IBERO-ANALYSEN - Ibero-Amerikanisches Institut
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IBERO-ANALYSEN
Dokumente, Berichte und Analysen
aus dem Ibero-Amerikanischen Institut
Preußischer Kulturbesitz
Berlin
Heft 2 Dezember 1999
Panama und die Übergabe der Kanalzone
Große Herausforderungen für ein kleines Land
Raúl Leis
Prof. Dr. Raúl Leis, panamaischer Soziologe, Politologe und Schriftsteller; Präsident des Centro de
Estudios y Acción Social Panameño (CEASPA) und Universitätsprofessor.Ibero-Amerikanisches Institut · Stiftung Preußischer Kulturbesitz Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) ist ein disziplinenübergreifend konzipiertes Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit sowie des akademischen und kulturellen Austauschs mit Lateinamerika, Spanien und Portugal. Es beherbergt die größte europäische Spezialbibliothek für den ibero-amerikanischen Kulturraum, zugleich die drittgrößte auf diesen Bereich spezialisierte Bibliothek weltweit. Gleichzeitig erfüllt das IAI eine Funktion als Stätte der außeruniversitären wissenschaftlichen Forschung sowie als Forum des Dialogs zwischen Deutschland, Europa und Ibero- Amerika. Die IBERO-ANALYSEN richten sich in erster Linie an Entscheidungsträger aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Sie greifen themenorientierte und länderbezogene Fragestellungen auf und liefern aktualitätsbezogene, aber über den tagespoliti- schen Horizont hinausreichende Informationen zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der Länder Ibero-Amerikas. Ausgewiesene Fachwissenschaftler bieten in den IBERO-ANALYSEN Orientierungswissen in allgemeinverständlicher Form, das den interkulturellen Dialog zwischen Deutschland und dem ibero- amerikanischen Kulturraum anregen und unterstützen soll. Das Ibero-Amerikanische Institut bemüht sich, in seinen Publikationen vielfältige Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Diese stellen jedoch grundsätzlich die Auffassung des/der jeweiligen Autors/Autorin und nicht unbedingt die des IAI dar. Die IBERO-ANALYSEN sind für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Nachdruck nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des IAI und mit voll- ständiger Quellenangabe. Die IBERO-ANALYSEN können auch über die Home- page des IAI im PDF-Format heruntergeladen werden. Redaktion Dr. Peter Birle Ibero-Amerikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz Referat Forschung und Projekte Potsdamer Straße 37 10785 Berlin Telefon: 030 – 2662515 Telefax: 030 – 2662503 e-mail: birle@iai.spk-berlin.de http://www.iai.spk-berlin.de 1. Auflage 1999 © Ibero-Amerikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin ISBN 3-9803291-5-1
Panama und die Übergabe der Kanalzone
Große Herausforderung für ein kleines Land
Raúl Leis
Für Panama, ein kleines Land, das geographisch zu Mittel-
amerika gehört, historisch zu Südamerika und seinem Wesen
nach zur Karibik, war dieses Jahrhundert geprägt vom Bau
des Panamakanals, an dessen Trasse entlang zu Beginn die-
ses Jahrhunderts eine koloniale, wirtschaftliche und militäri-
sche Enklave - die sogenannte Kanalzone - errichtet wurde.
Am 31. Dezember 1999 wird dieser Zustand mit der Überga-
be des Kanals an Panama beendet. Panama erhält nicht nur
die volle Kontrolle über sein gesamtes Staatsgebiet sowie
über die in der Kanalzone gelegenen Gebäude, Einrichtungen
und Maschinen, sondern es wird mit dem Abzug des US-
Militärs auch entmilitarisiert, da es über keine eigenen
Streitkräfte verfügt. Die Übergabe des Kanals stellt das klei-
ne Land vor gewaltige Herausforderungen: der Schutz der
Umwelt und der Wasserressourcen, Alternativen für eine zu-
künftige Kapazitätsausweitung des Kanals, die Gefahr einer
Verlängerung der US-Militärpräsenz über das Jahr 2000 hin-
aus, die Umweltverseuchung durch Sprengkörper und Che-
miewaffen, die Neutralität eines nicht bewaffneten Landes
und nicht zuletzt die nationale Aufgabe, die Geschicke des
Landes in Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und zu
bestimmen.
I. Ein Isthmus zwischen Yin kunft, und er ist für die Entwick-
und Yang lung des Landes und der Gesell-
schaft von außerordentlicher
In der fernöstlichen Philosophie
Bedeutung.
sind das Yin und das Yang Sym-
Bei ihren Kartierungen des Für Panama ist der
bole für zwei gegensätzliche, Kanal jeden Tag
sich ergänzende Prinzipien, de- Isthmus legten die Spanier be- von neuem ein
ren unaufhörliche Metamorpho- sonderen Wert darauf, seine Sinnbild für das Yin
und das Yang sei-
se ein Ausdruck für die lebendi- Länge zu bestimmen, denn die
ner nationalen
ge Textur des Universums ist. Entdeckungsreisenden suchten Realität.
Sie sind ein Gegensatzpaar wie nicht nur nach Gold und Edel-
der Tag und die Nacht, das Posi- steinen, sondern auch nach ei-
tive und das Negative, das Volle ner Durchfahrtsmöglichkeit für
und das Leere, das Männliche ihre Schiffe, den sie jedoch nicht
und das Weibliche, das Ja und fanden. Während ihrer Aufent-
das Nein. Für Panama ist der halte gründen sie die ersten
Kanal jeden Tag von neuem ein Siedlungen und Städte.
Sinnbild für das Yin und das Die Gründung von Panama-
Yang seiner nationalen Realität. Stadt am Pazifik ist nicht darauf
Er ist tief in die Geschichte des zurückzuführen, dass sich der
Landes eingegraben, in seine Boden dort besonders für A-
Gegenwart und in seine Zu- ckerbau oder Viehzucht eignete
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 1oder das Klima besonders güns- I.1 Von der Ersten Welt zur
tig war oder etwa darauf, dass Dritten Welt. Die Über-
es dort Bodenschätze gab. Die gabe der Kanalgüter
und der Verantwortung
Gründe waren ganz anderer Art:
Den Spaniern diente das Land Am 7. September 1977 unter-
als Zwischenstation, als Brücke zeichneten die USA und Panama
für den Transport des fremden die Torrijos-Carter-Verträge, die
Reichtums. Mit der Entdeckung die Übergabe des Kanals und
des Pazifiks wird die Funktion der Kanalzone an Panama zum
Panamas als Transitland zwi- 31.12.1999 festlegten. Zum En-
schen Europa und dem neu ent- de dieses Jahrhunderts erhält
deckten Kontinent für das iberi- Panama damit ein Gebiet von
sche Kolonialsystem institutio- 34.000 Hektar mit 4.829 Ge-
nalisiert: Die Hafenstadt Porto- bäuden, mit Straßen, Häfen,
Mit der Eröffnung
des Panamakanals belo, „schöner Hafen“ - der ita- Flughäfen, Grünanlagen und
im Jahre 1914 lienische Name stammt von Ko- Siedlungen. Der Wert des ge-
wurde die Rolle
Panamas als Tran- lumbus - wird zum Ausgangs- samten Gebietes beläuft sich
sitland endgültig punkt der Überlandtransporte auf mehrere Milliarden Dollar,
besiegelt.
vom Atlantik zum Pazifik. Das wobei der größte Teil der Kanal-
also waren die Gründe dafür, zone, der Anlagen und Gebäude
dass das Land zu einem Transit- bereits übergeben worden ist.
land wurde und seine Städte Panama sieht sich nun der Her-
Portobelo und Panama zu ausforderung gegenüber, Stra-
Umladeplätzen. tegien zu entwickeln, die es er-
möglichen, die aus der Überga-
Mit der Inbetriebnahme der ers-
be resultierenden Chancen voll
ten Eisenbahnlinie im Jahre
und ganz zu nutzen und die ü-
1855 von der Atlantikküste zur
bergebenen Güter so einzuset-
Pazifikküste, wurde Panama zur
zen, dass sie der Gesamtent-
wichtigsten Verbindung zwi-
wicklung des Landes zugute
schen der Ost- und der West-
kommen.
