Stiftungswelt HERBST - Bundesverband Deutscher ...

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Stiftungswelt
                                                                                               HERBST
                                                                                                 2020

EHRENAMTSSTIFTUNG: Interview         STIFTUNGSRECHTSREFORM:           #BLACKLIVESMATTER: Das
mit Katarina Peranić und Jan Holze   Der Referentenentwurf im Check   Stadtmuseum Berlin zeigt Flagge

Auf Kurs
Wie der Sektor durch
Gesetzesreformen und
gutes Stiftungshandeln
Fahrt aufnehmen kann
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stiftungspartner

STIFTEN                HELFEN

Weil nicht nur zählt,
was zählbar ist.

In Zeiten von Negativzinsen haben die meisten klas-         waltung für Stiftungen breit über Anlageklassen und
sischen defensiven Kapitalanlagen ausgedient. Wenn          Wirtschaftsräume hinweg. Neben dem Kapitalerhalt
Sie eine professionelle, ertragsorientierte sowie risiko-   steht bei uns die Erwirtschaftung laufender Erträge im
bewusste Investmentlösung für Ihre Stiftung suchen,         Vordergrund. Und wir sind ein Partner, der für Werte
sollten Sie daher an unsere Lösung denken. Das An-          einsteht: Selbsthilfe, Förderauftrag, Nachhaltigkeit –
gebot ist auch für Privatanleger interessant, die so        alles genossenschaftliche Kernaufgaben.
anlegen möchten wie eine Stiftung. Wir investieren
mit unserer für anlegergerechte Transparenz- und            Mehr Informationen erhalten Sie bei Ihrer Volksbank
Informationspolitik ausgezeichneten Vermögensver-           Raiffeisenbank oder unter www.dz-privatbank.de
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Intro

                          Liebe Leserinnen und Leser,

                          die Corona-Krise hält auch den Stiftungssektor fest im Griff, und
                          die Herausforderungen, vor denen Stiftungen stehen, sind noch
                          größer geworden. Ich weiß um die Verantwortung, die es bedeutet,
                          in dieser Situation die Leitung von Europas größtem Stiftungsver-
                          band zu übernehmen. Zugleich freue ich mich sehr auf meine neue
                          Aufgabe: Was kann es Schöneres geben, als in meiner Funktion als
                          Generalsekretärin daran mitzuwirken, der Stimme der Stiftungen
                                                                                                        1
                          auch gegenüber der Politik mehr Gehör zu verschaffen?
                                Die politische Interessenvertretung ist mir sehr wichtig: Nur

                                                                                                STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Intro
                          wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessern, werden
                          vor allem kleine Stiftungen wieder Luft zum Atmen haben. Daher
                          ist es gut, dass Ende September endlich der Referentenentwurf zur
                          Stiftungsrechtsreform vorgelegt wurde. In dieser Ausgabe mit dem
                          Schwerpunktthema Governance finden Sie unsere Position dazu.
                          Natürlich werden wir den weiteren Gesetzgebungsprozess intensiv
                          begleiten und Sie dazu auf dem Laufenden halten. Und ich freue
                          mich auf den Austausch mit Ihnen – zur Stiftungsrechtsreform wie
                          zu allen anderen Stiftungsthemen, die Ihnen wichtig sind.
Foto: David Ausserhofer

                          Ihre Kirsten Hommelhoff
                          Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen
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8                                                                                                                  62

                                                                                                                                                                  Fotos: Detlef Eden (50), Baden-Württemberg Stiftung gGmbH (74), Dr. Mario Schulz (8). Viola Roehr-v. Alvensleben, München (62), Illustration: Thomas Fuchs
     2

                                                                                                     74
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Inhalt

                                                                                                             50
                                     Stiftungsinfo   Servicebeilage exklusiv für unsere Mitglieder

                                     Stiftungsinfo
                                     Herbst 2020

                                     2 Warum Compliance
                                     auch für Stiftungen so
                                     wichtig ist 5 Weshalb
                                     sich Evaluation in
                                     doppelter Hinsicht
                                     auszahlt 20 Zu welchen
                                     Resultaten die virtuelle
                                     Mitgliederversammlung
                                     geführt hat
                                                                                                          Die Illustrationen auf dem Cover und im Heft hat
                                                                                                          der Illustrator Thomas Fuchs für uns gestaltet.
                                                                                                          www.thomasfuchs.com

                                   STIFTUNGSINFO
                                   Unsere Mitglieder erhalten
                                   zu j­eder Stiftungswelt diese
                                   ­hilfreiche Servicebeilage.
Stiftungswelt HERBST - Bundesverband Deutscher ...
Inhalt Stiftungswelt Herbst 2020

                                                                                          6 – 49

     Titel
     Auf Kurs

1    Intro                                              38   Stiften von Anfang an Weshalb die Herkunft
4    Panorama                                                des Stiftungsvermögens eine Rolle spielt
                                                        41   Die SKala-Initiative: Philanthropie neu ge­
     Titel                                                   dacht? Eine Bilanz aus Sicht zweier Geförderter
8    Stiftung auf der grünen Wiese Katarina             45   Plädoyer für eine faire Stiftung Wie koopera-
     Peranić und Jan Holze, Gründungsvorstände der           tive Führungsmodelle die Governance beleben
     Deutschen Stiftung für Engagement und Ehren-       47   Stiftungen embedded Warum Netzwerke und
                                                                                                                       3
     amt, im Gespräch                                        Kooperationen so wichtig sind
14   Auf Kurs? Wird der Referentenentwurf zur

                                                                                                                  STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Inhalt
     ­Stiftungsrechtsreform den Erwartungen gerecht?    50     „Wir haben uns etwas sagen zu lassen“
16    Was jede Stiftung über Governance wissen                Interview mit Paul Spies und Idil Efe vom
      sollte Experte Stephan Schauhoff über Rahmen-           ­Stadmuseum Berlin
      bedingungen und Gestaltungsspielräume             58     Gemeinsamer Sprung ins kalte Wasser
19    Gemeinnützige Gemengelagen Warum eine                    Das fünfte ThinkLab im Corona-Stresstest
     Reform des Gemeinnützigkeitsrechts so nötig ist    62     Kunst ist für alle da Ein Porträt der Ernst von
21   Mehr Rechtssicherheit, weniger Büro­                      Siemens Kunststiftung
     kratie! Forderungen des Bundesverbandes an         66     Die Alle-an-einen-Tisch-Bringer Wie die Ini-
     eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts                   tiative ProjectTogether Wirkung potenzieren will
24   „Das ist ein ganz dickes Brett“ Der                68     „Es geht um die Zukunftsfähigkeit der
      Bundestags-Unterausschuss Bürgerschaftliches             menschlichen Zivilisation“ Stifter Michael
      ­Engagement im Porträt                                 ­Succow über Naturschutz seit dem Mauerfall
27     Austauschforum zu steuerrechtlichen Fra­
       gen Über den Arbeitskreis Stiftungssteuerrecht   70   Personalia
28      Gesprächsbereit in Brüssel Kommt ein            74   Meldungen
        ­Binnenmarkt für europäische Philanthropie?     78   Medien
32       „Hilfreicher Kompass“ oder „viel zu poli­      82   Exklusiv für Mitglieder
       tisch“? Stimmen unserer Mitglieder zu den        83   Outro/Impressum
       ­erweiterten Grundätzen guter Stiftungspraxis
                                                        84   Abgestaubt
35      Mehr Offenheit wagen Warum sich Transpa-
         renz auch für Stiftungen lohnt
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Panorama
                                                                                    Anstifter

                                                                                    Klimaleitfaden für
                                     Klimawandel                                    Stiftungen
                                     Wie jede Stiftung
                                     Teil der Lösung wird
                                                                                    Das Sozialunternehmen Active Philanthropy hat gemeinsam
                                                                                    mit der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung Gesunde Erde
                                                                                    – Gesunde Menschen den Leitfaden „Klimawandel – Wie jede
                                                                                    Stiftung Teil der Lösung wird“ veröffentlicht. Er zeigt Wege auf,
                                                                                    wie Stiftungen mit ihrer Arbeit zur Bekämpfung des Klimawan-
                                                                                    dels beitragen können, und thematisiert dabei die fünf Kern-
                                                                                    bereiche Demokratie, Gesundheit, Benachteiligte Gruppen,
                                                                                    Bildung und Naturschutz. An Fallbeispielen diverser Stiftun-
                                                                                    gen wird illustriert, wie diese Klimaperspektive in das Förder-
                                                                                    portfolio von Stiftungen integriert werden kann. „Wenn Stiftun-
                                                                                    gen die Klimarisiken ignorieren, untergraben sie langfristig ihre
                                                                                    Anstrengungen und den Erfolg ihrer Förderprojekte“, kommen-
                                                                                    tierte Dr. Felicitas von Peter von Active Philanthropy das Anlie-
                                                                                    gen der Publikation.

