Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch

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                    5 2013

Eltern und Hebammen
Parents et sages-femmes
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Auf den richtigen
Umgang kommt es an!
In ihren ersten vier Lebenswochen lernen Babys das Trinken an der Mutterbrust. Danach wird deutlich, dass
Babys ein Saugbedürfnis haben, das über die Nahrungsaufnahme hinausgeht. 80% aller Eltern stillen dieses
Bedürfnis mit einem Nuggi. Um Zahnfehlstellungen zu vermeiden, sollte dieser verantwortungsbewusst
eingesetzt werden. Der Nuggi gehört in die Obhut der Eltern und sollte Babys nur gezielt angeboten werden:
Als Einschlafhilfe, bei Ruhelosigkeit oder zur Schmerzlinderung. Fachleute empfehlen zudem, Kindern den
Nuggi spätestens mit 24 bis 36 Monaten abzugewöhnen.

Der Nuggi – ein Multitalent!
• Der Nuggi spielt für das psychische Wohlbefinden eine wichtige Rolle. Er beruhigt, entspannt, lindert Schmerzen
  und erleichtert das Einschlafen.
• Aktuelle Studien belegen: Richtig eingesetzt hat der Nuggi keinen negativen Einfluss auf die Stilldauer.
• Das Risiko des plötzlichen Kindstods (SIDS) wird durch die Nuggiverwendung reduziert.
• Der Nuggi ist viel leichter abzugewöhnen als der Daumen: 50% der Daumenlutscher nuckeln
  auch als 7-Jährige noch.

Warum Sie einen bibi Nuggi empfehlen sollten
• Die Nuggispitze in der Dentalform NUK (natürlich und kiefergerecht)
  passt sich dem Kiefer ergonomisch an und fördert so die natürliche                     Ergonomische
  Entwicklung des Gaumens.                                                               NUK Dentalspitze

• Das anatomisch geformte Schild sorgt für beste Passform.
  Der zentral gelegte Schwerpunkt verhindert übermässigen Druck                          bibi Sensopearls
  und sorgt für optimalen Tragekomfort.

• Die auf der Schildinnenseite liegenden - der Brust nachempfundenen -
  Sensopearls verhindern Rötungen und Hautirritationen. Zusammen
                                                                                         Anatomisch
  mit zwei Luftlöchern im Schild ermöglichen sie eine konstante                          geformtes Schild
  Luftzirkulation.

        • 100% Swiss Made: bibi ist der einzige Schweizer Nuggi-Produzent. Durch die Nuggi-Produktion in der
          Manufaktur in Regensdorf bei Zürich und die permanenten Einzelkontrollen kann bibi höchste
          Produktqualität garantieren.

• bibi feiert 75 Jahre glückliche Babys und zufriedene Eltern! Für Fachleute ist bibi der perfekte Partner: Profitieren Sie
  von unserem erfahrenen Expertenteam und 75 Jahren Know-how in der Entwicklung von innovativen Babyprodukten.

                   Zahnärztin Claudia Saxer ist Mitglied unseres Expertenteams. Das sagt sie über die Nuggispitze in Dentalform:

                   «Die Nuggispitze in Dentalform wurde von Zahnärzten entwickelt. Die Dentalform ist auch bekannt
                   unter dem Namen NUK – „natürlich und kiefergerecht“. Die Nuggispitze wurde so geformt, dass sie
                   sich dem kindlichen Kiefer ergonomisch anpasst. Sie bietet genügend Platz für die Zunge und übt
                   keinen unnötigen Druck auf Kiefer und Zähne aus. Der Dental-Nuggi ist seit seiner Entwicklung
                   sehr beliebt und verbreitet.»

                   Dr. med. dent. Claudia Saxer ist eidg. dipl. Zahnärztin mit WBA SSO in Kinderzahnmedizin

Lamprecht AG, 8105 Regensdorf, Schweiz                                                          www.bibi.ch
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Inhalt • Sommaire

Ausgabe 5                                                                                     Edition 5
Eltern und Hebammen                                                                           Parents et sages-femmes

Aktuell                                                                         2             Actualité                                                                            26

Editorial Ursula Lüscher, Münchenstein                                         5              Editorial Ursula Lüscher, Münchenstein                                               29

Dossier                                                                        4              Dossier                                                                              28
Frauen in Entscheidungsprozesse einbeziehen –                                  4              Pour «Naît-Sens», la force des parents vient de              28
Nutzerinnenpartizipation in Grossbritannien und                                               ce qu’ils se mettent ensemble Entretien avec Sarah Duflon et
in der Schweiz Sue Brailey, London (GB)                                                       Céline Hertzeisen, Lausanne
Fragen an die Praxis, die Lehre und die Forschung                               6             La Nouvelle-Zélande expérimente un partenariat                                       31
Sue Brailey, London; Lisa Fankhauser, Bern; Claudia König, Winterthur                         fructueux entre parents et sages-femmes
                                                                                              Valerie Fleming, Winterthour
Fokus                                                                           9
Zur Qualität von Informationsmaterial:                                          9             Focus                                                                                32
Der Einbezug der Zielgruppe Christine Loytved, Lübeck;                                        Que signifie «être un acteur du changement»?                                         32
Christiane Schwarz, Hannover; Bettina Berger, Herdecke (D)                                    Josianne Bodart Senn

Neues aus Wissenschaft und Forschung                                         12               Infos Recherche et Colloques                                                         34
                                                                                              L’endométriose, une maladie de plus en plus                                          34
Neues aus den Fachhochschulen                                                14               complexe Josianne Bodart Senn

Verband                                                                       15
                                                                                              Fédération                                                                           15
Sektionen                                                                    20
                                                                                              Sections                                                                             20
Fort- und Weiterbildung SHV                                                   21
                                                                                              En librairie                                                                         35

Thema der Ausgabe 6/2013                                                                      Thème de l’édition 6/2013
Hebammenkunst und evidenzbasierte Medizin                                                     Représentations du corps de la femme / de la mère
Erscheint Anfang Juni 2013                                                                    Parution début juin 2013

                                            111. Jahrgang | 111e année

                                            Geschäftsstelle | Secrétariat Rosenweg 25 C, Postfach, CH-3000 Bern 23, T +41 (0)31 332 63 40, F +41 (0)31 332 76 19
                                            info@hebamme.ch, www.hebamme.ch, www.sage-femme.ch Öffnungszeiten von Montag bis Freitag | Heures d’ouverture du lundi au
                                            vendredi 8:15–12:00 / 13:30–17:15 Offizielle Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes | Journal officiel de la Fédération suisse
                                            des sages-femmes | Giornale ufficiale della Federazione svizzera delle levatrici | Revista uffiziala da la Federaziun svizra da las spendreras
                                            Erscheinungsweise 10 Mal im Jahr, Doppelausgaben im Januar / Februar und Juli /August | Parution 10 éditions par année, numéros doubles
                                            en janvier / février et en juillet /août

                                            Foto Titelseite Der SHV dankt Maren Böttger, Martin Bischofberger und ihrem Sohn Theo, Zürich Photo couverture La FSSF remercie
                                            Maren Böttger, Martin Bischofberger et leur fils Theo, Zurich
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Aktuell