küste der Vereinigten Staaten,
da es auf dem nordamerikani- Das bedeutet, dass ein kleines
schen Territorium zu jener Zeit Land mit 2,8 Millionen Einwoh-
noch keine transkontinentale nern nun Ressourcen besitzt,
Verkehrsverbindung gab. Der die, wenn sie gut investiert und
Bau dieser Eisenbahn, bei dem verwaltet werden, die gesamte
Arbeiter aus zahlreichen Län- Entwicklung des Landes und der
dern mitwirkten, forderte viele Gesellschaft vorantreiben wer-
Menschenleben. Es heißt, dass den. Gewaltige Herausforderun-
unter jeder Schwelle der Gleise, gen kommen auf Panama zu:
die sich durch den Urwald bohr- die Umwandlung von Todeszo-
ten, ein toter Arbeiter liege. Mit nen in Lebensräume, von kon-
der Eröffnung des Panamaka- taminierten Truppenübungsplät-
nals im Jahre 1914 wurde die zen in ökologisch gesunde Ge-
Rolle Panamas als Transitland biete, von Kasernen in Bildungs-
endgültig besiegelt. zentren, von leer stehenden
Gebäudekomplexen in florieren-
de Ferienanlagen. Darüber hin-
aus müssen Maßnahmen zum
2 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der KanalzoneSchutz der Wasserressourcen im von Panama 422 Bomben, dar- Letzten Endes wird
Einzugsgebiet des Kanals ge- unter viele von immenser Zer- also die Übergabe
des Kanals an Pa-
troffen und Strategien für eine störungskraft. Alle zwei Minuten nama zum Prüf-
effiziente Verwaltung des Kanals eine Bombe. stein dafür wer-
entwickelt werden. Fast gilt das den, ob das Land
Zwischen 1977 und 1989 durch- fähig ist, als eine
biblische Wort von den „Schwer- lief das Land eine schwierige souveräne, selbst-
tern zu Pflugscharen“. Güter der Phase, die durch eine Militärdik- bestimmte Nation
Ersten Welt werden einem klei- zu handeln und
tatur, eine Wirtschaftsblockade, seine Zukunft
nen Land der Dritten Welt über- eine US-Invasion und dem mit- selbst in die Hand
geben, das sich nun seinerseits telamerikanischen Konflikt ge- zu nehmen.
vor die Aufgabe gestellt sieht, kennzeichnet war. Die Folge wa-
die Konversion der Militärbasen ren schwere wirtschaftliche, so-
und der angrenzenden Gebiete ziale und politische Krisen, die
zu betreiben, um sie zum Wohle dem nationalen Selbstbewusst-
der gesamten Bevölkerung für sein nicht gerade zuträglich wa-
zivile, soziale und wirtschaftliche ren. Daher überrascht es nicht,
Zwecke nutzen zu können. dass heute ein Teil der Bevölke-
Fast zeitgleich mit dem Bau des rung der Meinung ist, Panama
Kanals begann der Kampf um sei nicht fähig, den Kanal und
die nationale Souveränität. Ge- sein Erbe allein zu verwalten.
nerationen von Panamaern Man darf jedoch hierbei nicht
opferten ihr Leben, ihre Talente vergessen, dass bereits 96%
und ihre Träume, um für das der Kanalangestellten Panamaer
Recht der kleinen Nation auf sind und der Posten des Verwal-
Freiheit und Souveränität zu ters der Kanalbehörde seit 1990
kämpfen. Es war kein leichter ebenfalls mit einem Panamaer
Weg. Das Land musste an die besetzt ist. Außerdem werden
zwanzig US-Invasionen erleiden, bereits verschiedene Projekte
die erste Mitte des vergangenen zur Konversion der übergebenen
Jahrhunderts und die letzte vor militärischen und zivilen Gebiete
fast genau 10 Jahren, als am erfolgreich vorangetrieben.
20. Dezember 1989 um 12 Uhr, Letzten Endes wird also die Ü-
46 Minuten und 40,3 Sekunden bergabe des Kanals an Panama
die erste Bombe auf Panama- zum Prüfstein dafür werden, ob
Stadt fiel. Die Bombenabwürfe das Land fähig ist, als eine sou-
wurden von der seismographi- veräne, selbstbestimmte Nation
schen Nadel des Instituts für zu handeln und seine Zukunft
Geowissenschaften der Universi- selbst in die Hand zu nehmen.
tät Panama mit äußerster Präzi-
I.2 Wasser für die Men-
sion und auf die Sekunde genau
schen und für den Kanal
aufgezeichnet: In den darauf
Der Anthropologe und Soziologe
folgenden vier Minuten wurden
Dr. Stanley Heckadon Moreno
67 weitere Bombenabwürfe re-
hält ein Glas klares Wasser in
gistriert. Das äußerst empfindli-
der Hand. Er betrachtet es, lä-
che Instrument zeichnete die
chelt, und während er anstößt,
Explosionen 13 Stunden lang
erklärt er mit ernster Miene:
auf, bis es funktionsunfähig war.
„Wenn wir nichts unternehmen,
Insgesamt fielen im Stadtgebiet
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 3werden wir in etwa fünf Jahren zeugt wird, wird für den Betrieb
dieses Wasser, das von unseren der Wasserstraße verwendet
Gesundheitsingenieuren als der und weniger als 2% für die
Champagner Panamas bezeich- Trinkwassererzeugung.
net wird, nicht mehr trinken Laut Heckadon ist „die Wasser-
Die Zunahme des
können.“ Stanley hatte im Ka- qualität eine große Herausforde-
Schiffverkehrs
durch den Kanal nalmuseum einen Vortrag über rung, denn sowohl der Chagres
und die steigende die Auswirkungen des starken
Bevölkerungszahl
- der Fluss, der das meiste Was-
in Panama-Stadt Bevölkerungswachstums im Ka- ser für den Kanal liefert - als
treiben die Nach- nalbecken auf die Wasserres- auch seine Nebenflüsse sind ei-
frage nach Wasser sourcen gehalten. Sein Vortrag
steil nach oben, ner zunehmenden Verschmut-
und es ist zu be- war der Höhepunkt der Tagung zung ausgesetzt. So gibt es be-
fürchten, dass die anlässlich des Weltbevölke- reits Flüsse, in denen die Be-
derzeitige Kapazi-
rungstages. wohner nicht mehr baden kön-
tät bald nicht mehr
ausreichen wird. Heckadon weist eindringlich nen, ohne eine Hauterkrankung
darauf hin, dass die gute Quali- davonzutragen.“
tät des Wassers, das die Pana- Die wichtigsten Gründe für die
maer für einen Centavo pro 13 schlechte Wasserqualität sind:
Gallonen kaufen können, auf die
+ Die nicht genehmigten Müll-
bewaldeten Naturschutzgebiete
deponien, die überall entste-
zurückzuführen sei, die mit ei-
hen, da es weder ein geeigne-
ner Gesamtfläche von 158.000
tes System für die Abfuhr
ha fast 50% des Kanalbeckens
noch für das Recycling von
ausmachen. Durch die Schaf-
Müll gibt.
fung der Nationalparks - Sobe-
+ Die Verschmutzung durch In-
ranía, Natural Metropolitano,
dustrieabwässer und ver-
Lago Gatún, Chagres und Cami-
seuchte Wassertanks in den
no de Cruces - gelang es, die
Elendsvierteln. Das Schmutz-
landwirtschaftliche Nutzung im
wasser geht ohne Aufberei-
Einflussgebiet des Kanals stär-
tung in die Bäche, Flüsse und
ker zu regulieren und einen
Seen.
