Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner

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Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
A G R A R S O Z I A L E                       G E S E L L S C H A F T                        E. V.

                                Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen

                                                                          Interviews:
                                                                     Gerd Sonnleitner
                                                    UN-Sonderbotschafter für das Internationale Jahr
                                                            der familienbetriebenen Landwirtschaft

                                                          Wolfgang Ehrenlechner
                                                                  Katholische Landjugendbewegung

                                         ASG-Frühjahrstagung in Münster

H 20781 | 65. Jahrgang | 01/2014 | www.asg-goe.de
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
Inhaltsverzeichnis

             ASG
                      1 Am Rande notiert – ASG-Vorsitzender Dr. Martin Wille
                      2 LandSchau 2014: „Lust aufs Land“ – Ländliche Entwicklung in Europa
                        - Kooperation auf unterschiedlichen Ebenen
                        - Bürger engagieren sich gemeinsam
                        - Jugend und Bildung
                      8 Preisträger im Wettbewerb: Kernige Dörfer
                     12 Tagungsregion Münsterland
                     14 Programm der ASG-Frühjahrstagung
      Agrarpolitik
                     15 Neues von der agrarpolitischen Bühne: Fachpresse statt heute show
   Landwirtschaft
                     17 Interview mit Gerd Sonnleitner: Landwirtschaft ist anders als die Produktion von Kugelschreibern
 Ländlicher Raum
                     20   Interview mit Wolfgang Ehrenlechner: Erneuerbare Energien einzige Alternative
                     22   Mädchenbilder in Männerdomänen
                     24   Ausbildung zur Equal-Pay-Beraterin im ländlichen Raum
                     24   Herausforderung Leerstand: Einfamilienhausgebiete der 1950er bis 1970er Jahre
                     27   Engagiert mitgestalten!
                     27   Fragen zum Ehrenamt an Ute Göpel

     Schwerpunkt     Stadt-Land-Beziehungen
                     28   MORO-Forschungsprojekt: Stadt-Land-Partnerschaften zum Nutzen der Regionen
                     30   Europäische Metropolregion Nürnberg – eine Heimat für Kreative
                     32   MORO Nord – Großräumige Partnerschaft Norddeutschland/Metropolregion Hamburg
                     35   Landbevölkerung der Region Naturgarten Kaiserstuhl initiiert Partnerschaften mit
                          Freiburger Stadtteilen
                     38   Regiopolregion Rostock
                     40   Neue EU-Förderperiode: Impulse zur Entwicklung von Stadt-Umland-Partnerschaften
                     41   STADT-LAND-ILE? Potenziale der Integrierten Ländlichen Entwicklung zur Stärkung der
                          Kooperation von Stadt und Land
                     43   Die spätmittelalterliche Stadt und ihr Umland am Beispiel Lüneburgs
                     46   Lesetipps: Metropolregionen und Regionalplanung
                                     Peripherisierung, Stigmatisierung, Abhängigkeit?
                                     Kleine Städte in peripheren Regionen
                                     Diskussionspapier: Stadt.Land.Europa.
      Personalien
                     47   Christian Schmidt neuer Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
                     47   Arnd Spahn Vorsitzender im SVLFG-Vorstand
                     47   Hermann Kroll-Schlüter 75 Jahre
                     47   Christel Hoffmann 65 Jahre
                     47   Michael Busch und Ines Fahning neue Geschäftsführer der ASG
           Termin
                     47 Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen – Innovationen querfeldein“
   Für Sie gelesen
                     47 eurotopia-Verzeichnis 2014 – Gemeinschaften und Ökodörfer in Europa
Aus der Forschung
                     48 Lebensgrundlage Land
                     48 Zukunftschancen bedarfsgerechter Nahversorgung in ländlichen Räumen Niedersachsens
                     48 Initiativkreis deutscher Regionen in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen –
                        Abschlussbericht des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO)

                     Foto Titelseite: M. Busch                              | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
Am Rande notiert                                                                                          1

                           „Gemeinsam für den ländlichen Raum“, unter diesem Motto stand das
                         7. Zukunftsforum ländliche Entwicklung im Rahmen der Grünen Woche 2014.
                         „Partnerschaften nachhaltig stärken“ war eine Europäische Konferenz über-
                         schrieben, die im Juni 2012 vom damaligen Bundesministerium für Verkehr,
                         Bau und Stadtentwicklung in Berlin veranstaltet wurde. In einem Diskussions-
                         papier zu dieser Konferenz heißt es, dass Stadt-Land-Partnerschaften zahl-
                         reiche Vorteile für die Regionalentwicklung aufweisen. Sie würden die ver-
                         schiedenen lokalen und regionalen Akteure in funktionalen Räumen zum
                         gegenseitigen Nutzen zusammenbringen. Ist das so? Finden auch ländliche
                         Räume in einer solchen Partnerschaft eine adäquate Berücksichtigung?
                         Zweifel sind angebracht. Sie werden jedoch in diesem Heft zerstreut: In zwei
                         Modellvorhaben der Raumordnung (MORO), die zwischen 2008 und 2013
                         vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) durchgeführt
                         wurden, hat sich beispielsweise gezeigt, dass ländliche Räume ihre Poten-
                         ziale in Partnerschaften einbringen könnten. Zu diesem Ergebnis kommen
                         grundsätzlich auch die Kooperationspartner der MORO Nord-Region. „Stadt
                         und Land in gemeinsamer Verantwortung“ heißt es in der „Bad Bevenser Er-
                         klärung“, deren große Bedeutung für das Selbstverständnis und die Wahrneh-
                         mung der ländlichen Räume herausgestellt wird. „Wie geht es weiter?“ wird
                         am Schluss der Erklärung gefragt. Man wolle die begonnene Kooperation
                         fortsetzen. Allerdings fehle nach dem Auslaufen des Modellprojekts MORO
                         Nord vor allem den peripher gelegenen ländlichen Regionen eine Plattform.
                         Ist damit etwa ein Grundsatzproblem der inzwischen zahlreichen Modellpro-
                         jekte in und für ländliche Räume angesprochen? Was geschieht in der Region
                         nach Auslaufen des Modellprojekts? Haben diese Projekte etwas von Dauer
                         bewegen und bewirken können? Es wäre wirklich schade, wenn sich gerade
                         Modellvorhaben von Stadt-Land-Partnerschaften als ländliche Strohfeuer erwei-
                         sen würden.

                           Und trotzdem: Gemeinsam und partnerschaftlich zwischen Stadt und Land –
                         das könnte Leitfaden für die ländliche Entwicklungspolitik der Zukunft werden.
                         Auch für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das sich
                         im neuen Regierungsgefüge als Wirtschaftsministerium im ländlichen Raum
                         verstanden wissen will. Es werde, so Staatssekretär Robert Kloos in seiner
                         Rede zur Eröffnung des 7. Zukunftsforums in Berlin, die Verantwortung für die
                         ganzheitliche ländliche Entwicklung übernehmen, bürgerschaftliches Engage-
                         ment unterstützen und gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen Pers-
                         pektiven für ländliche Regionen mit einer hohen Lebensqualität schaffen. Das
                         klingt sehr gut und es ist zu hoffen, dass das Vorhaben der von einer großen
                         Koalition getragenen Bundesregierung gelingt, nämlich die derzeitige Ge-
                         meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur“ grundlegend neu zu
                         gestalten. Sie solle, so Staatssekretär Kloos, als Gemeinschaftsaufgabe
                         „Ländliche Entwicklung“ zu einem „zentralen Bund-Länder-Förderinstrument
                         für starke ländliche Regionen“ entwickelt werden.

                         Ihr

                         StS a.D. Dr. Martin Wille
                         Vorsitzender des Vorstandes der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
Fotos: M. Busch
                  2                                                                                                       ASG

                      LandSchau 2014:

                         „Lust aufs Land“ – Ländliche Entwicklung in Europa
                      Im Zentrum der Eröffnungsveranstaltung der LandSchau standen Veränderungen der europäischen
                      Förderpolitik ab 2014.

