Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor

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Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor

2 | 2013                                                                               Rubrik
Das Schweizer Logistikmagazin

CEO-Talk mit
Thomas Amstutz,
Feldschlösschen AG
S. 26

                                             Schienengüterverkehr –
                                             Vorbild Schweiz?
Foto: Hans Musterann

                                             Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten
                                             europäischen Güterkorridor
                       SBB Cargo 2 | 2013                                                  1
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
Inhalt

Schienengüterverkehr –
Vorbild Schweiz?

4                                                                                                                         4
                                                                                                                           
                                                                                                                               Cargoland Schweiz
                                                                                                                                Reportage: Von Basel nach Chiasso

                                                                                                                          12   Facts & Figures
                                                                                                                                Faszination Cargo

                                                                                                                          14   Interview
                                                                                                                                «Peter Füglistaler, wie wird die ­
                                                                                                                                Güterbahn konkurrenzfähiger?»

                                                                                                                          17   Essay von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle
                                                                                                                                «Logistik trägt zum Wohlstand bei»

                                                                                                                          18   Regionale Cargo-Produktion
                                                                                                                                Wie von Geisterhand bewegt
Nord-Süd-Achse: Eine Reise quer durch die Schweiz.
                                                                                                                          22   Schienengüterverkehr in der Fläche
                                                                                                                          	«Wir benötigen mehr
                                                                                                                            unternehmerischen Spielraum»

                                                                                                                          24   Schotter
                                                                                                                                Neuigkeiten aus der Logistikbranche
                                                                                                                          26   CEO-Talk
                                                                                                                          	«Grundsätzlich kann jedes Gut auf
                                                                                                                            die Schiene»

                                                                                                                          29   Cargo-Klick

12                                                                                                                   	         Rollende Landstrasse

Auf einen Blick: Die Dimensionen des über die Schweiz                                                                     30   Meine Logistik
abgewickelten ­Gütertransports in bildhaften Vergleichen.                                                                 	Evelyne Binsack, Abenteurerin
                                                                                                                            und Bergführerin

                                                                                                                          Gratisabonnement auf www.sbbcargo.com/de/abonnement
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                                                                                      Rubrik
                                                                                                                          Abonnieren Sie das Cargo-Magazin kostenlos. Leserinnen und Leser, die in der
                                                                                                                          Schweiz wohnen, wählen zwischen einer gedruckten und einer elektronischen
                                                                                                                          Version. Oder bestellen beide Sorten. Wer ausserhalb der Schweiz wohnt, liest
                                                                                                                          die elektronische Version.
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                                                                                                                          Über www.sbbcargo.com/de/abonnement oder cargomagazin@sbbcargo.com
                                            Schienengüterverkehr –
                                            Vorbild Schweiz?                                   SBB Cargo-Zug bei          geben Sie uns Ihre neue Adresse, Änderungen oder die Löschung des
Foto: Hans Musterann

                                            Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten
                                            europäischen Güterkorridor
                       SBB Cargo 2 | 2013                                                  1

                                                                                               Wassen am Gotthard.        Abonnements bekannt.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
                                                                                                              Editorial

                                                                                                                    Liebe Leserin,
                                                                                                                    lieber Leser
                                                                                   www.sbbcargo.com
                                                                                   Weiterführende Informationen
                                                                                   im Webportal von SBB Cargo
                                                                                   sind mit diesem Icon markiert.

                                                                                   blog.sbbcargo.com
                                                                                   Weiterführende Informationen
                                                                                   im Cargo-Blog sind mit diesem
                                                                                   Icon markiert.
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                                                                                                                          konzipierten Magazins von SBB Cargo in Ihren Händen. Damit
                                                                                                                          möchten wir Ihnen von nun an ein Logistikmagazin bieten, das noch
                                                                                                                    anschaulicher über Branchentrends, Technologien und neue Perspektiven
                                                                                                                    informiert. Natürlich soll auch Überraschendes, Kontroverses und
                                                                                   Impressum Cargo 2 | 2013
                                                                                                                    Unterhaltendes nicht zu kurz kommen. Neu ist zudem, dass wir uns mit
                                                                                   Das Logistikmagazin von          jeder Nummer ein bestimmtes Thema vornehmen und dieses ausführlich
                                                                                   SBB Cargo erscheint dreimal
                                                                                   pro Jahr in Deutsch,
                                                                                                                    beleuchten.

                                                                                                                    M
                                                                                   Französisch und Italienisch.

                                                                                   Gesamtauflage                              it «Schienengüterverkehr – Vorbild Schweiz?» ist das erste
                                                                                   13 000 Exemplare                           Themenmagazin betitelt. Als Marktführerin im schweizerischen
                                                                                   Redaktion (SBB Cargo)
                                                                                   Martin Radtke (Leitung),                   Schienengüterverkehr möchten wir Ihnen einen Einblick geben in
                                                                                   Karin Grundböck,                 die Besonderheiten unseres Alpenlands. Wo liegen die Unterschiede zu den
                                                                                   Martina Riser,
                                                                                   Miriam Wassmer,                  Nachbarn, welches sind die Herausforderungen, was haben wir zu bieten
                                                                                   Matthias Widmer                  und worum dreht sich bei uns die aktuelle Debatte in der Verkehrspolitik?
                                                                                   Redaktionelle Mitarbeit
                                                                                   (Crafft)                         Um das herauszufinden, haben wir kompetente Journalisten auf die Piste
                                                                                   Roy Spring (Leitung),            geschickt, Experten um ihre Meinungen gebeten und spannende Menschen
                                                                                   Peter Krebs, Robi Wildi,
                                                                                   Pirmin Schilliger,               interviewt. Für die Premiere haben wir uns ein ganz besonderes Datum
                                                                                   Jean-Pierre Ritler               ausgesucht: Vom 4. bis 7. Juni findet in München bekanntlich die Transport
                                                                                   Konzept, Gestaltung
                                                                                   und Realisation                  Logistik statt – ein absoluter Pflichttermin unserer Branche. Auch für uns!

                                                                                                                    S
                                                                                   Crafft Kommunikation AG,
Coverfoto: SBB Cargo, Fotos: Roland Tännler, Illustration: Hansjakob Fehr, 1Kilo

                                                                                   Zürich
                                                                                   Übersetzungen                          BB Cargo stellt die Weichen für die Zukunft. Zusammen mit Ihnen
                                                                                   Traductor, Basel                       wollen wir neue Wege gehen, interessante Möglichkeiten erkennen,
                                                                                   Lithografie und Druck
                                                                                   Neidhart + Schön AG, Zürich            wertvolle Potenziale ausschöpfen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
                                                                                   Redaktionsadresse                eine anregende Lektüre.
                                                                                   SBB Cargo «Redaktion
                                                                                   Logistikmagazin cargo»
                                                                                   4065 Basel, Schweiz              Martin Radtke
                                                                                   cargomagazin@sbbcargo.com
                                                                                                                    Leiter Crossmedia SBB Cargo
                                                                                   Das Copyright für dieses         martin.radtke@sbbcargo.com
                                                                                   Magazin liegt bei SBB Cargo.
                                                                                   Der Abdruck von Artikeln ist
                                                                                   unter Quellenangaben erlaubt.
                                                                                   Bitte schicken Sie uns jeweils
                                                                                   ein Belegexemplar.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
1. Rheinhafen Basel-Kleinhüningen: Die Bedeutung der Achse Rotterdam–Basel–Genua steigt weiter.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
2. Rangierbahnhof Basel-Muttenz: Die wichtige Drehscheibe im europäischen Netz wird modernisiert.

                  Cargoland
                  Schweiz
                   Mitten durch die Schweiz führt der wichtigste
                   europäische Güterkorridor. Hier werden zwei Drittel
                   der Waren auf der Schiene befördert – eine grosse
                   Herausforderung für SBB Cargo und ihre Partner.
                   Unterwegs auf der Strecke von Basel nach Chiasso.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
Cargoland Schweiz

Text: Pirmin Schillinger                                                              Kleinhüningen das trimodale Terminal
Fotografie: Roland Tännler                                                            Basel Nord. Es umfasst ein drittes Hafen-
                                                                                      becken sowie Gleis- und Krananlagen für

