T - Heft 4 / 2019 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung - MDS

 
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Heft 4 / 2019 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung

                 D  K - R e  form:
               M
                             o  s i t i o n en,
                           P
                            ale,
               Po t e n z i
                        e  r s p e  k  tiven
                      P
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ak tuell

      Liebe Leserin, lieber Leser,                    Aktuell
bis zuletzt wurde um Positionen gerungen und          Die Gute Frage Haben wir bald ein Twittergehirn? 4
                                                      Kurznachrichten 6
kontrovers diskutiert: Das vom Bundestag beschlos­    Auch das noch Das hat Zeit … 32
sene MDK-Reformgesetz schafft organisa­torische
Veränderungen bei den Medizinischen Diensten
und Neuregelungen bei den Krankenhausprüfun­
                                                      Titelthema
                                                      Neue Auflagen, neue Rechte 8
gen. Was sagen maßgebende Akteure im Gesund­          Wie möchten Sie künftig die Arbeit im
heitswesen dazu? Welche neuen Impulse gibt es?        Verwaltungsrat mitgestalten ? 10
                                                      Wie ist Ihre Meinung zur MDK-Reform? 12
Während Einzelne offensichtlich noch im Kampf-        Viel Neues für alle 14

                                                                                                               mdk forum Heft 4 /2019
modus verharren, schauen andere kon­struktiv auf      Interview Was ändert sich für die Mitarbeiterinnen
                                                      und Mitarbeiter bei den Medizinischen Diensten? 16
den Umsetzungsprozess. Fakt ist: Der Beschluss
des Parlaments ist eine demokratische Entschei­
dung, die die Medizinischen Dienste nun Schritt       Wissen & Standpunkte
für Schritt umsetzen werden.                          Präventionsbericht 2019 Prävention und Gesundheits-
                                                      förderung auch in der stationären Pflege 17
   Neben dem Schwerpunktthema zur MDK-Re­             Die Pflegequalität im Fokus 18
form gibt es weitere interessante Beiträge im Heft:
Mit Blick auf die oft gefühlsintensive Zeit vor den
Festtagen fragen wir, warum uns wann die Tränen
                                                      Gesundheit & Pflege
                                                      Wünschewagen erfüllen Herzenswünsche Auch im Sterben
kommen. Wir erzählen, welche Reiseziele die           steht das Leben im Mittelpunkt 20
Wünschewagen ansteuern, die Schwerstkranken           Es ist angerichtet 22
                                                      Arbeitsmedizinische Zusammenhänge Vom Beruf zur
letzte Wünsche erfüllen, und wir berichten über       Berufskrankheit 24
neue Erkenntnisse zur Verpflegung in Kranken­
häusern.
   Zu guter Letzt verraten wir, warum das Sprich­
                                                      Weitblick
                                                      »Tränen sind der sichtbare Teil
wort »Was du heute kannst besorgen, das verschie­     unserer Emotionen« 26
be nicht auf morgen« womöglich ein guter Vorsatz      Digitale Unterstützung in der Pflege Motorradfahren im
                                                      Pflegeheim 28
für 2020 ist – insbesondere für diejenigen, die
unter Aufschieberitis leiden.
   Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest        Gestern & Heute
und viel Gesundheit und Glück fürs neue Jahr.         Viel Streit um nichts 30

                 Ihr Dr. Ulf Sengebusch
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die gute frage
                                                                                                                                                           1

                                                                                                    tschilp

                                              Haben wir bald
                                                ein Twittergehirn?

                         Aktuell forschen Wissenschaftler weltweit zu der Frage, wie sich die digitale Dauerpräsenz von
                         Smartphones, Tablets & Co. auf unser Gehirn auswirkt. MDK forum sprach mit Prof. Dr . Martin
mdk forum Heft 4 /2019

                         Korte. Der Neurobiologe und Leiter des Zoologischen Instituts in Braunschweig beschäftigt
                         sich mit den Zusammenhängen von digitaler Mediennutzung, Lernen und Gedächtnis.

                            Früher mussten wir uns Telefonnummern, Termine                mitteln. Deshalb würde ich mir das Fach Informatik für alle
                            und Namen noch merken, heute verlassen wir uns                wünschen, das systematisch Wissen über die Funktionswei-
                            ganz auf digitale Medien. Ist das eher Fluch oder             se der digitalen Medien vermittelt.
                            Segen?
                                                                                             Wie beeinflussen digitale Medien unsere
                            Das kann man so nicht sagen. Ich meine, Zeiten ändern            Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis?
                         sich. Es gibt durchaus Telefonnummern, die ich auch heute           Denken wir bald nur noch in begrenzten Twitter-
                         noch auswendig kann, und es ist ja auch ein ganz gutes Trai-        Dimensionen?
                         ning, sich Techniken zu überlegen, wie man sich was merken
                         kann. Vielen Jugendlichen geht das allerdings schon nicht            Es sind nicht die digitalen Medien per se, die unser Kon-
                         mehr so – dann ist es eher ein Fluch.                            zentrationsvermögen angreifen. Es ist unsere Nutzung, die
                                                                                          dazu führt, dass wir eigentlich in einem permanenten Alarm-
                            Wo sehen Sie Gefahren?                                        zustand sind: Wir scannen die Welt ununterbrochen ab –
                                                                                          nicht nur danach, was wir gerade jetzt brauchen, um unsere
                             Ganz generell mach ich mir wenig Sorgen, wenn man Na-        Aufgabe zu lösen, sondern auch bezogen auf all die anderen
                         vigationsgeräte benutzt oder externe Speicher. Man darf nur      Informationen, die ständig aufploppen. Vibriert das Handy?
                         nicht meinen, man könne alles Wissen extern speichern. Das       Klingelt es? Kommt eine Nachricht oder nicht? Und wir las-
                         kann man nicht, man braucht auch noch »eigenes« Wissen.          sen uns dadurch ablenken; unser Gehirn erwartet das auch
                         Denn wir erleben die Welt, handeln und denken auch da-           regelrecht. Denn es ist so gebaut, dass es auch eine Beloh-
                         nach, wie differenziert wir sie wahrnehmen. Und das hängt        nung bedeutet, wenn wir reagieren, klicken und sehen: Oh,
                         auch davon ab, wie viel wir wissen: Wie viel Vorwissen haben     wir können wieder neue Twitter-Nachrichten schicken, wir
                         wir über die Welt? Und haben wir das auch in unseren Köp-        haben sie zuerst gefunden, und andere kommentieren sie.
                         fen gespeichert? Wissen ist eine Kompetenz, die man haben        All das führt zu so einer Selbstkonditionierung, die auf Kos-
                         sollte. Denn je mehr man über diese Welt weiß und in seinem      ten unseres Konzentrationsvermögens geht. Über 70 % aller
                         eigenen Kopf gespeichert hat, umso mehr sieht man und            Deutschen klicken innerhalb von sechs Sekunden auf eine
                         nimmt auch feinere Details wahr.                                 eingehende E-Mail. Und das sind nicht nur Kinder und Ju-
                                                                                          gendliche. Auch im Berufsleben kennen wir das, dass man
                            Wie gehen Kinder und Jugendliche mit all den                  im Gespräch ist, aber trotzdem mit einem halben Auge ver-
                            Informationen im Netz um?                                     folgt, welche E-Mails gerade ankommen.

                            Informationen haben und denken können ist ein Unter-             Trotzdem: Sind Kinder mehr gestresst, weil sie
                         schied. Viele speichern Wissen überhaupt nicht mehr ab,             meinen, sofort auf WhatsApps, SMS, Posts und
                         weil sie meinen, dass sie es ja überall online suchen können.       E-Mails antworten zu müssen?
                         Doch oft wissen die Kids gar nicht, wie sie das machen sollen.
                         Stellen sie eine unspezifische Frage im Netz, führt das nur zu       Ja, Kinder sind anfälliger, weil das, was wir brauchen, um
                         hunderttausenden unspezifischen Antworten, und sie kön-          Prioritäten zu setzen, ist das Arbeitsgedächtnis in unserem
                         nen dann gar nicht abschätzen, was ist Blödsinn, was könnte      Kopf. Es sitzt im Stirnlappen und versieht jede Information,
                         stimmen, was ist eine valide Quelle. Auch dafür muss ich         die uns erreicht, mit einer Priorität. Bei Kindern und Jugend-
                         schon eine Menge über die Welt wissen. Und auch um die           lichen ist der Stirnlappen und damit das Arbeitsgedächtnis
                         Medien technisch zu beherrschen, braucht es bestimmte            noch nicht voll entwickelt, das dauert bis über das zwanzigs-
                         Fertigkeiten. Viele Grundkenntnisse könnten Schulen ver-         te Lebensjahr hinaus. Schon deshalb haben Jüngere kürzere
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die gute frage
2
    Konzentrationszeiten. Und sie sind noch anfälliger, wenn sie         Eine neue Studie aus Amerika konnte
    in einem Pseudo-Multitaskingmodus aufwachsen.                        Veränderungen im Gehirn bei Vorschulkindern
                                                                         nachweisen, die länger als eine Stunde am Tag vor
       Was heißt das? Multitasking gilt doch als besondere               dem Bildschirm saßen. Die Kinder waren schlechter
       Fähigkeit, oder?                                                  bei sprachlichen Tests. Müsste uns das nicht
                                                                         alarmieren?
       Multitasking geht gar nicht, weil wir nicht wirklich meh-
    rere Dinge gleichzeitig können, sondern wir wechseln                    Ob die beobachteten Schäden im Gehirn bleiben werden,
    schnell zwischen den Dingen. Wenn Jugendliche ständig              ist für mich unklar. Trotzdem sollten wir solche Ergebnisse
    mehreres gleichzeitig tun, trainiert das lediglich die Ablen-      ernst nehmen. Damit sich das Gehirn gut entwickelt, braucht
    kung, nicht das Konzentrationsvermögen. Am besten kon-             es mehr direkte Kommunikation. Ich fahre ganz oft an einem
    zentriert auf dieser Welt sind buddhistische Zen-Mönche,           Spielplatz vorbei und sehe, wie die Eltern mit ihren Kindern
    die es selbst in chaotischer Umgebung schaffen, den Fokus          reden, während sie aufs Handy starren. Die Kinder haben eine
    zu halten, weil sie genau das in ihren Meditationen üben.          tolle Burg gebaut, und wenn die fertig ist, wird die auch ge-

