Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich

Die Seite wird erstellt Jasper Fritz
 
WEITER LESEN
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Kanton Zürich

             Schulblatt
             Bildungsdirektion

                                                                        6/2019

                                                          Kindergarten
                                                    Das Fundament der Schule

Politik lernen                   MINT am Gymi              Lehre als Tänzerin
Jugendliche engagieren           Praktischer Unterricht    Mit Talent und Ausdauer
sich für ihre Anliegen           weckt das Interesse       auf die Ballettbühne
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
5                                                                             8
                                         Magazin                                             Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                             Kindergarten
                                         4                                                                                                            22
                                         Kommentar                                           14                                                       Politik-Workshop
                                         Bildungsdirektorin Silvia                            Neue Wege im                                            engage.ch motiviert
                                         Steiner über die Studierfähig-                       Kinder­garten                                           Jugend­liche, politische
                                         keit von Berufsmaturanden                            Freies Spiel fördert über-                              Anliegen einzubringen
                                                                                              fachliche Kompetenzen
                                         5                                                                                                            24
                                         Im Lehrerzimmer                                     18                                                       Stafette
                                         Primarschule Bachs                                   Im Gespräch                                             Die Schule Nordstrasse
                                                                                              Wie Bildungsdirektorin                                  und ihr Projekt «3 Räume»
                                         6                                                    Silvia Steiner den Kinder-
                                         Der neue Bildungsrat                                 garten stärken will                                     27
                                                                                                                                                      In Kürze
                                         8                                                    20
                                         Persönlich                                           Monitoringbericht
                                         Jürg Schoch, seit 30 Jahren                          Die wichtigsten
                                         Direktor von unterstrass.edu                         Erkenntnisse in Kürze
                                         11
                                         Meine Schulzeit
                                         Steff la Cheffe, Rapperin
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Inhalt

                                         Wichtige Adressen                                                    Impressum Nr. 6/2019, 22.11.2019
                                         Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                         Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: sechsmal jährlich, 134. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                         Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und         reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                         ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 09 Journalistische Mitarbeit an dieser Aus­
                                         und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         gabe: Walter Aeschimann, Andreas Minder, Andrea Söldi Abonnement: Lehr­personen einer
                                          verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe-   öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das «­ Schulblatt» in ihrem S  ­ chulhaus g
                                                                                                                                                                                                    ­ ratis
                                         urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsrats­beschlüsse:     beziehen (Bestellwunsch an Schul­leitung). ­Bestellung des «Schulblatts» an Privat­adresse
                                          www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­archiv Regierungsrats­       ­sowie Abonne­ment weiterer Interessierter: ­abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52
                                          beschlüsse: www.rrb.zh.ch                                            (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch G
                                                                                                                                                                ­ estaltung: www.bueroz.ch Druck: www.
                                                                                                              staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 300 63 80 Re­daktions- und Inserate-
                                         Titelbild: Dieter Seeger                                             schluss nächste Aus­gabe: 30.1.2020 Das n   ­ ächste «Schulblatt» erscheint am: 28.2.2020

                                         Weiterbildungsangebote
                                         Unter den nachfolgenden Links finden Sie zahlreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen, Fachlehrpersonen, Schulbehörden und Schul­
                                         leitende: Volksschulamt: www.vsa.zh.ch > Ausbildung & Weiterbildung Pädagogische Hochschule Zürich: www.phzh.ch > Weiterbildung Unterstrass.edu:
                                         www.unterstrass.edu UZH/ETH Zürich: www.webpalette.ch > Sekundarstufe II > Gymnasium > UZH und ETH Zürich, Maturitätsschulen HfH – Interkantonale
                                         Hochschule für Heilpädagogik Zürich: www.hfh.ch > Weiterbildung ZAL – Zürcher Arbeits­        gemeinschaft für Weiterbildung der Lehrpersonen des
                                         ­Kantons Zürich: www.zal.ch > Kurse EB Zürich, Kantonale Berufsschule für ­Weiterbildung: www.eb-zuerich.ch ZHAW Zürcher Hochschule für Ange-
                                          wandte Wissenschaften, Soziale Arbeit: www.zhaw.ch/sozialearbeit > Weiterbildung > Weiterbildung nach Thema > Kindheit, Jugend und Familie
2
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
28                                                                       36
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                          41
                                                                                                               Amtliches
28                                                     34
MINT                                                   Berufsbildung 2030                                      43
Wie Schulen Naturwissen-                               Wirtschaftspädagogin                                    Stellen
schaften und Technik fördern                           Sabine Seufert über
                                                       notwendige Veränderungen                                48
30                                                                                                             schule & kultur
HSGYM-Innovationsfonds                                 36
Starthilfe für                                         Berufslehre heute                                       50
digitale Projekte                                      Bühnentänzerin EFZ                                      Agenda
33                                                     39
In Kürze                                               In Kürze

    Editorial
                                                               Vor Kurzem hat Bildungsdirektorin Silvia Steiner den Bericht «Situation des
                                                                                                                                                  Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Inhalt

                                                               Kindergartens im Kanton Zürich» vorgestellt. Darin kommt deutlich zum Aus-
                                                               druck, wie sehr sich die Sicht auf den Kindergarten in den letzten Jahren ver-
     Reto Heinzel                                              ändert hat. Die pädagogische Bedeutung dieser Schulstufe ist heute allgemein
                                                               anerkannt. Unbestritten ist auch, dass die Kindergärtnerinnen und Kinder-
                                                               gärtner eine zentrale Rolle spielen. Der Bericht ist Ausgangspunkt für unseren
                                                               Fokus zum Thema Kindergarten. Wo dieser steht und wohin er steuert, lesen
                                                               Sie in diesem Heft.
                                                               Das «Schulblatt» wird ab dem kommenden Jahr nur noch in fünf Ausgaben
                                                               ­erscheinen. Bislang verschickten wir kurz vor den Sommerferien noch eine
                                                                Ausgabe. Aus den Schulen haben wir immer wieder Rückmeldungen erhalten,
                                                                dass diese Nummer oft liegen bleibt, weil man mit so vielen anderen Dingen
                                                                beschäftigt ist. Durch eine geschicktere Verteilung soll dies künftig vermieden
                                                                werden. 
                                                                                                                                                  3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das «Schulblatt»: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Studierfähigkeit                                                                                                             ist nicht die Idee, dass die obere Stufe vor­

       Der Blickwinkel
                                                                                                                                    gibt, was sie erwartet. Vielmehr geht es
                                                                                                                                    um eine Begegnung auf Augenhöhe.
                                                                                                                                         An der diesjährigen «BMFH»-Herbst­

       der Studierenden
                                                                                                                                    konferenz von Mitte September legte man
                                                                                                                                    den Fokus auf die «Studierfähigkeit». Dass
                                                                                                                                    sich an diesem Austausch nicht nur Do­

       ist wichtig
                                                                                                                                    zenten und Bildungsexpertinnen beteilig­
                                                                                                                                    ten, sondern auch Studierende, war nur
                                                                                                                                    folgerichtig. Auf dem Podium reflektierten
                                                                                                                                    sie kritisch ihre eigene Studierfähigkeit.
       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                       Hilfreich wären ihnen bessere Anwen­
                                                                                                                                    derkenntnisse in Informatik gewesen, war
                                                                                                                                    etwa zu hören. Aber die Studierenden be­
                                                                                                                                    tonten auch, wie wichtig ihnen ein sehr
                                          Es gibt Momente im Leben, die gehen                                                       gutes Englisch sei.
                                          nicht vergessen. Sicher erinnern sich                                                          Solche Einschätzungen von Studie­
                                          noch viele von Ihnen an den ersten Schul­                                                 renden sind für uns sehr hilfreich. Indem
                                          tag, an den Lehrbeginn im Betrieb oder                                                    wir ihren Blickwinkel einnehmen und uns
                                          an den Besuch der ersten Vorlesung. Bil­                                                  an ihren Bedürfnissen ausrichten, können
                                          dungsbiografien sind geprägt von Über­                                                    wir den Übergang zwischen Berufsmatu­
                                          gängen. Im Laufe eines Lebens gilt es zahl­                                               rität und Fachhochschulen weiter verbes­
                                          reiche davon zu meistern.                                                                 sern. Anderseits stehen auch die Studie­
                                               Ein wichtiger Übergang ist jener                                                     renden in der Pflicht: Sie sind gefordert,
                                          ­zwischen Berufsmaturität und Fachhoch­                                                   Stofflücken aufzuarbeiten, ihre Kompe­
                                           schule. Die jungen Menschen, die ein Stu­                                                tenzen zu erweitern und ihr Profil auch in

