RICHTUNGSWAHL FÜR ZEITARBEIT - IG Zeitarbeit
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2 EDITORIAL Zeitarbeitsbranche braucht politische Planungssicherheit In den vergangenen fünf Legislaturperioden standen stets auch Veränderungen des Arbeitnehmerüberlas- sungsgesetzes (AÜG) auf der Tagesordnung des Bun- destages. Mal ging es um Liberalisierungen, wie die Abschaffung der Höchstüberlassungsdauer, mal gab es Anpassungen an EU-Richtlinien, dann wurde eine Lohn- unterschranke allgemeinverbindlich normiert oder mit der letzten AÜG-Reform wieder eine Rolle rückwärts mit vormaligen Restriktionen vorgenommen. Selbst ein faktisches Einsatzverbot von Zeitarbeit in der Fleischin- dustrie war leider kein Tabu mehr – wie bislang nur im Bauhauptgewerbe grundsätzlich vorgesehen. Dieses Hü und Hott führt dazu, dass die Personaldienst- leistungsbranche immer wieder in den Fokus von kon- troversen Debatten gerät und der Eindruck vermittelt Beschäftigungsmarkt und die Gesellschaft insgesamt wird, hier gehe es um Akteure, die stets neu gesetzlich leisten kann, wenn bestimmte Leitplanken beachtet eingehegt werden müssten. Anlass für die Aktivitä- werden. Diese haben wir in Wahlprüfsteinen an die ten des Gesetzgebers waren aber nur einzelne krasse Parteien und Kandidaten für den neuen Bundestag Vorfälle, wie etwa bei Schlecker oder Tönnies, die ver- zusammengefasst. allgemeinert wurden, um Handlungsdruck zu rechtfer- tigen. Nach dem Motto: mitgehangen, mitgefangen. Die Bundesregierung steht vor gewaltigen Aufgaben. Zum Leidwesen aller anständig arbeitenden Zeitarbeits- Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch unternehmen. um den grundlegenden (digitalen) Strukturwandel in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Eigentlich Wird sich diese fatale Ungewissheit in der „Quo-vadis- wären für solche Probleme die Mehrheiten einer kom- Frage“ auch in der nächsten Wahlperiode einstellen? promissfähigen, großen, aber nicht nur dualen Koalition Schaut man in die Programme der Parteien zur Bundes- nötig. Fest steht aus unserer Sicht: Wer die Wege in die tagswahl findet man ein breites Spektrum an Forderun- Zeitarbeit zukünftig noch schmaler machen will, wer gen – vom Verbot der „Leiharbeit“ über Einsatzquoten Verbotsschilder auf diesen Pfaden aufstellen will oder beziehungsweise Entgeltregelungen („Equal pay nebst Zerrbilder über unsere Branche entwirft, der verspielt Flexibilitätsprämien“) und Abschaffung der Tariföff- die Integrationschancen vieler Menschen und handelt nungsklausel bis zum Erhalt des Status quo oder vor- auch volkswirtschaftlich unverantwortlich. Denn ge- sichtigen Reformschritten, wie die Abschaffung der rade auch in der Corona-Pandemie haben wir wieder Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Als Bran- gezeigt: Wir sind nicht das Problem, sondern wichtiger chen-Arbeitgeberverband sind wir parteipolitisch Bestandteil von Lösungen. Die Branche steht für Fle- neutral und rufen nicht zur Stimmabgabe für eine be- xibilität und (tarifierte) Sicherheit und hat es verdient, stimmte Partei auf. Aber wir haben klare Auffassun- auch von der Politik als (schadstofffreier) Antriebsmotor gen, welche positiven Beiträge die Zeitarbeit für den gefördert, statt gedrosselt zu werden. RA Werner Stolz | iGZ-Hauptgeschäftsführer
Z direkt! 02/2021 INHALT 3 Inhalt EDITORIAL ..................................................................................................... 2 KOMPAKT ...................................................................................................... 4 TITELTHEMA Richtungswahl für Zeitarbeit – was wäre wenn ........................................... 6 Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf – was der iGZ fordert ........................ 8 Wahlprogramme im Check – die Rolle der Zeitarbeit ................................ 11 Kanzlerkandidaten im Check – wer wo überzeugt .................................... 14 Bundestagswahlkampf 2021 – die Sicht des Wahlforschers ......................18 Wahlkämpfe der Vergangenheit – Rezzo Schlauch blickt zurück.................... 20 So funktioniert politisches Engagement ..................................................... 22 Wahlkampf in der Zeitarbeit – ein Ortsbesuch .......................................... 24 Vorsicht – Vorurteile gegen die Zeitarbeit .................................................. 26 Erfolgsmodell Zeitarbeit – mit Bundestagsabgeordneten diskutiert ........ 28 GASTBEITRAG Die Causa Fleisch – wie sie Prof. Thüsing sieht .......................................... 30 CORONAKRISE Optimistisch trotz Umsatzeinbußen ............................................................... 32 DIGITAL UNTERWEGS iGZ-Mitgliederversammlung – Schubert bestätigt ..................................... 35 iGZ-Bundeskongress – live aus dem Greenscreen-Studio .......................... 36 iGZ-Bundeskongress – Ich glaub`, mein Schwein pfeift ............................. 38 iGZ-Forum Personalmanagement – das neue Normal ............................... 40 BILDUNG Zeitarbeit in der Handball-Bundesliga ......................................................... 42 PDK: Vier neue Azubi-Botschafter .............................................................. 44 Sommer der Berufsausbildung – Mitmachen gewollt ............................... 46 AKTIV Werbefläche für den guten Zweck – Kunst auf dem Rad ......................... 48 Matchtime-personal.de – passende Zeitarbeitnehmer finden .................. 50 Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen erfolgen geschlechterunabhängig. Sie werden ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet.
4 KOMPAKT Zdirekt! für mediaV-Award nominiert Gleich für zwei Kategorien ist der iGZ für den mediaV-Award nominiert: für die beste Verbandszeitschrift und für das beste Titelbild. In der ersten Hochphase der Pandemie hatte sich der iGZ dazu entschlossen, Lichtblicke für die Zeitarbeit in DAS FACHMAGAZIN FÜR ZEITARBEIT 02/2020 der Coronakrise zu suchen und abzubilden. Das Titelbild der Ausgabe 2/2020 zeigt unter dem Motto „Lichtblicke in der LICHTBLICKE Coronakrise“ echte Gesichter von Zeitarbeitskräften aus der in der Coronakrise Kampagne „Zeitarbeit: Eine gute Wahl. In der Krise.“ – ganz so wie unsere Branche ist: vielseitig, kompetent und flexibel. Die Zdirekt! erfüllt den klassischen Anspruch eines Verbands- magazins, über News aus dem Verbandsleben zu berichten. Als Fachmagazin beleuchtet es aber vor allem arbeitsmarkt- politisch relevante Themen und liefert Handlungshilfen für Personaldienstleister. Mit dem mediaV-Award – ausgelobt vom Fachmagazin Ver- bändereport – werden herausragende Kommunikations- projekte von Verbänden und CORONA-SCHATTEN: Kommt ein Verbot der Zeitarbeit Organisationen geehrt. Die in der Fleischwirtschaft? Verleihung findet am 30. Au- gust statt. Nominiert für Beste Zeitschrift / Bestes Magazin 2021 Evaluation der AÜG-Reform Vor vier Jahren ist das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehme- rüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft getreten. Gemäß § 20 AÜG wird es derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) evaluiert und die Wirksamkeit der Neuregelung des Gesetzes überprüft. Durchgeführt wird der Forschungsauftrag von der Bietergemeinschaft Institut für Ange- wandte Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen und dem infas – Institut für angewandte Sozialforschung. Der iGZ hat den mitverantwortlichen Kooperationspartner Prof. Dr. Lutz Bellmann nach einem Zwischenstand gefragt. Die Antwort: „Unser Vertrag mit dem BMAS legt fest, dass die Bearbeiter des Forschungsvorhabens bis zu einer Veröffentlichung durch das Ministerium zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.“ Ergebnisse aus den Befragungen von Zeitarbeits- unternehmen und -kräften, Kundenbetrieben, Branchenexperten sowie Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften werden also wohl erst im kommenden Jahr veröffentlicht.