                                                                                                                                       mdk forum Heft 4 /2019
                                                                       filmt, aber die Kinder sehen das Gesicht ihrer Eltern beim
       Und wie schaffen wir es, konzentriert zu bleiben?              ­Reden nicht. Auch hier müssen wir noch viel lernen.

       Wichtig ist, den Arbeitstag so einzuteilen, dass sich             Die Fragen stellte Dorothee Buschhaus
    schnell wechselnde Tätigkeiten und ruhigeres Arbeiten ab-
    wechseln. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Es muss
    On- und Offzeiten geben. Das ist ein Kampf, den Eltern unbe-
    dingt führen müssen – auch als Vorbild. Wenn es beim
    Abendessen kein Handy gibt, dann gilt das für alle. Nur dann
    hat man einen Effekt. Und vor allem Kinder sollten vor dem
    Schlafen das Handy ausschalten, weil sonst der Blauanteil
    im Bildschirm zusätzlich wach macht. Die Jugendlichen
    schlafen heute fast eine halbe Stunde weniger als vor 15 Jah-
    ren, weil viele mit ihrem Handy ins Bett gehen und mit ihrem
    Handy wieder aufwachen und vor dem Schlafen noch schnell
    Nachrichten checken.

       Was müssen wir alle lernen im Umgang mit
       digitalen Medien?

        Wir müssen lernen, die Balance zu finden zwischen dem,
    was wir extern auslagern können, und dem, was wir selbst
    wissen müssen. Und wir brauchen neben technischem Kön-
    nen mehr Wissen darüber, wie Netzwerkstrukturen sind, wie
    eine Suchmaschine funktioniert, wie Antworten generiert
    werden. Denn das wird auch für künftige gesellschaftliche
    Debatten ganz wichtig sein – was darf im Netz anonym sein,
    was nicht?
        Gerade in der Bildung dürfen digitale Medien nicht
    Selbstzweck sein und auch nicht als heilige Kuh gelten. Im
    Bildungskontext plädieren inzwischen viele dafür, nur noch
    digitale Medien einzusetzen, weil diese besser evaluiert sei-
    en, aber das stimmt nicht. Viele Eltern glauben, dass ihre
    Kinder mit digitalen Medien wie von selbst lernen würden,
    aber auch das ist eine völlige Illusion. Das Lernen wird da-
    durch nicht leicht. Die gute Nachricht ist nur, dass das Ge-
    hirn den schweren Erwerb des Wissens honoriert durch ein
    langfristig besseres Gedächtnis. Bei aller Digitalisierung hof-
    fe ich auch, dass gedruckte Bücher und Zeitungen erhalten
    bleiben. Denn viele Informationen kann man aus Büchern
    besser erinnern als auf dem Flachbildschirm, weil sie eine        Prof. Dr.
    Dreidimensionalität haben, einen Geruch, eine Individuali-        Martin Korte
    tät, die wir tatsächlich auch mitbenutzen, um uns an Fakten
    zu erinnern.
        Ich wünsche mir ein Nebeneinander – dann sind digitale
    Medien eine Bereicherung.
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                              Menschen mit Demenz                          Fettabsaugen wird                               Bundestag stimmt für
                              begleiten und pflegen                        Kassenleistung                                  Masernschutzgesetz
                         Etwa 1,7 Millionen Menschen mit demen-        Frauen mit ausgeprägtem Lipödem bekom-         Kinder sollen wirksam vor Masern geschützt
                         ziellen Erkrankungen leben derzeit in         men ab Januar 2020 das Absaugen von            werden: Ab März 2020 ist für sie beim
                         Deutschland. Bis zum Jahre 2030 könnten       Körperfett von den gesetzlichen Kranken-       Eintritt in die Kindertagesstätte oder Schule
                         es 2 Millionen, bis 2050 knapp 3 Millionen    kassen bezahlt. Das hat der Gemeinsame         ein altersgerechter Masernimpfschutz
                         Betroffene sein. Die Demenz gehört zu den     Bundesausschuss beschlossen.                   nachzuweisen. Auch Mitarbeiter von
                         häufigsten Erkrankungen im Alter. Was             Etwa drei Millionen Frauen in Deutsch-     Gemeinschaftseinrichtungen sowie
                         bedeutet das für die pflegerische und         land leiden darunter, dass sich an Armen       medizinisches Personal sollen gegen die
                         medizinische Versorgung? Und wie kann die     und Beinen deutlich mehr Fettgewebe            Infektionskrankheit geimpft sein. Geregelt
                         selbstbestimmte Lebensführung von             bildet als üblich. Bezahlt wird das Absaugen   ist dies im Gesetz für den Schutz vor Masern
               3 /2019

                         Menschen mit Demenz unterstützt werden?       von Fett allerdings nur, wenn das Krank-       und zur Stärkung der Impfprävention
                         Mit diesen Fragen setzt sich die Grundsatz-   heitsbild Lipödem bereits das Stadium drei     (Masernschutzgesetz), das Mitte November
mdk forum Heft 4

