Wissen teilen - EUROPARC Federation

Die Seite wird erstellt Linus-Maximilian Hoppe
 
WEITER LESEN
Wissen teilen - EUROPARC Federation
I N T E R N AT I O N A L E R A U S TA U S C H V O N S C H U T Z G E B I E T S A K T E U R E N

Wissen teilen
Wissen teilen - EUROPARC Federation
Warum lohnt sich der „Blick über den Tellerrand “?

                                                                      „Der Blick über den Tellerrand weicht die Grenzen im
                                                                      Denken und Lösungen-Finden auf und macht Alternativen,
                                                                      Möglichkeiten, neue Herangehensweisen und
                                                                      Selbstverständnisse deutlich.“

                                                                      Teilnehmer/in des ANNIKA-Abschlussworkshops

Mareike Garms                                                                                                        Titelbild/Cover photo: Neele Larondelle

Inhalt
 Vorwort                                                                                                                                                3
 Projektsteckbrief                                                                                                                                      4

 Österreich           Barrierefreiheit und Inklusion in Schutzgebieten: Einführung in den Studienaufenthalt                                            5
                      In 7 Tagen mit dem Rollstuhl um die Welt? oder: In 6 Tagen barrierefrei durch Österreich?                                        6
                      Entwicklung von barrierefreien Naturerlebnismöglichkeiten: Menschen mit Handicap mit einbeziehen!                                8
                      Die Servicekette im barrierefreien Tourismus - Praxisbeispiele aus Österreich                                                   10
                      Informationsmaterialien für Barrierefreiheit - Praxisbeispiel Rolli Roadbook                                                    12
                      Vergleich von Hilfsmitteln für mobilitätseingeschränkte Menschen in Schutzgebieten                                              14
                      Wildnis hautnah erleben - Angebote für Menschen mit Sehbehinderung                                                              16

 Vereinigtes          Regionalentwicklung und Tourismus in Schutzgebieten: Einführung in den Studienaufenthalt                                        18
 Königreich           Regionalentwicklung durch Trekkingangebote in Nationalparks                                                                     19
                      Erholung und Gesundheit in Schutzgebieten                                                                                       21
                      Regionalentwicklung, Tourismus und Naturschutz: Finanzierungsmöglichkeiten aus Drittmitteln                                     23
                      Verankerung der Schutzgebiete in der Gesellschaft und Instrumente, diese weiter zu stärken.
                                                                                                                                                      25
                      Oder: Wie es sich mit zahlreichen Verbündeten erfolgreicher lebt.
                      Kooperationsprogramme von Schutzgebieten und Betrieben                                                                          27
                      Freiwilligenengagement und -management                                                                                          29

 Deutschland          Regionalentwicklung und Tourismus in Schutzgebieten: Einführung in den Studienaufenthalt                                        31
                      Regionalentwicklung und Engagement der lokalen Bevölkerung in Schutzgebieten aus Perspektive
                                                                                                                                                      32
                      des nachhaltigen Tourismus
                      Strategien für nachhaltigen Tourismus in Schutzgebieten                                                                         34
                      Qualitätsmanagement in Unternehmenspartnerschaften von Schutzgebieten                                                           36
                      Partner-Initiativen in Schutzgebieten – Müritz-Nationalpark                                                                     38
                      Partner-Initiativen in Schutzgebieten – Nationalpark Wattenmeer                                                                 40
                      Tourismusmanagement in deutschen und portugiesischen Schutzgebieten:
                                                                                                                                                      42
                      verschiedene Situationen – gleiche Herausforderungen

 Finnland             Alternative Finanzierungsstrategien für Schutzgebiete: Einführung in den Studienaufenthalt                                      44
                      Kooperationen von Schutzgebieten und Unternehmen                                                                                45
                      Gesundheitsvorsorge als Finanzierungsquelle für Naturschutz                                                                     47
                      Freiwilligenengagement in fnnischen Nationalparks                                                                               49
                      Eine Perspektive der Schutzgebietsfnanzierung: Kostenersparnis und -reduktion                                                   51
 Niederlande          Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schutzgebieten: Einführung in den Studienaufenthalt                                      53
                      BNE mit Jugendlichen: Beispiel „Junior Consultant Agency“                                                                       54
                      Grundschul-Bildungsangebote: Beispiel „Vogelreise“                                                                              56
                      GPS-Rallye als Bildungsangebot                                                                                                  58
                      BNE-Wirkung verstärken: Abschlusspräsentation von Bildungsprogrammen                                                            60
                      Qualifkation ehrenamtlicher Akteure in der Bildungsarbeit niederländischer Nationalparks                                        62
                      Freiwilligenengagement als Chance für BNE                                                                                       64
                      Besucherzentren in niederländischen Nationalparks                                                                               66
 „Lessons learned“ und Ausblick                                                                                                                       68
 Impressum                                                                                                                                            70
Wissen teilen - EUROPARC Federation
3   vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,
dass die im Umwelt- und Naturschutz           Mit dieser Broschüre nehmen wir Sie da-
bestehenden Probleme nicht nur regio-         her mit auf die Reise. Folgen Sie den rund
nal, sondern vor allem auch global und in     30 Teilnehmenden der Studienaufenthalte
grenzüberschreitender Kooperation gelöst      in fünf europäische Länder. Sie widmeten
werden müssen, ist bereits seit Jahrzehn-     sich den zeitgemäßen Temen Inklusion
ten erkannt und die Grundlage für eine        und Barrierefreiheit, Regionalentwicklung    Prof. Dr. Beate Jessel     Guido Puhlmann
                                                                                           Foto/Photo: privat         Foto/Photo: EUROPARC
Vielzahl internationaler Übereinkünfte,       und Tourismus, Bildung für nachhaltige                                  Deutschland

wie z. B. der Konvention zur Erhaltung        Entwicklung sowie alternative Finanzie-
der biologischen Vielfalt (CBD) oder          rungsstrategien in Schutzgebieten. Lassen    unterstützt und ermöglicht haben: insbe-
dem Klimaschutzabkommen. Zieht man            Sie sich zu einer Vielzahl bewährter und     sondere an die Schutzgebietsverwaltungen
Bilanz, inwieweit deren Ziele bisher er-      anregender Praxisbeispiele, Arbeitsmetho-    und Naturschutzorganisationen in Öster-
füllt wurden, zeigt sich: Zur Bewältigung     den und Strategien des Schutzgebietsma-      reich, im Vereinigten Königreich, in den
solcher „Herkules-Aufgaben“, wie Klima-       nagements führen, die die Teilnehmenden      Niederlanden, Finnland und Deutschland.
schutz und Bewahrung der biologischen         im Ausland erlebt, mit den Kolleginnen       Sie waren als Gastgeber bereit, ihr Wissen
Vielfalt, ist ein deutlich höherer Einsatz    und Kollegen vor Ort diskutiert und auf      und ihre Erfahrungen zu teilen. Ebenfalls
nicht nur seitens der Politik und der         ihre Bedeutung für das eigene Schutzge-      danken wir allen Teilnehmenden an den
Wirtschaft, sondern der gesamten Gesell-      biet hin analysiert haben.                   Studienaufenthalten für die intensive Auf-
schaft erforderlich und zwar auf globaler,                                                 bereitung ihrer Erfahrungen. Aus diesen
regionaler und lokaler Ebene.                 Rückblickend können wir zusammen-            können Sie und wir zukunftsweisende
                                              fassen: Die durchgeführten Studienauf-       Schlüsse für den weiteren internationalen
Zweifellos leisten Schutzgebiete einen        enthalte haben die Teilnehmenden und         Wissens- und Kompetenzaustausch von
unverzichtbaren Beitrag für den Erhalt        damit auch ihre Herkunfts-Schutzgebiete      Akteuren aus Schutzgebieten ziehen.
der biologischen Vielfalt. Um das erfor-      sinnbildlich reicher gemacht. Zum einen
derliche Management der Schutzgebiete         haben sie aus dem Austausch mit den aus-     Auf den Spuren der internationalen Stu-
zu gewährleisten und den wachsenden           ländischen Gastgebern konkrete Umset-        dienaufenthalte wünschen wir Ihnen mit
Aufgaben anzupassen, müssen neben einer       zungsideen und Handlungshilfen mit nach      dieser Broschüre interessante und anre-
entsprechenden fnanziellen Ausstattung        Hause gebracht. Zum anderen können wir       gende Einblicke in verschiedenste Temen
auch gut qualifzierte Mitarbeitende in        zweifellos von einer Horizonterweiterung     der Arbeit in Schutzgebieten.
ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.      sprechen, von einer Bewusstseinsbildung
Sehr hilfreich für die fortlaufende Kompe-    für die Unterschiede der Arbeitsbedingun-
tenzentwicklung von Schutzgebietsakteu-       gen und -kulturen. Ein Verständnis dafür
ren ist es, auch einmal über den nationalen   ist unverzichtbar für jede nachfolgende
Tellerrand zu schauen, d. h. im interna-      grenzüberschreitende Zusammenarbeit.         Prof. Dr. Beate Jessel
                                                                                           Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz
tionalen Rahmen voreinander zu lernen.        Darauf aufbauend hat das Projekt den
Dies stand im Zentrum des Projektes           hohen Wert von internationalem Fach-
„Akteure aus Nationalen Naturland-            austausch – für die Teilnehmenden, für
schaften im internationalen Kompetenz-        die beteiligten Schutzgebiete und für das
Austausch“ mit seinen fünf einwöchigen,       politische und gesellschaftliche Anliegen    Guido Puhlmann
                                                                                           Vorstandsvorsitzender von
grenzüberschreitenden Studienaufenthal-       „grenzüberschreitende Zusammenarbeit
                                                                                           EUROPARC Deutschland e. V.
ten von Haupt- und Ehrenamtlichen aus         im Naturschutz“ – verdeutlicht.
deutschen Nationalen Naturlandschaf-
ten und ausländischen Schutzgebieten,         Unser herzlicher Dank geht an all die-
inklusive intensiver Vorbereitung und         jenigen, die den vielfältigen Kompetenz-
Evaluation.                                   austausch im Rahmen des Projektes
Wissen teilen - EUROPARC Federation
4   projeKt-stecKbrief

