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Stiftungswelt HERBST 2020 EHRENAMTSSTIFTUNG: Interview STIFTUNGSRECHTSREFORM: #BLACKLIVESMATTER: Das mit Katarina Peranić und Jan Holze Der Referentenentwurf im Check Stadtmuseum Berlin zeigt Flagge Auf Kurs Wie der Sektor durch Gesetzesreformen und gutes Stiftungshandeln Fahrt aufnehmen kann
stiftungspartner STIFTEN HELFEN Weil nicht nur zählt, was zählbar ist. In Zeiten von Negativzinsen haben die meisten klas- waltung für Stiftungen breit über Anlageklassen und sischen defensiven Kapitalanlagen ausgedient. Wenn Wirtschaftsräume hinweg. Neben dem Kapitalerhalt Sie eine professionelle, ertragsorientierte sowie risiko- steht bei uns die Erwirtschaftung laufender Erträge im bewusste Investmentlösung für Ihre Stiftung suchen, Vordergrund. Und wir sind ein Partner, der für Werte sollten Sie daher an unsere Lösung denken. Das An- einsteht: Selbsthilfe, Förderauftrag, Nachhaltigkeit – gebot ist auch für Privatanleger interessant, die so alles genossenschaftliche Kernaufgaben. anlegen möchten wie eine Stiftung. Wir investieren mit unserer für anlegergerechte Transparenz- und Mehr Informationen erhalten Sie bei Ihrer Volksbank Informationspolitik ausgezeichneten Vermögensver- Raiffeisenbank oder unter www.dz-privatbank.de
Intro Liebe Leserinnen und Leser, die Corona-Krise hält auch den Stiftungssektor fest im Griff, und die Herausforderungen, vor denen Stiftungen stehen, sind noch größer geworden. Ich weiß um die Verantwortung, die es bedeutet, in dieser Situation die Leitung von Europas größtem Stiftungsver- band zu übernehmen. Zugleich freue ich mich sehr auf meine neue Aufgabe: Was kann es Schöneres geben, als in meiner Funktion als Generalsekretärin daran mitzuwirken, der Stimme der Stiftungen 1 auch gegenüber der Politik mehr Gehör zu verschaffen? Die politische Interessenvertretung ist mir sehr wichtig: Nur STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Intro wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessern, werden vor allem kleine Stiftungen wieder Luft zum Atmen haben. Daher ist es gut, dass Ende September endlich der Referentenentwurf zur Stiftungsrechtsreform vorgelegt wurde. In dieser Ausgabe mit dem Schwerpunktthema Governance finden Sie unsere Position dazu. Natürlich werden wir den weiteren Gesetzgebungsprozess intensiv begleiten und Sie dazu auf dem Laufenden halten. Und ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen – zur Stiftungsrechtsreform wie zu allen anderen Stiftungsthemen, die Ihnen wichtig sind. Foto: David Ausserhofer Ihre Kirsten Hommelhoff Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
8 62 Fotos: Detlef Eden (50), Baden-Württemberg Stiftung gGmbH (74), Dr. Mario Schulz (8). Viola Roehr-v. Alvensleben, München (62), Illustration: Thomas Fuchs 2 74 STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Inhalt 50 Stiftungsinfo Servicebeilage exklusiv für unsere Mitglieder Stiftungsinfo Herbst 2020 2 Warum Compliance auch für Stiftungen so wichtig ist 5 Weshalb sich Evaluation in doppelter Hinsicht auszahlt 20 Zu welchen Resultaten die virtuelle Mitgliederversammlung geführt hat Die Illustrationen auf dem Cover und im Heft hat der Illustrator Thomas Fuchs für uns gestaltet. www.thomasfuchs.com STIFTUNGSINFO Unsere Mitglieder erhalten zu jeder Stiftungswelt diese hilfreiche Servicebeilage.
Inhalt Stiftungswelt Herbst 2020 6 – 49 Titel Auf Kurs 1 Intro 38 Stiften von Anfang an Weshalb die Herkunft 4 Panorama des Stiftungsvermögens eine Rolle spielt 41 Die SKala-Initiative: Philanthropie neu ge Titel dacht? Eine Bilanz aus Sicht zweier Geförderter 8 Stiftung auf der grünen Wiese Katarina 45 Plädoyer für eine faire Stiftung Wie koopera- Peranić und Jan Holze, Gründungsvorstände der tive Führungsmodelle die Governance beleben Deutschen Stiftung für Engagement und Ehren- 47 Stiftungen embedded Warum Netzwerke und 3 amt, im Gespräch Kooperationen so wichtig sind 14 Auf Kurs? Wird der Referentenentwurf zur STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Inhalt Stiftungsrechtsreform den Erwartungen gerecht? 50 „Wir haben uns etwas sagen zu lassen“ 16 Was jede Stiftung über Governance wissen Interview mit Paul Spies und Idil Efe vom sollte Experte Stephan Schauhoff über Rahmen- Stadmuseum Berlin bedingungen und Gestaltungsspielräume 58 Gemeinsamer Sprung ins kalte Wasser 19 Gemeinnützige Gemengelagen Warum eine Das fünfte ThinkLab im Corona-Stresstest Reform des Gemeinnützigkeitsrechts so nötig ist 62 Kunst ist für alle da Ein Porträt der Ernst von 21 Mehr Rechtssicherheit, weniger Büro Siemens Kunststiftung kratie! Forderungen des Bundesverbandes an 66 Die Alle-an-einen-Tisch-Bringer Wie die Ini- eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts tiative ProjectTogether Wirkung potenzieren will 24 „Das ist ein ganz dickes Brett“ Der 68 „Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Bundestags-Unterausschuss Bürgerschaftliches menschlichen Zivilisation“ Stifter Michael Engagement im Porträt Succow über Naturschutz seit dem Mauerfall 27 Austauschforum zu steuerrechtlichen Fra gen Über den Arbeitskreis Stiftungssteuerrecht 70 Personalia 28 Gesprächsbereit in Brüssel Kommt ein 74 Meldungen Binnenmarkt für europäische Philanthropie? 78 Medien 32 „Hilfreicher Kompass“ oder „viel zu poli 82 Exklusiv für Mitglieder tisch“? Stimmen unserer Mitglieder zu den 83 Outro/Impressum erweiterten Grundätzen guter Stiftungspraxis 84 Abgestaubt 35 Mehr Offenheit wagen Warum sich Transpa- renz auch für Stiftungen lohnt
Panorama Anstifter Klimaleitfaden für Klimawandel Stiftungen Wie jede Stiftung Teil der Lösung wird Das Sozialunternehmen Active Philanthropy hat gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen den Leitfaden „Klimawandel – Wie jede Stiftung Teil der Lösung wird“ veröffentlicht. Er zeigt Wege auf, wie Stiftungen mit ihrer Arbeit zur Bekämpfung des Klimawan- dels beitragen können, und thematisiert dabei die fünf Kern- bereiche Demokratie, Gesundheit, Benachteiligte Gruppen, Bildung und Naturschutz. An Fallbeispielen diverser Stiftun- gen wird illustriert, wie diese Klimaperspektive in das Förder- portfolio von Stiftungen integriert werden kann. „Wenn Stiftun- gen die Klimarisiken ignorieren, untergraben sie langfristig ihre Anstrengungen und den Erfolg ihrer Förderprojekte“, kommen- tierte Dr. Felicitas von Peter von Active Philanthropy das Anlie- gen der Publikation. 4 »Philanthropy support STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Panorama organisations can no longer be just membership- organisations representing some interest group.« Carola Carazzone, Generalsekretärin des italienischen Stiftungsverbandes Assifero und Vorstands mitglied bei DAFNE (Donors and Foundations Networks in Europe), im Podcast Giving Thought. 3.000 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts fördern Studierende sowie den wissenschaftlichen und künstleri- schen Nachwuchs monetär, materiell und/oder ideell. Quelle: Datenbank Deutscher Stiftungen
