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MENTAL
HEALTH
Psychische Gesundheit bei Studierenden

           www.oeh.ac.at
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    Eine Broschüre der ÖH Bundesvertretung
           zur Kampagne im SS 2021
4                 Impressum                                                              5

                Herausgeber_innen:                              Autor_innen:
        Österreichische Hochschüler_innenschaft                   Edvina Besic
                 Taubstummengasse 7-9                             Elli Scambor
                        1040 Wien                                  Farah Saad
                   Tel: 01 310 88 80 0                            Karin Macke
                  Fax: 01 310 88 80 36                        Kathrin Wodraschke
                     oeh@oeh.ac.at                              Parissima Taheri
                                                                 Rudolf Egger
                                                                 Wanda Spahl
                      Redaktion:                               Zoe* Steinsberger
    Referat für Menschenrechte und Gesellschaftspolitik
                         Eva Mühlberger
                       Michelle Bergauer
                                                                    Druck:
               Referat für Barrierefreiheit                        saxoprint.at
        in Zusammenarbeit mit: Lilian Kaufmann                 SAXOPRINT GmbH
                      Nathalie Fichtberger                Enderstr. 92c, 01277 Dresden

                      Queer_Referat
                      Manuel Götzendorfer
                                                          Design und Illustration:
                                                             Milena Libaschinszky
Einleitung

Liebe
                                                                                                                                                         7
                                                                              Auch heute ist die Hürde Hilfe        berichte von österreichischen
                                                                              aufzusuchen, hauptsächlich auf-       Studierenden zu verschiedenen

Studierende,                                                                  grund gesellschaftlicher Stigmati-
                                                                              sierung, noch sehr groß.
                                                                                                                    psychischen Krankheiten bzw.
                                                                                                                    Problemen enthalten. Sollte es
                                                                                                                    dir mit diesen Themen nicht gut
                                                                              Aus diesem Grund ist es so wichtig,   gehen, lese diesen Teil besser mit
Im Zuge der Mental Health             heit eine Ressource für den sozia-      ein größeres Bewusstsein für psy-     einer Person deines Vertrauens
Kampagne im Sommersemester            len Zusammenhalt sowie für ein          chische Gesundheit bzw. Krank-        oder überspringe ihn. Zusätzlich
2020/2021 wurde unter anderem         besseres Sozialwohl dar. Trotzdem       heit zu entwickeln und auf die        werden danach wichtige Anlauf-
diese Broschüre erstellt. Es wird     wird auch heute noch die Bedeu-         Einschränkungen und Barrieren         stellen für Betroffene und Ange-
das Ziel verfolgt, die Inklusion in   tung von psychischer Gesundheit         für Studierende mit psychischen       hörige angeführt. Die Kampagne
österreichischen Hochschulen zu       unterschätzt, während die Häu-          Problemen aufmerksam zu machen.       findet im SS 2020/21 statt und
fördern, indem wir einen Fokus        figkeit psychischer Erkrankungen        Dabei wollen wir durch unter-         beinhaltet, neben dieser Bro-
auf die psychische Gesundheit         zunimmt.                                schiedliche thematische Schwer-       schüre, eine Reihe von Veranstal-
von Studierenden legen.                                                       punkte, einen intersektionalen        tungen sowie eine Studie mit dem
                                      In etwa ein Viertel aller Studie-       Blick auf die Thematik der men-       Schwerpunkt Mental Health bei
Psychisches Wohlbefinden bildet       renden haben psychische Prob-           talen Gesundheit werfen. Des          Studierenden.
den Grundstein für die Lebensqua-     leme (wie Ängste, Depressionen,         Weiteren soll der Stigmatisierung
lität und Produktivität jedes ein-    Krisen, usw.), durch welche die         durch breite Aufklärung entgegen-     Durch diese Aufklärungsarbeit soll
zelnen Menschen. Gerade durch         Lebensqualität und der Studiener-       gewirkt werden. Wir wollen dies       Prävention möglich und potenzielle
die schwierigen Umstände der          folg erheblich leiden können. Auch      einerseits über die Einführung        Risikofaktoren gesenkt werden.
Corona-Pandemie wurde dies viel-      im Vergleich der Studierenden-          in das Thema „Psychische Krank-       Wir fordern, dass Hochschulen
schichtig deutlich. Psychische        Sozialerhebungen der letzten Jahre      heiten“ erreichen. Dabei werden       und Hochschullehre Studierenden
Gesundheit ist eine wichtige          wird gezeigt, dass der Anteil Studie-   Themen wie die Stressbewältigung      nicht nur theoretisch, sondern
Ressource, die zum sozialen,          render, die von studienbezogenen        im Studium, sozial- und kultur-       auch praktisch Räume bieten, in
menschlichen und wirtschaftli-        Schwierigkeiten berichten, bedingt      wissenschaftliche Hintergründe,       denen sich Menschen mit psychi-
chen Kapital einer Gesellschaft       durch Stressfaktoren und/oder psy-      sowie psychische Gesundheit im        schen Erkrankungen frei von Dis-
beiträgt. Auf individueller Ebene     chische Beschwerden, ansteigen.         Zusammenhang mit anderen Diskri-      kriminierung bewegen können
setzt sie die Möglichkeit vor-        Von 2015 bis 2019 hat sich der          minierungsformen beispielsweise       und jede Person Hilfe bekommt,
aus, das eigene emotionale und        Anteil Studierender, die mindes-        LGBTIQ+/Queer Community, Kör-         die sie benötigt.
intellektuelle Potenzial zu ver-      tens eine studienerschwerende           perliche Behinderungen oder Ras-
wirklichen. Auf gesellschaftlicher    psychische Beschwerde genannt           sismus/Antisemitismus behandelt.
Ebene stellt psychische Gesund-       haben von 42% auf 48% erhöht.           Andererseits sind Erfahrungs-                Das Redaktionsteam
8
     Inhaltsverzeichnis                                                                                                                  9

     I.          Einfuhrung

     Editorial

12                                                                  44
                                                                         Körperliche Behinderungen
     Definition und Einführung
                                                                         Mag.a Edvina Bešic, PhD
     Mag. Dr. Kathrin Wodraschke
                                                                         Körperliche Behinderung, Barrierefreiheit und psychische
     Stressbewältigung im Studium
                                                                         Gesundheit

16   Sozial- und kulturwissenschaftlicher Hintergrund
     Univ.-Prof. Dr.phil. Rudolf Egger
     Klassen- und soziokulturelle Unterschiede
                                                                    48   COVID-19
                                                                         Univ.-Ass. Wanda Spahl MSc Bakk. BA
                                                                         Das Wohlergehen der Einzelnen als kollektive Aufgabe: Corona-

22
                                                                         Krise legt belastende gesellschaftliche Strukturen offen
     Frauen*

                                                                    52
     Mag.a Karin Macke
                                                                         II.       Erfahrungsberichte
     Psychische Gesundheit von studierenden Frauen* in Österreich
                                                                         „My education ruined my mental...

26
                                                                         I used to suffer from an…
     Männer*
                                                                         Mit 15 Jahren begann ich…
     Mag.a Elli Scambor
                                                                         Heute weiß ich, was Uni...
     Warum Männergesundheitsförderung? Und wie?
                                                                         Es gibt viele Vorurteile gegenüber...

32
                                                                         Heute ist wieder einer dieser...
     LGBTIQ+/Queer Community
                                                                         Mit sechzehn habe ich das...
     Zoe* Steinsberger
                                                                         Ich bin Informatikstudent, stehe kurz...
     Sich mit der Universität anlegen
                                                                         Wenn es mir gut geht...