Veit Rifer                                                                     Stephanie Schubert

Projekt-Steckbrief
Akteure aus Nationalen Naturlandschaften im internationalen Kompetenzaustausch (ANNIKA)

Projektlaufzeit: Oktober 2015 – August 2018

Zentrale Inhalte:
• Insgesamt fünf einwöchige Studienaufenthalte von haupt- und ehrenamtlichen Akteuren aus Schutzgebieten zu defnierten
  Fachthemen und übergreifendem Tema „Freiwilligenmanagement“; jeweiliges Programm u. a. bestehend aus Exkursionen,
  Vorträgen und Diskussionen mit Expertinnen und Experten vor Ort
  • „Barrierefreiheit und Inklusion in Schutzgebieten“(Österreich)
       04.-10.09.2016: NLP Donau-Auen, NRP Purkersdorf, NLP Gesäuse, NRP Kaunertal
  • „Regionalentwicklung und Tourismus in Schutzgebieten“ (Vereinigtes Königreich)
       17.-22.10.2016: Brecon Beacons NLP, Wye Valley AONB, Te Cotswolds AONB
  • „Regionalentwicklung und Tourismus in Schutzgebieten (Deutschland)
       14.-18.05.2017: Müritz-NLP, NLP Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer
  • „Alternative Finanzierungsstrategien für Schutzgebiete“ (Finnland)
       24.-30.09.2017: Nuuksio NLP, Leivonmäki NLP, Southern Konnevesi NLP, Isojärvi NLP
  • „Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schutzgebieten“ (Niederlande)
       01.-07.10.2017: De Sallandse Heuvelrug NLP, Weerribben-Wieden NLP, Dwingelderveld NLP, Drents-Friese Wold NLP
• Übersetzung von EUROPARC Deutschland-Fachpublikationen in Englisch und ihre internationale Verbreitung
• Insgesamt vier zweitägige Einführungsworkshops für deutsche Teilnehmende an den Studienaufenthalten
• Zweitägige Abschlusstagung u. a. für deutsche Teilnehmende zur Refektion der Projekterfahrungen und Erarbeitung von Schluss-
  folgerungen
• Vorliegende Publikation mit Berichten der Teilnehmenden und Projekterkenntnissen
• Projektevaluation, u. a. im Rahmen der Auswertung der Einführungsworkshops und der Studienaufenthalte durch Teilneh-
  mende, der Teilnehmerberichte zu Fachthemen der Studienaufenthalte und der Masterarbeit „Zwischen globalen Ansprüchen
  und nationaler Wirklichkeit: Internationale Aktivitäten für Großschutzgebiete am Beispiel des Projektes ANNIKA“ (Clarissa
  Plendl, Fachhochschule Fulda, 2017)

Teilnehmende:
• Aus Deutschland: 24 Teilnehmende; davon 13 Hauptamtliche aus Verwaltungen der Nationalen Naturlandschaften,
  6 Hauptamtliche aus Vereinen/Stiftungen, 4 Ehrenamtliche, 1 vormals Hauptamtliche aus kamerunischem Nationalpark
• Aus Schutzgebieten anderer Länder: 7 Teilnehmende; davon 6 aus Verwaltungen, 1 Ehrenamtliche

Abkürzungsverzeichnis         AONB     Area of Outstanding Natural Beauty (Schutzgebietskategorie im Vereinigten Königreich)
                              BNE      Bildung für nachhaltige Entwicklung
                              IUCN     International Union for Conservation of Nature (Weltnaturschutzunion)
                              IVN      Instituut voor natuureducatie en duurzaamheid (Naturschutz- und Umweltbildungsorganisation in den Niederlanden)
                              NGO      Non-governmental organization (Nicht-Regierungsorganisation)
                              NLP      Nationalpark
                              NRP      Naturpark
Wissen teilen - EUROPARC Federation
5   österreich

Christian Grassl

Österreich: Barrierefreiheit und
Inklusion in Schutzgebieten
Einführung in den Studienaufenthalt
Besuchte Schutzgebiete                         demnach seit dem 01.01.2006 (mit einer       das an Naturschutz- oder Landschafts-
• Nationalpark Donau-Auen                      Übergangszeit von 10 Jahren) barrierefrei    schutzgebiete vergeben wird. Eine weitere
  (Wien, Niederösterreich)                     sein, d. h. auch öfentlich zugängliche       Großschutzgebietskategorie in Österreich
• Naturpark Purkersdorf                        Besuchereinrichtungen in Schutzgebie-        ist der „Biosphärenpark“ (Biosphärenre-
  (Niederösterreich)                           ten. Teorie und Praxis klafen jedoch         servat).
• Nationalpark Gesäuse (Steiermark)            auch in Österreich noch weit auseinan-
• Naturpark Kaunergrat (Tirol)                 der. Angelegenheiten des Naturschutzes       Verwaltungen der Schutzgebiete:
                                               fallen in Österreich ausschließlich in den   Trägerorganisationen von Nationalparks
Hintergrundinfos                               Kompetenzbereich der Bundesländer.           sind jeweils gemeinnützige GmbHs, deren
Österreich hat sich, wie auch Deutsch-         Bundesgesetzliche Bestimmungen regeln        Gesellschafter Bund und Land sind. Sie
land, mit der UN-Behindertenrechtskon-         nur die Zusammenarbeit zwischen Bund         beschäftigen ganzjährig feste Mitarbeite-
vention verpfichtet, die Voraussetzungen       und Bundesländern bei der Errichtung         rinnen und Mitarbeiter (besuchte Natio-
für eine gleichberechtigte gesellschaftliche   und Erhaltung von Nationalparks.             nalparks: ca. 20-25 Personen), ergänzend
Teilhabe zu schafen. Der Unterschied:                                                       Saisonkräfte. Zusätzliche Nationalpark-
Das deutsche Bundesgleichstellungsgesetz       Schutzgebietskategorien: Die sechs           Ranger arbeiten meist auf selbstständiger
gilt im Wesentlichen nur für öfentliche        österreichischen Nationalparks – seit        Basis, v. a. in der Gästebetreuung. Träger
Träger auf Bundesebene, das österreichi-       Anfang der 1980er Jahre ausgewiesen –        von Naturparks sind i. d. R. Vereine, in
sche Bundesbehindertengleichstellungsge-       entsprechen der IUCN Management-             denen die Anrainergemeinden, Touris-
setz gilt grundsätzlich und schließt auch      Kategorie II. Für die knapp 50 Natur-        musorganisationen und andere regionale
die Privatwirtschaft mit ein. Alle öfentli-    parks gilt: „Naturpark“ ist keine eigene     Akteure wie Grundbesitzer und Infra-
chen Verkehrsmittel und Gebäude müssen         Schutzkategorie, sondern ein Prädikat,       strukturbetreiber Mitglied sind.