Z direkt! 02/2021 KOMPAKT 5 DER iGZ-PODCAST ZUR ZEITARBEIT Die neueste Episode des iGZ-Verbandspodcasts steht ganz im Zeichen der Veränderung. Auf zu neuen Ufern hat sich Marcel Speker gemacht: Der bisherige Leiter des iGZ-Fachbereichs Kommunikation verlässt den Ver- band nach mehr als zehn Jahren und übernimmt die Leitung des Ludwig-Windthorst-Hauses in Lingen, einer der größten Heimvolkshochschulen in Niedersachsen. Verbandelt-Gastgeberin Sara Schwedmann sprach mit ihm über seine Erfahrungen in der Zeitarbeit, darü- ber, was die Branche ausmacht und wo er ihre und die Zukunft des iGZ sieht. Zu hören auf allen gängigen Podcast-Portalen! Anzeige HABEN SIE KUNDENBINDUNG DURCH INNOVATION 11A | EINE LÖSUNG FÜR ALLE EINE FESTE BEZIEHUNG? ▪ Jetzt kostenlos testen. ▪ Unkompliziert implementieren. ▪ Abläufe automatisieren. ▪ (Master Vendor) Kunden gewinnen, binden und begeistern. Machen Sie jetzt den Test: www.dein11a.de/testen
6 TITELTHEMA RICHTUNGSWAHL FÜR ZEITARBEIT Richtungswahl – was ist das eigentlich? Per De- finition eine Wahl, von der eine Wende in der politischen Richtung erwartet wird. Wird die Bundestagswahl am 26. September eine Rich- tungswahl sein? Fakt ist: Die Ära Merkel endet. Doch wer schreibt dann neue Geschichte im Bun- deskanzleramt? Und wie steht derjenige – oder diejenige – zur Zeitarbeit?
Z direkt! 01/2021 TITELTHEMA 7 Nicht der Wind bestimmt die Richtung, sondern die mentierung. Ihre Wahlprogramme überschneiden sich Stellung der Segel – das wissen nicht nur Könner von in einigen Punkten, angefangen bei der Forderung nach Halsen und Wenden. Das Sprichwort dient als Meta- zwölf Euro Mindestlohn über ein Recht auf Homeoffice pher für so viele Themen und Herausforderungen un- und Weiterbildung bis hin zur härteren Regulierung der serer Zeit – und zeigt gleichzeitig aber auch auf, dass Zeitarbeit, wie Equal Pay ab dem ersten Tag. Die Union jeder Einzelne seinen Beitrag leisten kann. Für unsere von CDU / CSU will flexible Arbeitsverhältnisse wie Zeit- Zukunft macht es einen Unterschied, welchen Kurs wir arbeit, Werkverträge und sachgrundlos befristete Jobs heute setzen – egal, ob uns der Wind ins Gesicht bläst, weitgehend beibehalten. Die Liberalen der FDP wollen er von der Seite kommt, er kalt und nass ist oder uns die Zeitarbeit erleichtern. im besten Fall von hinten antreibt. Im September wählt Deutschland eine neue Regierung – und damit eine Letzteres begrüßt der iGZ natürlich. Denn die Coronakri- neue Zukunft. Eine Richtungswahl für unsere Branche, se hat die Zeitarbeitsbranche hart getroffen. So langsam denn die Mächte an der Entscheidungs-Pinne – um im geht es wieder aufwärts: Nach dem coronabedingten Boot zu bleiben – werden danach andere sein. Rückgang sind derzeit viele Unternehmen wieder ver- stärkt auf Mitarbeitersuche, wie das Beschäftigungsba- Umso wichtiger ist es, im Vorfeld der Wahl allen (po- rometer des Münchner Forschungsinstituts ifo zeigt. Vor tenziellen) politischen Beteiligten klarzumachen, was allem Betriebe aus dem Maschinenbau und der Elekt- die Zeitarbeit ist und wofür wir als Branche stehen. roindustrie wollen demnach neue Stellen schaffen und Zeitarbeit als flexible Beschäftigungsform ist ein unver- besetzen. Aber auch im Handel macht sich nach ifo- zichtbares Element in der modernen Arbeitswelt. Sie Angaben vorsichtig eine positive Tendenz bemerkbar. ermöglicht es den Unternehmen und der Wirtschaft, effizient und flexibel auf eine volatile Nachfrage zu Eine Bundestagswahl ist vor allem auch eine Perso- reagieren und sich gleichzeitig auch bestmöglich zu nenwahl. Längst bringen sich die aussichtsreichsten spezialisieren. Dazu bedarf es aber guter, moderner und Kandidaten in Stellung – oder versuchen, nicht allzu kluger Rahmenbedingungen. Unternehmen brauchen sehr in den Gegenwind aus gegnerischer Richtung zu Zutrauen und Freiraum, sie brauchen Luft zum Atmen, geraten. Wie zuletzt die Grünen-Spitzenkandidatin An- Experimentieren und Wachsen, statt immer neuer Re- nalena Baerbock, die sich nach den Plagiatsvorwürfen gularien und Vorschriften. in einer Glaubwürdigkeitsdiskussion wiederfindet. Wie die einzelnen Kanzlerkandidaten zum Thema Zeitarbeit Laut einer Blitzumfrage des Marktforschungsunterneh- stehen, lesen Sie auf den folgenden Seiten. Aber auch mens Lünendonk & Hossenfelder zu Beginn dieses Jahres Wahlforscher Jürgen W. Falter kommt zu Wort und rechnet ein Drittel der befragten Personaldienstleister ordnet den Wahlkampf ein – und wir blicken mit dem mit einer weiteren Regulierung der Zeitarbeit nach der ehemaligen Grünen-Politiker Rezzo Schlauch – dem Co- Bundestagswahl. Von einer Liberalisierung gehen hin- Architekten der Arbeitsmarktreformen unter „Mister gegen 14 Prozent aus. Dieser „geschäftsfreundlichere“ Zeitarbeit“ Wolfgang Clement – auf die Wahlkämpfe Ansatz wird vor allem von CDU / CSU und FDP erwartet, der vergangenen zwanzig Jahre zurück. Der Wahlkampf wohingegen regulierende Maßnahmen mit einer Regie- in der Zeitarbeit vor Ort und wie sich Zeitarbeitsunter- rungsbeteiligung von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Die nehmen für die Branche politisch engagieren können, Linke oder SPD in Verbindung gebracht werden. sind weitere Themen dieser Zdirekt!-Ausgabe. Auf un- serer Doppelseite in der Heftmitte räumen wir mit Vor- Wie stark soll der Staat in den Arbeitsmarkt eingreifen urteilen gegen die Zeitarbeit auf – plakativ, auch zum und wie viel überlässt er den Marktkräften sowie den Aufhängen an jede (Wahl-)Büro-Wand. Nicht der Wind Tarifparteien und Sozialpartnern? Vor allem an diesem bestimmt die Richtung, sondern die Stellung der Segel. Punkt scheiden sich die Ansichten der politischen Par- Setzen wir die Segel und Leinen los in Richtung beste teien: SPD und Grüne setzen auf klare staatliche Regle- Zukunft für die Zeitarbeit. SaS