     4
                                                »Philanthropy support
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Panorama

                                              organisations can no longer
                                                  be just membership-
                                              organisations representing
                                                 some interest group.«
                                           Carola Carazzone, Generalsekretärin des italienischen Stiftungsverbandes Assifero und Vorstands­
                                           mitglied bei DAFNE (Donors and Foundations Networks in Europe), im Podcast Giving Thought.

                                     3.000
                                                                                       rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts fördern
                                                                                       Studierende sowie den wissenschaftlichen und künstleri-
                                                                                       schen Nachwuchs monetär, materiell und/oder ideell.
                                                                                       Quelle: Datenbank Deutscher Stiftungen
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                                                                                                                                                                                                                                                                                          Drei Fragen an
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Stephanie Klaas
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Bürgerstiftung Gronau

                                                                                                                                                                                                                                                                                          Udo Lindenberg ist ein Kind der
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Stadt Gronau. Schon mal persönlich
                                                                                                                                                                                                                                                                                          getroffen? Drei Mal: 2007 hat Udo in
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Gronau ein Konzert gegeben. Dann –
                                                                                                                                                                                                                                                                                          ganz typisch – die Begegnung im Ham-
                                                                                                                                                                                                                    Wie Stiftungen gegen Verschwörungs­                                   burger Hotel Atlantic an der Bar. Die
                                                                                                                                                                                                                    mythen und Fake News kämpfen                                          schönste Begegnung war in Gronau in ei-
                                                                                                                                                                                                                                                                                          nem Restaurant. Udo war ebenfalls dort
Fotos: Active Philanthropy (Cover Klimawandel), roobcio - adobe.stock (Fake News), Николай Крапивин/Adobe.Stock (EU Ratspräsidentschaft), Alexander Limbach/Adobe Stock (Corona-Pandemie), privat (Porträt Klaas)

                                                                                                                                                                                                                    Stiftungen wirken vielfältig für Fakten und Sachlichkeit und gegen    und kam im Verlauf des Abends zu un-
                                                                                                                                                                                                                    Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Diese Tipps helfen           serem Tisch und unterhielt sich mit mei-
                                                                                                                                                                                                                    Ihnen beim Umgang mit Fake News. www.stiftungen.org/fake-news         nem Schwiegervater. Die beiden kannten
                                                                                                                                                                                                                                                                                          sich von früher.

                                                                                                                                                                                                                                                                                          In Gronau ist Eierlikör das große
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Ding. Was hat es damit auf sich?
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Auch Udo liebt ja Eierlikör. Direkt bei
                                                                                                                                                                                                                                                                                          der Gründungsversammlung unserer
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Bürgerstiftung kamen zwei Kolleginnen
                                                                                                                                                                                                                                                                                          auf die Idee, Eierlikör auf dem Weih-
                                                                                                                                                                                                                                                                                          nachtsmarkt zu verkaufen. Es wurde ein
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Riesenerfolg. Mittlerweile gibt es ei-
                                                                                                                                                                                                                    „Ein starkes Europa nach der Krise wird                               ne feste Gruppe von zehn Frauen – die
                                                                                                                                                                                                                    nur mit dem Dritten Sektor gelingen!“                                 „Weihnachtsengel“. Jedes Jahr produzie-
                                                                                                                                                                                                                                                                                          ren wir etwa 800 Flaschen Eierlikör, die                5
                                                                                                                                                                                                                    Am 1. Juli 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft über-      uns auf dem Weihnachtsmarkt gerade-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Panorama
                                                                                                                                                                                                                    nommen. Wir sprachen mit Marie-Alix Ebner von Eschenbach da-          zu aus den Händen gerissen werden. Das
                                                                                                                                                                                                                    rüber, wie viel Zivilgesellschaft im Ratspräsidentschaftsprogramm     Rezept des Eierlikörs bleibt aber geheim.
                                                                                                                                                                                                                    steckt und welche Signale Deutschland auf europäischer Ebene für
                                                                                                                                                                                                                    Stiftungen geben sollte. www.stiftungen.org/eu-ratspraesidentschaft   Ihr Lieblingsprojekt der Bürgerstif­
                                                                                                                                                                                                                                                                                          tung? Mein jüngstes Lieblingsprojekt ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                          der „Seniorenwunschbaum“. Senioren,
                                                                                                                                                                                                                                                                                          die Unterstützung bedurften, konnten
                                                                                                                                                                                                                                                                                          einen Wunsch notieren, den jemand aus
                                                                                                                                                                                                                                                                                          der Bürgerschaft dann anonym erfüllte.
                                                                                                                                                                                                                                                                                          Die Gronauer Bürger haben uns dabei so
                                                                                                                                                                                                                                                                                          toll unterstützt, dass schon am ersten Tag
                                                                                                                                                                                                                                                                                          keine Wünsche mehr offen blieben.  ←

                                                                                                                                                                                                                    Welche Themen beschäftigen Stiftungs­
                                                                                                                                                                                                                    aufsichten in der Corona-Pandemie?
                                                                                                                                                                                                                    Welche Implikationen hat Corona derzeit für die Stiftungsfreudig-
                                                                                                                                                                                                                    keit in einzelnen Bundesländern? Welche Anliegen und Fragen rich-
                                                                                                                                                                                                                    ten Stiftungen in der Pandemie an ihre Aufsichten? Wir haben nach-                 Stephanie Klaas ist im Vorstand der
                                                                                                                                                                                                                    gefragt. www.stiftungen.org/stiftungsaufsichten-corona                                         Bürgerstiftung Gronau.
Stiftungswelt HERBST - Bundesverband Deutscher ...
Wie der Stiftungssektor
gedeihen kann
Stiftungswelt HERBST - Bundesverband Deutscher ...
Endlich: Die Stiftungsrechtsreform steht in den Startlöchern. Und die
Erwartungen sind hoch. Denn gute gesetzliche Rahmenbedingungen sind der
Nährboden für das Gedeihen des Stiftungssektors. Doch damit allein ist es
nicht getan. Damit die Saat aufgeht, muss jede Stiftung ihr Feld auch selbst
bestellen. Good Governance heißt das Zauberwort. Doch was heißt das
konkret? Was braucht es, damit Stiftungen aufblühen und ihre volle Wirkung
entfalten können? Wir haben nachgefragt – und einige Antworten gefunden.
Stiftungswelt HERBST - Bundesverband Deutscher ...
Stiftung auf
                                       der grünen
                                       Wiese
                                       Seit Juni gibt es sie nun, die groß angekündigte Deutsche Stiftung für Enga-
                                       gement und Ehrenamt (DSEE). Die Erwartungen im Sektor sind immens –
                                       ebenso wie die Sorgen. Mit den Gründungsvorständen Katarina Peranić und
                                       Jan Holze sprachen wir über das Vermeiden von Doppelstrukturen und das
                                       bundesweite Wirken aus der ehemaligen Residenzstadt Neustrelitz

