VAA Magazin Ich bin dann mal off - Berufliche Auszeit: Persönliche Befindlichkeit: Wo es läuft ohne Zoff
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August 2019 VAA Magazin Zeitschrift für Führungskräfte in der Chemie Berufliche Auszeit: Ich bin dann mal off Persönliche Befindlichkeit: Wo es läuft ohne Zoff
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Editorial Beste Zeit für Auszeiten Sommerzeit ist Urlaubszeit – und diese ist zurzeit noch in vollem Gang. Selbst wenn die Ferien in manchen Bundesländern bereits vorbei sind und sich in anderen bereits dem Ende zuneigen, nehmen sich in den letzten Sommerwochen viele noch einmal die eine oder andere Auszeit. Auch das sonst auf Ergebnis und Effizienz getrimmte Arbeitstempo lässt sich an- gesichts der mancherorts durchaus heißen Temperaturphasen häufiger drosseln als in anderen Jahreszeiten. Aber wäre es nicht eine tolle Sache, Foto: VAA wenn Arbeitnehmer, ob mit Familie oder ohne, sich nicht nur in den Stan- dardferienzeiten längere Auszeiten genehmigen könnten? Genau darum dreht sich das Spezial in dieser Ausgabe des VAA Magazins. Auf den Sei- ten sechs bis 13 ist nachzulesen, was genau unter dem mittlerweile geläu- figen Begriff „Sabbatical“ zu verstehen ist und welche verschiedenen Arten von Sabbaticals es gibt. Dabei ist vie- len Beschäftigten oft gar nicht bewusst, dass es in den meisten Unternehmen bereits Modelle zur Umsetzung der Arbeitnehmerwünsche nach längeren Pausen gibt – auch in der Chemie- und Pharmaindustrie. Doch woran scheitert die Umsetzung eines Sabbaticals? Sicherlich: Nicht selten machen die Arbeitserfordernis- se den Mitarbeitern einen Strich durch die Rechnung. Allerdings stehen sich die Sabbaticalanwärter auch teil- weise selbst im Weg. Einer Umfrage des Karrierenetzwerks Xing zufolge treten rund 60 Prozent der Auszeit- suchenden mit ihrem Wunsch gar nicht erst an ihre Vorgesetzten heran! Hier liegt auch das Problem: Es bedarf einer offenen und vertrauensvollen Führungskultur, damit sich Auszeitwünsche der Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitsmodellen vereinbaren lassen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Aber vorher steht immer das persönli- che Gespräch. Was genau gute Führung auszeichnet, hat sich auch der VAA überlegt und letztes Jahr in seinen aktualisierten Positionen zusammengefasst. Im Interview auf den Seiten 18 und 19 erläutert die 2. VAA-Vorsit- zende Dr. Daniele Bruns die Erfolgsfaktoren für und Anforderungen an Führungskräfte im tagtäglichen Mitei- nander mit ihren Mitarbeitern. Wo gute Führung funktioniert, profitieren sowohl die Unternehmen als auch ihre Mitarbeiter. Ein wichtiges und in den Führungsetagen der Chemie- und Pharmaunternehmen viel beachtetes Stimmungsbarometer liefert hier die jährliche Befindlichkeitsumfrage des VAA. Auf den Seiten 14 bis 17 gibt es eine ausführliche Auswertung der Er- gebnisse. Auch wenn sich die Stimmung der außertariflichen und leitenden Angestellten im Großen und Ganzen nicht wesentlich verändert hat, sind – heruntergebrochen auf die einzelnen Unternehmen – erhebliche Unterschie- de festzustellen. Auch kommt durch einige „Ausreißer“ – nach oben wie unten – eine Menge Bewegung ins Ran- king. Deutlich wird einmal mehr die Bedeutung der strategischen Kommunikation nach innen: Wenn Strategien von der Unternehmensführung glaubhaft und transparent kommuniziert werden, ziehen Führungskräfte und Mit- arbeiter bei der Umsetzung dieser Strategien an einem Strang. Das erfolgreiche Miteinander spiegelt sich auch in der Befindlichkeitsumfrage wider. Am Ende sorgt genau dieses Miteinander dafür, dass Arbeitnehmer ihre verdienten und gewünschten Auszeiten von der Arbeit nicht nur innerlich herbeisehnen, sondern auch wahrnehmen können. Geht es dann aus dem Urlaub oder aus dem Sabbatical wieder zurück ins Arbeitsleben, wird klar: Erholt und mit Kraft aufgetankt lässt es sich viel angenehmer und produktiver arbeiten. Rainer Nachtrab 1. Vorsitzender des VAA VAA MAGAZIN AUGUST 2019 3
Inhalt VAA MAGAZIN – August 2019 Wirtschaft VAA in Zahlen 14 Befindlichkeitsumfrage: 32 Konjunktur in der Chemie: Covestro bleibt vorn Veränderungen bei Produktionsanteilen Sabbatical 17 VAA-Positionen: im Bild Interview zu guter Führung 20 Mitbestimmung: VAA-Betriebsräte bei Sanofi Meldungen ziehen Zwischenbilanz 06 Auszeit in Zahlen 24 Kooperationen: 33 GDCh-Studienstatistik, Outplacement hilft bei Synthese- und Screeningchip, beruflicher Neuorientierung QR-Codes mit Formgedächtnis Spezial 08 Arbeit hat Pause Branche 26 Personalia aus der Chemie 34 Ironman des VAA, 27 Chancengleichheit: Wohlbefinden und Führung, Frauenbilder im Wandel der Zeit Transaktionsvolumen 35 Trauer beim IWT Hüls, Resteverwertung mit CO2-Filter, Vermessung von Quantenzuständen, Aerogel speichert Sonnenwärme 36 Reaktionsbeschleunigung, Translationsfaktoren, Arbeitszeiterfassung, Graphensynthese 4 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
Inhalt Lehmanns Recht Destillat 45 Vergütung von Betriebsräten: 52 Satirische Kolumne: Interview mit Thomas Spilke E-Scooter-Epidemie 48 Juristischer Service: Warum sich Rechtsberatung lohnt Vermischtes ULA Nachrichten 53 Trauermeldung: Dr. Hanns Henning Bössler verstorben 54 ChemieGeschichte(n): 37 Notizen aus Berlin: Detektiv Pinkertons Chemiefaible ULA-Sprecherausschusstag 2019 49 Urteil: Anordnung von Homeoffice? 39 Kommentar, Europa 55 Glückwünsche 40 Altersvorsorge: 56 Sudoku, Kreuzworträtsel Experten diskutieren über Rezepte 42 Interview mit Uta Zech: Keine Gene für Porsche und Pflege Studium 57 58 Leserbriefe Feedback, Termine, Vorschau, Impressum 44 Führungskräfte Institut: Aktuelle Seminare 50 Aus der Uni in den Job: Hochschulveranstaltungen von GDCh 44 Wirtschaft als Schulfach und VAA Coverfoto: Anti Anti – Shutterstock VAA MAGAZIN AUGUST 2019 5
Sabbatical im Bild Das 7. Jahr in einer Reihe stellt in der Tora das Jahr des Sabbats dar. Das hebräische Wort schabat bedeutet „innehalten“. Die Äcker und Felder sollen in diesem Jahr brachliegen und die Sklaven freigelassen werden. Ursprünglich diente dieses Jahr dazu, dass sich die Ressourcen der Erde erholen können. Ein Jahr der Ruhe und Auszeit soll dazu dienen, neue Kräfte zu sammeln, oder bietet die Gelegenheit zur Neuorientierung. 12.000 Personen aus acht Ländern haben sich 2017 an einer Umfrage des Onlinereisebüros Opodo beteiligt. Demnach können sich 63 Prozent der Befragten in Deutschland zwar ein Sabbatjahr gut vorstellen, doch knapp der Hälfte der Befürworter fehlen die finanziellen Mittel. Foto: Anusorn Nakdee – Shutterstock 6