Was haben wir diskutiert, was waren wichtige Erkenntnisse?
• Barrierefreiheit soll auch Menschen mit Einschränkungen unmittelbare Naturerlebnisse ermöglichen.
• Barrierefreiheit bedeutet auch Komfort für nichtbehinderte Menschen.
• Barrierefreiheit geht über Maßnahmen für mobilitätseingeschränkte Personen hinaus.
• Technische Hilfen für Mobilitätseingeschränkte haben jeweils Vor- und Nachteile.
• Ofroadführungen für Blinde sind eine innovative Idee für deutsche Schutzgebiete.
• Regionale Netzwerke sind für die Implementierung von Barrierefreiheit in touristische Angebote unverzichtbar.
• Barrierefreiheit umzusetzen ist ein Prozess, der Zeit und Beharrlichkeit braucht.
• Barrierefreiheit muss ehrlich kommuniziert werden, um glaubwürdig und einladend zu bleiben.
Wissen teilen - EUROPARC Federation
6 österreich

In 7 Tagen mit dem Rollstuhl um die
Welt? oder: In 6 Tagen barrierefrei durch
Österreich?
(Textgrundlage: Christian Grassl, Nationalparkverwaltung Berchtesgaden)

Sieben Personen samt einem Rollstuhl be-
reisen sechs Tage lang vier österreichische
National- und Naturparks mit öfentli-
chen Verkehrsmitteln – das bedeutet viele
Eindrücke, hautnahe Erlebnisse sowohl
von Barrieren als auch von Barrierefreiheit
und anregenden Austausch mit Expertin-
nen und Experten vor Ort. Jedes besuchte
Schutzgebiet hat seinen „Charakter“
hinsichtlich Barrierefreiheit, der nachfol-
gend in ausgewählten Aspekten stich-
wortartig skizziert wird. Und jedes ist ein
Puzzlestück im Gesamtbild. So ergibt sich
schließlich – mit Blick auf Österreich und
Deutschland – die Frage,„wo stehen wir?“

National- und Naturparks mit
spezifschen Zugängen zu
„Barrierefreiheit“
Im Nationalpark Donau-Auen wird                Orientierung für mobilitätseingeschränkte Gäste im Nationalpark Gesäuse                          (Mareike Garms)

Umweltbildung nach dem Zwei-Sinne-
Prinzip konzipiert, d. h. die Informations-    „Es gibt verschiedene Menschen, manch-                          Brailleschrift bieten gezielt mobilitäts-
aufnahme muss für die Gäste durch              mal sind sie halt zufällig blind“, meint                        eingeschränkten wie auch Menschen mit
mindestens zwei Sinne möglich sein. Mit        die Leiterin des Naturparks Purkersdorf,                        Sehbehinderungen Naturerfahrungen und
relativ einfacher Ausstattung sensibilisiert   und formuliert damit die Aufassung von                          -information. Eine Schlussfolgerung: Mit
die Nationalparkverwaltung somit ein           Behinderungen als etwas Normalem.                               Blick auf die Tafeln mit recht langen, kom-
sehr breites Publikum für den Schutz           Schülerinnen und Schüler aller Altersstu-                       plizierten Texten und Wegbeschreibungen
der an der Donau heimischen Tiere und          fen erhalten im Naturpark Purkersdorf                           in Braille-Schrift erscheint es sinnvoll, sich
Pfanzen, z. B. im Außengelände und un-         die Möglichkeit, mit inklusiven Bildungs-                       stärker nach dem KISS Prinzip – Keep it
terirdischen Donau-Aquarium auf Schloss        angeboten in die Rolle von sehbehinder-                         short and simple – zu richten.
Orth – beide zugänglich mit Rollstuhl.         ten oder gehbehinderten Menschen zu
Ein Highlight: Sehbehinderte Menschen          schlüpfen und neue Naturerfahrungen mit                         Im Nationalpark Gesäuse ist ein Gesamt-
können mittels Ofroad-Führungen die            verschiedenen Sinnen zu machen. Eine                            konzept für Naturerleben, mit spieleri-
Altarme der Donau im Gelände erkunden          zentrale Infrastruktur ist der Lehrpfad                         schen Elementen u. a. für Familien, die
(siehe Beitrag „Wildnis hautnah erleben        „Blind Date“, erst kürzlich überarbeitet                        Grundlage der Besuchereinrichtungen
– Angebote für Menschen mit Sehbehin-          u. a. mit Unterstützung einer Blinden-                          und Infrastruktur. Diese bieten interessant
derung“). Wahrnehmbar ist: hier wird auf       und Sehbehindertenschule. Die barrie-                           aufgebaute Inhalte zum Begreifen (taktil)
gut geschulte, erfahrene Mitarbeiterinnen      refreie Strecke, das sehr einfache aber                         und Erkunden (visuell). Der Aspekt
und Mitarbeiter Wert gelegt.                   wirkungsvolle Leitsystem mittels Holz-                          „Naturerleben von Menschen mit Mobi-
                                               Handlauf sowie 15 Tafeln in Tast- und                           litätseinschränkung“ ist darin integriert.
Wissen teilen - EUROPARC Federation
7 österreich

Ein herausragendes, spezielles Angebot        Barrierefreiheit in Deutschland und                              Leider gibt es noch zu wenige Expertin-
für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer ist      Österreich – Wo stehen wir?                                      nen und Experten auf diesem Gebiet,
der „Barrierefreie Wanderführer“ mit          Barrierefreies Naturerleben steckt in                            v. a. auch mit Wissen über fnanzielle
Beschreibungen von zwölf verschie-            Deutschland wie auch in Österreich noch                          Fördertöpfe. Wer aber bei Planungen von
denen Rollstuhl-geeigneten Touren in          in den Kinderschuhen, ist überall noch                           Anfang an Barrierefreiheit mitdenkt und
Verbindung mit dem Swiss-Trac (siehe          Stückwerk. Dass das Bedienen einer                               lokal schwerbehinderte Menschen mit
Beitrag „Vergleich von Hilfsmitteln für       Minderheit in Wirklichkeit sehr viel mehr                        ihrer Expertise befragt, wie es gemacht
mobilitätseingeschränkte Menschen in          Menschen zu Gute kommt, spricht sich                             werden soll (siehe „Modell-Management-
Schutzgebieten“). Die Nationalpark-           erst sehr langsam herum. In Deutschland                          Plan zum Tema ‚Barrierefreiheit‘“ im
Infostelle Gstatterboden, die architekto-     gibt es ca. 13 Mio. Menschen vom Klein-                          Nationalpark Berchtesgaden und Beitrag
nisch aufwendig und mit einer pffgen          kind bis zum älteren Mitbürger, die alle                         „Entwicklung von barrierefreien Natu-
Geologie-Ausstellung sehr anspruchsvoll       von barrierefreien Angeboten proftieren.                         rerlebnismöglichkeiten: Menschen mit
gestaltet ist, entspricht jedoch nicht mehr   Die Probleme erwachsen aus der Mitte                             Handicap mit einbeziehen!“) – der spart
den heutigen Anforderungen eines barrie-      der Gesellschaft und fast jede Familie                           sich viel Geld und zähe Verhandlungen,
refreien und inklusiven Ausstellungsbaus.     ist deshalb betrofen: Sie hat mal einen                          ob hier eine sinnvolle und nachhaltige In-
Hier – wie generell in Besuchereinrich-       Kinderwagen nötig und ist mit unter-                             vestition getätigt wird. Leitsatz: Im Zuge
tungen von Schutzgebieten – ist es u. a.      schiedlichen Größen, Sprachniveaus und                           der demographischen Entwicklung sollten
von geschultem Personal abhängig, wie         Lernprozessen konfrontiert.                                      wir alle beginnen, intensiver barrierefrei zu
gut der Umgang mit schwerbehinderten                                                                           denken, zu fühlen und zu handeln.
Menschen gelingt und wie umfangreich          Es wird immer noch angenommen,                                   Vollkommene Barrierefreiheit haben wir
Möglichkeiten der Gebäudenutzung              dass ein konsequentes Umsetzen von Bar-                          auch in Österreich noch nicht erreicht.
durch Menschen mit Behinderungen              rierefreiheit nur mit einer aufwendigen,                         Dennoch, dass barrierefreie Angebote
ausgeschöpft werden können.                   detaillierten und daher kostenintensiven                         funktionieren und angenommen werden,
                                              Planung gelingt. In Altbestandsbauten                            konnten einige Best-Practice-Beispiele
Naturpark Kaunergrat – „A guats               kann man auch mit einfachen Hilfsmit-                            in Österreich zeigen. Diese sollte man in
Gspann“ für eine ganze Region                 teln – z. B. mobilen Rampen für Roll-                            größeren Netzwerken und auf allgemeinen
Das enge, aber trotz Hochgebirgslage          stühle oder großen Zimmernummern                                 Reiseplattformen bekannt machen, da
dennoch gut erschlossene Kaunertal mit        an den Türen für ältere Menschen mit                             hier Barrierefreiheit gleichzusetzen ist mit
angrenzendem Kaunergrat hat mit viel          Seheinschränkung – eine Erleichterung                            höherem Komfort und besserer Qualität
Herzblut und dank guter Kontakte und          schafen und schon eine gewisse Hürde                             der Angebote. Der Erfolg kommt mit den
Fördermittel innerhalb kurzer Zeit sehr       der Lebenseinschränkung überwinden.                              Gästen!
viel für gehbehinderte Gäste „auf die Füße
gestellt“. Die ganze Region mit jährlich
400.000 Übernachtungen bietet viele
Freizeitaktivitäten für mobilitätseinge-
schränkte Menschen, darunter Skifahren,
Radfahren oder Wandern. Hier ist in
Sachen Barrierefreiheit spürbar etwas
Gewachsenes und nichts Künstliches
entstanden, mit barrierefreien Highlights
wie dem Hochmoorweg Piller Moor und
mehreren Aussichtsplattformen bis auf
über 3.000 m Höhe. Fazit: Nichts ist
unmöglich, wenn wichtige Akteure 100%
überzeugt sind, der Gemeinderat, Touris-
musverantwortliche, der Naturparkchef
etc., und diese Überzeugung durch ihre
Strahlkraft breite Akzeptanz in der
Region bewirkt.