                        Helir-Valdor Seeder, Landwirtschaftsminister der        Im Vergleich zur letzten Förderperiode gäbe es bei
                      Republik Estland, diesjähriges Partnerland der Inter-   der Förderung der ländlichen Räume in drei Haupt-
                      nationalen Grünen Woche Berlin, begrüßte aus-           bereichen neue Ansätze, so Peter Kaltenegger,
                      drücklich die Angleichung der Mittelvergabe, die in     EU-Kommission. Erstens werde eine Zusammenar-
                      der neuen Förderperiode der GAP erfolgen werde,         beit der verschiedenen Fonds (Landwirtschafts-
                      da heute die Fördermittel innerhalb Europas sehr        fonds, Regionalfonds, Sozialfonds, Fischereifonds)
                      unterschiedlich verteilt seien. Obwohl die Zahl der     in den Regionen im Rahmen eines gemeinsamen
                      Arbeitsplätze in der Landwirtschaft auch in Estland     strategischen Rahmens eingefordert, zweitens solle
                      stetig abnehme, sei die Landwirtschaft für das dörf-    die Politik der ländlichen Entwicklung sehr stark auf
                      liche Leben und die Kultur im ländlichen Raum sehr      Klima, Umwelt und Innovation fokussiert werden
                      wichtig. Die Esten lebten in und mit der Natur und      und drittens erfolge eine grundsätzliche Vereinfa-
                      die Erzeugung gesunder Lebensmittel habe einen          chung der Förderung für kleine Projekte. Als Bei-
                      hohen Stellenwert. Deshalb komme dem ökologi-           spiel nannte er LEADER-Projekte mit einem Finanz-
                      schen Landbau auch eine besondere Bedeutung zu.         bedarf von etwa 15 000 €.

                        Landwirtschaftsminister Johannes Remmel, NRW,           StS a.D. Dr. Martin Wille, Vorsitzender der ASG,
                      bezeichnete den Klimawandel, den Umgang mit Tie-        wies auf den lt. Koalitionsvertrag vorgesehenen
                      ren und Natur sowie den Erhalt der Artenvielfalt in     neuen Schwerpunkt für ländliche Räume, Demogra-
                      der Fläche als besondere Zukunftsherausforderung        fie und Daseinsvorsorge hin. Hier sei, ebenso wie
                      für den ländlichen Raum. Erfreut zeigte er sich da-     bei der Kooperation der Fonds, eine Zusammenar-
                      rüber, dass die Mittel ab 2014 etwas stärker in die     beit über die Grenzen der Ressortzuständigkeiten
                      2. Säule fließen und so den ländlichen Raum stär-       hinaus erforderlich, was voraussichtlich nicht ein-
                      ken würden. Es sei sinnvoll, mehr Geld für Prozesse     fach werde.
                      und Strukturen einzusetzen als bisher und weniger
                      für Direktzahlungen.

                                                                                         | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
ASG                                                                                                                     3

←    Helir-Valdor Seeder
     Landwirtschaftsminister der Republik Estland
     Johannes Remmel
     Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
     Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW
     Peter Kaltenegger
     EU-Kommission, GD Landwirtschaft und ländliche
     Entwicklung
     Dr. Martin Wille
     StS a.D., Vorsitzender der Agrarsozialen
     Gesellschaft e.V.

     Dr. Ralf Niermann,
                                                    ←
     Landrat, Kreis Minden-Lübbecke
     Tõnis Korts
     Landkreis Viljandimaa
     Moderatorin Heike Götz

Kooperation auf unterschiedlichen Ebenen                      schule in Tipu im Nationalpark Soomaa wurde mit
                                                              Unterstützung des Vereins „Partner für Estland e.V.“
    Internationale Kooperation                                verwirklicht. Sehr viele Kontakte hätten sich auch
                                                              auf sportlicher Ebene ergeben und das estnische
  Vorreiter einer deutsch-estnischen Zusammenar-              Folk-Festival in Viljandi sei Bestandteil eines regen
beit sind die Kreise Minden-Lübbecke und Viljandi-            deutsch-estnischen Kulturaustauschs.
maa, die sich gemeinsam auf der LandSchau-Büh-
ne und am Stand des Deutschen Landkreistages
                                                               Interkommunale Kooperation
(DLT) präsentierten. Während zu Beginn der seit
über 20 Jahren bestehenden Partnerschaft Hilfslie-              Zur Sicherung der Lebensqualität in den Dörfern
ferungen im Mittelpunkt der Beziehungen standen,              müssen angesichts des demografischen Wandels
praktizieren die beiden Landkreise heute eine gleich-         neue Wege gegangen werden, so Dr. Markus Mem-
berechtigte Zusammenarbeit, z. B. bei LEADER-Pro-             pel, Deutscher Landkreistag. Zwar sei dies noch
jekten. Natur- und Landschaftsschutz seien immer              nicht bei allen Verantwortlichen angekommen, aber
ein wichtiges Thema gewesen, so Dr. Ralf Niermann             immer mehr Kreise würden nicht nur auf förderfähige
und Tõnis Korts, Landkreis Viljandimaa. Die Natur-            Investitionen setzen, sondern neue Leitbilder und

    Dr. Jürgen Römer, Frederik Otto, Moderatorin Petra Schwarz, Till Eulenspiegel, Andreas Memmert, Dr. Markus Mempel

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
4                                                                                                        ASG

    Wege entwickeln. Ein Beispiel hierfür sei die inter-      Kommunen und Wirtschaft gemeinsam
    kommunale Zusammenarbeit. Es könne nicht mehr in
    jedem Dorf „das eigene Süppchen gekocht werden“,           Um die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben,
    wie es Dr. Jürgen Römer, Fachdienstleiter Dorf- und      wurde 2006 der Verein „Wachstumsregion Ems-
    Regionalentwicklung Landkreis Waldeck-Franken-           Achse“ von den Landkreisen Aurich, Wittmund,
    berg, ausdrückte. Da der Markt in Bezug auf die Breit-   Leer, Emsland und Grafschaft Bentheim sowie der
    bandversorgung total versage, hätten sich z. B. in       Stadt Emden zusammen mit Wirtschaftsunterneh-
    Nordhessen fünf Landkreise zusammengeschlossen,          men, Kammern und Verbänden der Region gegrün-
    die mit Unterstützung des Landes 150-250 Mio. € in-      det. War die Arbeitslosenquote in der dünn besiedel-
    vestieren werden, um jeden Ort an das Glasfasernetz      ten Region im Nordwesten Niedersachsens Mitte
    anzuschließen.                                           der 1990er Jahre noch überdurchschnittlich hoch,
                                                             so hat sich die Region heute zum Jobmotor entwi-
     „Die Kunst ist, über Kreise und Landesgrenzen           ckelt. Haupttätigkeitsfeld des Vereins mit heute
    hinaus zusammenzuarbeiten“, betonte Andreas              1 500 Mitgliedern ist inzwischen die Fachkräfteinitia-
    Memmert, Bürgermeister der Einheitsgemeinde              tive. Sie soll dem heutigen und künftigen Fachkräf-
    Schladen-Werla. Seine Heimatgemeinde habe                temangel entgegenwirken, indem sie mit dem Pro-
    sich mit sieben anderen Gemeinden aus zwei Land-         jekt „Junge Ems-Achse mit Zukunftsideen“ Maßnah-
    kreisen und der Stadt Salzgitter zusammengetan.          men zur Berufswahlorientierung und Kooperationen
    Mit 200 Partnern aus allen Bereichen seien Ideen         zwischen Schulen und Unternehmen fördert, mit Hil-
    entwickelt und Masterpläne erstellt worden. Eines        fen für die Kinderbetreuung in der „Familien-Achse“
    von 170 – auch mit Hilfe von EU-Fördermitteln –          den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert, als
    umgesetzten Projekten sei der touristische Master-       „Ems-Achse Mobil“ auf Jobmessen um Fachkräfte
    plan. Jetzt könne die Region europaweit als „Nördli-     wirbt und in sieben Fachkräfteservicestellen die An-
    ches Harzvorland“ vermarktet werden. Frederik Otto,      siedlung der „Neuen“ erleichtert: Ob Kindergarten-
    Wirtschaftsförderung Landkreis Ostprignitz-Ruppin,       platz, Wohnungssuche oder Job für den Lebens-
    betonte, dass auch für die Fachkräftesicherung das       partner, die Servicestellen helfen.
    gemeinsame Standortmarketing sehr wichtig sei.