                         stellungnahme Demenz der Medizinischen        erreicht hat, die ungewöhnliche Häufung        vom Bundestag beschlossen wurde und
                         Dienste auseinander. Der aktualisierte        von Fettgewebe an Armen, Beinen und            zum 1. März 2020 in Kraft tritt.
                         Praxisleitfaden berät und unterstützt         Hüfte besonders stark ausgeprägt ist. Die           Kinder ohne Masernimpfung können
                         Pflegeeinrichtungen im Versorgungsalltag.     betroffenen Frauen – ihre Zahl wird auf        vom Besuch einer Kindertagesstätte
                         Die Grundsatzstellungnahme ist bestellbar     mindestens 10 000 geschätzt – haben starke     ausgeschlossen werden. Gegen Eltern, die
                         unter www.mds-ev.de                           Schmerzen an den betroffenen Körperstel-       ihre in Gemeinschaftseinrichtungen
                                                                       len. Die Behandlungskosten für diese           betreuten Kinder nicht impfen lassen, kann
                              Bleiberecht für Reha-Patient             schweren Fälle sollen erst einmal bis 2024     ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro verhängt
                         Ist für einen schwerkranken Patienten         erstattet werden. Parallel soll der medizi­    werden.
                         unmittelbar nach einer Krankenhausbe-         nische Nutzen des Fettabsaugens weiter
                         handlung kein stationärer Reha-Platz          erforscht werden.                                   Nicht zu viel,
                         verfügbar, kann er weiter im Krankenhaus                                                          nicht zu wenig Behandlung
                         behandelt werden. Der Fall sei mit der            Systemische Therapie von                   Nicht selten bekommen Patientinnen und
                         ärztlichen Notfallversorgung vergleichbar,        Kassen finanziert                          Patienten überflüssige Therapien, werden
                         entschied das Bundessozialgericht (BSG) in    Für die psychotherapeutische Behandlung        zu spät oder gar nicht behandelt. Schutz
                         Kassel im November (Az. B1 KR13 /19R).        von Erwachsenen steht künftig auch             vor Über- und Unterversorgung – gemeinsam
                         Das höchste deutsche Sozialgericht wies       die Systemische Therapie als Leistung der      entscheiden heißt eine neue Leitlinie der
                         eine Revision der AOK Bayern zurück, die      gesetzlichen Krankenversicherung zur           Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedi-
                         sich geweigert hatte, die Kosten einer        Verfügung. Das hat der Gemeinsame              zin und Familienmedizin (DeGAM).
                         solchen Unterbringung zu übernehmen. In       Bundesausschuss Ende November be-                   Die Autorinnen und Autoren der
                         dem Fall ging es um einen Mann aus Bayern     schlossen und die Richtlinie Psychotherapie    Leitlinie haben Empfehlungen aus bereits
                         mit einer schweren Lungenerkrankung. Sein     entsprechend geändert. In der Systemi-         veröffentlichten Leitlinien zu bestimmten
                         Klinikaufenthalt hätte höchstens bis Mitte    schen Therapie werden Probleme nicht als       Krankheiten zusammengetragen, in denen
                         Januar 2010 dauern dürfen; es gab aber erst   Eigenschaften einzelner Personen gesehen,      Über- und Unterversorgung thematisiert
                         ab Ende Januar einen Platz zur Anschluss-     sondern als Auswirkung von sozialen            werden. Dabei geht es nur um Behandlun-
                         behandlung in einer Reha-Klinik. Da keine     Beziehungen innerhalb einer Familie oder       gen, an denen Hausärzte beteiligt sind. Ein
                         Kurzzeitpflege möglich war, blieb der         Gruppe. Die Therapie konzentriert sich         Zuviel an Medizin gibt es laut DeGAM unter
                         Patient im Krankenhaus. Damit überschritt     dementsprechend nicht auf eine einzelne        anderem bei Antibiotika, Medikamenten mit
                         die Klinik die Grenzverweildauer. Die         Person, sondern auf die Interaktion            kritischem Nutzen-Risiko-Profil, nicht
                         entstandenen Kosten von rund 10 500 Euro      zwischen Mitgliedern der Familie und der       notwendigen diagnostischen Maßnahmen
                         wollte die AOK Bayern nicht übernehmen,       weiteren sozialen Umwelt. Unter anderem        wie Bildgebung, Laboruntersuchungen oder
                         weil kein Notfall vorgelegen habe und das     wird versucht, symptomfördernde Bezie-         invasiven diagnostischen Prozeduren. Auch
                         Krankenhaus nicht für eine Reha-Behand-       hungen zu verändern beziehungsweise            von drei Screenings wird abgeraten:
                         lung zugelassen gewesen sei.                  ihnen eine funktionalere Selbstorganisation    PSA-Screening, Hautkrebs-Screening und
                              Dem widersprach der Erste Senat in       der Patientin oder des Patienten entgegen-     einem Screening auf schädlichen Alkohol-
                         Kassel. Behandele das Krankenhaus den         zusetzen.                                      gebrauch. Ein Zuwenig an Medizin sehen
                         Patienten weiter, bis dieser einen Reha-          Bisher werden nur die Psychoanalyse,       die Experten etwa beim systematischen
                         Platz erhalte, habe die Einrichtung einen     die tiefenpsychologisch fundierte Psycho-      Case Finding von Depressionen bei
                         Anspruch auf Vergütung nach denselben         therapie und die Verhaltenstherapie als        entsprechender klinischer Symptomatik,
                         Grundsätzen wie ein dafür zugelassenes        ambulante Versorgung von der Kranken­          bei der Dokumentation des Raucherstatus
                         Krankenhaus. Voraussetzung sei, dass das      kasse übernommen.                              bei Patienten mit Husten, bei der Beach-
                         Krankenhaus - wie im konkreten Fall                                                          tung von gesundheitlichen Problemen
                         geschehen - alles Zumutbare getan habe,                                                      Angehöriger von Patienten mit Demenz.
                         um den Notfall abzuwenden.                                                                   Infos auch unter www.degam.de
T - Heft 4 / 2019 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung - MDS
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        Entlastung für Betriebsrentner              während des Sterbeprozesses besprochen              Bessere Hilfe für Sexualopfer
    Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner,       sowie Vorkehrungen für Notfallsituationen       Gesetzlich Krankenversicherte, die Opfer
    die bei einer Krankenkasse pflichtversichert    getroffen. Die Festlegungen können in Form      von sexuellem Missbrauch, Misshandlung
    sind, sollen ab 2020 um insgesamt               einer Patientenverfügung niedergelegt           oder Gewalt wurden, haben ab dem 1. März
    1,2 Milliarden Euro jedes Jahr entlastet        werden.                                         2020 einen Anspruch auf Kostenübernah-
    werden. Das Bundeskabinett beschloss                Im Jahr 2018 war »die gesundheitliche       me für eine vertrauliche medizinische
    Mitte November den Entwurf eines Gesetzes       Versorgungsplanung für die letzte Lebens-       Spurensicherung am Körper. Damit wird die
    zur Einführung eines Freibetrages in der        phase« als neue Kassenleistung eingeführt       frühzeitige Beweissicherung bei Verdacht
    gesetzlichen Krankenversicherung zur            worden. Die Krankenkassen gaben 2018 ins-       auf Vergewaltigung oder sexuellen Miss-
    Förderung der betrieblichen Altersvorsorge.     gesamt 64 000 Euro für das Beratungsange-       brauch verbessert. Die Leistungen der
    Künftig soll ein Freibetrag von 159,25 Euro     bot aus. Diese Zahlen gehen aus einer           Krankenkassen sollen unter anderem die

                                                                                                                                                                    3 /2019
    gelten. Erst ab dieser Höhe werden              Antwort des Bundesgesundheitsministe­           Sicherung von Spermaspuren, die Unter­
    Krankenkassenbeiträge auf die Betriebs­         riums auf eine Anfrage der Linken-Bundes-       suchung auf K.-o.-Tropfen oder auf

                                                                                                                                                     mdk forum Heft 4
    rente fällig. Zu zahlen ist der Beitragssatz    tagsfraktion hervor.                            Alkohol­einfluss beinhalten. Ärzte und
    der jeweiligen Krankenkasse inklusive                                                           Kranken­häuser können diese Leistungen
    Zusatzbeitrag. Das Gesetz tritt zum 1. Januar       Fallpauschalen ohne Pflege                  mit den Krankenkassen abrechnen, ohne
    2020 in Kraft.                                  Die Pflegekosten in den deutschen               dass die untersuchte Person von der
                                                    Krankenhäusern werden künftig gesondert         Krankenkasse identifiziert werden kann.
        Aus für Krankschreibung                     abgerechnet. Im Oktober haben sich              Die Spurensicherung kann dokumentiert
        auf Papier                                  Kliniken und Krankenkassen auf einen            werden und ist dann in etwaigen späteren
    Bundestag und Bundesrat haben das Aus           neuen Fallpauschalenkatalog (DRG-Katalog)       Gerichtsverfahren anwendbar. Die neue
    für die Krankmeldung auf Papier beschlos-       verständigt. Dieser ist seit 2004 verbind­      Kassenleistung wurde im Rahmen des
    sen. Sie soll künftig durch eine digitale       liche Abrechnungsgrundlage für rund 19          Bundestagsbeschlusses über das Masern-
    Bescheinigung für den Arbeitgeber ersetzt       Millionen stationäre Behandlungsfälle pro       schutzgesetz durchgesetzt.
    werden. Das sieht ein umfangreiches             Jahr und steuert ein Finanzierungsvolumen
    Gesetzespaket zum Bürokratieabbau vor,          von über 75 Milliarden Euro. Das Heraus­             Depressiven Kindern droht
    das zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt.          lösen der Pflegekosten hatte der Bundestag           Versorgungslücke nach Klinik
        Wer sich bisher vom Arzt krankschrei-       im Pflegestärkungsgesetz beschlossen, um        Fast 8% aller Kinder zwischen zehn und 17
    ben lässt, bekommt mehrere Bescheinigun-        die Pflege in den Krankenhäusern zu             Jahren, bei denen eine Depression diagnos-
    gen: eine für den Arbeitgeber, eine für die     stärken. Künftig werden rund 15 Milliarden      tiziert wurde, kommen innerhalb eines
    Krankenkasse, eine für die persönlichen         Euro, die die Krankenhäuser für die Pflege in   Jahres ins Krankenhaus, durchschnittlich
    Akten. Bundesgesundheitsminister Jens           bettenführenden Abteilungen ausgeben,           für 39 Tage. Das zeigt der aktuelle Kinder-
    Spahn (CDU) hatte mit dem Terminservice-        gesondert finanziert – orientiert an den        und Jugendreport der DAK-Gesundheit mit
    und Versorgungsgesetz (TSVG) bereits eine       tatsächlichen Ausgaben des einzelnen            dem Schwerpunkt Ängste und Depressionen
    Neuregelung auf den Weg gebracht,               Krankenhauses.                                  bei Schulkindern. Basis für die repräsentative
    wonach die Arbeitsunfähigkeits-Beschei­                                                         Studie sind Abrechnungsdaten der Jahre
    nigungen ab 2021 von den behandelnden               Impfen in der Apotheke                      2016 und 2017 von rund 800 000 minder-
    Ärzten an die Krankenkassen nur noch            In Deutschland lassen sich bei weitem           jährigen DAK-Versicherten. Laut Auswer-
    digital übermittelt werden. Mit den             nicht alle Menschen gegen die Grippe            tung durch die Universität Bielefeld hat die
    Regelungen im Bürokratieabbaugesetz             impfen, denen dieser Schutz empfohlen           Zahl der Klinikeinweisungen wegen
    informiert die Krankenkasse in einem            wird. Das im November beschlossene und          Depressionen in diesem Zeitraum um 5%
    nächsten Schritt den Arbeitgeber elektro-       im März 2020 in Kraft tretende Masern-          zugenommen. Nach der Entlassung fehlt oft
    nisch über Beginn und Dauer der Arbeits­        schutzgesetz sieht vor, dass Apotheker          eine passende ambulante Nachsorge. Die
    unfähigkeit.                                    künftig in regionalen Modellvorhaben die        Folge: Fast jedes vierte dieser Kinder wird
                                                    Grippeschutzimpfung bei Erwachsenen             innerhalb von zwei Jahren mehrfach
        Heimbewohner nutzen                         vornehmen können. Hierzu müssen sie             stationär behandelt.
        Sterbeberatung                              ärztlich geschult werden und sie müssen              Laut DAK-Report zeigt jedes vierte
    Immer mehr Menschen in deutschen                geeignete Räume zur Verfügung haben. Das        Schulkind psychische Auffälligkeiten. 2%
    Senioren- und Pflegeheimen informieren          Modellvorhaben soll höchstens fünf Jahre        leiden an einer diagnostizierten Depression,
    sich über rechtliche und medizinische           lang laufen und wissenschaftlich begleitet      ebenso viele unter Angststörungen.
    Möglichkeiten der Gestaltung des eigenen        werden. Andere Impfungen sollen die             Hochgerechnet sind insgesamt etwa
    Sterbens und lassen sich dazu beraten. Im       Apotheker nicht verabreichen.                   238 000 Kinder in Deutschland im Alter von
    ersten Halbjahr 2019 haben die gesetzlichen                                                     zehn bis 17 Jahren so stark betroffen, dass
    Krankenversicherungen 2,6 Millionen Euro                                                        sie einen Arzt aufsuchen. Im Vergleich zum
    für dieses Beratungsangebot ausgegeben.                                                         Vorjahr ist die Depressionshäufigkeit 2017
    Bei Beratungsgesprächen werden die                                                              um 5% gestiegen.
    individuellen medizinischen Abläufe                                                                  Infos auch unter www.dak.de.
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                e f o r m   :
   M   D  K - R
          o n e n ,
Po si t i           z i a l e ,
         Po t e  n
               k t i v e n
  Pe r sp e
T - Heft 4 / 2019 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung - MDS
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                                      Neue Auf lagen, neue Rechte