    Eva Cignacco an der Medizinischen Fakultät                                                    Therapieoptionen
    der Universität Basel habilitiert                                                             der postpartalen
                                               und Hebamme in der Schweiz, der die-               Hämorrhagie
                                               ser wichtige Schritt einer universitären
                                               Karriere gelungen ist. Ihre Habilitations-         Im Herbst 2012 hat die Kommission
                                               schrift verfasste sie zum Thema «Schmer-           «Qualitätssicherung» der Schweizeri-
                                               zen bei Frühgeborenen: Evidenzen und               schen Gesellschaft für Gynäkologie
                                               Herausforderungen». Sie kann sich fortan           und Geburtshilfe (SGGG) die Richtlinien
                                               als Privatdozentin der Universität Basel           für die Behandlung der postpartalen
                                               bezeichnen. Diese Habilitation ist ein             Hämorrhagie aktualisiert (Expertenbrief
                                               weiterer wichtiger Schritt in der Akade-           Nr. 26).
                                               misierung der Pflege und des Hebam-                Der Expertenbrief steht unter www.sggg.ch
                                               menberufs auf universitärem Niveau                 zum Herunterladen zur Verfügung.
                                               Eva Cignacco lehrt und forscht seit 2007
                                               am Institut für Pflegewissenschaft der
                                               Universität Basel und hat durch ihre
    Am 14. März 2013 erhielt Eva Cignacco      Forschungsarbeiten im Bereich des neo-             SwissPedNet:
    von der Medizinischen Fakultät nach er-    natalen Schmerzes nationale und inter-
    folgreichem Habilitationsverfahren die     nationale Anerkennung erlangt.                     Forschungszusammen-
    «Venia Docendi» der Universität Basel.
    Sie ist die erste Pflegewissenschafterin                                                      arbeit im Dienste
                                                                                                  der Kinder
    Medizinische unter-                        Gesundheitsstatistik                               Es ist ein international anerkanntes Pro-
                                                                                                  blem, dass Kinder mit Medikamenten
    stütze Fortpflanzung:                      2012                                               versorgt werden, die grösstenteils nur an
                                                                                                  Erwachsenen getestet worden sind. Die
    Zahlen 2011                                                                                   Forschung in der Pädiatrie ist gegenüber
                                                                                                  der Forschung in der Erwachsenenmedi-
    2011 liessen sich in der Schweiz 6350                                                         zin aus mehreren Gründen im Nachteil;
    Paare zur Erfüllung ihres Kinderwun-                                                          angefangen mit der jeweils sehr kleinen
    sches mit In-vitro-Fertilisation behan-                                                       Anzahl Patienten bis zu besonderen ethi-
    deln. Rund 10 800 Behandlungszyklen                                                           schen und psychologischen Bedenken,
    wurden begonnen. Daraus entstanden                                                            die die Planung und Durchführung von
    2350 Schwangerschaften, die zu 1715                                                           Studien mit Kindern erschweren. Zur
    Geburten mit 2006 lebend geborenen                                                            Verbesserung dieser Situation wurde
    Kindern führten.                                                                              das SwissPedNet gegründet.
    Die Zahl der behandelten Frauen nahm                                                          Mehr Informationen unter:
    gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozent ab,                                                        www.scto.ch/de/Aktuell.html
    die Zahl der erstmals behandelten sogar
    um 9 Prozent. Die Anzahl der lebend-
    geborenen Kinder sank um weniger als
    1 Prozent, weil die Erfolgsrate der Be-    Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröf-           HIV-Infektion bleibt
    handlungen leicht höher war. Der Rück-     fentlicht zum ersten Mal einen Bericht,
    gang von Behandlungen ist sowohl bei       der einen Überblick über alle verfüg-              Körperverletzung
    Paaren mit Wohnsitz in der Schweiz als     baren statistischen Daten zum Thema
    auch bei Wohnsitz im Ausland feststell-    Gesundheit in der Schweiz liefert. Der             Die Infektion mit HIV gilt nicht mehr
    bar. Damit stagniert die Zahl der medi-    Bericht geht auf alle Aspekte der Ge-              als lebensgefährliche Körperverletzung.
    zinisch-unterstützten Fortpflanzung zum    sundheitsstatistik ein: auf die Rahmen-            Das Bundesgericht hat seine bisherige
    ersten Mal seit Jahren.                    bedingungen und die Gesundheitsdeter-              strenge Rechtssprechung mit Blick auf
    Quelle: BFS, Neuchâtel                     minanten, den Gesundheitszustand der               den medizinischen Fortschritt gelockert.
                                               Bevölkerung und die Inanspruchnahme                Künftig kann die Übertragung des HI-
                                               von Pflegeleistungen, das Gesundheits-             Virus je nach den Umständen als (nicht
                                               system und dessen Finanzierung.                    lebensgefährliche) schwere oder auch
                                               Gesundheitsstatistik 2012, BFS, Neuchâtel, 2012,   nur als einfache Körperverletzung ge-
                                               Nr. 1290-1200.                                     ahndet werden.
                                               Der Bericht ist zu finden unter:
                                               www.portal-stat.admin.ch/ges/index.html

2   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Die bisherige Rechtssprechung ging da-                                                                    der Organspenden deutlich und nach-
von aus, dass die HIV-Infektion mit hoher                Depressionen kosten                              haltig erhöhen konnten, indem sie ver-
Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der                                                                       schiedene Massnahmen gebündelt und
Immunschwächekrankheit Aids und an-                      die Schweiz über                                 gezielt umgesetzt haben. Unabhängig
schliessend mit hoher Wahrscheinlich-                                                                     davon möchte der Bundesrat im Trans-
keit zum Tod des Opfers führt. Diese An-                 10 Milliarden Franken                            plantationsgesetz mehr Klarheit und Si-
nahme ist laut einem neuen, einstimmig                                                                    cherheit für Betroffene, Angehörige und
ergangenen Urteil der Strafrechtlichen                   Obwohl jeder Fünfte in der Schweiz im            medizinische Fachpersonen schaffen.
Abteilung angesichts der wissenschaftli-                 Verlauf des Lebens an einer Depression           Er überweist eine entsprechende Bot-
chen Erkenntnisse und der medizini-                      erkrankt, sind die Kosten dieser Krank-          schaft ans Parlament. Mit dieser Geset-
schen Behandlungsmöglichkeiten heute                     heit kaum erfasst. Eine Studie des Ins-          zesrevision wird die Motion von Liliane
nicht mehr haltbar. Vielmehr könnten                     tituts für Sozial- und Präventivmedizin          Maury Pasquier (SP/GE) (08.3519) umge-
mit HIV infizierte Personen bei früher                   der Universität Zürich schliesst nun             setzt.
Diagnose und guter Behandlung fast                       diese Lücke: Von den rund zehn Milliar-          Quelle: BAG Mediendienst
so lange leben wie nicht Infizierte, wes-                den Gesamtkosten entfallen 46 Prozent
halb nicht länger von einer lebensge-                    auf direkte Kosten, wie Behandlungs-
fährlichen Körperverletzung gesprochen                   kosten, und 54 Prozent auf indirekte
werden könne.                                            Kosten, wie Arbeitsausfälle. Mit den             Deutlich höhere
Indes bleibt die HIV-Infektion «nach                     neuen Zahlen liefern die Forschenden
wie vor eine nachteilige pathologische                   auch eine nützliche Basis für künftige           Kosten für Spitex und
Veränderung mit Krankheitswert», und                     Präventionsprogramme. Depressionen
der Betroffene hat sogar bleibende Or-                   belasten das Budget der Schweizer                Arztbehandlungen
ganschädigungen als Nebenwirkungen                       Volkswirtschaft mit über CHF 10 Milliar-
der Behandlung zu gewärtigen. Diesen                     den pro Jahr. Unterschiede zeigen sich           Die Kosten in der Grundversicherung
konkreten Elementen des Einzelfalls                      dabei je nach Schweregrad der Krank-             sind im Jahr 2012 um 3,2 Prozent gestie-
können die kantonalen Strafrichter nach                  heit. Einerseits gilt: Je schwerer die           gen. Gegenüber 2011 haben sie vor al-
der Lockerung der Rechtssprechung des                    Krankheit, desto höher sind die Kosten.          lem im Bereich Spitex, Labor und bei den
Bundesgerichts nun differenzierter Rech-                 Halten sich jedoch bei schwerer Erkran-          ärztlichen Behandlungen zugenommen.
nung tragen.                                             kung die direkten und indirekten Kosten          Ebenfalls gestiegen sind die Prämienein-
Quelle: NZZ online, Mi, 3. 4. 2012. Urteil 6B_337/2012   die Waage, verlagert sich dieses Gleich-         nahmen der Krankenversicherer. Deren
vom 19. 3. 13 – BGE-Publikation                          gewicht in Richtung indirekte Kosten bei         ausgewiesene Reserven haben sich auf-
                                                         mittelschweren und milden Depressio-             grund von Änderungen in den Rech-
                                                         nen. Dies sind denn auch die drei Schwe-         nungslegungsvorschriften vergrössert.
                                                         regrade, die unterschieden werden: Pro           Quelle: BAG Mediendienst
All Families Matter:                                     Patient und Jahr schlägt eine schwere
                                                         Depression mit rund CHF 40 000.– zu Bu-
Denkanstösse für eine                                    che, eine mittelschwere mit CHF 28 000.–
                                                         und eine milde mit CHF 15 000.–. Von ei-         Dialäkt Äpp:
integrative Bildungs-                                    ner schweren Depression betroffen sind
                                                         rund drei Prozent der Bevölkerung.               Gib öis dini Schtimm
und Familienpolitik                                      Mehr Informationen unter:
                                                         www.mediadesk.uzh.ch/articles/2013/              Unser Dialekt verrät unsere Herkunft.
Welchen Beitrag können Schulen und                       depressionen-kosten-ueber-zehn-milliarden.html   Doch woher kommt ein Sprecher, der
Politik leisten, damit die vielfältigen                                                                   vom Huusini, Bitzgi oder Göitschi redet,
Familien- und Lebensformen in der Ge-                                                                     wenn er das Apfelgehäuse meint? Dia-
sellschaft und auch im Gesetz adäquat                                                                     lektforscher der Universitäten Zürich
berücksichtigt werden? Dieser Frage                      Bundesrat lanciert                               und Bern haben eine App entwickelt,
widmet sich eine öffentliche Fachta-                                                                      welche die Herkunft von schweizer-
gung am 7. Juni 2013 in Zürich. Sie findet               Aktionsplan «Mehr                                deutschen Dialekten bestimmt. Mit der
im Rahmen des Zurich Pride Festivals                                                                      App kann man auch die eigene Ausspra-
2013 statt und steht ebenfalls unter                     Organe für Transplan-                            che aufnehmen, sie mit aktuellen sowie
dem Motto «All Families Matter».                                                                          früheren Aufnahmen anderer User ver-
Ziele der Fachtagung: Die Teilnehmen-                    tationen»                                        gleichen und somit Daten für die Dialekt-
den werden eingeladen, sich für eine in-                                                                  forschung sammeln. Die «Dialäkt Äpp»
tegrative Bildungs- und Familienpolitik                  In der Schweiz sterben heute immer               gratis im Apple App Store zum Down-
zu engagieren, indem sie sich in ihrem                   wieder Menschen, weil für sie kein Spen-         load bereit.
persönlichen Umfeld und im Kontakt mit                   derorgan zur Verfügung steht. Der Bun-           Mehr Informationen unter: www.mediadesk.uzh.ch
Fachstellen, Behörden, schulischen Insti-                desrat lanciert deshalb den Aktionsplan
tutionen und politischen Instanzen für                   «Mehr Organe für Transplantationen».
einen integrativen Ansatz einsetzen.                     Er orientiert sich dabei an Ländern wie
Mehr Informationen und das Programm der Tagung           Spanien und Österreich, welche die Zahl
sind zu finden unter:
www.fachtagung.allfamiliesmatter.ch