                                                                                            «Damit der
                                           dium beginnen, sind konfrontiert mit den                                                 Eigenregie zu schärfen. Damit der Über­
                                           gesteigerten Erwartungen und Ansprü­                                                     gang gelingt, sind also sowohl Lehre wie
                                           chen der Fachhochschulen. Sie sind neu­
                                           gierig und motiviert zu lernen, doch sie
                                                                                         ­Übergang gelingt,                         auch Lernende gefordert.
                                                                                                                                         Ich wünsche mir, dass wir künftig
                                           alle bringen unterschiedliche persönliche         sind Lehre                             noch mehr leistungsfähige und leistungs­
                                           Voraussetzungen mit. Der Übergang soll
                                           für alle Beteiligten so reibungslos wie         und Lernende                             bereite junge Berufsmaturandinnen und
                                                                                                                                    -maturanden ermuntern können, den Weg
                                           möglich sein. Eine wichtige Initiative in
                                           dieser Hinsicht ist die vor einem Jahr ge­
                                                                                            ­gefordert.»                            eines Fachhochschulstudiums einzuschla­
                                                                                                                                    gen und diesen dann auch zu Ende zu
                                           gründete Plattform «BMFH». Anbieter von                                                  ­gehen. Daher ist es wichtig, dass wir den
                                           Bildungs­gängen der Berufsmaturität und                                                   Übergang zwischen Berufsmaturität und
                                           Hochschulen bekräftigen damit ihren          Die zentrale Frage bei der stufenüber­       Fachhochschule weiter verbessern und so
                                           Willen, gemeinsam die Verantwortung für      greifenden Arbeit lautet: Wie lassen sich    den jungen Menschen dabei helfen, in ein
                                           einen erfolgreichen Übergang ins Studi­      die beiden Ausbildungsstufen besser ver­     selbstbestimmtes und erfüllendes Leben
                                           um zu übernehmen.                            netzen und aufeinander abstimmen? Es         zu starten. 
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

                                                                                                                                                     Mein
                                                                                                                                                     Traumschulhaus
                                                                                                                                                     Vanessa (8),
                                                                                                                                                     3. Klasse,
                                                                                                                                                     Primarschule
                                                                                                                                                     Bubikon
4
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                                     Primarschule Bachs
                                                                                                        Fast eine Familie
                                                                                                                        Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

Weit hinaufsteigen: muss, wer ins Lehrerzimmer der Primarschule Bachs gelangen will. Es befindet sich am Ende der Treppe,
im hölzernen Dachstock des Schulhauses. Ein alter Militärhelm: und ein Paar leicht angestaubte Bähnlerhüte sind neben der
­Eingangstüre aufgereiht. Sie wurden beim letzten Schultheater als Requisiten verwendet. Eine kleine Einbauküche: teilt den
 ­schmalen, länglichen Raum, der auch als Sitzungszimmer für Schule und Schulbehörde dient. Das eingeschworene Kernteam:
  dieser kleinen Tagesschule mit knapp 60 Schülerinnen und Schülern hat sich am grossen Tisch im hinteren Teil versammelt.
  Hier sitzen die Lehrerinnen dem Schulleiter und dem Abwart gegenüber. Für zufriedene Gesichter sorgt nicht zuletzt die fabrik­
  neue Kaffeemaschine, die in regem Einsatz ist. Fast schon familiär: geht es hier zu und her. Alle kennen sich seit Jahren, die
  ­Stimmung ist locker und heiter. Rund um den Tisch wird erzählt, gelacht oder lebhaft diskutiert. Für Gesprächsstoff: sorgt gegen­
   wärtig die neue IT-Infrastruktur der Schule. «Diese ist zwar topmodern», verrät Schulleiter Philipp Gubelmann, «doch leider funk­
   tioniert sie immer noch nicht so, wie sie eigentlich sollte.» Eine externe Firma ist derzeit daran, die Probleme zu beheben. [rh]
                                                                                                                                         5
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Der neue Bildungsrat

       Wer sind die Mitglieder?
       Vor Kurzem wurde der Bildungsrat neu gewählt. Er beschäftigt
       sich mit pädagogischen Fragen aus allen Schulstufen, erlässt
       Lehrpläne und Reglemente und nimmt zu wesentlichen bildungs­
       politischen Fragen Stellung. Und so setzt er sich zusammen:
       Fotos: Marion Nitsch

                                          Sabine Balmer Kunz, Leiterin Nachwuchsprogramme Schweiz               Lucien Criblez, Professor am Institut für Erziehungswissenschaften
                                          bei der Credit Suisse. Bildungsrätin seit 2015.                       der Universität Zürich. Bildungsrat seit 2011.

                                          Die Betriebsökonomin und eidgenössisch diplomierte Ausbil­            Der Pädagogikprofessor promovierte 1993 in Bern und habili­
                                          dungsleiterin mit einem Master in Bildungsmanagement befasst          tierte sich 2002 an der Universität Zürich. Er ist Experte für
                                          sich seit 1992 mit Aufgaben im Bereich der beruflichen Aus- und       Schultheorie, Bildungspolitik- und Bildungssystemanalysen.
                                          Weiterbildung. Sie tritt für eine Volksschule ein, die individuelle   Zweiter Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit bildet
                                          Begabungen und Leistungsfähigkeit erkennt und Jugendliche             die Historische Bildungsforschung, insbesondere die Geschichte
                                          gut auf ein selbstständiges Leben vorbereitet. Schwerpunkte           der Volksschule, des Gymnasiums und der Hochschulen.
                                          setzt sie auf Talentförderung, zukunftsorientierte Lerninhalte
                                          sowie eine gute Information über verschiedene Laufbahnmög­
                                          lichkeiten in einem durchlässigen dualen Bildungssystem.
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

                                          Peter Küng, Mittelschullehrer an der Kantonsschule Wiedikon.          Stefan Krebs, Elektroinstallateur und Unternehmer.
                                          Bildungsrat seit 2019.                                                Bildungsrat seit 2019.

                                          Der promovierte Germanist und Historiker unterrichtet seit 2003       Der Vizepräsident des Kantonalverbandes Zürcher Elektroins­
                                          Deutsch und Geschichte, seit 2018 präsidiert er den Gesamt­           tallationsfirmen führt zusammen mit seinem Bruder ein Familien­
                                          konvent an seiner Schule. Seine Behördentätigkeit begann er in        unternehmen in der vierten Generation mit gut zwanzig Mit­
                                          der Schulpflege. Von 2007 bis 2018 war er Mitglied des Zürcher        arbeitenden und fünf Lernenden. Er war Mitglied des Gemeinde-
                                          Gemeinderats und dort während sechs Jahren in der Geschäfts­          rats Pfäffikon und des Kantonsrates. Wichtig sind ihm eine ziel­
                                          prüfungskommission für das Schul- und Sportdepartement zu­            gerichtete und begabtengerechte Volksschule und ein durchläs­
                                          ständig. Chancengerechtigkeit auf allen Schulstufen ist für ihn       siges duales Bildungssystem, das leistungsstarken Jugendlichen
                                          ein zentrales Ziel.                                                   die Möglichkeit gibt, eine Berufsmaturität zu absolvieren.
6
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Martin Lampert, Sekundarlehrer an der Oberstufenschule                Anna Maria Riedi, Direktorin des Departements Soziale Arbeit
Wädenswil mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt.       der Berner Fachhochschule. Bildungsrätin seit 2019.
Bildungsrat seit 2011.
                                                                      Die promovierte Pädagogin arbeitete von 2001 bis 2018 als
Der Vertreter der Volksschule ist auch Kooperationsschulleiter        Dozentin und Forschungsprojektleiterin am Institut Kindheit,
                                                                      ­
der Primar- und Oberstufenschule Wädenswil und war unter              Jugend und Familie der Zürcher Hochschule für Angewandte
­anderem als Aktuar der Oberstufenschulpflege Wädenswil, als          Wissenschaften. Ihr Fokus liegt auf dem Schweizerischen Sozial­
 Präsident des Kapitels Horgen Süd sowie als Mitglied und zeit­       wesen und der Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen im
 weise als Präsident des Gemeinderats Wädenswil tätig. Er inte­       Bereich Soziale Arbeit. Als Wissenschafterin beschäftigen sie
 ressiert sich für eine gelingende Weiterentwicklung der Volks­       ­Familie, Kindheit und Jugend sowie die Schnittstellen zwischen
 schule. Schwerpunkte setzt er auf die Umsetzung des Lehrplans 21      Schule, Familie sowie Kinder- und Jugendförderung. Von 1995
 und den Einsatz von guten, kompetenzorientierten Lehrmitteln          bis 2007 war sie Mitglied des Kantonsrates.
 für die Volksschule.