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     Ein halbes Jahr lang wurde über das MDK-Reformgesetz beraten, nun ist es beschlossen: Der
     Medizinische Dienst soll künftig organisatorisch unabhängig von den Krankenkassenverbän-
      den arbeiten. Krankenhäuser sollen gezielt überprüft werden. Sehr umstritten war die künftige
     Besetzung der Verwaltungsräte – am Ende gab’s einen kleinen Sieg, aber nichts zu feiern.

     das erste strucksche gesetz hat sich wieder einmal               neue Dachorganisation, der md Bund, der die Richtlinien für
     ­bestätigt: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es ein-   die md-Arbeit auf Landesebene vorgibt, wird künftig nicht
      gebracht wurde, versprach vor Jahren spd-Fraktionsvorsit-       mehr vom gkv-Spitzenverband getragen, sondern von den
      zender Peter Struck. Dennoch hagelte es am Tag nach der         Länder-MDs. Die Aufgabe, den Spitzenverband in medizini-
     Verabschiedung des mdk-Gesetzes reichlich Kritik. Neues          schen und pflegerischen Fragen zu beraten, bleibt aber be-
     Vertrauen und mehr Transparenz hatte Gesundheitsminister         stehen.
     Jens Spahn versprochen. Ziel verfehlt?                               Kein Wunder, dass weder Gewerkschaften und Arbeitge-
                               Tatsächlich haben die Regierungs-      ber noch mdk mit dem Gesetz rundum zufrieden sind. Ein
        Trennung von       fraktionen Union und spd den Minister      kritischer Bestandteil sei zwar auf den letzten Metern ent­
    den Kranken- und       bei seinem Vormarsch gegen die gesetz-     fallen, sagte Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim
         Pflegekassen      lichen Krankenkassen spürbar ausge-
                           bremst. Bei der Neuorganisation, der
     Trennung der Medizinischen Dienste mit ihren rund 9000
     Mitarbeitern von den Kranken- und Pflegekassen, ist es ge-
     blieben. Bis Mitte 2021 werden alle MDKs unter dem Namen
     Medizinischer Dienst (md) auf Landesebene in eigenständi-
      ge Körperschaften des öffentlichen Rechts überführt. Der
     mds wird bis Ende 2021 als md Bund neu konstituiert. Die
     Finanzierung der Medizinischen Dienste erfolgt wie bisher
      über eine Umlage aus den Versichertenbeiträgen.

         Unvereinbarkeitsregelung vom Tisch

         Eine deutliche Korrektur der Regierungsvorlage setzte        Deutschen Gewerkschaftsbund (dgb). Aber dies sei kein
     die spd aber bei der Zusammensetzung der Verwaltungsräte         Grund zum Feiern. Amtszeit- und Ämterbegrenzung seien
     durch. Die Unvereinbarkeitsregelung, die vom Medizini-           »eine Ohrfeige für die engagierten und hochqualifizierten
     schen Dienst entschieden abgelehnt wurde, ist vom Tisch.         Kollegen und Kolleginnen«. Kritisch sieht Buntenbach zu-
     Die ehrenamtlichen Vertreter der Selbstverwaltung bei den        dem die Beteiligung von Patienten- und Ärztevertretern in
     Krankenkassen und Kassenverbänden dürfen künftig zu-             den Verwaltungsräten des md. Dass Leistungserbringer sich
     gleich Mitglied der neuen md-Verwaltungsräte sein – aller-       in Zukunft selbst kontrollieren, sei falsch.
     dings nur, solange sie bloß ein Amt und nicht zwei oder drei         Auch Alexander Gunkel, Hauptgeschäftsführungsmit-
     weitere Ehrenämter zusätzlich bei einer Krankenkasse, ei-        glied bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
     nem Krankenkassenverband oder einem anderen Medizi­              verbände (bda), kritisierte die neuen Einschränkungen. Die
     nischen Dienst ausüben. Die Amtszeit ist befristet auf die       Mandatsbegrenzung bedeute Erfahrungs- und Wissensver-
     Dauer von maximal zwei Wahlperioden. Diese drastische            lust, der die soziale Selbstverwaltung schwäche und »für eine
     Einschränkung ist nicht der einzige Wermutstropfen. Die          erfolgreiche Arbeit der Verwaltungsräte abträglich ist«. Gun-
T - Heft 4 / 2019 Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung - MDS
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                           kel kritisierte erneut die Grundintention der Reform. Die bis-    log für ambulante Operationen vereinbaren, deren Abrech-
                           herige Anbindung des md an die Krankenkassen habe sich            nungen nicht mehr vom md überprüft werden dürfen. Nicht
                           in hohem Maße bewährt. »Für die beschlossene Loslösung            ­zuletzt: Mit dem Gesetz werden in allen Krankenhäusern
                           besteht überhaupt kein Anlass.«                                    Strukturprüfungen eingeführt, die ab 2021 Voraussetzung
                               Uwe Klemens, alternierender Verwaltungsratsvorsitzen-         für die Abrechnung von Komplexkodes sind. Das bedeutet,
                           der des gkv-Spitzenverbands, begrüßte ähnlich wie der dgb,
                           dass künftig, anders als ursprünglich geplant, die langjäh­
                           rige Expertise der Selbstverwalter aus den Krankenkassen
                           in die Arbeit der Medizinischen Dienste eingebracht werden
                           könne: »Allerdings werden Amtszeit und Ämterzahl der sozi-
                           alen Selbstverwaltung begrenzt – das ist vollkommen unver-
                           ständlich, zumal dies für Patienten- und Berufsvertreter im
                           Verwaltungsrat nicht gilt.«
mdk forum Heft 4 /2019