ökologischer Korridor entlang
des Kanals einzurichten. Dies + Der immense Bevölkerungs-
führte zu einer starken Verrin- anstieg: Zwischen 1950 und
gerung der Erosionsrate und der 1998 (Bau der Schnellstraße
Sedimentation in den Flüssen Panama-Colón) wuchs die Be-
und Seen. völkerungszahl in diesem Ge-
biet von 20.000 auf 142.000,
Dessen ungeachtet gibt es gro-
was wiederum eine Zunahme
ße Probleme. Die Zunahme des
der Wasserverschmutzung zur
Schiffverkehrs durch den Kanal
Folge hatte, da keine wirksa-
und die steigende Bevölke-
men Schutzmaßnahmen ge-
rungszahl in Panama-Stadt trei-
troffen wurden. So über-
ben die Nachfrage nach Wasser
schreitet z. B. die Verschmut-
steil nach oben, und es ist zu
zung der Flüsse Chilibre, Chi-
befürchten, dass die derzeitige
librillo und Gatún durch Fäka-
Kapazität bald nicht mehr aus-
lien die erlaubten Werte um
reichen wird. 95% des Süßwas-
das Fünffache.
sers, das im Kanalbecken er-
4 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der KanalzoneHeckadon nimmt einen Schluck II. Der Kanal in den Händen
Wasser, testet seinen Ge- Panamas Jährlich passieren
ca. 13.500 Schiffe
schmack, schnalzt zufrieden mit Gegenwärtig liegt die Kapazi- den Kanal, die 198
der Zunge und schlägt folgende tätsgrenze des Kanals bei Mio. Bruttoregis-
Lösung vor: tertonnen beför-
durchschnittlich 36 Schiffen pro
dern, was etwa 4%
+ Kurzfristig: Ausarbeitung ei- Tag mit durchschnittlich 45.000 des Welthandels
nes Programms zur Verminde- BRT pro Schiff. Jährlich passie- entspricht. Zur Zeit
müssen jedoch je-
rung der Umweltbelastung un- ren also ca. 13.500 Schiffe den den Tag ca. 40
ter gemeinsamer Beteiligung Kanal, die 198 Mio. Bruttoregis- Schiffe 12 bis 24
von Unternehmen und Kom- tertonnen befördern, was etwa Stunden warten,
ehe sie den Was-
munen, um die zunehmende 4% des Welthandels entspricht. serweg durchfah-
Verschmutzung der Gewässer Zur Zeit müssen jedoch jeden ren können.
zunächst aufzuhalten und da- Tag ca. 40 Schiffe 12 bis 24
nach zu reduzieren. Stunden warten, ehe sie den
+ Langfristig: Aufstellung von Wasserweg durchfahren kön-
verbindlichen Normen hin- nen. Für die internationalen
sichtlich der Besiedlungs- Reedereien ist ein Schiff aber
dichte und der Wasserquali- erst dann rentabel, wenn es 24
tät; Einrichtung einer Kon- Stunden voll ausgelastet ist. In
trollbehörde, die geeignete den nächsten 50 Jahren wird
und zuverlässige Daten über der Schiffsverkehr durch den
die Besiedlungsdichte und die Kanal auf das Vierfache anstei-
Wasserressourcen im Kanal- gen.
becken liefert. II.1 Alternativen zum Kanal
Alle sind also angesprochen. Die 1985 legte ein Komitee dem Ja-
Unternehmen und Kommunen pan, Panama und die USA an-
müssen für dieses Problem sen- gehörten1 in einem Abschluss-
sibilisiert werden und die Regie- bericht Alternativen zum Pana-
rung muss auf allen Ebenen makanal vor: Neubau eines
wirksame Maßnahmen zur Ver- schleusenlosen Kanals auf Mee-
besserung der Trinkwasserquali- reshöhe, Expansion des derzei-
tät und zum Schutz des ökologi- tigen Kanals mit einem weiteren
schen Systems ergreifen. Schleusensystem oder Betrieb
Das Wasserglas, das der An- mit den bisherigen Anlagen.
thropologe Stanley Heckadon Im September 1993 wurde die
Moreno in der Hand hält, lässt Empfehlung ausgesprochen, ei-
sich mit einer Kristallkugel ver- ne weitere Schleusenanlage zu
gleichen, die einen Blick auf die bauen. Dies erschien als die
Zukunft des Wassers erlaubt, sinnvollste Lösung, da dadurch
das der Hälfte der panamai- nicht nur die Kapazität ausge-
schen Bevölkerung als Trink- weitet würde, sondern auch eine
wasser und den Schiffen, die schnellere Durchfahrt der Schif-
den Kanal durchqueren, als Be-
förderungsmittel dient. 1
Anm. der Übers.: Das trilaterale Komitee
wurde 1982 zur Prüfung der Alternativen
für den Panamakanal ins Leben gerufen.
1986 wurde ein ständiges Sekretariat in
Panama eingerichtet, das seither die
Ausarbeitung neuer Kanalpläne koordi-
niert und überwacht.
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 5fe, einschließlich derer, die zur wasser in die Kanalschleusen Zeit noch die zulässigen Abmes- gepumpt werden, um das Anhe- sungen überschreiten, möglich ben und Absenken der Schiffe wäre. Außerdem wurde empfoh- bewerkstelligen zu können. len, den Bau dieser Schleusen- Mitte der 90er Jahre wurde mit anlage mit einem multimodalen der Verbreiterung des Gaillard Verkehrssystem mit sieben Ver- Cut begonnen, um bis zum Jahr ladehäfen für Container zu kop- 2010 eine Kapazitätsausweitung peln. Für die Realisierung dieses für Personen- und Frachtschiffe Vorschlags wären 27 Millionen zu erreichen. Außerdem wurde Liter Süßwasser zum Auffüllen an eine Erweiterung des Kanal- der Schleusen nötig, die über beckens gedacht. Um jedoch zu das Regenwasser der Flüsse im verhindern, dass der Kanal an hydrographischen Einzugsgebiet Effektivität und des Kanals gesammelt werden Wettbewerbsfähigkeit einbüßt, könnten. Dieses Einzugsgebiet müsste Panama zwischen fünf hat zwar eine Ausdehnung von und sieben Milliarden Dollar in 325.000 ha, es kann jedoch auf die Gesamtanlage investieren, Grund von Klimaveränderungen um entweder einen und durch die zunehmende Be- schleusenlosen Kanal auf bauung nicht die insgesamt be- Meereshöhe oder eine weitere nötigte Wassermenge liefern. Es Schleusenanlage bauen zu kön- müsste daher zusätzlich Salz- nen. Die Vorgeschichte An der Stelle, wo sich heute der Isthmus von Panama befindet, prallten vor 15 Millionen Jahren die Wellen des Atlantiks und des Pazifiks mit mächtigen Schaumkronen tosend aufeinander, wäh- rend gleichzeitig ein Tiefseegraben die beiden großen Landmassen Amerikas voneinander trennte. In die Meerenge war eine Hand voll Inseln vulkanischen Ursprungs eingestreut. Vor sieben Millionen Jahren stießen die beiden driftenden Ozean- platten, die Pazifische Platte und die Karibische Platte, zusammen. Durch die Kollision dieser beiden tektonischen Platten tauchte das heutige panamaische Gebiet von Kuna Yala und Darién aus der Tie- fe des Meeres auf. Außerdem bildete sich ein Archipel, der bis zu dem heutigen Nicaragua reichte. Das Ergebnis dieser Vorgänge wa- ren riesige Mengen an Schutt und Staub. Verwitterungsgestein und Sedimente füllten die Meerenge immer mehr auf und ließen zwi- schen den beiden Meeren einen Wall entstehen, der sich in weite- ren zwei Millionen Jahren zu einem festen Landstreifen herausbil- dete. Dieser war von natürlichen Viadukten, die den Atlantik mit dem Pazifik verbanden, durchzogen. Vor dreieinhalb Millionen Jahren schließlich verbanden sich die Landmassen Amerikas und trennten den Atlantik vom Pazifik. Der Isthmus war geboren. Durch die Trennung der beiden großen Oze- ane entstand der Golfstrom, der einen weltweiten Klimawandel mit sich brachte: es bildeten sich Gletscher, große Tierwanderungen fanden statt und es wird sogar vermutet, dass all diese Vorgänge für das Entstehen des menschlichen Lebens auf der Erde verant- wortlich waren. Nach Meinung von Experten des Smithsonian Tro- pical Research Institute war die Herausbildung des Isthmus wahr- 6 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der Kanalzone
scheinlich „das wichtigste Naturereignis auf der Erde in den letzten
60 Millionen Jahren“.
Vor 15 Millionen Jahren war Panama ein natürlicher Wasserkanal,
der Ozeane miteinander verband und Kontinente trennte, dann
wurde es zu einem Landkanal, der Kontinente miteinander verband
und Ozeane trennte, und vor knapp 85 Jahren gelang es dem Men-
schen mit Hilfe von TNT, seiner Intelligenz, seiner Muskelkraft und
seinen Baggern, das was Gott bzw. die Natur zusammengefügt hat-
te, wieder zu trennen.