                                                                                                                                           Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

Regula Trüeb, Berufsfachschullehrerin an der Berufsfachschule Uster   Theo Meier, Bäcker-Konditor-Meister und Vizepräsident des Verbands
und Vorstandsmitglied der Lehrpersonenkonferenz Berufsfachschulen.    der Zürcher Schulpräsidien. Bildungsrat seit 2011.
Bildungsrätin seit 2011.
                                                                      Der Bäcker-Konditor führt zusammen mit seiner Frau eine Bä­
Die ausgebildete Primar- und Mittelschullehrerin unterrichtet         ckerei-Konditorei in der vierten Generation und engagiert sich
seit 1988 Deutsch und Italienisch an der Berufsfachschule Uster.      im Zürcher Berufsverband als Finanzchef. 1994 wurde er Präsi­
Sie arbeitet als Coach in der Lernendenberatung und war Dozen­        dent der Schulgemeinde Bäretswil, 2002 zudem Mitglied des Ge­
tin in der Erwachsenenbildung. Von 2002 bis 2011 war sie Mit­         meinderats. Er arbeitet im Vorstand des Verbandes der Zürcher
glied des Gemeinderats Uster und präsidierte ab 2006 die Kom­         Schulpräsidien (VZS) mit, seit 2010 als dessen Vizepräsident. Er
mission Bildung und Kultur. Sie befasst sich mit den Themen           befasst sich mit altersspezifischen Themen von Jugendlichen in
Frühförderung, Berufsbildung und BMS-Förderung. Besonde-              der Schul- und Berufsbildung.
res Augenmerk widmet sie den Übergängen Sekundarstufe I –
Sekundarstufe II und Sekundarstufe II – Tertiärstufe.
                                                                                                                                           7
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                       gefragt. War es nicht: Nach fünfjährigen

       Impulsgeber
                                                                                                                                        intensiven Verhandlungen wurde 2002
                                                                                                                                        das Institut Unterstrass, in dem weiterhin
                                                                                                                                        Kindergarten- und Primarlehrpersonen

       und Zugpferd
                                                                                                                                        aus- und weitergebildet werden, als selbst­
                                                                                                                                        ständige Einheit der PH Zürich ins Leben
                                                                                                                                        gerufen. Bereits ab 1998 wurde die vorma­
                                                                                                                                        lige Lehramtsschule, die mit einer kanto­

       Seit 30 Jahren prägt Direktor Jürg Schoch                                                                                        nalen Matur abschloss, zum eidgenössisch
                                                                                                                                        anerkannten Gymnasium umgewandelt.
       die Institution unterstrass.edu, die                                                                                             «Und ich versuche die Klammer zu sein

       dieses Jahr ihren 150. Geburtstag feierte.                                                                                       zwischen den beiden Abteilungen.»

                                                                                                                                        Der Entwicklung voraus sein
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Stephan Rappo
                                                                                                                                        Oft ist er auch Impulsgeber und Zugpferd,
                                                                                                                                        wenn es um neue Weiterbildungen oder
                                                                                                                                        um Projekte geht, die Massstäbe setzen.
                                                                                                                                        So zum Beispiel im Fall des Förderpro­
                                                                                                                                        gramms ChagALL für begabte und leis­
                                          Der Fall sei erledigt, dachte Jürg Schoch      von Maturandinnen und Maturanden ge­           tungswillige Sekundarschülerinnen und
                                          nach seinem Bewerbungsgespräch am da­          leitet, Lehrpersonen sind keine dabei.         -schüler mit Migrationshintergrund, die
                                          maligen «Evangelischen Lehrerseminar».         «Das funktioniert», sagt der Direktor. Als     auf dem Weg an und durch das Gymna­
                                          Er erinnert sich gut an den Termin mit         ehemaliger Jugendarbeiter wisse er, dass       sium oder die Berufsmittelschule unter­
                                          Hans Stickelberger, Pfarrer am Gross­          man den Jugendlichen Verantwortung             stützt werden. Ebenso beim neuen Gymi-
                                          münster und Präsident des Trägervereins        übertragen müsse. «Den jungen Leuten           Profil Naturwissenschaften+ («Magna»)
                                          der Privatschule. «Meine Frau musste auch      etwas zuzutrauen und ihnen zu vertrauen,       oder bei «écolsiv», in dem Menschen mit
                                          dabei sein», erzählt er. Sie war Kindergärt­   ist ganz zentral», betont er. Schliesslich     geistiger Beeinträchtigung für eine päda­
                                          nerin und hatte ihre Ausbildung am «Semi       sollten Gymi-Absolventen später verant­        gogische Tätigkeit ausgebildet werden.
                                          Unterstrass» gemacht. Eigentlich standen       wortungsvolle Aufgaben in der Gesell­          «Ich bin ein Grenzgänger zwischen Wis­
                                          die Karten gut für den Anwärter auf den        schaft übernehmen können.                      senschaft und Praxis», sagt er von sich
                                          Direktorenposten, doch dann wollte der              «Vertrauen» ist ein Wort, das im Ge­      selbst, «es gefällt mir, wissenschaftliche
                                          Präsident wissen, ob das Ehepaar Schoch        spräch mit Jürg Schoch immer wieder            Thesen auf den ­Boden zu bringen. Und
                                          in die Schulleiterwohnung im Haus ein­         fällt. «Offenheit» und «Gerechtigkeit» sind    ich sehe meine Aufgabe darin, in der
                                          ziehen würde. «Für meine Frau kam das          zwei weitere. Es sind Werte, die ihm am        praktischen Um­    setzung von gesicherten
                                          überhaupt nicht infrage.»                      Herzen liegen. Und die durch und durch         Erkenntnissen der Entwicklung immer
                                              Genau 30 Jahre ist dies nun her. Statt     evangelisch seien, wie er als überzeugtes      drei Jahre voraus zu sein.»
                                          der erwarteten Absage folgte per 1. März       Mitglied der reformierten Landeskirche              Daneben ist es die Breite der Alters­
                                          1990 die Wahl Jürg Schochs zum Direktor.       betont. Jahrelang wirkte er zudem als Lei­     stufen und Themen, die ihm an seiner
                                          Er war 34, arbeitete als Assistent und         ter der grössten Fraktion in der Synode        ­Arbeit Freude macht. Und immer wieder:
                                          Lehrbeauftragter an der Uni Zürich und         mit. Auch wenn unterstrass.edu, wie sie         die zwischenmenschlichen Erfahrungen.
                                          an seiner Dissertation. Sein Doktorvater       heute heisst, keine kirchliche Institution      Nach einem Highlight gefragt, erzählt er,
                                          hatte ihn aufgefordert, sich für die Stelle    ist, sei der Bezug zur Kirche hier wichtig.     wie er als 40-Jähriger als Gast im Skilager
                                          zu bewerben. Nach seiner Ausbildung und             An dieser Institution hat er seine Le­     bei einem Schüler in den Snowboard-­
                                          einigen Jahren als Sekundarlehrer und          bensstelle gefunden – was er vor 30 Jahren      Unterricht ging, zusammen mit anderen
                                          als Jugendarbeiter in der Cevi hatte Jürg      natürlich noch nicht wusste. Damals be­         Schülern. «Das war für mich ein unver­
                                          Schoch Sozialpädagogik, Angewandte Psy­        fand sich die Schule nach mehreren Jah­         gessliches Erlebnis.» Oder er erwähnt die
                                          chologie und Kirchengeschichte studiert.       ren ohne feste Führung in einer Talsohle.       drei Tage, welche die ­neuen Studierenden
                                          Aufgewachsen ist er im Waisenhaus Wä­          Für Jürg Schoch ein spannender Einstieg:        des Instituts zu Beginn gemeinsam aus­
                                          denswil, wie er gern erzählt. Blickt ihn       «Die Bereitschaft aller Mitarbeitenden,         wärts verbringen, um über sich selbst
                                          sein Gegenüber dann leicht irritiert an,       die Schule in eine gute Richtung zu ent­        nachzudenken. «Das ist auch für mich im­
                                          lacht er sein herzhaftes Lachen und            wickeln, war gross.» Dass es ein paar ­Jahre    mer wieder ein schöner Moment, um mir
                                          klärt auf: nicht als Waisenkind, sondern       dauern würde, um etwas zu bewegen, da­          zu überlegen, woher ich komme, wohin
                                          als Sohn des Heimleiterpaars. Nach der         rauf hatte er sich eingestellt. «Doch dann      ich gehen will – und dies im direkten Ge­
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