                                              Die Karlesjochbahn im Naturpark Kaunergrat: selbstverständlich auch für Rollstuhlfahrer nutzbar   (Tobias Wiesen)
Wissen teilen - EUROPARC Federation
8 österreich

Entwicklung von barrierefreien
Naturerlebnismöglichkeiten: Menschen
mit Handicap mit einbeziehen!
(Textgrundlage: Veit Rifer, Freiwilliger des NationalparkZentrums Sächsische Schweiz)

Der nachfolgende Bericht beinhaltet          der Besuchereinrichtungen wie z. B.           Barrierefreiheit genutzt.
meine ganz persönlichen Sichtweisen und      Informationszentren, sondern auch um
Gedanken als Rollstuhlfahrer zum Tema        Erlebnisangebote im Naturraum, also           Im Nationalpark Gesäuse stehen bei
Barrierefreiheit und erhebt daher keinen     dem eigentlichen Herzstück der Gebiete.       Angeboten wie barrierefreier Wanderweg
Anspruch auf Objektivität. Denn gerade       Dass hier Menschen mit Handicap bei           und ausleihbare Rollstuhlzuggeräte beson-
Betrofene mit einem eigenen Handicap         der Entwicklung bzw. Gestaltung (weitge-      ders Menschen mit Mobilitätseinschrän-
haben nicht selten einen anderen Blick-      hend) barrierefreier Erlebnismöglichkeiten    kungen im Fokus. Bei der Konzeption des
winkel zum Tema, als Menschen, die           aktiv mitwirken und einbezogen werden,        barrierefreien Temenwegs „Leierweg“
nicht aus eigener praktischer Anschauung     hat bedeutenden Einfuss auf die Qualität.     holte das damit beauftragte Planungsbüro
damit zu tun haben. Natürlich werden         Ihre Beteiligung verändert die Sensibilität   neben den Verantwortlichen des National-
sich oftmals auch die Ansichten der          des jeweiligen Schutzgebietsmanagements       parks auch die Lebenshilfe Ennstal sowie
Menschen mit körperlichen, Sinnes- und       für das Tema und noch konkreter die           mehrere ihrer mobilitätsbeeinträchtigten
kognitiven Einschränkungen voneinander       Herangehensweise.                             Klienten ins Boot. Ein „Barrierefreier
unterscheiden – abhängig vom eigenen                                                       Wanderführer“ enthält Tourenvorschläge
Selbstverständnis und der wahrgenom-         Im Nationalpark Donau-Auen arbeiten           für Wanderungen im Gesäuse mit dem
menen Stellung in der Gesellschaft.          die Verantwortlichen der Österreichischen     Rollstuhlzuggerät Swiss-Trac. Eine aktive
Meinen Ausführungen liegen folgende          Bundesforste seit einigen Jahren mit der      Rollifahrerin aus der Region war an der
Annahmen zugrunde:                           Organisation „Naturfreunde Internatio-        Entwicklung maßgeblich beteiligt und för-
• Der Mensch mit Handicap gestaltet          nal“ und einer örtlichen Selbsthilfegruppe    derte durch ihre ehrenamtliche Mitarbeit
   aktiv sein Leben und greift dabei, wo     für Blinde und Sehgeschädigte zusammen.       und praxisbezogene Sicht die sehr gute
   notwendig, auf die Unterstützung durch    Bei den Bemühungen für mehr Barriere-         inhaltliche Aufbereitung mit allen wesent-
   Dritte zurück.                            freiheit greift man so wenig wie möglich      lichen Informationen.
• Der Mensch mit Handicap kommuni-           in die natürlichen Gegebenheiten ein,
   ziert deutlich, aber auch mit der gebo-   sondern setzt vielmehr auf die bedarfs-       Im Naturpark Kaunergrat verfügen die
   tenen Freundlichkeit seinen Unterstüt-    orientierte Unterstützung von sehbehin-       Akteure im Gegensatz zu den vorge-
   zungsbedarf gegenüber Dritten.            derten und blinden Gästen in Form einer       nannten Schutzgebieten bereits über
• Der Mensch mit Handicap möchte             persönlichen Begleitung auf Touren durch      langjährige Erfahrungen v. a. im Umgang
   genauso behandelt werden, wie ande-       das Gelände (siehe Bericht „Wildnis haut-     mit mobilitätseingeschränkten Personen.
   re auch – ohne Bevorzugungen, ohne        nah erleben – Angebote für Menschen mit       Keine Frage, sie wurden hier bezüglich der
   Sonderbehandlung, ohne exklusive          Sehbehinderung“).
   Angebote – und nimmt Hilfen allenfalls
   als Ausgleich seiner behinderungsbe-      Der Naturpark Purkersdorf bietet u. a.
   dingten Einschränkungen in Anspruch.      einen auf die Bedürfnisse von blinden und
                                             sehgeschädigten Gästen abgestimmten Er-
Zusammenarbeit österreichischer              lebnispfad (siehe Bericht „Die Servicekette
Parks mit Menschen mit Behinderung           im barrierefreien Tourismus – Praxisbei-
In jedem der besuchten österreichischen      spiele aus Österreich“). Dank Kontakten
Schutzgebiete ist man bemüht, die Natur      zu einer Selbsthilfegruppe der Blinden
auch für Menschen mit Handicap zugäng-       und Sehbehinderten wurde das Wissen
                                                                                           Mit dem Rollstuhl übers Moor: Der Wanderweg Piller Moor
lich zu machen. Dabei geht es nicht nur      der Betrofenen für ganz praxisbezogene        im Naturpark Kaunergrat
um die barrierefreie Gestaltung              Lösungen bei der Realisierung der                                   (Privatarchiv/private archive Veit Rifer)
Wissen teilen - EUROPARC Federation
9 österreich