     Dr. Dirk Lüerßen und Moderatorin Heike Götz

                                                                       | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
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Bürger engagieren sich gemeinsam

                                                                                                                           Foto: Bürgerbahnhof
 Bürgerbahnhof

  Mehrere Jahrzehnte war das 1889 erbaute Bahnhofs-
gebäude in Leutkirch im Allgäu bereits ungenutzt und der
vor knapp 15 Jahren geplante Umbau zur Stadthalle war
wegen der hohen Kosten von 5 Mio. € bereits geschei-
tert, da entwickelten fünf junge Leutkirchner eine Idee,
deren Umsetzung 2013 im Wettbewerb „Menschen und
Erfolge“ ausgezeichnet wurde. Unter dem Motto „Bürger
kaufen den Bahnhof, Bürger sanieren den Bahnhof, Bür-
ger beleben den Bahnhof“ wurde 2010 eine Genossen-
schaft gegründet und von heute 700 Genossenschafts-
mitgliedern über 1 Mio. € Bürgerkapital aufgebracht. In
Rekordbauzeit von 16 Monaten wurde das Gebäude von
17 ehemals arbeitslosen Personen und Handwerksbe-            Gastronomie mit Hausbrauerei im Bereich des ehemaligen
trieben aus der Region saniert. Der denkmalgeschützte        Bahnhofsrestaurants und der Warteräume
Bahnhof beherbergt heute eine Gaststätte mit Brauerei,
fünf Unternehmen und das Informationszentrum Nach-

                                                                                                                           Foto: nlv
haltige Stadt.

 Hereinspaziert ...
  Unter dem Motto „Hereinspaziert – LandFrauen öffnen
ihre Dörfer und Gärten“ stand der erste niedersachsen-
weite Aktionstag der LandFrauen im Juni 2013. Unter-
stützt vom NDR, wurde an mehr als 100 Orten gezeigt,
wie attraktiv, zukunftsfähig und lebenswert der ländliche
Raum sein kann. Den LandFrauen sei wichtig gewesen,
so Brigitte Scherb, erste Vorsitzende des Niedersäch-
sischen LandFrauenverbands Hannover, dass unter-
schiedliche Vereine und Organisationen wie die Frei-
willige Feuerwehr oder die Landjugend an den Aktionen
beteiligt gewesen seien und den Gästen Einblicke in
Dorfgärten, Bauerngärten und Landwirtschaft gewährt
hätten. Die breit gestreuten Angebote seien von 30 000       ... LandFrauen öffnen ihre Gärten
Besuchern genutzt worden.

                                                            Lage und willens ist, auch kleine Läden zu beliefern.
 Dorfläden
                                                            Sein Familienunternehmen beliefere in Süddeutsch-
  Das Dorfladen-Netzwerk stellte einige der mittlerweile    land 400 meist kleine Lebensmitteleinzelhandels-
über 200 Dorfläden in Deutschland vor. Wolfgang Gröll,      geschäfte. Seit etwa 15 Jahren nehme die Zahl der
Unternehmensberater und bundesweiter Dorfladen-Bera-        bürgerschaftlich geführten Läden darunter zu.
ter, betonte, dass weniger die Einwohnerzahl als bürger-
schaftliches Engagement und Identifikation mit dem La-
den Bedingung für den Erfolg eines Dorfladens seien.        Jugend und Bildung
Bei Informations- und Motivationsveranstaltungen frage       „hier sind wir! Mobil“
er als erstes die Bürger nach ihren Wünschen. Claudia
Fromligt, Mitarbeiterin im Dorfladen Heising, berichtete     Im Rahmen der Entwicklung einer eigenständigen
über die persönliche Beziehung zu den Kunden, die dazu      Jugendpolitik förderte das Bundesministerium für
führt, dass alle sich mit dem Laden identifizieren und      Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
dass ihre eigene Tätigkeit mehr als ein Job sei. Für das    Projekte durch einen Innovationsfonds im Kinder-
Gelingen eines Dorfladenkonzepts sei darüber hinaus         und Jugendplan des Bundes. Eines von 45 Modell-
ein Großhändler wie Rainer Utz, Geschäftsführer des         projekten in Brandenburg ist das „hier sind wir! Mobil“,
Utz-Lebensmittel-Großhandels, notwendig, der in der         welches von Fabian Brauns, Kreis-Kinder- und

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Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
6                                                                                                                                        ASG

                                                                                               „HEIMVORTEIL – Punktsieg für‘s Land!“ ...

                                                                Foto: hier sind wir - MOBIL!
                                                                                                 ... hieß eine von der Katholischen Landjugend-
                                                                                               bewegung (KLJB) Bayern von 2011 bis 2013
                                                                                               durchgeführte Kampagne, die ländliche Räume
                                                                                               mit ihren Entwicklungspotenzialen und Chancen
                                                                                               in den Mittelpunkt stellte und die Schwerpunkte
                                                                                               politische Beteiligung, Umwelt, Wirtschaft und
                                                                                               Soziales hatte. Als einen Höhepunkt bezeichneten
                                                                                               die anwesenden Mitglieder der KLJB die Land-
                                                                                               tagsaktion, während der bei Muffins, Bowle und
                                                                                               Postkarten-Aktionen viele Gespräche mit Abgeord-
                                                                                               neten geführt werden konnten. So hätte beispiels-
Das Mobil bei der „langen Nacht in Buckow“
                                                                                               weise durch das Engagement der KLJB verhindert
                                                                                               werden können, dass aus dem Gesetz zur Lan-
           Jugendring Märkisch-Oderland e.V., vorgestellt wur-                                 desplanung und aus dem Landesentwicklungs-
           de. Unter fachkundiger Leitung haben Kinder und                                     programm (LEP) Ziele und Grundsätze in den
           Jugendliche einen Bauwagen zum Treff- und Veran-                                    Bereichen Bildung, Kultur und Soziales gestrichen
           staltungsort umgebaut, der seit Sommer 2013,                                        wurden. Nicht durchgesetzt werden konnte hinge-
           ebenfalls von den Jugendlichen organisiert, den                                     gen die Forderung nach konsequenter Jugend-
           Landkreis Märkisch-Oderland „bereist“. Das 8 m²                                     beteiligung und verbindlichen Zielen für eine Ener-
           kleine „hier sind wir! Mobil“ kann dank Verstärkeran-                               giewende im LEP. Aber auch die Aktionen der
           lage und eingebauter Küche auch als Musikbühne                                      Jugendlichen auf Diözesanebene seien ein voller
           fungieren oder die Verpflegung von Workcamps                                        Erfolg gewesen: Beispielsweise die Renovierung
           sicherstellen. Ziel des Projektes ist, die Jugend-                                  eines Kindergartens in einer 72-Stunden-Aktion,
           beteiligung zu stärken und Akteure intensiver zu                                    eine Theateraufführung für das Dorf oder die Aus-
           vernetzen. Nicht immer sei die Verwirklichung von                                   einandersetzung von Dorfgruppen im Diözesan-
           guten Ideen einfach, so Anett Bauer, Landesarbeits-                                 verband mit ihrem Lebensraum und ihrer Dorf-
           gemeinschaft Mobile Jugendarbeit/Streetwork Bran-                                   kirche unter dem Motto „Landgewitter – Frischer
           denburg e.V. Regionalmanager und Bürgermeister                                      Wind für Kirche und Land“. Die inzwischen er-
           verstünden die Anliegen der Jugendlichen oft nicht                                  schienene Dokumentation zur Kampagne soll
           gleich. In diesem Fall sei es wichtig, dass „Überset-                               Ideen, Erkenntnisse und Erfahrungen für zukünf-
           zer“ tätig würden, damit ein echter Ideenaustausch                                  tige Landjugendgenerationen sichern (weitere
           und eine Vernetzung stattfinden könnten.                                            Infos unter www.kljb-bayern.de).

             Die Katholische Landjugend befragt das Publikum.

                                                                                                          | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
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 Ingwer Seelhoff, Moderatorin Petra Schwarz, Günter Möller und Uta-Maria Kern diskutieren über Bildung auf dem Lande.