                                          6. Klasse zog er mit seinen Eltern um ins      kamen immer neue Veränderungen auf              spräch mit den jungen Erwachsenen.»
                                          Kinder- und Jugendheim Winterthur und          uns zu», sagt er, «die Bildungslandschaft           Eines ist klar: In einem Jahr geht er
                                          besuchte das Gymnasium Rychenberg.             wurde total umgekrempelt, es gab bauli­         in Pension. Dann bleibt endlich wieder
                                                                                         che Anpassungen und immer wieder neue           mehr Zeit für Sport – namentlich Hand­
                                          Jungen Leuten etwas zutrauen                   Projekte.» Und manchmal auch grosse             ball – sowie für das Geigen- und Gitarren­
                                          Die «Heimerfahrung» hat ihn geprägt.           Hürden zu meistern. Als Ende der 1990er-        spiel. Ausserdem wird er seine Tätigkeit
                                          «Ich habe vom Leben dieser Kinder ein          Jahre die Neuorganisation der Lehreraus­        im Stiftungsrat für Kinder- und Jugend­
                                          etwas anderes Bild», erzählt er, «natürlich    bildung begann, die die Auflösung der           heime fortsetzen, die er vor einem Jahr
                                          sah ich traurige Schicksale, aber auch,        ­Seminare und die Gründung der Pädago­          aufgenommen hat. «Alles andere lasse ich
                                          welche Chancen sich den Kindern dank            gischen Hochschule bedeutete, hatte Jürg       offen und bin gespannt, was das Rentner­
                                          des stabilen Umfelds boten.» Er selbst          Schoch manche schlaflose Nacht. Noch           dasein mit mir macht. Immerhin bedeutet
                                          habe vor allem die Privilegien genossen:        heute sieht er sich in den Weihnachts­         es auch einen Statusverlust.» Über den er
                                          «Ein eigenes Fussballfeld, jeden Winter         tagen 1999, nach dem Sturm «Lothar»,           jetzt noch nicht grübeln will. Schliesslich
                                          ein Skilager.»                                  durch den zerstörten Wald stapfen. Ob          habe er in Unterstrass im Moment noch
                                              Das Skilager ist heute auch am Gym­         dieser nun das Sinnbild sei für die Leh­       diverse Aufgaben wahrzunehmen. «Ich
                                          nasium Unterstrass Pflicht. Nur wird es         rerausbildung in Unterstrass, habe er sich     will noch nicht lockerlassen.» 
8
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin

Als Direktor von
unterstrass.edu setzt
sich Jürg Schoch für
Werte wie Vertrauen,
Offenheit und Gerechtig-
keit ein.
                           9
Schulblatt6/2019 Kindergarten - Das Fundament der Schule - Kanton Zürich
r
             r n at i o n a l e
50 . I n t e
                           n  d w e t t b ewe r b
                n-Juge
R a if fe i s e

   GL ü c K
    i S t …
      Fragen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler und
      lassen Sie sie in Form von Zeichnungen oder
      Collagen darauf antworten. Die
      kreativsten Arbeiten gewinnen tolle Preise.

      Bestellen Sie die Teilnahmeunterlagen
      unter raiffeisen.ch/wettbewerb oder bei
      Ihrer lokalen Raiffeisenbank.                                                          50 Ja h r e
                                                                                                a lw e t  t  b e w  e rb & Quiz
                                                                                              M                                Schüler
                                                                                                      l e r in  n en    u n d
                                                                                            für Schü                        h ren
                                                                                                    von 6 - 18 Ja
      Bestellschein bitte an die lokale Raiffeisenbank senden oder an Raiffeisen Schweiz,
      Marketing / Jugendwettbewerb, 9001 St.Gallen, jugendwettbewerb@raiffeisen.ch

      Ich wünsche                           Exemplare des Wettbewerbsprospekts.

      Name, Vorname

      Strasse

      PLZ, Ort
Welche Schulreise ist Ihnen speziell                                                                                  Meine Schulzeit

                                                         «Im Fach Theater
in Erinnerung und warum?
Ich kann mich gut an eine Wanderung
zum Oeschinensee erinnern – wegen der

                                                            blühte ich auf»
beeindruckenden Kulisse dieser Perle, die
von schroffen, steilen Felswänden umge­
ben ist. Das ist wie eine Belohnung nach
dem Aufstieg. Ausserdem ist mir die Ma­
turareise nach Prag in Erinnerung, weil
ich während des Ausgangs in der Gross­
                                                                                Fünf Fragen an Steff la Cheffe,
raumdisco verloren ging, meine Klassen­                                            Rapperin und Beatboxerin
gschpänli nicht mehr fand – damals hatten
wir noch nicht alle ein Handy – und allein
in dieser fremden Stadt zurück zu unse­
rem Hotel finden musste. Abenteuerlich!
    Welche Lehrperson werden Sie                 blühte und es mir hinterher besser ging.
nie vergessen?                                   Es war ein Ort, an dem ich meine Kreati­
Meinen Philosophielehrer am Gymi. Er             vität auf neue Weise ausdrücken konnte,
hat viele posi­tive und vereinzelt negative      und ich habe gemerkt, dass es mir Spass
Spuren hinterlassen. Er war fordernd und         macht, in verschiedene Rollen zu schlüp­
provokativ, hatte einen schrägen Humor,          fen, Emotionen körperlich darzustellen
kam meistens fünf Minuten zu spät und            und auf der Bühne zu stehen. Es war aus­
schenkte uns Musik und Hörbücher, die            serdem ein Fach, in dem sich das geistige
er als kulturell wertvoll erachtete. Er hat-     mit dem emotionalen und dem körperli­
te einen Schrank voller skandinavischer          chen Element verquickte.
Spielfilme, lud mich mal ein, mit ihm und            Was haben Sie in der Schule
seiner Tochter zu Mittag zu essen, und           fürs Leben gelernt?
stauchte mich ein anderes Mal, nach der          Beharrlichkeit. Ausserdem habe ich zwei
Schulzeit, zusammen, weil er fand, ich sollte    meiner besten Freundinnen in der Schule
doch jetzt endlich studieren, statt mich         kennengelernt.
weiter mit brotloser Kunst abzumühen.                Was hat Ihnen in der Schule
    Welches war Ihr liebstes Fach                gar nicht gefallen?
und weshalb?                                     Ich fand den sozialen Umgang oft etwas             Steff la Cheffe (32) wuchs als Stefanie Peter
Das Freifach Theater am Gymnasium. Die           mager. Unser Schulsystem hat ganz klar             in Bern auf. 2009 gewann sie die m4music
                                                                                                    Demotape Clinic und ging kurz darauf mit
Lektionen fanden jeweils am Freitagnach­         einen materiellen und intellektuellen Fo­          dem Harfenspieler Andreas Vollenweider
mittag nach dem regulären Unterricht statt.      kus. Im Nachhinein denke ich, ich wäre             auf Welttournee. 2011 gewann sie mit ihrem
                                                                                                    ersten Album den Swiss Music Award als
Ich musste mich regelmässig überwinden,          wohl in einer Rudolf-Steiner-Schule bes­           Best Talent. 2019 kam ein weiterer Swiss
nicht zu schwänzen, weil ich am Ende der         ser aufgehoben gewesen. Dort legt man              Music Award dazu. Immer wieder geht sie
                                                                                                    zudem Kooperationen mit anderen Künst­
Woche schon erschöpft war. Aber ich habe         mehr Wert aufs Kreative, auf Charakter­            lern ein, etwa mit Stephan Eicher oder dem
auch gemerkt, dass ich jedes Mal auf­            bildung oder ein ganzheit­liches Weltbild.         Sinfonie Orchester Biel Solothurn.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Erfahrungsnote
                                                                                                                                                    Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Magazin
                                                                                                                                                    11
12   Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus
Fokus

Kindergarten
Bildungsdirektorin Silvia Steiner will den
­Kindergarten stärken. Deshalb hat die Bildungs­
 direktion einen umfassenden Monitoring­
 bericht zum Kindergarten erstellen lassen.
 Was hat der Bericht ergeben, welche Schlüsse
 zieht die Bildungsdirektorin daraus und welche
 Wege gehen die Kindergärten?
Fotos: Dieter Seeger hat den Kindergarten Räsch in Obfelden besucht.