36   Rassismus
     Farah Saad B.A., B.A. & Parissima Taheri M.A., M.Sc.
     Wie es ist, wenn Studierende von der Uni heilen
                                                                    72   III.       Anlaufstellen

     müssen - BIPoC Student Empowerment
10                                                              11

     AUTOR_INNEN
     BEITRAGE
     Die folgenden Beiträge sollen als Einführung in die The-
     matik der psychischen Gesundheit bei Studierenden die-
     nen. Unsere Autor_innen informieren dabei über die
     Stressbewältigung im Studium, sozial- und kulturwissen-
     schaftliche Hintergründe, sowie psychische Gesundheit in
     Zusammenhang mit unterschiedliche Diskriminierungsfor-
     men. Psychische Krankheiten sind therapierbare und vor
     allem bei frühzeitiger Behandlung hauptsächlich auch
     heilbare Erkrankungen, die jeden von uns treffen kön-
     nen. Genau deshalb ist es unser Ziel, mit dem folgenden
     Kapitel verschiedene Blickwinkel zu beleuchten und durch
     Aufklärungsarbeit Menschen dazu zu ermutigen, Hilfe in
     Anspruch zu nehmen. Zusätzlich geben die Autor_innen
     Tipps für Betroffene sowie Handlungsempfehlungen für
     Universitäten.
Thematik:
12                                                                                                            13
     Definition und Einfuhrung

                                 STRESSBEWALTIGUNG
                                 IM STUDIUM
                                 Mag. Dr. Kathrin Wodraschke

                                 Wer kennt das nicht? Mehrere Prüfungen am Ende des Semesters, dazu
                                 noch Abgaben und Referate, vielleicht noch ein interessanter Vortrag.
                                 Da ist es völlig normal, dass man Stresssymptome entwickelt. Stress
                                 muss aber nicht immer negativ sein, im Gegenteil, Stress kann auch
                                 motivieren die gestellten Aufgaben zu lösen.

                                 Im transaktionalen Stressmodell von Lazarus entsteht Stress durch das
                                 Zusammenwirken von Umweltanforderungen (Prüfung mit viel Lernstoff,
                                 Schreiben eines eigenen Textes, Präsentation der eigenen Forschungs-
                                 frage) und persönlichen Bewältigungsressourcen. Wie stark die/ der
                                 Einzelne den Stress empfindet, hängt maßgeblich von der persönlichen
                                 Bewertung, der Lernanforderung, der eigenen Bewältigungsmöglichkeit
                                 und den körperlichen Voraussetzungen ab.

                                 Wie kann man im Studium                 Chronifizierung verhindern oder
                                 mit Stress umgehen?                     abbauen. Es sei hier schon gesagt,
                                 Man unterscheidet zwischen kurz-        dass diese Strategien nicht immer
                                 fristigen und langfristigen Stressbe-   leicht umsetzbar sind. Lang einge-
                                 wältigungsstrategien im Studium.        übte Denk-, und Verhaltensmuster
                                 Kurzfristige Strategien dienen          lassen sich nicht schnell ändern.
                                 der Bewältigung von akuten              Probier die folgenden Strategien
                                 Belastungssituationen,          lang-   aus, aber zögere nicht Hilfe von
                                 fristige Strategien sollen eine         außen in Anspruch zu nehmen.
Kurzfristige Strategien                    „Ich werde ruhig und mit fester
14   In der akuten Stresssituation (Prü-        Stimme mein Referat beginnen.“             "Stress muss aber nicht immer negativ sein,                               15
     fung, Abgabetermin, Schreiben
     einer eigenen Arbeit) sollen die           Langfristige Strategien
                                                                                           im Gegenteil, Stress kann auch motivieren
     psychischen und physischen Spit-           Langfristige Strategien sollen                 die gestellten Aufgaben zu lösen."
     zen der Erregung gedrosselt und            präventiv   einer   Entwicklung
     ein eher entspannter Zustand               von chronischen Stress-Sympto-
     erreicht werden.                           men vorbeugen oder eine bereits       werden. Zusätzlich kann die Ände-       dysfunktionalen     Einstellungen
                                                bestehende Überlastung abbauen.       rung belastender Arbeitsbedingun-       ist eine Bearbeitung im Rahmen
     *Spontanentspannung:                                                             gen erforderlich sein: mehr Zeit fürs   einer psychologischen Behandlung
     Unterbreche die angespannte                *Entspannungsverfahren erler-         Studium, weniger stressiges Arbei-      hilfreich.
     Situation und setze gezielt eine           nen: alle Formen von Entspan-         ten, Abgrenzung bei sozialen Kon-
     Kurzentspannungsübung oder tie-            nungstrainings sind möglich.          takten, Unterstützungssysteme auf-      *Zeit- und Lernmanagement:
     fes Durchatmen ein.                        Wichtig ist das regelmäßige Üben,     bauen; Semesterplanung: nicht alle      Studieren bedeutet ein hohes Maß
                                                damit kann die körperliche und        Prüfungen am Ende des Semesters         an Selbstständigkeit und Selbst-
     * Wa h r n e h m u n g s l e n k u n g :   geistige Entspannungsfähigkeit        absolvieren.                            organisation. Die Lern- und Prü-
     In Belastungssituationen konzen            verbessert und die Resilienz gegen-                                           fungsplanung ist in jedem Semes-
     triert man sich tendenziell auf die        über Anforderungen im Studium         *Einstellungsänderung:                  ter neu zu gestalten: Setzen Sie
     stress-auslösenden Reize. Bei der          erhöht werden. Belastungsaus-         Persönliche Einstellungen, Grund-       Prioritäten und stellen weniger
     Wahrnehmungslenkung versucht               gleich durch regelmäßigen Sport       überzeugungen und erlernte Ver-         wichtige Aktivitäten zurück. Die
     man die Aufmerksamkeit bewusst             ist ebenso möglich.                   haltensregeln spielen bei der Ent-      Arbeitslast sollte gleichmäßig
     weg von den Belastungen auf                                                      stehung von Stress eine wesent-         über das Semester verteilt wer-
     konkrete Reize, neutrale oder              *Aufbau und Pflegen sozialer          liche Rolle. Es sollten daher Ein-      den, gleichzeitig sollte es eine
     positive Gedanken (z.B. Planung            Kontakte: Ein tragfähiges Netz-       stellungen gewonnen werden, die         klare Trennung zwischen Studium,
     eines schönen Tages am Wochen-             werk von sozialen Kontakten und       in Stresssituationen hilfreich sind     Lernen und Freizeit geben.
     ende, Überlegungen zum nächsten            positive soziale Unterstützung        und die subjektive Belastung ver-
     Urlaub) zu lenken.                         helfen bei der Stressbewältigung:     ringern. In der Folge kann man
                                                Positive Kontakte zu Studienkol-      seine persönlichen stressverstär-
                                                                                                                               Die Psychologische Studierenden-
     *Positive          Selbstgespräche:        legen aufbauen, Lerngruppen bil-      kenden Einstellungen identifizie-
                                                                                                                               beratung (in Wien, Graz, Innsbruck,
     Eigene Fertigkeiten werden in              den, private Kontakte pflegen,        ren, diese auf Angemessenheit
                                                                                                                               Klagenfurt, Linz und Salzburg)
     einem inneren Gespräch positiv             Hilfe suchen und annehmen.            überprüfen und sie in der persön-
                                                                                                                               bietet für     Studierende leicht
     und aufmunternd formuliert: „Das                                                 lichen Auseinandersetzung ver-
                                                                                                                               zugängliche und zu ihren
     schaffst Du schon“, „bisher hat es         *Stressoren in der Umwelt (Stu-       ändern. z.B. durch Hinterfragen
                                                                                                                               Bedürfnissen passende Ange-
     immer geklappt“. Oder man instru-          dium, Arbeit und Freizeit) ändern:    des eigenen Perfektionismus oder
                                                                                                                               bote an. Du findest uns unter:
     iert sich selbst bestimmte stressbe-       Viele Stressoren können reduziert,    Akzeptieren der eigenen Grenzen.
                                                                                                                               www.studierendenberatung.at
     wältigende Handlungen zu setzen,           ausgeschaltet oder vermieden          Bei vielen stressfördernden oder
Thematik:

                                            UNTERSCHIEDE VON STUDIERENDEN
                                            KLASSEN- UND SOZIOKULTURELLE
16   Sozial- und kulturwissenschaftlicher                                                                                                              17
     Hintergrund                                                                                                Der schon seit Jahrzehnten statt-
                                                                                                                findende Wandel von einer Politik
                                                                                                                der Umverteilung hin zu einer
                                                                                                                Politik der Anerkennung hat auch
                                                                                                                den Fokus auf das Thema gesell-
                                                                                                                schaftliche Ungleichheit maßgeb-
                                                                                                                lich beeinflusst.