Meistgelesen auf stiftungen.org Drei Fragen an Stephanie Klaas Bürgerstiftung Gronau Udo Lindenberg ist ein Kind der Stadt Gronau. Schon mal persönlich getroffen? Drei Mal: 2007 hat Udo in Gronau ein Konzert gegeben. Dann – ganz typisch – die Begegnung im Ham- Wie Stiftungen gegen Verschwörungs burger Hotel Atlantic an der Bar. Die mythen und Fake News kämpfen schönste Begegnung war in Gronau in ei- nem Restaurant. Udo war ebenfalls dort Fotos: Active Philanthropy (Cover Klimawandel), roobcio - adobe.stock (Fake News), Николай Крапивин/Adobe.Stock (EU Ratspräsidentschaft), Alexander Limbach/Adobe Stock (Corona-Pandemie), privat (Porträt Klaas) Stiftungen wirken vielfältig für Fakten und Sachlichkeit und gegen und kam im Verlauf des Abends zu un- Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Diese Tipps helfen serem Tisch und unterhielt sich mit mei- Ihnen beim Umgang mit Fake News. www.stiftungen.org/fake-news nem Schwiegervater. Die beiden kannten sich von früher. In Gronau ist Eierlikör das große Ding. Was hat es damit auf sich? Auch Udo liebt ja Eierlikör. Direkt bei der Gründungsversammlung unserer Bürgerstiftung kamen zwei Kolleginnen auf die Idee, Eierlikör auf dem Weih- nachtsmarkt zu verkaufen. Es wurde ein Riesenerfolg. Mittlerweile gibt es ei- „Ein starkes Europa nach der Krise wird ne feste Gruppe von zehn Frauen – die nur mit dem Dritten Sektor gelingen!“ „Weihnachtsengel“. Jedes Jahr produzie- ren wir etwa 800 Flaschen Eierlikör, die 5 Am 1. Juli 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft über- uns auf dem Weihnachtsmarkt gerade- STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Panorama nommen. Wir sprachen mit Marie-Alix Ebner von Eschenbach da- zu aus den Händen gerissen werden. Das rüber, wie viel Zivilgesellschaft im Ratspräsidentschaftsprogramm Rezept des Eierlikörs bleibt aber geheim. steckt und welche Signale Deutschland auf europäischer Ebene für Stiftungen geben sollte. www.stiftungen.org/eu-ratspraesidentschaft Ihr Lieblingsprojekt der Bürgerstif tung? Mein jüngstes Lieblingsprojekt ist der „Seniorenwunschbaum“. Senioren, die Unterstützung bedurften, konnten einen Wunsch notieren, den jemand aus der Bürgerschaft dann anonym erfüllte. Die Gronauer Bürger haben uns dabei so toll unterstützt, dass schon am ersten Tag keine Wünsche mehr offen blieben. ← Welche Themen beschäftigen Stiftungs aufsichten in der Corona-Pandemie? Welche Implikationen hat Corona derzeit für die Stiftungsfreudig- keit in einzelnen Bundesländern? Welche Anliegen und Fragen rich- ten Stiftungen in der Pandemie an ihre Aufsichten? Wir haben nach- Stephanie Klaas ist im Vorstand der gefragt. www.stiftungen.org/stiftungsaufsichten-corona Bürgerstiftung Gronau.
Endlich: Die Stiftungsrechtsreform steht in den Startlöchern. Und die Erwartungen sind hoch. Denn gute gesetzliche Rahmenbedingungen sind der Nährboden für das Gedeihen des Stiftungssektors. Doch damit allein ist es nicht getan. Damit die Saat aufgeht, muss jede Stiftung ihr Feld auch selbst bestellen. Good Governance heißt das Zauberwort. Doch was heißt das konkret? Was braucht es, damit Stiftungen aufblühen und ihre volle Wirkung entfalten können? Wir haben nachgefragt – und einige Antworten gefunden.
Stiftung auf der grünen Wiese Seit Juni gibt es sie nun, die groß angekündigte Deutsche Stiftung für Enga- gement und Ehrenamt (DSEE). Die Erwartungen im Sektor sind immens – ebenso wie die Sorgen. Mit den Gründungsvorständen Katarina Peranić und Jan Holze sprachen wir über das Vermeiden von Doppelstrukturen und das bundesweite Wirken aus der ehemaligen Residenzstadt Neustrelitz 8 STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance → Neustrelitz Ende Juli. Die Entscheidung für die mecklen- Das alles macht einen offenen, dynamischen und ja, auch agi- burgische Mittelstadt als Stiftungssitz ist ein doppeltes Bekennt- len Eindruck. Und es dient einem Ziel: Sie wollen herausfinden, nis: zur Stärkung des ländlichen Raums einerseits, zu den neuen wie die Arbeit der DSEE nun eigentlich aussehen soll. Bundesländern andererseits. Noch wird der künftige Stiftungs- sitz, das Carolinenpalais am Neustrelitzer Schlossgarten, sa- Stiftungswelt: Frau Peranić, Herr Holze, erst einmal niert. Deshalb hat das Vorstandsduo vorerst in einem Gebäude herzlichen Glückwunsch zu der überaus spannenden am Rande der Stadt seinen Arbeitsplatz aufgeschlagen. Bisher Aufgabe, die Ihnen beiden übertragen wurde. Das In sind die Räume provisorischer Natur, Klapptische dienen als teresse an der neuen Stiftung ist groß. Zeigt sich das Schreibtische, Plastikstühle als Sitzgelegenheiten. Einen Inter- auch an der Zahl der eingegangenen Bewerbungen? netanschluss gibt es noch nicht, dafür Soljanka mit viel Fleisch Katarina Peranić:Ja, die positive Resonanz hat uns durch- aus der hausinternen Kantine. Doch das wird sich bald ändern: aus überrascht. Für die ersten zehn ausgeschriebenen Stel- Bis zu 75 Mitarbeitende sollen im Laufe der kommenden Jah- len haben wir über 800 Bewerbungen aus dem ganzen re für die Stiftung tätig sein. Die ersten Gehversuche des neuen Bundesgebiet bekommen, darunter viele spannende Men- Stiftungsschwergewichts wirken vielversprechend: Auf Twitter schen mit großer Fachexpertise. Jetzt geht es in den Sich- hat seine Doppelspitze früh dazu aufgerufen, ihr Lücken und tungsprozess und auch schon in die ersten Gespräche. Bedarfe in den Bereichen Engagement und Ehrenamt mitzu- teilen – mit bemerkenswerter Resonanz. Kurze Videos doku- mentieren eine Vielzahl von Gesprächen, die die beiden mit un- terschiedlichsten Akteuren der Engagement-Landschaft führen.