Bildung als Standortfaktor                                    Lernort Bauernhof

  Gerade in kleinen Ortschaften würden Bildungsein-             Annette Müller-Clemm, Vorstandsmitglied der
richtungen geschlossen und deshalb die Attraktivität          Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof
der Dörfer und damit auch die Immobilienwerte sin-            e.V. (BAGLoB), beschrieb den Bauernhof als einen
ken, so Ingwer Seelhoff, ews group Lübeck. Bildung            Ort, an dem Kinder alle Kompetenzen erwerben
dürfe jedoch nicht auf Schule reduziert werden, es            können, die sie zum Leben brauchen. Viele Land-
gehe auch um außerschulische Lernangebote wie                 wirte würden sich in diesem Bereich engagieren,
Volkshochschulkurse und die Primarbildung, etwa den           um der Gesellschaft zeigen zu können, wie reale
Kindergarten. Der Zusammenarbeit von unterschiedli-           Landwirtschaft funktioniere und welche Mühe die
chen Bildungsträgern und zwischen den Kommunen                Nahrungsmittelproduktion mache. Wenn die Zu-
käme eine immer größere Bedeutung zu. Das Jahr                sammenhänge deutlicher würden, steige auch die
2014 sei in Schleswig-Holstein zum Jahr der ländli-           Wertschätzung für Nahrungsmittel. In Bayern sei
chen Räume erklärt worden, einer der Schwerpunkte             es erklärtes Ziel der Staatsregierung, jedes Schul-
sei Bildung, erläuterte Günter Möller, Regionalmana-          kind mindestens einmal auf einen Bauernhof zu
ger der LAG AktivRegion Schwentine-Holsteinische              schicken, weshalb dies auch finanziell unterstützt
Schweiz. Dies gelte auch für die jetzt beginnende             werde. Zusätzlich würden den Landwirten Qualifi-
neue EU-Förderperiode, allerdings sei das Thema               kationskurse angeboten, so Dr. Victoria Lofner-
Bildung für die LEADER-Gruppen zunächst neu. Auch             Meir, Bayerisches Staatsministerium für Ernäh-
müssten noch viele Zuständigkeiten im Bildungsbe-             rung, Landwirtschaft und Forsten. 300 Anbieter
reich geklärt werden. Bei der Suche nach Partnern             hätten bereits an der 120-stündigen Fortbildung
 sei nicht nur das Bildungsangebot selbst wichtig,            teilgenommen und ein pädagogisches Konzept für
sondern ebenfalls die Finanzierung der Anfahrt.               ihren Bauernhof erarbeitet. Friedrich König, Vor-
Durch die Zusammenarbeit mit der Sparkassen-                  standsmitglied der Interessengemeinschaft Lernort
stiftung wäre diese z. B. für den außerschulischen            Bauernhof – Erlebnishöfe in Bayern, beschrieb an-
Lernort „Erlebnis Bungsberg“, der zum Projekt Bil-            schaulich, wie Schulkinder aber auch Erwachsene
dungsspaß Ostholstein gehöre, langfristig gesichert.          auf seinem Hof in einem kurzen Zeitraum sowohl
Im Kontext der „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“          die Kuh im Stall sehen als auch das Käsemachen
bestehe beim Bildungsspaß Ostholstein mittelfristig           durch eigenes Tun erfahren könnten. Er sei über-
das Ziel, Kindern aus Grundschulen und Kindergärten           zeugt, dass die authentische Lernumgebung auch
einmal im Jahr kostenfrei den Besuch einer solchen            eine besondere Lernqualität mit sich bringe. Mehr-
Bildungseinrichtung zu ermöglichen. Uta-Maria Kern,           tägige Aufenthalte im Rahmen von Klassenfahrten
Geschäftsführerin des Verbandes der Bildungszent-             stünden im Fokus der Initiative Schulbauernhof
ren im ländlichen Raum, wies darauf hin, dass Koope-          Havel-Aue e.V., so Mitinitiatorin und Vorstand des
rationen dann besonders gut funktionierten, wenn die          Vereins Tina Lüneburg. Der in Hohen Neuendorf,
Partner unterschiedliche Kompetenzen mitbrächten              nördlich von Berlin, entstehende Schulbauernhof
und sich ergänzten. Die Bildungszentren seien mit             werde das intensive Eintauchen ein großes Spek-
ihren Übernachtungs- und Verpflegungsangeboten                trum der landwirtschaftlichen Arbeit zeigen.
auf längere Aufenthalte spezialisiert.

| ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Schwerpunkt Stadt-Land-Beziehungen Interviews: Gerd Sonnleitner
Fotos: Claudia Busch

                                                                  Foto: Gemeinde Fraunberg
                       8                                                                                                                                        ASG

          Fraunberg ...                                                                                                            Goldenstedt ...

          Siedlungsdruck im Großraum München                      Modell für eine neue Dorfmitte                                   Tunnelwirkung durch enge Bebauung

                                 Preisträger im Wettbewerb:

                                                                                                  Kernige Dörfer
                                                                                                         Claudia Busch

                                 Viele Dörfer bemühen sich intensiv um eine Belebung ihrer Kerne und den sorgsamen Umgang mit
                                 Flächen. Im bundesweiten Wettbewerb „Kerniges Dorf! Ortsgestaltung durch Innenentwicklung“ ha-
                                 ben sechs von ihnen eine Auszeichnung für besonders vorbildliche Ideen und Strategien zur Innen-
                                 entwicklung erhalten. Der von der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. (ASG) 2013 durchgeführte Wett-
                                 bewerb wurde durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Preise in
                                 Höhe von 10 000 € für die Inanspruchnahme von Beratungs- und Imageleistungen stellte die Land-
                                 wirtschaftliche Rentenbank zur Verfügung.

                                   Die ASG entwickelte ein                                   Fraunberg – dörflichen              nen stehen soll. Nicht weit davon
                                 Punktesystem, mit dem sie                                   Charakter in Wachstums-             entfernt wurde bereits ein Kinder-
                                 die Ausrichtung von Innenent-                               region erhalten                     zentrum ausgebaut, damit Krippe,
                                 wicklungsstrategien auf das                                                                     Kindergarten, Hort und Spielplätze
                                 gesamte Dorf ebenso bewer-                                    Der knapp 700 Einwohner um-       direkt im Ort integriert sind.
                                 tete wie den Umsetzungsgrad                                 fassende Altort Fraunberg in
                                 und die Bevölkerungsbeteili-                                Oberbayern steht vor allem vor       Als lebendigen Impuls will Fraun-
                                 gung. Orte mit besonders                                    der Herausforderung, auf Ein-       berg auch die vorhandene Durch-
                                 kreativen oder innovativen                                  wohnerzuwachs und eine starke       gangsstraße nutzen. Statt weitere
                                 Ansätzen konnten zusätzliche                                Fluktuation in der Großregion       Flächen über den Bau einer Umge-
                                 Punkte erwerben. Alle Bewer-                                München zu reagieren. Trotz des     hungsstraße zu versiegeln, bevor-
                                 ber wurden nach Ortsgröße                                   großen Siedlungsdrucks soll der     zugt der Ort, mit kleinen Maßnah-
                                 und Schrumpfungsprozessen                                   dörfliche Charakter über Kommu-     men die Durchfahrtsgeschwindigkeit
                                 in verschiedene Kategorien                                  nikations- und Begegnungsmög-       zu verringern. Auch soll der Verkehr
                                 eingeteilt, um Chancenge-                                   lichkeiten erhalten bleiben. Ge-    als Kundenpotenzial für den Einzel-
                                 rechtigkeit herzustellen. Die                               meinsam mit einem Architektur-      handel im Ort genutzt werden. Um
                                 besten Bewerber einer Kate-                                 büro wurde ein Modell für eine      diesen zu fördern, kauft die Gemein-
                                 gorie wurden der Fachjury                                   neue Dorfmitte erarbeitet, in de-   de Gebäude entlang der Hauptstra-
                                 vorgestellt, die nach mehreren                              ren Zentrum ein Bürgerhaus mit      ße, in denen kleine Geschäfte und
                                 Sitzungen und Bereisungen                                   verschiedenen Nahversorgungs-       Werkstätten mit Wohnnutzung ver-
                                 die Gewinner bestimmte.                                     angeboten und betreutem Woh-        bunden werden können.

                       Mitglieder der Fachjury im Wettbewerb „Kerniges Dorf!“                                                                        Claudia Busch
                       Arthur Arnold, Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Euerbach und Sprecher                                                   ist Leiterin des Projektbü-
                       der Interkommunalen Allianz Oberes Werntal, Dr. Peter Dehne, Professor für Pla-                                               ros Ländliche Räume und
                       nungsrecht/Baurecht an der Hochschule Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpom-                                                     hat den Wettbewerb „Ker-
                       mern, Nathalie Franzen, „Dorfplanerin“ in Rheinland-Pfalz, Klaus-Dieter Karweik,                                              niges Dorf! Ortsgestaltung
                       Innenentwicklungsexperte beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung                                                durch Innenentwicklung“
                       Niedersachsen, Dr. Angela Kunz, Referatsleiterin im Sächsischen Landesamt für                                                 für die ASG betreut.
                       Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dr. Renate Vogelsang, Referat 416 (Entwick-                                              Tel. (0561) 988 03 72
                       lung ländlicher Räume) im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft                                                  info@proLR.de

                                                                                                                            | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
ASG                                                                                                                      9

                                            Kyllburg ...

