern er sich nicht anders entscheidet. Wünschen Sie sich diese Regelung auch für Deutschland? Absolut! Weil das ein Commitment einer Gesellschaft ist: Wenn wir Men- schenleben mit Organtransplantation retten wollen, dann muss es der Nor- malzustand sein, Organspender zu sein. Momentan ist das nicht der Fall. Da ist für mich eine Dissonanz. Des- halb hätte ich mir gewünscht, der Bundestag hätte 2020 anders ent- schieden, als das Thema bei uns auf der Agenda stand. Zumal auch bei der Widerspruchslösung die freie Ent- scheidung erhalten bleibt – aber die Vorzeichen sind dann andere. 82 Prozent der Deutschen befürwor- ten die Organspende, doch nicht ein- mal die Hälfte davon besitzt einen Organspendeausweis. Wie erklären Sie sich das? Sicherlich auch mit vielen Vorurteilen, die es immer noch über Organspende gibt. Auch der Glaube kann hierbei eine Rolle spielen. Fakt ist aber: Alle 22 PulsM | Optimismus
Organspende Religionen, ob Christentum, Juden- Warum ist das so wichtig? gane aus dem 3-D-Drucker. Das wird tum oder Islam, sehen die Organspen- Damit die Angehörigen nicht in eine kommen! Ob ich das allerdings noch de als Akt der Nächstenliebe. Dissonanz kommen: Tod verbinden erleben werden, weiß ich nicht. Ohne- wir mit „kalt, starr, blau“ – ein Hirn- hin wäre schon viel erreicht, jeden Mit welchen Vorurteilen oder Ängs- toter sieht aber ganz anders aus. Um potenziellen Organspender zu erken- ten sind Sie noch konfrontiert? abschließen zu können ist es daher nen. Allein dadurch ließe sich die Zahl Vor einer Weile habe ich Anrufe erhal- wichtig, den Toten nach der OP noch der Transplantationen verdoppeln. ten, wo Menschen wissen wollten, ob einmal zu sehen, ihn anzufassen. Die- Deshalb sind seit 2019 alle Entnahme- es wirklich stimmt, dass Organspen- se Erfahrung entspricht dann dem, kliniken gesetzlich verpflichtet, die der „ausgestopft“ werden. Natürlich was wir in unserer Seele und in unse- Sterbefälle mit Hirnschädigung zu nicht! Dieser Irrglaube war durch eine rem Herzen als „tot“ gelernt haben. analysieren und zu erläutern, warum Szene in einem Krimi entstanden; das keine Organspende angestrebt wurde. sind Bilder, die bleiben haften. Da sind Der Herztod ist für viele Menschen Es geht darum, auch das Personal vor wir in Deutschland leider sehr unge- der natürlichere Tod und es gibt Län- Ort zu sensibilisieren. Denn wir se- schickt. Umso wichtiger ist die früh- der, die auch in diesen Fällen eine hen, dass es einen enormen Effekt hat, zeitige Aufklärung: Mit dem Verein Organspende ermöglichen … wenn sich die gesamte Belegschaft – „Junge Helden“ gehen wir beispiels- Die Schweiz, Spanien, Belgien, Frank- von der Klinikleitung bis zur Pflege weise in Clubs und auch an Schulen reich, Niederlande: Quasi alle Länder – für Organspenden engagiert. gibt es entsprechende Initiativen. Es um uns herum haben die Organspen- ist wichtig, sich schon in jungen Jahren de nach Herztod, die sogenannte Was motiviert Sie, trotz Rückschlägen, mit dem Thema zu befassen, damit „Non-Heart-Beating-Donor“. Allein in bei dem Thema am Ball zu bleiben? man lange Zeit hat, diesen Gedanken Spanien machen solche Spenden etwa Als Ärztin habe ich 20 Jahre lang in der in sich zu tragen und zu einer reifen 60 bis 70 Prozent aus. Wir brauchen Transplantationsmedizin gearbeitet Entscheidung