     8
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance

                                       → Neustrelitz Ende Juli. Die Entscheidung für die mecklen-           Das alles macht einen offenen, dynamischen und ja, auch agi-
                                       burgische Mittelstadt als Stiftungssitz ist ein doppeltes Bekennt-   len Eindruck. Und es dient einem Ziel: Sie wollen herausfinden,
                                       nis: zur Stärkung des ländlichen Raums einerseits, zu den neuen      wie die Arbeit der DSEE nun eigentlich aussehen soll.
                                       Bundesländern andererseits. Noch wird der künftige Stiftungs-
                                       sitz, das Carolinenpalais am Neustrelitzer Schlossgarten, sa-        Stiftungswelt: Frau Peranić, Herr Holze, erst einmal
                                       niert. Deshalb hat das Vorstandsduo vorerst in einem Gebäude         herzlichen Glückwunsch zu der überaus spannenden
                                       am Rande der Stadt seinen Arbeitsplatz aufgeschlagen. Bisher         Aufgabe, die Ihnen beiden übertragen wurde. Das In­
                                       sind die Räume provisorischer Natur, Klapptische dienen als          teresse an der neuen Stiftung ist groß. Zeigt sich das
                                       Schreibtische, Plastikstühle als Sitzgelegenheiten. Einen Inter-     auch an der Zahl der eingegangenen Bewerbungen?
                                       netanschluss gibt es noch nicht, dafür Soljanka mit viel Fleisch     Katarina Peranić:Ja, die positive Resonanz hat uns durch-
                                       aus der hausinternen Kantine. Doch das wird sich bald ändern:        aus überrascht. Für die ersten zehn ausgeschriebenen Stel-
                                       Bis zu 75 Mitarbeitende sollen im Laufe der kommenden Jah-           len haben wir über 800 Bewerbungen aus dem ganzen
                                       re für die Stiftung tätig sein. Die ersten Gehversuche des neuen     Bundesgebiet bekommen, darunter viele spannende Men-
                                       Stiftungsschwergewichts wirken vielversprechend: Auf Twitter         schen mit großer Fachexpertise. Jetzt geht es in den Sich-
                                       hat seine Doppelspitze früh dazu aufgerufen, ihr Lücken und          tungsprozess und auch schon in die ersten Gespräche.
                                       Bedarfe in den Bereichen Engagement und Ehrenamt mitzu-
                                       teilen – mit bemerkenswerter Resonanz. Kurze Videos doku-
                                       mentieren eine Vielzahl von Gesprächen, die die beiden mit un-
                                       terschiedlichsten Akteuren der Engagement-Landschaft führen.
An Ihrer Seite haben Sie gleich drei Ministerien. Das         Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement
                                                                           zeigt, dass Engagement in der Bundesregierung ein             hat die Entstehung der Stiftung intensiv begleitet.
                                                                           Querschnittsthema ist. Ist das noch zeitgemäß oder            Welche Rolle wird der Ausschuss künftig für die Stif­
                                                                           braucht es für dieses Thema nicht ein eigenes Enga­           tung spielen?
                                                                           gement-Ministerium?                                           Holze:Das Thema der Stiftungsentstehung wurde mehr-
                                                                           Jan Holze:Ich freue mich darüber, dass sich gleich mehre-    fach im Unterausschuss behandelt. Ich selbst durfte damals
                                                                           re Ministerien innerhalb der Bundesregierung in der Stif-     als Vertreter der Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpom-
                                                                           tung engagieren. Das ist gut und wichtig. Es zeigt, welche    mern meine Erfahrungen einbringen. Meines Erachtens
                                                                           Bedeutung die Themen Ehrenamt und Engagement inner-           war die Rolle des Unterausschusses im Entstehungsprozess
                                                                           halb der Bundesregierung genießen. Außerdem wird damit        jederzeit konstruktiv. In Zukunft streben wir eine enge und
                                                                           auch deutlich, wie vielfältig Ehrenamt und Engagement in-     partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Allerdings würde
                                                                           nerhalb der Gesellschaft tatsächlich sind und wo überall      ich mir wünschen, dass der Unterausschuss noch mehr
                                                                           Berührungspunkte zu Politik und Verwaltung liegen. Bei        Kraft entfalten kann, indem er zukünftig zu einem Voll-
                                                                           der Vielfalt der Themenfelder, die ehrenamtlich beackert      ausschuss wird mit echten Entscheidungskompetenzen.
                                                                           werden, würde es gekünstelt wirken, wenn man neben den
                                                                           Arbeitsbereichen in den Ministerien noch ein eigenes En-      Die Gründung der Stiftung wurde in Teilen der Zivilge­
                                                                           gagement-Ministerium betreiben würde.                         sellschaft kritisch begleitet, vor allem was die Rechts­
                                                                                                                                         form als Bundesstiftung angeht. Ist eine öffentlich-
                                                                           Neben dem Familien- und dem Innenministerium ist              rechtliche Stiftung die geeignetste Organisations­
                                                                           auch das Landwirtschaftsministerium für die Stiftung          struktur für die vor Ihnen liegenden Aufgaben?
                                                                           zuständig. Werden Sie darüber hinaus auch mit ande­           Holze:Was die Engagement-Landschaft angeht, können
                                                                           ren Ministerien zusammenarbeiten, zum Beispiel mit            wir feststellen, dass sie bereits sehr breit und vielfältig un-
                                                                           dem Auswärtigen Amt und seinen Freiwilligendiensten?          terstützt wird. Mit unserer Stiftung hingegen ist vor allem
                                                                           Holze:Da wir beide nicht in den Entstehungsprozess der       das Ansinnen verbunden, auf Bundesebene einen Player
                                                                           Stiftung und des Stiftungsrates eingebunden waren, wis-       als Kompetenz- und Servicestelle für Ehrenamt und Enga-
                                                                           sen wir nicht, wie es zu dieser Auswahl gekommen ist. In      gement aufzubauen. Ich glaube, dass sich dadurch die be-
                                                                           Zukunft kann ich mir natürlich auch eine Zusammenarbeit       stehenden Strukturen gut ergänzen lassen. Was die konkre-
                                                                           mit anderen Ministerien vorstellen. Der Auslandsfreiwil-      te Ausgestaltung als öffentlich-rechtliche Stiftung angeht:
                                                                           ligendienst weltwärts ist aus meiner Sicht sehr gut bei En-   Jede rechtliche Stiftungskonstruktion hat ihre Vor- und
                                                                           gagement Global aufgehoben. Uns geht es primär um das         Nachteile. Wir werden diese Konstruktion so aufstellen,                 9
                                                                           Engagement in Deutschland. Deshalb werden wir schauen,        dass möglichst viel Mehrwert bei den Engagierten in unse-

                                                                                                                                                                                                           STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
                                                                           welche Querschnittsleistungen und welchen Wissenstrans-       rem Land ankommt.
                                                                           fer wir mit anderen Institutionen auf Bundes-, Landes- und    Peranić:Aus meiner Sicht ist die Rechtsform der Stiftung
                                                                           kommunaler Ebene erzielen können.                             bestens geeignet, um wirklich nachhaltig Unterstützungs-
Foto: Dr. Mario Schulz. Illustration vorherige Doppelseite: Thomas Fuchs

                                                                              → Katarina Peranić vor
                                                                              einer Wand mit To-do-­
                                                                              Zetteln. Noch nicht alle
                                                                              ihre Pläne dürfen jetzt
                                                                              schon verraten werden.
setzung des Stiftungsrates, der nicht alle Akteure im
                                                                                                      Feld berücksichtigen würde. Wie reagieren Sie darauf?
                                                                                                      Holze:Einerseits ist die Zivilgesellschaft im Stiftungsrat
                                                                                                      mit neun Personen vertreten – das ist wichtig und gut so.
                                       maßnahmen im Sinne der Engagierten zu etablieren und           Zum anderen ist uns über das Errichtungsgesetz der Stif-
                                       Anlaufstelle zu sein, die gerade ländliche, strukturschwa-     tung die Möglichkeit gegeben, entsprechende Fachbeiräte
                                       che Regionen unterstützt. Das ist keine Aufgabe, die man       zu bilden, und da wollen wir natürlich noch mehr Bereiche
                                       in einem Jahr wuppt, dafür braucht es einen langen Atem.       der Zivilgesellschaft abbilden. Nicht nur Verbände, son-
                                                                                                      dern auch die Vielfalt der Vereine, die Vielfalt der Stiftun-
                                       Sie bringen beide viele Jahre Erfahrung im Stiftungs­          gen und auch die Vielfalt des nicht gebundenen, des nicht
                                       sektor mit. Woran mangelt es im deutschen Stif­                institutionalisierten Ehrenamtes. Es geht uns nicht darum,
                                       tungswesen?                                                    vorhandene Dinge neu zu erfinden. Deshalb rufen wir da-
                                       Holze:Zum einen muss die Stiftungsrechtsreform endlich        zu auf, auf uns zuzukommen, uns Problemlagen und He­
                                       kommen, und ich glaube auch, sie wird kommen. Die Ar-          rausforderungen mitzuteilen und uns zu Vor-Ort-Besu-
                                       beit von Stiftungen wird durch diverse rechtliche Hürden er-   chen und -Gesprächen einzuladen. Wir wollen nicht in
                                       schwert, die letztendlich auch das Engagement und das Eh-      Neustrelitz sitzen und warten, bis jemand anruft, sondern
                                       renamt lähmen. Wir werden uns für die Reform einsetzen,        die Menschen, die sich vor Ort engagieren, kennenlernen.
                                       indem wir darauf hinweisen, wie notwendig es ist, Flexibili-   Peranić:Einfluss auf die Zusammensetzung des Stiftungs-
                                       sierungen, Klarstellungen und Transparenz zu schaffen, da-     rates hatten wir als Vorstände natürlich nicht. Das ist ja un-
                                       mit Stiftungen in Zukunft mehr Handlungssicherheit haben       ser Aufsichts- und Kontrollgremium. Uns beiden ist es sehr
                                       und entsprechend krisenfest aufgestellt sind. Der Bundes-      wichtig, auch mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen,
                                       verband Deutscher Stiftungen ist uns da ein idealer Partner.   die nicht im Stiftungsrat vertreten sind. Wir möchten par-
                                       Peranić:Aus meiner Erfahrung als Vorständin bei der Stif-     tizipative Angebote zur Gestaltung der Stiftung machen.
                                       tung Bürgermut sind mir die diversen Probleme von Stiftun-     Gute Angebote kann man nur entwickeln, wenn man den-
                                       gen durchaus bewusst. Ich glaube auch, dass die Stiftungs-     jenigen zuhört, die den Bedarf haben, um sie dann gemein-
                                       rechtsreform ganz wichtig ist, um den Handlungsspielraum       sam zu entwickeln.
                                       von Stiftungen zu erweitern. Spannend finde ich dabei vor
                                       allem das Thema Fusionen. Häufig sind viele Organisatio-       Auf welchen Kanälen wollen Sie den Dialog mit der
                                       nen auf ähnlichen Themenfeldern unterwegs. Da fände ich        Engagement-Szene führen?
10                                     es gut, wenn es einen stärkeren Wissenstransfer gäbe.          Peranić:Wir können uns die ganze Bandbreite von ana-
                                       Holze:Eine große Bedeutung hat zudem das Thema Ent-           logen wie digitalen Formaten und Medien vorstellen. Und
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance

