Gefahrenzone Kita - Die Gewerkschaft - VPOD
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Juni 2021 Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr Die Gewerkschaft Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste Gefahrenzone Kita Eine VPOD-Umfrage zeigt, worunter Betreuerinnen leiden und wie das zu ändern wäre Untragbare Zustände: Das Brokerunwesen in der zweiten Säule gehört abgestellt
Editorial und Inhalt | VPOD Themen des Monats 5 Mai macht mobil Die Fotos vom Tag der Pflege und vom Zukunftsstreik 6–7 Menschliche Interaktion bleibt zentral Die Digitalisierung sorgt auch im öffentlichen Personennahverkehr für Transformation Christoph Schlatter 8–9 «Dieser Zustand ist nicht mehr tragbar» ist Redaktor des VPOD-Magazins Fehlanreize durch Broker-Honorare in der zweiten Säule: Interview mit Eliane Albisser, Geschäftsleiterin PK-Netz 11–15 Dossier: Gefahrenzone Kita Langstrecke Die Ergebnisse der grossen VPOD-Umfrage «Gesundes Keine Scherze über Namen, ich weiss, möchte aber trotzdem daran Kita-Personal, gesunde Kinder!» erinnern, dass sämtliche olympischen Langstreckenrennen der 70er Das Interview mit Olivia Blöchliger, die als Psychologin die Jahre von einem Finnen namens Viren gewonnen wurden. Ich kann Situation in Kitas untersucht hat mich, weil wir 1976 den Fernseher neu hatten, sogar noch an den hageren, bärtigen Mann in seinem blauen Trägerleibchen erinnern, 16 Die Zeit der Eiferer wie er, die Schuhe in der Hand, barfuss ins Ziel lief. Die Spaltung der Arbeiterbewegung, Teil 3 von 3: Unser Bundesrat Alain Berset war als junger Mann ebenfalls ein aus- Kalter Krieg im VPOD gezeichneter Läufer, allerdings auf der Mittelstrecke. Für die 800 Me- ter benötigte er zu seinen besten Zeiten 1:54:06 Minuten. Das ist ziemlich gut und jedenfalls geschwinder als fast jede Frau: Nur drei waren jemals schneller, allen voran die Tschechoslowakin Jarmila Kra- tochvilova, deren Weltrekord aus dem Jahr 1983 noch immer Bestand hat. Und das allein dank Vitamin B12, wie sie betont. Eindrücklich! Rubriken Inzwischen hat Berset auf die Langstrecke gewechselt. Er hat uns das schon letztes Jahr mitgeteilt: Die Corona-Krise ist ein Marathon. Das 4 Gewerkschaftsnachrichten Bild ist insofern unglücklich gewählt, als der Bote, der gemäss Le- gende 490 v. u. Z. den Sieg der Griechen über die Perser zu melden 10 Aus den Regionen und Sektionen hatte, bei seiner Ankunft tot umfiel. Auch die Distanz ist keineswegs eindeutig: Von Marathon bis nach Athen sind es laut Google-Maps 17 Sunil Mann: Ein anderer Name lediglich 34,5 Kilometer, für die man 7 Stunden und 22 Minuten Fuss- marsch rechnen sollte. Die heute gültige Marathonstrecke misst aber 18 Wirtschaftslektion: Wenig Lohn, wenig Vertrauen 42,195 Kilometer. Sie wurde erst bei den Olympischen Spielen von London 1908 fixiert, und zwar so, dass das Ziel just vor der Königs- 19 Wettbewerb: Frau, lustig loge lag. Die erste Zeit unter 2 Stunden wurde 2019 gelaufen, sie wird aber nicht als Weltrekord anerkannt, weil die Tempomacher mehrfach 20 VPOD aktuell ausgetauscht wurden. Das ist gegen die Regeln. Und die sind, wie der Zielpunkt, beim Ma- 21 Hier half der VPOD: Einer für alle rathon und überhaupt im Sport, jeweils von Anfang an festgelegt. Im Leben und speziell in der Corona-Krise, die uns jetzt schon so lange 22 Solidar Suisse: Nicht im gleichen Rettungsboot plagt, ist es anders. Alles wird laufend geändert. Ist da wirklich Licht am Ende des Tunnels? Auch Alain Berset kann nicht sagen, ob wir 23 Menschen im VPOD: Mattia De Lucia, wirklich schon auf der Zielgeraden sind. Mitarbeiter bei «Grassrooted», Klimaaktivist, Zürich Aber mir dämmert’s langsam: Wir laufen rückwärts! Das Licht ist das Licht am Anfang des Tunnels. Es gibt in Südamerika Völker, die «hin- ter uns» sagen, wenn sie die Zukunft meinen, in die wir bekanntlich nicht sehen können. Und «vor uns», wenn sie über die Vergangenheit sprechen, die allein gewiss ist. Den Weltrekord im Rückwärtsmarathon Redaktion /Administration: Postfach, 8036 Zürich hält übrigens seit 2017 der Deutsche Markus Jürgens mit 3:38:27 Stun- Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53 den. Aber das ist nichts gegen Johann Plattner, der im Rückwärtsrad- Nr. 5, Juni 2021 fahren mit Musikinstrument seit 1987 ungeschlagen ist. 70 Kilometer E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung pedalt und dabei noch Akkordeon Erscheint 10-mal pro Jahr gespielt! Nach 4¼ Stunden stieg er vom Rad – lebend. Juni 2021 3
VPOD | Gewerkschaftsnachrichten Ende eines langen Matches: Der Rahmen ist kaputt. Ende eines Geschäftsmodells: Uber Eats verkehrt verkehrt. für die 13. AHV-Rente zeigen wir, dass andere Veränderungen in der Altersvorsorge möglich sind. Denn von einer starken AHV profitieren alle», bekräftigt der SGB. | sgb Modell Uber: Es wird langsam eng Für das von Uber & Co. praktizierte Geschäftsmodell – eine Platt- formwirtschaft mit Scheinselbständigen – wird es zunehmend eng. Uber Eats betreibt nach dem Urteil des Genfer Verwaltungsgerichts Personalverleih, muss also seine Kurierinnen und Kuriere als Arbeit- nehmende behandeln. Und die PostCom hat den Service von Uber Eats als anmeldepflichtige Dienstleistung eingestuft; damit ist eine GAV-Pflicht verbunden. In einem neuen Gutachten zeigt Kurt Pärli, Rechtsprofessor an der Universität Basel, was das bedeutet: Er kommt zum Schluss, dass der GAV Personalverleih und der GAV des Gastge- werbes anwendbar sind (für Löhne und Arbeitszeiten letzterer). Das Minimum ist ein Stundenlohn von 23 Franken; die Höchstarbeitszeit beträgt 42 Stunden pro Woche. | unia/slt (Foto: FerreiraSilva/iStock) Bund und BZ: Keine halben Sachen Die Belegschaften der Tageszeitungen Bund und BZ haben mit einer lautstarken Aktion gegen den Abbau von rund 20 Vollzeitstellen und Rahmen ade! SGB froh gegen die vollständige Zusammenlegung ihrer Redaktionen protes- Der SGB begrüsst den Entscheid des Bundesrates zum Abbruch tiert. Für die Mediengewerkschaft Syndicom ist klar: Mit dem Ende der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Damit werde ein des «Berner Modells» positioniert sich Tamedia nicht nur erneut als eigenständiger Lohnschutz für die Schweiz gewährleistet. Mit dem unverantwortliche Arbeitgeberin, sondern verliert auch weiter an jour- Abkommen wäre dieser substanziell geschwächt und ausserdem der nalistischer Glaubwürdigkeit. Das Modell – zwei konkurrierende Ta- Service public in Gefahr geraten, schreibt der SGB. Man werde sich geszeitungen unter einem Verlagsdach – existiert seit 2003 und wird weiterhin dafür einsetzen, dass der Arbeitnehmerschutz verbessert mit der für Oktober geplanten vollständigen Fusion der Redaktionen wird und die sozialen Rechte in der EU und in der Schweiz gestärkt