Vor 11 Tausend Jahren besiedelten Menschen den Isthmus. Sie leg-
ten Dörfer an, machten das Land urbar und bearbeiteten Steine.
Vor etwas mehr als 500 Jahren erforschten zuerst Rodrigo de
Bastidas und ein Jahr später Admiral Christoph Kolumbus die atlan-
tische Küste Panamas, wobei jeder in die entgegengesetzte Rich-
tung segelte. Bald darauf sahen sich eine Million panamaischer In-
dianer einer Hand voll Europäer gegenüber, die mit ihren Karavel-
len in dieses tropische Land gekommen waren und kaum dass sie
es betreten hatten, ihre technologische Überlegenheit nutzten, um
die einheimische Bevölkerung zu unterwerfen. Ein Jahrzehnt spä-
ter, im Jahre 1513, ließ sich Vasco Núñez de Balboa mit seiner
Truppe von Einheimischen über die Berge des Isthmus führen. Er
war der erste Europäer, der den Pazifik erreichte und der sich
staunend einem riesigen Kontinent gegenübersah, den bereits die
Indianer Abia Yala, „großes Land“, getauft hatten.
II.2 Die militaristische Ver- Volkes zu einem politischen Re-
suchung gime“ gewährleistet ist (Gueva-
Der Militarismus ist in Panama ra Mann, 1994). Unter Militari-
kein vereinzeltes Phänomen, sierung dagegen verstehen wir
das hin und wieder im Verlaufe die Einmischung einer ausländi-
der panamaischen Geschichte schen Militärmacht in das politi-
zutage trat, sondern er war seit sche Leben eines Staates, die
der Kolonialzeit und ihrer abso- meist einer Vormundschaft über
luten Monarchie bis in unsere diesen Staat gleichkommt, und In Panama waren
Zeit hinein ein kontinuierlicher immer ein Ausdruck für eine ko- Militarisierung
(US-Präsenz) und
Faktor in der Geschichte Pana- loniale oder halbkoloniale Situa- Militarismus (nati-
mas. Er war darüber hinaus eng tion oder eine Enklavensituation onale Streitkräfte)
mit dem Auf und Ab der US- ist. stets eng mitein-
ander verquickt
Hegemonie im Isthmus verbun- In Panama waren Militarisierung und ihrer wechsel-
den, die mit dem Bau der Ei- (US-Präsenz) und Militarismus seitigen Beziehung
senbahn im Jahre 1850 ihren wurde erst mit der
(nationale Streitkräfte) stets US-Invasion im
Anfang nahm. eng miteinander verquickt und Jahre 1989 ein En-
Militarismus und Militarisierung ihrer wechselseitigen Beziehung de gesetzt.
sind jedoch nicht dasselbe. Un- wurde erst mit der US-Invasion
ter Militarismus verstehen wir im Jahre 1989 ein Ende gesetzt.
die „Einmischung der Militärs, Die panamaischen Streitkräfte
der Militärkaste oder des Heeres als der schwächere Part wurden
in das politische Leben eines vernichtend geschlagen und aus
Staates“. Der Militarismus ent- der Verfassung des Landes
behrt jeder Legitimität, da diese gestrichen, um aus Panama ein
nur durch „die Zustimmung des
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 7Land zu machen, das keine ei- II.3 Das Problem der Grenze
gene Armee besitzt. zu Kolumbien
Die Militarisierung Panamas soll Die drohende Gefahr einer er-
zwar bis zum 31. Dezember neuten Militarisierung und der
1999 mit der endgültigen Über- Rückkehr zum Militarismus ist
gabe der gesamten Kanalzone gegenwärtig auf Grund der an-
Als Folge der Eska-
lation der Gewalt an Panama abgeschlossen sein, haltenden Spannungen an der
sind heute über ei- in den gescheiterten Verhand- Grenze zu Kolumbien nicht
ne Million Kolum-
lungen von 1997 und 1998 wur- mehr auszuschließen. Die Ursa-
bianer ständig auf
der Flucht. Panama de allerdings das Interesse der che für den Grenzkonflikt ist ei-
teilt seine Grenze nerseits die allgegenwärtige Ge-
mit dieser Realität,
USA deutlich, ihre militärische
und es hat den An- Präsenz in getarnter Form über walt, die in diesem Land
schein, dass es ein multilaterales Anti-Drogen- herrscht und andererseits die
nicht von den Marginalisierung und Armut der
Auswirkungen der zentrum aufrechtzuerhalten.
in Kolumbien herr- Themenschwerpunkt der dama- in den panamaischen Grenzge-
schenden Gewalt ligen Verhandlungen war nicht bieten Darién und Kuna Yala le-
verschont bleiben
so sehr der Drogenhandel, son- benden Bevölkerung.
wird.
dern vielmehr die Verlängerung Die Gewalt in Kolumbien hat
bzw. Nichtverlängerung der US- viele Rädelsführer, und sie ist
Militärpräsenz nach dem Jahre ein Ausdruck der tiefen Krise,
2000. die dieses Land durchlebt. Nach
Panama muss sich deshalb die Tomás Eloy Martínez „wurde ein
grundsätzliche Frage stellen, ob Krieg aller gegen alle entfesselt:
es für das Land sinnvoll ist oder Privatjustizgruppen, Drogen-
nicht, wertvolle Liegenschaften händler, Guerilleros und regulä-
weiterhin militärisch und nicht re Truppen. Als Folge dieser Es-
zivil zu nutzen, und ob es sinn- kalation der Gewalt sind heute
voll ist oder nicht, weiterhin über eine Million Kolumbianer
fremde Streitkräfte auf seinem ständig auf der Flucht, fliehen
Territorium zu stationieren, vor der einen oder der anderen
während die eigenen Streitkräf- Bande, mit ihrem Heer an Krüp-
te abgeschafft worden sind. Es peln, Waisen und Witwen im
muss weiterhin über die mit ei- Gefolge.“ Panama teilt seine
ner Verlängerung der US-Prä- Grenze mit dieser Realität, und
senz verbundenen Gefahren dis- es hat den Anschein, dass es
kutiert werden: über die Mög- nicht von den Auswirkungen der
lichkeit Zielscheibe von Angrif- in Kolumbien herrschenden Ge-
fen oder Repressalien Dritter zu walt verschont bleiben wird.
werden, über die Umweltschä- Die Lage scheint sich durch den
den, die durch weiteres Kriegs- Umstand, dass die Guerillaorga-
material verursacht würden, nisation FARC auf Grund der
und über die Folgen, wenn nach Aktivitäten der paramilitärischen
fast 100 Jahren Republik die Gruppen die Kontrolle über
Fähigkeit Panamas zur Selbst- wichtige Teile der Atlantik- und
bestimmung in Frage gestellt Pazifikküste verloren hat, noch
würde. komplizierter zu werden. Häfen,
die früher von der Guerilla be-
herrscht wurden wie z. B At-
8 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der Kanalzonelántico, Magdalena, Córdoba streitig. Sie haben zwar nicht
oder das Gebiet von Urabá, die Absicht, „Panama zu er-
werden heute von den paramili- obern“, aber sie alle betrachten
tärischen Selbstverteidigungs- das Grenzgebiet als eine Rück-
gruppen von Carlos Castaño zugsmöglichkeit für die einen,
kontrolliert. was jedoch wie ein Magnet Re-
Die Lage ist äußerst gespannt. pressalien und Strafmaßnahmen
„Die Waffenlieferungen aus Mit- der anderen anziehen wird. Für
telamerika und das Einfallen in die im Grenzgebiet ansässige
die Grenzgebiete nahmen be- panamaische Bevölkerung wer-
trächtlich ab. Während die Pa- den Tote und Verletzte, Schä-
ramilitärs ihre Macht im Norden den für die Wirtschaft und Men-
des Landes konsolidieren konn- schenrechtsverletzungen die
ten, musste sich die Guerilla an unausweichliche Folge sein.