                                       bürokratisierung. Das geht ja die gesamte Zivilgesellschaft,   natürlich treffen wir uns auch ganz physisch mit Menschen
                                       vor allem aber auch den Stiftungssektor an. Immer wie-         – aktuell noch mit Abstand. Wenn wir allerdings Anfragen
                                       der muss danach geschaut werden, wie die Arbeit der Stif-      von einzelnen Organisationen haben, die im gleichen The-
                                       tungen erleichtert werden kann. Ich denke da an die EU-­       menfeld unterwegs sind, möchten wir diese gerne zusam-
                                       Datenschutzgrundverordnung oder an die Möglichkeit von         men an einen Tisch bringen. So verstehen wir die Facetten
                                       Kooperationen. Bei Letzteren bestehen im Gemeinnützig-         eines Themas besser und kommen intensiver ins Gespräch.
                                       keitsrecht viele Unklarheiten. Auf der anderen Seite müs-
                                       sen wir viel mehr Anerkennung schaffen für das, was Stif-      Schauen wir kurz nach innen: Sie treten als Doppel­
                                       tungen tagtäglich tun.                                         spitze an. Wie wollen und wie können Sie das Haus
                                                                                                      führen?
                                       Der Bundesverband hat die Einrichtung der Engage­              Peranić:Jan Holze ist ein toller Kollege. Offiziell arbei-
                                       ment-Stiftung lange gefordert, zugleich aber gemahnt,          ten wir seit zehn Tagen zusammen. Inoffiziell sind wir in
                                       dass sie für und nicht gegen die Engagierten errichtet         Kontakt, seit verkündet wurde, dass wir die Gründungsvor-
                                       wird. Ein Kritikpunkt bezog sich auf die Zusammen­             stände werden. In der Anfangsphase arbeiten wir vor allem
                                                                                                      digital zusammen. Dabei nutzen wir natürlich die ganze
                                                                                                      Bandbreite an digitalen Tools. Wir beide sind es gewohnt,
                                                                                                      remote und kollaborativ zu arbeiten.
                                                                                                      Holze:Ich habe die Zusammenarbeit mit Katarina Peranić
                                                                                                      als sehr partnerschaftlich und kooperativ erlebt. Wir wer-
                                                                                                      den einen solchen Führungsstil auch in dieser Stiftung ent-
                                                                                                      wickeln. Gerade im Anfangsprozess ist es uns wichtig, ge-
ist das Bewerbungsverfahren. Nun geht es in die Gesprä-
                                                                                             che. Es ist gerade viel operativer Aufbau.
                                                                                             Holze:Und wir möchten uns bekannt machen. Es ist nicht
                                                                                             so, dass wir uns in den ersten 100 Tagen hier einschließen
                                                                                             werden und am Ende mit irgendwas nach außen treten.
                                                                                             Wir wollen uns durchaus in der Bundesrepublik umtun
                                                                                             und vor Ort mit den Ehrenamtlichen sprechen. Wir neh-
                                                                                             men ein großes Interesse an unserer Arbeit wahr und das
                                                                                             werden wir nutzen, um verschiedenste Interessengruppen
                                                                                             frühzeitig einzubinden.

                                                                                             Ein Aufgabenschwerpunkt der Stiftung soll die Förde­
                                                                                             rung der Digitalisierung sein. Wie kann das Ehrenamt
                                                                                             in Deutschland digitaler werden?
                                                                                             Peranić:Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pan-
                                                                                             demie und der deutlich gewordenen Erfordernisse beab-
                                                                                             sichtigt die Stiftung 2020, Engagierte und ehrenamtlich
                                                                                             Aktive in Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung
                                                                                             sichtbar zu stärken und so ein erstes Zeichen als zentrale
                                                                                             bundesweite Anlaufstelle zu setzen. In meinen vorherigen
                                                                                             Berufsjahren habe ich auch festgestellt, dass es zivilgesell-
                                                                                             schaftlichen Organisationen häufig an Daten(-kompetenz)
                                              WENIGER BÜROKRATIE                             als Entscheidungsgrundlage mangelt, Stichwort: Open Da-
                                              Das Dickicht von rechtlichen Regeln
                                                                                             ta. Viele wissen nicht, wo und wie sie Daten finden kön-
                                              macht es Stiftungen oft unnötig schwer.
                                              Eine Vereinfachung von Stiftungs- und          nen, um beispielsweise zu ermitteln, wie sie in ihrem Enga-
                                              Gemeinnützigkeitsrecht würde ihre              gementfeld wirkungsvoll unterstützen können. Ich denke,           11
                                              Arbeit deutlich erleichtern.                   dass die Stiftung hier ansetzen und unter anderem solche

                                                                                                                                                             STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
                                                                                             Daten in Zukunft zur Verfügung stellen und Engagierte da-
                                                                                             bei unterstützen kann, die Daten auch richtig anzuwenden
                                                                                             und auszuwerten. Das ist nichts, was wir in den nächsten
                             meinsam entsprechende Entscheidungen auf den Weg zu             zwei Monaten aufstellen können, aber langfristig müssen
                             bringen. Deshalb wollen wir nicht gleich Arbeitsbereiche        wir auch über dieses Thema sprechen.
                             aufteilen, sondern die Stiftung erstmal ins Laufen bringen.
                             Da müssen wir an einem Strang ziehen, und das tun wir.          Deutschland wird immer mehr zu einem Exilort für
                                                                                             gemeinnütziges Engagement. Letztes Jahr sind et­
                             Eine beliebte Politik-Frage ist die nach dem 100-Tage-          wa die Open Society Foundations aus Budapest nach
                             Plan. Was steht auf Ihrer Liste?                                Berlin umgezogen, weil sie von der Orbán-Regierung
                             Peranić:Erstmal haben wir jetzt den Ort bezogen, an dem        in ihrer Arbeit massiv behindert und eingeschränkt
                             wir wirken wollen. Wichtig ist nun, dass wir sehr schnell       wurden. Werden in die Förderungen Ihrer Stiftung
                             die neuen Kolleginnen und Kollegen hier in Neustrelitz be-      auch ausländische Organisationen einbezogen?
                             grüßen. Ein erster Meilenstein, der bereits hinter uns liegt,   Peranić:Die Stiftungen suchen ein neues Zuhause hier in
                                                                                             Deutschland, weil der Wind in den Ländern, in denen sie
                                                                                             aktiv waren, rauer geworden ist. Der Austausch über gesell-
                                                                                             schaftlichen Zusammenhalt und darüber, wie Zivilgesell-
Illustration: Thomas Fuchs

                                                                                             schaft auch kippen kann – an so einem Dialog bin ich sehr
                                                                                             interessiert. Wir möchten nicht, dass so etwas hierzulande
                                                                                             passiert. Auch das ist ein Auftrag an die Deutsche Stiftung
                                                                                             für Engagement und Ehrenamt.
→ Jan Holze blickt nicht
                                       nur in die Zukunft von
                                       ­Engagement und Ehren­
                                        amt – sondern von seinem
                                        Schreibtisch aus auch in
                                        die mecklenburgischen
                                        Kiefernwälder.