An Ihrer Seite haben Sie gleich drei Ministerien. Das Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement zeigt, dass Engagement in der Bundesregierung ein hat die Entstehung der Stiftung intensiv begleitet. Querschnittsthema ist. Ist das noch zeitgemäß oder Welche Rolle wird der Ausschuss künftig für die Stif braucht es für dieses Thema nicht ein eigenes Enga tung spielen? gement-Ministerium? Holze:Das Thema der Stiftungsentstehung wurde mehr- Jan Holze:Ich freue mich darüber, dass sich gleich mehre- fach im Unterausschuss behandelt. Ich selbst durfte damals re Ministerien innerhalb der Bundesregierung in der Stif- als Vertreter der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpom- tung engagieren. Das ist gut und wichtig. Es zeigt, welche mern meine Erfahrungen einbringen. Meines Erachtens Bedeutung die Themen Ehrenamt und Engagement inner- war die Rolle des Unterausschusses im Entstehungsprozess halb der Bundesregierung genießen. Außerdem wird damit jederzeit konstruktiv. In Zukunft streben wir eine enge und auch deutlich, wie vielfältig Ehrenamt und Engagement in- partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Allerdings würde nerhalb der Gesellschaft tatsächlich sind und wo überall ich mir wünschen, dass der Unterausschuss noch mehr Berührungspunkte zu Politik und Verwaltung liegen. Bei Kraft entfalten kann, indem er zukünftig zu einem Voll- der Vielfalt der Themenfelder, die ehrenamtlich beackert ausschuss wird mit echten Entscheidungskompetenzen. werden, würde es gekünstelt wirken, wenn man neben den Arbeitsbereichen in den Ministerien noch ein eigenes En- Die Gründung der Stiftung wurde in Teilen der Zivilge gagement-Ministerium betreiben würde. sellschaft kritisch begleitet, vor allem was die Rechts form als Bundesstiftung angeht. Ist eine öffentlich- Neben dem Familien- und dem Innenministerium ist rechtliche Stiftung die geeignetste Organisations auch das Landwirtschaftsministerium für die Stiftung struktur für die vor Ihnen liegenden Aufgaben? zuständig. Werden Sie darüber hinaus auch mit ande Holze:Was die Engagement-Landschaft angeht, können ren Ministerien zusammenarbeiten, zum Beispiel mit wir feststellen, dass sie bereits sehr breit und vielfältig un- dem Auswärtigen Amt und seinen Freiwilligendiensten? terstützt wird. Mit unserer Stiftung hingegen ist vor allem Holze:Da wir beide nicht in den Entstehungsprozess der das Ansinnen verbunden, auf Bundesebene einen Player Stiftung und des Stiftungsrates eingebunden waren, wis- als Kompetenz- und Servicestelle für Ehrenamt und Enga- sen wir nicht, wie es zu dieser Auswahl gekommen ist. In gement aufzubauen. Ich glaube, dass sich dadurch die be- Zukunft kann ich mir natürlich auch eine Zusammenarbeit stehenden Strukturen gut ergänzen lassen. Was die konkre- mit anderen Ministerien vorstellen. Der Auslandsfreiwil- te Ausgestaltung als öffentlich-rechtliche Stiftung angeht: ligendienst weltwärts ist aus meiner Sicht sehr gut bei En- Jede rechtliche Stiftungskonstruktion hat ihre Vor- und gagement Global aufgehoben. Uns geht es primär um das Nachteile. Wir werden diese Konstruktion so aufstellen, 9 Engagement in Deutschland. Deshalb werden wir schauen, dass möglichst viel Mehrwert bei den Engagierten in unse- STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance welche Querschnittsleistungen und welchen Wissenstrans- rem Land ankommt. fer wir mit anderen Institutionen auf Bundes-, Landes- und Peranić:Aus meiner Sicht ist die Rechtsform der Stiftung kommunaler Ebene erzielen können. bestens geeignet, um wirklich nachhaltig Unterstützungs- Foto: Dr. Mario Schulz. Illustration vorherige Doppelseite: Thomas Fuchs → Katarina Peranić vor einer Wand mit To-do- Zetteln. Noch nicht alle ihre Pläne dürfen jetzt schon verraten werden.
setzung des Stiftungsrates, der nicht alle Akteure im Feld berücksichtigen würde. Wie reagieren Sie darauf? Holze:Einerseits ist die Zivilgesellschaft im Stiftungsrat mit neun Personen vertreten – das ist wichtig und gut so. maßnahmen im Sinne der Engagierten zu etablieren und Zum anderen ist uns über das Errichtungsgesetz der Stif- Anlaufstelle zu sein, die gerade ländliche, strukturschwa- tung die Möglichkeit gegeben, entsprechende Fachbeiräte che Regionen unterstützt. Das ist keine Aufgabe, die man zu bilden, und da wollen wir natürlich noch mehr Bereiche in einem Jahr wuppt, dafür braucht es einen langen Atem. der Zivilgesellschaft abbilden. Nicht nur Verbände, son- dern auch die Vielfalt der Vereine, die Vielfalt der Stiftun- Sie bringen beide viele Jahre Erfahrung im Stiftungs gen und auch die Vielfalt des nicht gebundenen, des nicht sektor mit. Woran mangelt es im deutschen Stif institutionalisierten Ehrenamtes. Es geht uns nicht darum, tungswesen? vorhandene Dinge neu zu erfinden. Deshalb rufen wir da- Holze:Zum einen muss die Stiftungsrechtsreform endlich zu auf, auf uns zuzukommen, uns Problemlagen und He kommen, und ich glaube auch, sie wird kommen. Die Ar- rausforderungen mitzuteilen und uns zu Vor-Ort-Besu- beit von Stiftungen wird durch diverse rechtliche Hürden er- chen und -Gesprächen einzuladen. Wir wollen nicht in schwert, die letztendlich auch das Engagement und das Eh- Neustrelitz sitzen und warten, bis jemand anruft, sondern renamt lähmen. Wir werden uns für die Reform einsetzen, die Menschen, die sich vor Ort engagieren, kennenlernen. indem wir darauf hinweisen, wie notwendig es ist, Flexibili- Peranić:Einfluss auf die Zusammensetzung des Stiftungs- sierungen, Klarstellungen und Transparenz zu schaffen, da- rates hatten wir als Vorstände natürlich nicht. Das ist ja un- mit Stiftungen in Zukunft mehr Handlungssicherheit haben ser Aufsichts- und Kontrollgremium. Uns beiden ist es sehr und entsprechend krisenfest aufgestellt sind. Der Bundes- wichtig, auch mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen, verband Deutscher Stiftungen ist uns da ein idealer Partner. die nicht im Stiftungsrat vertreten sind. Wir möchten par- Peranić:Aus meiner Erfahrung als Vorständin bei der Stif- tizipative Angebote zur Gestaltung der Stiftung machen. tung Bürgermut sind mir die diversen Probleme von Stiftun- Gute Angebote kann man nur entwickeln, wenn man den- gen durchaus bewusst. Ich glaube auch, dass die Stiftungs- jenigen zuhört, die den Bedarf haben, um sie dann gemein- rechtsreform ganz wichtig ist, um den Handlungsspielraum sam zu entwickeln. von Stiftungen zu erweitern. Spannend finde ich dabei vor allem das Thema Fusionen. Häufig sind viele Organisatio- Auf welchen Kanälen wollen Sie den Dialog mit der nen auf ähnlichen Themenfeldern unterwegs. Da fände ich Engagement-Szene führen? 10 es gut, wenn es einen stärkeren Wissenstransfer gäbe. Peranić:Wir können uns die ganze Bandbreite von ana- Holze:Eine große Bedeutung hat zudem das Thema Ent- logen wie digitalen Formaten und Medien vorstellen. Und STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance bürokratisierung. Das geht ja die gesamte Zivilgesellschaft, natürlich treffen wir uns auch ganz physisch mit Menschen vor allem aber auch den Stiftungssektor an. Immer wie- – aktuell noch mit Abstand. Wenn wir allerdings Anfragen der muss danach geschaut werden, wie die Arbeit der Stif- von einzelnen Organisationen haben, die im gleichen The- tungen erleichtert werden kann. Ich denke da an die EU- menfeld unterwegs sind, möchten wir diese gerne zusam- Datenschutzgrundverordnung oder an die Möglichkeit von men an einen Tisch bringen. So verstehen wir die Facetten Kooperationen. Bei Letzteren bestehen im Gemeinnützig- eines Themas besser und kommen intensiver ins Gespräch. keitsrecht viele Unklarheiten. Auf der anderen Seite müs- sen wir viel mehr Anerkennung schaffen für das, was Stif- Schauen wir kurz nach innen: Sie treten als Doppel tungen tagtäglich tun. spitze an. Wie wollen und wie können Sie das Haus führen? Der Bundesverband hat die Einrichtung der Engage Peranić:Jan Holze ist ein toller Kollege. Offiziell arbei- ment-Stiftung lange gefordert, zugleich aber gemahnt, ten wir seit zehn Tagen zusammen. Inoffiziell sind wir in dass sie für und nicht gegen die Engagierten errichtet Kontakt, seit verkündet wurde, dass wir die Gründungsvor- wird. Ein Kritikpunkt bezog sich auf die Zusammen stände werden. In der Anfangsphase arbeiten wir vor allem digital zusammen. Dabei nutzen wir natürlich die ganze Bandbreite an digitalen Tools. Wir beide sind es gewohnt, remote und kollaborativ zu arbeiten. Holze:Ich habe die Zusammenarbeit mit Katarina Peranić als sehr partnerschaftlich und kooperativ erlebt. Wir wer- den einen solchen Führungsstil auch in dieser Stiftung ent- wickeln. Gerade im Anfangsprozess ist es uns wichtig, ge-