Sabbatical im Bild 62 Prozent von 514 Arbeitnehmern, die ein Sabbatical hinter sich hatten, nutzten diese Auszeit, um die Welt zu erkunden, so eine Studie der Marketingagentur Search Laboratory im Auftrag des Büroartikel-Lieferanten Viking aus dem Jahr 2017. 48 Prozent suchten eine Pause vom stressigen Job. 36 Prozent brauchten den Freiraum, um sich neu zu orientieren oder Interessen zu vertiefen. Jeder Zehnte wünschte sich mehr Zeit für sich und seine Hobbys. Vier Prozent wollten mehr Zeit mit der Familie verbringen. 50.000 von 320.000 Mitarbeitern der Deutschen Bahn nutzen ein Langzeitkonto. Während der Konzern zunächst nur seinen Führungskräften individuelle Auszeiten vorfinanzierte, können mittlerweile alle Angestellten ein Guthaben über Langzeitarbeitskonten anhäufen und so ein Sabbatical aktiv vorbereiten: Teile ihres Lohnes oder Gehalts werden sowohl monatlich als auch einmalig eingezahlt, Weihnachts- und Urlaubsgeld eingebracht oder nicht genommene Urlaubstage und angefallene Überstunden in die Konten übertragen. 7
Spezial SABBATICALS Verschnaufpause vom Leben Von Elena Zolototrubova Urlaub, Auszeit, Sabbat – halb Deutschland liebäugelt mit einer längeren Pause vom Berufsleben. Das belegen diverse Studien verschiedener Institute und Netzwerke. Die Gründe dafür sind vielfältig – ob Weltreise, Bildungsurlaub oder etwa die Pflege von Angehörigen. Doch meist reicht der Jahresurlaub dafür nicht aus. Was können Unternehmen tun, um Mitarbeitern längere Auszeiten zu ermöglichen? Wie gehen Mitarbeiter mit der freien Zeit um? Das aus den USA stammende Sabbatical – auch als Sabbatjahr bekannt – wurde einst von Professoren an US-amerikanischen Universitäten als Begriff für ein Forschungs- oder Freisemester geprägt. Heute gehört er zum Grundverständnis einer arbeitnehmerfreundlichen Unternehmenskultur. 8 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
Spezial Angenehm prickelt die leicht salzhaltige Nach einer beruflichen Auszeit – neu- gen. „Meinen Job kündigen? Das wollte ich Luft in der Nase, während sich eine deutsch auch Sabbatical genannt – sehnt nicht“, erinnert sich Wagner. Denn dem sanfte Brise kühlend um den Körper sich laut einer Umfrage des Karrierenetz- Bayer-Konzern war er mit Beginn seiner schmiegt. In der Mittagssonne ist jeder werkes Xing jeder fünfte Deutsche. Dem Ausbildung und dem anknüpfenden Bache- Windhauch eine Wohltat und jeder Was- Alltag für längere Zeit entkommen und sich lorstudium durchgehend treu. Daran habe serspritzer auf der Haut wie ein Schluck auf eine Reise zu seinen Wurzeln und zu sich trotz des Wunsches nach einer Auszeit kühlendes Bier. Umgeben von goldig sich selbst begeben: Diesen Schritt hat der nichts geändert. „Ich ging zu meinem da- schimmernden Sandkörnern, die lang- gelernte Industriekaufmann Oliver Wagner maligen Vorgesetzten und fragte einfach, ob sam aufgewirbelt werden und dann von gewagt. Raus aus dem strukturierten und die Firma so kulant wäre, mich für ein Jahr rechts nach links tanzen, lässt man sich stillstehenden Job, hinein ins ungewisse freizustellen.“ Keine drei Wochen später fallen und seine Gedanken von den Wel- Abenteuer: „Aus Frust, dass es im Job nicht entschied das Unternehmen zu seinen len wegtreiben. Nicht mehr tun, als den weitergeht und Veränderungen nicht schnell Gunsten. Erleichtert packte Wagner ge- Moment ohne Zeitdruck und fern abseits genug passieren, habe ich mich beim Feier- danklich seine Koffer. des stressigen Alltags zu genießen. Für abendbier mit einem Freund zum Auslands- viele Arbeitnehmer beschreibt das einen jahr verabredet.“ „Die wenigsten Menschen kommen mit ei- zweiwöchigen Urlaub im Süden. Eine nem Antrag für ein Sabbatical“, erklärt kurze Verschnaufpause, bevor man wie- So banal das klingt, zog diese Idee für den Henkel-Personalerin Stefanie Sorgenicht. der pflichtbewusst seinem Job nachgeht. damals 24-Jährigen mehrere Fragen und „Die meisten kommen mit einem Ziel, einer Doch was, wenn man nur one-way ge- Überlegungen nach sich. Nicht nur, wo es ersten Idee oder einfach einem Gefühl, dass bucht hat? Was, wenn man am Montag hingehen soll und wann, sondern vor allem, sich irgendwas in ihrem Leben verändern nicht wieder am Schreibtisch, sondern was mit seinem Arbeitsplatz passieren wür- sollte.“ Für rund 60 Prozent derjenigen, die auf einem Surf brett sitzt? de, sollte er den Schritt ins Sabbatical wa- laut der Xing-Studie Interesse am Sabbati- Das Sabbatical kann ein passendes Arbeitszeitmodell für einen längeren Reiseurlaub sein. Der Begriff stammt vom hebräischen Wort „schabat“ ab und bedeutet im Deutschen „aufhören“ oder „ruhen“. Insbesondere in größeren Unternehmen wie Henkel, der Deutsche Bahn oder Covestro haben die Mitarbeiter viele Regelungen zu flexiblen Arbeitsmodellen. Foto: Bee-individual – iStock 10 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
Spezial cal haben, scheitert es allerdings schon am wissen, weil ich nicht für meine Tochter da gesehen bedeutete diese Lösung für Henkel, ersten Schritt. „Wir können einen solchen sein konnte.“ Deshalb zog Sorgenicht die dass weder ein wertvoller Mitarbeiter ver- Wunsch nicht vorhersagen. Man muss sich Reißleine. Sie brauchte mehr Zeit für die Fa- loren geht noch ein hoher Kostenaufwand dem Arbeitgeber gegenüber schon deutlich milie, wie rund zwölf Prozent der Arbeit- betrieben werden muss, um einen adäquaten äußern.“ nehmer in Deutschland angeben, und war Ersatz zu finden. „Es ist eine ganz einfache bereit, zeitlich befristet zurückzutreten, aber Rechnung: Zufriedene Mitarbeiter arbeiten Als Leiterin des Personalbereichs für Ad- nicht für immer: „In meinem Personalge- besser. Und ich persönlich bin noch immer hesive Technologies der Henkel AG & Co. spräch sagte mir mein Chef, er wolle nicht, sehr zufrieden mit der damaligen Lösung“, KGaA hat Sorgenicht viele solcher Gesprä- dass ich gehe, und wir erarbeiteten eine Lö- lacht Sorgenicht. che mit Mitarbeitern geführt – und auch sung, damit ich bleiben konnte.“ Es kristal- selbst schon auf der anderen Seite gesessen. lisierte sich heraus, dass eine mehrmonatige Auch Oliver Wagner war mit seinem Arbeit- „Ich brauchte damals zeitliche Flexibilität Auszeit das Spannungsfeld zwischen Fami- geber nach dessen Einwilligung, ihn für ein und wäre sogar bereit gewesen, meinen Job lie und Beruf lösen könnte. „Der Druck war Jahr freizustellen, mehr als glücklich. Beide aufzugeben“, blickt Sorgenicht zurück. Ei- raus. Ich hatte keine Angst mehr davor, mei- Parteien einigten sich schriftlich auf einen nen Job, den sie selbst als Traumjob bezeich- ner Familie nicht gerecht zu werden oder Stilllegungsvertrag. Diese unbezahlte Frei- net. Aber der Umstand, dass ihre Tochter als meinen Job nicht anständig zu erledigen.“ stellung konnte in Kraft treten, sobald eine Kleinkind ein schwaches Immunsystem Vertretung für Wagners Stelle gefunden war: hatte und in der kalten Jahreszeit besonders Mit dem Rückenwind der Firma und dem „Das ging alles recht flott – von der Idee bis anfällig für Krankheiten war, machte ihr zu Gedanken daran, dass sie genug Zeit zu zur Umsetzung hat es nur ein halbes Jahr ge- schaffen. „Ich war im Büro und habe meine Hause verbringen wird, tankte Stefanie Sor- dauert.“ Da er während seines Studiums noch Arbeit gut bewältigt. Aber ich hatte meinem genicht auch neue Energie und Motivation, bei seinen Eltern wohnte, konnte Wagner sei- kranken Kind gegenüber ein schlechtes Ge- um den Alltag zu meistern. Wirtschaftlich ne Reise durch Erspartes finanzieren. u 11