                               Größere fachliche Unabhängigkeit

                                Die Organisationsreform ist allerdings nur eine Neue-
                            rung von vielen, die auf den mdk ab dem 1. Januar zukom-
                            men. Zu den positiven Maßnahmen des Gesetzes gehört die
                            überfällige Ausweitung der fachlichen Unabhängigkeit auf
                            Pflegefachkräfte und andere Gesundheits- und Heilberufe
                            und Kodierfachkräfte bei der Begutachtung. Zudem hat der
                            Gesetzgeber die Krankenkassen verpflichtet, im Fall der Ab-      dass die Kliniken im Vorfeld vom md prüfen lassen müssen,
                            lehnung einer beantragten Leistung dem Versicherten das          ob sie die technischen und personellen Voraussetzungen für
                                                 md-Gutachten in verständlicher Form         bestimmte Behandlungen erfüllen.
                            Im Zweifel klärt      zu übermitteln. Der verpflichtende Hin-        Dem Bundesrat, der mehr Zeit für die Umsetzung des Ge-
                         die Ombudsperson        weis auf die vom md bestellte Ombuds-       setzes verlangt hatte, kam die Regierung entgegen. Erst Ende
                                                 person (mit jährlicher Berichtspflicht)     2020 müssen nun die zuständigen Landesbehörden die Mit-
                            soll die Zahl der Widersprüche mindern.                          glieder des neuen Verwaltungsrats benannt haben, sechs
                                Die Reform der Krankenhausabrechnungsprüfungen ist           Monate später als ursprünglich geplant. Mitte 2021 läuft die
                            das zweite große Anliegen des Gesetzgebers. Die Zahl der         Frist zur Konstituierung der neuen Körperschaften aus. Die
                            Prüfungen soll insgesamt deutlich sinken; bestimmte Anrei-       alten Verwaltungsräte amtieren so lange, bis die Satzung der
                            ze sollen die Kliniken ab 2021 stärker anhalten, korrekt abzu-   neuen durch die Landesbehörden beziehungsweise im Fall
                            rechnen. Bereits im nächsten Jahr werden die Prüfrechte der      des md Bund vom Bundesgesundheitsministerium geneh-
                            Krankenkassen eingeschränkt. Ein Plan, der bei Kranken-          migt ist. Bis Ende 2021 darf übrigens auch die alte md-Ge-
                            kassen und mdk auf Kritik stieß. Union und spd haben re-         schäftsführung weiterarbeiten, die des md Bund bis Juni
                            agiert. Die zulässige Zahl an Prüfungen durch den md im          2022.
                            Übergangsjahr 2020 wurde von zehn auf 12,5% erhöht. Au-              Eine weitere Forderung des Bundesrats lehnten sowohl
                            ßerdem dürfen die Kassen bereits im nächsten Jahr und            das Ministerium als auch die Regierungsfraktionen ab. Es
                            nicht erst 2021 von allen Krankenhäusern erstmals einen          bleibt dabei: Anders als die 16 Vertreter der Krankenkassen
                            Aufschlag für Falschabrechnungen, eine Art Strafgebühr,          und Kassenverbände und die fünf Ver-
                            verlangen – mindestens 300 Euro oder 10% der Differenz zwi-      treter der Patienten- und Verbraucher- Gleich viele Frauen
                            schen korrektem und falschem Rechnungsbetrag.                    schutzverbände haben die zwei Vertre- und Männer im
                                                                                             ter aus den Reihen der Pflege- und Ärz- Verwaltungsrat
                               Prüfverfahren und Quoten                                      tekammer kein Stimmrecht im Verwal-
                                                                                             tungsrat. Eine weitere Neuerung: Die Verwaltungsräte müs-
                               Bei der Vorgabe maximaler Prüfquoten von fünf bis 15%         sen künftig von Frauen und Männern paritätisch besetzt sein.
                           pro Krankenhaus und Quartal ab 2021 bleibt es. Es wird ein
                           neues Anreiz- und Strafsystem geschaffen: Wer häufiger
                           falsch abrechnet, wird öfter geprüft, und wer besser abrech-
                           net, wird seltener geprüft. Ab Mitte 2020 ist der gkv-Spitzen-
                           verband verpflichtet, jeweils für das zurückliegende Quartal
                           bundesweit, gegliedert nach den einzelnen Medizinischen
                           Diensten, eine Statistik zu veröffentlichen, die über die Zahl
                           der Prüfungen, Prüfanlässe und Prüfergebnisse informiert.
                           Ein neuer ehrenamtlich besetzter Schlichtungsausschuss
                           (von gkv und dkg) soll auf Bundesebene häufig auftretende
                           Abrechnungs- und Kodierstreitigkeiten grundsätzlich klä-
                                                                                                                     Gabi Stief hat viele Jahre als Hauptstadt-
                           ren. Bis Mitte 2021 sollen die Spitzenverbände von Kranken-                               korrespondentin für die Hannoversche
                           kassen, Krankenhäusern und Ärzten außerdem einen Kata-                                    Allgemeine Zeitung geschrieben und arbeitet
                                                                                                                     als freie Journalistin in Hannover.
                                                                                                                     gabi-stief@gmx.de
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                                     Wie bewerten die
                             Medizinischen Dienste das Gesetz?

                                                                                                                                   mdk forum Heft 4 /2019
    Organisatorisch ist die Reform der Medizinischen Dienste problematisch und widersprüchlich.
    Die soziale Selbstverwaltung in den Verwaltungsräten wird erheblich geschwächt und einge-
    schränkt. Hinsichtlich der Neuregelungen im Krankenhausbereich, der Aufgabenwahrneh-
    mung, Versichertenorientierung, Transparenz und Unabhängigkeit der künftigen MD sind auch
    positive Elemente im Gesetz verankert.

                                                                      Kritik an Loslösung vom GKV-Spitzenverband

                                                                       Die Neuorganisation der Verwaltungsräte stößt dagegen
                                                                   auf deutliche Kritik. »Die organisatorischen Regelungen im
                                                                   mdk-Reformgesetz sind falsch und kontraproduktiv«, er-
                                                                   klärt Dr. Volker Hansen, alternierender Verwaltungsratsvor-
                                                                   sitzender des mds. »Die Versicherten- und Arbeitgeberver-
                                                                   treter in den Verwaltungsräten können in Zukunft nur noch
                                                                   ein weiteres Ehrenamt in der Sozialverwaltung innehaben
                                                                   und sie sind nur noch für zwei Amtsperioden wählbar. Da-
                                                                   durch geht wichtiges und zwingend er-
                                                                   forderliches Fachwissen aus der gesetz- Wichtiges
                                                                   lichen Kranken- und Pflegeversicherung      Fachwissen geht
                                                                   für die Arbeit in den Verwaltungsräten      verloren
                                                                   der Medizinischen Dienste verloren.«
                                                                       Die Loslösung des künftigen md Bund aus der Träger-
                                                                   schaft des gkv-Spitzenverbandes wird ebenfalls kritisch be-
    fragwürdige regelungen für die Organisation der Me-            wertet. Dieter F. Märtens, alternierender Verwaltungsratsvor-
    dizinischen Dienste einerseits und positive Elemente zur       sitzender des mds, gibt zu bedenken: »Die Beratung des
    Stärkung der Unabhängigkeit andererseits – bei der Bewer-      gkv-Spitzenverbandes in medizinischen und pflegerischen
    tung des mdk-Reformgesetzes gibt es Licht und Schatten.
    Positiv bewertet die mdk-Gemeinschaft, dass die künftigen
    md einheitlich als Körperschaften öffentlichen Rechts aus-
    gestaltet und die föderalen Strukturen beibehalten werden.
    Ein Zugewinn für die Rolle der md ist auch, dass die gutach-
    terliche Unabhängigkeit ausdrücklich auf Pflegefachkräfte,
    Heilberufe und Kodierkräfte ausgeweitet wird. »Bei der Auf-
    gabenwahrnehmung werden die Gutachterinnen und Gut-
    achter in ihrer fachlichen Unabhängigkeit gegenüber den
    Krankenkassen und gegenüber den Leistungserbringern
    deutlich gestärkt. Das entspricht unserem Selbstverständnis
    und das begrüßen wir ausdrücklich«, sagt Erik Scherb, Ge-
    schäftsführer des mdk Baden-Württemberg und Vorsitzen-
    der des Geschäftsführer-Grundsatzausschusses.
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                                                                                                                                                       9
                         Fragen gehört zu den gesetzlich verankerten Aufgaben des           Positiv: Neuerungen im Krankenhausbereich
                         md Bund. Die ausschließliche Besetzung des Verwaltungs­
                         rates durch Landesvertreter bedeutet eine organisatorische          Die Neuregelungen der Abrechnungsprüfungen im Kran-
                         Abtrennung vom gkv-System auf Bundesebene. Die Rahmen­          kenhaus werden von den Medizinischen Diensten begrüßt.
                         bedingungen für eine effektive Systemberatung werden da-        »Die Rahmenbedingungen für die Abrechnungsprüfungen
                         durch nicht einfacher.«                                         werden verbessert. Der selektive Prüfansatz und die im Ge-
                                                                                         setz verankerten Aufschläge auf den Rückerstattungsbetrag
                            Richtlinien für einheitliche Aufgabenwahrnehmung             sind geeignet, den Anteil der korrekten
                                                                                         Abrechnungen zu erhöhen. Das kann        Mehr Aufgaben
                             Auf der anderen Seite richtet der Gesetzgeber mit der Re-   auf Dauer zu einer Reduzierung der Prü- in der Startphase
                         form die Tätigkeit der Medizinischen Dienste noch stärker       fungen führen«, erklärt Dr. Peter Pick,
                         auf die bundesweit einheitliche Aufgabenwahrnehmung aus.        Geschäftsführer des mds. Gleichwohl werden sich die Aufga-
                         Einen wesentlichen Bestandteil stellen dabei die Begutach-      ben im Krankenhausbereich nicht verringern, sondern sie
                         tungsanleitungen (Richtlinien) dar. Schon bisher werden         werden in der Startphase zunehmen, da mit der Reform auch
mdk forum Heft 4 /2019