8 TITELTHEMA Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf Im September wird ein neuer Bundestag gewählt – in einer Zeit, in der wirtschaft- licher Aufschwung nach der Coronakrise zwingend notwendig ist. Deutschland hat den stärksten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts seit Beginn der vierteljährli- chen Berechnungen im Jahr 1970 erlebt, die strukturelle Arbeitslosigkeit steigt und die Staatsverschuldung hat ein neues Rekordhoch erreicht. Für den Interessenver- band Deutscher Zeitarbeitsunternehmen ist klar: Deutschland muss alle Kräfte bündeln, um schnell aus der Rezession zu gelangen und die Schäden für den Arbeitsmarkt, besonders für Geringqualifi- zierte, so klein wie möglich zu halten. Vor diesem Hintergrund stellt der iGZ folgende arbeitsmarktpolitische Forderungen für den kommenden Bundestagswahlkampf: Erfolgsmodell Zeitarbeit fördern Im dringend benötigten Wiederaufschwung nach der Coronakrise sind die Unternehmen auf flexible Instrumente angewiesen, um Wachstum abzusichern. Die Zeitarbeit gewährleistet dies mit tariflich geregelter Sicherheit für die Beschäftigten. Dieses Erfolgsmodell muss gefördert werden. Diskussion um sektorale Einsatzverbote beenden Viele Menschen wählen bewusst die Beschäftigungsform Zeitarbeit. Gleichwohl gibt es in politischen Bereichen Tendenzen, sektorale Einsatzverbote für die Arbeitnehmerüberlassung zu fordern. Diese Diskussionen müssen beendet werden. Zeitarbeitsverbot in Bauhauptgewerbe und Fleischindustrie beseitigen Im Bauhauptgewerbe gibt es immer noch ein faktisches Zeitarbeits- verbot, ebenso bei der Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen und in der Fleischindustrie. Diese antiquierten und verfassungsrechtlich zweifelhaften Branchenrestriktionen müssen aufgehoben werden. Höchstüberlassungsdauer abschaffen Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft hat ergeben, dass rund ein Drittel der Zeitarbeitskräfte wegen der Höchstüberlassungs- dauer aus ihrem Kundeneinsatz abgemeldet worden ist – verbunden mit Gehaltseinbußen. Die Höchstüberlassungsdauer muss abge- schafft werden.
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 9 Kurzarbeit generell für die Zeitarbeit öffnen In der Coronakrise hat sich die monatliche Auszahlung von Kurzarbeitergeld an bis zu 142.000 Beschäftigte der Zeitarbeitsbranche als das effektivste Mittel erwie- sen, um Arbeitsplätze auch in dieser Branche zu erhal- ten. Das Instrument muss auch regulär für die Zeitarbeit geöffnet werden. Schriftform- durch Textformerfordernis ersetzen Das Schriftformerfordernis im Arbeitnehmerüberlas- sungsgesetz ist ein Relikt aus analogen Zeiten. Der Ersatz durch Textform würde jegliche Kontrollmöglich- keiten erhalten und zugleich enormen bürokratischen Aufwand beseitigen. Die Schriftform muss durch eine zeitgemäße Textform ersetzt werden. (Nach-)Qualifizierung fördern Zeitarbeit ist eine wichtige Integrationshilfe für Berufs- einsteiger, Migranten, Flüchtlinge, Geringqualifizierte, (Langzeit-)Arbeitslose etc. Die (Nach-)Qualifizierung WAHLPRÜFSTEINE AN dieser Personenkreise muss intensiv gefördert werden. PARTEIEN VERSCHICKT Der iGZ hat seine Forderungen als Wahlprüf- Tarifverträge respektieren steine an die Parteien verschickt. Über deren Die Zeitarbeitsbranche zeichnet sich durch ein flächen- Reaktionen wird der Verband beizeiten berich- deckendes, gut austariertes System von Tarifverträgen ten. Die Parteien haben aus. Im Interesse der Tarifautonomie müssen diese Re- aber vorab im iGZ-Blog geln zwischen DGB-Gewerkschaften und den Arbeit- Stellung bezogen – die geberverbänden iGZ und BAP ohne weitere gesetzliche Blogbeiträge sind zu Eingriffe respektiert werden. lesen unter w w w.ig - ze i t a r b e i t .d e / p r e s s e / blogeintraege. SaS Anzeige Finanzdienstleister •Factoring •Rechnungsstellung •Debitorenmanagement •Forderungsmanagement Inkasso & Treuhand •Professioneller Forderungseinzug • Mahnwesen • Titulierung • Vollstreckung
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Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 11 Bundestagswahl 2021 Was die Parteien wollen Die Parteien haben ihre Programme für die Bundestagswahl am 26. September be- schlossen. Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen hat sich die Programme näher angeschaut – mit der Frage: Welche Rolle spielt die Zeitarbeit in den politischen Planungen? Das Ergebnis: Zeitarbeit nimmt bei allen Parteien eine wichtige Rolle ein. Bei der Ausgestaltung dieser Rolle gehen die Meinungen aber weit auseinander. Dass es Veränderungen für die Zeitarbeitsbranche in der kommenden Legislaturperiode geben wird, steht also fest. Die Richtung jedoch ist offen! © Deutscher Bundestag | Thomas Trutschel | photothek.net
12 TITELTHEMA Aus Respekt vor deiner Zukunft. Zeitarbeitnehmer sollen ab dem ersten Tag den gleichen Lohn wie Fest- angestellte erhalten. Zudem soll es mehr „echte“ Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Zeitarbeit geben. »Zeitarbeit wird zu Unrecht von der SPD ins Visier genommen. Anstatt die restriktiven Schrauben fester zu ziehen, müssten endlich ihre nachhaltigen Integrationserfolge anerkannt wer- den. Kein anderer Wirtschaftszweig hat im ver- gangenen Jahr so vielen Langzeitarbeitslosen den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht wie die Zeitarbeitsbranche.« Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland. Die Union will Zeitarbeit erhalten. Sie betont, dass Zeitarbeit eine wichtige Brücke in den Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose dar- stellt. Zudem wählen immer mehr Fachkräfte eine Tätigkeit in der Zeitarbeitsbranche. Konjunkturelle Schwankungen machen die Zeitarbeit zu einem wichtigen Flexibilisierungselement auf dem Arbeits- markt, welches nahezu vollständig tarifvertraglich geregelt ist. »Es ist erfreulich, dass die CDU die vielfältigen und wichtigen Funktionen von Zeitarbeit auf dem Arbeitsmarkt wertschätzt. Richtig ist, dass in Zeiten einer globalisierten Weltwirtschaft und volatiler Märkte, Flexibilisierungsinstrumen- te wie Zeitarbeit für deutsche Unternehmen unabdingbar geworden sind. Mit Blick auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel braucht es dennoch weitere Dere- gulierungsschritte, damit die Zeitarbeit ihr volles Potenzial entfalten kann.«