Spezial Sich unbezahlt freistellen zu lassen, ist nur – und dafür sei man nach Meinung der Ex- Personalerin Sorgenicht. Es sei normaler ge- eine Möglichkeit, ein Sabbatical durchzu- pertin nicht zuletzt selbst als Mitarbeiter zu- worden und eröffne dadurch beispielsweise führen. Dabei handelt es sich de facto um ständig. „Ich muss meine eigene Balance frischgebackenen Vätern die Möglichkeit, ein ruhendes Arbeitsverhältnis, bei dem der finden.“ Auf der anderen Seite müsse das in Elternzeit zu gehen, ohne dass „irgend- Mitarbeiter keinen Anspruch auf Entgelt Unternehmen dafür sorgen, dass es gewisse wer komisch guckt“. Nicht nur, um qualifi- hat. Außerdem trägt er auch selbst die Kos- Rahmen gibt, die Mitarbeitern ermöglichen, zierte Mitarbeiter zu gewinnen, sondern um ten der Kranken- und Pflegeversicherung diesen Gedanken auch zu leben. sie auch langfristig zu binden, müssen Un- sowie der Renten- und Arbeitslosenversi- ternehmen auf diesen Wandel und dieses cherung – für ein Unternehmen das sim- Hinter dem Flexibilitätskonzept bei Henkel Umdenken der Generationen eingehen. pelste und kostengünstigste Modell, da es stecken f lexible Arbeitsmöglichkeiten: nichts bezahlen muss. Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit, aber Diese Flexibilität reicht bei Henkel von pro- auch individuell gestaltbare Arbeitsplatz- jektbezogenen Aufgaben und internen Für sein Sabbatical hatte sich Oliver Wagner und Arbeitszeitlösungen wie Homeoffice Wechseln bis hin zu beruflichen Auszeiten zwei Ziele vorgenommen: „Ich wollte nach oder Jahresarbeitszeitkonten. Solche Model- mit unterschiedlichen Finanzierungsmodel- Australien reisen und mehr als die regulären le seien besonders im Hinblick auf die Stei- len. Ein gängiges Modell: die Vereinbarung drei Wochen bei meiner Familie in Chile gerung der Leistung und Motivation sowie einer Teilzeitbeschäftigung vor Beginn des „MAN BRAUCHT KEINE LEGITIMIERUNG MEHR, UM EINE AUSZEIT ZU NEHMEN, WEIL DAS GESELLSCHAFTLICH STÄRKER AKZEPTIERT WIRD.“ Stefanie Sorgenicht, Leiterin des Personalbereichs für Adhesive Technologies der Henkel AG & Co. KGaA. verbringen. Und das Land kennenlernen, in Produktivität und Effizienz des Mitarbei- Sabbaticals. „Dabei arbeitet man auf Vorrat, dem ich geboren wurde.“ Damit schließt ters wichtig, findet Stefanie Sorgenicht. das heißt in Vollzeit ganz normal weiter, sich der studierte Betriebswirtschaftler „Die Generationen Y und Z haben eine ganz verdient aber beispielsweise nur die Hälfte“, knapp 42 Prozent der Deutschen an, die andere Herangehensweise an Arbeit. Zum erklärt Stefanie Sorgenicht. So werde das Xing zufolge „Fernreisen“ als Hauptbeweg- Beispiel sollen Erfolge schneller erzielt wer- Gehalt angespart und der vom Arbeitgeber grund für eine berufliche Auszeit nennen. den und der Job sollte ihnen Raum für Frei- einbehaltene Lohn werde während des Sab- In Australien verbrachte Wagner die ersten zeit gewähren.“ baticals wieder ausgezahlt. Auch sie selbst drei Monate mit körperlicher Arbeit: „Ich hat dieses Modell für ihr Sabbatical ge- habe Löcher gebohrt: acht Stunden am Tag In einer Studie hat die Bertelsmann Stiftung wählt: „Für mich war dies das beste Modell, in der prallen Sonne bei 40 Grad“, erinnert belegt, dass Arbeit eine hohe Bedeutung im denn ich war finanziell abgesichert.“ er sich lachend. Die Arbeit auf dem Bau Leben der Deutschen hat – 55 Prozent der habe ihm zwar irgendwie Spaß gemacht, Befragten würden trotz eines Lottogewinns Zusätzlich können Arbeitnehmer in vielen aber seinen bequemen Schreibtisch hatte er auch weiterhin arbeiten. Allerdings sei ge- Unternehmen auch Überstunden, nicht ver- in der Zeit vermisst. „Da lernt man, Sachen rade bei den jüngeren Berufstätigen die Ba- brauchte Urlaubstage oder Sonderzahlun- wertzuschätzen, die man sonst im Alltag lance zwischen Job und Freizeit wichtiger gen und Boni auf einem Zeitwertkonto spa- kaum mehr wahrgenommen hat.“ Gemein- als die nächste Gehaltsstufe. Auch Weiter- ren. Diese Beträge werden auf Basis der sam mit seinem Freund nutzte Oliver Wag- entwicklung – ob persönlich oder beruflich Bruttoeinkünfte berechnet. Steuern und So- ner die Freizeit, um das Surfparadies ken- – und Aufstiegschancen stehen ganz oben zialversicherungsabgaben fallen erst in der nenzulernen, die Ostküste entlangzureisen auf der Liste. Freistellungsphase an und können somit ge- und in die Kultur einzutauchen. „Auch mei- ringer ausfallen. ne Englischkenntnisse konnte ich vertiefen, Rund 14 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ha- was mir natürlich jetzt bei der Arbeit unge- ben bereits eine berufliche Pause genom- „Für alle Kurzentschlossenen oder bei ei- mein nützt.“ men und weitere 30 Prozent planen laut nem plötzlichen persönlichen Notfall kön- Xing ein Sabbatical. Im Vergleich dazu fal- nen Arbeitgeber auch Sonderurlaub geneh- Eine berufliche Pause bringt nicht nur den len die jeweiligen Werte bei den 50- bis migen“, erklärt Stefanie Sorgenicht. Solange Mitarbeiter weiter, sondern ist auch ein Er- 59-Jährigen mit jeweils sieben und 16 Pro- die Dauer vier Wochen nicht überschreite, folgsmodell für Unternehmen. Dies hat die zent eher gering aus. Insgesamt ist die Nach- übernimmt er weiterhin die Sozialversiche- HR-Expertin Stefanie Sorgenicht am eige- frage nach längeren Ruhephasen in den ver- rungsbeiträge bei der Beurlaubung. Ein Ge- nen Beispiel erfahren. „Nicht umsonst ha- gangenen Jahren aber deutlich gestiegen. halt gebe es aber nicht. „Wer seinen Jahres- ben wir bei Henkel eine Work-Life-Flexibi- „Man braucht keine Legitimierung mehr, urlaub noch dazu nimmt, kann das Kurz- lity-Charter“, erklärt sie. In den Medien um eine Auszeit zu nehmen, weil das gesell- Sabbatical so auf insgesamt rund zwei Mo- höre man viel über die Work-Life-Balance schaftlich stärker akzeptiert wird“, so die nate verlängern.“ ¢ 12 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