                                                                                                                     5 2013 Hebamme.ch • Sage-femme.ch     3
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Dossier

    Frauen in Entscheidungsprozesse
    einbeziehen – Nutzerinnen-
    partizipation in Grossbritannien
    und in der Schweiz
    Dieser Artikel vermittelt einen kurzen Überblick über die Beteiligung von Frauen bei den Entschei-
    dungen über die Gestaltung der geburtshilflichen Betreuung in Grossbritannien und der Schweiz.
    Beide Länder kennen sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme. Während in Grossbritannien
    der staatlich geführte National Health Service (NHS) für die Gesundheitsversorgung verantwortlich
    ist, übernimmt in der Schweiz ein privat organisiertes Gesundheitssystem diese Aufgabe. Kulturell
    stehen beide Länder Themen wie zum Beispiel selbstbestimmte Wahl und Partizipation bei Ent-
    scheidungen sehr unterschiedlich gegenüber.

    Sue Brailey, London (GB)

                    Die aktuelle Situation in Grossbritannien                   Nutzerinnen vertreten. In diesen multidisziplinären Foren
                    Der National Health Service (NHS) ist verantwortlich für    werden die Dienstleistungen in der Geburtsstation disku-
                    die Gesundheitsversorgung in Grossbritannien. Finanziert    tiert und organisiert.
                    durch Steuern sind die Dienstleistungen für die Einwohner   Laiengruppen haben auch im National Childbirth Trust
                    des Landes kostenlos. Das Konzept der Nutzerinnenpar-       (NCT) und im internetbasierten Mumsnet einen starken
                    tizipation wird von der britischen Regierung unterstützt,   Einfluss. Der NCT ist in vielen MSLC vertreten und unter-
                    wie der Bericht «Real Involvement» (DOH 2008) des Ge-       stützte viele Veränderungen im NHS, vor allem zur Nor-
                    sundheitsministeriums zeigt. Der Bericht verlangt, dass     malisierung der Geburt und für eine frauenzentrierte
                    «alle Gesundheitsdienste transparent, lokal geführt und     Betreuung. Mumsnet ist neueren Datums und machte
                    zum Vorteil der Patienten» sein sollen. Im Jahr 2009        vor allem bei den letzten Wahlen auf sich aufmerksam.
                    wurde dieser Anspruch in der NHS Constitution (DOH          Diese Wahlen wurden oft auch Mumsnet-Wahlen ge-
                    2009) weiter ausgeführt: Patientinnen und Patienten         nannt, weil Politiker wie David Cameron und Gordon
                    sollen das Recht haben, in die Entscheidungen der NHS-      Brown an Diskussionsforen teilnahmen und direkt um
                    Dienste einbezogen zu werden.                               die Stimmen der Mumsnet-Nutzer/-innen kämpften.
                    In der Planung der Geburtshilfe ist der Einbezug der        Der Nursing and Midwifery Council (NMC) fungiert als
                    Nutzerinnen in Grossbritannien gut verankert. Alle vier     Aufsichtsorgan für die Hebammenausbildung. Auch der
                    Länder Grossbritanniens haben Richtlinien eingeführt,       NMC verlangt von den Universitäten, dass die Nutzerin-
                    um die Geburtshilfe mehr an die Bedürfnisse der Mütter      nensicht in die Hebammenausbildung integriert wird,
                    anzupassen und ihnen die Möglichkeit zur informierten       damit die Ansprüche der Frauen und Babies besser be-
                    Entscheidung über ihre Geburtshilfe zu geben. Für den       rücksichtigt sind. Oft sind heute schon die Frauen in den
                    Einbezug der Nutzerinnen in die Geburtshilfe haben die      Curriculum-Planungssitzungen vertreten.
                    Maternity Services Liaison Committees (MSLC) einen
                    Grundstein gelegt. Im Jahr 1984 wurden diese multi-
                    disziplinären Gruppen gegründet und den lokalen Spitä-
                    lern und Geburtshilfeeinrichtungen angegliedert. Die        Sue Brailey Middlesex University London
                    MSLC setzen sich aus Hebammen, Ärzten, Spitalmana-          www.mdx.ac.uk | S.Brailey@mdx.ac.uk
                    gern und Frauen zusammen und treffen sich viermal           Sue Brailey ist britische Hebamme. Sie lebte
                    jährlich. Mindestens 40 Prozent der Gruppenmitglieder       11 Jahre in der Schweiz, war Dozentin an der Berner
                    müssen Nutzerinnen sein. Die MSLC geben mindestens          Fachhochschule (BFH), arbeitete als unabhängige
                    einmal pro Jahr Empfehlungen an die Spitalleitungen         Hebamme in einem Geburtshaus und betreute Frauen,
                                                                                die eine Hausgeburt wünschten. Seit der Rückkehr
                    heraus. Damit bieten sie den Frauen die Möglichkeit, die
                                                                                in ihre Heimatstadt London ist sie Dozentin an der
                    Dienstleistungen der Geburtshilfeinstitutionen mitzu-
                                                                                Middlesex University London und arbeitet zusätzlich
                    gestalten und verschaffen ihren Interessen Gehör. Aber      als Hebamme.
                    auch in den spitalinternen Geburtsstationsforen sind