                                       Die Förderung von Demokratie ist ein Langzeitpro­              hen, welche Strukturen und Maßnahmen für welche Re-
                                       jekt. Aber gerade Organisationen und Vereine, die              gionen die besten sind. Die Engagement-Landschaft muss
                                       sich für die Stärkung der Demokratie engagieren, be­           zu den Menschen passen, die vor Ort sind. Das muss sich
                                       klagen oft, dass sie sich von einem Projekt zum an­            organisch und ohne die Schaffung von Doppelstrukturen
                                       deren hangeln müssen, mit all den bekannten Heraus­            entwickeln. Hieran werden wir arbeiten.
                                       forderungen und Hürden. Was kann und was wird Ihre             Peranić:Das ist eine total spannende Frage, die uns auch bei
                                       Stiftung gegen die „Projektitis“ tun, die zu Recht von         der Stiftung Bürgermut umgetrieben hat. Ich kann mir sehr
                                       vielen Engagierten beklagt wird?                               gut vorstellen, dass die Deutsche Stiftung für Engagement
                                       Peranić:Ich glaube, hier können wir eine vermittelnde         und Ehrenamt hier eine Maklerfunktion erfüllen kann. Es
                                       Rolle zwischen Förderpartnern einnehmen, weil es Projek­       ist nicht nur so, dass aufseiten der Förderpartner Unwissen
                                       titis häufig aufgrund von Finanzierungsvorgaben gibt. Das      herrscht. Es gibt umgekehrt auf der Seite derjenigen, die
12                                     kenne ich aus meiner Arbeit bei der Stiftung Bürgermut.        nach Unterstützung suchen, häufig nicht das notwendige
                                       Dort bin ich mit über 5.000 Gründerinnen und Gründern          Wissen oder Kontakte, wo Unterstützung angeboten wird.
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance

                                       in Kontakt gekommen, die sich häufig nur über Projekte fi-     Es ist auch ein Auftrag der Stiftung, hier für Transparenz zu
                                       nanzieren konnten, obwohl sie eigentlich ihren wirkungs-       sorgen und eben die Funktion als Anlaufstelle zu erfüllen.
                                       vollen Ansatz in die Fläche bringen wollten. Wenn wir hier     Holze:Wir werden auf jeden Fall Strukturen entwickeln,
                                       mit ganz unterschiedlichen Förderpartnern in einen guten       um großen Förderstiftungen aus Westdeutschland oder
                                       Dialog kommen und dafür werben, dass es durchaus sinn-         dem Ausland die Möglichkeit zu bieten, sich in Ost-
                                       voll ist, in Overhead zu investieren, wäre das für mich per-   deutschland zu engagieren. Wir wollen Engagierte und
                                       sönlich ein ganz großer Erfolg.                                Stiftungen zusammenbringen, und so zu einer Win-win-
                                                                                                      Situation beitragen. Und vielleicht war das ja auch der An-
                                       Die neue Bundesstiftung ist ein Ergebnis der Arbeit            satz des Stiftungsrates, eine Person im Stiftungsvorstand
                                       der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“,             mit einem ostdeutschen Background und einem entspre-
                                       die dabei vor allem die Förderung strukturschwacher            chenden Netzwerk zu haben.
                                       und ländlicher Regionen im Blick hatte. Abgesehen
                                       von Berlin und einigen wenigen Oberzentren gelten              Mit der neuen Ehrenamtsstiftung gibt es nun so etwas
                                       alle ostdeutschen Länder als strukturschwache Re­              wie eine Engagement-Architektur in Deutschland, die
                                       gionen. Wie kann es vor diesem Hintergrund gelingen,           sich über die Bundes- und Landesebene bis ins Regio­
                                       das strukturelle und auch finanzielle Ehrenamts-Gap            nale hineinzieht. Auf regionaler Ebene sind es unter
                                       zwischen Ost und West zu schließen?                            anderen die rund 400 Bürgerstiftungen, die sich für
                                       Holze:Es ist natürlich ein politisches Signal, die Stiftung   bürgerschaftliches Engagement starkmachen. Wie
                                       nach Neustrelitz zu setzen, nach Ostdeutschland und in         stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit dem Bündnis
                                       den ländlichen Raum. Darin sehen wir auch einen Auftrag        der Bürgerstiftungen vor, um Engagierte und Ehren­
                                       für uns. Eine wichtige Aufgabe wird sein, genau zu verste-     amtliche vor Ort optimal zu unterstützen?
Holze:Bürgerstiftungen sind eine ganz wichtige Säule für       vorhanden sind als solches nicht mehr passgenau sind,
                          das lokale Engagement vor Ort. Das erleben wir immer wie-       um den Bedürfnissen und den Lebenswelten von jungen
                          der und überall in Deutschland. Deswegen ist das Bündnis        Menschen entgegenzukommen. Insofern ist es ein Auftrag
                          der Bürgerstiftungen natürlich ein wichtiger Partner für uns,   an uns alle, nicht nur an die Stiftungen, sondern auch an
                          mit dem wir immer wieder gerne zusammenarbeiten. Was            die etablierten zivilgesellschaftlichen Strukturen, darüber
                          die Architektur angeht, würde ich mich ungern in vorge-         nachzudenken, wie man sich darauf einstellt. Auf Vereins-
                          setzte Raster pressen lassen. Uns geht es darum, Engage-        oder Kreisebene gibt es wunderbare Modelle, wie man jun-
                          ment zu unterstützen. Und wenn es dafür notwendig ist,          ge Menschen flexibel ins Engagement einbinden kann.
                          dass ein Verein, der 15 Mitglieder zählt, bei uns anruft, um
                          sein Problem zu klären, dann werden wir ihm natürlich           Haben Sie Beispiele?
                          helfen. Wir sehen unsere Rolle nicht darin zu sagen, dass       Holze:In der Sportwelt gibt es die sogenannten Junior-
                          wir die Bundesebene sind und deswegen nur mit den bun-          teams mit projektgebundenen Engagements, bei denen
                          desweit tätigen Organisationen zusammenarbeiten.                man sich nicht sofort in ein Amt wählen lässt, sondern
                                                                                          kurzfristig und flexibel dabei sein kann. Wenn man Gefal-
                          Wie wird sich die DSEE auch im Stiftungswesen und               len daran findet, steigt man stärker ein. Außerdem gibt es
                          im Bundesverband selbst engagieren?                             Mentorenprogramme, wo Ältere, die schon lange im En-
                          Holze:Zunächst einmal sind wir dankbar, dass der Bundes-       gagement unterwegs sind, sich eines Jüngeren annehmen
                          verband bei uns im Stiftungsrat mitwirkt und damit Impul-       – und übrigens auch andersherum. Gerade in der Corona-
                          se in die Arbeit der Bundesstiftung hineinträgt. Ich kenne      Zeit zeigt sich, dass junge Menschen mit ihrem Know-how
                          den Bundesverband durch meine frühere Tätigkeit bei der         durchaus auch gestandene Menschen als Mentoren unter-
                          Ehrenamtsstiftung Mecklenburg-Vorpommern sehr gut.              stützen können. Unsere Aufgabe wird sein, solche Modelle
                          Wir haben beide gute Erfahrungen mit dem Bundesver-             zu verbreiten, die Strukturen an die Hand zu nehmen oder
                          band gemacht.                                                   uns mit an die Hand nehmen zu lassen. Die Anspruchs-
                          Peranić:Umgekehrt wünschen wir uns natürlich auch,             haltung auf der Ebene der Vereine gegenüber potenziell
                          dass wir Unterstützung erhalten, sodass unsere Arbeit an        Engagierten muss überprüft werden. Man muss aufeinan-
                          der Basis ankommt und Stiftungen von den Angeboten un-          der zugehen und überlegen: Muss es gleich die vierjährige
                          serer Stiftung profitieren können.                              Amtsperiode als Schatzmeister sein oder kann man viel-
                                                                                          leicht erst einmal nur Teile davon erledigen? So lassen sich
                          Engagement findet gerade bei Jüngeren vermehrt                  junge Menschen sicher eher für ein Ehrenamt begeistern.
                          außerhalb von klassischen Organisationsstrukturen               Wenn wir hier für einen Bewusstseinswandel sorgen kön-                     13
                          statt. Laut dem Dritten Engagementbericht des Bun­              nen, dann wäre ein Riesenschritt getan.  ←

                                                                                                                                                                     STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
                          desfamilienministeriums sind knapp ein Drittel der                                      Interview Dr. Mario Schulz* und Theo Starck
                          jungen Erwachsenen informell engagiert. Wie wollen
                                                                                          *Hinweis: Dr. Mario Schulz ist seit dem 1. Oktober 2020 für die Deutsche
                          Sie dieser Entwicklung mit Ihrer Arbeit begegnen?               Stiftung für Engagement und Ehrenamt tätig. Das Interview wurde vor dem
                          Peranić:Wir haben das Thema auf dem Schirm. Wir wol-           Wechsel geführt.