Geschichte sein. Als Teil der Aktion wurde ein Holzhaus mit einer werden. Der SGB betont die Bedeutung der bilateralen Verträge: «Ei- Motorsäge in zwei Teile zerlegt. Unter dem Motto «Keine halben Sa- ne Eskalation durch die Schweiz oder die EU-Kommission ist uner- chen!» wurden ausserdem halbe Sandwichs serviert. | syndicom wünscht.» Aus diesem Grund sei auch die Kohäsionsmilliarde bald- möglichst freizugeben. Wie es im Europa-Dossier weitergeht und wie Gewerkschaften am Zukunftsstreik eine Erosion der Bilateralen und eine Verschärfung der EU-seitigen Nicht nur der VPOD (siehe rechte Seite), sondern auch die Unia und «Nadelstiche» vermieden werden sollen, ist derzeit ungewiss. Im der SEV haben für den Zukunftsstreik («Strike for future») mobilisiert VPOD sieht man weder für Triumphgeheul noch für Häme Anlass. und den Schulterschluss mit der Klimabewegung gesucht. «Ökolo- | slt (Foto: ewg3D/istock) gischer Umbau kann nur zusammen mit einem gesellschaftlichen Umbau für mehr soziale Gerechtigkeit funktionieren», betont die 137 777 Unterschriften für 13. AHV-Rente Unia, die namentlich ihre Mitglieder auf dem Bau, im Gartenbau Die Initiative für eine 13. AHV-Rente ist zustande gekommen: 137 777 und im Gastgewerbe der zunehmenden Hitze ausgesetzt sieht. Der Unterschriften für ein besseres Leben im Alter hat der SGB Ende SEV verweist auf die vergleichsweise gute Ökobilanz des öffentlichen Mai eingereicht. 13 statt 12 Monatsrenten pro Jahr: Das entspricht Verkehrs: Für einen Fünftel des Verkehrsvolumens braucht dieser einer Erhöhung um rund 7,7 Prozent. Der Abstimmungskampf hat lediglich einen Zwanzigstel der Energie, die für Mobilität verwendet quasi schon begonnen; in der zweiten Säule gibt es für immer mehr wird. Als Zeichen für die Dringlichkeit des ökologischen Umbaus ver- einzuzahlendes Geld immer weniger Rente. Und bei der AHV droht anstalteten Lokführerinnen und Lokführer in der ganzen Schweiz um mit «AHV 21» ein Abbau vor allem für die Frauen. «Mit dem Einsatz 11.59 Uhr ein Pfeifkonzert. | unia/sev/slt 4 Juni 2021
| VPOD «Tag der Pflege» (12.5.) und «Strike for future» (21.5.): Der VPOD mobilisiert Der Mai – die Bilder Wie jede Krise trifft auch die Klimakrise die Ein Beispiel dafür, wie Service public eine ärmeren Leute doppelt und dreifach. Die Ar- Krise überwinden hilft, bot in den letzten Mo- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier, naten das Gesundheitspersonal. Viel mehr als aber erst recht jene im globalen Süden, lei- ein wenig Applaus und einen vereinzelten Ex- den schon heute ganz direkt unter der Erder- trabatzen gab es dafür aber nicht. Am Tag der wärmung; Hunderttausende drohen ihr Zu- Pflege stellte der VPOD mit den anderen Or- hause, ihre Arbeit, ihre Lebensgrundlagen zu ganisationen des Bündnisses (u. a. Syna und verlieren. Dass es auf einem toten Planeten SBK) klar, dass es dabei nicht bleiben kann. keine Jobs gibt, ist zwar ein Gemeinplatz – Corona traf auf ein System, das nach Jahr- aber trotzdem wahr. Der VPOD sieht im Ser- zehnten von Auslagerungen und Personalab- vice public einen Schlüssel für die Ökowende: bau längst auf den Felgen lief. Die ausseror- Der Ausbau von öffentlichen, breit zugängli- dentliche Belastung durch Corona brachte das chen und umweltfreundlichen Dienstleistun- Fass zum Überlaufen. Es braucht dringend gen aller Art wird helfen, die Erde zu retten Gegensteuer, sonst verlassen auch noch die und zu heilen. Diese Botschaft hat der VPOD bisher Verbliebenen die Branche. Die Kund- auch am Tag des Zukunftsstreiks («Strike for gebungen am 12. Mai waren teilweise pande- future») am 21. Mai auf die Strasse getragen – miebedingten Beschränkungen unterworfen – zu guten Teilen im strömenden Regen. Bilder dafür umso lauter. Die Fotos (oben) stammen (unten) aus Zürich, Baden und Basel. aus Zürich und Basel. | vpod (Fotos: vpod)
VPOD | Nahverkehr Die Digitalisierung sorgt auch im öffentlichen Personennahverkehr für Transformation Menschliche Interaktion bleibt zentral Die Auswirkungen der Digitalisierung sind branchenspezifisch, erst recht vor dem Hintergrund von Pandemie und Klimawandel. «Verknüpfung» heisst das Wort der Stunde im öffentlichen Verkehr. Beim Abzug von Personal von der «Front» ist Zurückhaltung geboten. | Text: Kurt Altenburger, VPOD-Zentralsekretär (Illustrationen: Maxwell J. Roberts) Die Digitalisierung ist die Industrialisierung ne flexible, günstige, nachhaltige und saubere ist, dass nicht nur die Unternehmen selbst, des 21. Jahrhunderts. Wie seinerzeit die Ab- Art der Fortbewegung, wobei auch zukünftig sondern auch ihre Eigner sowie der Staat als lösung der mit Muskelkraft (auch derjeni- verschiedene Verkehrsmittel eine Rolle spie- Besteller und Regulator solche Veränderun- gen von Pferden) betriebenen Maschinen len werden. Es gilt, diese intelligent miteinan- gen mittragen und entsprechende Investitio- und Fahrzeuge verändert auch die aktuelle der zu vernetzen, so dass ohne Hürden zwi- nen tätigen. Transformation die Art, wie in einem Berufs- schen Bus und Bahn, dem E-Auto und dem feld gearbeitet wird. Und zwar je nach Bran- Fahrrad gewechselt werden kann – mit einem Fahren heisst er-fahren che durchaus unterschiedlich. Eine Analyse starken und zuverlässigen öffentlichen Nah- Zwei Merkmale müssen für den öffentlichen wäre aber wertlos, wenn sie nicht auch die verkehr als Rückgrat. «Verknüpfung» lautet Verkehr dabei weiterhin zentral bleiben: sei- klimapolitischen Erfordernisse einbezöge. das Wort der Stunde. Werkzeuge dafür stellt ne allgemeine Zugänglichkeit und seine Fä- Und wenn sie nicht die Erfahrungen der die Digitalisierung zur Verfügung. higkeit, auf wenig Fläche viele Menschen zu Pandemie mitdächte: Corona hatte und hat Was bedeutet das für Bus, Tram & Co? Und transportieren. Ebenso wenig darf vergessen auch auf den öffentlichen Nahverkehr deut- für die Entwicklung der Städte und Agglo- gehen, dass Mobilität keine strikt rationale liche Auswirkungen. Neue Hygiene- und merationen? Öffentlicher Verkehr ist in Zu- Materie ist, sondern dass sie auch einen aus- Abstandsregeln sowie ein stark verändertes kunft weniger ein Liniennetz, vielmehr ein gesprochen starken Erlebnisaspekt besitzt: Nutzerverhalten stellen die Branche derzeit Angebot von Haustür zu Haustür, das vom Fahren ist immer auch Erfahren. Der Digi- vor grosse Herausforderungen. Bestellbus übers (E-)Autosharing bis zu Platt- talisierung und Automatisierung zum Trotz formen reicht, auf denen all diese Angebote bleibt die Interaktion zwischen Menschen un- Mobilität von Tür zu Tür zusammengeführt werden. Absehbar ist, dass verzichtbar (siehe auch Kasten)! Zwar ist der Der pandemiebedingte Trend zum Home- die Betreiber solcher Portale als Händler den Ticket-Direktverkauf im