Verbindungen durch neue Wege                Kunst im Leerstand                         Ausstellung im ehemaligen Ladenlokal

       Dabei legt das Dorf stets viel          Für Senioren sollen auch Wohn-      regionaler Unternehmer wurden
     Wert darauf, die Ideen der Be-          möglichkeiten im Zentrum ge-          Schaufenster zu Galerien umge-
     wohner zu integrieren. Als Beson-       schaffen werden. Die zeilenartige     baut und Werke verschiedener
     derheit kann der mit dem bayeri-        Bebauung an der Hauptstraße           Künstler ausgestellt. Vier ver-
     schen Gütesiegel „Nachhaltige           wird für die Gestaltung barriere-     schiedene Zyklen ermöglichten
     Bürgerkommune“ ausgezeichnete           freier Räume aufgebrochen. Die        viele Vernissagen, die Kyllburger
     Ort auf seinen Gemeindeentwick-         Straße gilt als Garant für Leben-     und Besucher in die Ausstellungen
     lungsverein verweisen. Dieser           digkeit – so kann das Geschehen       lockten. Mit diesem und weiteren
     fungiert als Schnittstelle zwischen     im Ort beobachtet werden. An ei-      Projekten kam wieder Schwung
     Bürgerschaft und Gemeinderat.           ner Reduzierung des LKW-Verkehrs      in den Ort. Neben den Ausstellun-
                                             wird jedoch weiter gearbeitet.        gen veranstalteten die Kyllburger
                                                                                   Krimilesungen, führten ein Kin-
     Goldenstedt – lebendige
                                               Durch den Umzug der älteren         derkunstprojekt durch und eröff-
     Mitte durch Gestaltung
                                             Generation werden die in den          neten einen genossenschaftlich
     neuer Wege
                                             1950er und -60er Jahren ausge-        geführten Kunsthandwerkerladen.
       Der gut 3 000 Einwohner große         wiesenen Baugebiete frei. Sie         Die Übernahme ehrenamtlicher
     Ort in der Weser-Ems-Region hat         können heutzutage dichter be-         Arbeit – auch in der Pflege von
     sich durch Neubaugebiete am             baut werden, weil sich die An-        Straßen und Anlagen – wurde
     Ortsrand in den letzten Jahren          sprüche an Grundstücksgrößen          wieder zur Selbstverständlichkeit.
     räumlich stark ausgedehnt. Ent-         deutlich verringert haben. Damit
     lang der Hauptstraße gaben viele        junge Familien auch Altbauten           Inzwischen ist die Initiative auf
     Geschäfte auf, weil es ein großes       im Kern nutzen, hat Goldenstedt       20 Engagierte angewachsen. Ge-
     Einkaufszentrum am Ortsrand             eine Richtlinie zu deren finanziel-   meinsam arbeiten sie an neuen
     gibt. Gleichzeitig hat sie strecken-    ler Förderung erarbeitet.             Ideen, um Kyllburg als Kunststadt
     weise einen tunnelartigen Cha-                                                weiter zu etablieren. Dabei wird
     rakter, weil die ursprüngliche zei-                                           Wert darauf gelegt, dass immer
                                             Kyllburg – mit Kunst
     lenartige Bebauung nah an der                                                 wieder Möglichkeiten für Men-
                                             und Kreativität gegen
     durch den Ort führenden Landes-                                               schen entstehen, die sich nur
                                             die Tristesse
     straße kaum Verbindungen zur                                                  punktuell oder zeitlich begrenzt
     sog. „zweiten Reihe“ zulässt.             Kyllburg in der Eifel hat in den    engagieren wollen. Kyllburg ist
                                             letzten Jahrzehnten durch die         wieder so lebendig geworden,
       Unabhängig von ihrer jeweiligen       periphere Lage viele Einwohner        dass sich selbst für das zentrale
     Parteizugehörigkeit entwickelten        verloren; aktuell wohnen etwa         Hotel ein neuer Nutzer fand;
     daher mehrere Goldenstedter in          900 Menschen dort. Als vor            ebenso wie für einige Ladenlokale.
     der Arbeitsgemeinschaft „Orts-          15 Jahren zudem ein großes            Denn die schönen Ausblicke ins
     kernentwicklung“ die Vision „Gol-       Hotel im Zentrum schloss, zog         Land machen diese auch als
     denstedt 2020“, die als Rahmen          sich der Einzelhandel immer wei-      Galerien und Ateliers attraktiv.
     für zukünftige Investitionen gilt.      ter zurück und Leerstand verbrei-
     Durch neue Plätze und Fußwege           tete sich wie eine Krankheit. Der
                                                                                   LeerstandsOFFENSIVE –
     werden Verbindungen geschaf-            äußerliche Verfall führte zu einer
                                                                                   ein lernendes Netzwerk
     fen. Rund um die öffentlichen           pessimistischen Grundhaltung
                                                                                   für frische Ideen
     Einrichtungen der Gemeinde wur-         der Bewohner.
     de bereits der „Neue Markt“ ge-                                                Gemeinsam haben die zwölf
     staltet, der auch die Schulgebäu-         2012 gründeten zunächst drei        oberpfälzischen Gemeinden
     de integriert. Über den Skulptu-        Interessierte die „Offensive gegen    Altendorf, Eslarn, Guteneck,
     renpark führen abwechslungs-            Leerstand“, die als ersten Schritt    Niedermurach, Oberviechtach,
     reich gestaltete Wege zum               das Modellprojekt „Kunst – Kultur     Schwarzach, Schönsee, Stadlern,
     Mehrgenerationenpark und                – Kyllburg“ ins Leben rief. Mit Un-   Teunz, Thanstein, Weiding und
     -haus.                                  terstützung der Eigentümer und        Winklarn die „LeerstandsOFFEN-

    | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Foto: u.m.s. Leipzig
 10                                                                                                                              ASG

LeerstandsOFFENSIVE ...                                                                                      Otersen ...

Gemeinsam anpacken in der Oberpfalz   Bürgerbeteiligung für neue Ideen                                       Straßendorf mit vielen Baudenkmälern