ist das Bewerbungsverfahren. Nun geht es in die Gesprä- che. Es ist gerade viel operativer Aufbau. Holze:Und wir möchten uns bekannt machen. Es ist nicht so, dass wir uns in den ersten 100 Tagen hier einschließen werden und am Ende mit irgendwas nach außen treten. Wir wollen uns durchaus in der Bundesrepublik umtun und vor Ort mit den Ehrenamtlichen sprechen. Wir neh- men ein großes Interesse an unserer Arbeit wahr und das werden wir nutzen, um verschiedenste Interessengruppen frühzeitig einzubinden. Ein Aufgabenschwerpunkt der Stiftung soll die Förde rung der Digitalisierung sein. Wie kann das Ehrenamt in Deutschland digitaler werden? Peranić:Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pan- demie und der deutlich gewordenen Erfordernisse beab- sichtigt die Stiftung 2020, Engagierte und ehrenamtlich Aktive in Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung sichtbar zu stärken und so ein erstes Zeichen als zentrale bundesweite Anlaufstelle zu setzen. In meinen vorherigen Berufsjahren habe ich auch festgestellt, dass es zivilgesell- schaftlichen Organisationen häufig an Daten(-kompetenz) WENIGER BÜROKRATIE als Entscheidungsgrundlage mangelt, Stichwort: Open Da- Das Dickicht von rechtlichen Regeln ta. Viele wissen nicht, wo und wie sie Daten finden kön- macht es Stiftungen oft unnötig schwer. Eine Vereinfachung von Stiftungs- und nen, um beispielsweise zu ermitteln, wie sie in ihrem Enga- Gemeinnützigkeitsrecht würde ihre gementfeld wirkungsvoll unterstützen können. Ich denke, 11 Arbeit deutlich erleichtern. dass die Stiftung hier ansetzen und unter anderem solche STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance Daten in Zukunft zur Verfügung stellen und Engagierte da- bei unterstützen kann, die Daten auch richtig anzuwenden und auszuwerten. Das ist nichts, was wir in den nächsten meinsam entsprechende Entscheidungen auf den Weg zu zwei Monaten aufstellen können, aber langfristig müssen bringen. Deshalb wollen wir nicht gleich Arbeitsbereiche wir auch über dieses Thema sprechen. aufteilen, sondern die Stiftung erstmal ins Laufen bringen. Da müssen wir an einem Strang ziehen, und das tun wir. Deutschland wird immer mehr zu einem Exilort für gemeinnütziges Engagement. Letztes Jahr sind et Eine beliebte Politik-Frage ist die nach dem 100-Tage- wa die Open Society Foundations aus Budapest nach Plan. Was steht auf Ihrer Liste? Berlin umgezogen, weil sie von der Orbán-Regierung Peranić:Erstmal haben wir jetzt den Ort bezogen, an dem in ihrer Arbeit massiv behindert und eingeschränkt wir wirken wollen. Wichtig ist nun, dass wir sehr schnell wurden. Werden in die Förderungen Ihrer Stiftung die neuen Kolleginnen und Kollegen hier in Neustrelitz be- auch ausländische Organisationen einbezogen? grüßen. Ein erster Meilenstein, der bereits hinter uns liegt, Peranić:Die Stiftungen suchen ein neues Zuhause hier in Deutschland, weil der Wind in den Ländern, in denen sie aktiv waren, rauer geworden ist. Der Austausch über gesell- schaftlichen Zusammenhalt und darüber, wie Zivilgesell- Illustration: Thomas Fuchs schaft auch kippen kann – an so einem Dialog bin ich sehr interessiert. Wir möchten nicht, dass so etwas hierzulande passiert. Auch das ist ein Auftrag an die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
→ Jan Holze blickt nicht nur in die Zukunft von Engagement und Ehren amt – sondern von seinem Schreibtisch aus auch in die mecklenburgischen Kiefernwälder. Die Förderung von Demokratie ist ein Langzeitpro hen, welche Strukturen und Maßnahmen für welche Re- jekt. Aber gerade Organisationen und Vereine, die gionen die besten sind. Die Engagement-Landschaft muss sich für die Stärkung der Demokratie engagieren, be zu den Menschen passen, die vor Ort sind. Das muss sich klagen oft, dass sie sich von einem Projekt zum an organisch und ohne die Schaffung von Doppelstrukturen deren hangeln müssen, mit all den bekannten Heraus entwickeln. Hieran werden wir arbeiten. forderungen und Hürden. Was kann und was wird Ihre Peranić:Das ist eine total spannende Frage, die uns auch bei Stiftung gegen die „Projektitis“ tun, die zu Recht von der Stiftung Bürgermut umgetrieben hat. Ich kann mir sehr vielen Engagierten beklagt wird? gut vorstellen, dass die Deutsche Stiftung für Engagement Peranić:Ich glaube, hier können wir eine vermittelnde und Ehrenamt hier eine Maklerfunktion erfüllen kann. Es Rolle zwischen Förderpartnern einnehmen, weil es Projek ist nicht nur so, dass aufseiten der Förderpartner Unwissen titis häufig aufgrund von Finanzierungsvorgaben gibt. Das herrscht. Es gibt umgekehrt auf der Seite derjenigen, die 12 kenne ich aus meiner Arbeit bei der Stiftung Bürgermut. nach Unterstützung suchen, häufig nicht das notwendige Dort bin ich mit über 5.000 Gründerinnen und Gründern Wissen oder Kontakte, wo Unterstützung angeboten wird. STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance in Kontakt gekommen, die sich häufig nur über Projekte fi- Es ist auch ein Auftrag der Stiftung, hier für Transparenz zu nanzieren konnten, obwohl sie eigentlich ihren wirkungs- sorgen und eben die Funktion als Anlaufstelle zu erfüllen. vollen Ansatz in die Fläche bringen wollten. Wenn wir hier Holze:Wir werden auf jeden Fall Strukturen entwickeln, mit ganz unterschiedlichen Förderpartnern in einen guten um großen Förderstiftungen aus Westdeutschland oder Dialog kommen und dafür werben, dass es durchaus sinn- dem Ausland die Möglichkeit zu bieten, sich in Ost- voll ist, in Overhead zu investieren, wäre das für mich per- deutschland zu engagieren. Wir wollen Engagierte und sönlich ein ganz großer Erfolg. Stiftungen zusammenbringen, und so zu einer Win-win- Situation beitragen. Und vielleicht war das ja auch der An- Die neue Bundesstiftung ist ein Ergebnis der Arbeit satz des Stiftungsrates, eine Person im Stiftungsvorstand der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, mit einem ostdeutschen Background und einem entspre- die dabei vor allem die Förderung strukturschwacher chenden Netzwerk zu haben. und ländlicher Regionen im Blick hatte. Abgesehen von Berlin und einigen wenigen Oberzentren gelten Mit der neuen Ehrenamtsstiftung gibt es nun so etwas alle ostdeutschen Länder als strukturschwache Re wie eine Engagement-Architektur in Deutschland, die gionen. Wie kann es vor diesem Hintergrund gelingen, sich über die Bundes- und Landesebene bis ins Regio das strukturelle und auch finanzielle Ehrenamts-Gap nale hineinzieht. Auf regionaler Ebene sind es unter zwischen Ost und West zu schließen? anderen die rund 400 Bürgerstiftungen, die sich für Holze:Es ist natürlich ein politisches Signal, die Stiftung bürgerschaftliches Engagement starkmachen. Wie nach Neustrelitz zu setzen, nach Ostdeutschland und in stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit dem Bündnis den ländlichen Raum. Darin sehen wir auch einen Auftrag der Bürgerstiftungen vor, um Engagierte und Ehren für uns. Eine wichtige Aufgabe wird sein, genau zu verste- amtliche vor Ort optimal zu unterstützen?