städtischen Verkehr office und die rückläufige Reiselust haben Markt kontrollieren und Profite abschöpfen, verschwunden; auch im Regionalverkehr Fahrgastzahlen und Erlöse der öffentlichen während die Ausführenden – also auch die wird er sich nicht mehr Jahrzehnte halten. Verkehrsunternehmen empfindlich sinken klassischen Anbieter von Linienverkehren Eine Rückkehr des Bargelds im grossen Stil lassen. Gleichzeitig spielt der öffentliche Ver- – das Nachsehen haben. Das gilt zumindest nach Covid ist ebenfalls nicht zu erwarten. kehr jedoch nach wie vor eine Schlüsselrolle dann, wenn sie sich nicht selber mit gemisch- Beim Automaten-, Handy- und Internetver- bei der dringend erforderlichen Wende hin ten Angeboten, als Mobilitätshubs oder mit kauf von Fahrausweisen ist es indes vordring- zu einer nachhaltigeren Mobilität. Ziel ist ei- eigenen Plattformen beteiligen. Wesentlich lich, dass die Kundinnen und Kunden nicht im Tarifdschungel sitzenbleiben. Kehrseite des schwindenden direkten Kun- Den öffentlichen denkontakts: Das Sicherheitsgefühl leidet. Verkehr neu denken: Immer mehr Haltestellen werden mit Vi- Paris . . . deoüberwachung ausgerüstet (in der Stadt Zürich beispielsweise schon 21 der 435 Hal- testellen), was auch gegen Vandalismus hel- fen soll. Das Tracking der Fahrzeuge mit GPS zeitigt neben erwünschten auch unerwünschte Wir- kungen. Für mich als Fahrgast ist es ange- nehm, wenn ich auf dem Handy sehen kann, dass mein Bus heute Verspätung hat. Blöd ist es nur dann, wenn die Verspätung auf den letzten Metern aufgeholt wurde und ich nur noch die Rücklichter sehe. Und unglücklich sind übrigens auch Ortsunkundige, wenn im Innern des Gefährts statt der Anzeige von Haltestellen lediglich darüber informiert 6 Juni 2021
Nahverkehr | VPOD wird, dass das System gerade einen Neustart Aber auch die Betriebsleitung hat Zugriff auf sich den Dienstag für ihr Wandergrüppli in Angriff nimmt. diese Daten und könnte sie für Disziplinar- freihalten. Natürlich können nicht alle Wün- oder Lohnmassnahmen missbrauchen. Da- sche berücksichtigt werden, und ohnehin Big Brother guckt aufs Lenkrad gegen würde sich der VPOD mit Vehemenz muss meist noch von Hand nachgebessert In bester Absicht – nämlich um ihr Fahrper- wehren, sollte ein Fall bekannt werden. werden. Klar ist, dass die Akzeptanz solcher sonal auf eine ökologische Fahrweise zu trim- Weitgehend positiv einzuschätzen ist die Softwarelösungen mit dem Grad der indivi- men – setzen Verkehrsbetriebe zunehmend Auswirkung der Digitalisierung auf die Ge- duellen Wunscherfüllung steht und fällt. Und auf lückenlose Überwachung. Ein Anzeigege- staltung der Dienstpläne. Man füttert das dass sie die Mitarbeit der Beschäftigten erfor- rät neben dem Lenkrad gibt der Fahrerin, dem System mit den gesetzlichen und betriebli- dern, dass also mehr Nebenarbeitszeit abseits Fahrer mit unterschiedlichen Leuchtsymbolen chen Rahmenbedingungen und zuletzt mit der Kernaufgabe anfällt. Hinweise über den aktuellen Fahrstil, warnt den Wünschen der Mitarbeitenden. Kollegin beispielsweise bei zu hochtourigem Fahren A mag die frühen Morgenstunden, Kollege Pionierarbeit in Bern oder bei zu starker Beschleunigung. Solche In- B fährt aus familiären Gründen derzeit gern Dass die Digitalisierung zu Personalabbau formationen senken den Treibstoffverbrauch. am Wochenende, und Kollegin C möchte führen wird, ist nicht zwingend; sicher ist aber, dass andere Qualifikationen gefragt sein werden als heute. In dieser Frage haben Bern- . . . und Moskau.* mobil und der VPOD Bern Städte Gemeinden Energie Pionierarbeit geleistet. Ausgehend von der Überlegung, dass die Transformation in gewissen Bereichen Geld spart, an anderen Orten aber einen Bedarf an Nach- oder Neu- qualifizierung schafft, haben sie auf 2019 ei- nen Digitalisierungsfonds ins Leben gerufen. Digitalisierungsbedingte Weiterbildung soll auf diese Weise aus digitalisierungsbedingten Erlösen bezahlt werden. Inzwischen haben auch der SEV und die SBB etwas Vergleichba- res geschaffen, aber entgegen ihrer Verlautba- rung waren sie damit nicht die ersten . . . * Die gute Darstellung eines Liniennetzes ist eine Kunst für sich. Der bri- tische Psychologe und Designer Maxwell J. Roberts macht Vorschläge, wie die Pläne übersichtlicher gestaltet werden können, beispielsweise indem sie konzentrisch aufgebaut sind oder geschwungene L inien auf- weisen. Stets ist ein Kompromiss zwischen realer Topografie und leich- ter Lesbarkeit gesucht; dichte Innenstadtknäuel müssen entzerrt, lange Strecken in die Vorstädte gestaucht oder gebogen werden. Niemand am Steuer – ungeheuer? Die technologischen Möglichkeiten des auto- Sobald andere Verkehrsteilnehmende ins Spiel eben auch hier nicht nur um Technik: Die Ver- matisierten Steuerns von Fahrzeugen sind heu- kommen, die sich nicht durchwegs rational und breitung von automatisierten Fahrzeugen hängt te weit fortgeschritten. Auch im privaten PKW vorhersehbar verhalten, wird es schwierig. Der etwa auch von rechtlichen Voraussetzungen ab gibt es bereits eine Unzahl von Assistenzsyste- Betrieb des autonom fahrenden Kleinbusses, der – und nicht zuletzt von der gesellschaftlichen men, die dabei helfen, das Ziel zu finden, sanft den Bahnhof Schaffhausen mit dem Rheinfall Akzeptanz. Kurz: Automatisierte Fahrzeuge wer- zu bremsen, berührungsfrei zu parkieren, das verband, dauerte im Sommer 2019 nur wenige den noch während einer längeren Phase mehr Tempolimit zu befolgen oder die Spur und die Wochen. Obwohl dort stets eine interventionsbe- können, als sie dürfen. Wunschgeschwindigkeit zu halten. Stets sitzt rechtigte Begleitperson mit an Bord war, kam es Wie geht’s weiter? Eine Studie geht davon aus, aber jemand am Lenkrad, die oder der im Zwei- zu einem Unfall mit einem E-Bike. Daraufhin dass die Entwicklung abgestimmt mit dem euro- felsfall die Automatik übersteuern kann. wurde das Projekt eingestellt. päischen Ausland verlaufen sollte, insbesondere Im schienengebundenen Verkehr sind führerlose Heute wird das Thema in erster Linie techno- beim Individualverkehr. Im öV kann man sich die Fahrzeuge auch in der Schweiz schon Realität. logie- und industriegetrieben behandelt. Ge- Schweiz durchaus in einer Vorreiterrolle vorstel- Die Metro Lausanne und die Zubringerbahn zum sichertes Wissen über die Wirkungen auf das len. Die Koordination der Aufgaben und Prozes- Terminal E am Flughafen Zürich haben aller- Mobilitätsverhalten, auf die Raumentwicklung se wird indes eine immense Herausforderung dings eines gemeinsam: Sie sind kreuzungsfrei. oder die Infrastruktur fehlt weitgehend. Es geht darstellen. | Kurt Altenburger Juni 2021 7