zu kommen. auch in Deutschland dringend eine und ich bekomme heute noch Weih- gesellschaftliche Diskussion zur Or- nachtskarten – zum Beispiel von einer Was muss aus Ihrer Sicht noch ganspende nach Herztod. Patientin, die wir kurz vor dem Abitur passieren? ihrer Tochter transplantiert haben. Wir müssen uns vor allem um die Ärz- Gibt es Alternativen zu menschli- Und heute schickt sie mir Fotos vom te in den Krankenhäusern kümmern. chen Organspenden? Enkelkind. Es gibt mir unglaubliche Die müssen sehr gut ausgebildet sein Es werden immer mal wieder Versu- Kraft zu wissen: Wir haben den Willen und in der Lage, Angehörige gut aufzu- che mit tierischen Organen gemacht, eines Verstorbenen umgesetzt und fangen. Deshalb ist es so wichtig, dass aber meist werden mit der Transplan- dadurch geholfen, Leben zu retten. man nun politisch die Rolle der Trans- tation auch Viren übertragen, an de- plantationsbeauftragten gestärkt hat nen wir Menschen dann sterben. und sie freistellt für ihre wichtige Auf- Woran ich wirklich glaube, sind Or- gabe. Ich empfehle zum Beispiel im- mer, dass die Angehörigen bei der Fest- stellung des Hirntods dabei sind – wenn sie das möchten. Der Moment im Krankenhaus ist essenziell und da brauchen wir Ärzte, die aufklären, Die DSO organisiert alle Schritte des sich durch ein Budget, das die DSO transparent sind und die Angehörigen Organspendeablaufs von der Mit- mit den Krankenkassen verhan- mitnehmen. Deshalb ist im Trans- teilung eines möglichen Spenders delt. Den Krankenhäusern, die bei plantationsgesetz auch vorgeschrie- im Krankenhaus bis zur Übergabe einer Organspende mitgewirkt ha- ben, dass die Angehörigen das Recht der Organe an die Transplantati- ben, vergütet die DSO den Aufwand haben, den Patienten nach der Ent- onszentren. Die Arbeit finanziert in Form von Pauschalen. nahme-OP noch einmal zu sehen, um sich zu verabschieden. Darauf haben wir als DSO sehr gedrungen. Mehr Informationen: https://dso.de/ PulsM | Optimismus 23
Infografik FEINKOST FÜR DIE SYNAPSEN Auch wenn wir Glück im ganzen Körper empfinden, entsteht dieses Gefühl vor allem im Gehirn. Wenn uns etwas Tolles passiert oder wir etwas Leckeres essen, stößt das Belohnungszentrum (Amygdala) Glückshor- mone aus Streng genommen handelt es sich bei vielen Glückshormonen nicht um Hormo- ne, sondern um Neurotransmitter. Diese Botenstoffe dienen der chemischen Über- tragung von Informationen zwischen zwei Synapsen. SCHMETTERLINGE IM BAUCH Wenn wir verliebt sind, durch- flutet Phenethylamin unseren Körper. Das Hormon sorgt für ein berauschendes Glücksgefühl – und verhindert klares Denken. Glück ist ... ein Picknick im Park Die Sonne scheint, es gibt gutes Essen und wir sind mit den Menschen zusammen, die wir lieben. Wenn einfach alles passt, fühlen wir uns glücklich – und die Hormone tanzen. TEXT: Sonja Hausmanns | ILLUSTRATION: Anton Hallmann/Sepia 24 PulsM | Optimismus