4   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Editorial

Derzeit erarbeitet das Royal College of Midwives zusam-
men mit dem Gesundheitsministerium einen Fragebo-
gen, der an alle neuen Mütter abgegeben werden soll
und diese auffordert, die Qualität der geburtshilflichen
Betreuung zu bewerten. Dadurch soll die Qualität ver-
bessert und eine informierte Wahl gefördert werden.
                                                            Ursula Lüscher
Und die Situation in der Schweiz?                           Hebamme, Beirätin Hebamme.ch
Während also in Grossbritannien der Einbezug der Nut-       Münchenstein
zerinnen schon etabliert und in der Gesetzgebung vorge-
sehen ist, steckt diese Entwicklung in der Schweiz noch
in den Kinderschuhen, wie Lisa Fankhauser von der BFH
und Claudia König von der ZHAW aufzeigen. Obwohl auf        Liebe Leserin, lieber Leser
verschiedenen Ebenen, in parlamentarischen und erzie-
hungspolitischen Institutionen, darüber diskutiert wird,    Eigentlich glauben wir Hebammen, Expertinnen für die
wurden bisher nur wenige konkrete Schritte eingeleitet.     Mutterschaft, die Bedürfnisse werdender Mütter und
Interessengruppen wie das «Forum Geburt» sind zur Zeit      junger Familien bestens erfassen zu können. Wir arbeiten
die wichtigsten Kanäle über die mit den Nutzerinnen
                                                            seit langem, gemäss Berufsdefinition, partnerschaftlich
Kontakt aufgenommen werden kann. Der Schwerpunkt
                                                            mit den von uns betreuten Frauen zusammen, beraten und
dieser Gruppen liegt auf den Informationen für Frauen
und ihrer Partner über die Geburt, um informierte Ent-      betreuen sie individuell und ganzheitlich.
scheidungen zu unterstützen. Allerdings sind die Mitglie-   In meinem Berufsalltag habe ich mich jedoch oft schon
derzahlen dieser Institutionen in der Schweiz gering.
                                                            gewundert, wie rasch aus einer gesunden, selbstbewussten
Tatsache ist, dass die grosse Mehrheit der Schweizer
                                                            Frau mit Wunsch nach einer natürlichen Schwangerschaft
Frauen im Laufe ihres Lebens mit der Geburtshilfe in Kon-
takt kommt. Das Geburtserlebnis beeinflusst die Lebens-     und Geburt, eine unsichere und risikobehaftete Schwangere
qualität langfristig. Eine negative Geburtserfahrung kann   werden kann, die mehr oder weniger kritiklos durch den
weitreichende Konsequenzen haben. Einer der wichtigs-       Geburtshilfe-Markt schlingert. Das wirft bei mir Fragen
ten und von der Forschung gut belegten Faktoren, der        auf: Wissen werdende Eltern, was sie wollen? Verfügen Sie
das Geburtserlebnis der Frauen positiv beeinflusst, ist     über ausreichend Informationen, um sich evidenzbasiert
das Gefühl selbstbestimmt und handlungsfähig zu sein        entscheiden zu können? Ja, wollen Eltern überhaupt wirk-
(Hodnett et al. 2006). Diese Empfindung kann durch den      lich mitgestalten, mitbestimmen und damit Verantwortung
Nutzerinneneinbezug verstärkt werden. Dafür sind fol-
                                                            übernehmen oder sieht sich die werdende Mutter mögli-
gende Schritte notwendig: Zuallererst muss man sich in
                                                            cherweise lieber als Konsumentin einer ganzen Palette von
der Schweiz die Frage stellen, wie viel Nutzerinnenbezug
man will. Daraufhin müssen Frauen dafür sensibilisiert      geburtshilflichen Angeboten?
werden, dass sie bei den geburtshilflichen Dienstleistun-   In Grossbritannien ist das Konzept der Nutzerinnenparti-
gen mitreden können.                                        zipation in der Geburtshilfeplanung verankert. Es bestehen
Die Vertreter der medizinischen Berufe, die Krankenkas-
                                                            Richtlinien, um die Geburtshilfe mehr an die Bedürfnisse
sen und die Gesundheitsmanager sollten sich im be-
wusst sein, dass die Art der geburtshilflichen Betreuung    der Mütter anzupassen und ihnen damit die Möglichkeit zur
langfristige Auswirkungen auf die psychische Gesund-        informierten Entscheidung zu bieten. In der Schweiz stecken
heit der Frau hat und dabei bedenken, welche Vorteile       diese Entwicklungen noch in den Kinderschuhen, aber es
der Einbezug der Frauen in Entscheidungsprozess haben       sind erste Schritte getan. So waren Eltern beim Basler
kann.                                                       Projekt «FamilyStart» beispielsweise bereits in der Phase
                                                            der Bedürfnisanalyse involviert.
                                                            Der Einbezug von Frauen in Entscheidungsprozesse ist
  Forum Geburt                                              eine grosse Chance für Mütter, die ihre Bedürfnisse wahr-
  Forum Geburt bietet alternative                           nehmen und vertreten wollen, sowie für Fachpersonen,
  Informationen zu Schwangerschaft,                         die sich nicht scheuen agogische Zusatzaufgaben zu über-
  Geburt und Elternschaft. Forum Geburt                     nehmen.
  steht ein für eine natürliche, die Bedürf-
  nisse von Frau, Kind und Familie berück-
  sichtigende Geburt. Forum Geburt stärkt
  das Selbstvertrauen der Frauen und ihre
  Entscheidungsfähigkeit zu Themen rund
  um die Geburt.
  www.forum-geburt.ch                                       Herzlich, Ursula Lüscher

                                                                                           5 2013 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   5
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Dossier

                Fragen an die Praxis, die Lehre und die Forschung
                Praxis                                                      Welche Netzwerke von oder für Eltern bestehen bereits
                                                                            oder werden aufgebaut?
                Sue Brailey, Middlesex University London (GB)               In der Schweiz bestehen nur sehr limitierte Netzwerke
                                                                            von Supportgruppen für Eltern und Frauen. Das «Forum
                Inwieweit sind die Eltern in der Schweiz in die Betreuung   Geburt» sieht seine Aufgabe darin, die erwartenden Eltern
                durch die Hebamme einbezogen?                               zu informieren, und «La Leche Liga» übernimmt eine wich-
                Meiner Meinung nach liegt das Hauptproblem in der           tige Rolle bei der Unterstützung von stillenden Mütter.
                Schweiz darin, dass die meisten Frauen für die Vorge-       Die internetbasierte Plattform Swissmom ist die am brei-
                burtsbetreuung zu einem/einer Frauenarzt/-ärztin gehen.     testen genutzte Informationsquelle für werdende Mütter
                Auf diese Weise kommen sie vor der Geburt nicht mit         in der Schweiz. Sie ist allerdings sehr medizinlastig und
                Hebammen in Kontakt, die dafür sorgen sollte, dass die      tendiert dazu, den Status Quo zu unterstützen. Schweizer
                Interessen der Frau umgesetzt werden. Sie begegnen          Frauen brauchen besseren Zugang zu unverfälschter In-
                Hebammen meist erst im Spitalumfeld, das wenig Be-          formation, damit sie in der Lage sind, informierte Ent-
                treuungskontinuität zulässt. Diejenigen Frauen, die eine    scheidungen zu ihrer Betreuung zu treffen.
                unabhängige Hebamme für ihre pränatale Betreuung
                aussuchen, können von der Betreuungskontinuität und
                all ihren Folgenutzen profitieren.
                                                                            Lehre
                Welche rechtlichen Aspekte müssen dabei bedacht
                werden?                                                     Lisa Fankhauser, Dozentin Bachelorstudiengang Hebamme,
                Die hebammengeleitete pränatale Geburtspflege Ge-           Berner Fachhochschule (BFH), Bern, lisa.fankhauser@bfh.ch
                burtsbetreuung leidet darunter, dass die Grundversiche-
                rung der Krankenkasse nur gerade sechs vorgeburtliche
                Besuche deckt. Dies reicht für die gesamte Schwanger-
                schaftsperiode in vielen Fällen nicht aus, um die Frauen
                für die normale Geburt zu stärken. Frauenärzte/-ärztin-
                nen können sieben Konsultationen verrechnen. Darüber
                hinaus haben sie die Möglichkeit, Frauen als Hochrisiko-
                schwangere zu beurteilen – auch dann, wenn dies nicht
                zutrifft – und können in diesen Fällen eine unbegrenzte
                Anzahl Konsultationen durchführen. Folgen hiervon sind
                eine sich aufwärts drehende Kostenspirale und die Patho-
                logisierung der normalen Schwangerschaft, was wiede-
                rum das Selbstvertrauen der Frauen mindert.
                                                                            Was bedeutet «Einbindung von Frauen und Eltern»
                Welche Schwierigkeiten für die Hebamme sind                 in die Lehre?
                damit verbunden?                                            Menschen haben das Recht, die Leistungen, die für sie
                Die vorgeburtliche Betreuung durch Hebammen ist sehr        im Gesundheitswesen erbracht werden, beeinflussen zu
                schlecht bezahlt. Systembedingt haben viele Hebammen        können. Der Einbezug von Betroffenen oder Laien ist eine
                sehr wenig Erfahrung mit der Schwangerenvorsorge und        Forderung, die bereits in der Deklaration der Internationa-
                trauen sie sich deshalb nicht zu, die Verantwortung für     len Konferenz zur Primären Gesundheitsversorgung 1978
                die Betreuung während der Schwangerschaft zu über-          in Alma Ata (Kasachstan) aufgenommen wurde. Vorwie-
                nehmen.                                                     gend in Grossbritannien ist dieses Recht umgesetzt wor-
                                                                            den. Beispielsweise sind Betroffene in die Entwicklung
                Welche Bedürfnisse haben Eltern?                            der Leitlinien und auch in die Curriculumsentwicklung
                Eltern in Erwartung profitieren von den Vorteilen und       einbezogen worden.
                geniessen kontinuierliche Betreuung über das ganze          Das Ausmass des Einbezugs kann grundsätzlich in unter-
                Kindsgeburtskontinuum hinweg. Vor dem Hintergrund           schiedlichem Ausmass geschehen. Eine stärkere Einbin-
                der zunehmenden Medikalisierung der Geburt wollen sie       dung erfolgt bei einem partizipativen Vorgehen, in dem
                eine Betreuung erhalten, die auf Normalität ausgerichtet    eine gemeinsame Entscheidung getroffen wird. Zudem
                ist und nicht auf Probleme. Die frauenärztliche Betreu-     kann der Einbezug von Betroffenen auf allen Organisa-
                ung konzentriert sich stark auf Screenings. Empower-        tionsebenen und während unterschiedlicher Prozesse
                ment oder die Förderung der informierten Selbstbestim-      (Curriculumsentwicklung, Durchführung, Evaluation) be-
                mung der erwartenden Eltern steht nicht im Zentrum.         rücksichtigt werden (Towle et al., 2010; Downe et al.,
                                                                            2007; Tritter & Mc Callum, 2006).