                          len im Programm unserer Stiftung Nachwuchsförderung be-
                          treiben und dabei neue Formate und Kommunikationswege
                          ausprobieren, um diese Zielgruppen zu erreichen. Da freue
                          ich mich drauf. Wir suchen nach geeigneten Wegen, um
                          auch dieses Engagement bedarfsorientiert zu unterstützen.
                          Das gilt es mit unterschiedlichen Partnern zu diskutieren.
                          Holze:Zunächst einmal ist positiv festzustellen, dass junge
                          Menschen weiterhin bereit sind, sich zu engagieren. Nun
                          kann man daraus ablesen, dass vielleicht die Strukturen,
                          wie sie derzeit im Ehrenamt und in der Zivilgesellschaft

                                                                                            Über die Gesprächspartner Katarina Peranić ist Gründungs-
                                                                                            vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt
                                                                                            (DSEE). Zuvor leitete sie als geschäftsführende Vorständin fast
Fotos: Dr. Mario Schulz

                                                                                            acht Jahre lang die Stiftung Bürgermut. Jan Holze ist ebenfalls
                                                                                            Gründungsvorstand der DSEE und baute vorher als Geschäftsführer
                                                                                            und Vorstandsmitglied die Ehrenamtsstiftung des Landes Mecklen-
                                                                                            burg-Vorpommern mit auf.
Auf Kurs?
                                       Seit Jahren drängt der Stiftungssektor auf eine Reform des Stiftungsrechts.
                                       Nun liegt der Referentenentwurf aus dem Haus von Justizministerin Christine
                                       Lambrecht vor. Doch wird er den Erwartungen gerecht? Eine Einordnung

                                       Von Kirsten Hommelhoff

                                       → Ende September 2020 hat das Bundesministerium der                      Einige Stimmen bewerten den Gesetzentwurf so kri-
                                       Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den lang erwar-          tisch, dass sie ihn in Gänze ablehnen. Wir teilen im Grund-
                                       teten Gesetzesentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungs-       satz diese Kritik, sind aber zuversichtlich, unsere Erfahrun-
                                       rechts vorgelegt. Zu verdanken ist dies auch dem Engage-         gen aus der Praxis im Rahmen des Gesetzgebungsverfah-
                                       ment vieler Stiftungen im Rahmen der Kampagne „Stif-             rens, das sich derzeit ganz am Anfang befindet, konstruktiv
                                       tungsrechtsreform jetzt!“ des Bundesverbandes Deutscher          einbringen zu können.
                                       Stiftungen im Herbst 2019.
                                              Dass mit dem Referentenentwurf nun endlich das            Welche Regelungen sollten geändert oder
                                       Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Stiftungsrechts            nachgebessert werden?
                                       starten kann, ist ein großer Fortschritt für den Stiftungs-      Dringenden Nachbesserungsbedarf sehen wir bei den
14                                     sektor. Denn dieser drängt seit Jahren auf ein Gesetz, das       Grundsätzen des Stiftungsrechts: Die freie Gestaltung des
                                       mehr Rechtssicherheit und Flexibilität bietet.                   Stiftungsgeschäfts und die bewährte Auslegung des Stifter-
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance

                                                                                                        willens müssen erhalten und verbessert werden. Stiften ist
                                       Bringt der Referentenentwurf die erhofften                       ein höchst individueller Akt. Vor diesem Hintergrund sind
                                       Erleichterungen?                                                 die geplanten Regelungen zu starr. So soll in der Satzung
                                       Einige Forderungen des Bundesverbandes wurden erfüllt:           – entgegen der bisherigen Praxis – künftig nur noch dann
                                       Der Referentenentwurf bringt mehr Rechtssicherheit durch         von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden dür-
                                       ein einheitliches Bundesrecht. Zudem wird die tägliche Stif-     fen, wenn dies ausdrücklich erlaubt ist. Stattdessen fordern
                                       tungsarbeit durch die Kodifizierung der Business Judgement       wir – im Einklang mit der verfassungsrechtlich verankerten
                                       Rule, die Einführung eines Stiftungsregisters sowie einheitli-   Privatautonomie –, dass Gestaltungsverbote nur dann gel-
                                       cher Regeln zur Zu- und Zusammenlegung verbessert.               ten können, wenn sie ausdrücklich bestimmt sind.
                                              Mit Sorge hingegen sehen wir einige Regelungen,                  Die Auslegung des mutmaßlichen Stifterwillens
                                       die das Stiftungshandeln grundlos einschränken. Geplant          wiederum ist essenziell, um die Handlungsfähigkeit der
                                       sind etwa Einschränkungen bei der Gestaltung von Stif-           Stiftungen zu sichern. Sie muss erhalten bleiben. Stiftun-
                                       tungsgeschäft und Satzung. Zudem will das BMJV die               gen sind für die Ewigkeit errichtet. Sie müssen sich entlang
                                       bewährte Regelung, den mutmaßlichen Stifterwillen als            des mutmaßlichen Willens des Stifters fortentwickeln kön-
                                       Auslegungshilfe heranzuziehen, streichen. Einen solchen          nen. Stiftende haben bei Errichtung ihrer Stiftung auf die-
                                       Rückschritt lehnen wir entschieden ab.                           sen Grundsatz vertraut und ihre Satzung entsprechend for-
                                              Zudem fehlen im Referentenentwurf wichtige Rege-          muliert. Mit der geplanten Streichung des „mutmaßlichen
                                       lungen zur Vermögensverwaltung und zum Kapitalerhal-             Willens“ würde die Satzung wesentlich starrer werden. Ei-
                                       tungsgrundsatz, die der Bundesverband mit Nachdruck ge-          ner solch wesentlichen Änderung zu Lasten der Stiftungen
                                       fordert hatte.                                                   stellen wir uns entschieden entgegen.
Kernelemente einer Stiftung bleiben Nachhaltigkeit
und Unveränderlichkeit. Darauf müssen sich Stiftende nach
ihrem Tod verlassen können. Vor über 100 Jahren wurde da-                Zu begrüßen ist auch, dass es voraussichtlich ab 2025
her die staatliche Garantie zum Erhalt des Stifterwillens ver-   ein Stiftungsregister geben wird. Ein solches Register wird
ankert. Entsprechend der damals gängigen Praxis, Stiftun-        die Agilität der Stiftungen im Rechtsverkehr deutlich erhö-
gen von Todes wegen zu errichten, wurde dabei allein auf         hen, Transparenz schaffen und damit das Vertrauen der Ge-
den Stifterwillen bei Errichtung abgestellt. Seitdem hat sich    sellschaft in die Stiftungen stärken. Erfreulich ist zudem die
das Stiften positiv entwickelt: Heute wird überwiegend zu        Verknüpfung zwischen Transparenz- und Stiftungsregister.
Lebzeiten gestiftet. Deshalb ist es bei Auslegung des Stifter-   Der geplante automatisierte Abruf der Daten aus dem Stif-
willens geboten, neben dem Stiftungsgeschäft und den da-         tungsregister wird den Verwaltungsaufwand reduzieren. Un-
zugehörigen Dokumenten auch dem lebenden Stiftenden              verhältnismäßig ist jedoch das umfassende Recht zur Ein-
durch Anhörung mehr Bedeutung beizumessen.                       sichtnahme – auch in das Stiftungsgeschäft – für jedermann.
       Die neuen Regelungen zum Stiftungsvermögen und
zur Vermögensverwaltung bieten nicht die dringend not-           Wie kann das Stiftungsrecht zukunftsfähig
wendige Flexibilität und Rechtssicherheit. Die geplanten         gestaltet werden?
strengen Regeln zur Surrogation und zum Verbrauch von            Stiftungen brauchen praxisorientierte, unbürokratische Re-
Umschichtungsgewinnen einerseits sowie die fehlende              geln, die gleichzeitig die Privatautonomie des Stiftenden be-
Konkretisierung des Kapitalerhalts andererseits schränken        rücksichtigen. Die heutige Generation der Stiftenden möch-
Stiftungen in Krisenzeiten wie der heutigen zu sehr ein.         te ihr Handeln bereits zu Lebzeiten an einem guten Zweck
Für eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung wird ein             ausrichten – und sucht schon jetzt nach Alternativen zur
weiter Ermessensspielraum benötigt. Der Verbrauch von            klassischen Stiftung, wie sich jüngst wieder am Beispiel der
Umschichtungsgewinnen zur Zweckverwirklichung ist –              Initiative „Stiftung Verantwortungseigentum“ zeigte.
gerade für Kapitalstiftungen – wichtig. Er sollte, sofern der            Eine Modernisierung des Stiftungsrechts und vor al-
Stifterwille dem nicht entgegensteht, erleichtert werden.        lem die Erleichterung von Zweck- und Satzungsänderun-
       Auch vermissen wir eine Übergangsregelung, die es         gen würden das Stiften wieder attraktiver machen. Konkret
lebenden Stiftenden erlaubt, ihre Satzung einmalig an das        denken wir an ein erleichtertes Änderungsrecht des Stiften-
neue Recht anzupassen. Ohne eine solche Regelung wird            den zu Lebzeiten, soweit nicht die gemeinnützige, kirchli-
die Stiftungspraxis bestehender Stiftungen deutlich er-          che oder mildtätige Zweckausrichtung betroffen ist, sowie
schwert, etwa wenn die Verwendung von Umschichtungs-             an die Erleichterung von Zweckänderungen in gesamtge-
gewinnen in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt ist.         sellschaftlichen Krisenzeiten. Auch ein Klagerecht von Or-       15
       Zudem sollten Zweck- und Satzungsänderungen er-           ganen oder Dritten mit berechtigtem Interesse im eigenen