Infografik DIE HELLE FREUDE Wenn die Sonne scheint, produziert der Körper viel Serotonin. Dieser Neuro- transmitter verschafft uns Elan und Motivation. Besonders stark steigt der Serotonin-Spiegel, wenn im Frühjahr die Tage wieder länger werden. KOMM KUSCHELN! Oxytocin wird ausgeschüttet, wenn wir mit Menschen zusammen sind, denen wir vertrau- en. Dank des „Kuschelhormons“ fühlen wir uns weniger ängstlich und gestresst. Außer- dem steigert Oxytocin die Empathie und das IM FLOW allgemeine Wohlbefinden. Endorphine wirken wie ein Rauschmittel. Ausgestoßen werden sie vor allem, wenn wir uns stark bewegen. Dann lindern sie DAS BESTE KOMMT unser Hungergefühl und sorgen dafür, ZUM SCHLUSS dass wir uns trotz der Anstrengung nicht Der Neurowissenschaftler Daniel Levi- erschöpft fühlen. tin sagt, dass wir mit genau 82 Jahren am glücklichsten sind. Beispielsweise sei man weniger gestresst, habe nied- rigere Erwartungen und erkenne, dass das Leben ziemlich gut ist. MEHR DAVON! Dopamin bringt uns dazu, Dinge zu tun, die uns glücklich machen. Es sorgt also für die Vorfreude. Der Neurotransmitter wirkt motivierend, blutdrucksteigernd und regt die Herz- WAS DIE HORMON-KÜCHE HERGIBT und Nierenfunktion an. Außerdem funktioniert unser Gehirn unter dem Während Neurotransmitter blitzschnell Signale innerhalb Einfluss von Dopamin besser. des Nervensystems weitergeben, entfalten Hormone ihre Wirkung langsamer über das Blut. Es gibt auch Botenstoffe, die sowohl Hormon als auch Neurotransmitter sind, zum Beispiel die Endorphine. Unser individueller Glückscocktail setzt sich aus fein abgestimmten Zutaten zusammen. PulsM | Optimismus 25
Reportage Hospiz Mit Luft und Liebe Als Hospiz- und Palliativpflegekraft begleitet Ute Keller Sterbende und deren Angehörige; lindert Schmerzen und Sorgen. Ein Beruf, der sie an ihre Grenzen bringt. Und der ihre Einstellung zum Leben positiv verändert hat. TEXT: Sonja Hausmanns | FOTOS: Joachim Gies 50 26 PulsM PulsM |PulsM Optimismus |Optimismus | Brüche
Reportage Hospiz Besuch beim Ambulanten Hospiz- und Palliativzentrum (AHPZ) in Neustadt an der Weinstraße. Schon auf dem Weg dorthin drängen sich Gedanken an den Tod auf: Es geht vorbei am Hub- schrauberlandeplatz des nahegelege- nen Marienhaus Klinikums Hetzel- stift, wo gerade eine Maschine auf ihren nächsten – hoffentlich lebens- rettenden – Einsatz wartet. Anschlie- Das ambulante Hospiz in Neuwied ßend führt die Strecke am Friedhof gibt es seit mehr als 20 Jahren. vorbei, bevor sich nach ein paar Schrit- ten durch einen kleinen Park die Tür zum Hospiz öffnet. Es ist ruhig hier, denn die eigentliche Arbeit findet wo- anders statt: in den Wohnungen und Für mich ist das der letzte große Häusern der Sterbenden. Im Umkreis von 100 Kilometern betreut das Team Liebesdienst, den Menschen derzeit etwa 150 Palliativ- und Hospiz- ihren Angehörigen erweisen patienten. Worin der Unterschied liegt: können. Und wir tun alles, um Ziel der Palliativmedizin ist es, im Ster- ben die Symptome zu lindern – etwa das zu ermöglichen.“ Schmerzen und Erbrechen oder Angst Ute Keller und Unruhe. Sind Patientinnen oder Patienten hingegen beschwerdefrei, geht es in der Hospizarbeit um eine Be- gehörigen erweisen können. Und wir wird. Wenn ich es schaffe, dass beide gleitung des Sterbenden. Die Übergän- tun alles, um das zu ermöglichen“, Parteien in Kontakt kommen und of- ge sind fließend; der Zustand eines beschreibt die Hospiz- und Palliativ- fen miteinander sind, habe ich schon Patienten kann sich im Laufe des Ster- schwester ihre Aufgabe. Die Geschich- viel erreicht“, betont die 59-Jährige. beprozesses mehrfach ändern. Umso ten der Patientinnen und Patienten, Neben dieser „Seelenarbeit“ steht die besser, dass