6   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
Welche gesundheitspolitischen Vorgaben zur Stärkung           eine kleine Anerkennung. Das Engagement der Frauen
der Einbindung von Frauen und Familien in der Ausbildung      ist sehr gross und sie sind sehr daran interessiert, dass
von Hebammen gibt es in der Schweiz?                          die Studierenden von ihren Erfahrungen lernen.
In den Vorgaben zur Akkreditierung der Gesundheits-
berufe FH vom damaligen Bundesamt für Berufsbildung           Wie könnte der Einbezug von Frauen und ihren Familien
(BBT) sind zum Einbezug von Betroffenen keine Kriterien       in die Lehre und Forschung verbessert werden?
formuliert (BBT, 2008; BBT, 2011). Allerdings ist in den      Anfangs dieses Jahres wurde zur Unterstützung der Qua-
nationalen Abschlusskompetenzen für Hebammen vor-             litätsentwicklung und Weiterentwicklung des Bachelor-
gegeben, dass die Autonomie und das Selbstbestim-             studienganges, der Forschung sowie des Aufbaus des
mungsrecht der Frau ins Zentrum gestellt werden soll          Masterstudienganges ein beratendes Organ gegründet.
(Rektorenkonferenz der Fachhochschulen, 2009). Das            Die Hauptaufgabe dieses Gremiums ist die Unterstüt-
heisst, die Hebammen sollen befähigt werden, die Inte-        zung der Disziplin «Geburtshilfe» bei der Erreichung ihrer
ressen der Betroffenen in ihre Arbeit einzubeziehen.          Ziele. Nebst Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und
Zudem hat der Internationale Hebammenverband (ICM,            Forschung ist auch eine dreifache Mutter, die sich in einer
2010, 2011) Standards für die Hebammenausbildung und          Kindertagesstätte engagiert, im Beirat vertreten.
die Regulierung der Berufsausübung formuliert, die den        Sollen aber Frauen und ihre Familien vermehrt direkt in
Einbezug und die Vertretung von Frauen und Familien in        die Curriculumsentwicklung, Lehre und Forschung einbe-
allen Ausbildungsbelangen vorsehen.                           zogen werden, müssen finanzielle und personelle Mittel
Die neueste Entwicklung in der Schweiz deutet auf ein         aufgebracht werden, um die Menschen zu schulen, sie zu
Umdenken der politischen Organe hin. Im aktuellen Be-         befragen und Anpassungen vorzunehmen.
richt zu den gesundheitspolitischen Prioritäten des Bun-      Aber es gibt auch Varianten, die unter den gegebenen
desrates in «Gesundheit 2020» (Eidgenössisches Departe-       Bedingungen ohne grossen Aufwand umgesetzt werden
ment des Innern [EDI], 2013) wird festgehalten, dass die      können. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, die
Mitbestimmung von Versicherten und Patienten/-innen           Beteiligung von betroffenen Frauen in den Fachforen
gestärkt werden soll.                                         systematisch auszubauen.
                                                              Für den Aufbau des Masterstudiengangs besteht zudem
Wie werden Frauen und Eltern im Bachelorstudium               die grosse Chance, dass bereits in der Curriculumsentwick-
Hebamme in die Lehre einbezogen?                              lung Betroffene unter Berücksichtigung der gesundheits-
Das Anliegen nach einer Beteiligung von Frauen und            politischen Prioritäten einbezogen werden.
Eltern wurde im Hebammenkollegium schon früh disku-
tiert. Allerdings fehlten Mittel und Zeit für eine Konzept-
entwicklung und Umsetzung. Auch im Fachbereich Ge-
sundheit der BFH wurde im Jahre 2010 über das Thema           Forschung
«Betroffenenbeteiligung in der Ausbildung in Gesund-
heitsberufen: Kontext, Konzepte, Chancen, Erfahrungen»        Claudia König, Leiterin Forschung & Entwicklung Hebammen,
diskutiert und dafür sensibilisiert.                          Institut für Hebammen, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissen-
Im Studiengang Hebamme werden Frauen und Familien             schaften (ZHAW), Winterthur, claudia.koenig@zhaw.ch
mehrheitlich indirekt und in kleinem Umfang auch direkt
einbezogen. Indirekt werden die Studierenden über ver-
schiedene Methoden dazu angeregt, sich mit den Bedürf-
nissen der Frauen und Familien auseinanderzusetzen.
Durch das im Studienprogramm verankerte problemba-
sierte Lernen mit Fällen, werden die Studierenden moti-
viert, die Perspektive der Klientinnen und Klienten einzu-
beziehen. Zudem erhalten die Studierenden während der
Kommunikationstrainings Feedback von standardisier-
ten Klientinnen oder Klienten über deren Empfindungen
während des Trainings und die Qualität ihrer Leistung.
Daneben analysieren sie quantitative und qualitative
Studien, in denen Anliegen und Bedürfnisse von Frauen
direkt erfragt wurden. Auch werden im Unterricht Be-          Wie werden Eltern in der Schweiz in die (Hebammen-)
handlungsleitlinien verwendet, auf die Betroffene direkt      Forschung einbezogen?
Einfluss nehmen konnten, wie die des britischen National      Der Einbezug von Müttern und ihren Familien ist bei uns
Institute for Clinical Excellence (NICE).                     in der Forschung von grosser Wichtigkeit. Bei allen unse-
Direkt einbezogen im Unterricht sind Frauen bisher nur        ren vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Pro-
in einzelnen Sequenzen. In einigen Fachforen gestalten        jekten sind die Bedürfnisse und Erfahrungen der Eltern
betroffene Frauen den Unterricht mit. «Storytelling»,         sogar von zentraler Bedeutung. Entsprechen werden mit
also Frauen ihre Geschichte erzählen zu lassen, wird als      von der jeweiligen Thematik betroffenen Eltern Inter-
sinnvolles didaktisches Instrument betrachtet, um den         views geführt. Beim einen Projekt geht es um das Erleben
Studierenden Einsichten in die Erfahrungen von Betrof-        einer medizinisch kritischen Situation in der ausserklini-
fenen zu ermöglichen (Haigh & Hardy, 2011). Die Frauen        schen Geburtshilfe. Das andere Projekt beschäftigt sich
werden finanziell nicht abgegolten, sondern erhalten          mit dem Umgang mit der Diagnose, wenn ein ungebore-