                                                                                                                                  STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
leichtert werden, um die Handlungsfähigkeit der Stiftun-         Namen zugunsten der Stiftung würde die Governance und
gen zu erhöhen. Dies gilt auch bei der Umwandlung in eine        Compliance wesentlich verbessern.
Verbrauchsstiftung. Viele kleine Stiftungen befinden sich                Auch weiterhin treten wir für eine Stiftung auf Zeit
aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase in Not. Daher          ein, sofern das Vermögen nach Zeitablauf im gemeinnüt-
müssen die geplanten strengen Voraussetzungen gelockert          zigen Geldkreislauf verbleibt. Die Unterschiede zur Ver-
werden, um eine Umwandlung bereits dann zu ermögli-              brauchsstiftung sind rechtlich unwesentlich, faktisch aber
chen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse grundle-       greifbar, da der selbstbestimmte Zeitrahmen die Attrakti-
gend geändert haben und absehbar ist, dass die vom Stif-         vität des Stiftens erhöht.
ter gewählte Art der Zweckverwirklichung dauerhaft nicht                 Wir sehen im Referentenentwurf einige Verbesserun-
mehr möglich ist.                                                gen, aber leider auch unverhältnismäßige Verschärfungen
       Positiv ist, dass Stiftungen leichter Fusionen mit an-    des Stiftungsrechts. Die Chance, es zu modernisieren, nutzt
deren Stiftungen werden eingehen können, da unter an-            er nicht. Ohne wesentliche Nachbesserungen wird die drin-
derem bundesweit die Gesamtrechtsnachfolge eingeführt            gend notwendige praxisnahe Reform nicht gelingen. Daher
werden soll. Die vorgesehene wesentliche Übereinstim-            werden wir uns im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
mung der Zwecke schränkt die Auswahl passender Stif-             weiterhin mit Nachdruck für ein modernes, flexibles und
tungen allerdings zu sehr ein. Eine teilweise Übereinstim-       zukunftsfähiges Stiftungsrecht einsetzen.  ←
mung der Zwecke muss hier ausreichen.
                                                                 → Die ausführliche Stellungnahme des Bundesver-
                                                                 bandes zum Referentenentwurf finden Sie auf un-
                                                                 serer Website unter www.stiftungen.org/position-
                                                                 stiftungsrechtsreform.
Was jede Stiftung
                                                          über Governance
                                                            wissen sollte
                                                       Stiftungsrechtsexperte Prof. Dr. Stephan Schauhoff über rechtliche
                                                        Rahmenbedingungen und stiftungsinterne Gestaltungsspielräume

                                       Stiftungswelt: Herr Professor Schauhoff, was kommt                       Der dritte Aspekt betrifft das Thema Vermögens-
                                       Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie das Wort „Go­              anlage. Im Sinne guter Governance stellt sich für Stiftun-
                                       vernance“ im Stiftungskontext hören?                              gen die Frage, wie sie mit dem gestifteten Vermögen ge-
                                       Prof. Dr. Stephan Schauhoff: Das ist ein weites Feld. Im         nug Erträge erwirtschaften können, um einerseits das Ver-
                                       juristischen Sinn umfasst Governance den Umgang mit al-           mögen zu erhalten und andererseits den satzungsgemäßen
                                       len Fragestellungen, Regeln und Rechtsvorgaben, an die            Zweck zu erfüllen. Hierzu ist eine Abwägung der Chancen
                                       sich Stiftungen zu halten haben. Im Rahmen der juristi-           und Risiken, die in jeder Vermögensanlage stecken, nötig.
                                       schen Vorgaben sind dann durch die zuständigen Stiftungs-         Good Governance bedeutet an dieser Stelle, dass eine Stif-
                                       gremien die geschäftsleitenden Entscheidungen zu treffen.         tung eine Vermögensanlagerichtlinie hat, die klar macht,
                                                                                                         welche Chancen- und Risikoneigung der Anlagestrategie
                                       Was braucht es für Good Governance in Stiftungen?                 der Stiftung zugrunde liegt. Bei Anlageentscheidungen,
16                                     Rechtliche Grundlage sind drei zentrale Aspekte: Der aller-       auch des Vermögensverwalters, sollte geprüft werden kön-
                                       erste Schritt ist, dass Stiftungen sich bewusst machen, in wel-   nen, ob diese sich im selbst gesetzten Rahmen bewegen.
STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance

                                       chem Rahmen sie sich bewegen und welche rechtlichen Re-                  Spekulation ist für Stiftungen übrigens generell ver-
                                       geln für sie gelten. Ihre gesamte Tätigkeit muss darauf gerich-   boten. Das bedeutet: Wenn bei einer Vermögensanlage im
                                       tet sein, die in der Satzung festgelegten – meist gemeinnüt-      Moment der Investition nicht mit überwiegender Wahr-
                                       zigen – Zwecke zu verfolgen. Ausschließlich diese Zwecke          scheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ei-
                                       dürfen gefördert werden. Stiftungen dürfen also nicht irgend-     ne positive Rendite erwirtschaftet wird, hat diese Form der
                                       welche Nebenzwecke entwickeln. Dazu gibt es typischerwei-         Anlage zu unterbleiben.
                                       se Förderrichtlinien, die die Arbeitsschwerpunkte definieren.
                                               Der nächste Punkt, der jeder Stiftung vertraut sein       Erschwert das geltende Recht Good Governance in
                                       sollte: Alle Stiftungen sind dazu verpflichtet, ihr Vermögen      Stiftungen? Sagen wir es einmal so: Das immer stärker
                                       dauerhaft zu erhalten. Ausnahmen gelten hier nur für Ver-         wachsende Dickicht von rechtlichen Regeln, auch im Ge-
                                       brauchsstiftungen. Was es bedeutet, das Vermögen der Stif-        meinnützigkeitsrecht, macht es Stiftungen nicht immer
                                       tung zu erhalten, ist durch Auslegung des Stifterwillens zu er-   leicht. Und in manchen Bereichen herrscht im Moment
                                       mitteln. Genügt es, den Nominalwert zu erhalten? Muss ich         Verunsicherung. Ein Beispiel ist die Debatte in Folge des
                                       die Inflation mit einkalkulieren? Wie lange muss an der Be-       sogenannten Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes. In ih-
                                       teiligung am gestifteten Unternehmen festgehalten werden?         rem Rahmen wird diskutiert, inwieweit Stiftungen politi-
                                       Die Antworten auf diese Fragen können je nach Stiftung ganz       sche Meinungsäußerungen erlaubt sind. Dazu muss man
                                       unterschiedlich aussehen. Good Governance bedeutet hier,          allerdings auch sagen, dass in der öffentlichen Wahrneh-
                                       dass ein Kapitalerhaltungskonzept vorliegt, aus dem sich er-      mung die Verunsicherung deutlich größer zu sein scheint,
                                       gibt, wie die Regeln der Satzung verstanden werden.               als sie der Rechtslage nach sein müsste. Das hängt vielleicht
                                                                                                         auch damit zusammen, dass die öffentliche Berichterstat-
                                                                                                         tung juristisch nicht immer ganz exakt ist. Grundsätzlich
ist gemeinnützigen Stiftungen eine politische Meinungs-
                          äußerung in Verbindung mit dem jeweiligen Stiftungs-
                          zweck erlaubt. Das war so, und das ist auch noch immer           chend zu handeln. Sprich: Wenn man nicht genug weiß,
                          so. Was nicht erlaubt ist, ist, dass der Zweck einer Stiftung    muss man sich erkundigen, beispielsweise beim Mitglie-
                          darin besteht, Politik zu betreiben. Politische Kampagnen,       derservice des Bundesverbandes oder in den entsprechen-
                          die auf allgemeinpolitische Veränderungen zielen, sind           den Publikationen oder bei den Beratern der Stiftung.
                          nach dem geltenden Gemeinnützigkeitsrecht nicht zuläs-
                          sig. Man kann nun darüber diskutieren, ob diese Rege-            Was kann mir denn im schlimmsten Fall passieren,
                          lung richtig ist, und es gibt Stimmen, welche die rechtliche     wenn ich gegen geltende Regeln verstoße? Das hängt
                          Trennlinie gerne verschieben würden.                             von der Art des Verstoßes ab. Bei einer schuldhaft falschen
                                                                                           Vermögensanlage oder einem Verstoß gegen den Kapital-
                          Wir haben vor allem über Regelungen gesprochen, die              erhaltungsgrundsatz können Organe unter Umständen mit
                          durch den Gesetzgeber vorgegeben sind. Gibt es auch              ihrem Privatvermögen haften. Gemeinnützigkeitsrechtlich
                          individuelle Grenzen innerhalb von Stiftungen, die re­           kann ein einziger Verstoß gegen die Regeln dazu führen,
                          levant für Good Governance sind? Die gibt es selbstver-          dass das Finanzamt einer Stiftung die Gemeinnützigkeit
                          ständlich auch. Ich werde gelegentlich mit der gutachterli-      aberkennt – mit allen damit verbundenen Konsequenzen.
                          chen Auslegung von Satzungsbestimmungen betraut, wenn            Das Stiftungsrecht und das Gemeinnützigkeitsrecht erwar-
                          bestimmte Stiftungsgremien – zum Beispiel ein Kuratorium         ten nicht die erfolgreiche Vermögensanlage oder gemein-
                          – vom Vorstand nicht im Sinne der Satzung in Entschei-           nützige Maßnahme, aber dass vor der jeweiligen Entschei-
                          dungsprozesse einbezogen wurden. Die Satzung einer Stif-         dung auf Grundlage angemessener Informationen eine
                          tung sollte klar regeln, wer welche Entscheidungen treffen       vertretbare Entscheidung gefällt wurde und dies nachge-
                          darf. Manches darf der Vorstand allein entscheiden. Für an-      wiesen werden kann.
                          dere Dinge braucht er die Zustimmung anderer Gremien.
                          Wenn er das ignoriert und handelt, ohne einen neuen Be-          Was können Stiftungen tun, die sich in dem Bereich
                          schluss einzuholen, verstößt er gegen die Satzung, und die       weiterentwickeln möchten? Die Deutsche Stiftungs-
                          anderen Stakeholder sind verärgert.                              akademie bietet vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten.
                                 Erschwert wird das Ganze dadurch, dass nicht in al-       Zum Beispiel kann man im zertifizierten Stiftungsmana-
                          len Satzungen klar erkennbar ist, wer eigentlich was ent-        ger-Lehrgang die nötigen Kenntnisse erwerben oder die
                          scheiden darf. Zu Good Governance gehört folglich auch,          Beratung des Bundesverbandes für seine Mitglieder nut-
                          dass man sich eine Geschäftsordnung gibt, aus der eindeu-        zen. Wesentlich ist natürlich auch, nicht nur den rechtli-         17
                          tig hervorgeht, wer welche Kompetenzen wofür hat. Da-            chen Rahmen in den Blick zu nehmen. Stiftungen haben