A
                                                                                      die rund 700 Meter langen Züge. «Ein
             ussichtsplattform Bernoulli-                                             Quantensprung in der Bahnproduktion»,
             Silo in Basel-Kleinhüningen                                              so Röthlingshöfer. Heute müssen die
             am Dreiländereck: Rund 50                                                Züge, weil die Gleise an den Piers lediglich
             Meter über dem Boden fällt                                               150 bis 200 Meter lang sind, zerlegt und
der Blick steil auf die mit Lagergebäuden,                                            mühsam wieder formiert werden. Für SBB
Hallen und Gleisen bebaute Hafenanlage.                                               Cargo bedeutet das Terminal Basel Nord
Ein Kran greift sich Schrott aus einem                                                das zweite Grossprojekt für den Güterum-
Waggon und lässt ihn nach einer elegan-                                               schlag im kombinierten Verkehr, nebst
ten Drehung in einen Schiffsbauch pol-                                                dem neuen Gateway beim Rangierbahn-
tern. Der Rhein durchschneidet die Land-                                              hof Limmattal.
schaft und verliert sich im Morgendunst.                                                  Wenige Minuten nur dauert es, bis ein
Am Rande des Hafenbeckens rollt ein                                                   in den Rheinhäfen beladener Güterzug
mächtiger Kran hin und her; der stähler-                                              in den Rangierbahnhof Basel-Muttenz 2.
ne Koloss wirkt aus der Distanz beinahe                                               einfährt. Ein Meer aus Schienen und Mas-
spielerisch. Hapag-Lloyd, Hanjin, Maersk –                                            ten, Bauteams verlegen neue Schienen,
aus der ganzen Welt hat die Übersee-                                                  die Modernisierung der Anlage Basel I ist
fracht auch in Containern ihren Weg nach                                              im September 2013 abgeschlossen. Danach
Basel gefunden.                                                                       gilt das klassische Rangierprinzip weiter-
                                              Rund 320 Güterzüge verlassen den
    Über die Bedeutung des Hafens 1.          Rangierbahnhof Basel-Muttenz an einem   hin: Die von einer Rangierlok über den Ab-
lässt Florian Röthlingshöfer, Projektleiter   durchschnittlichen Verkehrstag.         laufberg geschobenen Waggons bewegen
Areale und Hafenbahnen der Schweizeri-                                                sich wie von Geisterhand übers Areal. Rol-
schen Rheinhäfen (SRH), keine Zweifel:                                                len über Weichen in den weit sich öffnen-
«Die Achse Rotterdam–Basel–Genua ist                                                  den Fächer von Richtungsgleisen, kommen
der mit Abstand wichtigste europäische                                                schliesslich mit sanftem Ruck zum Stehen.
Güterverkehrskorridor. Basel bildet eine                                              «Das Rangieren ist weitgehend automati-
natürliche Schnittstelle in diesem Ver-                                               siert, aber einen Geisterbahnhof haben wir
kehrssystem, weil hier die schiffbare                                                 noch lange nicht», meint Christoph Buser,
Rheinroute endet.» Was über rund 900                                                  stellvertretender Leiter des Rangierbahn-
Kilometer in vier Tagen flussaufwärts                                                 hofs Basel. Rangierarbeiter kuppeln wie eh
transportiert wird und weiter südwärts                                                und je Waggons. Verschwunden sind hinge-
soll, muss am nördlichen Eingangsportal                                               gen jene Männer, die früher die Waggons
zur Schweiz umgeladen werden. Rund 40                                                 mit Reglern und Hemmschuhen manuell
Prozent der Ware gelangt auf Lastwagen,                                               gestoppt haben. Gebremst wird nun elek‑
60 Prozent nimmt die Bahn auf, 85 Pro-                                                trodynamisch. Also leiser, das schätzen
zent davon SBB Cargo. Rund 7500 Züge                                                  die Anwohner.
mit 100 000 Waggons zirkulieren hier
jährlich und verteilen die Güter, teilweise                                           Lokführerwechsel in Goldau
über Zwischenstationen, in der ganzen                                                 Basel-Muttenz ist eine internationale
Schweiz. Gewisse Frachten werden auch                                                 Drehscheibe. Einerseits findet hier für
in den Transitverkehr auf die Nord-                                                   Züge aus Frankreich und Deutschland der
Süd-Achse eingeschleust, etwa Schrott                                                 Lokwechsel statt. Andererseits werden
aus Deutschland für norditalienische                                                  Güterzüge für die lokale Verteilung der
Stahlwerke.                                                                           Güter in der Nordwestschweiz oder den
    Weil der Warenfluss auf den Weltmee-                                              Transit nach Italien neu formiert. Rund
ren wächst und der Seehafen Rotterdam                                                 320 Güterzüge verlassen an einem durch-
seine Kapazitäten massiv ausbaut, geraten                                             schnittlichen Verkehrstag den Rangier-
die Häfen im Hinterland in Zugzwang.                                                  bahnhof. In Zukunft soll die Anlage Basel
Laut Prognosen wird sich der Container-                                               I, die den Südverkehr bündelt, zusammen
verkehr zwischen der Nordsee und                                                      mit der für die Nordrichtung verantwort-
den Schweizerischen Rheinhäfen in den                                                 lichen Anlage Basel II zu einem der mo-
nächsten zwanzig Jahren verdoppeln bis                                                dernsten Rangierbahnhöfe im europäi-
verdreifachen. «Die Nachfrage nach mehr             «Basel bildet eine                schen Netz werden.
Umladeleistung vom Schiff auf die Bahn         ­natürliche Schnittstelle in               Anderthalb Stunden nach der Abfahrt
wird massiv steigen», so Röthlingshöfer.                                              in Basel-Muttenz erreicht ein mit Contai-
Darum planen die Schweizerischen Rhein-
                                                diesem Verkehrssystem.»               nern beladener, ursprünglich in Ludwigs-
häfen und SBB Cargo gemeinsam in                       Florian Röthlingshöfer         hafen gestarteter Güterzug über Bözberg–

6                                                                                                               SBB Cargo 2 | 2013
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
                                                                                              Cargoland Schweiz

Freiamt–Rotkreuz den Bahnhof Goldau.             Interview mit Daniel Marbach, Logistikchef bei AMAG
Hier beginnt das Nadelöhr der Gotthard-
Strecke: Alle Zugangskorridore aus dem
Mittelland verschmelzen zu einer einzi-         «Die Bahn ist uns ein
gen Linie. Ein Lokführerwechsel 3. ist an-
gesagt: Dominik Baumberger löst seinen          zuverlässiger Partner»
Kollegen Damian Schelbert ab. Die beiden
Männer tauschen ein paar Informationen                      Die AMAG Automobil- und Motoren AG ist mit einem
aus – und schon geht die Reise weiter.                      Markt­anteil von 29 Prozent der grösste Autoimporteur der
Baumberger, 34, seit elf Jahren ausgebilde-                 Schweiz. Warum sie bei der Einfuhr der Volkswagen,
ter Lokführer, kennt die Nord-Süd-Route                     Audi, Skoda, Seat und VW-Nutzfahrzeuge mehrheitlich auf
                                                            die Schiene setzt, erklärt Logistikchef Daniel Marbach.
wie seine Hosentasche. Weil die Waggons
schwer beladen sind, wird in Erstfeld eine
                                                SBB Cargo: Wie viele der von AMAG im letzten Jahr importierten
dritte Lok angehängt. Sie sorgt für zusätz-     90  0 00 Autos gelangten per Bahn ins Zentrallager nach Birrfeld?
lichen Schub. Durch Kehrtunnels gehts           Daniel Marbach: Mehr als 50 000 Fahrzeuge waren es, die auf der
nach oben zum Nordportal des Tunnels.           Schiene importiert wurden.
     Die Gotthardstrecke 4. verlangt erhöh-
te Aufmerksamkeit. Mit einem Auge späht         Folglich wurden rund 40 000 Fahrzeuge im letzten Jahr auf der
der Lokführer auf die Hänge, wo Stein-          Strasse in die Schweiz gebracht. Wer oder was entscheidet über
                                                die jeweilige Transportart?
schlag und Lawinen drohen, mit dem an-
                                                Diese Frage können wir wohl nicht ganz befriedigend beantworten.
deren kontrolliert er die Instrumente.          Die Transporte in die Schweiz werden von der Volkswagen AG in
«Nach so vielen Jahren kennt man die            Deutschland organisiert. Wir haben nur eine geringe Mitsprache, wie
Strecke und merkt schnell, wenn etwas           die Transporte in Deutschland organisiert werden. Wir setzen uns
nicht stimmt», sagt Baumberger. Bei             für die Lieferung per Bahn ein, jedoch entscheidet die Volkswagen AG
­einem Zwischenfall würde er sofort die         aufgrund von Preis, Leistung und Herkunft.
 Leitstelle in Olten kontaktieren. Diese
                                                Eine wie lange Bahnreise legen die Autos im Schnitt zurück?
 plant nicht nur die Einsätze der Lokführer
                                                Die Fahrt vom jeweiligen Produktionswerk bis nach Birrfeld inklusive
 und Lokomotiven. Sie begleitet, steuert        Pufferung in Basel beträgt im Schnitt sechs Tage. Die längste
 und überwacht überdies die bis zu 100          Reisezeit haben die Waggons aus Pamplona in Nordspanien. Sie
 Transitzüge, die an Spitzentagen von SBB       sind durchschnittlich zehn Tage unterwegs.
 Cargo International auf der Nord-Süd-
 Achse gefahren werden.                         Warum setzt AMAG überhaupt auf die Bahn? Was sind die Vorteile
     Rund zwölf Stunden dauert die Fahrt        gegenüber der Strasse?
                                                Die Bahn ist für uns ein zuverlässiger, preiswerter und ökologischer
 von Ludwigshafen nach Gallarate bei Mai-
                                                Verkehrsträger. Die Kapazitäten sind auch für grössere Mengen
 land. Knapp die Hälfte der Zeit entfällt auf   geeignet. Zudem setzt auch unser Partner in Deutschland, die Volks-
 die Strecke durch die Schweiz. Schichtlei-     wagen AG, wenn immer möglich auf die Schiene.
 ter Thomas Galliker sagt zur Herausforde-
 rung, die sich ihm und seinem Team stellt:     Auch für die Teilelogistik, also die Auslieferung von Ersatzteilen,
 «Wir sind verantwortlich, dass der Zug         nutzt die AMAG für längere Distanzen die Bahn. Wofür konkret?
 plangemäss von A nach B gelangt.» Bis zu       Wir nutzen die Bahn für die Belieferung unserer regionalen Ersatz­
                                                teillager im Tessin und in der Westschweiz ab unserem Teilelogistik-
 vier Bildschirme flimmern auf dem Tisch
                                                Center in Buchs ZH.
 eines Disponenten. Sie erlauben ihm den
 Überblick vom Güterzugs-Fahrplan bis zu        Was ist bei dieser Distribution die eigentliche Stärke der Bahn?
 Details der Fracht in den einzelnen Wag-       Der grosse Vorteil ist die Nutzung der Nachtzeit. Dank dem täglichen
 gons. Pünktlich trifft Baumberger nach         Nachtsprung mit ein bis zwei Schiebewand-Güterwagen zwischen
 zweieinhalb Stunden in Bellinzona ein          Buchs und Crissier-Lausanne können Kunden in der Westschweiz bis
 und übergibt den Güterzug an einen Tes-        um 17 Uhr am Abend Ersatzteile bestellen, die sie dann am nächsten
                                                Tag ausgeliefert bekommen.
 siner Kollegen. In ein paar Jahren wird
 die Fahrzeit dank der neuen Alpentrans-        Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in Zukunft: Wird die Bahn
 versale (NEAT) deutlich kürzer sein.           für die Logistik von AMAG noch wichtiger?
     Die Zukunft kündigt sich in Erstfeld       Die weitere Entwicklung ist noch nicht genau absehbar. Ich gehe
 und Bodio vor den Eingangsportalen des         davon aus, dass das Auftragsvolumen stabil bleiben wird. Jedoch
 Gotthard-Basistunnels an. Der Talboden         muss sich auch unsere Logistik immer wieder den Anforderungen des
 ist überstellt mit Werkstätten, Baracken,      Marktes stellen. Entsprechend werden unsere Logistikpartner aufs
                                                Neue gefordert sein, eine exzellente Leistung zu vertretbaren
 Lastwagen und Baggern. Im Moment wird
                                                Kosten zu erbringen. Die Bahn ist dazu gut aufgestellt – an uns soll
 Bahntechnik in den Berg eingebaut: Die         es nicht liegen.
 Arbeiter verlegen die Gleise und installie-
 ren Sicherheits- und Leittechnik. SBB
 Cargo transportierte einen grossen Teil
 des Aushubs für den 57 Kilometer >

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                    7
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
3. Arth-Goldau: Lokführer Dominik Baumberger (links) löst seinen Kollegen Damian Schelbert ab.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
4. Gotthard-Basistunnel: Göschenen wird durch die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) entlastet.
Schienengüterverkehr - Vorbild Schweiz? - Die Nord-Süd-Achse: Unterwegs im wichtigsten europäischen Güterkorridor
langen Tunnel. Die rund 25 Millionen
                                                                          Tonnen entsprechen dem fünffachen Vo-
                                                                          lumen der ägyptischen Cheops-Pyramide.