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 13 Deutschland. Alles ist drin. Zeitarbeitnehmer sollen vom ersten Tag an den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen wie Stammbeschäf- tigte. Dazu kommt eine Flexibilitätsprämie. »Die Vorteile und Errungenschaften von Zeitarbeit für Beschäftigte und Unternehmen erkennen die Grünen nicht an. Anstatt dessen reduzieren sie Zeitarbeit auf das Abdecken von Auftragsspitzen und rechtfertigen damit wei- tere Regulierungsschritte. Es gibt aber nicht die eine Kernfunktion von Zeitarbeit. Vielmehr müssen die zahlreichen Funktionen für die unterschiedlichen Akteure – getreu der iGZ-Vision ›wählen, nutzen, wertschätzen‹ – Grundlage für eine Entfesselung der Zeitarbeit sein. Wenn die Grünen eine stärkere Eindämmung flexibler Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit fordern, aber gleichzeitig mehr Ar- beitszeitsouveränität für Beschäftigte etablieren wollen, entsteht ein Zielkonflikt. Wahlarbeitszeitmodelle für Arbeitnehmer schaffen Flexibilitäts-Mehrbedarfe bei Unternehmen. Für diesen Konflikt fehlt den Grünen bisher eine Antwort.« Nie gab es mehr zu tun. Die Freien Demokraten wollen die Tarifautonomie in der Arbeitnehmerüberlassung stärken. Um die Integrationsfunktion der Zeitarbeit in den Arbeits- markt zu verbessern, planen sie gesetzliche Son- dervorschriften, wie die Höchstüberlassungsdauer, aufzuheben. »Der iGZ begrüßt die Position der FDP, dass Zeitarbeit die- selbe Wertschätzung erfahren sollte, wie jede andere so- zialversicherungspflichtige Beschäftigung auch. Die Einschätzung, dass Zeitarbeit Teilhabe für die Beschäftigten und Flexibilität für die Unternehmen sichert, ist richtig und sollte breitere Anerken- nung erfahren.« DS
14 TITELTHEMA Kanzlerkandidaten im Check: Wer wo überzeugt Am 26. September haben wir alle als Wähler die Qual der Wahl: Wer soll auf Bun- deskanzlerin Angela Merkel folgen? Die vier Kanzler-Kandidaten der großen Volks- parteien Bündnis 90 / Die Grünen, CDU / CSU, FDP und SPD stellen wir hier kurz vor – und beleuchten auch, wie sie zur Zeitarbeit stehen. Olaf Scholz Foto: Bundseministerium für Finanzen „Scholzomat“ kann im politischen Geschäft nicht als liebevoller Kosename verstanden werden. 2003 be- kam Olaf Scholz den Titel, da er Textbausteine auf Knopfdruck wiedergab – und zwar erkennbar. Dem Hamburger fällt es schwer, eine mitreißende politische Story zu erzählen, hinter der sich Massen versammeln können. Zwar sind Äußerungen aus seiner Juso-Zeit bekannt, die der Jobbeschreibung eines Jungsozialisten entsprechen: Die „kapitalistische Ökonomie“ wollte er „überwinden“ und die Bundesrepublik kritisierte er als „europäische Hochburg des Großkapitals“. Seiner Natur entsprach aber eher seine nachfolgende, grund- solide Existenz als langjähriger Anwalt und als Politiker, der die Tour durch die Parteiinstanzen ohne größere Auffälligkeiten durchlief. die SPD Olaf Scholz 2007 für das sozialdemokratische Das Rampenlicht erreichte ihn 2002, von Gerhard Schlüsselressort Arbeit und Soziales im Bund auserkor. Schröder zum Generalsekretär ernannt. Schon damals Hiernach, von 2011 bis 2018, die Regierung des kleinen verkündete dieser, Scholz „habe das Zeug zum Kanzler“. Stadtstaats Hamburg zu führen, entsprach Scholz wohl Ausgerechnet in der Hochzeit der Agenda 2010 bekam sehr. Dennoch zog es ihn 2018 zurück nach Berlin in das der Hamburger die Aufgabe, „die Sachentscheidungen mächtige Amt des Bundesfinanzministers – und zur er- der vergangenen Jahre (zu) ideologisieren“, wie er es folglosen Kandidatur um den SPD-Vorsitz. selbst formulierte. Es gab wohl nichts, das ihm weniger gelegen hätte. Seine Wiederwahl mit nur 52,6 Prozent Solide im Hintergrund – so war Olaf Scholz bisher er- war die Quittung. Nach dem Rücktritt Gerhard Schröders folgreich und so wurde er Kanzlerkandidat. Grundsätz- als SPD-Vorsitzender 2004 verschwand Scholz wieder lich dem moderaten SPD-Lager zugehörig, war sein von der prominenten Bühne. Überwintert wurde fleißig arbeitsmarktpolitisches Wirken von der Finanz- und und sachkundig in der zweiten Reihe in Bundestagsfrak- Wirtschaftskrise geprägt. Staatliche Hilfen in schwieri- tion und Parteivorstand sowie kurzzeitig als Innensena- gen Zeiten waren ihm bereits vor Corona vertraut. Die tor Hamburgs. Bundeskanzlerin Merkel, die als Synonym Schröder-Reformen hat er detailorientiert und nüchtern für Kompromisse hinter verteidigt. Kürzlich sprach er kritisch von „Leasingkräf- den Kulissen gelten kann ten“, „also einer Art Leiharbeit“ in der Pflege. Als Ak- und deren Sache visionä- tenwurm sollte er mehr Detailwissen vortragen. BT re Rhetorik auch nicht ist, wird es begrüßt haben, als
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 15 Armin Laschet „Wir müssen uns nicht nur hinterher in die Augen Erfahrungen in diesen zentralen Fragen könnten helfen. schauen, sondern gemeinsam kämpfen.“ Markus Söder Denn die Nach-Pandemiezeiten werden die alten Fragen hat verloren. Armin Laschet ist Kanzlerkandidat der Uni- wieder auf die Tagesordnung setzen: Fachkräfteman- on. Geht es nach ihm, wird er im September Chef der gel, Integration der Migranten, Frauenförderung und Bundesregierung, wie er vorher Ministerpräsident von das Klima. Hier hält sich Laschet als Ministerpräsent des Nordrhein-Westfalen und CDU-Parteivorsitzender ge- größten Bundeslandes mit Kohlebau-Problemen bisher worden ist. Einfach stehenbleiben, wenn es hart wird. im Hintergrund. Oder wenn es um Skandale geht: Als beim Fleischverarbeiter Tönnies Corona ausbrach, deck- „Seine große Stärke sind die vielen Ideen, die er tagtäg- te der breite Rücken seines Arbeits- und Gesundheits- lich hat, doch mangelt es ihm gelegentlich an Durch- ministers Karl-Josef Laumann den Chef. Armin Laschet setzung“, heißt es in seinem Horoskop. Ein Beispiel ist auf seine Art ein „politisches Phänomen“. Die meis- gibt der Spitzenkandidat gleich mit dem Brücken-Lock- ten Politiker hätten ihre Ambitionen bereits begraben, down, schnell in die TV-Kamera geworfen, doch von erst musste er Friedrich Merz beim Kampf um die CDU- der Kanzlerin gestoppt. Typisch für den Wassermann- Spitze aus dem Weg räumen, dann Söder. Bei seinem Geborenen, doch er steht auch für Offenheit. „Trans- Coup, den ambitionierten Bundesgesundheitsminister parenz“ möchte der 60-Jährige, „Lebendigkeit in der Jens Spahn zum Verzicht zu bewegen, zeigte er seinen Demokratie“, den „Dialog“. „Das Leben der Menschen Machtinstinkt. Laschet ließ den bayerischen Minister- konkret verbessern!“ – „Nicht nur reden, sondern zu- präsidenten Söder auf das Berliner Spielfeld laufen, der hören – entscheiden und handeln.“ Dies seien die drei riss den Ball an sich. Doch Laschet verzögerte das Spiel, Leitlinien, die ihn prägen, sagt der Ex-Jurastudent, der ließ immer wieder quer spielen, bis der Bayer endlich von seiner Geburt bis heute in Aachen lebt, sein brau- wieder an die CDU abgab. Dass Laschet Friedrich Merz nes Reihenhaus nicht tauschen möchte und Bodenstän- jetzt in sein Team holt, wieder ein Pass in die Tiefe, digkeit als Image verkauft. diesmal der CDU, denn nur gemeinsam können die Unionisten das Spiel noch gewinnen. Abpfiff ist am 26. „Die Zukunft der Menschen gestalten“ will der ehema- September um 18 Uhr. AR lige Integrations- und Familienminister von NRW. Seine Foto: CDU / Laurence Chaperon