die Land- und Flussgrenzen zu Vor dem Hintergrund dieser in
Venezuela, Ekuador, Peru und Kolumbien herrschenden Gewalt
Brasilien zurückziehen, um sich wird verständlich, dass es Pa-
mit Waffen zu versorgen und nama als Schwäche ausgelegt
um internationale Operationen werden könnte, wenn es keine
durchführen zu können.“ (Zeit- eigenen Streitkräfte besitzt.
schrift Cambio). Deshalb sind Zum Ende dieses Jahrhunderts,
die FARC sehr daran interes- da das Land dabei ist, sich der
siert, die Küsten wieder unter Kasernen, der US-Streitkräfte
Die Grenze von Pa-
ihre Kontrolle zu bringen. Ob- und der Militärbasen zu entledi- nama zu Kolum-
wohl ihnen als Ergebnis der gen, könnten deshalb die kriti- bien ist von dem
Friedensverhandlungen eine sche Situation an der Grenze zu gefährlichen Un-
wetter, das sich in
entmilitarisierte Zone von über Kolumbien und die damit he- Kolumbien zu-
40.000 km2 zugestanden wurde, raufbeschworenen Ängste dazu sammenbraut,
nicht weit entfernt.
sind sie über die geringe Si- führen, dass der Ruf nach einem
Es ist nicht auszu-
cherheit dieses Gebietes besorgt eigenen oder fremden Heer schließen, dass das
und beabsichtigen deshalb, wieder laut wird, und die Demo- Grenzgebiet über
kurz oder lang zum
Stützpunkte zurückzuerobern, kratie und die Souveränität des Schauplatz eines
die einen Zugang zum Meer ha- Landes damit erneut kompro- Krieges werden
ben. mittiert würden. Um dies zu könnte.
Die Grenze von Panama zu Ko- verhindern, müssen drei politi-
lumbien ist von dem gefährli- schen Rahmenbedingungen ge-
chen Unwetter, das sich in Ko- schaffen werden:
lumbien zusammenbraut, nicht + Aufnahme von Gesprächen
weit entfernt. Es ist nicht auszu- mit Kolumbien, um eine Lö-
schließen, dass das Grenzgebiet sung bzw. Milderung der ge-
über kurz oder lang zum Schau- spannten Situation an der
platz eines Krieges werden Grenze herbeizuführen.
könnte. Guerilleros, Paramili- + Maßnahmen zum Schutz des
tärs, reguläre Streitkräfte, Dro- Territoriums und der Kultur
genhändler und gewöhnliche der indigenen Gemeinden in
Straftäter machen sich die den panamaischen Grenzge-
Schlüsselstellungen für ihre je- bieten, mit dem Ziel, ihre Ar-
weiligen Strategien und Pläne
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 9mut und soziale Marginalisie- der Übergabe der Kanalzone
rung zu überwinden. wird eine Konfliktsituation be-
+ Stärkung des Grenzschutzes endet und die Voraussetzung für
und der Grenzüberwachung eine ausgewogenere Beziehung
im Rahmen der beiden vorge- zu den USA geschaffen. Militär-
nannten Maßnahmen. basen sind die Keimzelle für
Mit der Übergabe Konflikte zwischen Panama und
II.4 Neue Diskussion über
der Kanalzone wird den USA, aber auch Drittlän-
eine Konfliktsitua- die Nutzung der Militär-
basen dern. Panama könnte zur Ziel-
tion beendet und
die Voraussetzung scheibe kriegerischer Angriffe
Weshalb ist es für Panama nicht
für eine ausgewo- von Ländern werden, die mit
genere Beziehung sinnvoll, auf seinem Territorium
den USA einen Konflikt austra-
zu den USA ge- US- Militärbasen und militäri-
schaffen. gen, von Drogenkartellen oder
sche Einrichtungen der USA zu
der Drogenmafia. Wie US-
dulden?
Offiziere bestätigten, war das
1. Die militärische Präsenz der Southern Command, das im Zu-
USA würde die volle Souveräni- ge der Kanalübergabe inzwi-
tät Panamas verhindern, da Pa- schen von Panama abgezogen
nama weiterhin die Kontrolle worden ist, für militärische und
über sein gesamtes Staatsgebiet sicherheitspolitische Aktivitäten
verwehrt bliebe. Zugleich würde in neunzehn lateinamerikani-
die Möglichkeit zur Selbstbe- schen Ländern verantwortlich,
stimmung beschnitten, da die was weit über das Ziel, den Ka-
US-Militärpräsenz in der Ver- nal in situ zu verteidigen, hi-
gangenheit wiederholt zu Inter- nausging.
ventionen von Seiten der USA in
3. Die militärische Präsenz wäre
die Innenpolitik des Landes
eine Bedrohung für die noch
führte. Die Panamaer sind der
junge Demokratie des Landes,
Meinung, dass die Kanalzone
da durch die Stationierung
nicht für militärische Aktivitäten
fremder Streitkräfte in einem
genützt werden soll. Nach einer
Land, das laut Verfassung über
unter der Schirmherrschaft der
kein eigenes Heer verfügt, Be-
PNUD durchgeführten Mei-
dingungen für ein erneutes Auf-
nungsumfrage des Barómetro
kommen des Militarismus ge-
Centroamericano sobre Panamá
schaffen würden. Gleichzeitig
sprechen sich 77,4% der Be-
würde die Präsenz von Militär-
fragten dafür aus, dass die In-
basen den Vereinbarungen ent-
vestitionen in die Kanalzone der
gegenstehen, die im Mai 1996
wirtschaftlichen Entwicklung
auf den Encuentros Panamá
dienen sollen, und nur 17,7 %
2000 - einem Diskussionsforum
sind der Meinung, dass sie für
auf nationaler Ebene - getroffen
Militärbasen und militärische
wurden. Damals kamen alle
Einrichtungen der USA genutzt
Vertreter der Zivilgesellschaft,
werden sollen.
der Parteien und der Regierung
2. Die militärische Präsenz war überein, dass in Zukunft keine
für die internationalen Bezie- fremden Streitkräfte in Panama
hungen Panamas, ganz beson- stationiert werden sollen und sie
ders aber für die Beziehungen erarbeiteten einen Gesetzent-
zu den USA, nicht förderlich. Mit
10 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der Kanalzonewurf, der die zivile und wirt- gen, die jährlich in den USA Die militärische
Präsenz hat keinen
schaftliche Nutzung der Kanal- konsumiert werden, werden in
wesentlichen wirt-
zone festschrieb. Dieser Gesetz- ca. 10 Mio. Containern versteckt schaftlichen Ge-
entwurf wurde ein Jahr später importiert, wobei die Gesamt- winn für Panama
gebracht. Die USA
durch die Nationalversammlung menge an Drogen dem Inhalt haben für die Nut-
gebilligt. von nur etwa 13 Containern zung der militäri-
entspricht. Die in Panama stati- schen Einrichtun-
4. Die militärische Präsenz wür- gen weder Miete
de einer ausgewogenen Stadt- onierten Militäreinheiten, die noch Pacht ge-
entwicklung von Panama und damit beauftragt waren, gegen zahlt.