                                                                          Sauberer Strom aus den Bergen
                                                                          Der neue Gotthard-Basistunnel wird,
                                                                          wenn er im Dezember 2016 eröffnet wird,
                                                                          die Reisezeit um mehr als eine Stunde ver-
                                                                          kürzen. Davon soll nicht nur der Perso-
                                                                          nen-, sondern auch der Güterverkehr pro-
                                                                          fitieren. Beim Bundesamt für Verkehr
                                                                          hofft man, dank des Basistunnels die bis
                                                                          2030 prognostizierte Verdoppelung des
                                                                          Güterverkehrs auf der Achse Rotterdam–
                                                                          Genua auf der Schiene auffangen zu kön-
                                                                          nen. Ob der neue Tunnel zum Meilenstein
                                                                          in der Verlagerungsstrategie wird, hängt
                                                                          auch von verschiedenen politischen Ent-
                                                                          scheiden ab. Notwendig ist etwa der Aus-
                                                                          bau von Zufahrtsstrecken. Unverzichtbar
                                                                          sind durchgehende Viermeterkorridore
                                                                          für den Transport der Auflieger oder
                                                                          Wechselbrücken von Sattelschleppern.
                                                                          Diese machen auf der Nord-Süd-Achse 60
                                                                          Prozent der Nutzfahrzeuge aus.
                                                                               Mit der Eröffnung des Gotthard-Basis-
5. Cadenazzo: Das neue Umschlagterminal zwischen Bellinzona
und Locarno bietet alles auch für den kombinierten Verkehr.               tunnels wird die Nachfrage nach Strom
                                                                          deutlich steigen. Um den zusätzlichen Be-
                                                                          darf südlich des Gotthards abzudecken,
                                                                          will die SBB zusammen mit der Azienda
                                                                          Elettrica Ticinese (AET) das Kraftwerk
                                                                          Ritom erneuern. Geplant sind bis 2018
                                                                          zwei neue Turbinen von je 60 Megawatt
                                                                          Leistung. Sie werden vier deutlich schwä-
                                                                          chere Turbinen ersetzen. Die entspre-
                                                                          chenden Druckleitungen, die eine Fall­
                                                                          höhe von 850 Metern nutzen, sind als
                                                                          auffällige Schneise im Schutzwald bei
                                                                          Ambrì weithin sichtbar. Parallel zu den
                                                                          mächtigen vier grünen Röhren führt ein
                                                                          Bahngleis nach oben. Mit bis zu 87 Pro-
                                                                          zent Steigung fährt hier eine der steilsten
                                                                          Standseilbahnen der Welt hinauf in die
                                                                          Nähe des Ritomsees.
                                                                               Ein Stausee speist seit Jahrzehnten
                                                                          das Kraftwerk unten im Tal. Mit einer
                                                                          Leistung von 44 Megawatt gehört es zu
                                                                          den kleineren der insgesamt sechs Was-
                                                                          serkraftwerke der SBB. Mit dem geplanten
                                                                          Ausbau wird es aber an Bedeutung gewin-
                                                                          nen. Bis spätestens 2025 sollen alle Züge,
                                                                          so die Energiestrategie der SBB, mit Strom
                                                                          aus erneuerbaren Quellen fahren. Heute
                                                                          beträgt der Anteil nachhaltig produzierter
                                                                          Energie bereits 80 Prozent.
                                                                               Vier Gleise, drei Schotterbette, zwei
                                                                          Betonrampen und ein kleines Betriebs‑
                                                                          gebäude: Vor einem Jahr wurde im In‑
                                                                          dustriegebiet von Cadenazzo 5. das neue
                                                                          Umschlagterminal eröffnet. Luca Bogana
6. Chiasso: Obschon im Güterverkehr immer mehr ganze Zugskompositionen
von Nord- nach Südeuropa verschoben werden, spielt der Grenzbahnhof als
Rangierknoten weiterhin eine wichtige Rolle.
                                                                                                           Cargoland Schweiz

steuert den Reachstacker, der Container        tungen, die für die Abwicklung des Güter-     Zahlen und Fakten
bis zu vierzig Tonnen zu heben vermag, an      verkehrs am Grenzbahnhof Chiasso nötig
einen Waggon heran. Der Koloss erinnert        sind», sagt Leiter Marcelino Mantilla. Seit
an einen Tintenfisch, auch wenn er nicht       dem Beitritt der Schweiz zum Schengener
                                                                                             Wettbewerbsfähig
zehn, sondern nur vier Arme ausfahren          Abkommen 2008 ist zwar vieles einfacher       ab 100 Kilometern
kann. Diese umklammern einen Contai-           geworden. Davon profitieren vor allem die
ner, hieven ihn in die Luft und bugsieren      rund 120 Transitzüge, die hier täglich        Schweizerische Rheinhäfen:
ihn mit einem Viertelschwenker vorsich-        durchfahren. Doch im Import-/Exportver-        12 Prozent des Warenimports in die
tig auf einen Lastwagen. Die Fracht, die       kehr zwischen der Schweiz und Italien          Schweiz oder rund 6,2 Mio. Tonnen
nun ein Chauffeur von Galliker-Logistik        werden die Güter weiterhin an der Grenze       wurden 2012 in den Schweizerischen
im Tessin feinverteilen wird, ist am Mor-      kontrolliert. Im Gebäude von SBB Cargo         Rheinhäfen (SRH), umgeschlagen:
gen mit einem Zug aus dem Rangierbahn-         haben auch die Beamten der Guardia di          Mehr als die Hälfte des benötigten
                                                                                              Erdöls, grosse Mengen an Massen-
hof Limmattal eingetroffen. Weitere Con-       Finanza ihre Büros. «Wir führen stets
                                                                                              gütern wie Nahrungs- und Futter­
tainer warten auf die Tentakel der mobilen     Sichtkontrollen und gelegentlich Stich-        mitteln, Dünger, Aluminium, Eisen,
Umschlagmaschine: Gelb leuchtende von          proben bei den Ladungen durch», verrät         Stahl und Buntmetallen, Zellstoffen
Post Logistics zum Beispiel, oder mit          der italienische Zollverantwortliche.          und chemischen Erzeugnissen.
Zwiebeln, Käse, Tomaten und Salat deko-            Aufwand verursachen an der Grenze
rierte von McDonald’s. Auch die Fastfood-      auch die unterschiedlichen eisenbahn-         Alpenquerender Güterverkehr:
kette setzt beim Transport ihrer Kühlcon-      technischen Vorschriften der beiden Län-      Schon heute rollen rund 65 Prozent
                                                                                             des Güterverkehrs durch die Schwei-
tainer auf die Schiene.                        der. Dabei geht es vor allem um Sicher-
                                                                                             zer Alpen über die Schiene, mehr-
                                               heitsaspekte. Für den Transport von           heitlich im kombinierten Verkehr,
                                               Gefahrgut etwa gelten in Italien andere       ein kleinerer Teil im Wagenladungs-
     «Die neue Umschlags-                      Bestimmungen als in der Schweiz. Nicht        verkehr. Der Marktanteil der Schiene
                                               zuletzt sorgt in Chiasso eine achtköpfige
    philosophie müssen viele                   Leitstelle für den möglichst reibungslosen
                                                                                             im alpenquerenden Güterverkehr
                                                                                             beträgt in Österreich 30 Prozent,
     erst noch entdecken.»                     Einsatz von Menschen und Maschinen.           in Frankreich 10 Prozent.
                                               Das von Franz Hurschler geleitete Team
                Giorgio Biasca                                                               Vernünftiger Energieverbrauch:
                                               arbeitet dabei eng mit der Zentrale von        Mit lediglich 4 Prozent Anteil am
                                               SBB Cargo, mit DB Schenker und anderen         Energieverbrauch des Verkehrs
Ein Jahr nach der Eröffnung sind die vier      Bahnunternehmen sowie mit SBB Infra-           transportiert die SBB 17 Prozent der
je 220 Meter langen Gleise zwar noch           struktur zusammen.                             Menschen und 38 Prozent der Güter
nicht ausgelastet. Aber Giorgio Biasca, der        Obschon im Güterverkehr immer              in der Schweiz. Zusätzlich leisten
mit einem Dutzend Leuten das neue Ter-         mehr ganze Zugskompositionen von               SBB und SBB Cargo dank der
                                                                                              umweltfreundlichen Gewinnung des
minal betreut, macht sich keine Sorgen.        Nord- nach Südeuropa verschoben wer-
                                                                                              Schweizer Bahnstroms aus Wasser-
«Wir haben mit einer gewissen Anlaufzeit       den, spielt der Grenzbahnhof als Rangier-      kraft (80 12) einen erheblichen
gerechnet», sagt er. Die neue Umschlags-       knoten weiterhin eine wichtige Rolle.          Beitrag an den Klimaschutz in der
philosophie müssten viele Unternehmen          Rund 60 Güterzüge, die hier neu gebün-         Schweiz.
eben erst noch entdecken. Cadenazzo bie-       delt werden, verlassen täglich den Bahn-
tet den Transporteuren und Spediteuren         hof. Die Transitzüge wiederum schalten,        arktführerin SBB Cargo:
                                                                                             M
jedenfalls alle für den kombinierten Ver-      wenn sie nach fünf bis sechs Stunden die      SBB Cargo hat einen Anteil von
                                                                                             23 Prozent an der gesamten Trans­-
kehr notwendigen Umschlagmöglichkei-           Schweiz passiert haben, an der Grenze
                                                                                             portleistung auf Schiene und
ten. Und der Wirtschaftsraum zwischen          zwecks Lok- und Lokführerwechsel einen        Strasse. Sie ist damit das grösste
Bellinzona und Locarno hat einen um-           rund einstündigen Zwischenhalt ein.           Gütertransportunternehmen der
weltfreundlichen Anschluss an die übri-            Visiteur Elvis Corti schreitet Wagen      Schweiz.
gen Umschlagplattformen in der Schweiz         für Wagen ab, kontrolliert den techni-
erhalten.                                      schen Zustand, Bremsen und Profile. Der-      Wettbewerbsfähiger Güterverkehr:
    Cadenazzo ist nicht nur Umschlagter-       weil tauschen der Wagenkontrollbeamte          Die Wahl des Transportmittels im
                                                                                              Güterverkehr ist in hohem Masse
minal für Container. Cadenazzo ist auch        Sandro Brazzola und der Lokführer vorne
                                                                                              vom relativen Preisniveau zwischen
einer von 374 Bedienpunkten im Wagen­          bei der Lokomotive noch ein paar Worte.        Schiene und Strasse abhängig. In
ladungsverkehr in der Schweiz, den SBB         Dann gibt Brazzola das Signal zur Ab-          der kleinräumigen Schweiz muss der
Cargo und die anderen Bahnen regel­            fahrt. Pünktlich nimmt der mit Eisen-          Schienengüterverkehr bereits auf
mässig anfahren. Dieses Transportsystem        bahnschienen beladene Zug Fahrt auf.           kurzen Strecken ab 100 Kilometern
ist für die Schweiz wichtig. Das Netz ist                                                     wettbewerbsfähig sein.
auch im europäischen Vergleich sehr dicht.
                                                                                             Effizienter Transport:
    Ein Güterzug aus Bologna wartet vor
                                                                                              Die effizienteste Transportart im
dem Kompetenzzentrum von SBB Cargo                                                            kombinierten Verkehr ist der   Contai-
in Chiasso 6. auf die Weiterfahrt. Die tech-                                                  ner- und Wechselbehälterverkehr,
nische Kontrolle ist eine der vielen Aufga-                                                   vor demjenigen von Sattelaufliegern
ben eines Grenzbahnhofs. «Wir bieten                                                          und von kompletten Lastwagen
den Bahnverkehrsunternehmen alle Leis-                                                        (Rollende Landstrasse, RoLa).