Barrierefreiheit umfassend beraten, und                        Akteure unterstützen. Diese Leute auf                      Die Einbindung von Menschen mit
zwar ganz in Hinblick auf die Praktika-                        tschechischer und deutscher Seite des                      Handicap fördert Praxistauglichkeit
bilität geeigneter Maßnahmen. Dafür                            Gebirges engagieren sich üblicherweise                     Meines Erachtens trägt es maßgeblich zu
zuständig ist eine im Landkreis fest ange-                     ehrenamtlich und stehen Institutionen (z.                  einer nutzerorientierten Entwicklung von
stellte Rollstuhlfahrerin, deren Stelle teil-                  B. Nationalparkverwaltung), touristischen                  barrierefreier Infrastruktur bei, wenn In-
weise über Projektmittel fnanziert wird.                       Leistungsträgern (z. B. Hotels) aber auch                  teressengruppen bzw. Einzelpersonen mit
Die sehr engagierte junge Frau unterstützt                     Verbänden (z. B. Tourismusverband) bei                     praktischer Lebenserfahrung als behinder-
mit ihrem Wissen die privaten und öfent-                       Bedarf beratend zur Seite. Außerdem wer-                   ter Mensch daran mitwirken. Wie örtliche
lichen Entscheidungsträger während der                         den weitere Vorhaben in diesem Umfeld                      Entscheidungstragende die Wünsche und
Vorbereitung, Planung und Umsetzung                            durch Verbände und Vereine realisiert. Da                  Bedürfnisse von Gästen dieser Zielgruppe
von Vorhaben zur Verbesserung der                              deren Durchführung meist über Förder-                      wahrnehmen, ist oft von der Intensität des
Barrierefreiheit in der Region. Ihre Per-                      mittel fnanziert wird, enden diese Akti-                   persönlichen Austauschs mit den Betrof-
spektive als unmittelbar Betrofene auf die                     vitäten allerdings oft nach dem Auslaufen                  fenen abhängig. Allerdings, das sollte nicht
Gegebenheiten hilft, Fehlentscheidungen                        der Förderung bzw. dem Projektende.                        unerwähnt sein, ist diese Art der Kommu-
zu vermeiden. So konnte sich im Natur-                         Deshalb trägt v. a. der kontinuierliche                    nikation keine Einbahnstraße. Erst wenn
park Kaunergrat, speziell im Kaunertal,                        persönliche Einsatz der Beteiligten aus                    Menschen mit Mobilitäts-, Sinnes- oder
ein gegenüber Gästen mit Handicap                              den Reihen der öfentlichen Verwaltungen                    kognitiven Einschränkungen aktiv an
aufgeschlossenes Klima entwickeln.                             sowie den Interessen- und Geschäftsver-                    der Gestaltung und Verbesserung von
Nirgendwo sonst auf der Reise hatte ich                        bänden neben dem privaten bürgerschaft-                    Barrierefreiheit vor Ort mitwirken, stellt
den Eindruck, als Mensch mit Handicap                          lichen Engagement dazu bei, dass sich                      dies den adressatengenauen Zuschnitt der
einfach so dazu zu gehören.                                    über die Jahre weitreichende informelle                    Projekte sicher. Die Nachhaltigkeit von
                                                               Netzwerke entwickeln und sich weitere                      barrierefrei(er)en Angeboten und Aktivi-
Vergleich mit der Nationalparkregion                           Interessenten anschließen. Nicht zuletzt                   täten, ihre Wahrnehmung und Akzeptanz
Sächsische Schweiz                                             hilft dabei die inzwischen gemeinsam                       steht und fällt mit der Einbindung aller
Ähnlich wie in den besuchten österreichi-                      verfolgte Strategie der kleinen Schritte,                  Beteiligten.
schen Schutzgebieten gibt es in meiner                         welche eben nicht die sofortige Umset-
Heimatregion einige wenige engagierte                          zung von hundertprozentiger
Menschen mit Handicap, die bei der                             Barrierefreiheit fordert, sondern – wesent-
Auswahl und teilweise auch Planung                             lich praxisbezogener – die Möglichkeiten
von Maßnahmen zur Verbesserung der                             der Beteiligten berücksichtigt.
barrierefreien Infrastruktur die lokalen

                                                                                                                          Barrierefreier Wanderführer für den Nationalpark Gesäuse mit
                                                                                                                          zwölf Tourenbeschreibungen, darunter der Leierweg

Stufenlos zum Aussichtspunkt “Adlerblick” im Naturpark Kaunergrat             (Privatarchiv/private archive Veit Rifer)   Titelblatt des Barrierefreien Wanderführers
Wissen teilen - EUROPARC Federation
10 ö s t e r r e i c h

Die Servicekette im barrierefreien Touris-
mus – Praxisbeispiele aus Österreich
(Textgrundlage: Mareike Garms, ehem. Nationalparkverwaltung Schwarzwald)

Menschen mit Einschränkungen haben                                                                   Kritisch anzumerken ist, dass hundert-
ein Recht auf selbst bestimmte und um-                                                               prozentige Barrierefreiheit kommuniziert
fassende Teilhabe und auf Gleichstellung.                                                            wird, obwohl sich das Angebot stark an
Dazu gehört auch, dass eine Reise ohne                                                               mobilitätseingeschränkte Personen richtet
Barrieren geschehen kann. Um einen                                                                   und bspw. nicht an Menschen mit Seh-
barrierefreien Aufenthalt am Urlaubs-                                                                behinderung.
ort zu garantieren, ist die durchgängige
Beachtung der touristischen Servicekette                                                             Das Kettenglied „Orientierung &
erforderlich. Diese setzt sich aus vielen                                                            Mobilität vor Ort“ und Beispiel
Einzelleistungen zusammen, wie An- und                                                               Blindenpfad Naturpark Purkersdorf
Abreise, Transport und Freizeitangebot                                                               Eine ausreichende Zahl barrierefreier
vor Ort. Jede einzelne Dienstleistung                                                                Mobilitätsangebote aller Verkehrsmittel
beeinfusst das gesamte Reiseerlebnis.                                                                und Orientierungshilfen vor Ort, etwa
Eine Schwächung oder ein Ausfallen eines                                                             durch Informationszeichen oder -tafeln
Kettengliedes kann zum Komplettausfall                                                               und Gehwegmarkierungen, sollten heute
oder Abbruch der Reise führen. Zu beach-                                                             zum Ausstattungsstandard erfolgreicher
ten ist, dass unterschiedliche Gästegrup-                                                            touristischer Destinationen gehören.
pen, auch im barrierefreien Tourismus,                                                               Der Naturpark Purkersdorf hat mit dem
verschiedene Ansprüche an die Service-                                                               Projekt „Blind Date“ einen Naturerleb-
kette haben.                                                                                         nispfad mit Sinnesangeboten entwickelt.
                                                                                                     Entlang des einen Kilometer langen We-
Das Kettenglied „Information“                                                                        ges sind 18 neue Tafeln in taktiler Tast-
und Beispiel Hotel Weissseespitze                                                                    (Brailleschrift) und Sehschrift angebracht.
im Naturpark Kaunergrat                                                                              Handläufe, Holzkonstruktionen, Boden-
Im barrierefreien Tourismus spielt die        Die touristische Servicekette   (eigene Darstellung)   schwellen und Erklärungen auf den Tafeln
genaue Planung und somit die Informa-                                                                weisen den Weg. Der Pfad bietet auch den
tionsbeschafung im Vorfeld der Reise          (siehe Beitrag „Informationsmaterialien                Sehenden eine besondere Möglichkeit der
eine zentrale Rolle.                          für Barrierefreiheit am Beispiel des Rolli             Sinneswahrnehmung.
                                              Roadbooks“).
Das als barrierefrei ausgezeichnete
4-Sterne-Hotel Weisseespitze – das „erste     Die Kommunikation barrierefreier An-
Rollihotel der Alpen“ – liegt in Tirol nahe   gebote durch die drei Akteure Naturpark
des Kaunertaler Gletschers. Es gilt als       Kaunergrat, Leistungsträger und Touris-
Vorreiter in der Region, wo Barrierefrei-     musorganisation ist vorbildlich. Hervor-
heit mittlerweile bis zu einer Höhe von       zuheben ist der detaillierte Informations-
3.108 Metern vorzufnden ist. Das Hotel        gehalt der Kommunikationsmittel, bspw.
spricht vor allem mobilitätseingeschränkte    die Darstellung von Übernachtungsbetrie-
Personen an. Diese fnden zusätzlich ein       ben als „absolut rollstuhlfreundlich“ bis
umfassendes Freizeitangebot vor: Mono-        „eingeschränkt rollstuhlfreundlich“ auf der
Ski, Swiss-Tracs, Handbikes und ein Rolli     Homepage des Naturparks und Detail-
Roadbook mit einer Vielzahl von barrie-       informationen zu touristischen Angeboten
refreien Urlaubsangeboten in der Region       im Rolli Roadbook.                                     Mit dem Blindenstock ertastbare und Orientierung gebende
                                                                                                     Bodenschwellen im Naturpark Purkersdorf
                                                                                                                                                (Mareike Garms)
11 ö s t e r r e i c h