Holze:Bürgerstiftungen sind eine ganz wichtige Säule für vorhanden sind als solches nicht mehr passgenau sind, das lokale Engagement vor Ort. Das erleben wir immer wie- um den Bedürfnissen und den Lebenswelten von jungen der und überall in Deutschland. Deswegen ist das Bündnis Menschen entgegenzukommen. Insofern ist es ein Auftrag der Bürgerstiftungen natürlich ein wichtiger Partner für uns, an uns alle, nicht nur an die Stiftungen, sondern auch an mit dem wir immer wieder gerne zusammenarbeiten. Was die etablierten zivilgesellschaftlichen Strukturen, darüber die Architektur angeht, würde ich mich ungern in vorge- nachzudenken, wie man sich darauf einstellt. Auf Vereins- setzte Raster pressen lassen. Uns geht es darum, Engage- oder Kreisebene gibt es wunderbare Modelle, wie man jun- ment zu unterstützen. Und wenn es dafür notwendig ist, ge Menschen flexibel ins Engagement einbinden kann. dass ein Verein, der 15 Mitglieder zählt, bei uns anruft, um sein Problem zu klären, dann werden wir ihm natürlich Haben Sie Beispiele? helfen. Wir sehen unsere Rolle nicht darin zu sagen, dass Holze:In der Sportwelt gibt es die sogenannten Junior- wir die Bundesebene sind und deswegen nur mit den bun- teams mit projektgebundenen Engagements, bei denen desweit tätigen Organisationen zusammenarbeiten. man sich nicht sofort in ein Amt wählen lässt, sondern kurzfristig und flexibel dabei sein kann. Wenn man Gefal- Wie wird sich die DSEE auch im Stiftungswesen und len daran findet, steigt man stärker ein. Außerdem gibt es im Bundesverband selbst engagieren? Mentorenprogramme, wo Ältere, die schon lange im En- Holze:Zunächst einmal sind wir dankbar, dass der Bundes- gagement unterwegs sind, sich eines Jüngeren annehmen verband bei uns im Stiftungsrat mitwirkt und damit Impul- – und übrigens auch andersherum. Gerade in der Corona- se in die Arbeit der Bundesstiftung hineinträgt. Ich kenne Zeit zeigt sich, dass junge Menschen mit ihrem Know-how den Bundesverband durch meine frühere Tätigkeit bei der durchaus auch gestandene Menschen als Mentoren unter- Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern sehr gut. stützen können. Unsere Aufgabe wird sein, solche Modelle Wir haben beide gute Erfahrungen mit dem Bundesver- zu verbreiten, die Strukturen an die Hand zu nehmen oder band gemacht. uns mit an die Hand nehmen zu lassen. Die Anspruchs- Peranić:Umgekehrt wünschen wir uns natürlich auch, haltung auf der Ebene der Vereine gegenüber potenziell dass wir Unterstützung erhalten, sodass unsere Arbeit an Engagierten muss überprüft werden. Man muss aufeinan- der Basis ankommt und Stiftungen von den Angeboten un- der zugehen und überlegen: Muss es gleich die vierjährige serer Stiftung profitieren können. Amtsperiode als Schatzmeister sein oder kann man viel- leicht erst einmal nur Teile davon erledigen? So lassen sich Engagement findet gerade bei Jüngeren vermehrt junge Menschen sicher eher für ein Ehrenamt begeistern. außerhalb von klassischen Organisationsstrukturen Wenn wir hier für einen Bewusstseinswandel sorgen kön- 13 statt. Laut dem Dritten Engagementbericht des Bun nen, dann wäre ein Riesenschritt getan. ← STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance desfamilienministeriums sind knapp ein Drittel der Interview Dr. Mario Schulz* und Theo Starck jungen Erwachsenen informell engagiert. Wie wollen *Hinweis: Dr. Mario Schulz ist seit dem 1. Oktober 2020 für die Deutsche Sie dieser Entwicklung mit Ihrer Arbeit begegnen? Stiftung für Engagement und Ehrenamt tätig. Das Interview wurde vor dem Peranić:Wir haben das Thema auf dem Schirm. Wir wol- Wechsel geführt. len im Programm unserer Stiftung Nachwuchsförderung be- treiben und dabei neue Formate und Kommunikationswege ausprobieren, um diese Zielgruppen zu erreichen. Da freue ich mich drauf. Wir suchen nach geeigneten Wegen, um auch dieses Engagement bedarfsorientiert zu unterstützen. Das gilt es mit unterschiedlichen Partnern zu diskutieren. Holze:Zunächst einmal ist positiv festzustellen, dass junge Menschen weiterhin bereit sind, sich zu engagieren. Nun kann man daraus ablesen, dass vielleicht die Strukturen, wie sie derzeit im Ehrenamt und in der Zivilgesellschaft Über die Gesprächspartner Katarina Peranić ist Gründungs- vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE). Zuvor leitete sie als geschäftsführende Vorständin fast Fotos: Dr. Mario Schulz acht Jahre lang die Stiftung Bürgermut. Jan Holze ist ebenfalls Gründungsvorstand der DSEE und baute vorher als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied die Ehrenamtsstiftung des Landes Mecklen- burg-Vorpommern mit auf.