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                               11
Facts & Figures

Faszination Cargo
Die Dimensionen des über die Schweiz abgewickelten
­Gütertransports sprengen oft jede Vorstellungskraft.
 ­Folgende Vergleiche helfen, sie besser zu verstehen.

       425
       Jumbojets
       Das Gewicht, das SBB Cargo jeden Tag ­transportiert,
       entspricht dem Gewicht von 425 voll beladenen
       Jumbojets*, näm­lich 175 000 Tonnen. Jährlich bewegt
       SBB Cargo 43 700 000 Tonnen Güter.
       * Boeing 747 - 400

                                                                                 16
                             6,5
                                                                                 Fussballfelder
                                                                                 Um einen Getreidewagen von 66 Tonnen zu

                                                      Frachter                   füllen, sind 16 Fussballfelder à 6500 m 2 Getreide
                                                                                 nötig. Daraus lassen sich über 1 300 000 Brötchen
                                                                                 backen – damit könnte man die Bevölkerung der
                             Containerschiffe sind die Giganten der Weltmeere.   Stadt Luzern für gut zwei Wochen mit Frühstück
                                                                                                                                               Illustration: Hansjakob Fehr, 1Kilo

                             Das derzeit grösste Transportschiff fasst gut       versorgen.
                             16 000 TEU. Fast 6,5 Frachter sind nötig, um die
                             Anzahl TEU zu transportieren, die jährlich über
                             die Schweizerischen Rheinhäfen laufen.

12                                                                                                                       SBB Cargo 2 | 2013
                                                                                                                                                                                     Facts & Figures

                                             79 2 0 0                            ü g e v on S B B C
                                                                                                       a rg o ru
                                                                                                               g
                                                                                                                 n
                                                                                                                 e l. Je d
                                                                                                                            km
                                                                                                                   d 79 2 0 0
                                                                                                                                K ilomete
                                                                                                                           e Woche
                                                                                                                                      le g e
                                                                                                                                             r weit –
                                                                                                                                             n d ie Wa
                                                                                                                                               n d z u rü
                                                                                                                                                         gen
                                                                                                                                                           ck .
                                                                               Z                                                             o
                                                    ä g li c h fa  h ren d ie         w e im  a l d ie Erd k u r Erde bis zu m M                   r w  e it .
                                                  T                              it z                  n z v on de                     ilomete
                                                                   nden som               d ie Dista                       illionen K
                                                  u nd u m ru                   C a rg o
                                                                                                        Ca rgo  2 8  ,9 M
                                                                    v on S B B          e v on S B B
                                                   u nd L ok s             n d ie Züg
                                                               h r fa h re
                                                   P ro Ja

                                                                                                                                         600                                km

100 000
                                                                                                                                         Von Basel bis nach Venedig würde man
                                                                                                                                         kommen, wenn man sämtliche Container
                                                                                                                                         aneinanderreihen würde, die pro Jahr im
                                                                                                                                         Import und Export über die schweizerischen
                                                                                                                                         Rheinhäfen abgewickelt werden.

Container
Im Import und Ex­port werden jährlich rund 100 000
Container* über die schweizerischen Rheinhäfen in Basel
abgewickelt. Würde jeder Container mit einem einzelnen
Lastwagen transportiert, so müsste alle fünf Minuten
ein Lastwagen die Landesgrenze passieren – rund um die
Uhr während 365 Tagen.
* Die Masseinheit eines Standardcontainers heisst TEU. 1 TEU entspricht
einer sogenannten Twenty-foot Equivalent Unit und entspricht einem
Container von 20 Fuss Länge und 8 Fuss Breite ( 2,4 x 6 m ) und einem
Volumen von 33 m3 .

                                                                                          1000
                                                                                            Haushalte
                                                                                                                                                       Ein Ölwagen von ChemOil, einer Tochter
                                                                                                                                                       von SBB Cargo, fasst 65 0 00 Liter. Um einen
                                                                                                                                                       Öltanker zu leeren, sind drei Züge mit
                                                                                                                                                       gefüllten Wagen mit einem Fassungsvermö-
                                                                                                                                                       gen von 3 510 000 Litern nötig. Mit dieser
                                                                                                                                                       Menge Öl könnte man 1000 Haushalte ein
                                                                                                                                                       ganzes Jahr lang heizen.

                                                                                                                                                                                        Sonder
                                                                                                                                                                                     aus­stellung
                                                                                                                                                                                               -
                                                                                                                                                                                     Verke
SBB Cargo im Verkehrshaus Luzern                                                                                                                                                           h rs
                                                                                                                                                                                       Lu z e r h a u s
                                                                                                                                                                                               n

Bis zum 20. Oktober 2013 ist SBB Cargo – zusammen mit                                       Schulklassen und Jugendliche haben die Möglichkeit, die
anderen Firmen aus dem Transport- und Logistikbereich –                                     Berufe im Transport- und Logistiksektor kennenzulernen.
Teil der Sonderausstellung «Cargo – Faszination Trans-                                      Erwartet werden insgesamt rund 350 000 Besucher.
port» im Verkehrshaus Luzern. In 40 Containern können
auf spielerische Weise die Zusammenhänge und Hinter-
gründe erlebt werden. Anhand konkreter Beispiele                                                       http://bit.ly/11HH3Tf
wird aufzeigt, wie die globale Transportkette funktioniert.                                            Video über die Ausstellung im Cargo-Blog.

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                                                                                                       13
Interview

      Direktor des Bundesamts für Verkehr

      «Peter
      Füglistaler,
      wie wird die
      Güterbahn
      konkurrenz-
                                                                 Foto: Peter Schneider / Keystone

      fähiger?»
14                                         SBB Cargo 2 | 2013
                                                                                                                      Interview

Die Bahn hat im Güter­                      Der Schweiz ist es als einzigem Alpen-      wir dem Parlament eine Vorlage unter-
                                            land im Nord-Süd-Transit gelungen, den      breiten, die diese Finanzierung beinhal-
ver­kehr europaweit                         Schwerverkehr mengenmässig zu stabi‑        tet. Italien und die Schweiz haben ein
einen schweren Stand                        lisieren. Dank der Verlagerungspolitik      entsprechendes «Memorandum of Under-
                                            können wir pro Jahr rund 600 000 Last-      standing» unterzeichnet. Mit dazu gehört
gegenüber der Strasse.                      wagenfahrten durch die Schweizer Alpen      der Bau eines zusätzlichen Terminals
Im Transit durch die                        vermeiden. Der Bundesrat hat aber schon     östlich von Mailand. Zusammen mit
Schweizer Alpen ist sie                     vor zwei Jahren gesagt, dass mit den gel-   den Streckenanpassungen in der Schweiz
                                            tenden gesetzlichen Möglichkeiten das       geht es um ein Projekt von fast einer Mil-
aber die Nummer 1. «Das                     Ziel von 650 000 Fahrten nicht zu errei-    liarde Franken. Das zeigt den Willen der
wird auch so bleiben»,                      chen sei. Das ist jedoch keine Absage an    Schweiz, die Verlagerung voranzutreiben.
                                            die Verlagerungspolitik. Deshalb planen
sagt Peter Füglistaler,                     wir neue Impulse.                           Wie steht es mit dem Ausbau der Zulauf‑
Direktor des Bundesamts                                                                 strecken in Deutschland?
                                            Um die Alpentransitbörse, die die Fahr–     In den letzten zwei Jahren gab es deut­
für Verkehr. Dazu braucht                   ­tenzahl beschränken würde, ist es          liche Fortschritte. Es wurde ein Projekt-
es Impulse und neue                          aber ruhig geworden. Ist sie vom Tisch?    beirat eingesetzt, der die Anliegen der
Infrastrukturen.                             Wir sind weiterhin im Gespräch mit der     Anwohner aufnimmt. Gewisse Ausbauten
                                             Europäischen Union, um solche steuern-     kommen nun voran, so dass die nötigen
                                             den Instrumente umsetzen zu können.        Kapazitäten schrittweise bis 2025 zur
                                             Die Akzeptanz ist aber sehr gering. Der    Verfügung stehen werden.
                                             Zeitpunkt für eine mögliche Umsetzung
                                             ist nicht absehbar.