                                                              unter Beteiligung betrofener Gruppen.         für Partnerbetriebe. Das touristische
                                                              Weiterhin ist die Wegeführung eindeutig       Konzept, das zusammen mit der Natio-
                                                              und die Stationen sind in Leichter Spra-      nalpark-Region 2017 erarbeitet wurde,
                                                              che erklärt. Leider führt der Hin- und        enthält den Baustein Barrierefreiheit
                                                              Rückweg über dieselbe Wegestrecke. Das        als Querschnittsaufgabe, ebenso das zu
                                                              Konzept verfolgt bewusst keinen inklusi-      erstellende Verkehrskonzept. Das Leitbild
                                                              ven Ansatz. Jedoch wird die Ausrichtung       des Nationalparks „Wir bauen vorhandene
                                                              auf mobilitätseingeschränkte Menschen         Barrieren ab und schafen keine neuen“
                                                              für andere Personen nicht unmittelbar         trift u. a. für den Neubau des Informa-
                                                              ersichtlich. Es ist fraglich, ob der ge-      tionszentrums, die Anlage neuer Pfade
                                                              wünschte Lernefekt auch eintritt.             und die Wegekarte zu. Die Praxisbeispiele
                                                                                                            des Studienaufenthaltes in Österreich be-
                                                              Das Kettenglied „Erinnerung“ und              stätigen für die Arbeit des Nationalparks
                                                              Beispiel Ofroad-Führung                       die Relevanz und Bedeutung der Kommu-
Tasten, riechen und schmecken spielt während der Ofroad-      Nach dem Reiseaufenthalt wird die Reise       nikation nach innen und außen.
Führung im Nationalpark Donau-Auen für Menschen mit
Sehbehinderung eine zentrale Rolle          (Mareike Garms)   in unterschiedlichster Form refektiert
                                                              und festgehalten, z. B. in Fotobüchern,
Positiv anzumerken ist, dass das Konzept                      mündlichen Urlaubsberichten, Reiseblogs
einen eher inklusiven Ansatz verfolgt.                        und Souvenirs. Je nach Erfüllungsgrad der
Der Pfad wurde nicht ausschließlich für                       Reisemotive entsteht ein Zufriedenheits-
sehbehinderte Menschen geschafen und                          niveau, das wiederum die Wahrscheinlich-
bietet Mitmachstationen für alle Gäste.                       keit einer erneuten Reise in das Zielgebiet
Allerdings enthalten die Tafeln zu viele                      erhöht.
Informationen und sind wenig anschau-
lich dargestellt. Weiterhin benötigen ge-                     Im Nationalpark Donau-Auen wird eine
rade sehbehinderte Menschen im Vorfeld                        Führung für sehbehinderte und blinde
genaue Angaben zum Standort sowie zur                         Menschen angeboten (siehe Beitrag
Erreichbarkeit. Eine Bahn-Haltestelle                         „Wildnis hautnah erleben – Angebote für
befndet sich zwar in direkter Nähe, aber                      Menschen mit Sehbehinderung“). Immer
es gibt hier kein Leitsystem zum Pfad.                        wieder werden die Teilnehmenden einge-
                                                              laden, Besonderheiten am Wegesrand zu
Das Kettenglied „Angebot vor Ort“                             begutachten. Ein Gehäuse einer Post-
und Beispiel Temenpfad am                                     hornschnecke ist dabei Tast- und Erinne-
Weidendom, Nationalpark Gesäuse                               rungsobjekt zugleich: „Diese Schnecke hat
Das Angebot während eines Aufenthalts                         mir noch in meiner Sammlung zu Hause
trägt maßgeblich zur Zufriedenheit des                        gefehlt.“
Gastes bei. Das Erlebniszentrum Weiden-                                                                     Brücke über die Enns im Nationalpark Gesäuse mit Durchguck
                                                                                                            im Geländer auf Höhe von Rollstühlen       (Mareike Garms)
dom im Nationalpark Gesäuse bietet u. a.                      Barrierefreier Tourismus im
den barrierefreien Wanderweg „Leierweg“,                      Nationalpark Schwarzwald
der sich gezielt an Rollstuhlfahrer richtet.                  Im Nationalpark Schwarzwald kommt
Zuggeräte für Rollstühle, sog. Swiss-                         dem barrierefreien Naturtourismus, in
Tracs, können hierfür beim Weidendom                          dem alle Leistungsträger eng zusammen
entliehen werden. Entlang der Wegstrecke                      arbeiten müssen, eine Schlüsselrolle zu
wurden zahlreiche Erlebnisstationen, die                      – als Bindeglied, Kooperationspartner
sich speziell an Rollstuhlfahrer ausrichten,                  und direkter touristischer Anbieter von
installiert. Nicht-Mobilitätseingeschränk-                    z. B. geführten Touren in Gebärden-
te sollen diese als bewusst unbequem                          sprache. Aufgabe ist es daher, mit dem
wahrnehmen, um für „Behinderung“                              Tema „Barrierefreiheit“ auf die jeweiligen
sensibilisiert zu werden.                                     Leistungsträger der Nationalparkregion
Positiv hervorzuheben ist die konzep-                         zuzugehen, etwa im Rahmen einer Infor-
tionelle Ausarbeitung des Wanderweges                         mationsveranstaltung oder Weiterbildung
12 ö s t e r r e i c h

Informationsmaterialien für Barriere-
freiheit – Praxisbeispiel Rolli Roadbook
(Textgrundlage: Beatrix Knappertsbusch, Nationalparkamt Kellerwald-Edersee)

Menschen mit Handicap sind für Unter-                         -fahrerinnen erfolgten und somit subjektiv
nehmungen auf ausführliche Informa-                           sind. Es sollte ergänzend empfohlen wer-
tionen stark angewiesen. Das Rolli Road-                      den, eine Begleitperson mitzunehmen.
book1 – während des Studienaufenthalts                        Das Rolli Roadbook unterscheidet
vom Naturpark Kaunergrat vorgestellt –                        zwischen Touren mit Swiss-Trac, d. h.
gibt hinsichtlich Verständlichkeit, An-                       mit Rollstuhlzuggerät, Ausfugsfahrten,
schaulichkeit und Informationsgehalt                          Kulturfahrten, Wanderrouten, Handbike-
gute Anregungen für Infomaterial zum                          Touren und Aussichtspunkten. Diese
Tema Barrierefreiheit im Nationalpark                         Aufteilung ist sehr gelungen, da sie sowohl
Kellerwald-Edersee.                                           verschiedene Altersgruppen als auch                           Titelblatt des Rolli Roadbooks

                                                              sportliche und kulturinteressierte Grup-
Das Rolli Roadbook im Detail                                  pen anspricht. Die Touren werden auf den
Das Rolli Roadbook präsentiert auf 84                         folgenden Seiten exakter beschrieben. Jede
Seiten Ausfugsziele und Wanderwege für                        Tour ist mit einer Karte versehen, die den
mobilitätseingeschränkte Gäste im Grenz-                      Wegverlauf vom Start- bis zum Zielpunkt
gebiet zwischen Italien, Schweiz und                          in unterschiedlichen Farben analog des
Österreich. Es liefert viele, leicht verständ-                Ampelsystems darstellt. Die Icons verwei-
liche Informationen und ist als Print-                        sen auf Park- sowie Einkehrmöglichkeiten
ausgabe im Ringbuchformat sehr hand-                          und beispielsweise behindertengerechte
lich. Das Handbuch kann auf diversen                          Toiletten in unmittelbarer Nähe. Im
Internetseiten heruntergeladen werden.                        Anschluss folgt eine kurze Aufstellung
                                                                                                                            Beschreibung des Piller Moors im Rolli Roadbook
Auf den ersten beiden Seiten wird dessen                      der wichtigsten Fakten – Ausgangspunkt,
Handhabung auf Italienisch und Deutsch                        Endpunkt, Schwierigkeitsgrad, Weg-
beschrieben, nachfolgende Informationen                       beschafenheit, Streckenlänge, Dauer,
sind rein deutsch, was kritisch gesehen                       Adresse – sowie ein ausführlicher Text,
werden kann. Die Einführungsseite                             der weitere Details zur Wegstrecke als
arbeitet sehr anschaulich mit internatio-                     auch Informationen zum Ort, zur Kultur,
nal leicht verständlichen Symbolen. Mit                       zu weiteren Highlights in der Umgebung
Hilfe eines Ampelsystems werden Wege                          u. Ä. beinhaltet.
in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade
eingeteilt: grün bedeutet gleichmäßiger                       Der „Wanderweg Piller Moor“ im
Wegeverlauf mit leichten Steigungen und                       Rolli Roadbook – ein kritischer Blick
rot u. a. ausgeprägte Steigungen oder                         Die Karte zum Wanderweg Piller Moor
ein schwer überwindbares Hindernis.                           enthält in der rechten oberen Ecke als
Außerdem hilft eine Skala von bis zu fünf                     Hinweis das Swiss-Trac-Symbol. Der
Smileys bei der Gesamtbewertung, die                          Swiss-Trac kann im nahegelegenen Na-
von leicht/angenehm bis zu anstrengend/                       turparkhaus ausgeliehen werden. Um mit
schwierig reicht. Auf der Einführungsseite                    diesem zum Ausgangspunkt der Tour zu
werden Icons vorgestellt, die auf nachfol-                    gelangen, muss man entweder den Swiss-
genden Karten z. B. den Standort eines                        Trac im Auto bis zum Parkplatz Eingang
Restaurants anzeigen. Positiv ist der an-                     Piller Moor transportieren oder mit dem                       Übersichtskarte des Piller Moors im Rolli Roadbook
fängliche Hinweis, dass die Einschätzun-                      Swiss-Trac vom Parkplatz des Naturpark-
gen der Wege durch Rollstuhlfahrer und                        hauses zum Piller Moor fahren. Leider