im AHPZ Palliativversor- die Keller betreut, sind sehr unter- medizinische Versorgung der Patien- gung und Hospiz nicht wie sonst üb- schiedlich: Da ist der 95-jährige de- tinnen und Patienten im Vordergrund. lich getrennt sind, sondern aus einer mente Herr ebenso wie die junge Frau, Im Rahmen der spezialisierten ambu- Hand kommen. die unheilbar an Krebs erkrankt ist. lanten Palliativversorgung (SAPV) verabreicht Keller etwa Schmerzmit- SANFTE DETEKTIVIN „Am Anfang braucht es Detektivar- tel, hilft bei Luftnot, behandelt Wun- Eine, die Sterbenden die Hand reicht, beit, um herauszufinden, was der Ein- den oder sorgt bei Bedarf dafür, dass ist Ute Keller. Mit ihren quirligen Au- zelne benötigt“, erzählt Keller. Denn ein Patient künstlich ernährt wird. gen und dem froschgrünen Schal, der vor ihren Nächsten würden Patientin- Etwa zwölf Menschen begleitet sie locker um ihre Schultern liegt, wirkt nen und Patienten oft nicht zugeben, kontinuierlich; wie oft die Pflegerin sie wie jemand, der zupacken kann. wie stark ihre Beschwerden wirklich vor Ort ist, hängt von deren individu- Gleichzeitig vermittelt ihr weicher sind. Familienangehörige wiederum ellen Bedürfnissen ab. Manche wollen pfälzischer Zungenschlag auf Anhieb tun sich schwer damit auszusprechen, sie zweimal am Tag sehen, andere zie- Vertrauen. „Zuhause sterben dürfen: dass einer ihrer Lieben sterben wird. hen sich zurück – weil Kellers Besuche Für mich ist das der letzte große Lie- „Ich lausche erst einmal und versuche sie an den eigenen Tod erinnern. „Ich besdienst, den Menschen ihren An- auch das zu hören, was nicht gesagt verstehe, dass sie nicht dauernd ans PulsM | Optimismus 27 51
Hospiz Sterben denken wollen. Man darf das in Neustadt. „Es ist ein toller Beruf, auch verdrängen. Das ist gut für die den ich immer mehr zu schätzen und Psyche.“ zu lieben gelernt habe“, sagt Keller und lobt die guten Bedingungen: „Ich PLÄNE ÄNDERN SICH kenne Teams, die deutlich profitori- Ute Keller kam über Umwege zur Hos- entierter arbeiten müssen. Wir hin- piz- und Palliativpflege. Sie ist 1963 gegen arbeiten menschenorientiert.“ geboren, damals gibt es für junge So bleibt ihr auch die Zeit, sich inten- Frauen kaum berufliche Wahlmög- siv um die Angehörigen zu kümmern. lichkeiten und Keller weiß, was sie Ideal sei es natürlich, wenn in den nicht will: Bank oder Büro. „Blieben Familien die Last auf mehreren nur Krankenschwester oder Hebam- Schultern verteilt wird. „Aber oft ist me.“ Die junge Pfälzerin entscheidet es halt der Ehepartner, der sich allein sich für Ersteres. Später bildet sie sich kümmert“, erzählt Keller. „Viele sind als Heilpraktikerin und Homöopa- am Anfang unsicher, ob sie das schaf- thin weiter, strebt eine Selbstständig- fen. Aber gerade die Unsicheren – keit an – legt diese Pläne jedoch bei- Männer wie Frauen – sind es, die seite, als sie Mutter wird. Als ihre drei später über sich hinauswachsen.“ Kinder im Schulalter sind, beginnt Keller, ehrenamtlich (siehe Kasten) in ATMEN! einem Hospiz zu arbeiten, und er- „Den Tod in die Tasche stecken“, so kennt, dass ihr der Umgang mit Ster- nennt es Ute Keller, wenn sie wie heu- benden, trotz aller Schwere, großen te Bereitschaftsdienst hat. Klingelt Spaß macht. Sie absolviert eine Wei- dann ihr Handy, ist ein Sterbender terbildung in Palliativpflege und ar- oder ein Angehöriger am Apparat, der beitet seit ihrem beruflichen Wieder- Hilfe braucht. Vor allem wenn sie einstieg in diesem Bereich; zunächst nachts losmuss, ist es Keller wichtig, in Frankfurt, Speyer und Landau und dass sie die Patientinnen und Patien- nun seit drei Jahren bei Marienhaus ten bereits persönlich kennengelernt 28 PulsM | Optimismus