                                                                                                             5 2013 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   7
Eltern und Hebammen Parents et sages-femmes - Hebamme.ch Sage-femme.ch Levatrice.ch Spendrera.ch
nes Kind nicht überlebensfähig ist. Beim Projekt Family-                       In welchen Bereichen braucht es dringend die Einbindung
                Start wurden Eltern in die Bedürfnisanalyse, in die Vali-                      der Eltern / wäre sie sehr hilfreich?
                dierung der Ergebnisse und auch bei der Lancierung des                         Wie bereits erwähnt, erachte ich es als sehr wichtig,
                neuen Betreuungsangebotes involviert.                                          Eltern auch in der Definierung einer Forschungsagenda
                                                                                               miteinzubeziehen. Letztlich soll es ja Ziel der Hebammen-
                Wie könnten sie in Zukunft verstärkt einbezogen werden?                        forschung sein, den Frauen und ihren Familien die für sie
                Was wir zwar geplant, bisher noch nicht realisiert haben                       bestmögliche Beratung und Betreuung anbieten zu kön-
                ist, Eltern in die Themenfindung miteinzubeziehen. Ein                         nen. Wenn Eltern also die primäre Zielgruppe ist, wäre es
                entsprechender Austausch soll aber sowohl in der Ausbil-                       wichtig, dass sie in allen Schritten des Forschungsprozes-
                dung, Weiterbildung als auch in der Forschung stattfin-                        ses miteinbezogen sind, damit ihre Bedürfnisse Eingang
                den. Dies ist wichtig, damit die für die Eltern zentralen                      finden.
                Fragen und Themen in der Forschungsagenda Nieder-
                schlag finden.                                                                 Werden die Haltung / Bedürfnisse der Frauen / Eltern
                                                                                               in der Schweiz untersucht? Wenn ja, wie? Wenn nein,
                Welche Aspekte / Themen müssten dabei berücksichtigt                           was sind die möglichen Gründe?
                werden?                                                                        Nach unserer Erfahrung ist der Stellenwert der Bedürf-
                Es gilt, was in der Forschung allgemein wichtig ist, den                       nisse von Frauen und ihren Familien in der Schweiz eher
                Respekt und die Würde der betroffenen Personen, hier                           gering. Dies zeigt sich etwa in der Politik, wo Anliegen
                also Eltern, zu wahren. Deshalb werden alle Forschungs-                        für Frauen und Familien einen schweren Stand haben.
                projekte von einer Ethikkommission genehmigt, bevor                            Dies zeigte kürzlich etwa die Ablehnung des Bundesbe-
                sie starten. Dies ist in der Hebammenforschung beson-                          schlusses über die Familienpolitik. Es zeigt es sich aber
                ders wichtig, weil sich Forschungsprojekte häufig mit                          auch in der Forschungsförderung. Es hat sich erwiesen,
                sensiblen Themen befassen. Das bedeutet, dass ein Aus-                         dass Projekte, welche sich bsp. mit der subjektiven Wahr-
                tausch mit Personen besteht, welche unter Umständen                            nehmung des Geburtserlebens oder von Entscheidungen
                traumatische Erfahrungen gemacht haben. Oft erleben                            in Zusammenhang mit dem Geburtsprozess beschäfti-
                wir allerdings, dass die involvierten Eltern sehr dankbar                      gen schwierig zu finanzieren sind.
                dafür sind, dass ihre Erfahrungen und Erlebnisse in den
                Forschungsprojekten ernst genommen werden. Häufig                              Die Fragen stellte Wolfgang Wettstein, Redaktor Hebamme.ch
                ist es Wunsch der Eltern, dass es anderen Familien in Zu-
                kunft besser ergeht, als ihnen.                                                Die Literaturangaben von Sue Brailey und Claudia König sind online unter
                                                                                               www.hebamme.ch › aktuell zu finden.

                Wie Phoenix aus der Asche: die Partnerschaft
                zwischen Frauen und Hebammen in Neuseeland
                Prof. Dr. Valerie Fleming, Consultant, Institut für Hebammen, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur

                Eine Änderung im Krankenpflegegesetz beendete 1971                             durften wieder frei praktizieren, Heute kann die Frau
                die autonome Hebammentätigkeit in Neuseeland. Von                              wählen, ob eine Hebamme oder eine ärztliche Fachper-
                da an mussten ärztliche Fachpersonen alle Geburten                             son für ihre Schwangerschaft und die Verwaltung ihrer
                überwachen. Doch die Neuseeländerinnen wehrten sich:                           Versorgungspauschale zuständig sein soll.
                sie gründeten 1978 die «Homebirth Association». Fünf                           Frauen und Hebammen bilden seither eine starke Ge-
                Jahre später schlossen sich Frauen und Hebammen                                meinschaft. Die Hebammen werden alle drei Jahre einer
                zusammen und gründeten die «Save the Midwives As-                              Qualitätskontrolle unterzogen und ihre Betreuung durch
                sociation». Die Gruppierungen engagierten sich fortan                          die Frauen evaluiert. Diese gewachsene Partnerschaft
                gemeinsam mit Medienkampagnen und politischem                                  gibt dem Hebammenwesen auch im 21. Jahrhundert
                Lobbying für eine unabhängige Tätigkeit sowie öffent-                          Schub für die Weiterentwicklung.
                liche Präsenz von Hebammen. In der Folge entstand 1989
                das New Zealand College of Midwives mit Hebammen
                und Frauen als Mitgliedern und innert weniger als zwei
                Jahren war das Gesetzt erneut geändert. Hebammen

8   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
Fokus

Zur Qualität von Informations-
material: Der Einbezug der
Zielgruppe
Am Beispiel der Terminüberschreitung möchten wir die Inhalte eines Merkblattes
für schwangere Frauen diskutieren und fragen, wie sogenannte patientinnen-
relevante Inhalte in Informationsmaterialien gelangen und ob deren Leserinnen
einen vollständigen Überblick über den aktuellen Forschungsstand erhalten.

Christine Loytved, Lübeck; Christiane Schwarz, Hannover; Bettina Berger, Herdecke (D)

Ein Weg durch die Flut von Informationsmaterial                                     solchen Informationsquelle beteiligt werden. Zusätzlich
Informationsmaterialien für Patientinnen sollten be-                                wäre zu ermitteln, ob es Studien zu der Frage gibt, wel-
stimmte formale und inhaltliche Qualitätsstandards er-                              ches Informationsbedürfnis Schwangere zum Thema
füllen. Die Qualitätsstandards beziehen sich gemäss der                             Terminüberschreitung haben. Auf jeden Fall sollte das
International Patient Decision Aids Standards (IPDAS)                               erarbeitete Material einer Gruppe von Frauen, die der
u. a. auf die Verständlichkeit von Wort und Bild, auf die                           Zielgruppe entsprechen, vorgelegt werden, bevor es all-
Aktualität und Vollständigkeit der Studienlage sowie auf                            gemein zirkuliert [1]. Es gibt in Deutschland einzelne
die Berücksichtigung der Präferenzen der NutzerInnen                                Beispiele, wie NutzerInnen in die Erstellung von Informa-
und der kulturellen Perspektive [10, 4]. In Deutschland                             tionen einbezogen werden (z. B. bei den Patienteninfor-
hat sich die ForscherInnengruppe um Ingrid Mühlhauser                               mationen zu den Nationalen Versorgungsleitlinien). Wir
an der Universität Hamburg intensiv mit diesem wichti-                              schauen uns in diesem Artikel das Online-Merkblatt
gen Baustein der evidenzbasierten Medizin auseinander-                              «Wenn die Geburt des Babys auf sich warten lässt» vom
gesetzt und gezeigt, wie Studienergebnisse laienverständ-                           Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund-
lich dargestellt werden können [16, 4]. Es liegen derzeit in                        heitswesen (IQWiG) zur Terminüberschreitung näher an
Deutschland ein Minimalkonsens von Kriterien für evi-                               [12]. Es erfüllt viele der Kriterien, die eine wertvolle Infor-
denzbasierte Patienteninformationen [7] und eine Anlei-                             mation ausmachen. Auch eine Testung durch Nutzerin-
tung zur praktischen Umsetzung [15] vor. Im deutschspra-                            nen wurde durchgeführt, wie die online verfügbaren
chigen Raum werden Zertifikate wie das der Health on                                Informationen «Unsere Methode» unter Punkt 6.2 besa-
the Net Foundation (HON) für eher formale Kriterien ei-                             gen. Zusätzlich können Leserinnen online direkt zum
ner medizinischen Webseite vergeben.
Zur Terminüberschreitung haben Kerstin Furkert et al.
eine systematische Suche nach Informationsmaterialien