1 Herausgeber: RegioL, Regionalmanagement für den Bezirk Landeck; Download: https://www.kaunergrat.at/uploads/tx_bh/rolli_roadbook.pdf
13 ö s t e r r e i c h

gibt es keinen barrierefreien Wanderweg                    gruppen und Angebote zu erstellen. Vor
oder Bürgersteig auf der Strecke, sodass                   dem Hintergrund, dass der Nationalpark
die Straße genutzt werden muss. Diese                      Kellerwald-Edersee über ein recht breites
ist auch für Motorradtouren sehr beliebt                   Angebot für mobilitätseingeschränkte
und entsprechend stark befahren. Das                       Menschen verfügt, könnte hier ein the-
Rolli Roadbook gibt weder Informationen                    matischer Ansatz für einen neuen Flyer
über die Möglichkeit, den Swiss-Trac im                    liegen bzw. macht es Sinn, schon vorhan-
Naturparkhaus auszuleihen, noch über                       dene Flyer um Informationen zu Barriere-
die Distanz zwischen Naturparkhaus und                     freiheit zu ergänzen. Das Rolli Roadbook                        Klassifzierung von Wegen im Rolli Roadbook
dem Eingang zum Piller Moor oder die                       bietet dafür gute Hilfestellungen.
recht gefährliche Anfahrt mit dem Swiss-
Trac zum Ausgangspunkt.                                    Einen Routenfyer mit Barrierefrei-
                                                           Informationen ergänzen
Ferner möchte ich auf die Angaben zur                      Konkrete Verbesserungsmöglichkeiten
Wegbeschafenheit eingehen. Bei den We-                     gibt es für den Routenfyer „Quernstweg
gen handelt es sich entweder um Schot-                     und Dreiherrenstein-Route“2. Dieser Flyer
terwege oder Holzstege. Diese sind mit                     beschreibt zwei Wanderrouten, die mit
                                                                                                                           Übersichtskarte von der Quernst im Nationalpark Kellerwald-
Rollstuhl und Swiss-Trac gut befahrbar.                    Hilfe von Nummernstationen und Karten                           Edersee (aus Flyer „Quernstweg und Dreiherrenstein-Route“)
Bei unserem Besuch allerdings verhakte                     Wissen rund um die geschichtlichen
sich ein Rad unseres rollstuhlfahrenden                    Spuren im Nationalpark liefern. Der Flyer                       des Untergrundes und Dauer für die
Gruppenteilnehmers zwischen den einzel-                    enthält Angaben zur Streckenlänge in km                         Bewältigung der Teilstrecke mit einem
nen Holzpanelen. Da er sehr sportlich ist,                 und Streckenhöhenprofle für die Rund-                           Rollstuhl sollten ergänzt werden. Weiter-
konnte er sich alleine befreien. Ein weniger               wege. Auf der Übersichtskarte sind die                          hin befndet sich auf Höhe der Kapelle
geübter Rollifahrer hätte auf Hilfe warten                 Streckenabschnitte, die für Menschen mit                        eine Trocken-Kompost-Toilette, die
müssen.                                                    Mobilitätseinschränkungen geeignet sind,                        auch behindertengerecht ausgestattet ist.
                                                           durch entsprechende Symbole gekenn-                             Leider fndet sich derzeit in diesem Flyer
Informationen zu Barrierefreiheit im                       zeichnet.                                                       nur das „WC“-Symbol. Hier bestünde
Nationalpark Kellerwald-Edersee                                                                                            die Möglichkeit, noch ein Rolli-Symbol
Im Nationalpark Kellerwald-Edersee gibt                    Bei einer Neuaufage sollte daran gedacht                        einzufügen. Parkplätze für Menschen mit
es noch kein spezifsches Printmaterial, z.                 werden, auch eine Route für Rollstuhlfah-                       Behinderungen sind am Nationalparkein-
B. einen Flyer oder eine Broschüre zum                     rer zu kennzeichnen, die bis zur Quernst-                       gang KellerwaldUhr bereits vorhanden,
Tema Barrierefreiheit. Barrierefreie                       kapelle führt. Diese Strecke ist für einen                      leider aber nicht auf der Übersichtskarte
Angebote, wie Wanderungen mit Rolli                        geübten Rollstuhlfahrer bzw. eine geübte                        für die Wanderwege bzw. die Anreise
und Kinderwagen oder Führungen in                          Rollstuhlfahrerin auch alleine zu bewälti-                      explizit gekennzeichnet. Auch hier würde
deutscher Gebärdensprache, werden aber                     gen. Weitere Hinweise zur Beschafenheit                         das Rolli-Symbol Abhilfe schafen. Die
im jährlichen Veranstaltungskalender,                                                                                      relevanten Informationen sollten in einem
durch Pressemitteilungen und auf der                                                                                       Text für die Zielgruppe ansprechend
Nationalpark-Homepage beworben. Im                                                                                         beschrieben werden. Schließlich macht es
Veranstaltungskalender sind sie seit 2018                                                                                  Sinn, auf dem Deckblatt noch ein Rolli-
durch Symbole (Rollifahrer, Symbol für                                                                                     Symbol zu ergänzen, um die Aufmerk-
sehbehinderte und blinde Menschen) ge-                                                                                     samkeit der Zielgruppe zu wecken.
kennzeichnet, eine Extraseite weist zudem
auf die barrierefreien Angebote hin und                                                                                    Die Verbesserungen sollten bei einer
gibt Tipps zum Wandern auf eigene Faust                                                                                    Neuaufage eingearbeitet werden. Vorteile
und zu den Informationseinrichtungen.                                                                                      dieses Vorgehens liegen in Kostengründen
Da jede Gruppe von Menschen mit Beein-                                                                                     und in der Tatsache, dass die Flyer in der
trächtigungen besondere Anforderungen                                                                                      Region etabliert sind und durch ergän-
an Printmedien stellt, z. B. Blindenschrift                                                                                zende Mundpropaganda einen großen
oder Leichte Sprache, wird es nicht                                                                                        Wirkungskreis erreichen.
möglich sein, einen Flyer für alle Ziel-                   Die rollstuhlgeeignete Trockenkompost-Toilette an der
                                                           Quernstkapelle             (National Park Kellerwald-Edersee)

2 https://www.nationalpark-kellerwald-edersee.de/de/service/downloads/kartenundwandern/downloads/00034_1328_Flyer_Quernst_de_Aufage_8.pdf
14 ö s t e r r e i c h

Vergleich von Hilfsmitteln für
mobilitätseingeschränkte Menschen
in Schutzgebieten
(Textgrundlage: Tobias Wiesen, Nationalparkverwaltung Eifel)