VPOD | Berufliche Vorsorge Fehlanreize durch Broker-Honorare in der zweiten Säule: Interview mit Eliane Albisser, Geschäftsleiterin PK-Netz «Dieser Zustand ist nicht mehr tragbar» Pensionskassen-Maklerinnen und -Broker lassen sich ihre Dienste teuer abgelten. Das PK-Netz kritisiert das verbreitete Entschädigungsmodell. Geschäftsleiterin Eliane Albisser erklärt, warum. Und nimmt Stellung zum aktuellen Trauerspiel in der Ständeratskommission. | Interview: Christoph Schlatter (Foto: zVg) Es verhält sich so, wie wenn die Autorin meistens an sehr schlechte Vorsorgeeinrich- eines Restaurantführers nicht aus dem tungen angeschlossen. Es gibt nach meiner Bucherlös entschädigt würde, sondern von Beobachtung eine klare Korrelation zwischen den Wirtinnen und Wirten. Sie empfiehlt der Qualität der Arbeitsbedingungen und je- demnach nicht die besten Restaurants, ner der Pensionskassenlösung. sondern diejenigen, die ihr am meisten zahlen. Du sprichst ausserdem auch von Ein schönes Bild. Die Sache bei den Pensi- einer unguten Beschleunigung onskassen ist aber nochmals komplizierter, im Pensionskassenwesen. indem die Leute – in deinem Beispiel die Dass der Vorsorgemarkt immer schneller Restaurantgäste – ja gar nicht frei wählen wird, ist mit eine Folge des von uns kritisier- können, wo sie essen gehen. Beziehungs- ten, aber leider verbreiteten Entschädigungs- weise wo sie versichert sind. Nicht falsch ver- modells für Broker-Dienstleistungen. Die stehen: Die freie Pensionskassenwahl ist auf Maklerinnen ziehen Gewinn aus häufigem keinen Fall die Lösung! Aber damit würden Wechsel, und manche von ihnen schieben wir wieder ein neues Fass aufmachen. Wich- deshalb Versichertenbestände von A nach B tig fürs Verständnis ist der Strukturwandel in nach C, während die Versicherten an diesem der gesamten Branche. Die Tendenz geht von gesteigerten Traffic überhaupt kein Interesse betrieblichen Kassen, . . . haben. . . . wie man sie im Organisationsgebiet Vielleicht kannst du ein Beispiel geben, des VPOD häufig findet, . . . wie so ein Pensionskassenwechsel . . . zu grossen Sammelstiftungen mit vie- heute häufig abläuft – und wie er len Anschlüssen. Dort ist es übrigens auch eben nicht ablaufen sollte. deutlich schwieriger als bei den öffentlichen Die Arbeitgeberin, die sich verständlicherwei- oder betrieblichen Kassen, Parität zu leben. se in der Materie nicht so gut auskennt, sucht Beim VPOD sind es vor allem die Beschäf- Beratung und gerät an einen Vermittler, der Eliane Albisser ist Geschäftsführerin beim gewerk- tigten in der privaten Pflege und Betreuung ihr Angebote der Kassen A, B und C vorlegt. schaftlichen PK-Netz. und jene von kleinen Einrichtungen des So- Mitsamt der Empfehlung, zur Kasse C zu zü- zialbereichs, die bei einer Sammelstiftung geln, die angeblich die besten Bedingungen andocken. biete. Es ist aber gut möglich, dass er sich von Es gibt viele Bereiche, in denen Die Parameter sind allerdings auch für eine seinem eigenen Wohlergehen hat leiten las- Vermittlungsdienste notwendig sind Publica oder eine Pensionskasse der Stadt sen: Womöglich zahlt C ihm die höchste Pro- oder zumindest nachgefragt werden, Zürich – lange als Vorzeigekassen gehandelt vision oder gar eine fortlaufende Courtage. vom Arbeits- bis zum Liebesmarkt – schwieriger geworden. Auch hier gibt es Da erhält er dann jährlich Ausschüttungen, (Stichwort: «Parship»). Braucht es Broker fürs gleiche Geld weniger Rente als früher. solange der Versichertenbestand besteht. Die auch in der beruflichen Vorsorge? Das trifft zu. Der Druck auf die Parameter Broker-Kosten werden am Ende via Verwal- Aufgrund der heutigen Komplexität des ist in allen Vorsorgemodellen massiv. Man tungskosten von den Versicherten berappt. ganzen Vorsorgeangebots mit seinen unter- kann daher auch nicht pauschal sagen, Die Versicherten müssen für eine schiedlichen Modellen haben wir immer ge- dass Anschlüsse bei Sammeleinrichtungen einmalige, punktuelle Dienstleistung sagt: Wir haben per se nichts gegen Beratung. grundsätzlich schlecht seien. Es wird aber wiederkehrend Geld bezahlen? Was wir kritisieren, ist das Entschädigungs- in Kassen, die tatsächlich von Arbeitgebern Das ist doch wohl die Höhe! modell, das sich hier etabliert hat, bei dem und Arbeitnehmenden gemeinsam verwaltet Die Broker rechtfertigen sich mit angebli- erfolgsabhängige Prämien oder sogar fort- werden, viel Arbeit im Hintergrund geleistet, chen Beratungsdienstleistungen. Wir mei- laufende Courtagen fliessen. Zweites Prob- um Einbussen zu verhindern oder wenigs- nen: Wenn es diese gibt, sollen sie aufwand- lem: Es sind heute meist die Pensionskassen, tens sozialverträglich abzufedern. Dagegen basiert entschädigt werden. Aber doch nicht welche diese Broker bezahlen. Und nicht wie sind – um ein besonders prekäres Beispiel auf unabsehbare Zeit! Und nicht aus dem gesetzlich vorgesehen die Arbeitgebenden. zu nennen – die 24-Stunden-Betreuerinnen Vorsorgevermögen, das den Versicherten ge- 8 Juni 2021
Berufliche Vorsorge | VPOD hört! Diese bezahlen damit VPOD-Frauenpower in der zwei- nis der Arbeitnehmenden zögern lässt. Ein Wechsel muss also auf jeden für eine Dienstleistung, die ten Säule: Die Kassenkommissi- braucht. Das Bundesgericht Fall wohlüberlegt sein. Und dafür, alle paar so nirgends vorgesehen ist on der Publica wird jünger und verdeutlicht, dass damit ei- Jahre die Kasse zu wechseln, sehe ich über- und zu der sie auch keinen weiblicher. Die Neuwahl in das ne «aktive Rolle» der Ver- haupt keinen Grund. Ausser eben den, dass Auftrag gegeben haben. paritätisch zusammengesetzte sicherten gemeint ist. Das die Broker damit Geld machen. Artikel 11 des BVG ist da 16-köpfige Gremium schafften so- Personal soll also beispiels- Der Bundesrat möchte eine Regelung. Der glasklar: Er definiert die wohl die stellvertretende VPOD- weise die vom Arbeitgeber Pensionskassenverband ebenso. Jetzt hat Gründung einer bzw. den Generalsekretärin Natascha Wey eingeholten Offerten prüfen sich die zuständige Ständeratskommission Anschluss an eine Vorsor- als auch Eliane Albisser, frühere und einen «informierten des Themas angenommen, spricht sich aber geeinrichtung als Aufgabe VPOD-Rechtsberaterin in Basel Entscheid» fällen können, gegen eine Korrektur des Missstandes aus. der Arbeitgebenden. und heutige Geschäftsleiterin möglicherweise ebenfalls Der Entscheid der ständerätlichen Kommis- Das ist die des gewerkschaftlichen PK-Net- mit Hilfe einer Fachperson. sion für soziale Sicherheit und Gesundheit Gewerkschaftssicht. zes. Die beiden VPOD-Männer Das ändert aber nichts dar- SGK-S empört mich sehr. Es ist ein Trauer- Keineswegs nur. Es gibt Cipriano Alvarez und Jorge Serra an, dass die Verantwortung spiel! Eine deutliche Mehrheit der Kommis- zwei wasserdichte Gut- wurden wiedergewählt. Die Kas- mitsamt dem finanziellen sion folgt blindlings – und entgegen den