Spezial Foto: SrdjanPav – iStock VAA MAGAZIN AUGUST 2019 13
VAA BEFINDLICHKEITSUMFRAGE 2019 Covestro verteidigt Spitzenplatz Foto: xubingruo – iStock 2019 hat sich die Stimmung der Führungskräfte in den Chemie- und Pharmaunternehmen im Vergleich zum Vorjahr trotz des deutlichen Umsatz- und Ergebnisrückgangs kaum verändert. Das zeigt die diesjährige Befindlichkeitsumfrage. Dabei verteidigt der Leverkusener Polymerhersteller Covestro seine Spitzenposition im Ranking der Personalpolitik, gefolgt vom Mainzer Glaskonzern Schott. Die Durchschnittsnote der Unternehmen zengruppe des Rankings geschafft. Auch sonalentwicklung am deutlichsten kriti- im Umfrageranking bleibt wie im Vorjahr Boehringer Ingelheim konnte sich mit ei- siert. Hier vergaben die Teilnehmer im bei 3,0. Dazu der 1. VAA-Vorsitzende Rai- ner im Vergleich zum Vorjahr verbesserten Schnitt die Schulnote 3,9. Auch die Kom- ner Nachtrab: „Die deutsche Chemieindus- Note von Platz 7 auf Platz 5 steigern. Die munikation der Karrierechancen (3,7) und trie hängt stark an der Auslandsnachfrage ebenfalls deutlich besser bewertete Lan- die Ehrlichkeit der Zielvereinbarungssys- und erlebt deshalb durch die schwächelnde xess AG kletterte von Platz 11 auf Platz 6. teme (3,6) ruft die deutliche Kritik der Weltkonjunktur derzeit einen deutlichen Fach- und Führungskräfte hervor. Umsatz- und Ergebnisrückgang. Die Füh- Wesentlich schlechtere Noten als im Vor- rungskräfte in den Chemie- und Pharmaun- jahr vergaben die Führungskräfte bei der Positiv bewertet wurden dagegen die In- ternehmen lassen sich von solchen kon- Bayer AG und bei Shell. Beide Unterneh- formation über die Geschäftsstrategien der junkturellen Schwankungen aber nicht aus men fallen im Ranking deutlich zurück. Unternehmen (Durchschnittsnote 2,2), die der Ruhe bringen und das spiegelt das ins- Den letzten Platz im Ranking belegt der Ausgestaltung der Sozialleistungen (2,3) gesamt konstante Stimmungsbild wider.“ deutsche Teil des amerikanischen Chemie- und das seltene Auftreten von Mobbing- riesen Celanese, der aufgrund einer ver- Fällen (2,4). Neben dem Spitzenreiter Covestro und der schlechterten Bewertung durch die Füh- zweitplatzierten Schott AG haben es in die- rungskräfte drei Plätze zurückfällt. An der von Ende April bis Ende Mai 2019 sem Jahr erneut der bayerische Chemie- zum 18. Mal durchgeführten VAA-Befind- konzern Wacker (Platz 3) und die Beiers- Über alle teilnehmenden Unternehmen lichkeitsumfrage beteiligten sich in diesem dorf AG aus Hamburg (Platz 4) in die Spit- hinweg wurde erneut die Qualität der Per- Jahr mehr als 3.000 VAA-Mitglieder. ¢ 14 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
VAA Rang 2019 Unternehmen Rang 2018 Veränderung Rang Gesamtnote 2019 Gesamtnote 2018 Veränderung Note 1 Covestro 1 , 0 2,19 2,13 . -0,06 2 Schott 3 m 1 2,25 2,40 n 0,15 3 Wacker 4 m 1 2,46 2,50 m 0,04 4 Beiersdorf 2 . -2 2,59 2,39 ! -0,20 5 Boehringer Ingelheim 7 m 2 2,62 2,88 n 0,26 6 Lanxess 11 n 5 2,69 2,93 n 0,24 7 Merck 9 m 2 2,70 2,92 n 0,22 8 Solvay 14 n 6 2,71 3,10 n 0,39 9 Roche Diagnostics 6 ! -3 2,92 2,77 ! -0,15 10 BASF 8 . -2 2,96 2,89 . -0,07 11 Evonik 15 n 4 3,05 3,10 m 0,05 12 Bayer 5 ! -7 3,06 2,69 ! -0,38 13 Symrise 12 . -1 3,19 2,95 . -0,24 14 Clariant 16 m 2 3,22 3,16 . -0,06 15 B. Braun Melsungen 13 . -2 3,28 3,02 ! -0,26 16 Shell 10 ! -6 3,30 2,93 ! -0,37 17 LyondellBasell 17 , 0 3,33 3,31 . -0,02 18 Daiichi Sankyo 19 m 1 3,47 3,53 m 0,06 19 Heraeus 21 m 2 3,55 3,69 n 0,14 20 Henkel 18 . -2 3,66 3,38 ! -0,28 21 Sanofi Aventis 22 m 1 3,76 3,94 n 0,18 22 Axalta Coating Systems 24 m 2 3,88 4,21 n 0,33 23 Celanese 20 ! -3 3,90 3,59 ! -0,31 Durchschnitt 2,99 2,98 . -0,01 Bei der Veränderung der Ränge im Vergleich zum Vorjahr ist zu berücksichtigen, dass durch das Ausscheiden von H.C. Starck (Platzierung 2018: Rang 23) ein Unternehmen weniger im Ranking vertreten ist als 2018. Legende Drei deutlichste Rang- und Notenverbesserungen , Keine Veränderung Drei deutlichste Rang- und Notenverschlechterungen . Verschlechterung um bis zu zwei Ränge/ein Notenzehntel (0,1) n Verbesserung um mindestens drei Ränge/ein Notenzehntel (0,1) ! Verschlechterung um mindestens drei Ränge/ein Notenzehntel (0,1) m Verbesserung um bis zu zwei Ränge/ein Notenzehntel (0,1) VAA MAGAZIN AUGUST 2019 15
Frauen VAA Themen mit der besten Bewertung Tops (r) und Flops (i) Unternehmensranking 2019 2018 Kenntnis der Geschäftsstrategie 2,2 Kenntnis der Geschäftsstrategie Solvay 8 14 r Lanxess 6 11 r Ausgestaltung der Sozialleistungen Ausgestaltung der Sozialleistungen 2,3 Evonik 11 15 r Häufigkeit von Mobbingfällen Häufigkeit von Mobbing-Fällen 2,4 Roche Diagnostics 9 6 i Verkörperung persönlicher Verkörperung persönlicher Werte durch das Werte Unternehmen Celanese 23 20 i 2,5 durch das Unternehmen Bayer 12 5 i Klima im persönlichen Arbeitsumfeld Klima im persönlichen Arbeitsum- 2,5 Frauen feld Themen mit der schlechtesten Bewertung Datenbasis Versandte Fragebögen 10.014 Gerechtigkeit der Arbeitsverteilung auf die Mitarbeiter 3,5 Zurückgesandte Fragebögen 3.074 30,7 % (Vorjahr: 32,9 %) 3,5 Offenheit der Problemdiskussion im Unternehmen Ausgewertete Fragebögen 3.048 30,4 % (Vorjahr: 32,4 %) 3,6 Ehrlichkeit des Zielvereinbarungssystems 3,7 Kommunikation der Karrierechancen Weitere Informationen zur Umfrage gibt es auf 3,9 Qualität der Personalentwicklung der Mitgliederplattform MeinVAA. Die höchsten Rücklaufquoten Wertungen in den Kategorien Lanxess 44,4 % Celanese 42,4 % Kategorie (Mittelwerte) 2019 2018 Schott 42,0 % Persönliche Befindlichkeit 2,75 2,68 BASF 36,4 % Unternehmensstrategie 2,86 2,78 Wacker 36,0 % Unternehmenskultur 3,01 3,01 Axalta Coating Systems 35,4 % Motivation 3,06 3,04 Covestro 34,0 % Arbeitsbedingungen 3,13 3,18 Clariant 33,4 % Solvay 33,3 % Hinweis: Die Wertungen der einzelnen Unternehmen in den fünf Symrise 32,2 % Kategorien finden eingeloggte Mitglieder unter mein.vaa.de. 16 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