Hospiz Man sieht das Leben mit anderen Augen – als hätte ich ein Fernglas scharf gestellt. Da ist vieles andere wurschtegal.“ Ute Keller Hospiz in Zahlen • Seit 1996 hat sich die Zahl der Hospiz- und Palliativdienste in Deutschland verdreifacht. • Es gibt 1.500 ambulante hat. Doch wenn sie wie jetzt gerade Hospizdienste. aus dem Urlaub kommt, gelingt das • Hinzu kommen 250 stationäre nicht immer. Trotzdem bleibt sie ge- Hospize für Erwachsene und 18 für Kinder und Jugendliche. lassen und versucht, am Telefon erst einmal zu beruhigen und möglichst • In deutschen Krankenhäusern klare Anweisungen zu geben. „Wäh- bestehen 340 Palliativstationen. rend der Fahrt rufe ich dann meistens • 22 Tage beträgt die durch- noch einmal an und wenn ich ankom- schnittliche Verweildauer in stationären Hospizen. me, hat sich die Situation oft schon entspannt.“ Doch selbst wenn Ange- • 33.500 Menschen pro Jahr hörige in Panik geraten oder Patienten werden in stationären Hospi- zen für Erwachsene versorgt. einen Zusammenbruch erleiden, be- wahrt Keller Ruhe. „Ich atme. Ich atme • 120.000 Menschen unterstüt- ein und atme aus. Ich bin da. Ich gucke, zen die Versorgung Sterbender ehrenamtlich, bürgerschaftlich was ich tun kann. Manchmal geht es oder hauptamtlich. auch einfach nur ums Aushalten. Der • 14.000 Medizinerinnen und Tod ist halt eine brachiale Gewalt. Das Mediziner haben bis 2020 die kann man nicht schönreden.“ Trotz- Zusatzausbildung zur Palliativ- dem – oder gerade deshalb – hält Ute medizin absolviert. Keller nichts von Sterbehilfe: „Alles • Deutschland belegt bei der hat seinen Weg. Und den vorgegebe- Palliativversorgung im nen Weg nicht zu gehen, finde ich Europavergleich Platz 15 von falsch.“ 49 Ländern. Keller versucht, die Familien so gut wie möglich auf den Tod vorzuberei- ten – zieht sich jedoch zurück, wenn es so weit ist. „Dann müssen die An- gehörigen ans Bett. Ich bin da nicht PulsM | Optimismus 29
Hospiz Ich vertraue auf ein Leben nach dem Tod. Ich weiß nicht, wie es aussieht, aber es gibt ein Danach.“ Ute Keller ge geleistet haben, oder bin einfach dankbar, wenn ich einen besonderen Menschen kennenlernen durfte.“ Die Gottesdienste, die das Hospiz zum Ge- denken feiert, meidet sie dennoch. Weil dort die Namen aller Verstorbe- nen vorgelesen werden: Etwa 150 wichtig.“ Und doch bleibt sie auch Menschen sind es in einem Halbjahr. nach dem Tod an der Seite der Fami- Eine Essenz des Sterbens, die Ute Kel- lien und hilft auf Wunsch bei der ler kaum aushält. Ohnehin bezeichnet Trauerbewältigung, individuell oder sie sich nicht als religiös – aber als in Gruppen. Wichtig ist ihr zu vermit- sehr gläubig. „Ich vertraue auf ein Le- teln, dass alles sein darf – Traurigkeit ben nach dem Tod. Ich weiß nicht, wie ebenso wie Depression. „Niemand es aussieht, aber es gibt ein Danach.