                                            Somit spielen die neuen Infrastrukturen        «Wir wollen den Anteil
                                            eine umso grössere Rolle. Was verspre‑         der Schiene auf diesem
                                            chen Sie sich vom Gotthard-Basistunnel
                                            und vom Viermeterkorridor für den
                                                                                            hohen Wert halten.»
                                            Bahngüterverkehr, die 2016 bzw. 2020
                                            er­öffnet werden sollen?
                                            Der Gotthard-Basistunnel wird zusam-        Der Bundesrat erhöht die Schweizer
                                            men mit dem Ceneri-Basistunnel die          Trassenpreise in zwei Schritten. Er
                                            Flachbahn durch die Alpen realisieren.      verteuert damit den Bahngüter­verkehr.
                                            Das wird die Wettbewerbsfähigkeit der       Ein Widerspruch zur angestrebten
Text: Peter Krebs
                                            Schiene steigern. Dank des Korridors        Verkehrsverlagerung?
Im alpenquerenden Transitgüterver‑          werden ab 2020 Lastwagen bis vier Meter     Auch für die Bahn gilt die Kostenwahr-
kehr gilt die Schweiz als Vorbild.          Eckhöhe und 700 Meter lange Güterzüge       heit. Die ungedeckten Infrastruktur­
Die Schiene hat einen Marktanteil von       von Rotterdam bis in die Terminals nach     kosten der Bahn betrugen 200 Millionen
über 60 Prozent. Warum ist der Modal        Mailand verkehren können. Davon ver-        Franken. Der Güterverkehr musste davon
Split deutlich höher als von Frankreich     sprechen wir uns einen weiteren deutli-     nur 20 Millionen Franken tragen. Zudem
und Österreich nach Italien?                chen Produktivitätsfortschritt.             haben wir die Trassenpreise differen-
Peter Füglistaler: Das ist eine Folge der                                               ziert. Wer ausserhalb der Spitzenzeiten
konsequenten schweizerischen Verlage-       Wie wird sich das auf den Modal Split       fährt und lärmarmes Rollmaterial ver-
rungspolitik. Verschiedene Elemente tra-    auswirken?                                  wendet, kommt günstiger weg. Zu erwäh-
gen dazu bei, insbesondere die leistungs-   Wir gehen davon aus, dass wir die Last-     nen ist auch, dass das Bundesamt für
abhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA),      wagenfahrten bei etwa 1,2 Millionen Fahr‑   Verkehr den Bahnstrom für den Güter-
das Nacht- und Sonntagsfahrverbot auf       zeugen pro Jahr stabilisieren können und    und Regionalverkehr per Anfang 2013 um
der Strasse, die Förderung des Kombi-       dass die Schiene den grössten Teil des      10 Prozent reduziert hat.
nierten Verkehrs und die Markt­öffnung      zu erwartenden Wachstums übernehmen
auf der Schiene. Wir wollen den Anteil      kann.                                       Für Lärmschutz im Bahnverkehr hat
der Schiene weiter auf diesem hohen                                                     der Bund viel Geld in die Hand
Wert halten.                                Der Bundesrat will auch den Aus­­­­bau      genommen. Hat die Schweiz auch hier
                                            der beiden Zulaufstrecken in Italien        eine Vorreiterrolle inne?
Laut Gesetz sollen bis 2018 höchstens       mitfinanzieren: zwischen Mailand und        Wir sind weit voraus. Den nationalen Wa-
650 000 Lastwagen über die Schweizer        ­Chiasso sowie auf der Luino-Linie.         genpark haben wir schon weitgehend auf
Alpenpässe fahren. Letztes Jahr waren       Macht Italien da mit?                       lärmarmes Material umgestellt. Ab dem
es immerhin noch über 1,2 Millionen.        Italien sieht die Bedeutung von guten       Jahr 2020 wollen wir als erstes Land
Die Schiene hat sogar Verkehrsanteile       Bahnlinien in seinem Hauptmarkt nach        lärmige Güterwagen verbieten. Davon
verloren. Welche neuen Impulse braucht      Deutschland. Es verfügt aber nicht über     werden auch die Anwohner nördlich und
die Verlagerung?                            ausreichend Geldmittel. Deshalb werden      südlich der Schweiz gratis profitieren. >

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                            15
Interview

Die fünf Säulen im
Güterverkehr
 1.                         2.                          3.                          4.                           5.
 Der Auftrag                 LSVA                        Die Neat                    Viermeter-                   Nacht- und
 Laut der Bundesverfas-      Die Schweiz erhebt die      Die neuen Eisenbahn-
                                                                                     korridor                     Sonntags-
 sung, dem Schweizer         leistungsfähige Schwer-
                             verkehrsabgabe LSVA
                                                         Alpentransversalen
                                                         bestehen aus zwei
                                                                                     Auf der Gotthardachse        fahrverbot
 Grundgesetz, muss der                                                               ist es bisher nicht
 Gütertransitverkehr von     seit dem Jahr 2001. Sie     Achsen mit zwei langen                                   In der Schweiz existiert
                                                                                     möglich, die immer
 der Strasse auf die         wurde in Absprache mit      Basistunneln. Jener                                      für den Güterverkehr auf
                                                                                     beliebteren Sattelauf­
 Schiene verlagert           der EU eingeführt, wobei    durch den Lötschberg ist                                 der Strasse ein Nacht-
                                                                                     lieger und Container mit
 werden. Das Verlage-        die Schweiz gleichzeitig    seit 2007 in Betrieb. Der                                und Sonntagsfahrverbot.
                                                                                     vier Metern Eckhöhe zu
 rungsgesetz konkretisiert   die Gewichtslimite          Gotthard, der längste                                    Das schont den Schlaf
                                                                                     transportieren. Ein
 diesen Auftrag. Es          von 28 auf 40 Tonnen er­-   Tunnel der Welt (57 km),                                 und die Gesundheit der
                                                                                     durchgehender Korridor
 limitiert die Anzahl der    höhte. Die LSVA gilt auch   wird 2016 eröffnet. Die                                  Anwohner von stark
                                                                                     soll für 940 Millionen
 Lastwagenfahrten durch      im Binnenverkehr.           Schweiz finanziert die                                   befahrenen Strassen und
                                                                                     Franken realisiert werden,
 die Alpen.                                              Neat alleine.                                            ist für die Bahn ein
                                                                                     wenn das Parlament die
                                                                                     Finanzierung gutheisst.      wichtiger Wettbewerbs-
                                                                                                                  vorteil.

Wir erachten das für die Akeptanz der            Die Interoperabilität ist ein altes           gen. Wir unterstützen diese Absicht. Eine
Verlagerungspolitik als sehr wichtig. Der        Sorgenkind. Warum gibt es in Europa           Machbarkeitsstudie wird zeigen, wie rea-
Lärm bedeutet das grösste Umweltpro­             immer noch kein einheitliches Zug­            listisch sie tatsächlich ist. Es handelt sich
blem der Schiene.                                sicherungssystem?                             um ein System mit relativ kleinen Palet-
                                                 Nachdem sich auch Deutschland entschie-       ten, die auch vergleichsweise langsam un-
Am Gotthard will der Bundesrat eine             den hat, das internationale Zugkontroll-       terwegs sein werden.
zweite Strassentunnelröhre, damit die           system ETCS einzuführen, naht der Zeit-
erste saniert werden kann. Die Gegner           punkt, an dem Züge und Lokomotiven mit         Ab dem Fahrplanwechsel 2013/2014
befürchten einen Wettbewerbsvorteil für         nur noch einer Sicherung quer durch            wird SBB Cargo im alpenquerenden
die Strasse. Wie beurteilen Sie das?            ­Europa fahren können. Das war ein lan-        Verkehr einen grossen Kundenauftrag
Die Verlagerungspolitik hängt nicht da-          ger, schwieriger Weg, aber er ist absolut     über­nehmen, den bisher die BLS Cargo
von ab, wie man diesen Strassentunnel            notwendig.                                    ausführte. Wie beurteilen Sie diese
saniert. Wir konnten das Verkehrsauf-                                                          Entwicklung?
kommen stabilisieren, obschon es im                                                            Meine persönliche Haltung ist zwiespäl-
Strassentunnel meistens freie Kapazitä-           «Der Gotthardtunnel ist                      tig. Grundsätzlich herrscht freier Wett­
ten hat. Der Gotthardtunnel ist nicht der                                                      bewerb, das ist politisch so gewollt. Mir
Engpass auf der Nord-Süd-Achse. Er ist            nicht der Engpass auf der                    wäre es aber lieber, wenn man die Güter
nur zu den Ferienzeiten überlastet.                  Nord-Süd-Achse.»                          von der Strasse auf die Schiene holen
                                                                                               könnte, statt dass sich zwei Schweizer
Welchen Beitrag können die Bahnen                                                              Bahnunternehmen mit sehr harten finan-
leisten, damit sie konkurrenzfähiger            Das neueste Schweizer Projekt heisst           ziellen Bandagen bekämpften. Ich hoffe,
werden?                                         «Cargo sous terrain». Experten                 dass dieser Wechsel sich für beide Bahn-
Am wichtigsten sind die Kundenorientie-         schlagen vor, den Güterverkehr auf             unternehmen auch langfristig finanziell
rung und die Verlässlichkeit. Die Angebo-       den Hauptstrecken unter die Erde               rechnet.
te im Güterverkehr müssen die Bedürf-           zu verlegen: auf eine vollautomatische
nisse der Kunden erfüllen und zuverlässig       Autobahn. Ein Pionierprojekt oder
abgewickelt werden. Vor allem im grenz-         eine Utopie?
überschreitenden Verkehr gibt es noch zu        Es ist im Moment eine Idee, um den wach-
viele Probleme und Unzulänglichkeiten.          senden Binnengüterverkehr zu bewälti-