          SIVE“ ins Leben gerufen. Grund-        zung von traditionellen Familien-    Knechten als Unterkunft diente,
          gerüst dieser Offensive sind mo-       unternehmen, damit sie beste-        wurde vom Sportverein saniert
          natliche Treffen der Bürgermeis-       hende Gebäude im Kern ausbau-        und zu einem Fitness-Studio um-
          ter und des eingebundenen Pla-         en und gewerblich nutzen. So         gebaut, zusätzlich wurde hier ein
          nungsbüros urban management            können lokale Identitäten erhalten   Jugendraum eingerichtet. Der
          systems GmbH. Das Netzwerk             werden, während bei Problemen,       Dorfladen w. V. erwarb ein Grund-
          diskutiert über Projektideen, lädt     die im Zuge der Innenentwicklung     stück im Ortszentrum und baute
          Experten zu Schwerpunktthemen          auftauchen – beispielsweise die      das dortige Häuslingshaus mit
          ein oder bereitet gemeinsame           teils schwierige Kommunikation       viel Eigeninitiative und -mitteln
          Exkursionen vor. Von Anfang an         mit Alt-Eigentümern – Lösungs-       zu einem Dorfladen mit Café um.
          waren sich die Beteiligten einig,      ansätze gemeinsam in der Leer-       Auch eine Wohnung wurde im
          dass sie sich nach außen öffnen        standsOFFENSIVE diskutiert           Dachgeschoss eingerichtet. Auf
          und frische Ideen in ihre Region       werden können.                       der Grundstücksfläche sollen in
          holen wollen.                                                               Zukunft barrierefreie Wohnungen
                                                                                      entstehen. Privat wurden ein
                                                 Otersen – Baukultur
            Gemeinsam luden sie vier junge                                            Fachwerk-Doppelhaus, eine
                                                 zukunftsorientiert nutzen
          Hochschulabsolventen unterschied-                                           denkmalgeschützte Durchfahrts-
          licher Disziplinen ein, für zehn         Das gut 500 Einwohner umfas-       Scheune und ein alter Schweine-
          Monate in eine Wohngemein-             sende Dorf am Rand der Lüne-         stall zu Wohnhäusern umgebaut
          schaft in einem zuvor eigenstän-       burger Heide hat 34 Baudenk-         sowie zwei Fachwerkspeicher
          dig renovierten leerstehenden          mäler auf 15 Hofstellen, viele       umgesetzt, um sie zu bewahren.
          Haus zu ziehen. Von dort aus           ortsbildprägende Gebäude stan-
          sollten diese die Leerstände in        den leer. Seit den 1990er Jahren      Die Otersener renovieren ihr
          allen Orten kartieren, Ideen für       läuft ein Bewusstseins- und Sen-     baukulturelles Erbe mit Herzblut
          Neunutzungen entwickeln, die           sibilisierungsprozess im Ort. Die    und handwerklichem Geschick. In
          Eigentümer ansprechen und mit          Dorf- und Vereinsgemeinschaft        besonderem Maße wird hier die
          Partizipationsmethoden wie z. B.       e.V. hat die Innenentwicklung als    Dorfgemeinschaft als Ressource
          Zukunftswerkstätten die Dorfbe-        Satzungsziel aufgenommen. Ge-        gepflegt und genutzt, was sich in
          wohner sensibilisieren. Umnut-         meinsam mit den Bürgern wurde        einem großen ehrenamtlichen
          zungsideen sollen sich am Bedarf       zudem ein Dorfentwicklungskon-       Engagement zeigt.
          der Bevölkerung (Nahversorgung,        zept erarbeitet, in dem die For-
          Seniorenwohnungen etc.) orien-         mulierung „Neues Leben in alten
                                                                                      Stiftung Landleben –
          tieren oder über touristische oder     Gebäuden – Ortskern erhalten
                                                                                      lebenswerten Wohnraum
          Mietwohnangebote zusätzlich            und beleben“ als Ziel aufgenom-
                                                                                      schaffen und erhalten
          Personen in die Orte locken.           men ist.
                                                                                       Die vier nordthüringischen Orte
            In den einzelnen Orten gibt es         Sowohl privat als auch durch       Blankenburg, Kirchheilingen,
          verschiedene Umsetzungsprojek-         örtliche Vereine wurden bereits      Sundhausen und Tottleben haben
          te, z. B. den Umbau einer Scheu-       zahlreiche Hofanlagen in neue        2011 gemeinsam die „Stiftung
          ne zu einer Veranstaltungshalle        Nutzungen überführt. Ein altes       Landleben“ gegründet, deren Ziel
          und einem Museum unter aktiver         Schulhaus wurde von der Ge-          im Bau von seniorengerechten
          Beteiligung der Bevölkerung, die       meinde zum Kindergarten und          Wohneinheiten besteht. Hierfür
          umfassende Neugestaltung der           zur Mini-Sporthalle umgebaut.        werden freie Flächen in den Orts-
          Ortsmitte und den Aufbau eines         Auch hat sie eine ehemals land-      zentren genutzt. Der Grundge-
          Dorfladens in einer ehemaligen         wirtschaftliche Fläche mit einem     danke ist, dass das ursprüngliche
          Sparkasse in einem zweiten Ort,        Häuslingshaus gekauft und zum        Wohneigentum – oftmals vom
          die Umnutzung eines ehemaligen         Dorfplatz mit Sport- und Rastan-     Verfall bedrohte Hofanlagen – zur
          Brauhauses für seniorengerechte        lagen umgebaut. Das Häuslings-       Finanzierung der Wohnmiete in
          Wohnungen und die Unterstüt-           haus, das einst Tagelöhnern oder     die Stiftung eingebracht werden

                                                                              | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
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                                        Stiftung Landleben ...

Engagiertes Anpacken in Otersen         Baukultur im Zentrum erhalten                Barrierefreies Wohnen im Ortskern

     kann. Ziel ist es gleichzeitig, die    Dörfern ist auch die Frage nach       mer stehen, gemeinsam bleibt
     alten Gebäude so umzubauen             Rückbau und Abriss zu stellen.        ihnen, dass Innenentwicklung
     und zu sanieren, dass sie wieder-      Wie kann ein solch destruktiv         eine Daueraufgabe ist. Sie ist die
     um an junge Familien vermietet         oder pessimistisch erscheinender      planerische und bauliche Antwort
     werden können.                         Akt gestaltet werden, ohne eine       auf soziale Veränderungen, bei der
                                            ebensolche Stimmung nach sich         es immer um das Ziel geht, den
       Mit dem Bau barrierefreier Bun-      zu ziehen? Innenentwicklung im        Ortskern als Herz des Dorfes mit
     galows wird es Senioren ermög-         Dorf heißt, dass sich Menschen        Leben zu erfüllen. Mit dem bundes-
     licht, ihren Lebensabend im Dorf       mit diesen Fragen beschäftigen,       weiten Wettbewerb „Kerniges Dorf!“
     zu verbringen. Teilweise wohnten       die möglicherweise die nötige         wurden Ideen prämiert, die sich
     diese vorher in schlecht gedämm-       Sensibilität im Umgang mit den        dieser Aufgabe vorbildlich ange-
     ten Gebäuden, in denen Treppen         Bewohnern haben, für ihre eh-         nommen haben.
     bewältigt und Kohleöfen versorgt       renamtliche Tätigkeit aber nicht
     werden mussten.                        zwangsläufig den fachlichen Hin-
                                            tergrund eines Architekten, Pla-        Nähere Informationen zum Wettbewerb und
       Die Bungaloweinheiten passen         ners, Quartiersmanagers oder            den Gewinnern finden sich in einer Broschüre,
     sich baukulturell unauffällig in die   Psychologen mitbringen.                 die unter www.asg-goe.de/wettbewerb
     Dörfer ein. Durch die Lage in der                                              heruntergeladen oder bei der ASG-Ge-
     Ortsmitte können die älteren Be-         Widersprüchliche Gesetze und          schäftsstelle bestellt werden kann.
     wohner direkt am Gemeindeleben         Förderrichtlinien behindern den
     teilhaben. Die Außenanlagen der        Prozess Innenentwicklung oft zu-
     Bungalows sind so gestaltet, dass      sätzlich. Während das Denkmal-
     auch Pflegedienste umstandslos         schutzamt etwa eine historische
     vor der Haustür parken könnten.        Geschosshöhe vorschreibt,
     Und die Stiftung Landleben denkt       nimmt die Bauaufsicht diese nicht
     bereits weiter. Unter dem Projekt-     ab, weil sie aktuellen Sicherheits-
     namen „Landengel“ sollen zu-           auflagen nicht entspricht. Bei der
     sätzlich Gebäude in den Dorfker-       Gestaltung des Dorfzentrums
     nen zu Dienstleistungszentren mit      stören Bundes-, Landes- oder
     medizinischen und Beratungsan-         Kreisstraßen und Genehmigungs-
     geboten umgebaut werden.               behörden auf übergeordneten
                                            Ebenen vertreten möglicherweise
                                            andere Interessen als das Dorf
     Innenentwicklung im Dorf
                                            selbst. Bis alle gesetzlichen Auf-
     bleibt eine Herausforderung
                                            lagen erfüllt und in den entspre-
       Innenentwicklung ist ein durch-      chenden Ämtern bearbeitet wur-
     aus noch neuer Gedanke in vie-         den, sind manchmal Fristen in
     len Dörfern, wie die Bewerbun-         Förderprogrammen verstrichen.
     gen zeigten. Mit wenigen Ausnah-       Oder dem dörflichen Arbeitskreis,
     men waren fast alle Orte in der        der mit viel Enthusiasmus und
     Anfangsphase neuer Strategien          Energie ein neues Projekt geplant
     und hatten gerade mit ersten Um-       hatte, ist inzwischen die Luft aus-
     setzungen ihrer Planungen be-          gegangen …
     gonnen. Die Vernetzungsmöglich-
     keiten allein über den Wettbe-           Innenentwicklung im Dorf ist
     werb zeigten den Bedarf nach           nur vor den spezifischen Hinter-
     Information und Vorbildern. Innen-     gründen jedes einzelnen Ortes
     entwicklung ist nicht konfliktfrei,    möglich. Vor welchen Heraus-
     denn in stark schrumpfenden            forderungen die Dörfer auch im-

    | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Prinzipalmarkt mit Rathaus Münster
Fotos: Presseamt Münster / Tilman Roßmöller
                                              12                                                                                                       ASG

                                                                                   Tagungsregion Münsterland
                                                      Das Münsterland, mit Münster im Zentrum, liegt in Nordrein-Westfalen, eingebettet zwischen dem
                                                      Teutoburger Wald im Nordosten, der Lippe im Süden und der niederländischen Grenze im Westen.
                                                      Es besteht aus den Kreisen Borken, Coesfeld, Warendorf und Steinfurt sowie der Stadt Münster.