Auf Kurs? Seit Jahren drängt der Stiftungssektor auf eine Reform des Stiftungsrechts. Nun liegt der Referentenentwurf aus dem Haus von Justizministerin Christine Lambrecht vor. Doch wird er den Erwartungen gerecht? Eine Einordnung Von Kirsten Hommelhoff → Ende September 2020 hat das Bundesministerium der Einige Stimmen bewerten den Gesetzentwurf so kri- Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den lang erwar- tisch, dass sie ihn in Gänze ablehnen. Wir teilen im Grund- teten Gesetzesentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungs- satz diese Kritik, sind aber zuversichtlich, unsere Erfahrun- rechts vorgelegt. Zu verdanken ist dies auch dem Engage- gen aus der Praxis im Rahmen des Gesetzgebungsverfah- ment vieler Stiftungen im Rahmen der Kampagne „Stif- rens, das sich derzeit ganz am Anfang befindet, konstruktiv tungsrechtsreform jetzt!“ des Bundesverbandes Deutscher einbringen zu können. Stiftungen im Herbst 2019. Dass mit dem Referentenentwurf nun endlich das Welche Regelungen sollten geändert oder Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Stiftungsrechts nachgebessert werden? starten kann, ist ein großer Fortschritt für den Stiftungs- Dringenden Nachbesserungsbedarf sehen wir bei den 14 sektor. Denn dieser drängt seit Jahren auf ein Gesetz, das Grundsätzen des Stiftungsrechts: Die freie Gestaltung des mehr Rechtssicherheit und Flexibilität bietet. Stiftungsgeschäfts und die bewährte Auslegung des Stifter- STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance willens müssen erhalten und verbessert werden. Stiften ist Bringt der Referentenentwurf die erhofften ein höchst individueller Akt. Vor diesem Hintergrund sind Erleichterungen? die geplanten Regelungen zu starr. So soll in der Satzung Einige Forderungen des Bundesverbandes wurden erfüllt: – entgegen der bisherigen Praxis – künftig nur noch dann Der Referentenentwurf bringt mehr Rechtssicherheit durch von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden dür- ein einheitliches Bundesrecht. Zudem wird die tägliche Stif- fen, wenn dies ausdrücklich erlaubt ist. Stattdessen fordern tungsarbeit durch die Kodifizierung der Business Judgement wir – im Einklang mit der verfassungsrechtlich verankerten Rule, die Einführung eines Stiftungsregisters sowie einheitli- Privatautonomie –, dass Gestaltungsverbote nur dann gel- cher Regeln zur Zu- und Zusammenlegung verbessert. ten können, wenn sie ausdrücklich bestimmt sind. Mit Sorge hingegen sehen wir einige Regelungen, Die Auslegung des mutmaßlichen Stifterwillens die das Stiftungshandeln grundlos einschränken. Geplant wiederum ist essenziell, um die Handlungsfähigkeit der sind etwa Einschränkungen bei der Gestaltung von Stif- Stiftungen zu sichern. Sie muss erhalten bleiben. Stiftun- tungsgeschäft und Satzung. Zudem will das BMJV die gen sind für die Ewigkeit errichtet. Sie müssen sich entlang bewährte Regelung, den mutmaßlichen Stifterwillen als des mutmaßlichen Willens des Stifters fortentwickeln kön- Auslegungshilfe heranzuziehen, streichen. Einen solchen nen. Stiftende haben bei Errichtung ihrer Stiftung auf die- Rückschritt lehnen wir entschieden ab. sen Grundsatz vertraut und ihre Satzung entsprechend for- Zudem fehlen im Referentenentwurf wichtige Rege- muliert. Mit der geplanten Streichung des „mutmaßlichen lungen zur Vermögensverwaltung und zum Kapitalerhal- Willens“ würde die Satzung wesentlich starrer werden. Ei- tungsgrundsatz, die der Bundesverband mit Nachdruck ge- ner solch wesentlichen Änderung zu Lasten der Stiftungen fordert hatte. stellen wir uns entschieden entgegen.
Kernelemente einer Stiftung bleiben Nachhaltigkeit und Unveränderlichkeit. Darauf müssen sich Stiftende nach ihrem Tod verlassen können. Vor über 100 Jahren wurde da- Zu begrüßen ist auch, dass es voraussichtlich ab 2025 her die staatliche Garantie zum Erhalt des Stifterwillens ver- ein Stiftungsregister geben wird. Ein solches Register wird ankert. Entsprechend der damals gängigen Praxis, Stiftun- die Agilität der Stiftungen im Rechtsverkehr deutlich erhö- gen von Todes wegen zu errichten, wurde dabei allein auf hen, Transparenz schaffen und damit das Vertrauen der Ge- den Stifterwillen bei Errichtung abgestellt. Seitdem hat sich sellschaft in die Stiftungen stärken. Erfreulich ist zudem die das Stiften positiv entwickelt: Heute wird überwiegend zu Verknüpfung zwischen Transparenz- und Stiftungsregister. Lebzeiten gestiftet. Deshalb ist es bei Auslegung des Stifter- Der geplante automatisierte Abruf der Daten aus dem Stif- willens geboten, neben dem Stiftungsgeschäft und den da- tungsregister wird den Verwaltungsaufwand reduzieren. Un- zugehörigen Dokumenten auch dem lebenden Stiftenden verhältnismäßig ist jedoch das umfassende Recht zur Ein- durch Anhörung mehr Bedeutung beizumessen. sichtnahme – auch in das Stiftungsgeschäft – für jedermann. Die neuen Regelungen zum Stiftungsvermögen und zur Vermögensverwaltung bieten nicht die dringend not- Wie kann das Stiftungsrecht zukunftsfähig wendige Flexibilität und Rechtssicherheit. Die geplanten gestaltet werden? strengen Regeln zur Surrogation und zum Verbrauch von Stiftungen brauchen praxisorientierte, unbürokratische Re- Umschichtungsgewinnen einerseits sowie die fehlende geln, die gleichzeitig die Privatautonomie des Stiftenden be- Konkretisierung des Kapitalerhalts andererseits schränken rücksichtigen. Die heutige Generation der Stiftenden möch- Stiftungen in Krisenzeiten wie der heutigen zu sehr ein. te ihr Handeln bereits zu Lebzeiten an einem guten Zweck Für eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung wird ein ausrichten – und sucht schon jetzt nach Alternativen zur weiter Ermessensspielraum benötigt. Der Verbrauch von klassischen Stiftung, wie sich jüngst wieder am Beispiel der Umschichtungsgewinnen zur Zweckverwirklichung ist – Initiative „Stiftung Verantwortungseigentum“ zeigte. gerade für Kapitalstiftungen – wichtig. Er sollte, sofern der Eine Modernisierung des Stiftungsrechts und vor al- Stifterwille dem nicht entgegensteht, erleichtert werden. lem die Erleichterung von Zweck- und Satzungsänderun- Auch vermissen wir eine Übergangsregelung, die es gen würden das Stiften wieder attraktiver machen. Konkret lebenden Stiftenden erlaubt, ihre Satzung einmalig an das denken wir an ein erleichtertes Änderungsrecht des Stiften- neue Recht anzupassen. Ohne eine solche Regelung wird den zu Lebzeiten, soweit nicht die gemeinnützige, kirchli- die Stiftungspraxis bestehender Stiftungen deutlich er- che oder mildtätige Zweckausrichtung betroffen ist, sowie schwert, etwa wenn die Verwendung von Umschichtungs- an die Erleichterung von Zweckänderungen in gesamtge- gewinnen in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt ist. sellschaftlichen Krisenzeiten. Auch ein Klagerecht von Or- 15 Zudem sollten Zweck- und Satzungsänderungen er- ganen oder Dritten mit berechtigtem Interesse im eigenen STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance leichtert werden, um die Handlungsfähigkeit der Stiftun- Namen zugunsten der Stiftung würde die Governance und gen zu erhöhen. Dies gilt auch bei der Umwandlung in eine Compliance wesentlich verbessern. Verbrauchsstiftung. Viele kleine Stiftungen befinden sich Auch weiterhin treten wir für eine Stiftung auf Zeit aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase in Not. Daher ein, sofern das Vermögen nach Zeitablauf im gemeinnüt- müssen die geplanten strengen Voraussetzungen gelockert zigen Geldkreislauf verbleibt. Die Unterschiede zur Ver- werden, um eine Umwandlung bereits dann zu ermögli- brauchsstiftung sind rechtlich unwesentlich, faktisch aber chen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse grundle- greifbar, da der selbstbestimmte Zeitrahmen die Attrakti- gend geändert haben und absehbar ist, dass die vom Stif- vität des Stiftens erhöht. ter gewählte Art der Zweckverwirklichung dauerhaft nicht Wir sehen im Referentenentwurf einige Verbesserun- mehr möglich ist. gen, aber leider auch unverhältnismäßige Verschärfungen Positiv ist, dass Stiftungen leichter Fusionen mit an- des Stiftungsrechts. Die Chance, es zu modernisieren, nutzt deren Stiftungen werden eingehen können, da unter an- er nicht. Ohne wesentliche Nachbesserungen wird die drin- derem bundesweit die Gesamtrechtsnachfolge eingeführt gend notwendige praxisnahe Reform nicht gelingen. Daher werden soll. Die vorgesehene wesentliche Übereinstim- werden wir uns im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mung der Zwecke schränkt die Auswahl passender Stif- weiterhin mit Nachdruck für ein modernes, flexibles und tungen allerdings zu sehr ein. Eine teilweise Übereinstim- zukunftsfähiges Stiftungsrecht einsetzen. ← mung der Zwecke muss hier ausreichen. → Die ausführliche Stellungnahme des Bundesver- bandes zum Referentenentwurf finden Sie auf un- serer Website unter www.stiftungen.org/position- stiftungsrechtsreform.