                                                                                                                War der Blick auf das „Soziale“
                                                                                                                bis in die 70er Jahre des letzten
                                                                                                                Jahrhunderts geprägt von einem
                                                                                                                Kampf gegen die Ausbeutung der
                                                                                                                Arbeitskraft und einer Rhetorik
                                                                                                                des Klassenkampfs, so dominieren
                                                                                                                heute vor allem sogenannte dif-
                                                                                                                ferenzierte gesellschaftliche Min-
                                                                                                                derheitsdiskurse. Als gesellschaft-
                                                                                                                liche Leitfigur dazu dient vor allem
                                                                                                                die sogenannte „Mittelschicht“,
                                                                                                                die sich durch eine allumfassende
                                                                                                                Aufstiegs- und Konsumideologie
                                                                                                                auszeichnet. Gleichzeitig erzeugt

                                                                            Univ.-Prof. Dr.phil. Rudolf Egger
                                                                                                                die individualisierte Moderne für
                                                                                                                das Subjekt permanente Aufforde-
                                                                                                                rungen zur Selbstfindung, zu Indi-
                                                                                                                vidualität und Autonomie, um die
                                                                                                                persönlichen Potenziale jenseits
                                                                                                                einer Klassenzugehörigkeiten zu
                                                                                                                entfalten. Scheinbar haben sich
                                                                                                                dadurch die „alten“ Distinktions-
                                                                                                                merkmale zur Teilhabe an der Welt
                                                                                                                grundlegend geändert: es können
                                                                                                                heute z. B. ja alle alles studieren
18                                                                                                                                                           19

     und sich ihren Platz in Welt über      ums und es fällt ihnen schwerer,      demiologischen Studien gezeigt       grafischen Transitionen (wie z.
     Bildung „erlernen“. Dies gilt aber     Kontakte zu Professor_innen auf-      (vgl. Mielck 2005, Cutler/Lleras-    B. Auszug aus dem Elternhaus,
     nur bei oberflächlicher Betrach-       zubauen (Ecarius/Wigger 2006,         Muney 2010, Hurrelmann/Richter       Etablierung eines neuen Status
     tung, denn genauer hingesehen          Bargel/Bargel 2010). Sie sind         2013), dass bildungsfernere Per-     als StudierendeR, Ablösung vom
     zeigt sich, dass die Prinzipien        daher vor allem in atmosphärisch      sonen grundsätzlich ein risiko-      Herkunftsmilieu und Aufbau eines
     einer Klassengesellschaft grund-       „wärmeren“ Fächern wie (Sozial-)      bereiteres und der Gesundheit        „akademischen“ Netzwerkes etc.),
     sätzlich weiterhin funktionieren.      Pädagogik zu finden, oder studie-     abträgliches Verhalten an den Tag    besitzen alle ein hohes Potenzial,
     So wirken hier z. B. noch Selbst-      ren eher Fächer, mit denen man        legen (Hoffmann/Kröger/Geyer         mitgebrachte soziale, psychische
     exklusionsphänomene der gesell-        später etwas „praktisch“ machen       2018). Zudem sind diese Gruppen      und gesundheitliche Unterschiede
     schaftlichen Umgebung und der          kann (Maschinenbau oder Studien       statusbedingt größeren biografi-     zu vergrößern. Gerade die Ver-
     sozialen Zugehörigkeit. Eine lange     auf Fachhochschulen). Insgesamt       schen Belastungen ausgesetzt und     änderungen in der Struktur und
     Schulzeit ist „nur etwas für die       reichen soziale Ungleichheiten im     erhalten geringere oder weniger      Funktion sozialer Beziehungen
     anderen, die es sich leisten kön-      Studium von klaren Diskriminie-       gezielte soziale Unterstützung.      und Netzwerke, das Loslassen von
     nen“und die zufälligerweise meis-      rungen (Zugänge zu Auslandsstu-       Studierende, die aus solchen sta-    Bindungen zur Ursprungsfamilie,
     tens auch diejenigen sind, die         dien, Tutor_innenstellen etc.) über   tusniedrigen Milieus stammen,        die Außenzuschreibungen, dass
     mehr „Lust aufs Lernen“ haben.         Nachteile und Hemmnisse (gerin-       kommen also mit ungleich mehr        man/frau ja jetzt etwas „Besseres“
     Das noch immer bestimmende sozi-       gere Disponibilität von ökonomi-      erlebten Belastungen und weni-       ist, das alles sind Verunsicherun-
     ale und finanzielle Kapital macht      schen, sozialen und kulturellen       ger oder ineffektiveren sozialen     gen, die die sozialen und kultu-
     das Studium für Arbeiter_innen-        Mitteln beim Wohnen, bei kosten-      Copingstrategien an die Universi-    rellen Ressourcen in Frage stellen.
     kinder stärker zu einem Wagnis,        pflichtigen Förderkursen oder bei     tät, die wiederum einen Einfluss     Ist die Lebensphase Studium
     da ihnen die Universität und           Festen etc.) bis hin zu hemmenden     auf die im Lebensverlauf bestim-     durch vielschichtige Entwicklungs-
     deren akademische Kulturen meist       studientechnischen Bedingungen        menden biografischen Übergänge       dynamiken eine Hochphase des
     fremd sind. So lassen sie sich stär-   (eine verminderte Anbindung an        haben. Die Studienphase gilt aus     Erprobens (Beziehungen, Subs-
     ker vom „Uni-Bluff“ (vgl. Wag-         die Universität, zu Kommilitonen      einer soziologischen Ungleich-       tanzkonsum, verschiedene Lebens-
     ner 1977) einschüchtern, treten        und Lehrenden etc.).                  heitsperspektive generell als eine   und Etablierungsentwürfe) und
     weniger souverän auf, lassen sich      Was den Zusammenhang von sozi-        sehr bedeutende und dynamische       für alle jungen Erwachsenen her-
     stärker verunsichern. Sie haben        aler und gesundheitlicher Un-         Lebensphase andauernder indi-        ausfordernd, so hängt die Bewäl-
     größere Probleme mit der anfangs       gleichheit generell betrifft, so      vidueller Veränderung. Die hier      tigung dieser Erfahrungen eben
     hohen Anonymität eines Studi-          wurde in zahlreichen sozialepi-       durchlaufenden markanten bio-        stark von der bislang erlebten
20   Normalbiographie ab (d. h., was „muss“ ich aus meiner Sicht in einem                                                                                    21
     bestimmten Lebensabschnitt errechen). In der Biographie von
     Studierenden dürfte es enge Zusammenhänge zwischen sozialen und

                                                                                                                                  “Die Studienphase gilt
     gesundheitlichen Ungleichheiten, biografischen Übergängen, sozialen
     Netzwerken und Gesundheitsverhalten geben. Viele dieser Zusammen-
     hänge sind bislang aber kaum ausreichend erforscht. Ein vermehrtes
     „Social Mainstreaming and Monitoring“ ist den Universitäten hier auf
     jeden Fall zu empfehlen.
                                                                                                                                  aus einer soziologischen
     Literatur