Die Erlebbarkeit der Naturschätze allen      beliebigen Rollstuhl angekoppelt werden                         lange Umbauarbeiten zu vermeiden,
Menschen – ob mit oder ohne Behinde-         kann, vorhandenes Kupplungsstück vor-                           wird oftmals zum eigentlichen Zuggerät
rung – ermöglichen: Dieses Ziel erfordert    ausgesetzt. Die Handhabung des Gerätes                          gleichzeitig ein Rollstuhl mit Kupplung
u. a. Hilfsmittel für mobilitätseinge-       bedarf nur einer kurzen Eingewöhnung                            mitgeordert. Hierdurch können Gäste,
schränkte Menschen. Erfahrungen aus          und konnte beim Selbsttest schnell                              die den Swiss-Trac kurzfristig für eine
Nationalparks in Österreich und Deutsch-     erlernt werden. Während der Testfahrt                           Tour ausleihen möchten, sofort starten.
land zeigen zu beachtende Aspekte auf.       wurden verschieden große Steigungen                             Es ist dann jedoch notwendig, den eigenen
                                             überwunden, wobei keine nennenswerten                           Rollstuhl zu verlassen und sich in den
Der Swiss-Trac – im Einsatz im               Einschränkungen auftraten. Die Fahrt                            angebotenen Rollstuhl umzusetzen. Die
Nationalpark Gesäuse                         verlief dabei allerdings hauptsächlich über                     Kosten in der Anschafung steigen durch
Während des Studienaufenthaltes in           Asphalt oder einen gut befahrbaren Wald-                        den zusätzlichen Rollstuhl an, wodurch
Österreich konnten die Teilnehmenden         weg. Laut Hersteller kann der Swiss-Trac                        sich ein Endpreis von mehreren Tausend
mit der Nutzung des Swiss-Tracs im           Steigungen von bis zu 20 % bewältigen.                          Euro ergibt.
Nationalpark Gesäuse das Hilfsmittel         Positiv zeigte sich die Auswahl von zwei
eines namhaften Herstellers kennenlernen     verschieden schnellen Gängen. Allerdings                        Zoom Uphill – im Einsatz im
und testen. Die Nationalpark-Homepage                                                                        Nationalpark Eifel
informiert darüber, dass die Geräte zum                                                                      Im Nationalpark Eifel werden seit 2016
Verleih stehen und gerne bei den drei                                                                        geländegängige Rollstühle mit dem Na-
Besucherzentren (Infobüro Admont,                                                                            men „Zoom Uphill“ eingesetzt. Sie sind als
Erlebniszentrum Weidendom, Natio-                                                                            elektronisch betriebene Krankenrollstühle
nalpark Pavillon Gstatterboden) sowie                                                                        zugelassen und dürfen somit auch ohne
dem Temenweg „Lettmair Au“ und dem                                                                           rechtliche Probleme in Wäldern fahren.
barrierefreien Wanderweg „Leierweg“
genutzt werden können. Die Ausleihge-
bühr beträgt 25 € pro Person und Tag. Für
die Angebote im Nationalpark Gesäu-
se das Produkt der Firma Swiss-Trac
auszuwählen, scheint sinnvoll zu sein,
da die Geräte für die gerade genannten
barrierefreien Angebote eine sehr gute
technische Ergänzung bieten. Die geringe     Der Swiss-Trac, ein Zuggerät für Rollstühle   (Tobias Wiesen)
Größe des Zuggerätes ermöglicht zudem
einen problemlosen Transport zwischen        muss zum permanenten Fahren ein Hebel
den unterschiedlichen barrierefreien         ständig gedrückt werden, was für Ungeüb-
Angeboten im Nationalpark. Da es bisher      te mit der Zeit recht anstrengend wird.
allerdings lediglich zwei Leihgeräte gibt,   Bei der Anschafung des Swiss-Trac
ist die Nutzung durch größere Gruppen        für Institutionen, wie beispielsweise die
vorerst nicht möglich.                       Nationalen Naturlandschaften, ist ein
                                             Aspekt besonders zu beachteten: Beim
Der Swiss-Trac ist ein Rollstuhlzuggerät,    Ankoppeln an einen Rollstuhl muss ein
das in wenigen Augenblicken an einen         Kupplungsstück vorhanden sein. Um
                                                                                                             Das vierradangetriebene ”Zoom Uphill”   (Zoomability)
15 ö s t e r r e i c h

Die Bedienung ist für Ungeübte anfangs        ist dazu bereit bzw. in der Lage. Zudem         von den begleitenden Personen abhängt.
gewöhnungsbedürftig, es stellt sich jedoch    sind die Leihgebühren, v. a. im Vergleich       In einem Klassenverband kann durch die
bald Routine ein. Die Geräte bewältigen       zum Swiss-Trac, eher hoch. Für eine             Joëlette bspw. der Zusammenhalt gestärkt
ebenfalls Steigungen von bis zu 55%, der      zweistündige Tour verlangt der Anbieter         werden, da Schülerinnen und Schüler
befahrene Untergrund kann dabei fast          89 €. Allerdings fnden die Touren in            ebenfalls als Begleitperson eingesetzt wer-
vernachlässigt werden. Von Matsch bis zu      Begleitung eines zertifzierten National-        den können. In schwierigerem Gelände
sehr grobem Schotter werden alle Ober-        park-Waldführers statt und sind somit mit       sollten allerdings Erwachsene die Joëlette
fächen bewältigt.                             zahlreichen Informationen zur Strecke           bedienen.
                                              und der Region verbunden. Die Anschaf-
Der Verleih der Geräte erfolgt über einen     fungskosten sind im Vergleich zu den zwei       Die Notwendigkeit von gleich zwei
externen Anbieter. Dieser bietet als zerti-   anderen beschriebenen Produkten mit             Begleitpersonen stellt den aus Autoren-
fzierter Nationalpark-Waldführer Touren       rund 16.000 € am höchsten. Der Anbieter         sicht größten Nachteil, vor allem bei der
u. a. mit dem Zoom Uphill an. Grund-          im Nationalpark Eifel ist gleichzeitig der      Betreuung von Gruppen, für einen Einsatz
sätzlich können die Geräte ausschließlich     Generalimporteur für Deutschland und            im Nationalpark (Eifel) dar. Oftmals sind
nur im Rahmen einer geführten Tour            Luxemburg.                                      nur wenige Begleitpersonen anwesend,
ausgeliehen werden. Die Nationalpark-                                                         bzw. die Betreuung erfolgt durch Ranger.
verwaltung nimmt das Angebot mit in           Joëlette – eine umweltfreundliche,              In diesem Fall müssten diese gleichzeitig
das eigene Marketing auf und bewirbt die      aber personalintensive Alternative              die Joëlette bedienen sowie das eigentliche
geführten Touren z. B. in Flyern, auf der     Die Joëlette ist ein einrädiger Rollstuhl,      Programm durchführen. Dies ist personell
Homepage oder auf Messen. Vor allem           der im Gelände eingesetzt werden kann,          nicht leistbar. Für eine Familie, die eine
in den Bereichen Besucherlenkung und          um auch Menschen mit Behinderungen              Wanderung machen möchte, kann die
-information ergeben sich für den Natio-      die Möglichkeit zum Naturerleben zu             Joëlette aber durchaus Sinn machen und
nalpark Vorteile. Hier können die Guides      bieten. Sie ist als nicht motorisierter Roll-   einem Angehörigen mit Behinderung die
der geführten Touren als Multiplikatoren      stuhl sicherlich der umweltfreundlichste.       Teilnahme auch an schwierigeren Wande-
für ihn fungieren. Alle Seiten proftieren     Für die Nutzung sind zwei Begleitperso-         rungen ermöglichen.
so voneinander, wodurch die Zusammen-         nen erforderlich: Die vordere Person küm-
arbeit als sehr gutes Beispiel dienen kann.   mert sich um das Ziehen und Lenken,
Um mögliche Konfikte mit anderen Be-          während die hintere für das Gleichgewicht
suchergruppen zu vermeiden, wurde vorab       zuständig ist. Die persönliche Erfahrung
eine Vereinbarung zwischen der National-      des Autors (alle drei „Positionen“ getes-
parkverwaltung Eifel sowie dem Anbieter       tet) ist gemischt. Um mit Menschen mit
der Touren abgeschlossen. Diese regelt        Behinderung ins Gelände zu gelangen,
u. a. die erlaubte Maximalgeschwindigkeit     bietet die Joëlette gute Möglichkeiten.
von ansonsten möglichen 20 km/h auf           Auch Steigungen über 20 % können über-
6 km/h, die Betreuung der Gruppen             wunden werden, wobei der Einsatz und
durch zertifzierte Nationalpark-Waldfüh-      damit die „Grenzen des Erlebens“ immer
rer oder die Freigabe zu befahrener Wege.
Eine Karte mit allen im Nationalpark
liegenden Wanderwegen ist der Verein-
barung angehängt. Hierin sind die für
die Geräte freigegebenen Wege deutlich
markiert. Durch die Auswahl bestimm-
ter Wege kann der Charakter kleinerer,
für Wanderer reizvoller Wege erhalten
bleiben, da diese nicht mit den Geräten
befahren werden.

Als Nachteil zeigt sich die Notwendigkeit,
vom eigenen Rollstuhl auf das Zoom
Uphill umzusteigen. Nicht jeder oder jede
                                              Die Joëlette mit Begleitpersonen                        (Pilar Elloriaga, Wheel the World, Joëlette and Co)
Sie können auch lesen