Was jede Stiftung über Governance wissen sollte Stiftungsrechtsexperte Prof. Dr. Stephan Schauhoff über rechtliche Rahmenbedingungen und stiftungsinterne Gestaltungsspielräume Stiftungswelt: Herr Professor Schauhoff, was kommt Der dritte Aspekt betrifft das Thema Vermögens- Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie das Wort „Go anlage. Im Sinne guter Governance stellt sich für Stiftun- vernance“ im Stiftungskontext hören? gen die Frage, wie sie mit dem gestifteten Vermögen ge- Prof. Dr. Stephan Schauhoff: Das ist ein weites Feld. Im nug Erträge erwirtschaften können, um einerseits das Ver- juristischen Sinn umfasst Governance den Umgang mit al- mögen zu erhalten und andererseits den satzungsgemäßen len Fragestellungen, Regeln und Rechtsvorgaben, an die Zweck zu erfüllen. Hierzu ist eine Abwägung der Chancen sich Stiftungen zu halten haben. Im Rahmen der juristi- und Risiken, die in jeder Vermögensanlage stecken, nötig. schen Vorgaben sind dann durch die zuständigen Stiftungs- Good Governance bedeutet an dieser Stelle, dass eine Stif- gremien die geschäftsleitenden Entscheidungen zu treffen. tung eine Vermögensanlagerichtlinie hat, die klar macht, welche Chancen- und Risikoneigung der Anlagestrategie Was braucht es für Good Governance in Stiftungen? der Stiftung zugrunde liegt. Bei Anlageentscheidungen, 16 Rechtliche Grundlage sind drei zentrale Aspekte: Der aller- auch des Vermögensverwalters, sollte geprüft werden kön- erste Schritt ist, dass Stiftungen sich bewusst machen, in wel- nen, ob diese sich im selbst gesetzten Rahmen bewegen. STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance chem Rahmen sie sich bewegen und welche rechtlichen Re- Spekulation ist für Stiftungen übrigens generell ver- geln für sie gelten. Ihre gesamte Tätigkeit muss darauf gerich- boten. Das bedeutet: Wenn bei einer Vermögensanlage im tet sein, die in der Satzung festgelegten – meist gemeinnüt- Moment der Investition nicht mit überwiegender Wahr- zigen – Zwecke zu verfolgen. Ausschließlich diese Zwecke scheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ei- dürfen gefördert werden. Stiftungen dürfen also nicht irgend- ne positive Rendite erwirtschaftet wird, hat diese Form der welche Nebenzwecke entwickeln. Dazu gibt es typischerwei- Anlage zu unterbleiben. se Förderrichtlinien, die die Arbeitsschwerpunkte definieren. Der nächste Punkt, der jeder Stiftung vertraut sein Erschwert das geltende Recht Good Governance in sollte: Alle Stiftungen sind dazu verpflichtet, ihr Vermögen Stiftungen? Sagen wir es einmal so: Das immer stärker dauerhaft zu erhalten. Ausnahmen gelten hier nur für Ver- wachsende Dickicht von rechtlichen Regeln, auch im Ge- brauchsstiftungen. Was es bedeutet, das Vermögen der Stif- meinnützigkeitsrecht, macht es Stiftungen nicht immer tung zu erhalten, ist durch Auslegung des Stifterwillens zu er- leicht. Und in manchen Bereichen herrscht im Moment mitteln. Genügt es, den Nominalwert zu erhalten? Muss ich Verunsicherung. Ein Beispiel ist die Debatte in Folge des die Inflation mit einkalkulieren? Wie lange muss an der Be- sogenannten Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes. In ih- teiligung am gestifteten Unternehmen festgehalten werden? rem Rahmen wird diskutiert, inwieweit Stiftungen politi- Die Antworten auf diese Fragen können je nach Stiftung ganz sche Meinungsäußerungen erlaubt sind. Dazu muss man unterschiedlich aussehen. Good Governance bedeutet hier, allerdings auch sagen, dass in der öffentlichen Wahrneh- dass ein Kapitalerhaltungskonzept vorliegt, aus dem sich er- mung die Verunsicherung deutlich größer zu sein scheint, gibt, wie die Regeln der Satzung verstanden werden. als sie der Rechtslage nach sein müsste. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die öffentliche Berichterstat- tung juristisch nicht immer ganz exakt ist. Grundsätzlich
ist gemeinnützigen Stiftungen eine politische Meinungs- äußerung in Verbindung mit dem jeweiligen Stiftungs- zweck erlaubt. Das war so, und das ist auch noch immer chend zu handeln. Sprich: Wenn man nicht genug weiß, so. Was nicht erlaubt ist, ist, dass der Zweck einer Stiftung muss man sich erkundigen, beispielsweise beim Mitglie- darin besteht, Politik zu betreiben. Politische Kampagnen, derservice des Bundesverbandes oder in den entsprechen- die auf allgemeinpolitische Veränderungen zielen, sind den Publikationen oder bei den Beratern der Stiftung. nach dem geltenden Gemeinnützigkeitsrecht nicht zuläs- sig. Man kann nun darüber diskutieren, ob diese Rege- Was kann mir denn im schlimmsten Fall passieren, lung richtig ist, und es gibt Stimmen, welche die rechtliche wenn ich gegen geltende Regeln verstoße? Das hängt Trennlinie gerne verschieben würden. von der Art des Verstoßes ab. Bei einer schuldhaft falschen Vermögensanlage oder einem Verstoß gegen den Kapital- Wir haben vor allem über Regelungen gesprochen, die erhaltungsgrundsatz können Organe unter Umständen mit durch den Gesetzgeber vorgegeben sind. Gibt es auch ihrem Privatvermögen haften. Gemeinnützigkeitsrechtlich individuelle Grenzen innerhalb von Stiftungen, die re kann ein einziger Verstoß gegen die Regeln dazu führen, levant für Good Governance sind? Die gibt es selbstver- dass das Finanzamt einer Stiftung die Gemeinnützigkeit ständlich auch. Ich werde gelegentlich mit der gutachterli- aberkennt – mit allen damit verbundenen Konsequenzen. chen Auslegung von Satzungsbestimmungen betraut, wenn Das Stiftungsrecht und das Gemeinnützigkeitsrecht erwar- bestimmte Stiftungsgremien – zum Beispiel ein Kuratorium ten nicht die erfolgreiche Vermögensanlage oder gemein- – vom Vorstand nicht im Sinne der Satzung in Entschei- nützige Maßnahme, aber dass vor der jeweiligen Entschei- dungsprozesse einbezogen wurden. Die Satzung einer Stif- dung auf Grundlage angemessener Informationen eine tung sollte klar regeln, wer welche Entscheidungen treffen vertretbare Entscheidung gefällt wurde und dies nachge- darf. Manches darf der Vorstand allein entscheiden. Für an- wiesen werden kann. dere Dinge braucht er die Zustimmung anderer Gremien. Wenn er das ignoriert und handelt, ohne einen neuen Be- Was können Stiftungen tun, die sich in dem Bereich schluss einzuholen, verstößt er gegen die Satzung, und die weiterentwickeln möchten? Die Deutsche