                                                                                                                                 Ungleichheitsperspektive
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                                                                                                                                      generell als eine
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                                                                                                                                   sehr bedeutende und
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                                                                                                                                 dynamische Lebensphase
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                                                                                                                                 andauernder individueller
                                                                                                                                      Veränderung.“
Thematik: Frauen*
                                                                                den psychischen Belastungen zu        leben wir nach wie vor in einem
                                                                                kämpfen haben. Alleinerziehende       Patriarchat, in dem (strukturelle/
22   PSYCHISCHE GESUNDHEIT                                                      zählen zu den am meisten armuts-      familiäre) Gewaltverhältnisse und     23
                                                                                gefährdeten Bevölkerungsgruppen       Diskriminierungen von Frauen* an
     VON STUDIERENDEN FRAUEN*                                                   in Österreich. Neue Lebens- und       der Tagesordnung sind. Zumeist
     IN OSTERREICH Mag.a Karin Macke                                            Arbeitsformen sowie die erforder-
                                                                                liche Absolvierung von Praktika
                                                                                                                      wird jedoch eine Gleichheit der
                                                                                                                      Geschlechter behauptet und die
                                                                                verlangen räumliche und soziale       tatsächlichen Hierarchien und dar-
                                                                                Flexibilität. Solchen prekären        aus resultierenden Folgen wie z.B.
     Es gibt relativ wenige Studien zu diesem Thema, die aktuellsten Daten      Lebenslagen wird politisch nicht      die gläserne Decke, verschwiegen.
     finden sich in der Studierenden Sozialerhebung von 2019. Kritisch          mit gesellschaftlicher Solidarität    Es wird mit immer flexibleren
     muss angemerkt werden, dass diese Untersuchung auf einem binären           und     staatlicher   Absicherung     Geschlechterrollen argumentiert,
     Geschlechtermodell beruht und damit eine Gruppe ausschließt, die auf-      begegnet, sondern Eigenverant-        Faktum ist aber eine konservative
     grund vielfacher Diskriminierungen besonders stark unter psychischen       wortung der Gesellschaftsmit-         Geschlechterordnung und Macht-
     Belastungen leidet, non-binary/genderqueere Personen.                      glieder verlangt; soziale Siche-      verteilung. An Frauen* werden
                                                                                rungssysteme werden im Zuge           neue Ansprüche gestellt und
     Studierende sind vielen Stressoren    zwischenmenschlichen       Bereich   dieser neoliberalen Programmatik      gleichzeitig ­stillschweigend ange-
     ausgesetzt: Der Studienbeginn         sowie Panikattacken und anderen      abgebaut. Frauen* sind von die-       nommen, dass sie weiterhin
     ist eine belastende Situation, die    psychosomatischen Beschwerden.       sen Verhältnissen in mehrfacher       die unbezahlte Sorgearbeit über-
     Neuorientierung und das Knüpfen       53% der Studentinnen_ geben          Hinsicht betroffen. Studium und/      nehmen (Zehetner, 2020). Lebens-
     neuer Kontakte verlangt. Das          studienerschwerende psychische       oder Beruf, Familie und Haushalt      bedingungen sind für Personen,
     Studienleben ist von hohem            Beschwerden an, Kunststudentin-      zu bewältigen, ist nicht nur für      die als Frauen bzw. Männer
     Termin- und Leistungsdruck sowie      nen_ sind besonders stark betrof-    Alleinerzieher_innen ein täglicher    sozialisiert werden, verschieden,
     wachsendem       Konkurrenzdruck      fen. Frauen* geben häufiger als      Marathon und macht auf Dauer          sie werden daher unterschiedlich
     geprägt. Mit dem Studium ver-         Männer* psychische Beschwer-         körperlich und seelisch krank. Für    krank, zeigen unterschiedliche
     bundene Ortswechsel konfron-          den oder studienerschwerende         Gegenstrategien wie Innehalten        Symptome, werden unterschiedlich
     tieren mit Gefühlen plötzlicher       Stressfaktoren an. Studienunter-     und Muße, für Stille, Reflexion       diagnostiziert und vom Gesund-
     Fremdheit, Anonymität und Ein-        brechungen lassen sich oft auf       und Zeit für sich selbst, bleibt im   heitssystem unterschiedlich be-
     samkeit. Solche Krisensituationen     gesundheitliche Gründe, vor allem    Hamsterrad Alltag keine Zeit.         handelt, wie die Psychologin und
     können zu Anpassungsproblemen         auf psychische Faktoren zurück-      Diese Fakten belegen, dass psychi-    Psychotherapeutin Brigitte Schigl
     führen, die sich auf unterschied-     führen. 65% aller Studierenden       sche Probleme nie nur individuell,    erforscht und eindrucksvoll dar-
     liche Weise auswirken, z.B. in psy-   sind erwerbstätig, 7,5% haben        sondern immer auch gesellschaft-      gelegt hat (Schigl, 2012). Der
     chischer Anspannung, negativen        Kinder. Für diese Studentinnen_      lich bedingt und gesellschafts-       Körper als Austragungsort gesell-
     Veränderungen des Gemütszu-           ist die Vereinbarkeit ein Problem,   kritisch zu hinterfragen sind.        schaftlicher Machtverhältnisse ist
     standes, Lern- und Konzentrati-       besonders für alleinerziehende       Trotz aller Errungenschaften          also sowohl bei medizinischen wie
     onsschwierigkeiten, Prüfungs- /       Mütter, die mit großen finanziel-    zur Gleichstellung der Frau_          psychischen Problemen unbedingt
     Versagensängsten, Problemen im        len Problemen und daraus folgen-     in den letzten Jahrzehnten            mitzudenken. Weder Medizin noch
“Good girls Go To Heaven,                                             nistischer Beratung (Online und
                                                                                 face to face) und Psychotherapie
                                                                                                                                                     Mein Rat fur
                                                                                                                                                     Betroffene:
24                                                                                                                                                                                                          25
           Bad Girls Go Everywhere!”
                                                                                 sowie Gruppen. Studentinnen_
                                                                                 mit Fragen und Problemen jeg-                                       Verhältnisse ansprechen
                                                                                 licher Art sind herzlich willkom-                                   und kritisieren statt
                                                                                 men. Wir stellen den Gegensatz                                      heldinnenhaft zu scheitern!
     Psychologie oder Psychothera-        stehen und lernen, ihre Wut auf        Gesundheit - Krankheit in Frage:                                    Raus aus der Vereinzelung
     pie sind objektive Wissenschaf-      ungerechte Verhältnisse, ihren         Krankheit oder krankheitswertiges                                   und dem Vergleichen!
     ten, Symptome und deren Bewer-       Kampf um Autonomie und Eman-           Verhalten als Verweigerung von                                      Solidarisiert euch!
     tungen sind nicht genderneutral,     zipation anders auszudrücken,          Anpassung an krankmachende                                          Wehrt euch!
     Geschlecht als wertende Kategorie    entwickeln sie weniger selbstver-      Verhältnisse (z.B. Gewalt oder                                      Verweigert euch!
     ist immer und überall wirksam.       letzendes Verhalten (Zehetner,         Überforderung) kann ein Zeichen                                     Sucht Hilfe bei Expertinnen,
     Fazit: Der Druck, sich entlang       2012).                                 von psychischer Gesundheit sein!                                    niemand kann Probleme
     stereotyper Rollenbilder verhal-     Wir müssen also beharrlich auf         Wir erforschen mit den Klien-                                       immer alleine lösen!
     ten und diesen gerecht werden zu     Verbesserung von strukturel-           tinnen_ Entstehungsbedingun-
     wollen/müssen, verhindert Ent-       len Verhältnissen zugunsten von        gen ihrer Leidenszustände und
     wicklung und ist für Menschen        Menschlichkeit und Solidarität         die Bedeutung von Symptomen.                                        Meine Handlungsempfeh-
     aller Gender krank machend,          pochen, auf das Recht, als Frau_       Statt „Bin ich normal?“ fragen wir                                  lungen fur die Universitat:
     nonkonformes Verhalten befrei-       ein gutes und gelingendes Leben        „Ist das, was ich erlebe, normal?
     end und gesundheitsfördernd.         nach eigenen Vorstellungen füh-        Will ich, dass das so bleibt?“ Die                                  Vielfalt unterstützen,
     Bewusstsein dafür, dass wir nicht    ren zu dürfen. Wir müssen Nein-        Erkenntnis, dass die eigenen Pro-                                   Solidarisierung, Kooperation,
     ein Geschlecht „haben“, sondern      sagen, uns verweigern, der per-        bleme auch gesellschaftlich mit-                                    Denk-/Reflexionsräume fördern
     „Weiblichkeit_“ und „Männlich-       manenten Erreichbarkeit, dem           verursacht sind, wirkt entlastend                                   gendersensible Sichtweisen
     keit_“ permanent hervorbringen,      ständigen Perfektions-/Effizienz-/     und setzt dem Gefühl von persön-                                    sowie das Bewusstsein über
     eröffnet Handlungsmöglichkeiten,     Selbstoptimierungs-Zwang, dem          lichem Versagen etwas entgegen.                                     vielfältige Wirkungen der
     da doing Gender selbstbestimmter     Diktat     geschlechterkonformen       Gemeinsam entwickeln wir Gestal-                                    Kategorie Geschlecht fördern!
     denkbar wird. Geschlechtsspezi-      Verhaltens und Zeit für Wesentli-      tungsfreiräume. Dabei kann auch
     fische Krankheitsformen bergen       ches schaffen, herausfinden, wie       das Mittel des Kreativen Schrei-
     aber auch kritisches Potenzial,      wir immer wieder bei uns selbst        bens unterstützen, das wir in
     indem sie das Leiden an Gesch-       ankommen können. Dabei hilft es,       offenen Schreibgruppen anbieten.
     lechternormen aufzeigen. So sind     sich mit Gleichgesinnten zu ver-
     Depressionen, Ängste und Ess-        bünden, sich zu solidarisieren,      Literatur
     störungen für Frauen*„erlaubter“     und sich Ruhe-/Reflexions-/(Re)      Macke, K. (2020). (Selbst?) Verordnete Selbstfürsorge. In: B. Zehetner & K. Macke (Hg.innen): Freiheit und Feminismen.
                                                                               Gießen: Psychosozial-Verlag.
     als für Männer*, da die darin ent-   kreations-Räume zu erkämpfen.        Perez, C.C. (2019): Invisible Women. Exposing data bias in a world designed for men. London: Chatto & Windus.
     haltene Aggression nicht gegen       Frauen* beraten Frauen* www.         Schigl, B. (2012). Psychotherapie und Gender. Konzepte, Forschung, Praxis. Welche Rolle spielt die Geschlechtszugehörigkeit
                                                                               im therapeutischen Prozess? Wiesbaden: VS Springer.
     andere gerichtet ist. Sobald die     frauenberatenfrauen.at      bietet   Zehetner, B. (2012). Krankheit und Geschlecht. Feministische Philosophie und psychosoziale Beratung. Wien/Berlin: Turia + Kant.
     Betroffenen ihre Symptome ver-       solche Räume in Form von femi-       Zehetner, B. (2020). Feministische Beratung in Zeiten der Ökonomisierung zwischen Selbstoptimierung und Widerstand. In:
                                                                               B.Buchhammer (Hg.in): Philosophie in Zeiten der Ökonomisierung. Wien/Münster: LIT-Verlag.
Thematik: Manner*
                         WARUM MANNER-                                                                27
26
                         GESUNDHEITS
                         FORDERUNG?
                         UND WIE?
                         Mag.a Elli Scambor