                         diese in einem gemeinsamen strukturierten Verfahren von         Strukturprüfungen für alle Krankenhäuser eingeführt wer-
                         mds und mdk sowie dem gkv-Spitzenverband und den                den. In Zukunft prüfen die md im Auftrag der Kranken­
                         Krankenkassenverbänden erarbeitet. »Das Verfahren stellt        häuser auch, ob sie die Strukturvoraussetzungen für ops-
                         sicher, dass sowohl die medizinischen und pflegefachlichen      Komplexleistungen erfüllen. Nur dann, wenn die Kliniken in
                         Kriterien als auch leistungs- und vertragsrechtliche Aspekte    Zukunft eine Bescheinigung haben, dass sie die organisato­
                         kompatibel abgebildet sind. Auch beim Erlass von Richtlini-     rischen, technischen und personellen Voraussetzungen für
                         en durch den künftigen md Bund kommt es darauf an, dass         die entsprechenden Komplexleistungen erfüllen, können sie
                         diese nachvollziehbar und widerspruchsfrei sind. Denn Pati-     die Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen.
                         entinnen und Patienten, Versicherte und Leistungserbringer
                         müssen sich darauf verlassen können, dass sich die Medi­
                         zinischen Dienste und die Krankenkassen gleichermaßen an
                         diese Richtlinien halten«, erläutert Dr. Stefan Gronemeyer,
                         Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des mds.

         Mit dem mdk-Reformgesetz soll auch die übergreifende
     Qualitätssicherung der Medizinischen Dienste auf das Be-
     gutachtungsfeld der gesetzlichen Krankenversicherung aus-
     geweitet werden. Dr. Kerstin Haid, Stellvertretende Leitende
     Ärztin beim mdk Berlin-Brandenburg und Sprecherin der
                           Leitenden Ärzte der mdk-Gemeinschaft,
        Begutachtung       sagt: »Unter der Federführung der Lei-
weiterentwickeln und       tenden Ärztinnen und Ärzte ist bereits
     vereinheitlichen      ein Konzept für ein systematisches, ein-
                           heitliches und mdk-übergreifendes
     Qualitätssicherungssystem erarbeitet worden. Dieses wird
     die Begutachtungspraxis der mdk weiterentwickeln und ver-
      einheitlichen. Diese Vorarbeiten können sehr gut für die neu
                                                                                                                 Michaela Gehms ist Pressesprecherin
     zu erarbeitende Richt­linie zur Qualitätssicherung der Medi-                                                des MDS.
     zinischen Dienste eingebracht werden.«                                                                      m.gehms@mds-ev.de
m d k- r e f o r m
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                                                           t ig
                               ch t e n  S   i e   k ü n f
                                                          rat
                     i e m   ö                  t u n g s
                  W               V  e r w   al
                  A r b e i t im             en ?
                                                                                      Der Verwaltungsrat ist das zentrale Selbstverwaltungsgremium der

              die                e s t a l t                                          Medizinischen Dienste und entscheidet über grundsätzliche Ange-

                         mit g
                                                                                      legenheiten. Er beschließt unter anderem den Haushalt, wählt den
                                                                                      künftigen Vorstand und stellt die grundlegenden Weichen für die
                                                                                      Arbeit des MDK. An seinen Aufgaben ändert sich auch künftig
                                                                                      nichts, nur wirken demnächst weitere Akteure mit. Mit welchen
                                                                                      Ideen, Erwartungen und Zielen gehen diese die neue Aufgabe an?

                                                                                                                                                            mdk forum Heft 4 /2019
                  le
    r e n a Bentezial-­                                      Die Entscheidungen der Medizinischen              Damit ist das Gesetz weit hinter der
  Ve entin des So                                        Dienste haben enorme Auswirkungen auf             ursprünglichen Absicht des Gesundheits­
     Präsid             utschla
                                nd
     a n d e s v d k De                                  das Leben von Patienten und Pflegebedürf-         ministers zurückgeblieben! Es ist zweifel-
verb                                                     tigen. Der Glaube an die gute Qualität der        haft, ob das primäre Ziel der Unabhängig-
                                                         Versorgung wächst dann am besten, wenn            keit des MDK mit dem jetzt verabschiedeten
                                                         es keinen Zweifel an der Unabhängigkeit           Gesetz erreicht werden kann. Es wurden nur
                                                         der Gutachter gibt. Aus unserer Sicht ist         einige wenige Veränderungen verabschie-
          Foto: Susie Knoll
                                                         eine strukturelle Unabhängigkeit des MDK          det. Das ist zu wenig, um den Forderungen
          Wir freuen uns auf die Mitarbeit in den        deshalb wichtig, um das Vertrauen der             nach Unabhängigkeit des MDK Rechnung zu
          Verwaltungsräten. Wir werden uns aktiv         Menschen in unsere Sozialversicherung und         tragen.
          und konstruktiv für Patienten und Pflege­      den Sozialstaat zu stärken. Es ist ein guter          Der Großteil der Leistungen der MDKen
          bedürftige einsetzen und so unseren            erster Schritt, dass die Interessen der           konzentriert sich auf pflegerisch-medizini-
          Mitgliedern eine starke Stimme geben.          Patienten und Pflegebedürftigen in den            sche Versorgungsprozesse, insbesondere im
          Natürlich hätten wir gern und gut auch         neuen Verwaltungsräten durch unabhän­             Bereich der Pflegeversicherung SGB XI.
          16 Sitze in den Verwaltungsräten besetzt,      gige Patientenorganisationen vertreten            Ein großer Anteil der Gutachter/innen der
          so hätte eine Vertretung auf Augenhöhe         werden.                                           MDKen sind Pflegefachpersonen. Obwohl
          stattgefunden.                                                                                   Pflegefachpersonen in der Leistungserbrin-
                                                                                                n
              Aus einer Vielzahl von Beratungen wis-
                                                                      istel B         ienstei              gung die größte Berufsgruppe stellen,
          sen wir von unseren über zwei Millionen Mit-   Pr   of. Chr                                      werden sie nur marginal an den Entschei-
                                                                   ntin des               es
          gliedern viel über deren Bedarf. Chronisch     Präside                 ­verband                  dungen des Verwaltungsrates mitwirken
          Kranke, Menschen mit Behinderungen,                u ts c h e n Berufs
                                                         De                                                können. Damit hat die Profession Pflege mit
                                                                      eberufe
          Pflegebedürftige und deren Angehörige, sie      für Pfleg                                        ihrer Expertise keine Chance, effektiv bei der
          alle haben sehr individuelle Bedürfnisse,        (db fk )                                        Erfüllung der Aufgaben der Verwaltungsräte
          Sorgen und alltägliche Herausforderungen.                                                        der MDKen mitzuwirken.
          Diese Alltagssorgen und praktischen Be-
          dürfnisse werden wir in die Beratungen
          einbringen.                                    Foto: DBfK
               Im Gemeinsamen Bundesausschuss
          oder im Qualitätsausschuss Pflege              Der Bundestag hat am 9. November 2019
          bringen wir bereits heute die Interessen       das MDK-Reformgesetz verabschiedet. Im
          der Patienten und Pflegebedürftigen ein.       Gesetzgebungsprozess hat es wesentliche
          Wir wissen, dass soziale Selbstverwaltung      Veränderungen durchlaufen, u. a. wurden
          auf Vertrauen und Kooperation basiert.         deutliche Korrekturen nach Einsprüchen
                                                         der Krankenkassen zu deren Gunsten
                                                         vor­genommen.
                                                              Der Verwaltungsrat wurde auf 23
                                                         Mitglieder erhöht. Aber nur noch zwei
                                                         Vertreter/innen sollen die Pflegeberufe bzw.
                                                         Ärzteschaft – noch dazu ohne Stimmrecht –
                                                         vertreten. 16 Sitze sollen von Vertreter/
                                                         innen der Krankenkasse besetzt werden.
m d k- r e f o r m
                                                                                                                                                                         11

                                                                                   üller herzentrale
                                                        nitz              Klaus dM
                                                                                 es Verbra
                                                                                           uc
                                                ther Jo                   Vorstan
                                                                                    d
                                                                                                                                         e Loski
                                                                                                                                                 ll
                               d. Gün                                                    rbands
                                                                                                (vzbv)
                                                                                                                                     o r
                         Dr. me er Ärztekammer B                                                                                   l
                                                 erlin                               v e                                       n e
                                                                          Bu n d e s
                                                                                                                           Han           nde der
                         Präside
                                   nt d                                                                                           vorsitze
                                                                                                                           Bundes               E
                                                                                                                                   B S T H IL F
                                                                                                                           BAG SEL

                           Foto:                                         Foto:
                           ÄKB / K. Friedrich                            Gert Baumbach, vzbv                             Foto: BAG SELBSTHILFE
mdk forum Heft 4 /2019