                                                      Stadt Münster                                         den. Darüber hinaus sind in der Region viele
                                                                                                            alte Schlösser und Burgen sehenswert, wie
                                                        Die Tagungsstadt kann auf eine etwa 1 200-jährige   der ehemalige Wohnsitz von Annette von
                                                      Geschichte zurückblicken. Besonders bedeutend         Droste-Hülshoff.
                                                      war die Schließung des Westfälischen Friedens
                                                      1648 im Rathaus Münster. Auch heute noch kann           Derzeit beherbergt die Fahrradstadt Münster
                                                      der gotische Bau besichtigt werden, ebenso wie vie-   etwa 300 000 Menschen und 500 000 Fahrräder.
                                                      le andere historische Gebäude in der Altstadt, die    In Relation zur Stadtgröße hat Münster, auch
                                                      nach einer fast gänzlichen Zerstörung im 2. Welt-     dank der vielen Studierenden, überdurchschnitt-
                                                      krieg nach altem Stadtbild wieder aufgebaut wur-      lich viele kulturelle Angebote, Cafés und Kneipen.
                                                                                                            Zu den Attraktionen, die jährlich etwa 5 Mio. Tou-
                                                                                                            risten nach Münster locken, gehören auch etliche
                                                                                                            Grünanlagen und ein vielfältiger Wochenmarkt.

                                                                                                            Landwirtschaft im Münsterland
                                                                                                             Das Münsterland ist einer der leistungsfähigsten
                                                                                                            Agrarwirtschaftsräume der Erde und Zentrum der
                                                                                                            Veredelungswirtschaft. Die Landwirtschaft stellt
                                                                                                            mit rund 2 Mrd. € Umsatz und etwa 35 000 Arbeits-
                                                                                                            kräften auf 12 300 Betrieben einen wesentlichen
                                                                                                            Wirtschaftsfaktor im Münsterland dar. Von den
                                                                                                            knapp 600 000 ha Katasterfläche werden
                                                                                                            370 000 ha landwirtschaftlich genutzt. Dies
                                                                                                            entspricht 62 % und liegt damit über dem
                                                                                                            Durchschnitt von NRW mit 50 %.
                 Lambertikirchplatz in Münster

                                                                                                                      | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
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        Trotz der teilweise sandigen Böden ist das Münster-

                                                                                                                                           Foto: M. Busch
      land wegen seines Klimas ein agrarischer Gunst-
      standort. Das Weserbergland und der Teutoburger
      Wald wirken als Kältesperre und sorgen für milde
      Winter, bei jährlich mehr als 1 500 Sonnenstunden.
      Aufgrund der geringen Fruchtbarkeit der Böden, der
      Flächenknappheit und der günstigen Importmöglich-
      keiten für Futter setzte sich die Tierproduktion
      durch. 33 % der Rinder, 36 % des Geflügels und
      55 % des Schweinebestandes Nordrhein-Westfalens
      werden im Münsterland gehalten, obwohl dieses
      nur 17 % der nordrhein-westfälischen Fläche um-
      fasst. Auch auf Bundesebene ist die große Bedeu-
      tung der Tierhaltung im Münsterland zu erkennen:
      Trotz eines Flächenanteils von lediglich 1,6 % an                       Bio-Energiepark Saerbeck – Solaranlage auf Bunkern
      der Bundesfläche, werden im Münsterland 14 %
      aller Schweine in Deutschland gehalten.
                                                                             Schulmelkstand mit zwei Melksystemen, als auch ei-
                                                                             nen Melkroboter auf. Außerdem gibt es verschiedene
      Haus Düsse
                                                                             Prüfungen, wie die Eigenleistungsprüfung für Bullen
        Das Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse                         (LPA), Herkunftsprüfungen und Futterwertleistungs-
      verdankt seinen Namen Adrian van der Düssen, der                       prüfungen für Broiler, Qualitäts- und Leistungsprüfung
      das Rittergut 1641 zu einem Wasserschloss umbau-                       für Ferkel oder im Ackerbau Werteprüfungen, Sorten-
      te. Im Jahr 1950 wurde es von der Landwirtschafts-                     und Pflanzenschutzversuche.
      kammer übernommen und dient seitdem mit 278 ha
      Betriebsfläche als zentrale Lehr- und Versuchsan-
                                                                             Kreis Steinfurt
      stalt für Tier- und Pflanzenproduktion. Hier werden
      praxisnahe, wirtschaftliche, umweltverträgliche und                     Mitten im Kreis Steinfurt liegt die NRW-Klimakommune
      tiergerechte Produktionsverfahren erarbeitet und                       der Zukunft: Saerbeck. Eines von vielen Projekten
      diese Erkenntnisse dann in Aus- und Fortbildungen                      des Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzeptes ist
      weiter vermittelt.                                                     ein Bioenergiepark. Seit 2011 wurde ein 90 ha großes
                                                                             ehemaliges Munitionsdepot Stück für Stück in einen
       Auf dem Betrieb werden im Bereich der Tierhaltung                     Energiepark mit sieben Windkraftanlagen, Biomasse-
      (Zuchtsauen, Ferkelaufzucht, Mastschweine, Milch-                      kraftwerken und der größten auf Bunkern errichteten
      kühe, Kälber, Mastbullen, Legehennen, Masthähn-                        Solaranlage Europas umgewandelt. Ende letzten Jah-
      chen, Puten, Mutterschafe – oft mit mehreren Ras-                      res wurde der Energiepark fertig gestellt und inzwi-
      sen) verschiedene Stallsysteme, Fütterungs- und                        schen hat die Gemeinde Saerbeck ihr Ziel, sich selbst
      Klimatechniken erprobt. So werden die Bullen in ei-                    mit Strom zu versorgen, nicht nur erreicht, sondern
      nem Offenstall mit alternativem Tretmistsystem ge-                     sogar übertroffen: Die Gemeinde erzeugt nun doppelt
      halten und der Milchviehstall weist sowohl einen                       so viel Strom wie sie mit ihren Einwohnern und Betrie-
                                                                             ben verbraucht. Bemerkenswert ist auch, dass das
                                                                             Projekt durch örtliche Investoren finanziert wurde.
                                                        Foto: L. Bütfering

                                                                             So gehört der Park allen Saerbeckerinnen und Saer-
                                                                             beckern, die hier ihren eigenen regenerativen Strom
                                                                             erzeugen.

                                                                               Aber auch anderswo im Kreis Stein-
                                                                             furt können sich Personen an einem
                                                                             sowohl ökologisch als auch ökono-
                                                                             misch nachhaltigen Projekt betei-
                                                                             ligen: Sie können ihre Hecken
                                                                             pflegen lassen. Im Rahmen des
                                                                             Euregioprojekts Energiequelle
                                                                             Wallhecke wird das Heckenma-
                                                                             terial, das bei der Pflege entsteht,
                                                                             als Hackschnitzel weiterver-
Freilauf Abferkelbucht                                                       wendet.

      | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
ASG-Frühjahrstagung
14                  2014 in Münster                         ASG
Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung hat Zukunft! Aber welche?
Mittwoch, 21. Mai 2014
 9.00 – 10.30 Uhr   Führungen
                    a) Münsters Altstadt und ihre Merkwürdigkeiten
                    b) „Zwischen Traum und Tradition“ – Führung rund ums Schloss