                         Männergesundheit hat sich in den       et al., 2004). Auch im Green
                         letzten 20 Jahren in kritischer Dis-   Paper Männergesundheitsförde-
                         tanz zur androzentrischen Norm in      rung (Scambor, 2013), das sich
                         der Medizin, ihrer Bezugswissen-       auf Interviews mit Gesundheitsex-
                         schaft, entwickelt und hat dabei       pert_innen stützt, wurden spezifi-
                         als interdisziplinäres Gebiet poli-    sche Maßnahmen der Gesundheits-
                         tische, soziale, medizinische und      förderung für Männer* aber auch
                         psychische Aspekte in die Diskurse     die Berücksichtigung von Deter-
                         einbezogen. Seit etwa 10 Jahren        minanten, die die Zielgruppe Män-
                         wird Männergesundheit in politi-       ner* (Alter, Bildung, etc.) auffä-
                         schen Strategien und Zielpapieren      chern, als notwendig erachtet.
                         sichtbar und sowohl Studien als        Einigung bestand darüber, dass
                         auch aktuelle Diskussionen fokus-      allgemein ausgerichtete Angebote
                         sieren Gesundheit und Geschlecht       der Gesundheitsförderung eher
                         in zunehmend differenzierter           Frauen* als Männer* erreichen,
                         intersektionaler (Crenshaw, 1998)      handelt es sich dabei doch um
                         Perspektive (z.B. sexuelle Orien-      ein Feld, das betreuungs- und
                         tierung, Religion, Alter, Herkunft,    fürsorgerelevante Aspekte (care)
                         sozioökonomische Lage; OECD,           anspricht, ein traditionell Frauen*
                         2017; Austrian Health Interview        zugewiesenes Feld in unserer
                         Survey, 2014; Bergmann et al.,         Gesellschaft: „Es sind eher die
                         2014; White et al., 2011; White        weichen, die Zufriedenheitssei-
                         & Raine, 2012; EC, 2011; Raml,         ten, die Ich-sorge-mich-um-mich-
                         Dawid & Feistritzer, 2011; Habl        selbst-Seiten usw., demgegenüber
haben wir Männlichkeitsnormen,         sondern den Selbstsorge-Aspekt
28   die Gesundheit als Risiko-Gesund-      in den Mittelpunkt rücken, werden                                                                              29
     heit fassen, sprich: Ich zeige, dass   von Männern_ häufig nicht wahr-
     ich gesund bin dadurch, dass ich       genommen: „Allein wenn das Wort
     riskant lebe. Indem ich viel aus-      Gesundheit fällt, schalten viele
     halte … indem ich nicht so genau       Männer* ab … da haben sie das
     hinschaue bei Gesundheitssachen        Gefühl, das geht mich nichts an.
     kann ich dafür meinen Status als       (Bissuti)“ (Scambor, 2013, S. 60).
     Mann oder mich als männlich …          Das hat u.a. mit hegemonialen
     inszenieren. (Bissuti)“ (Scambor,      Geschlechterordnungen (Connell,      Informationen unter Betroffenen      lichkeiten und ihrer Alltagsprak-
     2013: 59). Gesundheitsfördernde        2000) und den darin eingelassenen    erleichtern. In solchen Safe         tiken: “With encouragement to
     Angebote, die Gesundheit nicht         Normen und Erwartungen zu tun.       Spaces können Probleme disku-        recognize and support ‘more alter-
     als Risiko-Gesundheit begreifen,                                            tiert und angegangen werden.         native masculinities, the hetero-
                                                                                 Zusätzlich muss auf das Thema        geneity of masculinities can gain
                                                                                 ‚Psychische Gesundheit bei Män-      more recognition, and the rigid
     Breaking the Silence                                                        nern_‘ an der Universität aufmerk-   gender norms which confine men’s
     Internationale Studien zur psychischen Gesundheit von Studierenden          sam gemacht werden. Dazu bedarf      identity formations within the
     zeigen, dass Student_innen vor besonderen Herausforderungen stehen,         es bewusstseinsfördernder Maß-       limits of hegemonic masculinity
     die zu einer schlechten psychischen Gesundheit führen können. Whitley       nahmen, bspw. einer Informati-       can be loosened’ (Scambor et al.
     (2018) zufolge leidet jede_r vierte Student_in an einer psychischen         onskampagne. Studierende müssen      2019, 66)” (Scambor et al. 2019,
     Erkrankung und ein Großteil gibt an, sich überfordert zu fühlen.            wissen, wohin sie sich wenden        73f.). Geschlechtersensible Lehre
     Während Frauen* vermehrt an Depressionen und Essstörungen leiden,           können, wenn sie unter Druck         eröffnet männlichen Studierenden
     zeigen sich bei Männern_ höhere Suizidraten, Drogenmissbrauch               geraten. Und es muss klar sein,      u.a. die Möglichkeit, selbst zu
     und eine geringere Inanspruchnahme von psychosozialen                       dass auch männliche Studierende      ‚Agents of Change‘ zu werden,
     Unterstützungsangeboten. Hinzu kommt ein Mangel an spezifischen             unter Druck geraten können, ver-     also kritische Fragen rund um
     gesundheitsfördernden Angeboten für männliche Studierende.                  letzbar sind, sowohl psychisch als   Dominanz und Anspruchsberechti-
     Diese wären aber dringend erforderlich, denn männliche Studierende          auch körperlich. Dazu müssen wir     gung zu stellen und sich dadurch
     neigen dazu, im Stillen zu leiden und sich mit Substanzen selbst            tradierte Vorstellungen von Männ-    von einschränkenden Männlich-
     zu „behandeln“. Wie kann es gelingen, über tabuisierte Themen ins           lichkeit kritisch hinterfragt wer-   keitsanforderungen befreien zu
     Gespräch zu kommen?                                                         den und beziehungsorientierte        können. Caring Masculinities als
                                                                                 Männlichkeiten, Caring Masculini-    Querschnittsthema, das auch
     Es geht wohl zuallererst darum,        angeboten werden können. Män-        ties (Scambor et al. 2016), in den   strukturell verankert ist, ermög-
     einen sichereren Raum herzu-           ner*gesundheitsgruppen könnten       Fokus rücken.                        licht, fürsorgliche Umgangsweisen
     stellen, einen Safe Space (Ali,        einen sicheren Raum für Diskus-                                           mit sich selbst und mit anderen
     2017; Arao & Clemens 2013), in         sionen rund um aktuelle Problem-     Auch die Lehre selbst ist ein Feld   zu vertiefen und damit zu einer
     dem Erfahrungen ausgetauscht           lagen bieten sowie Peer-Support      für die Vermittlung demokrati-       gesünderen und fürsorglicheren
     und gegenseitige Unterstützung         und den Austausch nützlicher         scher, nicht-hegemonialer Männ-      Gesellschaft beizutragen.
30   Literatur                                                                                                                 31
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Thematik:
32                                                                                   ‚Den Klassiker‘, also dass mir      und queerinklusive Lehre endet        33
      LGBTIQ+/Queer Community
                                                                                     mein Pronomen oder mein Vor-        nicht bei Etiketten.
                                                                                     name abgesprochen wurde, habe       Mindestens ebenso schwer wiegt,
                                                                                     ich nur einmal erlebt. Doch noch    dass unsere Existenz und unsere
                                                                                     immer beginnen die meisten          Lebensweisen in Curricula, Vor-
                                                                                     Seminare damit, dass Namenslis-     lesungsverzeichnissen und Semi-
     Universitat anlegen
                                               Bin ich zu drastisch? Zu laut? Zu     ten mit jenen Vor- und Nachna-      naren verschwiegen werden.
                                               urteilend? Unsicherheit, Zögern,      men vorgelesen werden, die sich     Wie kann es sein, dass sich ‚trans‘
                                               mein flauer Bauch begleitet mich,     in unseren Dokumenten finden. So    als Begriff in keinem der Texte
                                               während ich diese Zeilen schreibe,    wird der Beginn der allermeisten    fand, die ich in den Veranstal-
                                               sie immer wieder umstelle. Mein       Seminare zu einem Zwangsouting.     tungen der Gender Studies las?
                                               Körper wird zum Resonanzraum,         Außer aber, ich interveniere oder   Dass fast jede_r Autor_in cis-
                                               zum Sensor für die Machtverhält-      bitte Freund_innen zuvor, dies an   geschlechtlich war? Meine Scham,
                                               nisse, die ‚uns Queers‘ an der Uni-   meiner Stelle zu tun: „Bitte nur    die ich empfand, immer wieder
                                               versität durchdringen, die ‚uns‘      die Nachnamen vorlesen.“ Ent-       darauf hinzuweisen, dass nur cis
                                               belasten, ‚unsere‘ psychische         sprechend bin ich jedes Mal ner-    Erfahrungen und Perspektiven im
                                               Gesundheit angreifen. Mein Kör-       vös, wenn ein Seminar beginnt.      Kanon Raum finden, meine Scheu,
     Sich mit der