VAA Foto: sanjeri – iStock INTERVIEW MIT DR. DANIELE BRUNS UND DR. RALF HEUPEL Gute Führung: „Einfach auch mal Danke sagen“ Um Stellung zu beziehen, hat der Führungskreis des Verbandes Positionen zu zentralen, für VAA-Mitglieder relevanten Zukunftsthemen erarbeitet: von der Arbeitszeit und den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt über das Entgelt bis hin zum lebensphasenorientierten Arbeiten und zum mobilen Arbeiten. An der Entwicklung der Position „Gute Führung“ war die VAA-Kommission Führung maßgeblich beteiligt. Im Interview mit dem VAA Magazin sprechen Dr. Daniele Bruns, 2. Vorsitzende des VAA und betreuendes Vorstandsmitglied der Kommission, und der Kommissionsvorsitzende Dr. Ralf Heupel über Ehrlichkeit, Zeit für Führung und die Herausforderung, Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit zu vermitteln. VAA Magazin: Sie sind beide erfahrene Füh- gute Führungskraft sollte die Mitarbeiter zeugt, dass dieser Aspekt sehr wesentlich ist, rungskräfte. Welche Eigenschaften braucht mitnehmen und zum Denken anregen, so- damit die Mitarbeiter verstehen, welchen eine gute Führungskraft? dass sie eigene Ideen entwickeln können. Teil am Unternehmenserfolg sie beisteuern. Und sich somit auch den Weg, wie sie ihre Bruns: Mir ist vor allem die Vorbildfunktion Ziele erfüllen, selbst ausdenken und erarbei- Heupel: Der Punkt Wertschätzung gehört wichtig. Man darf nicht von anderen etwas ten. Um die Leute mitzunehmen, muss man aus meiner Sicht unbedingt dazu. Ein- fordern, was man selbst nicht vorlebt. Man die Sinnhaftigkeit der Arbeit vermitteln. Das fach auch mal Danke sagen. Das Teilen muss ehrlich sein und klare Ziele formulie- läuft heute unter dem englischen Schlagwort von Informationen und das Erklären von ren, dabei aber nicht eins zu eins vorgeben, purpose. Der Begriff ist im Moment sehr in Entscheidungen halte ich ebenfalls für wie diese Ziele erreicht werden sollen. Eine Mode. Ich bin aber wirklich fest davon über- sehr wichtig. u VAA MAGAZIN AUGUST 2019 17
VAA Man sollte seinen Mitarbeitern vertrauen sollte sich auch nicht jeder zwingen, unbe- geschäft häufig vorgeht. Aber wenn man und neben Orientierung auch Freiräume ge- dingt Führungskraft werden zu wollen, um sich eine gewisse Zeit am Tag oder auch am ben. Man muss ansprechbar sein, Zeit für die Karriereleiter aufzusteigen. Es gibt Ende der Woche reserviert und sagt: Es ist Kollegen und Mitarbeiter haben, um zuzu- auch Aufstiege außerhalb einer Linien- mir jetzt wichtiger als die täglichen opera- hören. Insgesamt finde ich das Motto „mit funktion, zum Beispiel in der Projektarbeit tiven Aufgaben, Führung zu leben und für gutem Beispiel vorangehen“ zeitlos und oder auf anderen Wegen. Wenn man eigent- Mitarbeiter Zeit zu haben, dann wird man sehr empfehlenswert. Allerdings können al- lich gar keine Lust hat, intensiv mit Men- das auch schaffen. Es sind natürlich auch lein diese eigentlich einfachen Dinge in der schen zusammenzuarbeiten, sie zu führen die Unternehmen gefordert, den Führungs- Gesamtheit durchaus eine Anforderung und anzuleiten, sollte man ehrlich zu sich kräften Zeit zu geben. Da kommen wir zu sein, die in der heutigen Arbeitswelt mitun- selbst sein und sagen: Ich möchte lieber ei- den Personalführungssystemen. Dort sollte ter schwer zu erreichen ist. Und es gibt noch nen anderen Weg gehen. der Begriff Führung erscheinen. Dass im einiges mehr, das heutigen Führungskräf- Rahmen der Zielerreichung auch Zeit für ten abverlangt wird. Heupel: Ich sehe das ähnlich wie Daniele Führung eingeräumt wird und es auch ent- Bruns. Es gibt sicherlich geborene Füh- sprechend bewertet und honoriert wird, wie VAA Magazin: Der Begriff Ehrlichkeit ist rungspersönlichkeiten. Aber man kann man als Führungskraft Führung lebt. Denn gerade gefallen. Sitzt man als Führungs- und muss Führungskompetenzen auch er- eine auf gute Führung ausgerichtete Unter- kraft nicht manchmal auch zwischen ver- lernen – im Laufe der Karriere, immer nehmenskultur ist heutzutage absolute schiedenen Stühlen und hat es schwer, kon- wieder. Das ist auch schon deshalb ange- Pflicht. sequent ehrlich zu sein? zeigt, weil das Bild der Führungskraft im Lauf der Zeit Veränderungen unterliegt. Bruns: Das ist eine Frage der Priorisierung, Bruns: Ehrlich kann man immer sein. Ich Fachkompetenzen besitzen sicherlich auch da bin ich bei Dir. Eine Führungskraft muss würde da unterscheiden zwischen Ehrlich- heute noch ihren Stellenwert, aber ergänzt in der Lage sein, über ihr Zeitkontingent keit und Offenheit. Natürlich kann ich nicht durch Führungskompetenzen, die häufig selbst zu bestimmen, zu priorisieren und jedem immer alles sagen und muss viel- im kommunikativen Bereich liegen. Wei- sich die Zeit zu nehmen. Ich kann mir nicht leicht auch mal sagen: Darüber kann ich im terbildungs- und Coachingprogramme vorstellen, dass in irgendeinem Unterneh- Moment noch nicht sprechen. Aber ich können da hilfreich sein, aber manche Din- men von oben heruntergesagt wird: Du re- kann und sollte ehrlich sein. Wenn man un- ge kann man auch auf einen kurzen Nenner dest zu viel mit deinen Mitarbeitern. Ich ehrlich ist, kommt das immer irgendwann bringen und sie sich regelmäßig in Erinne- denke da an die Arbeitszeitdiskussionen, heraus. Und das kriegen Mitarbeiter und rung rufen, sei es durch einen Zettel an der die wir zum Teil mit den Leitenden führen. Kollegen ganz schnell mit. Dadurch verliert Wand oder einen elektronischen Reminder. Wer wirklich leitender Angestellter sein man dann an Glaubwürdigkeit. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Ein- will, muss in der Lage sein, sich die Ar- fach mal zuhören! Das sollte jede Füh- beitszeit so einzuteilen, wie es erforderlich VAA Magazin: Vorbildliches und wertschät- rungskraft beherzigen. ist. zendes Verhalten, Ehrlichkeit, sich Zeit nehmen: Solche Dinge kann man gezielt VAA Magazin: Es wurde bereits vorhin an- Heupel: Es ist sicherlich prinzipiell nicht beherzigen. Kann man gute Führung also gesprochen, wie wichtig es ist, sich Zeit zu sinnvoll, wenn seitens des Unternehmens lernen? nehmen. Hat man denn als Führungskraft vorgegeben wird, wie viel Zeit für Führung selbst dafür die Zeit? verwendet werden soll. Aber viele Unter- Bruns: Ich denke, bis zu einem gewissen nehmen bewerten in den Personalfüh- Maß muss man das schon mitbringen. Man Heupel: Da vertrete ich leidenschaftlich die rungs- oder Leistungsbewertungssystemen kann daran feilen und gewisse Methoden Einstellung, dass man für dringende und neben den sogenannten Fachkompetenzen stärken. Aber wenn man überhaupt nicht wichtige Dinge einfach Zeit hat. Sich diese auch die Führungskompetenzen. Interes- zur Führungskraft geeignet ist, wird man Zeit aktiv zu nehmen, ist mitunter im Ar- santerweise sind viele Unternehmen dazu es – so glaube ich – auch nicht lernen. Es beitsalltag sehr schwierig, weil das Alltags- übergegangen, die Gewichtung von Unter- nehmens- oder Divisionszielen im Ver- gleich zu den individuellen Zielen stärker VAA-Position zu Guter Führung in Kürze zu machen. Das finde ich in puncto Füh- rung und Teamgedanke interessant. Denn • Gute Führung ist essenziell für unternehmerischen Erfolg und Voraussetzung die alten Systeme haben doch häufig so für gesunde, motivierte und teamfähige Mitarbeiter. eine Art Ellenbogenmentalität gefördert. • Gute Führung zeichnet sich durch klare Vorgaben, aber auch einen Es gibt einen deutlichen Trend hin zu mehr respektvollen und wertschätzenden Umgang aus. Teamdenken. • Gute Führung erfordert berechenbares Handeln und eine Vertrauenskultur, die auf allen Ebenen konsequent gelebt wird. Unternehmen und VAA Magazin: Sie haben die Veränderung Führungskräfte sind hier gemeinsam gefordert. der Zielvereinbarungssysteme angespro- chen. Hat sich Führung in den vergange- 18 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