Stiftungs- anderen Stakeholder sind verärgert. akademie bietet vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass nicht in al- Zum Beispiel kann man im zertifizierten Stiftungsmana- len Satzungen klar erkennbar ist, wer eigentlich was ent- ger-Lehrgang die nötigen Kenntnisse erwerben oder die scheiden darf. Zu Good Governance gehört folglich auch, Beratung des Bundesverbandes für seine Mitglieder nut- dass man sich eine Geschäftsordnung gibt, aus der eindeu- zen. Wesentlich ist natürlich auch, nicht nur den rechtli- 17 tig hervorgeht, wer welche Kompetenzen wofür hat. Da- chen Rahmen in den Blick zu nehmen. Stiftungen haben STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance nach hat man dafür zu sorgen, dass die entsprechenden vielfältige Möglichkeiten und einen breiten Ermessens- Berichtswege eingehalten werden und die nötigen Abstim- spielraum, was ihr Engagement angeht. Im Sinne von mungen stattfinden. Good Governance sollten auch die erweiterten Grundsätze guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes betrachtet wer- Nehmen Stiftungen das Thema Governance ernst ge den, die zwar keine verbindlichen Rechtsregeln aufstellen, nug, wie sind Ihre Erfahrungen? Es gibt Stiftungen, die aber die Best Practice darstellen, auf die sich die Mitglieder das Thema sehr ernst nehmen. Anderen ist die Bedeutung verständigt haben. ← Interview Esther Spang eventuell noch nicht ganz bewusst. Wie professionell eine Stiftung aufgestellt ist, lässt sich weder an der Größe ei- ner Stiftung festmachen noch am Bereich, in dem sie ak- tiv ist. Es gibt sehr kleine Stiftungen, die sich der rechtli- chen Rahmenbedingungen bis ins Detail bewusst sind, und große Stiftungen, die den Ist-Zustand verbessern könnten. Grundsätzlich gilt für alle: Unzureichendes Wissen ist bei Rechtsverstößen keine Ausrede. Über den Interviewpartner Prof. Dr. Stephan Schauhoff ist Unwissenheit schützt also auch Stiftungen nicht vor Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner der Foto: David Ausserhofer Strafe? Auf keinen Fall. Es ist keine Entschuldigung, wenn Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg am Standort Bonn sowie Honorarprofessor an der Universität Bonn. Von 2009 bis 2011 ich keine hinreichende Ahnung habe, was ich tue. Die war er im Beirat, seit 2011 gehört er dem Vorstand des Bundes- Rechtsordnung sagt klar, dass die Organe dazu verpflichtet verbandes Deutscher Stiftungen an. sind, sich über die Rechtslage zu informieren und entspre-
TRANSPARENZ Noch haben viele Stiftungen Bedenken, ihre Arbeit offenzulegen – doch es lohnt sich. Wer sich offen zeigt und aktiv informiert, wirkt sympathisch, glaubwürdig und modern.
Gemeinnützige Gemengelagen Nach dem Netzwerk Attac hat auch die Organisation Campact jüngst wegen zu großer politischer Einmischung den Status der Gemeinnützigkeit verloren. Prominente Fälle wie diese machen klar: Eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ist dringend nötig. Dabei sind die starken Einschränkungen tagespolitischer Arbeit nicht mal die größte Baustelle → Unterschriften sammeln, um den Wer wie Attac oder Campact Steuerprivilegien und obendrein häu- Regenwald zu retten – klingt erst ein- politische Forderungen ins Zentrum fig auch den Zugang zu öffentlichen mal nach einer guten Sache, förder- seines Tuns rückt, riskiert damit sei- Fördergeldern und Einrichtungen, lich für das Gemeinwohl. Sobald da- nen Status als gemeinnützig – und al- die ihnen ansonsten verwehrt blie- raus ein politisches Engagement wird, le damit einhergehenden Privilegien. ben. Hinzu kommt eine größere ge- ist die Sache aus Sicht der Finanzver- „Dadurch will der Gesetzgeber die sellschaftliche Glaubwürdigkeit. Un- waltung allerdings gar nicht mehr Abgrenzung zu Parteien und partei- term Strich haben es gemeinnützige eindeutig: Die Kampagnen-Organi- nahen Organisationen sicherstellen“, Stiftungen deutlich leichter, Drittmit- sation Campact, die mit solchen Ak- erklärt Tina Dubiel, Syndikusrechts- tel einzuwerben, ein Verlust des Sta- tionen an die Öffentlichkeit tritt, hat anwältin beim Bundesverband Deut- tus ist für die Betroffenen fatal. Die Ende vergangenen Jahres den Status scher Stiftungen. Das sei im Grund- Folge: Viele Stiftungen entscheiden der Gemeinnützigkeit verloren. Vo- satz durchaus sinnvoll, da gemeinnüt- sich dafür, im Zweifel öffentlich lieber rausgegangen war ein wegweisendes zige Körperschaften parteiunabhängig zu schweigen als sich in der Sache klar 19 Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). dem Allgemeinwohl dienen und nicht zu positionieren. Projektideen mit po- STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance Im Februar 2019 hatten die Richter bloß die Interessen einzelner Grup- litischem Einschlag lassen die meisten bereits dem globalisierungskritischen pen oder einer Minderheit vertreten ruhen. Das Attac-Urteil hat die Unsi- Netzwerk Attac die Gemeinnützig- sollen. cherheit verstärkt, beobachtet Stif- keit aberkannt und dabei auf die in tungs-Expertin Dubiel. der Abgabenordnung festgelegten 25 Reformvorschlag sorgt für Kritik Abhilfe schaffen könnte eine gemeinnützigen Zwecke verwiesen. Doch ab wann ist eine Forderung po- Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, Dem allgemeinen Wohl dienen dem- litisch – und wie viel Meinungsäuße- das die unklare Abtrennung von Ge- nach Vereine, Stiftungen und Organi- rung ist zu viel? Viele gemeinnützige meinnutz und allgemeinpolitischer sationen, die sich etwa für den Sport, Stiftungen sind seit dem BFH-Urteil Tätigkeit konkretisiert. Das Thema die Bildung oder die Forschung enga- verunsichert, erklärt Dubiel. Schließ- steht seit vielen Jahren auf der politi- gieren. Nicht aber solche, die sich all- lich beschert erst der Status der Ge- schen Agenda – allerdings mit mäßi- gemeinpolitisch einmischen. meinnützigkeit dem Träger wichtige gem Erfolg. So findet sich das Verspre- chen einer Reform auch im Koalitions- vertrag der amtierenden Bundesregie- rung, doch auf konkrete Maßnahmen haben sich Union und SPD noch nicht einigen können. Einen für Ende 2019 Illustration: Thomas Fuchs angekündigten Gesetzentwurf hatte das Bundesfinanzministerium wieder verworfen, nachdem dieser auf hefti- ge Kritik gestoßen war.
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