                                               per lässt mich spüren: Über psy-      Unruhig bin ich selbst dann, wenn   den Begriff cis überhaupt zu
                                               chische Gesundheit von queeren        ich bereits vor Seminarbeginn       verwenden – heute, am Ende mei-
                                               Studierenden zu schreiben, heißt,     der_dem Dozent_in eine Mail         nes Studiums, kann ich sie als
                                               sich mit der Institution Universi-    schreibe, mich vor ihr_ihm oute,    Verinnerlichung jener cis-zent-
                                               tät anzulegen.                        ohne sie_ihn jemals persönlich      ristischen Strukturen der Sozial-
                                                                                     erlebt zu haben. Hier, doch nicht   wissenschaften begreifen. Und
                                               Dabei ist das ‚Wir‘ von dem ich       nur hier, bedeutet trans_, inter_   dennoch verlasse ich den Kurs oft
                                               schreibe, eine Fiktion. Ich formu-    oder nicht-binär zu sein, Ver-      mit dem schmerzhaften Gefühl, zu
                                               liere es aus einer weißen, ablei-     trauen vorzuschießen oder auf       viel Raum eingenommen zu haben,
                                               sierten, der Mittelschicht ent-       Irritationen, überraschte Blicke    wenn ich auf die transfeindlichen
                                               stammenden, transweiblich-gen-        und hochgezogene Augenbrauen        Leerstellen in der Seminarliteratur
                                               derqueeren Perspektive. Zudem         zu reagieren. Diese sind Platz-     hinwies.
                           Zoe* Steinsberger

                                               kann ich nur über Erfahrungen         einweiser, Veranderer: „Du liegst
                                               in den Sozial-, Kultur- und Geis-     außerhalb der Norm. Erklär dich.“   Während den Seminaren selbst
                                               teswissenschaften sprechen, vor                                           wird uns – nach Zögern zumeist,
                                               allem den Gender Studies, die ich     Uber Pronomen und Namen hinaus      gönner_innenhaft oft – der Platz
                                               selbst studiere.                      Doch trans-, inter-, nichtbinär-,   eingeräumt, „unsere eigene, per-
34                                                                                                                                                          35