“ muss weitermachen wie zuvor oder Deshalb ist es ihr so wichtig, dass ein positiv denken“, betont sie. Es gehe Mensch gut stirbt. Damit es gut wei- darum, den Weg zu finden, der zu ei- tergehen kann. nem passt. Da sei jeder sein eigener Experte. WEINEN DÜRFEN Die ständige Konfrontation mit dem Tod hinterlässt Spuren. Zwar bleibt Keller immer handlungsfähig, aber Feste Größe manchmal, wenn sie nach einem be- sonders schweren Hausbesuch im Ehrenamtlerinnen und Ehren- es intensive Vorbereitung braucht. Auto sitzt, brechen die Tränen aus ihr amtler sind eine feste Größe in der Daher bietet das Ambulante Hos- heraus. Trotzdem ist sie dankbar für Hospizarbeit. Sie begleiten Ster- piz- und Palliativzentrum Grund- diese Erfahrungen: „Man sieht das bende und unterstützen deren und Aufbauseminare für Interes- Leben mit anderen Augen – als hätte Angehörige. Eine Aufgabe, für die sierte an. ich ein Fernglas scharf gestellt. Da ist vieles andere wurschtegal“, sagt sie im Ausführliche Informationen zu Pfälzer Dialekt. Viele der Menschen, Inhalten und Ablauf finden Sie hier: die sie begleitet hat, bleiben ihr noch Jahre im Gedächtnis. „Ich verspüre https://www.hospiz-neustadt.de/hospizseminare Hochachtung für das, was Angehöri- 30 PulsM | Optimismus
Vita RosasWelt Ein starkes Ja! zum Leben Mutter Rosa ist die Gründerin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Die Werte dieser christlichen Ordens- gemeinschaft sind bis heute prägend für die Arbeit der Marienhaus-Gruppe. Wie sah die Welt aus, in der Mutter Rosa wirkte? In dieser Rubrik begeben wir uns auf Spurensuche – inspiriert vom jeweiligen Heftthema. Margaretha Flesch, wie Mutter Rosa kranken Schwester Marianne in eine gebürtig hieß, ist in großer Not auf- der leerstehenden, ärmlichen Klausen gewachsen. Der Vater, ein einfacher in der Kreuzkapelle nahe Waldbreit- Ölmüller, konnte die Familie kaum bach. Von dort aus betreute sie unent- ernähren und sie gehörte zu den ärms- geltlich die Armen und Kranken der ten des Dorfes. Die Mutter starb, als Gemeinde. Zusätzlich nahm sie Wai- Margaretha sechs Jahre alt war. Nach senkinder bei sich auf. Damals war es dem Tod des Vaters zehn Jahre später in einigen Ortschaften noch üblich, musste Margaretha zusammen mit Waisenkinder zu versteigern, weil nie- ihrer Stiefmutter den Unterhalt für mand für ihren Unterhalt aufkommen sich und ihre fünf jüngeren Geschwis- wollte oder konnte. Dieser überzeu- ter verdienen: Sie arbeitete als Tage- gende Dienst begeisterte auch andere löhnerin, sammelte und verkaufte und so gesellten sich 1856 die ersten TEXT: Sonja Hausmanns FOTO/BEARBEITUNG: Prof. Elisabeth Wagner/Danuta Laude Heilkräuter und fertigte Handarbei- gleichgesinnten Frauen zu Margare- ten an. Trotz aller Entbehrungen fand tha. Ihnen sagte sie, woher sie ihre sie noch die Kraft, sich für die Zuversicht nahm: „Vor allem, seht in Schwächsten der Gesellschaft zu en- jedem Kinde und in jedem Kranken gagieren: Als sie 25 Jahre alt war, zog nicht nur den Menschen, sondern seht sie gemeinsam mit ihrer epilepsie- in ihnen Gott.“ Mehr über Mutter Rosa erfahren Sie hier: https://kurzelinks.de/m416 PulsM | Optimismus 31
Mein Marienhaus Ich sage „Ja“ zu … Mitarbeitende der Marienhaus-Gruppe erzählen, wozu sie ohne Wenn und Aber stehen, was ihnen Zuversicht vermittelt oder einfach gute Laune macht. Foto: iStock.com/ tolgart 32 PulsM | Optimismus
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