16 TITELTHEMA Annalena Baerbock „Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Minis- terin.“ Aber die Politik lebe vom Wechsel. „Ich trete an für Erneuerung, für den Status quo stehen andere.“ An- nalena Baerbock ist selbstbewusst. Negatives kann die erste Kanzlerkandidatin von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ausblenden und punktet damit: „Sie hat vermutlich die- selbe Qualität wie Angela Merkel, immer unterschätzt worden zu sein“, schreibt die französische Tageszeitung „Liberation“. Die Brandenburgerin hält auch nach der historischen Kandidatenkür mit – oder gegen – Robert Habeck, den charismatischen, regierungserfahrenen Nordländer, an ihrem Leitspruch fest: Ehrlichkeit, Transparenz und Toleranz. Erst 2005 steigt Baerbock bei den Grünen deskanzlerin werden. Bis zu 28 Prozent erringen die ein, parallel zum Masterstudium an der renommier- Grünen in Umfragen, da kann es auch einer erfahrenen ten Londoner „School of Economics“. 2013 geht es in Trampolinspringerin schwindelig werden. den Bundestag, seit 2018 ist die Mutter zweier Töchter Parteichefin – neben Habeck, ehemals Umweltminister Nur wer das Vertrauen der Bürger genießt, wird ge- in Schleswig-Holstein. Jetzt soll die 40-Jährige Bun- wählt. Nur wer sich auf seine Minister verlassen kann, bleibt Regierungschef. An elf Landesregierungen sind die Grünen beteiligt, die CDU / CSU bringt es nur auf © www.gruene.de acht. Kaum eine Machtoption geht ohne die Klima- verfechter, die es vom linken Rand in die bürgerliche Mitte geschafft haben. Vorbei die Zeit als Farbbeutel in Delegiertenversammlungen auf Vordenker wie Joschka Fischer flogen, heute werden linke Krawalle wie am 1. Mai scharf kritisiert. „Barrikaden anzuzünden und ge- waltsam auf Polizistinnen und Polizisten loszugehen, ist kriminell und in keinster Weise akzeptabel“, kommen- tierte Baerbock. Noch setzen die Grünen nicht überall derartige Ausrufezeichen. Das Wahlprogramm kommt unkonkret daher, eine Lernerfahrung aus dem Wahl- kampf 2017, wo die Grünen vorher alles durchgerechnet hatten und jede Zahl zerpflückt wurde. „Deutschland. Alles ist drin“ heißt trotzdem der Titel. Und er ist varia- bel. Als das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mie- tendeckel kippte, rutschte die Forderung gleich auf die Liste der Grünen. Angst, dass unpopuläre Forderungen wie „Fünf Mark für den Liter Benzin“ oder der „Veggie- Day“ den Marsch an die Regierungsspitze noch aufhal- ten kann, weisen die Wahlkampfstrategen von sich. Im Arbeitsmarktprogramm zeigt sich vieles identisch mit der SPD: 12 Euro Mindestlohn, Ende der Befristungen, Eindämmung der Werkverträge und Equal Pay plus Fle- xizulage für Zeitarbeitnehmer. Dieser Punkt wird bei Koalitionsverhandlungen von Annalena Baerbock zu Grün-Rot-Rot sehr kurz werden. AR
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 17 Christian Lindner Wer in den 2000er Jahren Politikwissenschaft in Bonn studiert hat, konnte im Hörsaal auf Christian Lindner treffen. Um den späteren FDP-Vorsitzenden zu ver- stehen, dürften neben Porsche und Start-Up andere Schlaglichter aus dieser Zeit bedeutender sein. In ei- nem Sammelband über Föderalismustheorien schrieb er seinerzeit: „Frühere Phasen der Staatenbildung lassen „institutionelle Sedimente“ zurück, die eine von den Ausgangsbedingungen unabhängige, selbstreprodukti- ve Stabilität gewinnen und eo ipso nur Strukturvariati- onen erlauben.“ Die theoretisch fundierte Vogelperspektive entspricht seinem Grundwesen und begleitete seinen rasanten politischen Aufstieg (2004: Landesgeneralsekretär NRW, 2009: Bundesgeneralsekretär, 2012: Landesvor- sitzender NRW, 2013: Bundesvorsitzender, 2017: Frak- Foto: www.christian-lindner.de tionsvorsitzender im Bundestag). Der 42-Jährige kennt den Teich, in dem er schwimmt und spricht mitunter mehr über den Teich als über dessen kleine Fische. De- ren Belange kümmern ihn, Faszination lösen sie jedoch erst über ihre Interaktion mit dem Teich aus. Stets in Führungspositionen waren die großen Linien seine Ma- terie, weniger die Detailregelungen. Zufälle und ein taktisch kluger Rücktritt als Gene- ralsekretär ließen ihn stets als Retter und nicht als verhandlungen der Bundesgeschichte endeten sodann Machtdrängler auftreten. 2012 führte der gebürtige mit dem Satz: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch Wermelskirchener seine Partei in NRW gegen einen zu regieren.“ Krisentrend mit starkem Ergebnis in den Landtag und 2017 gelang ihm als Bundesvorsitzender der Wiederein- Hier stehen Christian Lindner und die FDP (beide darum zug in den Bundestag. Die ersten „Jamaika“-Koalitions- kämpfend, nicht als identisch wahrgenommen zu wer- den) nun: Die FDP wurde aus der Versenkung geholt, theoretisch wieder grundiert, aber von der Bundes- regierung ferngehalten. Lindner wird gegebenenfalls zeigen müssen, wie er und seine FDP in Regierungs- verantwortung agieren. Die Arbeitsmarktpolitik hat Lindner mitunter in seine großen liberalen Linien integ- riert: Marx´ großer Fehler sei es gewesen, Arbeit nur als Mittel zum Broterwerb zu betrachten, vielmehr könne der Mensch durch sie auch zur Persönlichkeit reifen. Freiraum, Bildungsmöglichkeiten und Respekt vor jeder Leistung verkündet er als Grundprinzipien. Zeitarbeit, äußerte er einmal, sei „vor allem ein wichtiges Instru- ment zur Arbeitsmarktintegration. […] Insbesondere für geringer qualifizierte Bewerber ist dies eine große Chance.“ Richtig, aber noch lange nicht alles – es könn- te größer gedacht werden. BT