16                                                                                                                         SBB Cargo 2 | 2013
                                                                                                                                 Essay

                         «Logistik trägt zum Wohlstand bei»
                         Essay von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle über die rosigen Zukunftsaussichten

                         B      is vor wenigen Jahren erahnten nur Experten
                                das Potenzial des Schweizer Logistikmarkts. In
                                der Bevölkerung hingegen wurde dieser kaum
                         oder nur negativ wahrgenommen, Letzteres vor allem
                         in Gestalt des Güterverkehrs mit seinen Schadstoff-
                                                                                     zent des gesamtschweizerischen Transportaufkom-
                                                                                     mens entspricht. Insgesamt betrug Letzteres in der
                                                                                     Schweiz im Jahr 2011 454 Millionen Tonnen (inklusive
                                                                                     Import-, Export-, Transit- und Binnenverkehren). Die
                                                                                     Strasse stellt mit einem Anteil von 78 Prozent den be-
                         und Lärmemissionen oder als Belastung für die Infra-        deutendsten Verkehrsträger dar, gefolgt von der Schie-
                         struktur. Heute gilt eine leistungsfähige Logistik als      ne mit einem Anteil von 14 Prozent. Rohr­leitungs- und
                         Garant für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft          Schiffsverkehre haben einen Anteil von 4 Prozent bzw.
                         und als wichtiger Standortfaktor für den Werk- und          3 Prozent, Luftverkehre unter 1 Prozent.

                                                                                    Z
                         Handelsplatz Schweiz. Der Material- und Warenaus-
                         tausch wird national ebenso wie international mass-                unehmende Kapazitätsengpässe im schweize-
                         geblich von der Logistik bewältigt. Insofern stellt die            rischen Strassen- und Schienennetz sind eine
                         Logistik das Blut im Wirtschaftskreislauf dar – und                Herausforderung, der sich sämtliche Akteure
                         der Logistikmarkt den Blutkreislauf. Denn letztlich         des Schweizer Logistikmarkts stellen müssen. Diese
                         profitieren alle Konsumenten von vollen Regalen. Lo-        lassen sich einerseits auf das in den vergangenen Jah-
                         gistik trägt ohne Zweifel zum Wohlstand bei und             ren ständig gewachsene Transportvolumen zurück-
                         übernimmt damit eine wertschöpfende Funktion in             führen, andererseits ist der Strassengüterverkehr auf-
                         der Schweizer Wirtschaft. In der Schweiz sind derzeit       grund des Nachtfahrverbots auf den Tag beschränkt.
                         rund 172 600 Mitarbeiter in der Logistik beschäftigt.       Hinsichtlich Nachttransporte besitzt die Schiene ge-

                         B
                                                                                     genüber der Strasse einen klaren Vorteil, jedoch steht
                                 asierend auf der jüngsten Logistikmarktstudie       der Schienengüterverkehr in zunehmender Konkur-
                                 Schweiz 2013 wies die Schweizer Logistik 2011       renz zum Personenverkehr auf der Schiene. Aufgrund
                                 ein wertmässiges Marktvolumen von 37,1 Mil­         unterschiedlicher Geschwindigkeitsprofile und Takt-
                         liarden Franken auf, was gemessen am Bruttoinland-          zeiten sowie der Priorisierung von Personen- gegen-
                         produkt (BIP) der Schweiz 6,3 Prozent ausmacht.             über Güterzügen sind künftige Engpässe absehbar.

                                                                                    Z
                         ­Berücksichtigt sind dabei Gütertransporte im Bin-
                          nenverkehr, im Import und Export sowie im Transit.                 wei Megatrends sorgen dafür, dass die Zukunft
                          Massgeblich für die Erfassung ist, dass eine Logistik­             für den Logistikmarkt und speziell für den
                          leistung auf Schweizer Territorium erbracht wird.                  ­Güterverkehr rosig aussieht. Erstens wird der
                          ­Zudem werden die Kernleistungen Umschlagen und            Logistikmarkt im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung
                           Lagern, ergänzt um Kommissionieren und Ver­               durch weiterhin abnehmende Wertschöpfungstiefen
                           packen, sowie die Mehrwertdienstleistungen pro            und die damit einhergehende zunehmende Arbeits-
                           Marktsegment ermittelt. Nicht berücksichtigt sind         teiligkeit in der Schweiz überproportional steigen.
                           hingegen ­ aufgrund von Abgrenzungsproblemen              Zweitens bedarf es eines breit abgestützten Konsen-
                           produktions­logistische Aktivitäten seitens der Indus-    ses, um auch die Wohlfahrtsbeiträge der Logistik kla-
                         trie, so dass das gesamte Marktvolumen gar noch hö-         rer zu kommunizieren und eine Priorisierung knap-
                         her liegen dürfte.                                          per öffentlicher Mittel vornehmen zu können. Dies

                         W
                                                                                     würde ein «Masterplan Mobilität Schweiz 2050»
                                     ertmässig stellt die Stückgutlogistik den       leisten: ein integrierter Gesamtverkehrsplan unter
                                                                                     ­
                                     grössten Teilmarkt dar. Ein anderes Bild        Berücksichtigung des Personenverkehrs, der die
                                     zeigt sich bei mengenmässiger Betrach-          Verkehrsträger gemeinsam als Verkehrssystem be­      -
                         tung: Demnach entfallen etwa 190 Millionen Tonnen           leuchten und die Bundes-, Kantons- sowie Gemeinde-
                         auf den Teilmarkt der Massengutlogistik, was 42 Pro-        ebene mit einbeziehen müsste.

                         Prof. Dr. Wolfgang Stölzle         ist seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement
                         an der Universität St. Gallen. Er erforscht komplexe Problemstellungen der Logistik,
Foto: zVg

                         des Supply Chain Management und des Verkehrs. Wissenschaftliche Mitarbeit: Kerstin Lampe.

            SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                                  17
Reportage

Michael Schildknecht,                   Der Joystick, der per Funk mühelos
Spezialist regionale Cargo-Produktion
                                        2000 PS dirigiert, das neue iPad
                                        im Führerstand und ein Handy, das im

Wie von                                 Notfall selbständig die Ambulanz
                                        ­alarmiert – auf Schweizer Rangierbahn-
                                         höfen kommt modernste Elektronik

Geisterhand                              zum Einsatz. Ein Besuch bei
                                         RCP-Spezialist Michael Schildknecht
                                         in Romanshorn zeigt die Gegenwart

bewegt                                   und Zukunft des Rangierens.

18                                                                    SBB Cargo 2 | 2013
                                                                                                                                             Reportage

                                                                                                    Text und Fotografie: Jean-Pierre Ritler

                                                                                                    Ein kühler Dienstagmorgen auf dem Ran-
                                                                                                    gierbahnhof von Romanshorn. Es regnet,
                                                                                                    der nahe Bodensee liegt träge unter dem
                                                                                                    Nebel. Michael Schildknecht schiebt lang-
                                                                                                    sam den Joystick seiner Fernbedienung
                                                                                                    nach vorne. Die blau-rote Lokomotive er-
                                                                                                    wacht brummend zum Leben, setzt sich
                                                                                                    wie von Geisterhand geführt in Bewegung
                                                                                                    und schiebt zwei Güterwagen sanft zu-
                                                                                                    sammen. Was klingt wie das Spiel eines
                                                                                                    kleinen Jungen mit seiner Eisenbahn, hat
                                                                                                    in Wahrheit ganz andere Dimensionen:
                                                                                                    Michael Schildknecht ist 33 Jahre alt und
                                                                                                    die Lokomotive ist eine Am 843 – 80 Ton-
                                                                                                    nen schwer und über 2000 PS stark. Doch
                                                                                                    der kleine Joystick bewegt den Koloss prä-
                                                                                                    zise wie eine Spielzeuglok.
                                                                                                        Die Funkfernsteuerung ist nur eines
                                                                                                    der elektronischen Geräte, die immer
                                                                                                    mehr Einzug in die vormals rein manuelle
                                                                                                    Welt des Rangierens Einzug gehalten
                                                                                                    haben. Wenn Michael Schildknecht im
                                                                                                    Führerstand sitzt, liegt vor ihm ein iPad,
                                                                                                    auf dem sämtliche Sicherheitsdokumente
                                                                                                    abgespeichert ist. In der Tasche hat
                                                                                                    Schildknecht ein Notfallhandy, das ihm
                                                                                                    auto­matisch das Leben retten kann, und
                                                                                                    die Daten der Güterwaggons erfasst er mit
                                                                                                    einem mobilen Eingabegerät.