                                                                       Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus
                                                                       13
Neue Wege im Kindergarten              Der Montagmorgen beginnt mit Wochen­

                                        Spielend die
                                                                               singen. 60 Kinder und die Kindergarten­
                                                                               lehrpersonen versammeln sich im Ein­
                                                                               gangsraum. Sie sitzen auf dem hellen

                                        Welt entdecken
                                                                               Naturholzboden um die zentrale Treppe,
                                                                               die sich wie eine riesige Spirale ins obere
                                                                               Stockwerk windet. Die Heilpädagogin
                                                                               ­Esther Rütsche gibt auf der Gitarre erste
                                        Die pädagogische Bedeutung des          Klänge vor, dann setzt die Kinderschar
                                                                                vielstimmig zum «Räsch Song» an, dem
                                        Kindergartens hat sich verändert.
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

                                                                                Schullied der Primarschule Obfelden. Ist

                                        ­Heute wird vermehrt das freie Spiel    das Lied beendet, dürfen sich die Ge­
                                                                                burtstagskinder der Woche auf die Mat­
                                         gefördert. Dass dabei auch die         ratze ins Zentrum setzen. Heute ist es
                                                                                Louis, der sich freut und über beide Ba­
                                         ­Gebäudearchitektur inspirierend       cken strahlt, als alle für ihn «Happy Birth­

                                          ­wirken kann, zeigt ein Besuch im     day, lieber Louis» singen. Schliesslich
                                                                                sucht jedes Kind ein «Gspänli». Die Päärli
                                           ­Kindergarten Obfelden.              drehen sich zum «Fründschaftstänzli» im
                                                                                Kreis herum und singen: «Ich wet di Fründ
                                        Text: Walter Aeschimann                 si …» Der frühe Wochenanfang gehört
                                                                                diesem beinahe festlichen Ritual.
                                                                                    Wir besuchen den Kindergarten Räsch
                                                                                in Obfelden, einem Dorf im Süden des
14

                                                                                ­Kantons Zürich. Es gibt drei altersdurch­
Freies Spiel:
                                                                                           mehr Zeit, die Kinder individuell
                                                                                           zu fördern und anzuleiten.

mischte Klassen für Kinder von vier bis       Maisfelder, Wald und Wiesen. Im neuen,        herum sind Spielplätze und Nischen an­
sechs Jahren aus bildungsfernen und bil­      architektonisch preisgekrönten Holzge­        geordnet oder die freie Natur ist einfach
dungsnahen Familien oder mit unter­           bäude gibt es viele Nischen, Verbindungs­     nur belassen worden. «Auf der Veranda
schiedlichen kulturellen Hintergründen.       wege und Korridore, auch Räume für            sind die Kinder vor der Witterung ge­
Neben dem ritualisierten Einstieg in die      Kleingruppen, Psychomotorik, Werken           schützt und können zugleich barrierefrei
Woche gibt es weitere, vereinende Motive.     und Malen sowie Toiletten und Duschen.        die Natur erfahren», vermerken die Archi­
Das Jahresthema heisst Zwerge. Jede           «Es ist ein interessantes Haus», sagen        tekten im Beschrieb.
Klasse hat gemeinsam Objekte dazu ent­        die Klassenlehrpersonen Michele Häcki,
worfen, etwa ein «Zwergenhaus», von ei­       Sandra Gerber und Esther Schwendi­            Sprung in die Wasserlache
nem bunten Papierdach geschützt. «Hier        mann. «Die Architektur des Hauses hat         Nach dem Wochensingen ist freies Spiel.
                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

bin ich sicher», sagt Selima und taucht in    uns animiert, den Unterricht auch dem         Heute regnet es in Strömen. Vom Dach­
die Höhle ein, in der gebastelte Utensilien   Gebäude anzupassen und Neues zu pro­          kännel fällt das Wasser auf den Boden. Es
stehen, die Zwerge zum Wohnen brau­           bieren.»                                      bildet sich eine Wasserlache. Milkias und
chen. Jede Lehrperson entwickelt in den           Seit einem Jahr gewichten die Lehr­       Elodie springen in die Pfütze, das Wasser
Klassen auch eigene Formen und Rituale        personen das freie Spiel besonders. Freies    spritzt die Kleider hoch. Beide werden
und unterrichtet in traditionellen «Lern-     Spiel im Kindergarten Räsch bedeutet:         nass und lachen. Das animiert auch andere
und Regelspielen».                            Alle Türen stehen offen. Die Kinder dür­      zum Planschen. «Wir haben den Eltern
     Das scheint auf den ersten Blick nicht   fen sich beschäftigen mit jenen Dingen,       am ersten Elternabend gesagt, dass die
besonders. Aber der Kindergarten Räsch        die sie gerade interessieren. Sie können      Kinder auch auf die Idee kommen könn­
unterscheidet sich von vielen anderen.        auch die Klasse und die Räume wechseln,       ten, die Stiefel mit Wasser aufzufüllen»,
Beginnen wir mit dem Haus, das inmitten       sich mit einem Gspänli zusammentun            sagen die Lehrpersonen. «Wir haben rasch
einer Naturlandschaft steht. Jede Klasse      oder nach draussen gehen. Draussen            gemerkt, dass wir genügend Ersatzkleider
hat ein eigenes Zimmer, das durch eine        überspannt ein grosses Dach das Haus          bereithalten müssen.» Maelle schlägt auf
Treppe mit der oberen Galerie verbunden       wie ein Hut mit breiter Krempe. Eine          der Holzterrasse ein Rad und will, dass
                                                                                                                                         15

ist. Durch grosse Fenster sieht man auf       Holzveranda umschliesst das Haus, rund-       der Besucher es ausprobiert. Weil dieser 
ungeschickt agiert, schlägt sie etwas an­     und ist cool. Wir werden immer mutiger»,       Spiel in den Kindergärten wieder zu be­
                                        deres vor. «Komm, ich will dir etwas          sagen die Lehrpersonen. Kürzlich haben         leben, hat die PH Zürich in Kooperation
                                        zeigen!» Sie führt den Schreiber ums
                                        ­                                             sie unter der grossen Treppe eine neue         mit der ­Bildungsplanung und dem Volks­
                                        Haus herum zum Ort, wo sie mit anderen        Spielecke eingebaut.                           schulamt Kanton Zürich ein Projekt lan­
                                        einen winzigen Molch gefunden hat. Der            Karin Ugolini teilt sich mit Kaspar        ciert: «Spielen plus». In Zusammenarbeit
                                        schwimmt nun in einem Plastikkübel.           Oettli die Schulleitung. Offenheit für neue    mit acht Pilotschulen erprobt und ent­
                                        Eine Gruppe von Kindern schaut ihm zu,        Ideen und Entwicklungen sei nicht zuletzt      wickelt das Projektteam konkrete Spiel-
                                        wie er sich im Wasser windet. Andere          erforderlich, weil sich der Kindergarten       Möglichkeiten für vier- bis achtjährige
                                        ­Kinder klettern auf den groben Steinen,      wandle, ist sie überzeugt. Die Kinder wür­     Kinder. Ob­felden ist eine der Pilotschulen.
                                         springen drinnen auf den Matratzen,          den jünger, sie brächten unterschied­liche     «Die Projektschulen sind eine Art Reso­
                                         zeichnen Engel, basteln Zwerge aus Plas­     Kompetenzen mit. Neue Ideen würden im          nanzgruppe. Sie probieren Ideen aus, die
                                         tilin oder «ein Krokodil mit grossen Zäh­    Team besprochen. Die Öffnung aller Räu­        wir theoretisch entwickelt haben, und
                                         nen», klärt Lenny auf.                       me war eine der Ideen. Es brauche nun          geben eine Rückmeldung», sagt Katrin
                                                                                                                                     ­
                                              «Am Anfang hatten wir noch Beden­       etwas Zeit, bis sich die Verän­  derungen      ­Lieger als Lei­terin des Projekts. Sie wür­
                                         ken: Was machen wir mit den Kindern in       einspielen würden. «Vieles hat auch mit         den auch ­neuere Erkenntnisse der Erzie­
                                         der Pause? Wie behalten wir den Über­        Vertrauen in die Kompetenz der Lehrper­         hungswissenschaft vermitteln und den
                                         blick?», sagen die Lehrpersonen. Obwohl      sonen zu tun. Und manchmal braucht es           Schulen ­Anregungen geben. Früher habe
                                         sie noch «ausprobieren», können sie schon    etwas Mut, zu sagen: Das ­wagen wir», sagt      man Kinder beim Spielen eher beobach­
                                                                                                                                      tet, aber kaum eingegriffen. Heute schaue
                                                                                                                                      man zu, aber man solle im richtigen Mo­
                                                                                                                                      ment auch unterstützen. Dies sei eine
                                                                                                                                      neuere Empfehlung an die Lehrpersonen.
                                                                                                                                      «Das bedeutet, dass die Kinder aufmerk­