                                                                                                       (
und Entscheidungshilfen für Schwangere unternommen                                                          Abstrakt
und sie sowohl nach den Kriterien des IPDAS zur Erstel-                                                     Ein wichtiges Kriterium für die Güte einer
lung von Entscheidungshilfen als auch nach den Kriterien                                                    Information ist nebst den formalen Kriterien
für evidenzbasierte Patienteninformationen [3] unter-                                                       der Einbezug der NutzerInnen einer solchen
sucht. Die Arbeit ist eine Vorarbeit für ein Forschungs-                                                    Information. Am Merkblatt des Instituts für
projekt der Universität Witten Herdecke unter der Lei-                                                      Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund-
tung von Bettina Berger, in dem es um die Erstellung                                                        heitswesen (IQWiG) mit Sitz in Köln zum
einer Entscheidungshilfe für Schwangere und Hebam-                                                          Thema «Terminüberschreitung» wird darge-
men geht (Publikation in Vorbereitung).                                                                     stellt, welche Schritte zur Einbindung der
                                                                                                            späteren Leserinnen unternommen wurden.
Teilnahme bei der Erstellung von Informations-                                                              An zwei möglichen Fragen von Schwangeren
materialien                                                                                                 wird exemplarisch aufgezeigt, wie schwie-
Vertreterinnen der Zielgruppe – hier wären es Schwan-                                                       rig es ist, die inhaltliche Qualität von Infor-
gere, Vertreterinnen eines Frauengesundheitszentrums                                                        mationsmaterial zu beurteilen. Es bleibt die
oder einer Selbsthilfegruppe wie die AG Gestose-Frauen –                                                    Frage bestehen, wie erkannt werden kann,
sollten bereits bei der Planung und Entwicklung einer                                                       ob Studienergebnisse in ihrer erforderlichen
                                                                                                            Breite diskutiert und ihre jeweiligen kultu-
                                                                                                            rellen Kontexte berücksichtigt wurden.

                                                                                                                             5 2013 Hebamme.ch • Sage-femme.ch   9
Fokus

                 Merkblatt Stellung nehmen. Für die Schweiz und für Ös-
                 terreich ist kein Informationsblatt einer vergleichbaren
                 Institution bekannt.

                 Mögliche Fragen
                 Es gibt keine Studie dazu, welche Informationsinhalte
                 sich Schwangere zum Thema Terminüberschreitung ei-
                 gentlich wünschen, daher formulieren wir hier mögliche
                 Fragen aus der Perspektive der Schwangeren.
                 1 Gibt es – neben den möglichen Nachteilen – für
                   Mutter und Kind einen Vorteil, wenn die Geburt eine
                   Woche nach dem Geburtstermin eingeleitet wird?
                 2 Bevorzugen Schwangere bei Überschreitung                    Dr. rer. medic. Christine Loytved
                   des Termins eher eine Einleitung oder eine abwar-           Christine Loytved ist Hebamme, Gesundheitswissen-
                   tende Überwachung?                                          schaftlerin und Medizinhistorikerin in Lübeck,
                                                                               Deutschland. Sie arbeitet derzeit als Dozentin an
                                                                               Hebammenstudiengängen verschiedener Hochschulen
                 Wann einleiten?
                                                                               in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland.
                 Im Merkblatt und in der damit verlinkten speziellen
                 Gesundheitsinformation von 2012 «Überschreitung des           Wilhelm-Stahl-Weg 7, D-23568 Lübeck
                 Geburtstermins: Wann wird eine Geburtseinleitung nö-          loytved@web.de
                                                                               www.maternalhealth.de
                 tig?» [11] wird dargelegt, dass eine Einleitung sieben Tage
                 nach dem Geburtstermin das Kind weniger gefährdet als         Christiane Schwarz MSc
                 ein Abwarten (mit Überwachung). Hier stellt sich die          Christiane Schwarz ist Hebamme und Gesundheits-
                 Frage, ob die gesamte relevante Literatur in diese Schluss-   wissenschaftlerin (MSc) und arbeitet als Dozentin
                 folgerung eingeflossen ist. Es wird zwar das Ergebnis des     an der Hebammenschule Hannover. Sie promoviert
                 Reviews von Gülmezoglu et al. [6] in der überarbeiteten       an der Universität Witten/Herdecke zum Thema
                 Fassung von 2012 zitiert, es folgt aber keine Auseinander-    «Entscheidungshilfe bei Terminüberschreitung».
                 setzung mit der Review von Wennerholm et al. von 2009         Klinikum Region Hannover, ABiZ Hebammenschule
                 [17], der die Studienauswahl von Gülmezoglu et al. in der     Roesebeckstr. 15, D-30449 Hannover
                 Fassung von 2009 kritisiert. Wennerholm et al. verwende-      christiane.schwarz@krh.eu
                 ten dieselben Studien und sortierten aber die Studien aus,
                                                                               Dr. phil. Bettina Berger
                 deren Daten vor 1980 erhobenen wurden, denn die da-           Bettina Berger ist Kultur- und Gesundheitswissen-
                 mals übliche Berechnung des Schwangerschaftsalters            schaftlerin und als Studienkoordinatorin zur Unter-
                 ohne Ultraschall war zu unzuverlässig. Zudem berück-          stützung von Studien am Lehr- und Forschungs-
                 sichtigten sie nur Studien, die die Einleitung versus Ab-     zentrum Herdecke tätig. Sie betreut die Arbeitsgruppe
                 warten nach dem Termin und nicht bereits zum Termin           «Terminüberschreitung» und die dort laufenden
                 prüfen. So kommen Wennerholm und ihr Team zu einem            Promotionen.
                 anderen Schluss: Die Einleitung zeigt keine erkennbaren       Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und
                 Vorteile, weder für die Mutter noch für das Kind. In der      Anthroposophische Medizin der Universität Herdecke
                 überarbeiteten Fassung ihrer Review von 2012 variieren        Gerhardt-Kienle-Weg 4, D-58313 Herdecke
                 Gülmezoglu et al. ihre Auswahl von Studien leicht, bleiben    bettina.berger@uni-wh.de
                 jedoch bei ihrer Empfehlung von 2009. Eine Bewertung
                 dieser neuen Auswahl steht noch aus. Es stellt sich somit
                 die Frage nach der externen Validität, d.h. in diesem Fall    zurück» und «noch länger allein in der Klinik warten». Eine
                 danach, welches der beiden Reviews dem Merkblatt zu           Studie aus Österreich [8] besagt genau das Gegenteil: 74 %
                 Grunde liegen sollte. Beide Arbeiten beanspruchen für         von 593 Schwangeren (7 bis 14 Tagen nach ET) wollten
                 sich den höchsten Evidenzgrad. Auf die Widersprüchlich-       die abwartende Beobachtung. Sie wird im Merkblatt
                 keit der Evidenz müsste auch in einer Patienteninforma-       nicht zitiert. Das Ergebnis einer Studie sollte auf die Ziel-
                 tion hingewiesen werden.                                      gruppe, für die die Information geschrieben ist, übertrag-
                                                                               bar sein [10]. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig es
                 Wollen Schwangere warten?                                     ist, Studien auch im eigenen Land anzuregen, bzw. den
                 Zur zweiten Frage wird im Merkblatt auf die Studie von        kulturellen Kontext einer Studie angemessen zu berück-
                 Heimstad et al. verwiesen [9]. Deren Ergebnis zeigt, dass     sichtigen.
                 74 % von 508 Schwangeren (7 bis 14 Tagen nach ET) die
                 Einleitung dem Abwarten vorziehen. Diese Studie wurde         Was tun in der Informationsflut?
                 in Norwegen durchgeführt, in einem Land, in dem fast          Wir haben mögliche Wege aufgezeigt, wie Schwangere
                 alle Frauen mit Terminüberschreitung zentral in einer Kli-    bei der Erstellung von Informationsmaterial teilnehmen
                 nik auf die Geburt warten müssen. Schwangere entschie-        und die ihnen wichtigen Inhalte einbringen können. In
                 den sich daher eher zwischen «schnell wieder zur Familie      Ländern wie Grossbritannien oder den Niederlanden ist
                                                                               dies bereits gängige Praxis, die ausbaufähig ist [5, 2]. In
                                                                               der Schweiz, Österreich sowie in Deutschland sollte ein
                                                                               klar umrissener Weg gestaltet werden, wie die Nutzerin-