18 TITELTHEMA Interview Bundestagswahlkampf 2021 So einen Wahlkampf wie für diese Bundestagswahl hat es zuvor noch nie gegeben: Bedingt durch die Coronapandemie können die Parteien ihre Wähler kaum über die üblichen Wege und Kanäle erreichen, Wahlkampfveranstaltungen vor Ort finden – wenn überhaupt – nur im kleinen Rahmen statt. Der Wahlkampf wird immer digita- ler und medialer. Zdirekt!-Chefredakteurin Sara Schwedmann sprach mit Wahlfor- scher Professor Jürgen W. Falter über die Bundestagswahl und die Bedeutung der Zeitarbeit im Wahlkampf. Prof. Falter, Sie haben einige Bundestagswahl- kämpfe erlebt. Was für ein Bundestagswahlkampf ist 2021 – inmitten der Pandemie – möglich? Das wird sehr davon abhängen, wie die Umfrage-Lage aussieht – ob sich möglicherweise so etwas wie die Chance einer Grün-Rot-Roten Mehrheit abzeichnet. Dann werden wir mit Sicherheit einen Lagerwahlkampf bekommen: auf der einen Seite CDU, CSU und FDP, auf der anderen Seite Grüne, SPD und Linke. Denn eines ist sicher, wenn die Grünen die Chance haben, das Kanzleramt zu besetzen, dann werden sie diese Chance wahrnehmen. Und zwar egal, in welcher Koalition. Wie schätzen Sie die Chancen der Grünen ein? Werden wir die erste grüne Bundeskanzlerin er- leben? Das ist heute sehr schwer zu sagen. Generell würde ich sagen, die Unionsparteien werden wieder stärkste Partei. Das zeichnet sich sehr klar und deutlich ab. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht Mehrheiten jenseits der Union geben könnte. Da könnte ich mir schon vor- stellen, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit wenigen Prozentpunkten Unterschied gibt – zwischen auf der einen Seite Grün-Rot-Rot, auf der anderen Seite die anderen Parteien Der Klimawandel ist eines der großen Themen die- ser Bundestagswahl. Welche Bedeutung messen Sie der Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf bei? In ihrer Verzweiflung greifen SPD und Linke dieses Thema auf, weil ihnen nichts anderes einfällt. Aber es ist doch eher ein peripheres Thema in der aktuellen Debatte-Lage. Hubertus Heil wird sicherlich sein Heil darin suchen, das Thema Zeitarbeit zu instrumentalisie- ren. Aber das ist etwas, was die Leute eigentlich nicht wirklich interessiert im Augenblick. Da sind ganz andere Dinge wichtig. Die Folgen der Klimapolitik brennen © JGU | Foto Hartmann
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 19 den Menschen unter den Nägeln und nagen an den Dauer einstellen. Da holt man sich die Spezialisten dann Geldbeuteln. In Sachsen-Anhalt haben wir erlebt, dass lieber auf diese Weise für zwei Jahre ins Haus. man mit den Ankündigungen von teureren Kraft- und Heizstoffen die Wähler verschreckt. Und das wird sie Fast alle Parteien tun sich im Wahljahr schwer, viel stärker bewegen als die Frage, ob es Zeitarbeit gibt auch weil sie am Corona-Krisentisch von Bund und wie die organisiert ist. Die meisten kapieren gar und Ländern sitzen. Viele Defizite sind sichtbar nicht, dass das ein Flexibilitätsmoment in unserem Ar- geworden. Kann eine Partei trotzdem ein Auf- beitsmarkt ist, ohne den wir viel schlechter darstünden. bruchssignal senden? Ja, die Grünen versuchen, ein Aufbruchssignal zu sen- Zur Zeitarbeit haben Viele eine Meinung, aber nur den, was aber nach hinten losgehen kann, wenn die Wenige wissen tatsächlich, wie sie funktioniert. Menschen merken, wie sehr das wirklich in ihr persön- Wenn man sich die Gesetze der Vergangenheit liches Leben eingreift – vor allem auf dem Land. Das anschaut, hat man den Eindruck, dass sich die Ende des Verbrennungsmotors bis 2030 oder vielleicht Politik nicht selten eher an der gesellschaftlichen noch früher zu fordern, ist technologieblind und ideolo- Meinung als an den Branchenrealitäten orientiert. gisch. Vernünftig wäre zu sagen, wir haben bestimmte Wird Symbolpolitik dieser Art ein Phänomen sein, Grenzwerte, die bis 2030 eingehalten werden müssen. an das wir uns alle gewöhnen müssen? Liebe Automobilindustrie, wie Ihr das macht, ist uns Das ist auf jeden Fall nicht weniger geworden als frü- egal, ob mit dem Verbrenner oder mit der Batterie oder her. Symbolpolitik haben wir eigentlich immer schon mit Wasserstoff, aber Ihr müsst es machen. Das wäre gehabt. Aber es ist auch das blinde Befolgen von Strö- technologieoffene Politik. mungen der öffentlichen oder auch der veröffentlichten Meinung. Denken Sie nur an den zweiten Atomausstieg Welche Bedeutung kommt bei dieser Bundestags- nach der Havarie des Kraftwerks in Japan aufgrund der wahl den Wechselwählern zu? Werden sie noch durch ein Seebeben ausgelösten Flutwelle. Das war mehr als in der Vergangenheit das Zünglein an eine nachträglich gesehen zu schnelle Reaktion auf eine der Waage sein? unzweifelhaft gegen die Atomkraft mobilisierte öffent- Die Zahl der potenziellen Wechselwähler ist gestiegen. liche Meinung und sicherlich eine Fehlentscheidung, da Das hat etwas damit zu tun, dass alte Gewissheiten keinerlei Szenarien zugrunde lagen, wie der Ausstieg im so nicht mehr existieren – beispielsweise die Gewiss- Einzelnen bewerkstelligt werden könnte. Wir sind selbst heit: Ein Gewerkschafter kann nur SPD wählen oder heute noch nicht so weit, dass wir garantieren können, ein praktizierender Katholik kann nur CDU wählen. dass 2022 Bayern auch dann dauerhaft mit Strom ver- Das ist bestenfalls noch eine unverbindliche Leitlinie. sorgt wird, wenn die Franzosen ihren Strom selbst brau- Es gibt mehr Abweichungen davon als früher, und es chen. Diese Art von Symbolpolitik und das Reagieren gibt viel weniger Gewerkschafter und praktizierende der Politik auf Strömungen der öffentlichen Meinung Katholiken. Das heißt also, das Wechselwählerpotenzial hat es immer schon gegeben, das wird es auch weiter- ist größer geworden, die Parteibindungen sind längst geben. Die Diskussionen in den sozialen Netzwerken nicht mehr so ausgeprägt. Daher spielen Kandidaten verstärken dies mittlerweile erheblich. Wenn da einige und aktuelle politische Streitfragen eine größere Rolle Hunderttausende einen Shitstorm entfachen, ist das als früher. Ich rechne durchaus damit, dass die Zahl der trotz allem nur ein Bruchteil der gesamten Bevölkerung. Wechselwähler im Vergleich zu früheren Wahlen noch- Das ist streng genommen kaum wahlrelevant, trotzdem mals steigt. SaS springt die Politik regelmäßig darauf an. So wie in der Fleischindustrie und dem Verbot der Das gesamte Interview lesen Sie auf Zeitarbeit. https://ig-zeitarbeit.de/presse/artikel/ Ja, aber da gibt es ja zumindest noch etwas Hoffnung, bundestagswahlkampf-2021 da laufen noch die Verfassungsbeschwerden. Die Zeit- arbeit hat es auch schon ein paar Mal erlebt, große Worte und Verbote, und es gibt sie immer noch. Wo es notwendig ist, wenn Spitzen da sind oder bei vorüber- Jürgen Falter ist einer der renommiertesten deutschen Politikwis- gehenden Engpässen, kann man die Leute ja nicht auf senschaftler. Der 77-Jährige hat eine Forschungsprofessur an der Universität Mainz inne und ist durch zahllose Fernsehauftritte als Wahl- und Parteienforscher bekannt. Falter bekleidete zuvor Pro- fessuren an der Hochschule der Bundeswehr München, der Freien Universität Berlin und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