                                                  «Am Anfang hatten wir                                                               sam begleitet werden.»
                                                                                                                                           Jede Schule habe zudem spezielle Vor­
                                                     noch Bedenken:                                                                   züge. In Obfelden hat Lieger die Lehrper­
                                                                                                                                      sonen animiert, das Potenzial des exklusi­
                                             Wie behalten wir den Überblick?»                                                         ven Hauses für spielerische Experimente
                                                                                                                                      auszuschöpfen. Am Ende des Projekts, das
                                                                                                                                      bis 2022 läuft, sollen ein Handbuch und
                                                                                                                                      diverse Videofilme entstehen, gedacht als
                                                                                                                                      Anregung zuhanden aller Lehrpersonen
                                                                                                                                      im Kanton Zürich. Lieger ist überzeugt,
                                        eine erste Zwischenbilanz ziehen. Das         Ugolini. Ein wichtiges Thema des freien         dass im Kindergarten freie spielerische
                                        freie Spiel gebe mehr Raum und Zeit,          Unterrichts sind auch die schulischen           Elemente in unterschiedlichen Formen an
                                        Kinder individuell zu fördern und anzu­       Übergänge. Die Primarlehrpersonen über-         Bedeutung gewinnen werden.
                                        leiten. Man könne Inputs geben, ein Kind      nehmen Kinder, die möglicherweise krea­
                                        integrieren und sich langsam zurück­          tiver sind, aber we­  niger «diszipliniert»,   Voneinander lernen
                                        ziehen. Es ermögliche auch, gezielter ein­    die mehr überfach­liche, aber vielleicht et­   Im Kindergarten Räsch, auf der Galerie
                                        zugreifen und beim Spielen bewusster          was weniger schulische Kompetenzen ha­         im Zimmer 1, bastelt Ensar einen Turm
                                        anzuleiten, wenn es nicht mehr weiter­        ben. Das bedeutet: Auch die Unterstufen­       aus Klötzen. Der Turm fällt stets in sich
                                        gehe. Selbst schulische Elemente könnten      lehrpersonen müssen ähnliche pädago-           zusammen. Der Knabe beginnt zu weinen.
                                        spielerisch eingebaut werden, indem man       gische Ideen haben. «Die Primarlehrper­        Selina ist zwei Jahre älter. Sie ­versucht zu
                                        beispielsweise frage, wie viele Molche im     sonen müssen das einzelne Kind so über­        trösten und will ihm zeigen, wie der Turm
                                        Wasser schwimmen. Aber diese Art des          nehmen, wie es ist», sagt Ugolini. Das sei     möglicherweise stabil sein könnte. Wäh­
                                        Unterrichts sei auch «anspruchsvoller         bis jetzt sehr gut gelungen.                   renddessen rennt der sechsjährige Milkas
                                        und braucht mehr Energie. Wir müssen                                                         schon zum zweiten Mal die grosse Treppe
                                        sehr präsent und flexibel sein». Jedes        Gegenteiliger Trend                            hoch. Er holt im Kühlschrank des Aufent­
                                        Kind komme einzeln und fordere sofort         Der Kindergarten spielte lange Zeit eine       haltsraumes einen Kältebeutel. Zwei jün­
                                        Aufmerksamkeit. Früher hätten die Kin­        eher untergeordnete Rolle und wurde            gere Kinder haben sich beim Springen
                                        der im Kreis gewartet. Nun müssten sie        nicht als Teil des Schulsystems betrachtet.    von der Matte an Knie und Ellenbogen
                                        lernen, im freien Spiel zu warten.            Die Kinder wurden hier vor allem be­           leicht wehgetan. Im freien Spiel ist auch
                                                                                      hütet. Später empfahl die Erziehungs­          sogenanntes «Experten­    wissen» möglich.
                                        Fehler dürfen passieren                       wissenschaft vermehrt den «geführten»          Ältere Kinder können den jüngeren hel­
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

                                        Soll das freie Spiel als Form des Unter­      Unterricht. Es ging darum, die Kinder          fen und die Lehrperson zum Teil entlas­
                                        richts gelingen, sind zwei Bedingungen        auf die Primarstufe vorzubereiten. Kin­        ten. Und sie lernen von­einander.
                                        wesentlich. Die Lehrpersonen müssen die       dergartenspezifische Elemente, etwa das             Das freie Spiel wirkt inspirierend auf
                                        gleichen pädagogischen Ideen haben. Und       freie Spiel, wurden marginalisiert. «Seit      die Kinder und fördert zahlreiche Kom­
                                        die Schulleitung muss innovative und          einigen Jahren ist ein gegenteiliger Trend     petenzen. Trotzdem sollen traditionelle,
                                        kreative Ansätze unterstützen. Beides ist     zu beobachten. Das freie Spiel wird ver­       pädago­gische Ideen nicht völlig vergessen
                                        in Obfelden gegeben. Die Lehrpersonen         mehrt gefördert», sagt Catherine Lieger,       werden. «Wir haben gemerkt, dass die
                                        sind sich einig, dass im freien Spiel nicht   Dozentin an der Pädagogischen Hoch­            Kinder auch Spiele gern haben, bei denen
                                        jedes Kind immer beaufsichtigt werden         schule Zürich (PHZH). «Spielen unter­          sie ange­ leitet werden. Oder Sequenzen,
                                        kann. «Wir mussten lernen, eher loszu­        stützt kreatives und kritisches Denken         die einen Gemeinschaftsgedanken för­
                                        lassen. Man muss auch damit umgehen           sowie die Fähigkeit, Probleme selbst zu        dern, zum Bei­   spiel wenn wir eine Ge­
                                        können, dass nicht alles perfekt ist, dass    lösen. Diese überfachlichen Kompetenzen        schichte erzählen oder Lieder singen.
                                        Fehler passieren dürfen». Die Schulleitung    sind für späteres Lernen zentral.»             ­Dafür ist der Kreis sehr schön.» Auch da­
                                        wiederum lasse Raum, um etwas heraus­             Auch der Lehrplan 21 fordert über­          rin sind sich Lehrpersonen und Schul­
16

                                        zufinden und zu pro­bieren. «Das motiviert    fachliche Kompetenzen. Um das freie             leitung einig. 
17   Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus
Im Gespräch                                                                                                                     ren, die definieren, in welche Lohnkate­

       «Der Kinder-
                                                                                                                                       gorie man eingeteilt wird. Danach werden
                                                                                                                                       alle Angestellten im Kanton entlöhnt. Die­
                                                                                                                                       se Faktoren, die den Lohn bestimmen,

       garten ist
                                                                                                                                       sind zum Beispiel die Zulassung zu einer
                                                                                                                                       Ausbildung, der Abschluss der Ausbil­
                                                                                                                                       dung und die Berufstätigkeit.

       das Fundament»
                                                                                                                                            Wir haben zusätzlich zu unserem
                                                                                                                                       Lohnsystem noch das Bundesgerichtsur­
                                                                                                                                       teil. Dieses kommt zum Schluss, dass die
                                                                                                                                       gegenwärtige Einstufung korrekt ist. Des­
       Vor Kurzem hat die Bildungsdirektion                                                                                            halb mussten wir einen anderen Weg fin­
                                                                                                                                       den. Wenn man die Kindergärtnerinnen
       den Monitoringbericht Kinder­garten-                                                                                            und Kindergärtner anders einstufen will,

       lehrpersonen der Öffentlichkeit                                                                                                 muss man etwas an den Kriterien ändern,
                                                                                                                                       die zur Einstufung führen. Dazu haben
       vorgestellt. Gleich­zeitig kündigte                                                                                             wir nun einen Vorschlag gemacht, den wir
                                                                                                                                       in die Vernehmlassung geschickt haben.
       Bildungsdirektorin Silvia Steiner eine                                                                                          Der Vorschlag sieht vor, dass künftig alle

       Verbesserung der Arbeitsbedingungen                                                                                             Kindergärtnerinnen und Kindergärtner
                                                                                                                                       die gleichen Aufnahmebedingungen ha­
       an. Im Gespräch sagt sie, wie sie den                                                                                           ben und dieselbe Ausbildung durchlaufen