11.00 – 17.30 Uhr   Vortragstagung und Diskussionen
                    In den Vorträgen werden folgende Themen angesprochen:
                      Tierhaltung, Tierschutz und Tiergesundheit im Koalitionsvertrag – Umsetzung durch die
                      Bundesregierung
                      Aktivitäten der Bundesländer zur Verbesserung der Haltungsbedingungen, der Gesundheit
                      und Robustheit landwirtschaftlicher Nutztiere
                      Die Nutztierstrategie der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA)
                      Das zweistufige Label „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes
                      Die branchenweite Initiative für mehr Tierwohl in der Schweine- und Geflügelproduktion
                      Vorstellungen der nordrhein-westfälischen Ökoverbände zu höchstem Tierwohl und ihre
                      Erwartungen an die geplante Novelle der EU-Bioverordnung

       19.00 Uhr    Empfang der Landesregierung am Aasee
                    Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher-
                    schutz des Landes Nordrhein-Westfalen
                    Hilal Sezgin, Autorin des Buches „Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum
                    wir umdenken müssen“

Donnerstag, 22. Mai 2014
        8.00 Uhr    Fachexkursionen
                    Fachexkursion A: Zukunft der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung
                      Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse: Tierwohl und Tierschutz in
                      der Schweinemast, Tierverhalten, Möglichkeiten zur Steigerung des Tierwohls, Kosten,
                      Haltungssysteme
                      Schweine erfolgreich tiergerecht halten – Besuch eines Bio-Ferkelerzeugungs- und
                      Schweinemastbetriebes
                      „Artgerecht“ erfolgreich vermarkten – Vorstellung einer regionalen Bio-Erzeugergenossen-
                      schaft mit Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung
                      Besichtigung eines konventionellen Tierhaltungsbetriebes
                    Fachexkursion B: Regionale Entwicklung und Energiewende im Kreis Steinfurt
                      Die Energiewende als Herausforderung und Chance für ländliche Räume – Besuch einer
                      NRW-Klimakommune mit „Gläserner Heizzentrale“ und eigenem Bioenergiepark
                      Regionale Vernetzung durch Konfektionierung und Vertrieb einer Präsentkiste mit regionalen
                      Produkten
                      Besichtigung eines NEULAND-Betriebes mit Legehennen und Mastschweinen und einer
                      qualitätsorientierten, tiergerechten und umweltschonenden Tierhaltung
                      Energetische Nutzung von Wallhecken mit Hilfe des onlinebasierten Wallhecken-
                      Informations-Systems „WallIS“

Das vollständige Tagungsprogramm                                                        Gefördert vom:
und Online-Anmeldung im Internet unter
www.asg-goe.de

                                                                            | ASG | Ländlicher Raum | 01/2014 |
Agrarpolitik                                                                                                         15

Neues von der agrarpolitischen Bühne:

                           Fachpresse statt heute show
        Von alten Zirkuspferden, neuen Arbeitstieren, interessantem Politiker-Casting, hohen
     Erwartungen und der Kunst, in der Berliner Agrarpolitik aus der Not eine Tugend zu machen

  Sie soll gut gefüllt gewesen         nicht mehr gekannte mediale Auf-         schlossen und mit einiger Wahr-
sein, die CSU-Lostrommel mit           merksamkeit vor. Zumindest ließ          scheinlichkeit auch dazu in der
dem Hauptgewinn „Bundesland-           Gauweilers diesjähriger Auftritt         Lage ist, die 59 Tage dauernde
wirtschaftsminister“ und mit Horst     beim Politischen Aschermittwoch          Amtszeit seines Vorgängers zu
Seehofer als Glücksfee und der         in Passau mit fundierter Kritik an       toppen. Immerhin acht Jahre war
Lizenz zum offenen Ziehen mit          der Europäischen Kommission              er Parlamentarischer Staatsse-
Zurücklegen. Dass der eine –           („Flaschenmannschaft“) ahnen,            kretär in dem einer Schlangen-
Gerd Müller – nicht wollte, dürfte     dass die Agrarpolitik unter seiner       grube nicht unähnlichen Bundes-
insbesondere in Teilen der minis-      Führung kein Nischendasein ge-           verteidigungsministerium, und
teriellen Beamtenschaft mit eini-      führt, stattdessen aber einen ge-        das unter Lichtgestalten wie
ger Erleichterung aufgenommen          sicherten Platz in der allwöchent-       Karl-Theodor zu Guttenberg und
worden sein. Dass eine andere          lichen heute show gehabt hätte …         Franz-Josef Jung. Das spricht ne-
– Marlene Mortler – trotz Erfüllung                                             ben einem gewissen Beharrungs-
der Mehrfachquote – Frau, Fränkin,       Vom „alten Zirkuspferd“ Gauwei-        vermögen für die Fähigkeit zu
vom Fach – nicht sollte, könnte in     ler führte die Kandidatensuche           rechtzeitiger kritischer Distanz.
berufsständischen Verbänden für        den Großen Vorsitzenden auf di-          Zudem ist Schmidt offenbar in der
gewisse Enttäuschung gesorgt           rektem Weg zu dessen Gegen-              Lage, politische Schlingen und
haben. Die ohnehin bereits mit         modell Christian Schmidt. Der            sonstige Fallstricke als solche zu
dem Amt der Drogenbeauftragten         56-jährige Jurist gilt in Berlin nicht   erkennen und elegant zu umge-
entschädigte Agrarierin führt ihre     unbedingt als „Mann der Manege“          hen. Zumindest in diesem Punkt
Nicht-Berücksichtigung auf „die in     oder gar „Rampensau“, eher               scheint er seinem Parteifreund
der Politik herrschenden eigenen       schon als Arbeitstier. Zur Bestäti-      Friedrich doch einiges voraus-
Gesetze“ zurück. Gemeint haben         gung betonte der „nette Mann             zuhaben.
dürfte sie dabei in erster Linie die   aus Franken“ bei seinem Amtsan-
Eigenheiten ihres Parteivorsitzen-     tritt in der Wilhelmstraße sogleich,       Interessant dürfte werden, wel-
den. Der war selbst schon einmal       er sei „kein Talkshow-Fuzzi“. Im         che von den Pflöcken, die Fried-
„Minister für Kartoffeln und Bana-     Übrigen sei er „fränkischer luthe-       rich in nahezu atemberaubender
nen“ in Berlin und weiß um die         rischer Protestant und dennoch           Geschwindigkeit und befördert
Anforderungen des Amtes.               begeisterungsfähig“ – alles in al-       von der Bühne „Grüne Woche“
                                       lem keine guten Voraussetzun-            eingeschlagen hat, sein Nachfol-
  Daher verwundert nicht, dass         gen für größere Präsenz jenseits         ger stecken lässt und welche er
Seehofer dem Vernehmen nach            der Fachpresse. Dazu passend             selbst gedenkt hinzuzufügen.
außer der CSU-Landesgruppen-           wurde der neue Chef in seinen            Es war nicht ohne Chuzpe, dass
vorsitzenden Gerda Hasselfeldt         ersten Dienstwochen kaum au-             Friedrich für sein Ressort die Be-
dem unlängst schon zum stellver-       ßerhalb der eigenen Bürowände            zeichnung des „Wirtschaftsminis-
tretenden Parteivorsitzenden wie       und abseits von Aktenbergen ge-          teriums für den ländlichen Raum“
Phönix aus der politischen Asche       sichtet. Dabei soll es im aufgereg-      kreierte. Wahrscheinlich wusste
aufgestiegenen Peter Gauweiler         ten Berliner Politikbetrieb schon        sein damaliger Kabinettskollege
das Ministeramt angeboten hat.         Leute in herausgehobenerer Po-           und Vizekanzler Gabriel bis dato
Der nach Auffassung der gewöhn-        sition gegeben haben, die nicht          noch gar nicht, dass sein Ein-
lich gut informierten Frankfurter      der Meinung waren, dass sich ei-         flussbereich an den Stadtmauern
Allgemeinen Zeitung „amtlich be-       ner oder eine erst ins sein Metier       endet. Ohnehin hätte man eher
stellte Quertreiber und Bayerns        einarbeiten sollte, bevor er oder        erwarten können, Friedrich ver-
ranghöchster Störenfried“ lehnte       sie seine Meinung zu diesem              stehe sich angesichts eines An-
aus guten Gründen die ministe-         oder jenem kundtut.                      teils von 70 % seines Budgets für
riellen Fesseln ab und enthielt                                                 die agrarsoziale Sicherung weni-
möglicherweise damit dem Minis-         Kein Zweifel besteht daran,             ger als Wirtschaftsminister, son-
teramt eine seit Künasts Zeiten        dass Schmidt willens, fest ent-          dern mehr als der Sozialminister

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