20 TITELTHEMA Interview Bundestagswahlkämpfe 1998, 2021 und dazwischen In der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder prägte er die Politik von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN entscheidend mit: Rezzo Schlauch. Von 1998 bis 2002 führte Schlauch gemeinsam mit Kerstin Müller die grüne Bun- destagsfraktion, von 2002 bis 2005 war Schlauch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft unter Superminister Wolfgang Clement. In mehr als 40 Jahren politischem Engagement hat Schlauch viel erlebt – unter anderem die Agenda 2010 mit tiefgreifenden Arbeitsmarktreformen auch für die Zeitarbeit. Im Zdirekt!-Interview mit Benjamin Teutmeyer, stellvertretender iGZ- Fachbereichsleiter Politische Grundsatzfragen, schaut er zurück – und nach vorn. Foto: Wilhelm Betz Fotografie Sie haben insgesamt elf Bundestagswahlen mit- im Straßenwahlkampf, in Veranstaltungssälen in Bier- erlebt, seitdem Sie 1980 Parteimitglied wurden. zelten und auf Marktplätzen ist weitgehend einem Wie hat sich der Wahlkampf in der Zeit verändert? medial ausgetragenen Wahlkampf gewichen mit den Im Vergleich zu den 80iger Jahren-Wahlkämpfen Eigendynamiken der elektronischen Plattformen vom haben wir es heute mit einer komplett anderen öf- Shitstorm bis zum anonymen Versuch vom Ausland, fentlichen Kommunikation zu tun. Die direkte Kommu- auf das Wahlkampfgeschehen Einfluss zu nehmen. nikation zwischen Kandidat*innen und Bürger*innen
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 21 Die Bundestagswahl 1998 führte zur ersten Sie waren unter „Mister Zeitarbeit“, wie der Stern Regierungsbeteiligung von BÜNDNIS 90 / DIE Superminister Wolfgang Clement nannte, Staats- GRÜNEN im Bund und erstmals wurde eine Bun- sekretär und gelten als Co-Architekt von Arbeits- desregierung vollständig abgewählt. Was ist marktreformen, wie auch der Tariföffnung für Ihnen aus diesem Wahlkampf als besonders prä- die Zeitarbeit. Wie sehen Sie die Entwicklung der gend in Erinnerung geblieben? Branche und welche Bedeutung messen Sie der Dass überall eine Wechselstimmung zum Greifen war. Zeitarbeit im Bundestagswahlkampf bei? Bei allen Verdiensten von Kanzler Kohl um die Wie- In Zeiten der Nahezu-Vollbeschäftigung, wie sie vor dervereinigung und die europäische Einigung, die Beginn der Pandemie über einen langen Zeitraum an- Leute hatten die Nase von 16 Jahren Kanzlerschaft hielt, ist die Zeitarbeit naturgemäß nicht so stark im öf- gestrichen voll, sie wollten den Wechsel. Ähnliches fentlichen Fokus, es sei denn es kommt in bestimmten ist mindestens im jetzigen Vorwahlkampf zu spüren; Bereichen zu arbeitsrechtlich und sozial skandalösen heute aber nicht in erster Linie an Personen sondern Zuständen wie in der Fleischindustrie. Es sollte im ur- an Inhalten wie bspw. dem Klimawandel festgemacht. eigensten Interesse der in der Zeitarbeit engagierten Firmen und der Firmen die Zeitarbeit nachfragen sein, Wenn Sie ehrlich in sich gehen: 1998 hätte Ihnen solche Entwicklungen erst gar nicht zu zulassen. jemand gesagt, im Jahr 2021 wird sich ein be- achtlicher Teil des Wahlkampfes auf Ihrem Handy Immer wieder gibt es Versuche, die mit dem Ar- abspielen – wie hätten Sie reagiert? beitnehmerüberlassungsgesetz bewirkte De- Dieser Jemand*in hätte ich den Vogel gezeigt, ein regulierung und Flexibilisierung der Zeitarbeit Wahlkampf ohne direkte Kommunikation mit den wieder aufzuheben. Inwieweit sollte sie aus Ihrer Wähler*innen wäre für mich unvorstellbar gewesen Sicht vielmehr als Medium der Qualifizierung und und wenn ich es heute nochmal damit zu tun hätte, Weiterbildung weiterentwickelt anstatt einge- würde ich alles dran setzen, um diese Ebene der di- schränkt werden? rekten Auseinandersetzung so weit wie möglich her- Wenn Deregulierung und Flexibilisierung in der Praxis zustellen. für die Betroffenen zu unhaltbaren bis skandalösen Strukturen wie in der Fleischindustrie führen, ist der Ge- Wenn Sie ehrlich bleiben: Und wenn Ihnen 1998 setzgeber gefordert, wie auch geschehen, zu interve- jemand gesagt, im Jahr 2021 kann eine grüne nieren. Qualifizierung und Weiterbildung haben einen Kandidatin Bundeskanzlerin werden – hätten Sie guten Klang, kommen aber, um beim Beispiel Fleisch- es geglaubt? industrie zu bleiben, nur für ganz wenige in Betracht Aus baden-württembergischer Perspektive hatten wir und sind in diesem Bereich Augenwischerei. In solch mehrheitlich zu dieser (Macht) Frage schon von früh problematischen Sparten geht es darum, möglichst an einen etwas beherzteren Zugang als in anderen Re- soziale und arbeitsrechtliche vergleichbare Standards gionen der Republik. Wir hatten „Keine Angst vor der herzustellen, um prekäre Arbeitsverhältnisse zu vermei- Macht“ und haben schon immer das Ziel gehabt, aus den. Etwas anderes gilt im Bereich, in dem Facharbeiter der 10 Prozent Zone nach oben auszubrechen. im Rahmen von Zeitarbeit eingesetzt werden. Dort ist Qualifizierung und Weiterbildung ein wichtiger Ansatz 1998 soll ein späterer Bundeskanzler gesagt ha- um „Zeit- oder Leiharbeit“ zu überwinden und den Be- ben, zum Gewinnen brauche er „BILD, BAMS und troffenen, wenn sie es wollen, dauerhafte betriebliche Glotze“. Lässt sich heute analog sagen: „Zum Ge- Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. BT winnen brauche ich das Internet (sonst nichts)? Der Spruch war schon damals ein typischer Schröder und wird in seiner von Ihnen abgewandelten Form nicht richtiger. Gerade in Zeiten in der die höchste Rezzo Schlauch ist studierter Rechtsanwalt und Historiker. Der Währung einer Politiker*in Glaubwürdigkeit und Ver- 73-Jährige ist seit 1980 Mitglied der Partei BÜNDINIS 90 / DIE trauen ist. Wenn Internetaktivitäten nicht durch per- GRÜNEN. Von 1984 bis 1994 war er Mitglied der Grünen des sönliches Engagement für politische Inhalte und das Landtages von Baden-Württemberg und von 1994 bis 2005 Gemeinwohl und direkte Kommunikation unterfüttert Mitglied des Bundestages. Er führte die Grünen von 1998 bis wird, wird es mit dem Gewinnen nichts. 2002 als Bundesfraktionsvorsitzender an, bevor er 2002 Par- lamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter Wolfgang Clement wurde. Im Jahr 2005 zog sich Schlauch aus der Politik zurück.