       Kindergarten weiter stärken will.
                                                                                                                                       wie die Primarlehrpersonen der Unter­
                                                                                                                                       stufe. So gelingt es, diese in einer höhe-
                                                                                                                                       ren Lohnstufe anzusiedeln. Alle anderen,
       Interview: Reto Heinzel Foto: Dieter Seeger
                                                                                                                                       die zum ­Beispiel eine Seminarausbildung
                                                                                                                                       haben, können eine Stufenerweiterung
                                                                                                                                       ­
                                                                                                                                       machen und erhalten dann auch mehr
                                                                                                                                       Lohn. Es ist mir wichtig, dass bei der Stu­
                                                                                                                                       fenerweiterung die Berufserfahrung der
                                                                                                                                       Kindergärtnerinnen und Kindergärtner
                                                                                                                                       angerechnet wird. Ich bin nun gespannt,
                                                                                                                                       welche Antworten in der Vernehmlassung
                                                                                                                                       zurückkommen.
                                                                                                                                            Wie will man die Erfahrung der
                                        Die Bildungsdirektion hat einen                   vierte Kindergärtnerinnen und Kinder­        Kindergärtnerinnen anrechnen?
                                        ­Vorschlag in die Vernehmlassung                  gärtner. Sie verdienen die entsprechende     Da sind wir nun mit der Pädagogischen
                                         ­geschickt, der die Arbeitsbedingungen           Anerkennung. Die Frage, die sich stellte,    Hochschule im Gespräch. Das kann nicht
                                          der Kindergartenlehrpersonen verbes-            war aber, wie man eine Verbesserung rea­     ich allein entscheiden. Mir ist es aber
                                          sern soll. Alle Kindergärtnerinnen              lisieren kann. Wir können nicht alle ein­    wichtig, dass die Zusatzausbildung so
                                          mit einer Kindergarten-Unterstufen-             fach lohnmässig höher einstufen.             kurz wie möglich, aber fachlich angemes­
                                          Ausbildung sollen künftig besser                     Weshalb nicht?                          sen ist. Die PH hat mit dem Start der Ver­
                                          eingestuft werden und mehr Lohn                 Das geht aus rechtlichen Gründen nicht.      nehmlassung den Auftrag erhalten, einen
                                          erhalten. Alle ­anderen nicht. ­Verstehen       Und wir mussten einen Vorschlag finden,      Vorschlag für eine Stufenerweiterung aus-
                                          Sie den Frust der älteren Kindergärt-           der auch die Chancen hat, im Kantonsrat      zuarbeiten.
                                          nerinnen, die nun nicht ­automatisch            von einer Mehrheit unterstützt zu werden.         Nun gibt es Stimmen, die behaup-
                                          mehr Lohn erhalten, einfach weil sie            Es nützt den Kindergärtnerinnen wenig,       ten, Sie wollen mit Ihrem Vorschlag,
                                          einen Seminarabschluss haben?
                                          Ja, klar verstehe ich das. Und es ist mir
                                          wichtig, dass man ihre Erfahrung anrech­
                                          net und entsprechend anerkennt, falls sie
                                          eine Stufenerweiterung machen wollen.                         «Die Berufserfahrung
                                          Dafür setze ich mich ein, und dies ist auch
                                          bei unserem Vorschlag mitgedacht. Denn                   soll bei der Stufenerweiterung
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

                                          die älteren Kindergärtnerinnen leisten seit
                                          Jahren einen grossen Beitrag in den Schu­
                                                                                                        angerechnet werden.»
                                          len. Oft unterstützen sie ja auch jüngere
                                          Kolleginnen beim Berufseintritt, sind da­
                                          bei, wenn ein schwieriger Elternabend an-
                                          steht, oder sie sind in der Ausbildung tätig.   wenn ich ihnen das Blaue vom Himmel          künftig alle Kindergärtnerinnen und
                                              Weshalb macht man dann diese                verspreche und wir dann am Ende nichts       Primarlehrer der Unterstufe die glei-
                                          Unterscheidung zwischen Kindergärt-             in der Hand haben.                           che Ausbildung durchlaufen zu lassen,
                                          nerinnen, die einen seminaristischen                Die Verbände sagen aber, es hätte        den Kindergarten abschaffen.
                                          Abschluss haben, und jenen, die einen           durchaus auch eine andere Lösung             Das Gegenteil ist wahr. Ich will den Kin­
                                          PH-Abschluss haben?                             gegeben und man hätte alle höher             dergarten stärken. Deshalb haben wir ja
                                          Mein Ziel war es, dass die Arbeitssituation     einstufen können. Weshalb hat man            auch den Kindergartenbericht in Auftrag
                                          der Kindergärtnerinnen und Kindergärt­          keine andere Lösung gefunden?                gegeben. Der Bericht ist eine gute Grund­
                                          ner verbessert wird. Wir haben im Kanton        Wir haben im Kanton Zürich ein gesamt­       lage, um den Kindergarten weiterzuent­
18

                                          Zürich viele engagierte und hochmoti­           heitliches Lohnsystem. Es gibt fixe Fakto­   wickeln. Wir können mit dem Bericht zei­
Silvia Steiner (61) ist
                                                                                                       Bildungsdirektorin des Kantons
                                                                                                       Zürich und Präsidentin der
                                                                                                       Schweizerischen Konferenz
                                                                                                       der kantonalen Erziehungs­
                                                                                                       direktoren (EDK).

gen, was den Kindergarten ausmacht und        garten ein grosses Thema und wir müssen     Meiner Meinung nach ist der Kinder­
wie unterrichtet wird. So ist zum Beispiel    auch der Zeit vor dem Kindergarten mehr     garten immer noch zu weit weg von der
das freie Spiel in den letzten Jahren wich­   Beachtung schenken.                         Schule. Das ist aber nicht die Schuld der
tiger geworden. Und der Bericht zeigt uns         Was heisst das konkret?                 Kindergärten. Unser Bericht zeigt, dass
auch, wo es Handlungsbedarf gibt.             Ich möchte eine bessere Vernetzung der      die Kindergärtnerinnen und Kindergärt­
    Und wo besteht noch Handlungs­            verschiedenen Akteure. Auf anderen Stu­     ner durchaus einen stärkeren Austausch
                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

bedarf?                                       fen haben wir die Vernetzung in den letz­   mit der Unterstufe, aber auch mit der
Ein grosses Thema ist die Heterogenität       ten Jahren stark gefördert. Dies soll nun   Schulleitung wünschen. Damit meine ich
im Kindergarten. Dieses Thema wollen wir      auch auf der Kindergartenstufe gesche­      nicht, dass sich der Kindergarten an die
nun vertieft zusammen mit den Verbän­         hen. Deshalb starten wir zusammen mit       Primarschule angleichen muss, sondern
den anpacken. Gestartet wird mit einer        den Verbänden im November das Projekt       dass der Austausch zwischen den Stufen
grossen Fachtagung im Februar.                «FBVS – starke Kinder in der Schul-         noch intensiver werden muss und dass
    Aber das ist ja auf jeder Schulstufe      eingangsphase». Damit wollen wir die        sich die Schulen bewusst sind, dass der
ein grosses Thema.                            Vernetzung noch verstärken und der Fra­     Kindergarten ihr Fundament ist. Ich setze
Es ist aber nicht so ausgeprägt wie im        ge nachgehen, wie wir in der frühen För­    grosse Hoffnungen in die sogenannte
Kindergarten. Im Kindergarten kommen          derung die Eltern bestmöglich unterstüt­    KUst-Ausbildung. Indem wir eine ge­
das erste Mal alle Kinder in einer Gruppe     zen können, damit die Kinder, wenn sie      meinsame Aus­   bildung anbieten, wird
zusammen. Es gibt viele Kinder, die sich      dann in den Kindergarten kommen, gut        auch das gegenseitige Verständnis für die
noch nie in einer Gruppe bewegen muss­        gerüstet sind.                              jeweils andere Schulstufe grösser sein.
ten, andere haben noch nie Deutsch ge­            Und wie müsste sich der Kinder-         Ich bin überzeugt, dass wir so eine Brücke
                                                                                                                                        19

sprochen. Zudem ist der Start im Kinder­      garten weiterentwickeln?                    bauen können. 
Monitoringbericht

       Wo steht der
       Kindergarten?
       In einer breit angelegten Untersuchung
       wurde der Frage nachgegangen,
       wie sich der Kindergarten in den letzten
       15 Jahren im Kanton Zürich entwickelt
       hat. Die wichtigsten Erkenntnisse in
       vier Punkten zusammengefasst.