VAA Dr. Daniele Bruns ist 2. Vorsitzende des VAA und betreuendes Vorstandsmitglied der VAA-Kommission Führung. Bis zum Ende ihrer beruflichen Tätigkeit in diesem Jahr war sie bei der Merck KGaA Leiterin Sicherheit und Umwelt und stellvertretende Vorsitzende des Sprecherausschusses. Dr. Ralf Heupel (Bildmitte) ist Vorsitzender der VAA-Kommission Führung und arbeitet im Management der Bayer AG. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Sprecherausschusses der Bayer AG am Standort Leverkusen/Monheim und Vorsitzender des Arbeitskreises Führung im Bayer-Konzernsprecherausschuss. Im Interview mit VAA-Redakteur Christoph Janik sprachen beide über die Herausforderungen guter Mitarbeiterführung. Foto: Dr. Torsten Glinke – VAA nen Jahrzehnten auch in anderen Aspek- vermitteln. Das gewinnt zunehmend an Be- Bruns: Meiner Meinung nach war von An- ten verändert? deutung und trägt auch dem Wertewandel fang an ein sehr großer Konsens vorhanden. in der Gesellschaft Rechnung – der Begriff Natürlich haben wir einen gewissen Fin- Heupel: In einer komplexer werdenden purpose ist vorhin bereits gefallen. dungsprozess durchlebt und mussten uns erst Arbeitswelt verändert sich auch der An- einmal sammeln, bis wir dann auch gute For- spruch an Führung. Die alten, vor allem Bruns: Ich bin mir nicht so sicher, ob sich mulierungen zusammengebracht haben. auf Weisungen fokussierten Führungssti- bis dato schon so viel geändert hat. Aber Aber es ging von Anfang an in die gleiche le sind überholt und heute so auch gar ich stelle zumindest einen Trend fest, dass Richtung und jeder hat aus seinem Erfah- nicht mehr möglich. Heute sind differen- sich etwas ändert und auch ändern muss. rungsschatz etwas anderes mitgebracht. zierte Führungsstile gefragt, bis hin zum Das streng hierarchische Denken, wie wir sogenannten situativen Führen: Ein Ver- es teils noch erlebt haben, wird mit Sicher- Heupel: In der Kommission sind Führungs- halten einer Führungskraft mag in gewis- heit immer weniger werden und werden kräfte aus verschiedensten Unternehmen sen Situationen angebracht sein und zum müssen. versammelt. Und die Historie, die gegen- Ziel führen, in anderen Situationen ist ein wärtige Situation und Kultur in den einzel- anderes Führungsverhalten unter Umstän- VAA Magazin: Die VAA-Kommission Füh- nen Unternehmen ist natürlich unterschied- den sinnvoller. rung war maßgeblich daran beteiligt, die lich. Für mich war es sehr interessant, dass Position des Verbandes zu Guter Führung wir trotz dieser Unterschiede einen breiten In dem heutzutage sehr wechselhaften Um- zu entwickeln. Lagen die Meinungen inner- Konsens zum Thema Führung hatten. In feld, in dem die Vorhersagbarkeit geringer halb der Kommission zu diesem Thema an- vielen Einzelheiten, aber auch in der Ge- geworden ist – Stichwort VUCA-Welt: fangs weit auseinander oder gab es von An- samtaussage: Führen ist heute wichtiger VUCA steht im Englischen für volatility, fang an einen breiten Konsens? denn je! ¢ uncertainty, complexity und ambiguity – in so einem Um- feld sollte eine Führungskraft Orientierung geben können. Eine ausführliche Fassung des Interviews mit Also selbst in der Lage sein, Dr. Daniele Bruns und Dr. Ralf Heupel steht mit Ungewissheiten umzuge- eingeloggten VAA-Mitgliedern auf der Mitgliederplattform hen, aber dennoch Klarheit in der Führung auszustrahlen. MeinVAA unter mein.vaa.de zur Verfügung. Und den Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihres Tuns zu VAA MAGAZIN AUGUST 2019 19
VAA MITBESTIMMUNG VAA bei Sanofi: Neuer Schwung im Betriebsrat Von Timur Slapke Bei den Betriebsratswahlen in den Chemie- und Pharmaunternehmen haben die Kandidaten des VAA im letzten Jahr ein Rekordergebnis eingefahren und insgesamt 253 Mandate gewonnen. Einen starken, themenbezogenen und kämpferischen Wahlkampf hat auch die VAA-Liste bei der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH geführt. Mit Erfolg: Die Zahl der Sitze im Betriebsrat am Standort Höchst konnte von drei auf fünf ausgebaut werden. Wie sieht die Bilanz nach einem Jahr Arbeit im erneuerten Gremium aus? Im VAA Magazin erklärt die Truppe um den langjährigen und nunmehr freigestellten Betriebsrat Dr. Michael Friedrich, warum sich der Einsatz voll gelohnt hat und welche Hürden es noch zu nehmen gilt. Im Bürogebäude K607 bei Sanofi in Höchst ist auch der Betriebsrat angesiedelt. Foto: Martin Joppen – Sanofi 20
VAA Wie verpasst man einem Betriebsrat eine eur und zur Verfahrensingenieurin wird Bei Sanofi-Aventis Deutschland sorgt der Frischzellenkur? Ganz einfach: Indem ein breiteres Spektrum abgedeckt als noch VAA im Betriebsrat für frischen Wind, man mehr VAA-Kandidaten ins Gremium bei den vorletzten Betriebsratswahlen auch weil innerhalb der Fraktion der Zu- wählt und die Interessen der außertarifli- 2014. „Diesmal hat der VAA tendenziell sammenhalt stimmt. „Das war im Vorfeld chen Mitarbeiter besser zur Geltung mehr Betriebsräte aus anderen Betriebs- der Wahlen von 2014 so noch nicht der bringt. So ähnlich haben es sich wohl die teilen als Forschung und Entwicklung“, Fall“, blickt Michael Friedrich selbstkri- meisten der rund 1.300 AT-Angestellten erklärt Jan Glauder. „Je mehr unterschied- tisch zurück. „Wir haben früher weniger bei der Sanof i-Aventis Deutschland liche Bereiche vertreten sind, desto mehr als gemeinsame Fraktion agiert, sondern GmbH im Industriepark Höchst gedacht Wählerpotenzial gibt es.“ Man sei nun in eher als Einzelpersonen.“ Man habe sich und der VAA-Liste bei den Betriebsrats- der Tiefe viel besser besetzt und könne so oft nur bei der Betriebsratssitzung gese- wahlen 2018 damit 14 Prozent aller Wäh- mehr erreichen. hen, weswegen wenig Zeit für den Aus- lerstimmen beschert. „An dem Abend war tausch blieb. „Das ist jetzt seit einem Jahr ich völlig geplättet“, gibt Dr. Michael Neu zur Fraktion gehört Dr. Ulrike Sent, viel besser geworden.“ Friedrich offen zu. „Ich hatte mit vier Sit- deren CHC-Unternehmensteil vor drei zen gerechnet und wir haben fünf gewon- Jahren von Boehringer Ingelheim zu Sa- Einer der Gründe für die Fortschritte in der nen, nachdem wir vorher drei Sitze inne- nofi übergegangen ist. Aus ihrer Sicht neuen Legislaturperiode: Während die hatten.