Colón im Wege stehen. Wie die den Drogenhandel vorzugehen,
Vergangenheit zeigte, haben die konnten diesen nicht wesentlich
Militärbasen - insbesondere die eindämmen. Die Lösung kann
Stützpunkte Howard, Roadman also nicht in einer Militarisierung
und Kobbe - die Entwicklung der des Kampfes gegen den
beiden Städte eher negativ be- Rauschgifthandel liegen, son-
einflusst. dern nur in einer Restriktion der
Nachfrage und anderen Maß-
5. Die militärische Präsenz
nahmen, die einen Rückgang
könnte bewirken, dass das Sou-
des Drogenangebots zur Folge
thern Command der US-Streit-
haben.
kräfte erneut für Spionage und
Kommunikationsüberwachung in 7. Die militärische Präsenz hat
anderen lateinamerikanischen keinen wesentlichen wirtschaft-
Ländern, für die Koordination lichen Gewinn für Panama ge-
mit den lateinamerikanischen bracht. Die USA haben für die
Streitkräften und für die Ausbil- Nutzung der militärischen Ein-
dung von Eliteeinheiten des Mili- richtungen weder Miete noch
tärs und der Polizei lateinameri- Pacht gezahlt, andererseits aber
kanischer Länder eingesetzt stellen diese Gebiete ein enor-
wird. Von den sieben Ausbil- me wirtschaftliche Ressource für
dungslagern (unter ihnen die Panama dar, sofern sie für zivi-
Escuela de las Américas) heißt le, soziale und wirtschaftliche
es, dass sie auch Ausbildungsla- Zwecke genutzt werden können.
ger für Foltermethoden und 8. Die militärische Präsenz wür-
Staatsstreiche gewesen seien. de eine Zunahme der Verseu-
6. Die militärische Präsenz wur- chung durch C-Waffen und
de damit gerechtfertigt, dass sie Sprengkörper bedeuten. Die
der Bekämpfung des Rausch- bisher vom Tropical Test Center
gifthandels diene. Es scheint je- (TTC) der US-Streitkräfte durch-
doch, dass die bisher von den geführten Experimente mit
Militärbasen auf panamaischem Kriegsmaterial haben über drei-
Boden durchgeführte Flugüber- tausend Hektar Land - das gilt
wachung nicht besonders effek- besonders für die Trainings-
tiv war, da sich der Rauschgift- camps Balboa West, Piña, Fort
handel - auf Grund der allge- Sherman und Emperador -
meinen Liberalisierung des Han- durch nicht detonierte Munition
dels - fast ausschließlich auf und Rückstände von chemischen
dem Land- und Seeweg voll- und biologischen Waffen ver-
zieht. Der größte Teil der Dro- seucht.
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 119. Die militärische Präsenz wür- Grundstück der ehemaligen Mili-
de der Herausbildung einer na- tärbase Río Hato, die ungefähr
tionalen Identität im Wege ste- 80 km von der Hauptstadt ent-
hen. Es würde erneut bekräftigt, fernt liegt, Bäume pflanzen ließ.
dass Panama als Nation nicht In diesem Gebiet fanden in den
fähig ist, die volle Kontrolle über 30er Jahren Schießübungen und
sein gesamtes Staatsgebiet zu Manöver für den Abwurf von
Einerseits betrie- übernehmen, und dass nach Bomben statt, außerdem wur-
ben die USA den fast 100 Jahren Republik die den chemische Waffen erprobt.
Schutz des hydro-
graphischen Ein- Vormundschaft einer anderen II.5.1 Munition und Spreng-
zugsgebietes und Macht notwendig ist, um als Ge- körper
gestalteten ihre
sellschaft und Demokratie funk-
Wohngebiete als Während des Kanalbaus in den
Musterbeispiel für tionieren zu können. Dies würde
Jahren 1904 bis 1914 wurde das
das Zusammenle- bedeuten, dass das Motto auf
ben mit der Natur. Gebiet, in dem die Wasserstraße
dem Spruchband des panamai-
Auf der anderen gebaut werden sollte, ein-
Seite kontaminier- schen Wappens Pro Mundi Be-
schließlich der beiden am jewei-
ten sie in den mili- neficio weiterhin Gültigkeit hät-
tärischen Übungs- ligen Ende des Kanals gelege-
te. Panama würde sich erneut
geländen weite nen Städte Panama und Colón,
Flächen mit chemi- für das Wohlergehen der Welt
schen Waffen und
unter Leitung der USA gründlich
aufopfern, dieses Mal für die
Sprengkörpern. saniert. Ab 1914 bis heute war
Bekämpfung des Rauschgift-
das Verhalten der USA dagegen
handels, ohne dass es alle seine
sehr viel widersprüchlicher, was
Ressourcen für die eigene Ent-
das Thema Umwelt anbetraf:
wicklung nützen könnte. Es
Einerseits betrieben die USA den
muss an dieser Stelle noch ein-
Schutz des hydrographischen
mal mit aller Deutlichkeit darauf
Einzugsgebietes und gestalteten
hingewiesen werden, dass die
ihre Wohngebiete als Musterbei-
Konversion der militärischen
spiel für das Zusammenleben
Liegenschaften der integralen
mit der Natur. Auf der anderen
Entwicklung aller Einwohner,
Seite kontaminierten sie in den
vor allem aber der Ärmsten des
militärischen Übungsgeländen
Landes dienen soll, und dass sie
weite Flächen mit chemischen
nicht den Militärs oder Wirt-
Waffen und Sprengkörpern.
schaftsinteressen überlassen
Auf den Truppenübungsplätzen
werden dürfen, die die Prinzi-
und den Bombenabwurfgelän-
pien der Gleichheit und sozialen
den wurden fast 90 Jahre lang
Gerechtigkeit negieren.
militärische Manöver durchge-
II.5 Die Kontaminierung führt, das gilt ganz besonders
durch Kriegsmaterial für Emperador, Balboa West, Pi-
Als Kelvin Pérez Sánchez Anfang ña und Fort Sherman. Die Hin-
Juli 1998 bei Aufforstungsarbei- terlassenschaft sind 3.175 Hek-
ten einen Pfahl in den Boden tar Land, das mit Sprengkörpern
rammte, explodierte eine Gra- und nicht explodierter Munition
nate, die ihm ein Auge zerfetzte verseucht ist, da man davon
und weitere schwere Verletzun- ausgehen kann, dass 10% der
gen zufügte. Pérez Sánchez, ein Munition aus unterschiedlichen
armer Bauer, arbeitete für ein Gründen nicht explodierten.
Unternehmen, das auf dem Diese Gebiete liegen im Ein-
12 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der Kanalzonezugsgebiet von Panama-Stadt, und Entschärfung der Muniti-
wo die Hälfte der Bevölkerung on in schwer zugänglichen
Panamas lebt und 75% der Gebieten, wie dichte Urwälder Gegenwärtig sind
Wirtschaftsaktivitäten des Lan- und steile Berghänge. insgesamt 56.000
des konzentriert sind. Gegen- Personen in 65
+ Detaillierter Vergleich der to- Gemeinden der di-
wärtig sind also insgesamt pographischen Karten und der rekten Gefahr aus-
56.000 Personen in 65 Gemein- Vegetationskarten mit der gesetzt, Opfer exp-
den der direkten Gefahr ausge- lodierender Muni-
Karte, die im Kanalübergabe- tion zu werden. 27
setzt, Opfer explodierender Mu- plan der Torrijos-Carter-Ver- Menschen wurden
nition zu werden. 27 Menschen träge als Grundlage diente, bereits getötet und
mehrere Hundert
wurden bereits getötet und um festzustellen, welche für verletzt
mehrere Hundert verletzt, wie die Allgemeinheit zugängli-
aus einer vor kurzem durch- chen Gebiete nicht in den Ka-
geführten Untersuchung hervor- nalübergabeplan miteinbezo-
geht. Die ländliche Bevölkerung gen wurden.
mit geringer Schulbildung ist
+ Eingliederung dieser Gebiete
hierbei besonders gefährdet, da
in den Kanalübergabeplan und
sie sich der Gefahren nicht be-
in jedes weitere Abkommen
wusst ist. Viele benutzen die
über Säuberungsprogramme
verseuchten Gebiete dazu, um
in den betroffenen Gebieten
ihre Grundstücke zu erweitern
nach 1999.
oder dort auf Jagd zu gehen. In-
+ Aufnahme der chemischen
zwischen sind jedoch in den be-
Munition in den Kanalüberga-
troffenen Gebieten Maßnahmen
beplan und in jedes weitere
zur Aufklärung und zur Gefah-
Abkommen über Säuberungs-
renverhütung eingeleitet wor-
programme nach 1999.
den.