     sönliche“ Perspektive einzubrin-      Zumeist ist gilt unser Wissen auch    gen für queere Studierende nur        cishetero Personen. Sie verdrängt,
     gen, um das gellende Schweigen        heute noch als interessant, aber      in Uniräumen zu verorten greift       dass wir oft länger einen Nebenjob
     der Theorie zu übertönen. 2020        nicht wesentlich, als persönlich,     jedoch zu kurz, auch wenn uns         suchen und wenn wir ihn gefunden
     sind wir nicht mehr der Labor-        aber nicht wissenschaftlich. Oder     genau dies die Antidiskrimierungs-    haben in aller Regel viel schlech-
     frosch, als der Jamison Green         aber wir werden zu Botschaf-          politiken der Universität nahe-       ter verdienen.
     noch in den 2000er Jahren in          ter_innen unserer interessanten,      legen. Die alltäglichen Blicke,       Darum verweist psychische Ges-
     Seminaren und Vorlesungen adres-      sonderbaren Spezies: Vereinzelt       Sprüche, das Lachen, teils das        undheit notwendiger Weise dar-
     siert wurde: „I mean, uh, can you,    in der Universität durch die trans-   Spucken und die Drohungen im          auf, immer wieder Verbündete zu
     like, do it?“.                        feindliche Diskriminierung, die       öffentlichen Raum, die zusätz-        suchen, soziale und politische
     Doch noch immer sind unsere           uns aus den Schulen drängt, sollen    liche Last, die die Konflikte mit     Kämpfe zu führen – in und außer-
     Körper und Lebensweisen Objekte,      wir wenigen für ‚Alle‘ sprechen,      unseren Familien mit uns bringen,     halb der Uni – und aufmerksam
     von denen erwartet wird, dass wir     obwohl es doch nur die Privi-         interessieren sie nicht. Die libe-    dafür zu bleiben, wo liberale uni-
     sie bereitwillig zur Schau stellen,   legiertesten unter uns an die         rale Illusion der geschlechterge-     versitäre Diversitäts- und Sprach-
     dass wir sie nur allzu gerne zu       Universität geschafft haben.          rechten Universität bleibt igno-      politiken darauf zielen, jene
     Schlachtfeldern über die Aus-                                               rant dafür, dass viele von uns weit   strukturellen Ungleichheiten zu
     einandersetzung machen, was           Liberale Illusionen verweigern        weniger finanzielle Unterstützung     verdecken, die der neoliberalen
     Geschlecht nun eigentlich sei.        Die Ungleichheiten und Belastun-      von ihren Verwandten erhalten als     Universität inhärent sind.
Thematik:                                                                    Teilnehmer_innen sind Studier-       Rassismen nur von ungebildeten
36   Rassismus                                                                    ende am Juridicum, der SFU, der      Personen (re)produziert werden,      37
                                                                                  TU, der BOKU, der Akademie der       die am Land leben. Dieses Denk-
                                                                                  bildenden Künste, verschiedenen      muster fungiert zugleich auch als
                                                                                  FHs und der Universität Wien.        Ausrede und Abwehrmechanismus,
                                                                                                                       wenn Personen auf ihrer Repro-
     Wie es ist, wenn Studierende                                                 Uns ist bewusst, dass wir von        duktion von Rassismen ange-
     von der Uni heilen mussen -                                                  keinem allumfassenden „wir“ spre-
                                                                                  chen (können). Nicht alle BIPoC
                                                                                                                       sprochen werden. Ohne Zweifel
                                                                                                                       ist Rassismus weder ans Bildungs-
     BIPoC Student Empowerment                                                    Studierende machen dieselben
                                                                                  Erfahrungen. Es gibt sehr viele
                                                                                                                       niveau noch an einen ländlichen
                                                                                                                       Standort gebunden. Hier greifen
     Farah Saad B.A., B.A. & Parissima Taheri M.A., M.Sc.                         unterschiedliche gesellschaftliche   mehrere Diskriminierungsmecha-
                                                                                  Positionierungen von BIPoC Stu-      nismen ineinander: Rassismus wird
                                                                                  dierenden, wir sind keine homo-      externalisiert, indem er ledig-
                                                                                  gene Gruppe; wir bewegen uns         lich Personen zugeschrieben wird,
     “This is a BIPoC Safer Space. Please   diesmal sind wir hier unter uns.      unterschiedlich auf dem Spektrum     die abgewertet werden: Hier trifft
     do not disturb” haben wir an die       Nehmt Euch Zeit, um Euch umzu-        von Macht und Privilegien. Viele     Rassismus auf Klassismus. Ein sol-
     Tür gehängt, während ungefähr          schauen, anzukommen und den           Personen machen überlappende         cher Erklärungsansatz verschlei-
     15 Studierende von verschiedenen       Schutzpanzer abzulegen.” Einige       und sich verstärkende Diskriminie-   ert, dass im Herzen Wiens an
     Wiener Universitäten und Institu-      stille Minuten folgten und wir        rungserfahrungen aufgrund von        Universitäten auch heute noch
     ten sich im Raum ausbreiteten.         haben gespürt, wie sich die           class, gender, dis_ability, etc.     Kolonialgeschichte, kolonial-ras-
     Die Stimmung war zu Beginn noch        Gruppe kollektiv entspannt und        Außerdem gibt es sicherlich          sistische Sprache, beleidigende
     angespannt, die meisten kannten        ausatmet. Es gibt ein paar trä-       BIPoC Studierende, die keine sol-    und diskriminierende Stereotype,
     sich gegenseitig nicht und kamen       nende Augen, einige Seufzer und       che Erfahrungen machen. Dieser       eurozentrische, orientalisierende
     von verschiedenen Studienrich-         viele Lächeln. Jetzt können wir       Artikel ist all jenen von uns        Inhalte und rassistische Mate-
     tungen. Allen Teilnehmer_innen         beginnen von dem täglichen pro-       gewidmet, die leider tägliche Ras-   rialien gelehrt, verwendet und
     war eines gemein: Wir alle suchen      blematischen und auch triggern-       sismuserfahrungen an den Univer-     produziert werden; und so der
     einen Safer Space für BIPoC_ Stu-      den Universitätsalltag kollektiv zu   sitäten machen müssen. This goes     weiße, kolonialistische, rassisti-
     dierende, um bestimmte Gefühle,        heilen. Der Prozess wird nach die-    out to all of us who need to heal    sche, patriarchale, ableistische
     Ungerechtigkeiten, Ängste und          sen drei Stunden noch lange nicht     from the university.                 Wissenschaftskanon reproduziert.
     Erfahrungen im Universitäts- und       abgeschlossen sein, im Gegen-
     Alltagsleben mit Menschen zu           teil: er beginnt hier erst. Seit      Universitat als wiederkehren-        BIPoC Studierende stehen also
     besprechen, die einen ähnlichen        August 2019 haben wir mühsamst        des institutionelles Trauma          andauernd vor der kritischen Ent-
     Erfahrungshorizont haben.              drei BIPoC Student Empowerment        Symptomatisch für die Universi-      scheidung sich durchzusetzen oder
     “Schaut euch um. Ja, wir sind          Sessions erarbeiten können und        tät Wien ist das inhärente elitäre   zu schweigen, dies entspricht auch
     in einem Universitätsraum, aber        haben noch viele weitere vor. Teil    und klassistische Denken, dass       den Trauma-Reaktionen: Fight,
Farah Saad B.A., B.A. & Parissima Taheri M.A., M.Sc.