                                                                                                    Der Stolz des Lokführers
                                                                                                    Als Michael Schildknecht vor 16 Jahren
                                                                                                    seine Lehre als SBB-Betriebsangestellter
                                                                                                    abschloss, konnte man von solchen Ent-
                                                                                                    wicklungen nur träumen. Die Zukunft be-
                                                                                                    gann im Juli 2004 mit der Einführung der
Links: Mit einem Fingerdruck steuert RCP-Spezialist Schildknecht die 80 Tonnen schwere Am 843.      Am 843, die standardmässig mit einer
Oben: Die Daten jedes Waggons werden mobil erfasst und per Handynetz an die Zentrale übermittelt.   Fernsteuerung ausgerüstet war; danach
                                                                                                    kamen laufend weitere elektronische Ge-
                                                                                                    räte dazu.
                                                                                                        «Zum Glück wurde die neue Technik
                                                                                                    langsam und stufenmässig eingeführt»,
                                                                                                    erklärt Schildknecht. «So konnten auch
                                                                                                    ältere Kollegen mit der Entwicklung gut
                                                                                                    Schritt halten.» Allerdings gibt er zu:
                                                                                                    «Von nichts kommt nichts. Man muss
                                                                                                    schon hinter die Bücher und sich da rein-
                                                                                                    knien.» Doch das Erreichte befriedigt
                                                                                                    auch. «Vor allem die Fernsteuerung, das
                                                                                                    kann nicht jeder. Man muss viel lernen
                                                                                                    und abschliessend eine Prüfung beste-
                                                                                                    hen. Dazu braucht es eine hohe Eigen­
                                                                                                    verantwortung – und natürlich ist man
                                                                                                    dann auch stolz darauf», sagt Schildknecht
                                                                                                    zufrieden.
                                                                                                        Die Vorteile der neuen Technik liegen
                                                                                                    auf der Hand: «Heute macht man vieles
                                                                                                    alleine, wozu früher zwei oder drei >

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                                                  19
Reportage

Personen nötig waren», sagt der Lokfüh-              um seinen Besitzer im Notfall automa-          Die klugen Helferlein
rer aus Oberaach (TG). «Zuvor war es ab-             tisch lokalisieren zu können. Bleibt der
solut nicht möglich, alleine Züge zu ver-            Bewegungssensor im Gerät zwei Minuten
schieben. Da musste immer mindestens                 lang regungslos, schickt das Handy per
einer bei den Wagen sein und ein anderer             SMS automatisch einen Alarm an die Not-
die Lokomotive steuern.» Heute steht der             fallzentrale in Zürich-Kloten. Gleichzeitig
Lokführer mit seiner Fernbedienung dort,             wird eine Telefonverbindung aufgebaut.
von wo er den Fahrweg am besten be­                  Antwortet der Besitzer nicht, wird sofort
                                                                                                           Funkfernsteuerung
obachten kann.                                       die Ambulanz losgeschickt. Zudem kann               Der Traum jedes Jungen:
                                                     der Mitarbeiter per einfachen Knopfdruck       Mit der Funkfernsteuerung werden
Hohe Sicherheitsanforderungen                        auch manuell den Alarm losschicken.               tonnenschwere Lokomotiven
Die neue Technik stellt hohe Anforderun-                                                                 per Fingerdruck bewegt.

gen an die Sicherheit. Wenn ein Mensch               Mobil statt Büro
ganz alleine tonnenschwere Züge bewegt,              Michael Schildknecht hat inzwischen meh-
muss jedes Risiko ausgeschaltet werden.              rere Güterwaggons angekoppelt, verscho-
So darf die Funkfernsteuerung nur an                 ben, wieder neu zusammengestellt. Die
Standorten benutzt werden, die einen um-             Daten jedes neuen Wagens erfasst er mit
fassenden Sicherheitscheck bestanden ha-             einem mobilen Gerät. Das sogenannte
ben. Unübersichtliche Bahnübergänge, zu              Wobo sendet die Daten per Handynetz an
                                                                                                                  Wobo
viele Zugsbewegungen oder enge Gleis­                einen zentralen Rechner. So kennen alle       Mobiles Büro: Mit dem elektronischen
radien stellen ein Risiko dar und verhin-            Beteiligten bei SBB Cargo in Echtzeit die       Eingabegerät werden die Daten
dern den Einsatz.                                    Details der Zugsformationen, deren Länge,      jedes Waggons in Echtzeit an den
    Auch für die Sicherheit der Mitarbeiter          wo Gefahrengut gelagert ist und welche          zentralen Computer übermittelt.

mussten neue Lösungen gefunden wer-                  Rangiervorschriften für die einzelne Wag-
den. Wer alleine unterwegs ist, muss sich            gons gelten. «Das musste ich früher von
regelmässig melden oder ein Notfallhandy             Hand aufschreiben und dann später im
bei sich tragen. Der elektronische Lebens-           Büro im Computer eintippen. So ein mobi-
retter verfügt über einen empfindlichen              les Gerät erleichtert die Arbeit enorm»,
Bewegungssensor und eine GPS-Ortung,                 freut sich RCP-Spezialist Schildknecht.
                                                                                                                    iPad
                                                                                                        Elektronik statt Papierberge:
                                                                                                   Im persönlichen iPad sind sämtliche
                                                                                                    Sicherheitsdokumente gespeichert,
                                                                                                      die man für das Fahren auf einer
                                                                                                    Lokomotive braucht. Die Vorschrift
                                                                                                       verlangt, dass die Sicherheits-
                                                                                                   dokumente in zweifacher Ausführung
                                                                                                      verfügbar sind. Daher gibt es im
                                                                                                   Führerstand zusätzlich einen Laptop
                                                                                                           mit den gleichen Daten.

                                                                                                                Notfallhandy
                                                                                                       Der kleine Lebensretter: Ist das
                                                                                                         Notfallhandy zwei Minuten
                                                                                                    lang regungslos, ruft es automatisch
                                                                                                   nach Hilfe und zeigt dank eingebauten
                                                                                                        GPS den genauen Standort
                                                                                                              des Besitzers an.

                                                                                                                 LEA Cargo
                                                                                                   Immer auf dem aktuellen Stand: Dank
                                                                                                    des «Lokführer Electronic Assistant»
                                                                                                    mit Online-Zugang hat der Lokführer
Dank der Funkfernsteuerung kann Michael Schildknecht die Züge alleine zusammenstellen.                  Zugriff auf alle nötigen Daten
Früher brauchte es dafür mindestens zwei Personen.                                                 wie Fahrpläne oder Streckenhinweise.

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                                                                                                                                               Reportage

Trotz aller Elektronik werden immer noch
Weichen auf Nebengleisen von Hand gestellt.

Noch mehr freut er sich aber über das
iPad, das ihn immer begleitet. «Früher
mussten wir seitenweise Reglemente rum-
schleppen; diese Zeiten sind zum Glück
vorbei.» Der Clou ist, dass er das iPad
auch privat nutzen darf. Dadurch sind die
Geräte besser gepflegt, die Apps werden
von den Mitarbeitern selber aktualisiert,
das Handling verbessert sich und vor al-
lem: Es motiviert ungemein, sich noch
mehr in die neue Technik einzuarbeiten.
                                                       Dank des persönlichen iPads kann der Lokführer alle Reglemente und Informationen bequem abrufen.
     Neben dem iPad steht dem Lokführer
auch noch ein Laptop zur Verfügung.
Dank des LEA Cargo (Lokführer Electro-
nic Assistant) von Dell und eines Online-
zugangs hat Schildknecht unterwegs
­Zugriff auf alle nötigen aktuellen Daten
 wie etwa Fahrpläne oder Streckenhinwei-
 se. Das LEA ist dabei besonders kosten-
 günstig, da auf eine speziell angefertigte
 Software verzichtet wurde und ein Stan-
 dardprodukt ohne überflüssige Zusatz-
 funktionen verwendet wird.

Es gibt noch viel zu tun
Doch trotz aller Elektronik: Manchmal ist
noch immer die gute alte Muskelkraft ge-
fragt. Michael Schildknecht steht jetzt
zwischen den Puffern von Lokomotive
und Waggon, wuchtet die 35 Kilo schwere
Kupplung auf die Halterung und trennt
die Bremsschläuche. Laut zischend ent-
weicht die Druckluft. Eine vollautomati-
sche Zugskopplung wäre der nächste gros­
se Schritt in der Rangiertechnik. Doch
dafür müsste das gleiche System europa-
weit eingeführt werden, was mindestens
noch 10 bis 15 Jahre dauern wird. Die Zu-
kunft muss da noch etwas warten.

      http://bit.ly/12MA8JA
      Ein Video über Michael Schildknecht und
      das Berufsbild Rangierspezialist finden Sie im   Der nächste grosse Schritt im Güterverkehr wäre die automatische Zugskopplung.
      Cargo-Blog.                                      Heute ist es noch schwere Handarbeit.

SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                                                       21
Politik

Bernhard Adamek von SBB Cargo über Schienengüterverkehr in der Fläche   Text: Pirmin Schilliger
                                                                        Illustration: Jörn Kaspuhl

«Wir benötigen mehr                                                     Unter Schienengüterverkehr in der
                                                                        Fläche versteht der Laie nur Bahnhof.
                                                                        Was ist genau gemeint?

unternehmerischen
                                                                        Bernhard adamek: Es geht sowohl um
                                                                        den schweizerischen Binnen- als auch um
                                                                        den Import- und Exportschienengüter-

Spielraum»
                                                                        verkehr. Ausgenommen ist einzig der al-
                                                                        penquerende Transitgüterverkehr, der be-
                                                                        kanntlich länger schon verkehrspolitisch
                                                                        geregelt ist. Überdies sind alle Angebote
                                                                        angesprochen, insbesondere der Einzel-
Das Parlament hat den Bundesrat beauftragt,                             wagenladungsverkehr, aber auch die
                                                                        Ganz­­züge und der Kombinierte Verkehr.
eine Gesamtkonzeption für den schweizerischen
Schienengüterverkehr in der Fläche auszuarbeiten.                       Um welches Marktvolumen geht es?
Welche Chancen und Herausforderungen lassen                             Der Schienengüterverkehr in der Fläche
                                                                        verzeichnet heute einen Marktanteil von
sich daraus für den Wagenladungsverkehr ableiten?                       über 25 Prozent an der gesamten Güterver-
                                                                        kehrsleistung im schweizerischen Binnen-,
                                                                        Import- und Exportverkehr. Er entlastet
                                                                        das Schweizer Strassennetz um jährlich
                                                                        über drei Millionen Lastwagenfahrten.