Ge- achten. Laurence Uttinger senkommission ist das oberste Aufwand für die Beratung werkschaften, dem Pensionskassenverband spricht von zweckwidriger Organ der Publica; sie ernennt beim Arbeitgeber angesie- und dem Bundesrat – der Argumentation des Verwendung von Vorsorge- die Direktion und entscheidet delt ist. Brokerverbandes SIBA. Demnach drohe eine kapitalien, Roger Baumann über die Anlage- und die Vorsor- Du hast am Anfang Benachteiligung der KMU, wenn man die problematisiert vor allem gepolitik der grössten Pensions- des Gesprächs die Frage reguliere. Über die massiven Fehlan- den Fehlanreiz, wonach kasse der Schweiz (rund 66 000 Beschleunigung des reize dieses Modells wird einfach hinwegge- Maklerinnen die Versicher- Versicherte, rund 42 000 Rentne- Vorsorgemarkts kritisiert, sehen, über die Interessen der Versicherten tenbestände nicht zu den rinnen und Rentner). | vpod von der lediglich die auch. Die Kommission will den vom Bundes- besten, sondern zu den für Broker profitieren. Ist rat vorgeschlagenen Passus wieder streichen. sie selbst einträglichsten Offerten lotsen. der Wechsel der Vorsorgeeinrichtung Und sie hat die Empfehlung sogar mit deutli- Beim Wechsel der Pensionskasse haben denn grundsätzlich etwas Schlechtes? cher Mehrheit beschlossen! ja auch die Arbeitnehmerinnen und Natürlich nicht. Aber die Materie ist komplex, Wie geht es weiter? Arbeitnehmer ein Wörtchen mitzureden; und man muss sich schon überlegen, wer Wir hoffen, dass das Plenum des Ständerats das hat das Bundesgericht klargestellt. wovon profitiert und wer bei einem Wechsel etwas näher bei den realen Problemen der Jetzt soll trotzdem der Arbeitgeber verliert. Welche Beiträge, welche Risikoprä- Arbeitnehmenden in diesem Land ist und allein die nötige Vermittlung bezahlen? mien fallen neu an? Welche Leistungen sind etwas mehr Distanz zum Profitinteresse ei- Ist das nicht ein Widerspruch? vorgesehen? Was geschieht mit den Rentne- ner einzelnen Branche wahrt. Auch im Na- Nein. Du sprichst das Bundesgerichtsurteil rinnen und Rentnern? Auch die Kassen sind tionalrat stehen die Vorzeichen hoffentlich vom Mai 2020 an, das aber eigentlich ledig- ja wählerisch und möchten lieber junge und besser. Denn diesem unfairen System muss lich eine Präzisierung dessen ist, was im Ge- gesunde «Bestände». Wechselt man in eine jetzt endlich der Riegel geschoben werden; setz steht. Dort heisst es, dass es für einen bessere Kasse, muss der Arbeitgeber womög- der heutige Zustand ist für die Versicherten Wechsel der Pensionskasse das Einverständ- lich hohe Einkaufssummen leisten, was ihn einfach nicht mehr tragbar. Sinkflug? Höhe gewinnen! Die vom Bundesamt für Statistik neulich vorge- geverfahren geplante Rentenzuschlag wäre vor legte Neurentenstatistik für 2019 zeigt: Die Ren- allem den Arbeitnehmenden im Tieflohnsektor ten aus der zweiten Säule sinken und sinken. hochwillkommen. Und es besteht weiterhin ein immenser Gender Das PK-Netz weist seit Jahren auf die Dringlich- Gap: Die neue Altersrente aus der beruflichen keit einer Reform in der beruflichen Vorsorge Vorsorge lag 2019 im Median bei den Frauen bei hin: «Wir brauchen keine Belege mehr; die Re- 1160 Franken pro Monat, die Männer erhielten im form muss jetzt vorangetrieben und darf nicht Mittel 2144 Franken. Also fast das Doppelte. mehr auf die lange Bank geschoben werden.» Aus Sicht des PK-Netzes wird die Reformvorlage | pk-n/vpod (Foto: matspersson0/iStock) «BVG 21», die auf dem sogenannten Sozialpart- nerkompromiss fusst, in beiden Punkten helfen: Eine Halbierung des Koordinationsabzugs ver- bessert die Situation vieler Teilzeitbeschäftigter Für Geringverdienende und Teilzeitlerinnen – darunter sind viele Frauen. Und der im Umla- bringt «BVG 21» Fortschritte. Juni 2021 9
VPOD | Aus den Regionen und Sektionen Hier spielt die Musik: BVB-Tram. Hier wird geschlossen: Spital Heiden. nostizierte das Seco eine Teuerung von 0,4 Prozent; Tendenz steigend. Der VPOD und die weiteren Personalverbände haben angesichts der Corona-Situation auf Lohnforderungen für 2021 verzichtet; sie verlan- gen aber, dass die Teuerung 2022 wieder ausgeglichen wird. Bundesrat Ueli Maurer stellt diesen Ausgleich in Frage und widerspricht damit eigenen Zusicherungen, wonach die Anpassung selbstverständlich sei. Die negative Teuerung des Vorjahrs einzurechnen, war bis dato nicht Brauch; die Verbände würden sich dagegen wehren. Sie hoffen aber, auf Gesinnungswandel durch den Gesamtbundesrat. Die abschliessen- den Lohnverhandlungen sind für November geplant. | vpod Heiden: Abrupte Spitalschliessung Der VPOD Ostschweiz ist in grosser Sorge: Mit der Schliessung des Spitals Heiden geschieht ein weiterer Abbau im Service public. Zumal der Wegfall des Spitals als Ausbildungsstätte gibt dem VPOD zu den- ken, gerade angesichts des schweizweiten Mangels an Fachpersonal. Die Politik müsse aufzeigen, wie sie die Lücke zu schliessen gedenke. Der VPOD geht davon aus, dass Angestellte problemlos eine neue Stelle finden, wenn sie mobil sind. Wenn sich jemand aber mit Fa- Im Drämmli erklingt Musik milie in der Region niedergelassen hat und der Partner, die Partnerin Seit 1. Juni ist das Musikhören im Führerstand der BVB-Fahrzeuge dort ebenfalls berufstätig, der Nachwuchs schulpflichtig ist, wird es zulässig – einstweilen im Rahmen eines einjährigen Versuchsbe- schwierig. Der VPOD wird nicht locker lassen, bis für alle eine zufrie- triebs. Damit geht ein alter, von einer Petition mit 600 Unterschrif- denstellende Lösung gefunden ist. | vpod (Foto: Keystone) ten untermalter Wunsch des Verkehrspersonals in Erfüllung. Im Mai 2022 soll entschieden werden, ob der Pilotbetrieb in eine definitive Warnstreik am Waadtländer Unispital Regelung umgewandelt wird. Eine Analyse der FHNW ergab, dass Das Personal des Waadtländer Universitätsspitals CHUV hat für den mit Musik im Führerstand kein erhöhtes Sicherheitsrisiko einhergeht. 