                           Der Medizinische Dienst (MD) hat die          Wenn Pflege erforderlich ist, ein Hilfsmittel   Die Unabhängigkeit und die Neutralität von
                           Aufgabe, unabhängigen ärztlichen und          gebraucht wird oder bei Arbeitsunfähigkeit      Kostenträgerinteressen ist für alle Patien-
                           pflegerischen Sachverstand in die Arbeit der – ob Verbraucherinnen und Verbraucher            tInnen und besonders für chronisch kranke
                           gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen        eine Leistung der Kranken- oder Pflege­         und behinderte Menschen eine zwingende
                           einzubringen. Da der bisherige Träger, die    kasse erhalten, hängt in vielen Fällen von      Voraussetzung dafür, dass Menschen
                           gesetzliche Krankenversicherung (GKV), in     der fachlichen Einschätzung der Medizini-       notwendige Leistungen bedarfsgerecht und
                           erheblichem Maße einem politisch              schen Dienste ab. Sie leisten damit einen       zeitnah erhalten. Denn nur so können sie
                           induzierten Wettbewerb unterliegt, der sich wichtigen Beitrag zu einer bedarfsgerechten       ihren Alltag bewältigen und an der Gesell-
                           nicht an Qualität, sondern letztlich an       und wirtschaftlichen Versorgung. Ihre           schaft teilhaben.
                           Kosten und evtl. Zusatzbeiträgen bemisst,     Unabhängigkeit von den Kassen ist                   Die BAG SELBSTHILFE wird sich in den
                           war diese Unabhängigkeit zunehmend            wesentlich für Verbraucher und ihr              zukünftigen Verwaltungsräten der Medizini-
                           bedroht. Die Rolle der Ärztekammern wird     Vertrauen in das Gesundheitswesen. Das           schen Dienste natürlich für eine patienten-
                           sein, diese Unabhängigkeit und die            gilt umso mehr im wettbewerblich                orientierte Entscheidungspolitik einsetzen.
                           Expertise des MD zu stärken. Unsere           organisierten System der Kranken- und               Wie auch schon in der Vergangenheit
                           Eigenschaft als Körperschaften öffentlichen Pflegeversicherung. Das MDK-Reformgesetz          werden wir aber auch die konzeptionelle
                           Rechts macht uns von bundespolitischen        sorgt hier für Verbesserungen, jedoch nicht     Arbeit des Medizinischen Dienstes dahin­
                           Vorgaben und von den Finanztöpfen der         für eine vollständige Unabhängigkeit.           gehend begleiten, dass wir das Feedback
                           GKV autark.                                        Aus Verbrauchersicht ist positiv, dass     der spezifischen Betroffenengruppen,
                               Die Rolle des MD darf sich dabei aber     die Stimme der Versicherten, Patienten,         wie beispielsweise die Anliegen der Eltern
                           nicht auf eine autoritär-kontrollierende      Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen in      behinderter Kinder bei Feststellungen der
                           beschränken. Das Know-how und der             den Medizinischen Diensten gestärkt wird.       Pflegebegutachtungen, in die Entschei-
                           Erfahrungshorizont des MD können              Die wichtigen Erkenntnisse aus der              dungsfindungsebene einbringen.
                           vielmehr eine wesentliche Grundlage für      Verbraucherberatung und Marktbeobach-                Wie immer, wenn man neu in Gremien
                           systematisches Lernen im Sinne von            tung konnten die Kolleginnen und Kollegen       tätig ist, werden wir aber zunächst vor allem
                           Fortbildungen und Schulungen sein.            der Verbraucherzentralen bereits in den         alles daran setzen die Arbeitsprinzipien,
                           Zusammenarbeit ist das Gebot der Stunde.      Pflegebeiräten einbringen. An die konstruk-     Strukturen und Entscheidungsabläufe des
                           Der MD kann dabei vermitteln.                 tive Zusammenarbeit möchten wir anknüp-         Medizinischen Dienstes im Einzelnen
                               Entscheidend wird sein, in den Ver­       fen und die Erfahrungen der Verbraucher         kennenzulernen.
                           waltungsräten einen Konsens darüber zu        aufzeigen, damit sich die Arbeit der
                           finden, dass tatsächlich ärztliche und        Medizinischen Dienste stärker an Verbrau-
                           pflegerische Werte, orientiert am konkreten chern orientiert. Wichtig ist uns außerdem,
                           Patientennutzen, die wesentliche Grund­       die Transparenz für Verbraucher zu erhöhen,
                           lage für ein stabiles und funktionierendes    damit sie ihre Rechte kennen und Leis-
                           Versorgungssystem sind.                       tungsentscheidungen nachvollziehbarer
                                                                         werden. Die Ressourcen der Medizinischen
                                                                         Dienste müssen im Sinne der Verbraucher
                                                                         eingesetzt werden. Ich denke hier etwa an
                                                                         die zu häufige Praxis der Entscheidung nach
                                                                         Aktenlage.
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                                           un                                            g
                        t I h r e M  e i n
               Wie is zur
                a a g ,       M  D K-
                                   MdB                                            Die MDK-Reform war längst überfällig, sagen die einen. Andere kriti-

                             Re form ?
        Karin M                       Spreche
                                              rin
                 h e it s p olitische                                             sieren die organisatorische Trennung der Medizinischen Dienste von
         Gesund               undesta
                                       gs­-                                       den Krankenkassen. Und auch die Änderungen der Abrechnungs-
                   /c s u -B
         der c d u                                                                prüfungen in den Krankenhäusern stoßen nicht überall auf positi-
          fraktion                                                                ves Echo. Was sagen maßgebende Akteure im Gesundheitswesen?

                                                                                                                                                         mdk forum Heft 4 /2019
                                                                                                                               r
                                                                                                           D o r i s Pfeiffees
                                                                                                       Dr.                de d
                                                                                                                 orsitzen
                                                                                                                 dsv
                                                                                                       Vorstan               andes
                                                                                                         KV - S p itzen­verb
                                                                                                       G
                                                                        mar, Mcdherin
                                                                                  B
                                                              e D i t t
     Foto: Laurence Chaparon
                                                        Sabin          sche Sp
                                                                               re
                                                                             liti
                                                                 heitspo               ktion
     Die Beurteilungen des MDK haben oftmals            Gesund              e stagsfra
                                                                d - B u n d
     erhebliche finanzielle Auswirkungen für die        der s p
     Betroffenen. Viele Versicherte haben den
     MDK als »verlängerten Arm« der Kranken-
                                                                                                        Foto: GKV-SV / Tom Maelsa
     und Pflegekassen empfunden, hatten
     Sorgen im Hinblick auf eine tatsächliche                                                           Eine wesentliche Forderung des GKV-­
     oder auch nur gefühlte Parteilichkeit. Wenn                                                        Spitzenverbandes wurde erfüllt, indem die
     man bedenkt, dass der GKV-SV bislang für                                                           zunächst geplante Unvereinbarkeitsrege-
     die Richtlinien, nach denen geprüft wurde,      Foto: SPD /                                        lung wieder aus dem Gesetzentwurf
                                                     Benno Kraehahn
     verantwortlich war, oder ein Viertel der                                                           gestrichen wurde. Damit ist die soziale
     Verwaltungsratsmitglieder hauptamtlich bei      Im Koalitionsvertrag haben SPD und Union           Selbstverwaltung weiterhin in den Verwal-
     den Kranken- und Pflegekassen angestellt        vereinbart, die Medizinischen Dienste der          tungsräten der Medizinischen Dienste
     sein konnte, kann ich solche Einschätzun-       Krankenversicherung zu stärken, deren              vertreten. Allerdings darf es künftig
     gen nachvollziehen. Mit dem MDK-­Reform­        Unabhängigkeit zu gewährleisten und für            zwischen GKV-Spitzenverband und MD Bund
     gesetz können sich die Versicherten nun         bundesweit einheitliche und verbindliche           keine unmittelbare personelle Verbindung
     sicher sein, dass der jeweilige Medizi­nische   Regelungen bei ihrer Aufgabenwahrneh-              in der sozialen Selbstverwaltung geben.
     Dienst neutral prüft und handelt und            mung Sorge zu tragen. Mit dem MDK-Re-              Es bleibt zu hoffen, dass auch in Zukunft
     bereits ein Anschein von Parteilichkeit         formgesetz haben wir dieses Vorhaben               die bewährte Zusammenarbeit auf der
     vermieden wird. Wir schaffen eine sichtbare     erfolgreich umgesetzt. Dabei wird auch ein         Fachebene fortgeführt werden kann.
     Trennung von den Kassen und unterstrei-         reformierter Medizinischer Dienst seine                Die grundlegenden Reformpläne für
     chen die Unabhängigkeit, Bedeutung              wichtigen Aufgaben in gleichem Maße wie            Krankenhausabrechnungen begrüßen wir.
     und Stellung der Medizinischen Dienste          bisher unabhängig von den Kassen aus­              Erstmals werden Falschabrechnungen
     als mit öffentlichen Aufgaben betraute,         führen. Mit dem Gesetz sorgen wir darüber          sanktioniert. Die Begrenzung der Prüf­
     eigen­ständige juristische Personen des         hinaus für zusätzliche Transparenz für die         quoten halten wir zwar weiterhin für falsch,
     öffentlichen Rechts. Hauptamtlich               Versicherten. Die SPD hat sich außerdem            erwarten aber, dass die Krankenhäuser sich
     Beschäftigte bei Krankenkassen und deren        erfolgreich dafür eingesetzt, dass auch            nun verstärkt um korrekte Abrechnungen
     Verbänden werden überdies nicht mehr in         zukünftig durch Sozialwahlen legitimierte          bemühen. Damit können künftig statt
     die Ver­waltungsräte wählbar sein. Außer-       Vertreter der Beitragszahler ihre fachliche        ungerechtfertigter Ausgaben in Milliarden-
     dem begegnet das MDK-Reformgesetz der           Expertise in den Verwaltungsrat einbringen.        höhe diese Mittel für tatsächlich erbrachte
     stetig steigenden Anzahl an Abrechnungs-        Auch der Prüfspirale zwischen Kassen und           Gesundheitsleistungen eingesetzt werden.
     prüfungen und der zunehmenden Belas-            Krankenhäusern in Sachen Krankenhaus-
     tung aller an der Krankenhausabrechnungs-       rechnungen ist nun ein Riegel vorgescho-
     prüfung beteiligten Akteure mit einem           ben, ohne dass hierfür einseitig die
     umfassenden Maßnahmenbündel. Wir                Beitragszahler zur Kasse gebeten werden.
     unterbrechen die Spirale des Hochrüstens
     in den jeweiligen Prüfabteilungen der
     Kassen und Krankenhäuser, die zu viel
     Personal und Kapazitäten bindet, und
     entlasten damit auch die Medizinischen
     Dienste.
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                                                                                                                                                                                      13