+ Untersuchungen des Gefah-
Gemäß den 1977 abgeschlosse-
renpotentials vor Ort. Aus-
nen Torrijos-Carter-Verträgen
dehnung der Untersuchungen
sind die USA verpflichtet, die
auf Gebiete, die in den Torri-
ehemaligen Militärgelände ge-
jos-Carter-Verträgen nicht
räumt und sauber zu überge-
ausdrücklich genannt werden.
ben. Davon kann jedoch keine
Rede sein. Es müsste daher ein + Erstellung einer Durchführ-
weiteres Abkommen zwischen barkeitsstudie durch die USA
der Republik Panama und den in Bezug auf das Orten und
USA ausgehandelt werden, in Entschärfen sowie die Beseiti-
dem die Verantwortlichkeit der gung von Munition in unzu-
USA für die folgenden Punkte gänglichen Gebieten, ein-
festlegt wird: schließlich der kontrollierten
Verbrennung wie sie in Fort
+ Durchführung von Säube-
Ord, Kalifornien, durchgeführt
rungsprogrammen auch nach
wird. Es muss gewährleistet
dem 31. Dezember 1999, um
sein, dass der Boden in den
zu gewährleisten, dass das
verseuchten Gebieten Parzelle
gesamte betroffene Gebiet
für Parzelle abgesucht wird,
saniert wird.
damit dort in Zukunft wieder
+ Kostenlose Bereitstellung von
ein gesunder Wald wachsen
modernen Geräten zur Ortung
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 13kann und die negativen Aus- sierbar sind, um zu gewährleis-
wirkungen auf die Umwelt auf ten, dass zu dem Zeitpunkt, zu
ein Minimum reduziert werden dem das Nutzungsrecht der USA
können. Von einem Land, das auf die Kanalzone erlischt, auf
auf einer Strecke von fast 82 allen Truppenübungsplätzen, Mi-
km Erde für den Bau des Ka- litärgeländen oder einem Teil
nals aushob, können wir er- derselben das Leben, die Ge-
warten, dass es sich verpflich- sundheit und die Sicherheit der
tet fühlt, einen Wald, den es Menschen in keiner Weise be-
voller Sprengkörper hinterlas- droht ist.“
sen hat, wieder zu säubern Panama hat wiederholt bekräf-
und von Minen zu räumen, tigt, dass „die Vereinigten Staa-
Die US-Regierung und dass es sich der Forde- ten diesen Artikel einseitig aus-
hat wiederholt ver- rung nach einer gesunden,
sichert, dass sie,
legen, wenn sie ihre Verantwor-
was die Sanierung nicht verseuchten Umwelt tung für das panamaische Ge-
der Militärbasen nicht verschließt. biet als für beendet erklären,
angehe, „ihr Mög-
lichstes“ getan ha- + Zahlung einer Entschädi- sobald sie die Militärbasen so-
be. Diese Version gungssumme an Panama bei weit gesäubert haben, wie sie
kann jedoch von
Scheitern der Verhandlungen es für realisierbar halten. Des-
der panamaischen
Regierung unter in Höhe von 480 Mio. $ für die sen ungeachtet besteht die pa-
keinen Umständen Säuberung der 3.175 Hektar namaische Regierung jedoch
akzeptiert werden.
Land, die noch kontaminiert darauf, dass die Bodensanie-
sind, und 1 Mio. $ zusätzlich rung mehrere Meter in die Tiefe
für Streifendienste, Pflege des gehen muss, um die wirtschaft-
Waldes und Überwachung die- liche Nutzung dieser Gebiete zu
ses Gebietes. garantieren. Dieser Forderung
Der ehemalige Präsident Ernes- hält die USA entgegen, dass
to Pérez Balladares und auch die sich die nicht detonierte Muniti-
neu gewählte Präsidentin Mireya on vorwiegend in schwer zu-
Moscoso haben bekräftigt, dass gänglichen Waldgebieten befin-
die Zustimmung zur Übergabe de, und dass die totale Säube-
von Gebieten, die noch nicht rung die Zerstörung von vielen
gesäubert sind, die USA keines- Hektar Urwald mit sich bringen
wegs von der Verpflichtung ent- würde. Sie empfiehlt deshalb,
bindet, diese Gebiete auch nach diese Gebiete zu Naturreserva-
ihrem Abzug am 31. Dezember ten zu erklären und Warnschil-
1999 von Minen und Sprengkör- der anzubringen, um eine Tra-
pern zu räumen und entspre- gödie zu verhindern.“ (Barroso,
chende Entschädigungssummen 1999)
an die Opfer zu zahlen. Die US-Regierung hat wieder-
Artikel IV des Torrijos-Carter- holt versichert, dass sie, was die
Vertrags über die ständige Sanierung der Militärbasen an-
Neutralität und den Betrieb des gehe, „ihr Möglichstes“ getan
Panama-Kanals lautet: „In Ü- habe. Diese Version kann je-
bereinstimmung mit diesem doch von der panamaischen Re-
Vertrag sind die Vereinigten gierung unter keinen Umstän-
Staaten verpflichtet, alle Maß- den akzeptiert werden. Sie for-
nahmen zu ergreifen, die reali- dert deshalb die USA auf, ihre
14 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der KanalzoneTechnologie zur Säuberung der den Bedingungen des Urwalds
kontaminierten Gebiete einzu- zu testen“. Von Mai 1944 bis
setzen, um ihren in den Carter- Ende 1947 wurden auf dieser
Torrijos-Verträgen eingegange- Insel fast 150 Tests durchge-
nen Verpflichtungen nachzu- führt. Zu den getesteten chemi- Über 40 Jahre lang
kommen. schen Kampfstoffen gehörten testeten die USA in
Panama C-Waffen,
II.5.2 Chemiewaffen destilliertes Senfgas, Phosgen, ohne dass die
Cyanchlorid und Blausäure. Die Regierung oder die
Über 40 Jahre lang testeten die Bevölkerung davon
für die Insel San José bestimm-
USA in Panama C-Waffen, ohne unterrichtet wor-
te chemische Munition wurde den wären.
dass die Regierung oder die Be-
auf dem Stützpunkt Río Hato
völkerung davon unterrichtet
gelagert. Ein US-Offizier be-
worden wären.
schrieb das Lager nach einer In-
In den 20er Jahren bis 1946 spektion im Jahre 1946 als „ein
diente das Chemiewaffenpro- schreckliches Szenarium“. Das
gramm der Verteidigung des auf der Insel San José durchge-
Kanals, und von 1943 bis 1968 führte Projekt beinhaltete auch
der Erprobung chemischer mehrere Versuche mit Soldaten.
Kampfstoffe unter tropischen So diente zum Beispiel einer der
Bedingungen. Tests der Feststellung, ob Trup-
Die ersten Pläne zur Verteidi- pen aus Puerto Rico gegenüber
gung des Kanals mittels Che- Senfgas sensibler reagieren als
miewaffen wurden bereits 1923 US-Truppen.
gefasst, wie aus einem in Pa- Zwischen 1953 und 1957 führte
nama verfassten Bericht von das Tropical Test Center viertel-
General Preston Brown hervor- jährlich Versuche mit destillier-
geht: „Seit langem bin ich der tem Senfgas in Panama durch.
Meinung, dass der tropische Re- Hierzu ein Bericht von 1956:
genwald mit seiner Hitze und „Das auf einer kleinen Anhöhe
Feuchtigkeit ideale Bedingungen am Chivo-Chivo Weg gelegene
für den Einsatz von Giftgasen Gelände wird für großangelegte
bietet.“ Versuche benutzt, um Zündvor-
Der Chemical War Service der richtungen zu testen. In gerin-
Vereinigten Staaten fasste 1941 gerem Umfang werden auch
in Panama Fuß, als in sieben Mi- Versuche mit toxischem Material
litärbasen Lager für chemische durchgeführt.“ Das Gelände, das
Munition eingerichtet wurden. auch der Endlagerung von che-
Im Juli 1941 wurden - soweit mischen Kampfstoffen dient, ist
bisher bekannt - die ersten Ver- nur begrenzt zugänglich und gut
suche durchgeführt, bei denen gekennzeichnet, um den Zutritt
chemische Waffen mit Giftgasen von nicht befugten Personen zu
getestet wurden. verhindern. Aus dem Bericht
Am 20. Dezember 1943 schlug geht eindeutig hervor, dass
der Konsul der Vereinigten auch chemische Minen erprobt
Staaten vor, auf der Insel San worden sind.