“ Warum ist das so wichtig? „Weil auch ein wichtiger Faktor für das gute VAA-Fraktion nach der letzten Wahl aus wir mit fünf Sitzen ein Siebtel der 35 Sit- Wahlergebnis des VAA. „Wir bei CHC zwei Neulingen und nur einem erfahrenen ze haben und damit in allen wichtigen sind fast ausschließlich Akademiker und Betriebsratsmitglied bestand, sind diesmal Ausschüssen drin sind. Beim letzten Mal konnten hier als AT-Angestellte für den schon drei Erfahrene dabei, die den Betrieb waren wir in nur sechs Ausschüssen ver- Betriebsrat kandidieren und ihn mitwäh- und das Gremium gut kennen. Über die treten, nun in 15 Ausschüssen.“ Man muss len.“ Und ein „zwangsweiser Merger“ von Landesgruppe Hessen und die VAA-Ver- also nicht um Ausschusssitze „betteln“, einem Familienunternehmen zu einem anstaltungen für Betriebsräte pflegen die sondern ist automatisch dort, wo die ei- DAX-Konzern komme bei der Beleg- Sanofi-Betriebsräte außerdem einen guten gentliche inhaltliche Arbeit stattfindet. schaft selten gut an. Schon bei Boehringer Austausch zu Betriebsräten aus anderen hat sich Ulrike Sent im Betriebsrat und in Unternehmen der Branche. „Der wichtig Bei Sanofi ist Michael Friedrich ein Be- der VAA-Werksgruppe engagiert. „Bei ist für unsere Arbeit“, ergänzt Ulrike Sent. triebsratsurgestein. Schon seit Anfang der Sanofi wollte ich die Interessen der Mit- 1990er Jahre hat sich der Humanmedizi- arbeiter meines Unternehmensteils in ei- Mitgestaltung statt Machtkampf ner bei der damaligen Hoechst AG im Be- nem neuen Umfeld vertreten, um mitzu- triebsrat engagiert. Aber selten hat er als spielen.“ Man lerne durch das Engage- Nach wie vor ist die VAA-Fraktion im Ver- „alter Hase“ so viel Begeisterung wie jetzt ment persönlich eine ganze Menge, findet gleich zur IG BCE in der Minderheit, aller- gespürt. Ein weiterer Vorteil durch die die Tiermedizinerin. „Man lernt ein Un- dings wird die Stimme der AT-Angestell- fünf gewonnenen Sitze im Betriebsrat ist ternehmen ganz anders und viel schneller ten gehört. „Wir haben zwar keine Mehr- für die VAA-Liste eine volle Freistellung, kennen und ist dabei gleich viel besser heit, aber wir sind dabei und können unse- die Friedrich übernommen hat. „Für mich vernetzt.“ re Meinung einbringen“, so Michael Fried- als 61-Jährigen ist diese Tätigkeit als frei- rich. „Es geht uns nicht um Macht, sondern gestellter Betriebsrat ein hervorragender Erfolg durch gemeinsames Mandat um Mitgestaltung.“ Auch Jan Glauder ist Abschluss meiner beruflichen Laufbahn.“ sich sicher: „Unsere AT-Kompetenz wird Das ehemalige Mitglied des VAA-Bun- Um vernetzt zu sein, braucht es regelmäßi- geschätzt. Man darf nicht vergessen, dass desvorstands vertritt den VAA außerdem gen Austausch. Das haben sich die VAA- bei unserem Wählerpotenzial noch viel im Gesamtbetriebsrat. Sein Kollege Dr. Betriebsräte in Frankfurt-Höchst als abso- Luft nach oben ist.“ Der Chemiker ist seit Jan Glauder bestätigt die Vorzüge einer lutes Ziel gesetzt. „Wir treffen uns alle zwei 2018 Betriebsratsmitglied und arbeitet seit Freistellung: „Normalerweise nimmt für Wochen und tauschen uns aus, damit alle zwölf Jahren am Standort. Im VAA enga- uns die Betriebsratsarbeit zwischen 20 vollumfänglich informiert sind“, berichtet giert sich Glauder seit 2013. und 30 Prozent unserer Zeit in Anspruch. Jan Glauder. Außerdem gibt es offene Tref- Bei einer Freistellung haben wir auf einen fen, zu denen Nachrücker und Interessenten Sowohl im Betriebsrat selbst als auch in den Schlag gefühlt drei Personen mehr für die der VAA-Liste kommen. „Der ständige Er- Ausschüssen läuft die Zusammenarbeit der Betriebsratsarbeit.“ fahrungsaustausch über die Ausschussar- VAA-Betriebsräte mit der IG BCE gut. „Wir beit und VAA-relevante Entscheidungen ist werden als gleichberechtigter Partner auf In der neuen VAA-Betriebsratsfraktion sinnvoll, um unser gemeinsames Mandat Augenhöhe wahrgenommen und unsere zeigt sich die Stärke gemischter Teams, erfolgreich wahrzunehmen“, betont Ulrike Mitarbeit läuft konstruktiv“, stellt Ulrike die unterschiedliche Unternehmensteile Sent. Sie verstehe das Mandat deshalb als Sent fest. Dabei stehe ohne Frage für das ge- und Berufsgruppen repräsentieren: Vom gemeinsames, weil es die Interessen aller samte Gremium das Wohl aller Mitarbeiter Chemiker über den Humanmediziner und AT-Mitarbeiter, aber auch aller Mitarbeiter im Vordergrund. „Ich nehme auch bei Be- die Tierärztin bis zum Wirtschaftsingeni- am Standort vertrete. triebsbegehungen in der Produktion mit u VAA MAGAZIN AUGUST 2019 21
VAA meinem Ausschuss teil und kümmere der Sanofi-Betriebsrat an seine Kapazitäts- Michael Friedrich, der sich schon jahrzehn- mich um die Verbesserung der Arbeitsbe- grenzen. „Unser Unternehmen ist momen- telang ehrenamtlich engagiert. Friedrich dingungen.“ Auf allen Betriebsversamm- tan sehr initiativ und strukturiert viel um“, hat neben seinem Betriebsratsmandat auch lungen sind die VAA-Betriebsräte dabei, weiß Betriebsratsveteran Friedrich zu be- einen Sitz im Aufsichtsrat inne. „Ich kann um ihre Flyer zu aktuellen Themen und richten. Durch neue Projekte und Verände- für mich sagen: Man lernt unheimlich viel Broschüren zu verteilen. „Da stehen alle rungen sind immer häufiger mehrere Aus- Neues durch das Betriebsratsmandat ken- Fraktionen und tauschen sich partner- schüsse gleichzeitig betroffen, sodass die nen und lernt persönlich, aber auch juris- schaftlich aus.“ Betriebsratsarbeit immer zeitaufwendiger tisch und betriebspolitisch wahnsinnig viel wird. „Daher müssen wir künftig noch dazu.“ Man müsse aber schon Rückgrat ha- Betriebsratsarbeit ist komplex. Zunächst stärker daran arbeiten, dass die einzelnen ben und die entsprechende Einstellung an delegiert das aus 35 Mitgliedern bestehen- Ausschüsse themenspezifisch zusammen- den Tag legen. „Wenn ich etwas als unge- de Gremium die einzelnen Themen an die arbeiten“, mahnt Friedrichs Kollege Jan recht empfinde, dann muss ich das auch Ausschüsse. Diese bearbeiten die Themen Glauder. ansprechen. Das war bei mir schon zu Stu- und geben eine Entscheidungsempfehlung dienzeiten so.