                                                                                                               ssen
                                                                                         . A n d r eas Gands der
                                                                                       Dr        r des Vo
                                                                                                          rsta
                                                                                                 nde
                                                                                       Vorsitze              n
                                                                                                   rztliche
                         Geor     g Baum      hrer der
                                                         De utschen                    Kassen    ä
                                                                                                  vere  in ig ung
                                es   chäftsfü          n h aus-                         Bundes
                         Hauptg              Kra n k e
                                                                      g)
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                                                                                                                                           m a s K nieling               andes
                                                                                                                                       Tho            fü h re r des Verb
                                                                                                                                                  fts                      n­­-
                                                                                                                                                                           rte
                                                                                                                                                geschä             Behinde
                                                                                        Foto: Lopata /axentis.de                       Bundes          lt e n- und
                                                                                                                                                 e r A
                                                                                                                                       Deutsch
                                                                                        Die KBV begrüßt die mit dem MDK-Reform-                  . (v d ab )
                                                                                                                                        hilfe e.V
                                                                                        gesetz beabsichtigte Neuorganisation der
                                                                                        Medizinischen Dienste, die hierdurch vor
                                                                           Foto: DKG
                                                                                        allem unabhängiger werden. Allerdings
mdk forum Heft 4 /2019

                          Die aus Krankenhaussicht zunächst mit                         sprechen wir uns dafür aus, dass – anders
                          positiver Ausrichtung gestartete MDK-­                        als im Gesetz vorgesehen – auch die
                          Reform ist letztlich an der Widerstandsfront                  Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bei
                          der Kassen und an der Kraftlosigkeit der                      der Besetzung der Verwaltungsräte
                                                                                                                                      Foto: VDAB
                          Koalition, sich deren unhaltbaren Argumen-                    berücksichtigt werden. Schließlich wäre
                          ten entgegenzustellen, gescheitert. Aus                       auch der vertragsärztliche Bereich von der    Die Reform des Medizinischen Dienstes der
                          dem ursprünglich geplanten kassenunab-                        Reform betroffen, für den die KVen die        Krankenversicherung war lange überfällig.
                          hängigen Prüfdienst wird nichts. Die                          gesetzlichen und vertraglichen Erfordernis-   Der VDAB kritisiert seit vielen Jahren die
                          MDK-Ärzteschaft bleibt am Gängelband                          se gewährleisten müssen.                      fehlende Unabhängigkeit der Medizinischen
                          der Rechnungskürzungs- bzw. Leistungs­                             Kritisch sehen wir vor allem folgende    Dienste. Leider führt das Gesetz nicht zur
                          beschneidungspolitik der Kassen. Die                          Punkte: Das Gesetz sieht ohne sachlichen      vollständigen Eigenständigkeit, denn der
                          Begrenzung der Prüfquote ist letztlich um                     Grund unterschiedliche Regelungen für         Gesetzgeber setzt einseitig auf den Wechsel
                          20% zurückgenommen worden und die                             Vertragsärzte und Krankenhäuser in Bezug      der Rechtsform, indem die Dienste zu
                          Ausweitung der Prüfauswahlzeit bewirkt,                       auf das Prüfgeschehen beim Ambulanten         Körperschaften des öffentlichen Rechts
                          dass am Ende eher mehr als weniger Fälle                      Operieren vor. Damit widerspricht es den      werden. In der Praxis bleibt es jedoch bei
                          geprüft werden. Mit Einzelfallprüfungen hat                   Vereinbarungen im Vertrag zum Ambulan-        einer Scheinselbstständigkeit, denn die
                          das weiterhin nichts zu tun. Völlig inakzep-                  ten Operieren und sonstigen stationserset-    Kassen sind weiterhin einziger Auftraggeber
                          tabel und in keinster Weise berechtigt ist                    zenden Eingriffen im Krankenhaus gemäß        und damit der einzige Finanzier der
                          die in letzter Minute ins Gesetz gekommene                    § 115b SGB V (AOP-Vertrag), die eine          Prüfdienste. Eine echte Unabhängigkeit
                          Strafzahlung der Krankenhäuser, wenn                          Vereinheitlichung des ambulant-stationä-      wäre gegeben, wenn sich der Medizinische
                          Rechnungen angepasst werden. Angesichts                       ren Schnittstellenbereichs vorsehen.          Dienst als freier zugelassener Prüfdienst am
                          einer Vielzahl von primären und sekundären                    Zusätzlich wird vorgegeben, dass der          Markt zusammen mit anderen Institutionen
                          Fehlbelegungsfällen, bei denen Kranken-                       Katalog zum Ambulanten Operieren auf          behaupten müsste und die Einrichtungen
                          häuser sozial verantwortlich Patienten                        Basis eines gemeinsamen Gutachtens            aus verschiedenen zugelassenen Prüfdiens-
                          Schutz und Obhut bieten, ist die von der                      unabhängig vom Einheitlichen Bewertungs-      ten auswählen könnten – wie im Bereich
                          Politik vorgesehene Strafzahlung ein sozial-                  maßstab (EBM) zu beschließen ist, was eine    von Rehabilitationseinrichtungen längst
                          politisches Armutszeugnis erster Ordnung.                     Abkehr vom bisherigen System bedeutet         Praxis. Das wäre eine Chance gewesen,
                          Unser Fazit: keine Reform, die irgendetwas                    und ebenfalls der vereinbarten Harmonisie-    für wirklich bessere und unabhängigere
                          weiterbringt, aber für viel Wut und Unver-                    rung entgegenwirkt.                           Prüfungen zu sorgen, so dass das Gesetz
                          ständnis in den Krankenhäusern sorgt.                                                                       seinem Namen gerecht würde.

                                                                                        Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts-    nen der Selbsthilfe für die Wahrung der
                                  d Timm
                           Gerhar
                                                                                        pflege begrüßen die Strukturreform. Es ist    Interessen der Selbsthilfe, der pflegebedürf-
                Dr.                    des-
                                        r der Bu
                                                   n
                                                                                        gut, dass es grundsätzliche Reformen geben    tigen und behinderten Menschen sowie
                               ftsführe
                     Geschä              ch  a ft
                                 emeins             flege
                                                                                        wird, die die Grundlagen für eine einheit­    der pflegenden Angehörigen zukommt. Die
                     arbeits­g        o h lfahrts­p                                     liche Arbeitsweise der MDen schaffen.         BAGFW fordert das Parlament dazu auf,
                           Fre  ie n W
                      de r
                                  )                                                     Die gesetzliche Verankerung der unabhän-      Besetzungsregelungen der Verwaltungsräte
                      (B A G F W
                                                                                        gigen Arbeit im Rahmen der Begutachtung       zu beschließen, wie sie im Referentenent-
                                                                                        für nichtärztliche Berufe leistet einen       wurf zu finden waren, mit einer dreiteiligen
                                                                                        wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit der      Besetzung. Bei der aktuell vorgesehenen
                                                                                        Medizinischen Dienste. Zentral ist insbe-     überwiegenden Stimmenmehrheit der
                                                                                        sondere die zukünftige Besetzung der          Kassen sollte konsequenterweise der Name
                          Foto: BAGFW /                                                 Verwaltungsräte und hier vor allem die        Medizinische Dienste der Krankenkassen
                          Dirk Hasskarl
                                                                                        Rolle, die den maßgeblichen Organisatio-      beibehalten werden.
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