                                        Der Monitoringbericht «Situation des          Punkt 2: Die Pädagogik des                    Punkt 3: Die Sprachförderung
                                        Kindergartens im Kanton Zürich» stellt        Kindergartens ist auf das                     im Kindergarten ist differenziert
                                        eine breit angelegte Situationsanalyse des    kindliche Lernen ausgerichtet.                und vielfältig.
                                        Kindergartens im Kantons Zürich dar. Mit      Die grosse Vielfalt der Kinder ist im Kin­    Sprachförderung im Kindergarten findet
                                        dem Volksschulgesetz von 2005 wurde der       dergarten normal. Kinder mit verschie­        als in den Alltag integrierte Sprachbil­
                                        Kindergarten im Kanton Zürich zu einem        densten Hintergründen, Voraussetzungen        dung statt und schliesst damit an die frü­
                                        obligatorischen Teil der Volksschule. Da      und unterschiedlichsten Bildungs- und         he Sprachbildung an. In den Ergebnissen
                                        bereits vorher eine grosse Mehrheit der       Entwicklungserfahrungen werden in ihren       zeigt sich, dass Hilfsmittel wie Reime,
                                        Kinder den Kindergarten besuchte, wurde       individuellen Lernprozessen durch die         Lieder, Geschichten und zum Teil auch
                                        damit eine gesellschaftliche Realität ge­     Lehr- und Fachpersonen angeregt und           Lehrmittel bei der gezielten Sprachförde­
                                        setzlich nachvollzogen. Mit der gesetzli­     unterstützt. Wie die Ergebnisse zeigen,       rung eine wichtige Rolle spielen. Auch die
                                        chen Grundlage war der Auftrag zur Inte­      gestalten die Lehrpersonen ihren Unter­       Förderung sprachlicher Handlungen wie
                                        gration des Kindergartens in die obli­ga-     richt, abgestützt auf ihre Methodenfrei­      beispielsweise Beschreiben oder Erklären
                                        torische Schule verbunden. Seither stel­      heit, sehr unterschiedlich. Faktoren, die     findet in den Kindergärten statt. Die ge­
                                        len die beiden Kindergartenjahre Beginn,      den Unterricht prägen, sind die jeweiligen    zielte Förderung komplexer Sprachhand­
                                        Grundlage und Fundament der Bildungs­         Klassensituation und die räumlichen Ge­       lungen wie Erzählen oder Begründen ist
                                        laufbahn in der Volksschule dar.              gebenheiten. Ein typischer und wichtiger      allerdings noch eher selten.
                                            Welche wichtigen Erkenntnisse sind        Aspekt der Unterrichtsgestaltung im Kin­
                                        nun aus dem Bericht hervorgegangen?           dergarten ist die zeitliche Gestaltung über   Punkt 4: Der Kindergarten ist
                                                                                      sogenannte Sequenzen. Das freie Spiel         geprägt durch Übergänge.
                                        Punkt 1: Der Kindergarten hat                 hat sich als essenzielles didaktisches Ele­   Der Kindergarten ist geprägt durch zwei
                                        als erstes Angebot der Volks-                 ment etabliert. Als wichtiges Gestaltungs­    Übergänge innerhalb kurzer Zeit: der erste
                                        schule eine besondere Stellung                element bietet es den Kindern eine anre­      Übergang aus dem Erziehungsbereich der
                                        im Zürcher Bildungssystem.                    gende, ihrer Individualität entsprechende     Familie und aus dem Bereich der früh­
                                        Seit der Kindergarten kantonalisiert, das     Spiel- und Lernumgebung und ermöglicht        kindlichen Bildung, Betreuung und Erzie­
Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

                                        heisst auch auf Gesetzesebene in die          eine Begleitung durch die Kindergarten­       hung in den Kindergarten und der zweite
                                        Volksschule aufgenommen worden ist,           lehrperson. Das Spiel als Form des Ler­       Übergang vom Kindergarten in die Pri­
                                        stellen die beiden Kinder­gartenjahre den     nens hat dabei im Kindergarten eine lan­      marschule. Obwohl für beide Über­gänge
                                        Beginn der Volksschule dar. Der Kinder­       ge Tradition. Die Koope­ration von Lehr-      ausser dem Alter keine Aufnahmebedin­
                                        garten hat traditionell mit Bildung, Be­      und Fachpersonen und die Zusammen­            gungen relevant sind, spielen Erwar­
                                        treuung und Erziehung einen dreifachen        arbeit zwischen Lehrpersonen und Eltern       tungshaltungen der Gesellschaft sowie der
                                        Auftrag. Im Hinblick auf den Start in die     tragen ebenfalls zur ­guten Unterstützung     beteiligten Kinder, Eltern, Lehr- und
                                        Volksschule hat seine inte­     grative und   und Begleitung der individuellen Lern­        Fachpersonen eine wichtige Rolle. Sowohl
                                        ­pädagogische Funktion an Bedeutung ge­       prozesse bei.                                 die Kindergartenlehrpersonen als auch
                                         wonnen. Da die Kinder im Kindergarten                                                      die Eltern beschreiben den Eintritt in den
                                         erst damit beginnen, gemeinsame Schul­                                                     Kindergarten als Herausforderung, insbe­
                                         erfahrungen zu machen, haben es Lehr-                                                      sondere vor dem Hintergrund des sinken­
                                         und Fachpersonen in ­    ihrem beruflichen                                                 den Durchschnittsalters der Kinder. [red]
                                         Alltag mit ausgeprägt ­heterogenen Kinder­
20

                                         gruppen zu tun.
Grosse Unterschiede zwischen den Kinder­
                            sozial privilegierte Schulgemeinden                                                 gartenklassen bezüglich Erstsprache
                                                                                                                Als Erstsprache wird diejenige Sprache
                                                                                                                ­bezeichnet, die ein Kind als erste spricht. Der
                                                                                                                 Monitoringbericht Kindergarten zeigt g  ­ rosse
                                                                                                                 Unterschiede in der Klassenzusammensetzung
                                                                                                                 zwischen den Schulgemeinden. In einer typi­
                                                                                                                 schen Klasse der sozial privi­legiertesten Schul­
                                                                                                                 gemeinden sprechen 16 Kinder Deutsch als
                                                                                                                 Erstsprache. Englisch und Italienisch machen
                                                                                                                 dabei je über 2 Prozent, Albanisch und Fran­
                             sozial belastete Schulgemeinden                                                     zösisch unter 2 Prozent der Kindergarten­kinder
                                                                                                                 aus. Die typische Klasse der sozial benachtei­
                                                                                                                 ligten Schul­gemeinden besteht dagegen
                                                                                                                 ­lediglich aus 6 Kindern mit der Erstsprache
                                                                                                                  Deutsch. Bei 16 Prozent bzw. 3 Kindern ist
                                                                                                                  ­Albanisch die Erstsprache. Portugiesisch ist mit
                                                                                                                   7 Prozent in diesen Klassen die dritthäufigste
                                                                                                                   ­Erstsprache.

   Deutsch           Portugiesisch        Serbisch                      Tamil
   Albanisch         Englisch             Spanische Sprachen            Arabisch
   Italienisch       Türkisch             Französisch                   Übrige Sprachen des indischen Subkontinents

Wie unterteilen Kindergartenlehrpersonen                     KG Nr. 7
die Unterrichtssequenzen w  ­ ährend eines
Morgens?
Die Gestaltungsfreiheit der Lehrpersonen                    KG Nr. 14
­ermöglicht es ihnen, auf die Kinder, auf aktuel­
 le Konstellationen und lokale G
                               ­ egebenheiten                KG Nr. 8
 einzugehen. So werden in jedem Kindergarten
 andere Abläufe der Kindergartensequenzen
 in der Untersuchung festgestellt.                          KG Nr. 12

                                                                    0%                     25%                 50%                   75%                    100%

                                                                           geführte Sequenz       offene Sequenz        Znüni und Aktivitäten          Übergang
                                                                                                                        draussen

  100%                                                                                                          Zusammensetzung der Lehrpersonen
                                                                                                                im öffentlichen Kindergarten nach Alter
                                                                                                                und Ausbildungshintergrund
                                                                                                                In der jüngsten Altersgruppe unter 35 Jahren
                                                                                                                haben 86 Prozent der Lehr- und Fachpersonen
    75%
                                                                                                                ihre Ausbildung an einer Pädagogischen Hoch­
                                                                                                                schule und 4 Prozent an einem Seminar ab­
                                                                                                                solviert. In den anderen Altersgruppen weist
                                                                                                                noch eine deutliche Mehrheit eine seminaristi­
    50%                                                                                                         sche Ausbildung auf. Von den in der Unter­
                                                                                                                suchung befragten Lehr- und Fachpersonen
                                                                                                                haben rund 60 Prozent ihre Ausbildung im
                                                                                                                Kanton Zürich absolviert. 38 Prozent der ­­
                                                                                                                Lehr- und Fachpersonen wurden in anderen
    25%                                                                                                         Kantonen ausgebildet, am häufigsten in
                                                                                                                den Kantonen St. Gallen (10%), Thurgau (5%),
                                                                                                                Zug (4%) und Aargau (4%).

                                                                                                                Grafiken:
     0%                                                                                                         Bildungsdirektion, Bildungsplanung
                     unter 35 Jahren                35–44 Jahre           45–54 Jahre    55 Jahre und älter
                                                                                                                                                                Schulblatt Kanton Zürich 6/2019 Fokus

                   Pädagogische Hochschule              Seminar           Andere
                                                                                                                                                               21
Sie können auch lesen