22 TITELTHEMA Tipps für politisches Engagement Arbeit statt Rampenlicht Wahlkreisabgeordnete erleben zeitliche und inhaltliche Überforderung als Normalität. Es kann nicht anders sein, denn buchstäblich die ganze Welt ist ihr Arbeitsgebiet. DIE ARBEIT EINES Spezialisierung und Filterung sind die Schlüssel, um ar- beitsfähig zu bleiben. Hier können Sie ansetzen, denn BUNDESTAGSABGEORDNETEN Wahlkreisabgeordnete sehen Sie als Kunden. Parlamentarische Aufgaben Wahlkreisaufgaben Wahlkreisabgeordnete und Kandidaten für dieses Mandat verwenden einen überwiegenden Teil ihrer Zeit mit Wahl- kreisarbeit. Die Tätigkeit in den Parlamenten ist hochspezialisiert, im Wahlkreis sind sie ausnahmslos für alles zuständig. Hier sind Abgeordnete mit Bus, Bahn und Jeans unterwegs – Arbeit statt Glamour. DIE BUNDESTAGSFRAKTION FRAKTIONSVORSTAND SPRECHER für Themengebiete 2–3 Referenten Abgeordneter Abgeordneter Abgeordneter Referenten Referenten Referenten Der Weg der Information: Vom Wahlkreis zu den Entscheidern In Parteien und deren Parlamentsfraktionen sind sehr wenige Experten für Fachfragen zuständig. Wenn Abgeordnete Wünsche aus ihren Wahlkreisen bearbeiten müssen, leiten sie die Anliegen an diese Experten weiter – hier werden sie in fachliche Zusammenhänge sowie in die Beschlusslage der Partei- und Fraktionsgremien eingeordnet. Wenn diesen Experten eine kritische Masse ähnlicher Eingaben auffällt, legen sie die kritischen Punkte den Fachpolitikern auf Füh- rungsebene vor. Auf diesem Weg können Anliegen aus der gelebten Praxis aus jedem Wahlkreis über die Filterfunkti- onen Druck auf die Entscheidungsträger ausüben. Nehmen auch Sie dieses Recht wahr! DS/BT
Z direkt! 02/2021 TITELTHEMA 23 Was Sie sich fragen sollten Kandidaten und Abgeordnete wollen vor allem eines: gegenüber Medien und Öf- fentlichkeit ihre eigene Geschichte erzählen. Denn auch sie wissen, mithilfe von Ge- schichten können Informationen besser aufgenommen und langfristig im Gedächtnis verankert werden. Damit das gelingt, besteht Ihre Aufgabe in Gesprächen nicht nur darin, mit Fakten zu glänzen. Mindestens genauso wichtig ist es, Antworten auf die zentralen Fragen der Politiker zu finden. Die Herausforderung für Sie lautet also: Wie kann ich mit meinen Anliegen und Botschaften Kandidaten und Abgeordneten hel- fen, ihre Geschichte besser zu erzählen? Auf diese Fragen suchen Kandidaten und Abgeordnete Versuchen Sie im Gespräch, Antworten zu finden, indem fortlaufend Antworten für ihre eigene Geschichte: Sie sich bei der Vorbereitung fragen: Welche Werte und Überzeugungen hat der Kandidat/ Wer bin ich? Abgeordnete und welche Anknüpfungspunkte gibt es zu meinen Argumenten? Welche Maßnahmen hat der Kandidat/Abgeordnete Warum tue ich, was ich tue? (auch seine Partei) bereits umgesetzt und wie haben diese auf mich persönlich und/oder meine Anliegen gewirkt? Wofür bin ich hier? Welche politischen Ziele hat sich der Kandidat/Abgeord- nete gesteckt und welche Rolle spielen meine Anliegen dabei? Was kannst du von mir lernen? Welche neuen Aspekte (auch Erfahrungen) kann ich aus dem Gespräch mit dem Kandidaten/Abgeordneten mitnehmen? Wem habe ich geholfen? Wie kann ich dem Kandidaten/Abgeordneten vermit- teln, dass er mir mit dem Gespräch oder in der Vergan- genheit geholfen hat?
24 TITELTHEMA Wahlkampf in der Zeitarbeit In Coronazeiten ist auch der Wahlkampf ein anderer. Große Veranstaltungen, zu de- nen Menschenmassen zusammenkommen, wird es in diesem Jahr kaum geben. Die Parteien konzentrieren sich auf den digitalen Wahlkampf mit Diskussionsrunden, Fernsehdebatten nach Vorbild der amerikanischen Elefantenrunden und Infomate- rialien auf Websites und per Video. Im kleinen Kreis und immer unter Einhaltung aller Corona-Schutzmaßnahmen sind aber auch persönliche Treffen möglich – so wie bei iGZ-Mitglied Armon in Rheinland-Pfalz. Patrick Schnieder (links) und Bruno Hebel (rechts) Pünktlich um 10 Uhr biegt der Kombi auf den Parkplatz destagsabgeordneter weiß, dass sie nur dann sicher im der Zeitarbeitsfirma Armon in Wittlich. Ein Mann im nächsten Bundestag wieder vertreten sein werden, wenn grauen Anzug steigt aus und wird von Niederlassungs- sie ihren Wahlkreis auch bei der nächsten Bundestags- leiter Bruno Hebel begrüßt. Es ist der parlamentarische wahl direkt gewinnen. Patrick Schnieder nimmt das sehr Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ernst. Auf seiner Homepage kann man ein „Schwätz- Patrick Schnieder. In der Unions-Fraktion läuft so gut chen mit Schnieder“ vereinbaren. Er sagt: „Der Kontakt wie nichts ohne ihn: Als „PGF“ ist er eine der wichtigs- zu meiner Heimat und den Menschen, die ich in Berlin ten Personen innerhalb der Fraktion und enger Mitar- vertrete, ist mir sehr wichtig. Deshalb nutze ich jede Ge- beiter des Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus. In legenheit, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ken- abgedunkelten Limousinen fährt ihn die Fahrbereit- nenzulernen, gemeinsam nach politischen Lösungen zu schaft des Deutschen Bundestags in Berlin von Termin suchen und diese dann auch in die Realität umzusetzen.“ zu Termin. In aller Regel sind die Parlamentswochen eng durchgetaktet – eine Besprechung jagt die nächste. Das kann Armon-Niederlassungsleiter Bruno Hebel be- Mit so einer wichtigen Persönlichkeit kommt man nicht stätigen. Über Instagram war er im April dieses Jahres „einfach so“ ins Gespräch, sollte man meinen. mit dem Politiker in Kontakt getreten: „Patrick Schnieder hatte in einem Post dafür geworben, Unternehmens- Stimmt aber nicht. Denn das deutsche Wahlsystem sieht ansiedlungen bei uns vor Ort zu erleichtern. Ich hatte mit dem Wahlkreis-Prinzip vor, dass jede Bürgerin und dann in einem Kommentar darauf hingewiesen, dass wir jeder Bürger einen eigenen regionalen Vertreter in Ber- schon jetzt viel zu wenige Arbeitskräfte haben und dass lin haben. Und ganz egal, wie wichtig sie in Berlin sein ich ihn gern dazu einmal sprechen würde. Noch am sel- mögen: Jede Bundestagsabgeordnete und jeder Bun- ben Tag hatte ich über Instagram die Gesprächszusage
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