“ an den Betriebsrat zurück. Es erfordert viel Bei ihrem Engagement müssen die Be- Geduld, Schweiß und Hirnschmalz, bis die triebsratsmitglieder immer wieder neu ab- Was falsch ist, muss benannt werden – das Empfehlungen aus den Ausschüssen ans wägen, ob der eigene Job oder die Betriebs- ist die passende Einstellung für die Be- Gesamtgremium fertiggestellt sind. Aber ratsarbeit Priorität hat. Jan Glauder klärt triebsratstätigkeit. Beispielsweise kommen die Arbeit hört nicht etwa mit den Be- auf: „Wir entscheiden frei, wie wir die not- zu den Sitzungen des Wirtschaftsaus- schlüssen auf. „Wir begleiten die Projekte wendigen rund 30 Prozent an Arbeitszeit schusses stets auch Mitglieder der Ge- auch weiter und prüfen die Umsetzung“, für den Betriebsrat einteilen. Manchmal schäftsführung – nicht zuletzt, weil sie erläutert Ulrike Sent. Weil viele Betriebs- geht das aber nicht, ohne dass Arbeit abge- selbst dort manche Dinge früher erfahren vereinbarungen standortübergreifend gel- geben wird.“ Im Einzelnen hänge es häufig als auf dem normalen Dienstweg. Jan ten, müssen sie im Gesamtbetriebsrat ver- am konkreten Vorgesetzten, inwieweit Glauder ist wie Friedrich ein Freund des handelt werden. „Umso besser, dass wir Dinge ausgefochten werden müssen. Bei offenen Wortes: „Man muss auch dann den durch Michael Friedrichs Sitz im Gesamt- ihm selbst habe sich das mittlerweile recht Mund aufmachen können, wenn der CEO betriebsrat noch zeitiger über wichtige Plä- gut eingependelt. „Doch gerade für jünge- des Unternehmens auftaucht. Ohne dass ne und Absichten des Unternehmens infor- re Betriebsratsmitglieder ist es leider im- man miteinander spricht, lassen sich keine miert werden und früher auf die Umset- mer noch so, dass ein solches Engagement Probleme lösen.“ zung neuer Strategien im Unternehmen einen Karriereknick bedeutet – zumindest Einfluss nehmen können.“ temporär.“ Was sind die Hauptprobleme bei Sanofi aus Sicht der VAA-Betriebsratsvertreter? Kapazitäten werden knapp Es ist ein altes Problem: Leidet die Attrak- Für Jan Glauder gehören die über Jahre tivität des Jobs unter der Attraktivität der niedrigen Gehaltserhöhungen von etwa ei- Bei allen Bemühungen gibt es auch große Betriebsratsarbeit? „Das ist eine Frage, die nem Prozent für die AT-Mitarbeiter zu den Herausforderungen. Denn so langsam stößt jeder für sich beantworten muss“, findet drängendsten Problemen der VAA-Wähler. „Für uns ist dies eine Verpflichtung, hier auch zu liefern. Wir sind bei diesem The- ma eine Art Influencer.“ Letztlich profi- tiert auch das Unternehmen von konkur- renzfähigen Gehältern für den AT-Be- reich, da nur so die Attraktivität des Un- ternehmens als Arbeitgeber für wirklich gute und hoch qualifizierte Mitarbeiter be- stehen bleibt. „Nur wenn wir überdurch- schnittlich gute AT-Mitarbeiter haben, kann der Standort überleben“, bringt es Glauder auf den Punkt. „Hier ist die VAA- Einkommensumfrage ein sehr nützliches Instrument, um der Geschäftsführung un- ser Anliegen näherzubringen.“ Die Ergeb- nisse zeigen: Am Standort Höchst wird die naturwissenschaftlich geprägte Klientel Mit dem Slogan „Mitbestimmen, mittendrin, VAA“ haben die VAA- eindeutig vernachlässigt. „Wir bewegen Kandidaten nicht nur bei Sanofi, sondern auch in zahlreichen anderen uns schon seit Jahren am unteren Ende des Unternehmen Erfolge bei den Betriebsratswahlen 2018 feiern können. Branchenvergleichs.“ 22 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
VAA Zu den Betriebsratswahlen bei Sanofi-Aventis im März 2018 ist der VAA mit einer starken Liste angetreten. 1. Reihe (von links): Dr. Ulrike Sent, Dr. Michael Friedrich, Dr. Sigrid Gonski, Dr. Otto Funk. 2. Reihe: Winfried Heyse, Dr. Jan Glauder, Andreas Corell, Dr. Harald Weigmann. 3. Reihe: Dr. Klaus Lindauer, Dr. Mandy Mohnicke, Dr. Frank-Rainer Schmidt. Foto: Moritz Leick – VAA Nicht meckern, mitbestimmen! Was ist die Alternative? Engagement, und den VAA noch mehr in die Betriebsratsar- zwar im VAA – so sehen es die Sanofi-Be- beit einbinden. „Wir haben schon viele alte Ebenfalls seit Jahren – 38 sind es mittlerwei- triebsräte des VAA. Denn gerade in den Zöpfe abgeschnitten und schauen optimis- le – engagiert sich Winfried Heyse am Stand- letzten Jahren habe sich beim VAA selbst tisch nach vorn“, fasst Ulrike Sent zusam- ort Höchst, zuerst bei der Hoechst AG, an- vieles verbessert, stellt Ulrike Sent fest. men. Den Blick in die Zukunft gerichtet, schließend in den Nachfolgeunternehmen. „Die fachliche Unterstützung bei der Ge- schlägt Winfried Heyse eine Brücke zu den Bei der letzten Betriebsratswahl hat der Di- staltung und redaktionellen Begleitung von bereits erzielten Erfolgen: „Wir haben das plom-Ingenieur mit der VAA-Liste einen Sitz Flyern und Plakaten ist wirklich sehr gut.“ Ansehen der AT-Mitarbeiter in den letzten im Sanofi-Betriebsrat gewonnen. „Ich bin Das sieht Sents Fraktionskollege Glauder Jahren erheblich verbessern können. Wir 1997 im Zuge der großen Umstrukturierun- genauso: „Durch die Hilfe der VAA-Ge- werden sichtbarer und können uns auch gen bei uns im damaligen Unternehmen in schäftsstelle haben wir einen viel besseren trauen, sichtbar zu werden.“ Jan Glauder den VAA eingetreten.“ Seit 2001 ist Heyse und professionelleren Wahlkampf geführt pflichtet ihm bei: Man werde viel häufiger AT-Angestellter und hat es seitdem hautnah und konnten uns so gut präsentieren wie erkannt und angesprochen als früher. „Die mitbekommen, wie schwierig es ist, die eige- noch nie zuvor.“ Leute wissen: Als Betriebsratsmitglieder nen Kollegen zum Engagement zu ermun- kümmern wir uns darum, die Situation al- tern. „Aber nur herumzumeckern und nichts Auch weiterhin wollen die Betriebsräte der ler Mitarbeiter zu verbessern, egal ob AT zu machen, ist keine Alternative.“ VAA-Liste Präsenz bei Sanofi zeigen und oder Tarif.“ ¢ VAA MAGAZIN AUGUST 2019 23
VAA Sophia von Rundstedt ist Geschäftsführerin der gleichnamigen Outplacement-Beratung und Kooperationspartner des VAA. Die Volljuristin ist Mitglied im Verband „Die Familienunternehmer – ASU“ und engagiert sich bei den „Working Moms“ für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Im Oktober 2018 wurde Sophia von Rundstedt mit dem Preis „Erfolgreiche Frauen im Mittelstand“ ausgezeichnet. Foto: von Rundstedt KOOPERATIONEN Berufliche Neuorientierung: Outplacement als Chance Von Sophia von Rundstedt Die Wirtschaft verändert sich rasant: Restrukturierungen und Unternehmenszusammenschlüsse sind an der Tagesordnung. In der Folge ändert sich der Personalbedarf. Neue Stellenprofile und Personalabbau sind häufig die Folge. Damit werden Arbeitgeberwechsel und Kündigungen zur Normalität. Eine Outplacement-Beratung verwandelt auch eine unfreiwillige berufliche Neuorientierung in eine Chance. Arbeitgeber bieten Fach- und Führungs- derungen oft eine Beratung zur berufli- Outplacement-Beratung. Auch wenn Be- kräften im Zuge großer personeller Verän- chen Neuorientierung an: die sogenannte schäftigte nicht direkt ein entsprechendes 24 VAA MAGAZIN AUGUST 2019
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