23. Juni einen eintägigen Streik beschlossen. Gründe dafür sind der Trotzdem haben sich BVB und VPOD für die Phase I auf gewisse anhaltende Personalmangel sowie eine restriktive Verteilung der Rahmenbedingungen geeinigt. Mit Mobilen à la Streetparade ist also Corona-Prämie. Schon vor der zweiten Welle hatte das Personal sei- einstweilen nicht zu rechnen. | slt (Foto: Occitandu34/Wikimedia CC) ne Forderungen auf den Tisch gelegt. Trotz Verhandlungsversuchen und Protesten der Gewerkschaften hat sich kaum etwas bewegt. Die Schaffhausen: Notruf vom Notfall Corona-Prämie von 900 Franken wird nur ans «Personal der zweiten Die Personalsituation im Notfalldienst der Schaffhauser Spitäler ist Welle» ausbezahlt, und auch dies nach undurchsichtigen Kriterien. sehr angespannt. Der «Notruf» kommt aber nur scheinbar aus heite- Bemühungen um eine Personalaufstockung sind nicht erkennbar. Der rem Himmel, betont der VPOD; vielmehr habe sich die Entwicklung Streikbeschluss wurde im Mai mit sehr grosser Mehrheit an einer aus- abgezeichnet, und zwar schon vor Corona. «Die hohe Aussteigerin- serordentlichen Generalversammlung des Personals getroffen. | vpod nenrate deutet darauf hin, dass die Attraktivität des Berufes gelitten hat», erläutert der VPOD. Nicht nur die Gewinnung neuer Fachkräf- Freiburg: Keine kleineren Klassen te, sondern auch das Halten vorhandenen Personals werden immer Mit fast 3000 Unterschriften hatte der VPOD seine Forderungen schwieriger. Das Communiqué ist auch ein Aufruf an die Politik, bei nach kleineren Klassen in der Mittelschule untermauert. Heute gilt den von ihr steuerbaren Komponenten – namentlich der Lohnent- ein Maximum von 27 Schülerinnen und Schülern und ein angestreb- wicklung – zu handeln. Und zwar jetzt! | vpod ter Durchschnittsbestand von 22. Der VPOD will die Kennzahlen auf 24 (maximal) und 21 (Durchschnitt) senken. Dafür hat der Freiburger Maurer sitzt auf der Bundeskasse Staatsrat aber kein Gehör. Der VPOD hält daran fest, dass eine Ver- Im Bundesbudget ist bisher kein Betrag für Lohnmassnahmen einge- kleinerung der Klassen auf allen Schulstufen die Chancengerechtig- stellt, obwohl die Teuerung jetzt anzieht. Bereits im März 2021 prog- keit stärken und die Bedingungen für alle verbessern würde. | vpod 10 Juni 2021
Dossier: Gefahrenzone Kita Umfrage verweist auf strukturelle Probleme der Branche Krankes System, krankes Personal Die Ergebnisse der VPOD-Umfrage zur Gesundheit des Personals in der vorschulischen Kinderbetreuung (folgende Seiten) sind unschön, aber nicht überraschend. Die Probleme sind struktureller Natur: Die Branche ist chronisch unterfinanziert. | Text: Natascha Wey, stv. VPOD-Generalsekretärin (Foto: Eric Roset) Der VPOD will des Personals. Zudem hat die Ausdifferenzie- nicht einfach mehr rung der Kita-Branche mangels Finanzierung Geld, sondern Geld eben nicht dazu geführt, dass Kitas öffentlich für das Richtige. sind, sondern es ist ein Markt mit privaten Anbietern entstanden, die oft gewinnorien- tiert arbeiten und um Kinder buhlen. Der Kinderbetreuungsreport der Stadt Zürich für das Jahr 2020 zeigt, dass 82,8 Prozent der Kitas in der Stadt Zürich privat sind. Der An- teil ist in anderen Städten und Regionen wohl noch höher; immerhin betreibt die Stadt Zü- rich noch eigene Kitas. Es bleibt aber schwie- rig zu kontrollieren, wie viel (subventionier- tes) Geld jeweils in die Marketingaktivitäten, in die Administration und in den Gewinn ei- ner Kita fliessen – und wie viel in Betreuung und Personal. Seit Jahren fordert der VPOD eine bessere Fi- stalten. Das ist – bei kluger Umsetzung – im- Arbeitsbedingungen regulieren! nanzierung der vorschulischen Kinderbetreu- merhin die richtige Stossrichtung. Die Losung «Mehr Geld für Kitas» führt da- ung. In der Theorie wäre es einfach: Vorschu- Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten her nicht zwingend zu einer besseren Betreu- lische Kinderbetreuung ist Service public; es mit der Anstossfinanzierung schweizweit ungsqualität. Diese lässt sich nur erreichen, gibt keinen Grund, Kitas anders einzustufen rund 60 000 Betreuungsplätze geschaffen wenn das dafür gesprochene Geld auch wirk- oder zu finanzieren als die Schule. In einer wurden, muss jetzt aber die Qualität im Fo- lich beim Personal ankommt. Kontrollieren idealen Welt wären Kitas Teil der Bildung, kus stehen. Ziel der Kommission war es ei- liesse sich dies mit einer GAV-Pflicht dort, vollständig finanziert durch die Kantone und nerseits, eine Verringerung der Elternbeiträ- wo private Träger mitmischen, oder mit voll- Gemeinden. In einer idealen Welt wären die ge zu erreichen (Eltern in der Schweiz tragen ständig öffentlichen Arbeitsbedingungen. Ein Betreuungsangebote gut und die Kita-Plätze heute bereits zwei Drittel der Vollkosten in besserer Betreuungsschlüssel und ein besse- für Eltern gratis. Dass Kitas Teil der Bildungs- der vorschulischen Kinderbetreuung). Eine res Betreuungsverhältnis pro Kind tun not. Es landschaft werden, hat VPOD-Präsidentin Reduktion dieser Beiträge ist gleichstellungs- braucht mehr und besser ausgebildetes Per- Katharina Prelicz-Huber unlängst in einer politisch richtig, da sie die Erwerbstätigkeit sonal, dem man folglich auch höhere Löhne Parlamentarischen Initiative gefordert. der Frauen fördert. Sie trägt zur Verbesse- zahlen muss und das die Perspektive einer rung der Betreuungsqualität jedoch nichts Lohnentwicklung besitzen muss. Handlungsbedarf erkannt bei. Beide Kommissionen hielten aber fest, Die Arbeit in einer Kita ist anspruchsvoll. Ein Der Vorstoss wurde von der nationalrätlichen auch für die Verbesserung der frühkindlichen pädagogischer Mehrwert tritt nur dann ein, Kommission für Bildung, Wissenschaft und Bildung Geld in die Hand nehmen zu wollen. wenn das Personal pädagogisch ausgebildet Kultur (WBK-N) jedoch abgeschmettert. Ei- ist und für seine Arbeit genügend Vor- und ne Umkehrung dieses Entscheids durch das Qualität gibt’s nicht umsonst Nachbereitungszeit hat. Ausserdem braucht Nationalratsplenum käme einem Wunder Wieso aber hängt die Betreuungsqualität es eine gewisse Konstanz beim Personal. In gleich. Und doch: Auch die WBK der beiden so stark mit den Arbeitsbedingungen zu- einer idealen Welt gehören auch insbesondere Räte scheinen mittlerweile den Handlungs- sammen? Die Rechnung ist einfach: 70 bis die unsäglichen Vorpraktika verboten. In der bedarf erkannt zu haben. Sie verabschiede- 85 Prozent der Kosten, die in einer Kita anfal- aktuellen Situation würde es schon helfen, ten im Januar bzw. März dieses Jahres eine len, sind Personalkosten. Diese sind ohnehin wenn Praktikantinnen und Auszubildende Parlamentarische Initiative, die vorsieht, die knapp bemessen mit den allerorts schlechten zumindest nicht in die Betreuungsschlüssel Anstossfinanzierung für Kinderbetreuungs- kantonalen Vorgaben zu Betreuungsschlüs- einflössen. Es wäre am Bund, den Kantonen plätze in eine zeitgemässe Lösung umzuge- seln und Anforderungen an die Ausbildung dazu verbindliche Vorgaben zu machen. Juni 2021 11