10   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
(
nen der Informationen an der Auswahl und Darstellung               A propos de la qualité du matériel d’infor-
der Inhalte beteiligt werden können. Vorarbeiten von               mation: l’implication d’un groupe-cible
Sänger et al. sind dabei hilfreich [14]. Selbsthilfegruppen,       Un critère essentiel pour apprécier la qualité
wie sie bspw. im European Network of Childbirth Asso-              d’une information, c’est d’estimer, à côté du
ciations organisiert sind, könnten die Ansichten von               critère formel, l’implication des utilisatrices
Schwangeren sammeln und formulieren.                               dans cette information. Dans le dépliant
Am Beispiel eines Merkblattes des IQWiGs haben wir auf             sur le thème du «Dépassement de terme»,
die Aspekte der externen Validität und des kulturellen             qui a été élaboré par l’Institut pour la qualité
Kontextes aufmerksam gemacht. Damit gehen wir mit                  et l’efficacité dans les soins de santé (IQWiG)
der Kritik [13] an den Zertifikaten konform, die eine stär-        dont le siège est à Cologne, sont précisées
kere Ausrichtung an den Interessen von Patientinnen                les étapes qui permettont aux lectrices ulté-
fordert. Nach langer Diskussion hat man sich in Deutsch-           rieures de se sentir impliquées. Pour deux
land dagegen entschieden, ein Gütesiegel für Patienten-            questions que pourraient poser les femmes
informationen zu erstellen, welches neben den formalen             enceintes, les auteures montrent, à titre
Kriterien auch die Qualität der Studien und die Studien-           d’exemple, combien il est difficile d’évaluer
lage sowie der Literaturrecherche beurteilt.                       la qualité du contenu de l’information.
Die Forderung bleibt bestehen, dass eine wertvolle Infor-          Une question reste en suspens, à savoir si
mationsquelle sich nicht nur durch eine gute Darstel-              les résultats des études scientifiques peu-
lungsart auszeichnen, sondern auch folgende drei Fragen            vent être largement discutés dans ce genre
beantworten sollte:                                                de document et pris en considération dans
– Wurden die Bedürfnisse der Zielgruppe berück-                    les contextes culturels respectifs.
  sichtigt?
– Wurden alle wesentlichen Forschungsergebnisse
  berücksichtigt?                                                  Die Literaturangaben sind online unter www.hebamme.ch ›
– Können diese Ergebnisse auf die Situation der Leserin            aktuell zu finden. Bei Nachfragen zum Artikel wenden Sie sich
  übertragen werden?                                               bitte an Christine Loytved.

                   OXYPLASTIN
                                                                                                   ®

                       Damit der Po zart und rosa bleibt
                               OXYPLASTIN®
                                            Wundpaste
                                     schützt vor Windeldermatitis
                                     fördert die Wundheilung
                               Die OXYPLASTIN® Wundpaste ist ein Arzneimittel, bitte lesen Sie die Packungsbeilage.

                                                                      OXYPLASTIN®
                                                                                  Feuchttüchlein
                                                                             mit wohltuendem Kamillenextrakt
                                                                             schonende Reinigung der Haut

                                                                                             Dr. Wild & Co. AG, 4132 Muttenz
                                                                                             www.wild-pharma.com
Neues aus Wissenschaft und Forschung

                 Trauerfälle während der Schwangerschaft und
                 das Risiko der Totgeburt: Eine landesweite Kohortenstudie
                 in Schweden
                 Maternal Bereavement During Pregnancy and the Risk of Stillbirth: A Nationwide Cohort Study
                 in Sweden

                 Krisztina D. László, Tobias Svensson, Jiong Li, Carsten Obel, Mogens Vestergaard, Jørn Olsen, and Sven Cnattingius. Am J Epidemio 2013, 177 3 219–227

                 Zunehmende Evidenz weist darauf hin, dass Stress wäh-                             res Risiko einer Totgeburt hatten als diejenigen, die
                 rend der Schwangerschaft das Geburtsoutcome beein-                                keinem Trauerfall ausgesetzt waren (95% Konfidenzin-
                 flussen kann. In einer landesweiten schwedischen Studie,                          tervall (CI): 1.06, 1.31). Entsprechende Risikoratios waren
                 die knapp 3 Millionen Geburten im Zeitraum von 1973 –                             1.67 (95 % CI: 1.18, 2.36) bei Verlust eines älteren Kindes,
                 2006 berücksichtigte, wurde untersucht, ob Trauerfälle                            2.06 (95 % CI: 1.44, 2.94) beim Verlust eines Geschwisters
                 während der Geburt zu einem erhöhten Totgeburtrisiko                              und 1.07 (95 % CI: 1.44, 2.94) bei Verlust eines Elterntei-
                 in Verbindung stehen.                                                             les. Ob der Tod der/des Verwandten erwartet oder uner-
                 Indem individuelle Einträge verschiedener Bevölke-                                wartet war, hatte ebenso keinen Einfluss auf die Stärke
                 rungsregister miteinander verknüpft wurden, konnten                               des Zusammenhangs zwischen Trauer und Totgeburt
                 Informationen zu demografischen, gesundheits- und                                 ebenso wie der Todeszeitpunkt.
                 schwangerschaftsbezogenen Faktoren und Todesfällen                                Der Tod einer/eines engen Verwandten ist eine der
                 von Verwandten ersten Grades von Schwangeren ge-                                  stärksten Stressquellen und die zukünftige Forschung
                 wonnen werden. In der Kohorte gab es 11 071 Totge-                                sollte sich der Frage annehmen, ob weniger starke, aber
                 burten (3.8 auf 1000 Geburten). Nachdem die Daten                                 häufigere Stressquellen das Risiko einer Totgeburt eben-
                 bezüglich anderen potenziellen Einflussfaktoren berei-                            falls erhöhen.
                 nigt wurden, kann gesagt werden, dass Mütter, die im                                       Übersetzung: Wolfgang Wettstein, Redaktor Hebamme.ch
                 Jahr vor oder während der Schwangerschaft einen Ver-
                 wandten ersten Grades verloren hatten, ein 18 % höhe-

                 Die Mutter weiss es am besten: Entwicklung
                 einer konsumentinnengeleiteten und evidenzfundierten
                 Forschungsagenda für die Mutterschaftsbetreuung
                 Mother knows best: Developing a consumer led, evidence informed, research agenda for
                 maternity care.

                 Cheyne H., et al. (2012) Midwifery http://dx.doi.org/10.1016/j.midw.2012.06.015

                 Die Grundsätze der evidenzbasierten Praxis und des                                Ziel
                 Einbezugs der Konsumentinnen und Konsumenten im                                   Zusammen mit Gruppen von Müttern Forschungsfragen
                 Gesundheitswesen sind inzwischen gut etabliert. Hin-                              entwickeln, die deren Belange und Interessen abdecken;
                 gegen werden die Betroffenen kaum gefragt, welche                                 diese Forschungsfragen breit zugänglich machen, damit
                 Evidenzen wirklich nötig wären. Dies kann zu einer Dis-                           sich frauenfokussierte Mutterschaftsforschung entwi-
                 krepanz zwischen der Forschungstätigkeit und den                                  ckeln kann.
                 wichtigen Themen derer führen, die das Gesundheits-
                 system nutzen. Besonders in der Mutterschaftsbetreu-                              Methode
                 ung kann dieser Gegensatz zum Tragen kommen, wenn                                 Für dieses Projekt wurde ein dreiphasiger Partizipations-
                 die Prioritäten der krankheitsfokussierten Forschungsfi-                          ansatz verwendet. In einem Sample von diversen Ort-
                 nanzierung nicht die Aspekte der Betreuung einbezie-                              schaften in Schottlandnahmen zwölf bestehende Grup-
                 hen, die wichtig sind für die Mehrheit der Frauen. Eine                           pen mit je 8 bis 20 Müttern teil, welche die Dienste der
                 Zusammenarbeit mit den Dienstleistungsnutzerinnen                                 Mutterschaftsbetreuung nutzten. Jede dieser Gruppen
                 und -nutzern, um zukünftige Forschungsfragen zu gene-                             traf sich zweimal. Beim ersten Treffen wurden in Grup-
                 rieren, könnte zu einer mehr frauenzentrierten For-                               pendiskussionen Themen und Fragestellungen bestimmt.
                 schung führen.                                                                    Daraufhin wurde eine schnelle Literaturreview zu den
                                                                                                   Themen durchgeführt und ein Grundlagendokument für

12   Hebamme.ch • Sage-femme.ch 5 2013
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