     Flight, oder Freeze. Alle Optionen    situiertes Wissen nicht anerkannt
                                                                                 beeinflussen. Die HIPP Theorie           damit einhergehenden unter-
     haben Konsequenzen sowohl für         wird. “Wie kann ich diese Arbeit                                                                                      39
38                                                                               von Resmaa Menakem verbindet 4           schiedlichen Zugänge zu Ressour-
     den Studienverlauf als auch für       indirekter, weniger ehrlich und
                                                                                 Aspekte des Racialized Trauma von        cen, indem postuliert wird “wir
     die Person selbst. BIPoC Studie-      angenehmer für eine_n weiße_n
                                                                                 BIPoC: historisches, transgenera-        sind alle gleich”. Obgleich ein
     rende, die kommunizieren, dass        Professor_in machen?” wird immer
                                                                                 tionales, wiederkehrendes institu-       solcher Standpunkt aus einer
     etwas beleidigend, diskrimi-          wieder in unseren Sessions bespro-
                                                                                 tionelles und persönliches Trauma.       guten Absicht kommen mag,
     nierend und problematisch ist,        chen. “Wenn ich X oder Y erwähne
                                                                                 Traumafolgen können von Hyper-           reicht diese oft nicht, beziehungs-
     werden meist kollektiv ge-gas-        muss ich es womöglich dann per-
                                                                                 vigilanz bis zu psychiatrischen          weise macht eine gute Absicht
     lighted_, indem uns verbalisiert      sönlich diskutieren, oder fliege
                                                                                 Diagnosen reichen. Erfahrungen           den Schaden nicht geringer.
     wird, dass wir übersensibel, zu       im schlimmsten Fall sogar durch.”
                                                                                 von BIPoC Personen automatisch
     subjektiv sind und dass wir den       Eine Universitätskultur, die so
                                                                                 zu pathologisieren und somit zu          Symptomatisch für Colorblindness
     Unterricht stören. Viele BIPoC        stark auf Colorblindness_ beharrt,
                                                                                 individualisieren ist jedoch wieder      an Universitäten ist weiters, dass
     Studierende schaffen es trotz         zeigt mit dem Finger direkt auf
                                                                                 ein Schritt in die falsche Rich-         manche Inhalte von Lehrveran-
     der vielen Mikro- (und Makro-)        Studierende, die die Aufmerksam-
                                                                                 tung. Stattdessen sollten syste-         staltungen nicht für alle Studie-
     Aggressionen_ das Universitäts-       keit auf Rassismus richten. Dabei
                                                                                 matische Veränderung angestrebt          rende das Gleiche bewirken und
     leben zu navigieren. Andere ver-      werden Personen, die Rassismen
                                                                                 werden, um das wiederkehrende            auswirken oder inhaltlich gar
     lassen bestimmte Seminare, mei-       sichtbar machen, als Problem dar-
                                                                                 institutionelle Trauma an diversen       nicht für bestimmte Gruppen kon-
     den bestimmte Lehrpersonen und        gestellt und nicht die Thematik
                                                                                 Einrichtungen (hier Universitäten)       zipiert sind. Das gilt auch jenseits
     verzögern damit ihre akademische      selbst. Wie viel könnten BIPoC
                                                                                 zu vernichten: Genau dies muss           von race und kann auch auf andere
     Laufbahn und riskieren folglich       Studierende aus dem Studium her-
                                                                                 Teil der Aufgabe von Lehrbeauf-          Diskriminierungsformen umgelegt
     in vielen Fällen auch finanzielle     ausholen, wenn wir das Privileg
                                                                                 tragten sein.                            werden. Denn ein wesentlicher
     Unterstützungen. Andere BIPoC         hätten uns ausschließlich dem zu
                                                                                                                          Teil des Lernens ist die Möglich-
     Studierende brechen ganze Stu-        widmen und das ohne diese alltäg-
                                                                                 Fur wen sind welche Inhalte              keit, Fehler machen zu können.
     diengänge ab, weil die komplette      lichen Ablenkungen, Kränkungen,
                                                                                 und auf wessen Kosten werden             Bestimmte Fehler können aber nur
     Studienrichtung problematisch ist.    Verletzungen und Überlebensstra-
                                                                                 welche Inhalte gelehrt?                  auf Kosten bestimmter Seminar-
     Viele BIPoC Studierende wissen        tegien? Wir könnten einfach nur
                                                                                 Es gibt an den Universitäten in          teilnehmer_innen geschehen. Das
     auch, dass sie sich so gut wie        studieren, ohne uns in einer der
                                                                                 Wien keinen (richtigen) Umgang           wirft die Frage auf: Für wen sind
     möglich anpassen und Code-Swit-       vielen Rollen wiederzufinden; sei
                                                                                 mit race_. Lehrpersonen und Stu-         gewisse Inhalte bestimmt? Das
     chen_ müssen, um ihr Studium          es als killjoy, als Beauftragte für
                                                                                 dierende klammern sich an ihre           zeigt wiederum auf, dass die Uni-
     positiv abzuschließen. Die Prob-      Bildungsarbeit, als un/sichtbar
                                                                                 Colorblindness, in der Hoffnung,         versität kein inklusiver Raum ist.
     lematik, dass viele BIPoC Studie-     oder als Quoten-BIPoC.
                                                                                 das Thema zu umgehen und rich-           Umso wichtiger ist es, Räume zu
     rende tatsächlich mehr relevantes
                                                                                 ten dabei erheblichen Schaden            schaffen, in denen BIPoC Studie-
     Wissen bzgl. Rassismus haben als      Es gibt viele Studien dazu, wie
                                                                                 an. Einer der größten Schäden            rende sich zusammenschließen
     Lehrende führt oft dazu, dass sie     diese Mechanismen, Zuschreibun-
                                                                                 ist die Verzerrung von unglei-           und bestärken können. Im Unter-
     sich oft nicht trauen ihre Arbeiten   gen und Verletzungen die psycho-
                                                                                 chen Positionierungen und die            schied zu anderen Universitäten,
     “richtig” abzugeben, weil unser       logische Gesundheit von BIPoC
etwa in Großbritannien und            renden so empowernd ist: Viele        Affirmative Notes an BIPoC
     Deutschland, haben die Universi-      Studierende zählen in Semina-                                                                              41
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     täten Österreichs keine offiziellen   ren und Vorlesungen zu den ein-
     Strukturen mit spezifischem Budget    zigen BIPoC Personen und haben
     von und für Schwarze Studierende      das Gefühl, nur sie kämpfen mit
     und Studierende of Colour. Es gibt    diesen Problemen. Sich dann in        Liebe Schwarze Studierende
     zwar Referate der Österreichischen    einem Raum zusammenfinden und         und Studierende of Color:
     Hochschüler_innenschaft für Anti-     erst richtig zu verstehen, dass wir
     rassistische Arbeit, die wichtige     eine doch große Gruppe sind, die      We see you.                     all Strategie, um mit der
     Arbeit machen. Diese Referate mit     alle gemeinsam diese Kämpfe füh-      We are holding space for you.   Universität umzugehen.
     einem BIPoC Referat gleichzustel-     ren, ist bestärkend und führt zu      Es ist nicht unsere Aufgabe     Schaut auf Euch, findet
     len wäre jedoch wieder ein Beispiel   Verbindungen innerhalb der Stu-       Bildungsarbeit zu leisten.      eine Balance zwischen
     für Colorblindness. Wenn Posten       dienrichtungen, aber auch univer-     Es ist ok, nicht alles zu       Reagieren und Agieren.
     nicht exklusiv von BIPoC besetzt      sitätsübergreifend.                   kommentieren.                   Entscheidet für Euch
     sind, können diese Referat für                                              Es ist ok, zu stören, zu        jenseits von Rollen, die ihr
     Studierende, die Rassismus erfah-     Als historisch und aktuell weiße,     unterbrechen, zu kommentieren   einnimmt und jenen Rollen,
     ren, kein sicherer Ort sein. Zumal    ausschließende, elitäre und kolo-     und “killjoy” zu sein.          die Euch zugeschrieben werden.
     manifestiert sich der struktu-        niale Institutionen haben die         Es ist okay, unkommentiert      Findet Eure eigene Balance!
     relle Rassismus der Universitäten     Universitäten in Wien eine Ver-       aufzustehen und den Seminar-    Kommt zu unseren Sessions.
     auch in der Hochschüler_innen-        antwortung aktiv rassismus- und       raum zu verlassen.              Wir sind zwar verstreut, aber wir
     schaft. Insofern wäre zwar ein        diskriminierungskritisch zu sein.     Es ist okay, mit weißen         sind viele. Ihr seid nicht allein.
     BIPoC-Referat ein erster Schritt,     Es wird jedoch sicherlich noch        Allies Interventionen zu        Eure Wahrnehmung stimmt, lasst
     aber bei weitem noch nicht die        dauern wird bis die Universitä-       planen und durchzuführen.       Euch nicht gaslighten und gas-
     Endstation.                           ten (in Wien) dekoloniaisiert_        Es ist okay, die                lighted Euch bitte nicht selbst.
     Symptomatisch ist dafür etwa die      werden. Dieser Prozess wird maß-      problematischen LVs “abzusit-   Wir schicken Euch viel Kraft.
     große Schwierigkeit unsere Ses-       geblich von BIPoC Studierenden        zen”, um abzuschließen.
     sions von der Österreichischen        getragen. Schritte in diese Rich-     Es ist ok, die_den              Handlungsempfehlungen für
     Hochschüler_innenschaft finan-        tung sind etwa die kritische Über-    LV-Leiter_in zu melden.         Universitäten:
     zieren zu lassen. Die Wichtig-        arbeitung der Curricula und der       Es gibt keine one-size-fits-    Decolonize!
     keit unseres Lernens und unserer      Inhalte, die Auseinandersetzung
     Psyche wird also nach jeder Ein-      damit, welche Lehrende welche
     heit neu entschieden, und wurde       Themen lehren, und entspre-
     auch bereits als nicht wichtig        chende (finanzielle) Strukturen,
     genug eingeteilt und ohne Ant-        die jene Studierende unterstützen,
     wort abgelehnt. Und dies obwohl       auf deren Kosten gelehrt und
     das Vernetzen von BIPoC Studie-       gelernt wird.
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