Dossier: Gefahrenzone Kita Die Ergebnisse der grossen VPOD-Umfrage «Gesundes Kita-Personal, gesunde Kinder!» liegen vor Lasten, Lärm und Reizbarkeit 714 Kita-Mitarbeitende haben bei der ausführlichen Gesundheitsbefragung durch den VPOD mitgemacht. Die Resultate sprechen eine deutliche Sprache: Der Beruf ist schön und sinnstiftend, aber unter den gegebenen Umständen nicht auf längere Zeit ausübbar. | Text: Julia Maisenbacher, VPOD Zürich Im April 2021 hat der VPOD Mitarbeitende muss gemäss dem gesetzlich vorgeschriebe- zurechtkommen. Pädagogische Teamarbeit von Deutschschweizer Kitas zu ihrer Gesund- nen Betreuungsschlüssel in einer Mehrheit verlangt zudem eine Vielfalt an sozialen Fä- heit befragt. Ziel: mehr gesichertes Wissen der Deutschschweizer Kantone lediglich die higkeiten: Sie erfordert Kooperations- und über die gesundheitliche Belastung des Per- Hälfte des Personals ausgebildet sein. In Be- Kommunikationskompetenz sowie ein hohes sonals, über die Hauptursachen von Über- zug auf den Ausbildungsstand widerspiegelt Mass an Empathie. Kaum verwunderlich also, lastung und über mögliche Massnahmen zur unsere Umfrage also nicht die tatsächliche dass eine grosse Anzahl der Umfrageteilneh- Verbesserung der Situation. An der Umfrage Situation der Branche. Die Mehrheit der Um- menden den Beruf als «schön» und «wich- «Gesundes Kita-Personal, gesunde Kinder!» frageteilnehmenden besitzt eine einschlägige tig» empfindet. Die starke Identifikation mit haben 714 Kita-Mitarbeitende teilgenommen. Ausbildung: zwei Drittel sind Fachfrau/Fach- der sinnstiftenden Aufgabe Kinderbetreuung Die Ergebnisse zeigen: Das Kita-Personal mann Betreuung, und lediglich 13 Prozent führt bei vielen Teilnehmerinnen jedoch zu- identifiziert sich stark mit seinem Beruf, ist stehen noch in der Ausbildung. gleich zu einer inneren Zerrissenheit, denn aber gesundheitlich massiv belastet. die Rahmenbedingungen, unter denen der Das Betreuungspersonal wünscht sich mehr Vielfalt und Fitness Beruf derzeit ausgeübt wird, sind offenbar Massnahmen zum Schutz der Gesundheit. Kinderbetreuung in Kindertagesstätten ist sehr belastend. Obwohl die physische und die psychische Be- eine vielfältige, abwechslungsreiche und her- «Es muss sich dringend etwas ändern! Ich lastung des Kita-Personals hoch sind, fehlen ausfordernde Tätigkeit. Das Kita-Personal be- bin seit Jahren hin- und hergerissen zwischen im Gegensatz zu anderen Branchen oft kan- nötigt körperliche Fitness, die für das Heben Freude am Beruf und Verzweiflung – wobei tonale Vorgaben zur Prävention und zum Ge- und Tragen von Kindern und Mobiliar sowie zweiteres überwiegt. Ich überlege mir fast sundheitsschutz. Darüber hinaus gibt es bis für das Durchhalten von langen und bewe- wöchentlich zu kündigen und lasse es dann auf wenige Ausnahmen bislang kaum Stu- gungsreichen Arbeitstagen nötig ist. Darüber wegen den Kindern und dem Team sein. Bin dien und Analysen, welche die gesundheit- hinaus erfordert das Spielen und das Gestal- aber eigentlich unglücklich – das darf doch liche Belastung des Kita-Personals genauer ten des Betreuungsangebots feinmotorisches nicht sein!» So lautet eine der Aussagen, die beleuchten (siehe folgende Seiten). Geschick und ein hohes Mass an Kreativität. im freien Kommentarfeld der Umfrage ge- Betreuerinnen müssen geschickte Problemlö- macht wurden. Die Zahlen bestätigen das: Ei- Profil: Jung und weiblich serinnen sein. Und sie müssen eine emotio- ne deutliche Mehrheit der Befragten gibt an, Die persönlichen Merkmale der Umfrageteil- nale Stabilität aufweisen, die für den Umgang bei der Arbeit gestresst zu sein !. Knapp 80 nehmerinnen und (wenigen) Umfrageteil- mit den Kindern und jenen mit den Eltern Prozent finden die Aussage «Ich fühle mich nehmer spiegeln weitgehend die Gegebenhei- gleichermassen notwendig ist. bei der Arbeit gestresst» zutreffend oder eher ten in der Branche. 94 Prozent der Befragten Kinder entwickeln sich schnell. Ihre Betreu- zutreffend. Häufige krankheitsbedingte Abwe- sind weiblich. Und: Das Kita-Personal in der ungspersonen müssen sich rasch an ständig senheit @ scheint in vielen Kitas zum Alltag Deutschschweiz ist vergleichsweise jung. In ändernde Rahmenbedingungen anpassen zu gehören. Über die Hälfte der Befragten in unserer Umfrage ist fast die Hälfte zwischen und mit wechselnden Gruppendynamiken Führungsposition (62 Prozent) gibt an, dass 20 und 30 Jahre alt, lediglich 17 Prozent sind über 40. Repräsentativ für die Branche ist Ich fühle mich bei der Arbeit gestresst ! auch der geringe Anteil an tertiär ausgebilde- tem Betreuungspersonal: Nur 17 Prozent der Trifft eher zu Umfrageteilnehmenden haben eine tertiäre Ausbildung. Trifft zu Aufgrund fehlender Aufstiegschancen und mangelnder Lohnanreize sind tertiäre Aus- Trifft eher nicht zu bildungen bisher offenkundig (zu) wenig at- traktiv für das Betreuungspersonal in Kitas. Trifft nicht zu Der Einsatz von unausgebildetem Personal ist immer noch weit verbreitet. Laut einer ak- tuellen SODK-Studie zur Situation der fami- Keine Antwort 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% lienergänzenden Betreuung in den Kantonen 12 Juni 2021
Dossier: Gefahrenzone Kita Wie lange bist du in den letzten drei Erwägst du aufgrund der belastenden Bist du im Zusammenhang mit deiner Monaten krankheitsbedingt ausgefallen? gesundheitlichen Situation den Beruf zu Arbeit in ärztlicher oder therapeutischer wechseln? Behandlung? Unter 3 Tagen 4 bis 10 Tage 10 bis 20 Tage Mehr als 20 Tage Ja Nein Ja Nein Keine Antwort @ Keine Antwort # Keine Antwort $ Mitarbeitende während der letzten 6 Monate beugen und die Gesundheit des Personals zu den Anforderungen des Arbeitgebers verein- krankheitsbedingt ausgefallen sind. schützen. Das deutet daraufhin, dass die Rah- baren zu können. Die häufigsten Beschwerden der Mitarbei- menbedingungen als so belastend eingestuft Im Kita-Alltag entstehen beim Spielen und tenden sind Reizbarkeit (69 Prozent), Kopf- werden, dass ein 100-Prozent-Pensum nicht Essen, bei der Pflege und beim Schlafen der schmerzen (64 Prozent) und emotionale realistisch erscheint. Kinder zudem körperliche Belastungsschwer- Erschöpfung (63 Prozent). Zwei Drittel der punkte. Häufig arbeiten die Betreuerinnen in Befragten haben während der letzten 4 Wo- Woher kommt die Belastung? gebückter Haltung oder kniend auf niedriger chen an Arbeitstagen oder während der Arbeit Die Umfrageergebnisse geben auch darüber (Kinder-)Augenhöhe. Dazu kommen Dreh- mehrmals an diesen Symptomen gelitten. Auskunft, welche Ursachen aus Sicht der Be- bewegungen, zum Beispiel beim Schuhean- Knapp die Hälfte der Teilnehmenden klagt fragten für die hohe gesundheitliche Belas- ziehen. Nicht zuletzt ist die hohe Lautstärke über wiederkehrende Schlafstörungen (48 Pro- tung verantwortlich sind. 58 Prozent stimm- ein nicht unerheblicher Belastungsfaktor. Ge- zent), Nervosität (52 Prozent) und Schmerzen ten der Aussage teilweise oder vollständig mäss einer Studie des arbeitswissenschaftli- im Schulterbereich (54 Prozent). Die Umfra- zu, in ihrer Kita herrsche Personalmangel %. chen Instituts der Gesamthochschule Kassel ge zeigt deutlich, dass Kinderbetreuung unter Auch die generelle Unterfinanzierung der Ki- herrscht in manchen Kitas durch mangelnde den gegebenen Rahmenbedingungen nicht zu tas wird