                                                                        Die Wahl des Gütertransportmittels
                                                                        wird heute primär über den Preis
                                                                        ent­­schieden. Ist er das einzige Kriterium?
                                                                        In der Logistik werden unternehmerische
                                                                        Kaufentscheidungen getroffen. Dabei be-
                                                                        stimmt der Preis in hohem Mass die
                                                                        Wahl des Verkehrsträgers, aber nicht aus-
                                                                        schliesslich. Was angesichts der sich wan-
                                                                        delnden Logistikbedürfnisse auch immer
                                                                        wichtiger wird, sind intermodale Lösun-
                                                                        gen, Laufzeit der Transporte, Flexibilität,
                                                                        Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des
                                                                        Angebots. Ausserdem gewinnen «Green
                                                                        Logistics» an Bedeutung. Der Druck auf
                                                                        die Transportbranche steigt, um­        welt­
                                                                        freundliche Lösungen anzubieten.

                                                                        Kann SBB Cargo das von den Kunden
                                                                        gewünschte Angebot nicht ohne politische
                                                                        Massnahmen auf die Beine stellen?
                                                                        Ein leistungsfähiger Schienengüterverkehr
                                                                        in der Fläche muss sich auf einen kohären-
                                                                        ten und langfristig stabilen verkehrspoli­
                                                                        tischen Rahmen abstützen können. Sonst
                                                                        kann er die Erwartungen der Kunden nicht
                                                                        erfüllen und wird zunehmend seine Wett-
                                                                        bewerbsfähigkeit gegenüber der Stras­   se
                                                                        verlieren.

                                                                        Was will SBB Cargo zur Verbesserung
                                                                        der Wettbewerbsfähigkeit unternehmen?
                                                                        SBB Cargo muss ihre Hausaufgaben ma-
                                                                        chen, das betrifft insbesondere Kosten-
                                                                        senkungen. Dazu sanieren wir den Wa-

22                                                                                                  SBB Cargo 2 | 2013
                                                                                                                                 Politik

             genladungsverkehr und reduzieren unsere           Der Bund strebt für den Güterverkehr in       Umfrage:
             Strukturkosten. Daneben muss es uns ge-           der Fläche ein nachhaltiges Miteinander
             lingen, gemeinsam mit den Kunden die              der Verkehrsträger an. Die SBB begrüsst       Das sagen Experten
             Ressourcen besser auszulasten und sie fle-        diese Stossrichtung. Nach unserem Ver-
                                                                                                                     Ulrich Weidmann
             xibler zu dimensionieren. Durch eine brei-        ständnis hat Nachhaltigkeit eine ökonomi-             Professor am Institut für
             tere Positionierung in der logistischen           sche, ökologische und soziale Dimension.              Verkehrs­planung und Transport-
             Wertschöpfungskette und im Aufbau neu-            Vorstellungen, denen zufolge einzig wett-             systeme (IVT) ETH Zürich
             er marktfähiger Produkte mit unseren              bewerbliche Aspekte die Aufgabenteilung
             Kunden wollen wir uns zudem gezielt stär-         zwischen Strasse und Schiene bestimmen,       «Die leistungsabhängige Schwerver-
             ken. Primär ausschlaggebend für die Kon-          greifen ebenso kurz wie die Idee, in der      kehrsabgabe (LSVA) fliesst derzeit zu
                                                                                                             zwei Dritteln an den Bund. Dieser
             kurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber            Fläche eine Verlagerungspolitik genau
                                                                                                             verwendet die Mittel hauptsächlich für
             der Strasse sind jedoch die verkehrspoliti-       nach dem Vorbild des alpenquerenden Gü-       die Bahn 2000, die NEAT, für Lärm­
             schen Rahmenbedingungen.                          terverkehrs zu verfolgen. Richtig ist, dass   sanierung und Anschlüsse ans Hoch­
                                                               die Strasse und die Schiene in Zukunft im     geschwindigkeitsnetz. Dabei profitiert
             Welche Punkte stehen im Vordergrund?              Binnenverkehr jeweils gemäss ihrer Stär-      vor allem der Personenverkehr, während
             Um auf die Herausforderungen des Markts           ken eingesetzt werden und noch enger ab-      gleichzeitig dem Güterverkehr Mittel für
                                                               gestimmt in kombinierten Lösungen Gü-         dringend nötige Erweiterungen fehlen.
             richtig reagieren zu können, benötigen wir
                                                                                                             Ein gelebtes Verursacherprinzip würde
             mehr unternehmerischen Spielraum. Ein-            ter transportieren werden.
                                                                                                             bedeuten, die LSV-Abgaben konse-
             seitige Auflagen an SBB Cargo aufgrund                                                          quent und gezielt für den Güterverkehr
             strategischer Ziele des Bunds l­ehnen wir         Das heisst zum Beispiel?                      auf der Schiene zu verwenden.»
             ab. Das führt zu ungleichen Wettbewerbs-          Angesichts des enormen Verkehrsaufkom-
             bedingungen für die verschiedenen Ak-             mens und der vielen Staustunden auf der               Ueli Stückelberger
             teure. Zentral ist weiter, die Kapazitäten        A1 denke ich zum Beispiel an einen Ausbau             Direktor des Verbands öffentlicher
             und die Qualität im Infrastrukturzugang           von Angeboten des Kombinierten Ver-                   Verkehr (VöV)
             zu steigern und zu verbessern. Nicht zu-          kehrs auf der Ost-West-Achse.
             letzt müssen die in der Schweiz für den                                                         «Ich setze mich dafür ein, dass der
             Transport auf der Strasse geltenden Re-           Im Import- und Exportgüterverkehr ist         Wagenladungsverkehr (WLV) in der
             geln beibehalten werden.                          für die Schweiz eine mit dem europä­          Schweiz eine Zukunft hat. Dafür sind
                                                               ischen Raum abgestimmte Lösung                Errungenschaften wie dichtes An-
             Konkret?                                          zentral. Allerdings ziehen am Horizont        schlussgleisnetz, Nacht- und Sonntags-
             Unbedingt beizubehalten sind das Nacht-           dunkle Wolken auf . . .                       fahrverbot zu erhalten. Von der Politik
                                                                                                             braucht es ein Bekenntnis zum WLV,
             fahr- und Kabotageverbot, die leistungs-          Es sind natürlich schlechte Signale, wenn
                                                                                                             zudem sind die nötigen Rahmenbedin-
             abhängige Schwerverkehrsabgabe und die            Länder wie Frankreich und Italien             gungen zu schaffen. Gerade weil die
             Gewichtslimiten für Lastwagen.                    den Einzelwagenladungsverkehr teilweise       Herausforderungen gross sind, müssen
                                                               oder gar vollständig einstellen. Anderer-     wir zu einem nachhaltigen WLV Sorge
             Welche Aufgabenteilung zwischen                   seits führt auch für die EU-Länder kein       zu tragen.»
             Schiene und Strasse ist wünschenswert?            Weg an einem Ausbau des Schienengüter-
                                                                                                                     Paul Wittenbrink
                                                               verkehrs mitsamt dem Wagenladungs­
                                                                                                                     Professor für Transport und
                                                               verkehr vorbei. Sonst können sie ihre
                                                                                                                     Logistik an der Dualen Hochschule
             Politische Agenda                                 verkehrspolitisch festgelegten Verlage­
                                                               ­                                                     Baden-Württemberg
             14. Oktober 2010                                  rungsziele und die angepeilte Reduktion
             Die Verkehrskommission des Ständerats             der Treibhausgase nicht erreichen. Aller-     «Der Einzelwagenladungsverkehr
             reicht die Motion «Zukunft des Schienengüter-     dings warten im europäischen Raum noch        (EWLV) wird sein Potenzial nur aus-
             verkehrs in der Fläche» ein.                      etliche grössere Aufgaben. So etwa im Be-     schöpfen, wenn auch neue Ansätze zum
                                                               reich einer güterverkehrsorientierten In­     Zuge kommen. Hierzu zählen der
             24. November 2010                                                                               verstärkte Aufbau und die Einbeziehung
             Der Bundesrat begrüsst die Stossrichtung der      frastrukturpolitik, beim Abbau von Hür-
                                                                                                             von Speditionen, die Überprüfung der
             Motion und empfiehlt deren Annahme. Am            den im grenzüberschreitenden Verkehr          hohen Fertigungstiefe, eine stärkere,
             30. November 2010 (Ständerat) bzw. 11. April      oder bei der weiteren Ausgestaltung der       auch relations- und regionenbezogene
             2011 (Nationalrat) stimmt das Parlament der       politischen Rahmenbedingungen für die         Verantwortung, Innovationen und mehr
             Motion zu und beauftragt den Bundesrat, eine
                                                               Strasse und Schiene.»                         Wettbewerb um die besten Lösungen.
             Gesamtkonzeption zu erstellen.                                                                  Der EWLV braucht effiziente Rahmenbe-
                                                                    http://bit.ly/10loVxt
                                                                                                             dingungen, Planungssicherheit und
             13. Dezember 2012                                      Das Positionspapier der SBB zum
                                                                    Schienengüterverkehr in der Fläche       realistische Ziele. Nicht zuletzt sind die
             Die SBB legt in einem Positionspapier zur
                                                                                                             Kunden gefragt, langfristig auf das
             Motion ihre Vorstellungen zum Schienengüter-
                                                                                                             System zu setzen, mehr feste Kapazitä-
             verkehr in der Fläche dar.
                                                                                                             ten zu buchen und auch unkonven­
             April bis August 2013                                                                           tionelle Lösungen zu entwickeln.»
                                                               Bernhard Adamek
             Offizielle Vernehmlassung zur Gesamtkonzeption.   verantwortet bei SBB Cargo die
                                                               politischen und regulativen Themen
Fotos: zVg

             2014 (voraussichtlich)
                                                               und somit auch das Dossier «Schie-
             Beratung und Abstimmung im Parlament.
                                                               nengüterverkehr in der Fläche».

             SBB Cargo 2 | 2013                                                                                                                     23
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