José im Archipel von Las Perlas Das Tropical Test Center führte
im Golf von Panama „bestimmte in Panama von 1964 bis 1968
chemische Kriegswaffen unter mindestes vier Tests zur Lage-
Ibero-Analysen 2 · Dezember 1999 15rung von Munition mit den Ner- Auf der Insel San José wurden
vengiften VX und Sarin (VX- Tausende von Minenwerfern und
Minen, -Raketen und -Projektile chemischen Bomben über elf
und Sarin-Raketen) durch. Im „Weißen Flecken“, die sich vor-
Fall der VX-Mine vom Typ M-23 wiegend auf der Nordseite der
sollte untersucht werden, wel- Insel befanden, zur Detonation
che Auswirkung das tropische gebracht oder abgeworfen. Bei
Klima auf die Lagerung und die den 18 Versuchen über die Un-
Funktionsfähigkeit der Mine hat. terlagen eingesehen werden
Eine M-23-Mine besitzt einen konnten, kamen 4.397 Minen-
Durchmesser von 5 bzw. 13 Zoll werfer und Bomben zum Ein-
und ist mit 4,77 kg VX gefüllt. satz. Wenn man also davon aus-
Da bereits eine Dosis von 10 geht, dass bei den restlichen
Milligramm tödlich ist, hatte je- 130 Versuchen durchschnittlich
de dieser VX-Minen theoretisch ebensoviel Munition detonierte
fast eine halbe Million letaler bzw. abgeworfen wurde, würde
Dosen. Ein ehemaliger Projekt- dies bedeuten, dass auf San Jo-
Es ist nichts dar- leiter des TTC vermutet, dass sé 31.267 chemische Waffen
über bekannt, ob
die USA nach 1968
die Detonationsversuche mit zum Einsatz kamen. Bei einem
chemische Kampf- VX-Minen auf den in der Kanal- Prozentsatz von 10% nicht de-
stoffe in Panama zone gelegenen Militärbasen tonierter Munition würde dies
lagerten oder Tests
mit Giftgasen Emperador oder Piña durch- bedeuten, dass auf dieser Insel
durchführten. Die geführt wurden. noch 3.127 chemische UXO-
US-Streitkräfte ha-
Es ist nichts darüber bekannt, Minen verstreut sind. Der US-
ben lediglich
zugegeben, seit ob die USA nach 1968 chemi- Bombenexperte Rick Stauber
1979 „begrenzte erklärte, dass aus Dokumenten,
sche Kampfstoffe in Panama la-
und kontrollierte
Laborversuche mit gerten oder Tests mit Giftgasen die er während einer Inspektion
verschiedenen durchführten. Die US-Streit- in Panama einsehen konnte,
Tränengaswirkstoff hervorgehe, dass die USA in
en“ in Panama
kräfte haben lediglich zugege-
durchgeführt zu ben, seit 1979 „begrenzte und France Field (Colón) in den 30er
haben. kontrollierte Laborversuche mit Jahren Chemiewaffen, ein-
verschiedenen Tränengaswirk- schließlich Senfgasbomben, die
stoffen“ in Panama durchgeführt nicht dicht waren, vergraben
zu haben. haben. Diese Aussage wurde
von Beamten des US-Vertei-
Bei allen Minen, gleichgültig ob
digungsministeriums implizit
es sich um konventionelle oder
bestätigt, als sie sich gegenüber
um chemische Minen handelt,
der Behörde für die Interozeani-
gibt es immer eine gewisse An-
sche Region (ARI)2 dahingehend
zahl, die verlegt oder verstreut
äußerten, dass sich die toxi-
werden, die aber nicht detonie-
schen Gase der in France Field
ren. Diese so genannten UXO-
vergrabenen Bomben inzwi-
Minen (Unexploded Explosive)
schen verflüchtigt hätten.
sind jedoch gerade die Minen,
die für Menschen besonders ge- Die Laborversuche mit Chemie-
fährlich sind, weil sie sie ah- waffen in den 50er und 60er
nungslos aufheben, dagegen
treten oder mit ihnen spielen. 2
Anm. der Übers.: Behörde, die damit be-
auftragt ist, alle ehemaligen US-Gelände
und -Einrichtungen in der Kanalzone zu
vermarkten.
16 Raúl Leis: Panama und die Übergabe der KanalzoneJahren werfen die Frage nach Leiter des Projekts zur Lagerung
den Sicherheitsbestimmungen von chemischem Kriegsmaterial,
für chemische Kampfstoffe auf. das im Rahmen des Programms
Nach Aussage des Toxikologen zur Vernichtung von C-Waffen
Theodore Henry können „bei der US-Streitkräfte durchgeführt
Laborversuchen Giftstoffe in die wird, bestätigt: „Unsere Erfah-
Umwelt entweichen, die nicht rung hat gezeigt, dass die Wirk-
durch Detektoren geortet wer- stoffe von C-Waffen ihre toxi- Die panamaische
den können, wie dies z.B. bei schen Eigenschaften über viele Regierung hat die
Munition der Fall ist.“ Jahre beibehalten können, wenn USA wiederholt
und in aller Form
Für die Durchführung der Tests sie in Containern gelagert wer- ersucht, ihr Unter-
von 1964 bis 1968 mit dem den, in Munition eingeschlossen lagen über die in
sind oder auf andere Weise in Panama durchge-
Nervengift VX lautete die Be- führten Tests mit
stimmung, dass das Gift an Ort großer Menge aufbewahrt wer- Chemiewaffen aus-
und Stelle unschädlich gemacht den.“ zuhändigen.
werden müsse. Wenn aber für Auf der Insel San José existiert
die Tests VX-Minen zur Detona- daher 30 Jahre nach Durchfüh-
tion gebracht worden sind, die rung der Tests immer noch die
noch mit Gas gefüllt waren, hät- Gefahr, dass Blindgänger von
te dies die Verseuchung des be- chemischen Waffen explodieren.
troffenen Gebietes für mehrere Dazu ein Zitat des Pentagon aus
Wochen zur Folge gehabt, da dem Jahre 1979: „Eine Mann-
sich das Gas erst nach einiger schaft zur Beseitigung von ex-
Zeit in relativ harmlose chemi- plosiver Munition wurde 1974
sche Verbindungen umwandelt. vom Sohn des Herrn Tupper um
Offiziere der US-Armee haben Hilfe ersucht, da einer seiner
behauptet, dass Chemiewaffen Arbeiter sich verbrannt hat.“
nur „eine kurze Lagerbeständig- Die panamaische Regierung hat
keit“ haben und dass die Wirk- die USA wiederholt und in aller
stoffe der vergrabenen Munition Form ersucht, ihr Unterlagen
sich inzwischen längst verflüch- über die in Panama durchge-
tigt hätten. Diese Behauptung führten Tests mit Chemiewaffen
gilt jedoch nur für chemische auszuhändigen. Wie von regie-
Wirkstoffe, die versprüht oder rungsamtlicher Seite bestätigt
gezündet wurden. Chemische wird, haben die USA jedoch bis-
Wirkstoffe, die gelagert oder in her keine Stellung dazu ge-
Behältern oder Fässern abgefüllt nommen, ob sie bis Juli 19983 in
werden, können Jahrzehnte Panama Chemiewaffenprogram-
wirksam bleiben, ohne dass sie me durchgeführt haben. Die
sich verflüchtigen. Deshalb tra- USA händigten lediglich die be-
gen Fischer noch heute Verlet- reits erwähnten vier Berichte
zungen davon, wenn ihnen in von Tests mit Nervengas aus.
der Ostsee Chemiewaffen in die Alle anderen Ansuchen Panamas
Netze geraten, die dort vor wurden von Offizieren der US-
mehr als 50 Jahren versenkt Streitkräfte mit kurzen Schrei-
worden sind.
Dieser Sachverhalt wird u. a. 3
Am 7. Juli 1998 ratifizierte Panama das
von Oberst Edmund W. Libby, C-Waffen-Abkommen (d.Ü.).
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