als zentraler Stressfaktor benannt. Ei- lärmdämmende bauliche Massnahmen und den Beschäftigungen gehört, die man länger- ne Teilnehmerin empfindet den Kostendruck durch die Grösse der Kindergruppen eine fristig zufrieden ausüben kann. Nicht weniger in den Kitas als «riesig» und beklagt, dass er Lärmbelastung, die in anderen Berufen zum als 40 Prozent der Befragten erwägen, wegen «auf das Personal abgewälzt wird». Auch ho- Tragen eines Gehörschutzes verpflichten der gesundheitlichen Belastung den Beruf zu he Flexibilitätsanforderungen, die wiederum würde. So ist es nicht verwunderlich, dass wechseln #. Beunruhigend ist auch, dass sich durch Personalmangel und eine grosse Per- weit über die Hälfte der Teilnehmerinnen ein Viertel aller Befragten im Zusammenhang sonalfluktuation begünstigt werden, scheinen und Teilnehmer unserer Umfrage (60 Pro- mit ihrer Arbeit in ärztlicher oder therapeuti- bezüglich der gesundheitlichen Belastung zent) das Lärmniveau als teilweise oder voll- scher Behandlung $ befindet. Die hohe ge- des Personals eine zentrale Rolle zu spielen. ständig zu hoch erachtet. sundheitliche Belastung spiegelt sich weiter 64 Prozent finden, dass der Arbeitgeber viel Die hohe gesundheitliche Belastung hat darin, dass viele der befragten Führungskräfte Flexibilität von ihnen verlangt, und nur 32 Auswirkungen auf den Betreuungsalltag des Teilzeitangebote für das Personal als geeignete Prozent geben an, genug flexibel zu sein, um Personals und der Kinder. Insgesamt 60 Pro- Massnahme ansehen, der Erschöpfung vorzu- eigene Bedürfnisse und Verpflichtungen mit zent sagen, dass sie innerhalb der letzten 2 Wochen gegenüber den Kindern einmal oder mehrmals ungewollt laut und unfreundlich In meiner Kita herrscht Personalmangel % geworden seien. Die hohe Belastung be- Stimme zu günstigt die Reizbarkeit und beeinträchtigt die Konzentration des Personals. Insgesamt Stimme teilweise zu 53 Prozent der Teilnehmenden geben an, während der letzten 2 Wochen einmal oder mehrmals vergesslich und unaufmerksam Stimme nicht zu gewesen zu sein ^. Was bräuchte es, damit die Betreuung von Keine Antwort Kindern in Kitas als Beruf langfristig bei gu- 0 50 100 150 200 250 ter Gesundheit und Zufriedenheit ausgeübt Juni 2021 13
Dossier: Gefahrenzone Kita Verhaltensweisen, die in Folge von Überlastung in den letzten zwei Wochen mehrmals aufgetreten sind ^ Ich bin leicht reizbar Ich bin vergesslich und unaufmerksam Ich werde ungewollt laut und unfreundlich gegenüber den Kindern Ich zögere das Hochnehmen von schweren Gegenständen hinaus, um meinen Rücken zu schonen Ich werde ungewollt laut und unfreundlich gegenüber Kolleg*innen Ich zögere das Wickeln von Kindern hinaus, um sie nicht hochnehmen zu müssen Ich vermeide es, mit den Kindern hinauszugehen, um weniger laufen zu müssen 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% werden kann? Unsere Umfrage zeigt, dass dass es in ihren Kitas auch keine Vorkeh- Rabatt fürs Fitnessabo? der Wunsch nach präventiven Massnahmen rungen gibt, um Erschöpfung vorzubeugen. Einzelne Betriebe bieten auch regelmässige im Gesundheitsschutz gross ist. Es besteht Die wenigen Einrichtungen, die bislang im Mitarbeitergespräche mit Fragen zum The- dringender Handlungsbedarf: In den Kitas Bereich Gesundheitsschutz aktiv sind, setzen ma Gesundheit an, verfügen über Pools von von 60 Prozent der Umfrageteilnehmerin- auf gesundes Essen, frisches Obst, Rücken- Springerinnen oder gewähren zusätzliche nen gibt es bislang keinerlei Massnahmen schulungen, Anweisungen zum Heben von Pausen. Auch lärmdämmende Massnahmen, zur Gesundheitsförderung. Rund 70 Prozent schweren Gegenstände. Oder sie erlauben Supervision und Sportabonnements oder Ra- der befragten Führungspersonen geben an, das Wickeln am Boden. batt für Fitnessstudios gibt es in manchen Interview mit Olivia Blöchliger, die als Psychologin die Situation in Kitas untersucht und auch über die internationale Forschung Bescheid weiss «Kinder gehen uns alle an» Die Psychologin Olivia Blöchliger hat selbst zur Situation in Kitas publiziert und kennt auch den Stand der internationalen Forschung. Passen die Ergebnisse der VPOD-Untersuchung ins Gesamtbild? | Interview: Julia Maisenbacher (Foto: Eric Roset) VPOD-Magazin: Haben die Ergebnisse Personal mit Berufserfahrung gefühlvoller Die Grundlage jeder guten Betreuung ist die unserer Umfrage Sie überrascht? mit den Kindern umgeht und einfacher Kin- Beziehung. Wenn jemand geht, bricht die Be- Olivia Blöchliger: Nein, gar nicht. Sie ähneln dergruppen leiten kann. Wir haben ja in den ziehung natürlich ab, und die Kinder müssen den Ergebnissen meiner eigenen Studie Kitas in Zürich einen Anteil von weniger als eine neue Beziehung aufbauen mit neuen Be- und vielen anderen Untersuchungen, die 50 Prozent an ausgebildetem Personal. Und zugspersonen. Es sind ja meist kleine Teams; es bislang im internationalen Kontext gibt. das hat Konsequenzen. Ein Problem ist auch, und wenn jemand geht, hat das negative Fol- Häufiges Resultat ist eine hohe psychische dass teilweise zu viel Verantwortung an (noch) gen fürs ganze pädagogische Geschehen und Belastung des Betreuungspersonals in Kitas. nicht ausgebildetes Personal übertragen wird. natürlich für die Kinder. Kontinuität und Sta- Gereiztheit und Erschöpfung sind typische Auch in meiner Untersuchung hat sich ge- bilität der Beziehung sind für Kinder zentral, Burnout-Symptome. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass mehr Personal bzw. mehr ausge- damit sie Lernerfahrungen machen können. meiner Studie war, dass mangelnde Lohn- bildetes Personal mit geringerem und selte- 60 Prozent der Befragten empfinden zufriedenheit im Zusammenhang mit mehr nerem Auftreten von Burnout-Symptomen Lärm als stärkste Belastung im Burnout-Symptomen steht. Betreuung in der im Zusammenhang steht. Ein weiterer Belas- Betreuungsalltag. Müsste diese Zahl Kita ist ein anspruchsvoller Job mit einer sehr tungsfaktor für das Betreuungspersonal ist das nicht sogar noch höher sein? grossen Verantwortung. Gefühl, den Kindern nicht gerecht werden zu Viele Studien zur gesundheitlichen Belastung Welche Rolle spielt die Ausbildung können, wovon zahlreiche Betreuungsperso- im Kita-Bereich stammen aus Deutschland. der Betreuungspersonen für die nen in meinen Studien berichtet haben. Die meisten Untersuchungen, die dort zu Qualität der Betreuung? Welche Auswirkungen hat die dem Thema entstanden sind, verweisen auf Eine in Fachkreisen bekannte Studie von Mar- hohe Personalfluktuation auf physische Belastungsfaktoren wie beispiels- cy Whitebook zeigt, dass besser ausgebildetes die Betreuungsqualität? weise eine hohe Belastung des Rückens durch 14 Juni 2021
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