                                                                                                                                                              STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
                          nach hat man dafür zu sorgen, dass die entsprechenden            vielfältige Möglichkeiten und einen breiten Ermessens-
                          Berichtswege eingehalten werden und die nötigen Abstim-          spielraum, was ihr Engagement angeht. Im Sinne von
                          mungen stattfinden.                                              Good Governance sollten auch die erweiterten Grundsätze
                                                                                           guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes betrachtet wer-
                          Nehmen Stiftungen das Thema Governance ernst ge­                 den, die zwar keine verbindlichen Rechtsregeln aufstellen,
                          nug, wie sind Ihre Erfahrungen? Es gibt Stiftungen, die          aber die Best Practice darstellen, auf die sich die Mitglieder
                          das Thema sehr ernst nehmen. Anderen ist die Bedeutung           verständigt haben.  ←                    Interview Esther Spang
                          eventuell noch nicht ganz bewusst. Wie professionell eine
                          Stiftung aufgestellt ist, lässt sich weder an der Größe ei-
                          ner Stiftung festmachen noch am Bereich, in dem sie ak-
                          tiv ist. Es gibt sehr kleine Stiftungen, die sich der rechtli-
                          chen Rahmenbedingungen bis ins Detail bewusst sind, und
                          große Stiftungen, die den Ist-Zustand verbessern könnten.
                          Grundsätzlich gilt für alle: Unzureichendes Wissen ist bei
                          Rechtsverstößen keine Ausrede.
                                                                                             Über den Interviewpartner Prof. Dr. Stephan Schauhoff ist
                          Unwissenheit schützt also auch Stiftungen nicht vor                Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Partner der
Foto: David Ausserhofer

                          Strafe? Auf keinen Fall. Es ist keine Entschuldigung, wenn         Partnerschaft Flick Gocke Schaumburg am Standort Bonn sowie
                                                                                             Honorarprofessor an der Universität Bonn. Von 2009 bis 2011
                          ich keine hinreichende Ahnung habe, was ich tue. Die               war er im Beirat, seit 2011 gehört er dem Vorstand des Bundes-
                          Rechtsordnung sagt klar, dass die Organe dazu verpflichtet         verbandes Deutscher Stiftungen an.
                          sind, sich über die Rechtslage zu informieren und entspre-
TRANSPARENZ
Noch haben viele Stiftungen Bedenken,
ihre Arbeit offenzulegen – doch es
lohnt sich. Wer sich offen zeigt und
aktiv informiert, wirkt sympathisch,
glaubwürdig und modern.
Gemeinnützige
                             Gemengelagen
                             Nach dem Netzwerk Attac hat auch die Organisation Campact jüngst wegen zu großer
                             politischer Einmischung den Status der Gemeinnützigkeit verloren. Prominente Fälle wie
                             diese machen klar: Eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ist dringend nötig. Dabei
                             sind die starken Einschränkungen tagespolitischer Arbeit nicht mal die größte Baustelle

                             → Unterschriften sammeln, um den                   Wer wie Attac oder Campact       Steuerprivilegien und obendrein häu-
                             Regenwald zu retten – klingt erst ein-     politische Forderungen ins Zentrum       fig auch den Zugang zu öffentlichen
                             mal nach einer guten Sache, förder-        seines Tuns rückt, riskiert damit sei-   Fördergeldern und Einrichtungen,
                             lich für das Gemeinwohl. Sobald da-        nen Status als gemeinnützig – und al-    die ihnen ansonsten verwehrt blie-
                             raus ein politisches Engagement wird,      le damit einhergehenden Privilegien.     ben. Hinzu kommt eine größere ge-
                             ist die Sache aus Sicht der Finanzver-     „Dadurch will der Gesetzgeber die        sellschaftliche Glaubwürdigkeit. Un-
                             waltung allerdings gar nicht mehr          Abgrenzung zu Parteien und partei-       term Strich haben es gemeinnützige
                             eindeutig: Die Kampagnen-Organi-           nahen Organisationen sicherstellen“,     Stiftungen deutlich leichter, Drittmit-
                             sation Campact, die mit solchen Ak-        erklärt Tina Dubiel, Syndikusrechts-     tel einzuwerben, ein Verlust des Sta-
                             tionen an die Öffentlichkeit tritt, hat    anwältin beim Bundesverband Deut-        tus ist für die Betroffenen fatal. Die
                             Ende vergangenen Jahres den Status         scher Stiftungen. Das sei im Grund-      Folge: Viele Stiftungen entscheiden
                             der Gemeinnützigkeit verloren. Vo-         satz durchaus sinnvoll, da gemeinnüt-    sich dafür, im Zweifel öffentlich lieber
                             rausgegangen war ein wegweisendes          zige Körperschaften parteiunabhängig     zu schweigen als sich in der Sache klar    19
                             Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH).         dem Allgemeinwohl dienen und nicht       zu positionieren. Projektideen mit po-

                                                                                                                                                            STIFTUNGSWELT Herbst 2020 Governance
                             Im Februar 2019 hatten die Richter         bloß die Interessen einzelner Grup-      litischem Einschlag lassen die meisten
                             bereits dem globalisierungskritischen      pen oder einer Minderheit vertreten      ruhen. Das Attac-Urteil hat die Unsi-
                             Netzwerk Attac die Gemeinnützig-           sollen.                                  cherheit verstärkt, beobachtet Stif-
                             keit aberkannt und dabei auf die in                                                 tungs-Expertin Dubiel.
                             der Abgabenordnung festgelegten 25         Reformvorschlag sorgt für Kritik                 Abhilfe schaffen könnte eine
                             gemeinnützigen Zwecke verwiesen.           Doch ab wann ist eine Forderung po-      Reform des Gemeinnützigkeitsrechts,
                             Dem allgemeinen Wohl dienen dem-           litisch – und wie viel Meinungsäuße-     das die unklare Abtrennung von Ge-
                             nach Vereine, Stiftungen und Organi-       rung ist zu viel? Viele gemeinnützige    meinnutz und allgemeinpolitischer
                             sationen, die sich etwa für den Sport,     Stiftungen sind seit dem BFH-Urteil      Tätigkeit konkretisiert. Das Thema
                             die Bildung oder die Forschung enga-       verunsichert, erklärt Dubiel. Schließ-   steht seit vielen Jahren auf der politi-
                             gieren. Nicht aber solche, die sich all-   lich beschert erst der Status der Ge-    schen Agenda – allerdings mit mäßi-
                             gemeinpolitisch einmischen.                meinnützigkeit dem Träger wichtige       gem Erfolg. So findet sich das Verspre-
                                                                                                                 chen einer Reform auch im Koalitions-
                                                                                                                 vertrag der amtierenden Bundesregie-
                                                                                                                 rung, doch auf konkrete Maßnahmen
                                                                                                                 haben sich Union und SPD noch nicht
                                                                                                                 einigen können. Einen für Ende 2019
Illustration: Thomas Fuchs

                                                                                                                 angekündigten Gesetzentwurf hatte
                                                                                                                 das Bundesfinanzministerium wieder
                                                                                                                 verworfen, nachdem dieser auf hefti-
                                                                                                                 ge Kritik gestoßen war.
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