Von den Besten lernen - Innovative Personalentwicklung bei der Polizei - Praeview
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Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.4 | 2012 Von den Besten lernen Innovative Personalentwicklung bei der Polizei
editorial Unternehmen Polizei weiterentwickeln Manchmal hat der demografische Wandel auch Doch wie die Polizei zukünftig ihre Talente – Telearbeits- und Teilzeitmodelle sowie innova- Art Directors’ Comment sein Gutes. Er macht deutlich, wo Veränderung vor allem Frauen – für Führungsaufgaben ge- tive Jobsharingkonzepte die Vereinbarkeit von nottut, wo Ressourcen bislang fahrlässig ver- winnen will, davon können sich einige Unter- Familie und Beruf zu erhöhen. Zwischen Tradition und Innovation schwendet werden, wo Aufmerksamkeitslücken nehmen „eine Scheibe abschneiden“. Denn es Keine andere Organisation hat einen so hohen am Ende die Organisation gefährden. geht in der Polizei nicht mehr darum, irgend- Insgesamt haben vielfältige Programme, Pilot- Wiedererkennungswert wie die Polizei. Die einer Personengruppe die Güte besonderer För- projekte und mutige Initiativen auf verschie- Fahrzeuge, Uniformen und Gerätschaften sind So hat er in der Polizeiorganisation zu einem derung zukommen zu lassen, sondern durch denen Ebenen dazu beigetragen, das gesamte jedem Bürger vertraut, allein die Farbgebung Paradigmenwechsel geführt: in der Politik der bessere Arbeitsbedingungen lebensphasensen- System der Führungskräfterekrutierung weiter- ruft unmittelbar Emotionen hervor. Auch in- Gleichstellung von Frauen und Männern, Jün- sible Karrieremodelle für Frauen wie für Männer zuentwickeln mit dem Ziel, die Balance in der nerhalb der Polizei stehen diese Motive für geren und Älteren, Menschen mit und ohne Mi- zu erarbeiten, die der gesamtgesellschaftlichen Personalstruktur auch durch innovationsförder- Tradition und Kultur, durchaus stellvertretend grationshintergrund. Das hat die Organisation Verantwortung und der besonderen Vorbild- liche Stellenbesetzungen und Quereinstiege für verschiedene Epochen der Polizeiarbeit. der Polizeiarbeit radikal geändert – trotz der funktion einer staatlichen Dienstleistungsorga- mittelfristig noch stärker zu beeinflussen. Sicher Eine Polizeiausgabe der præview ohne Poli- Schwerkraft tradierter Wertvorstellungen und nisation gerecht werden. ein zeitintensiver, aber zugleich ein erfolgver- zeimotive war damit undenkbar. eingelebter, vor allem von Männern geprägter sprechender Weg hin zu einer modernen Füh- Verhaltensmuster. In vielen Feldern sind diese Dabei werden in Zukunft, das zeigen die Beiträ- rungsorganisation, in der Frauen in Spitzenpo- Die vorliegende Ausgabe der præview be- Muster daher auf dem Rückzug. ge in dieser Schwerpunktausgabe der præview sitionen selbstverständlich werden. schreibt aber nicht den Status quo der Polizei, eindrücklich, alle Register „guter“ und „nach- sondern den Spannungsbogen einer tradi- Diese Schwerpunktausgabe der præview zeigt, haltiger“ Organisations- und Personalentwick- Dortmund, im Dezember 2012 tionsgeprägten Organisation, die sich auf den dass sich die Polizei in vielen Bereichen zum lung gezogen. Dazu zählt zum Beispiel die Ver- Weg machen muss, ihre Aufgaben unter ver- Vorreiter – auch für Unternehmen – gemausert änderung bislang vorherrschender Karriere- und änderten Rahmenbedingungen zu erfüllen, hat: für innovative Strategien und moderne Ins- Laufbahnmodelle hin zu Konzepten, die eine seien dies gesellschaftliche Einstellungen zu trumente der Personalrekrutierung, in Fragen bessere Work-Life-Balance aller (angehenden) Geschlechterrollen oder der demografische des Gender- und Diversity-Managements, in Führungskräfte ermöglichen und die besonders Rüdiger Klatt Wandel. Bezug auf partizipative Führungsmodelle und talentierte und führungsfähige Frauen zukünf- Herausgeber vieles mehr. tig noch stärker anziehen sollen. Wir haben daher versucht, in den vertrauten Polizeimotiven neue Perspektiven zu entde- Gewiss, Beamtenstatus und die Alleinstellungs- Dazu zählt auch, durch mehr Partizipation und cken, neue Details herauszustellen und Ver- merkmale der Dienstleistung (Gefahrenabwehr, ein vorausschauendes Personalmanagement zu trautes durch Unschärfe auszublenden. Wir Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und mehr Planungssicherheit, zu besseren Arbeits- wissen, dass jeder Leser bei jedem Motiv un- Ordnung) haben die Organisationsgeschichte leistungen bei gleichzeitig höherer Arbeits- mittelbar den Bezug zur Polizei herstellt, hof- der Polizei geprägt und eine besondere, solida- zufriedenheit und Gesundheit von Führungs- fen aber gleichzeitig, dass er auch in jedem rische Kultur entstehen lassen, die nicht so ohne kräften beizutragen. Und nicht zuletzt geht es Motiv etwas Neues entdeckt. Weiteres auf Unternehmen übertragbar ist. zukünftig verstärkt darum, durch intelligente Den Großteil der Fotografien haben wir eigens für dieses Heft in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium Dortmund angefertigt. Wir möchten an dieser Stelle ganz herzlich Herrn Polizeihauptkommissar Wolfgang Wittrien, dem Leiter der Polizeiausstellung „eins eins null“, für seine Hilfsbereitschaft und kompe- tente Beratung bei der Motivwahl danken. Zur geschlechtergerechten Sprachverwendung Wir haben uns bei dieser Ausgabe der præview darum bemüht, den Ansprüchen an geschlech- tergerechte Sprache verantwortungsvoll nachzukommen. Unser tief empfundener Dank gilt hierbei Frau Dr. Edelgard Kutzner, einer der renommiertesten Gender- und Diversity-Forscherinnen in Deutschland für eine kollegiale und geduldige Beratung bei der Manuskriptbearbeitung. In einigen wenigen Fällen haben wir jedoch eigene Varianten gewählt, für die Frau Dr. Kutzner keine Schuld trifft. Alle Fehler liegen in der alleinigen Verantwortung des Redakteurs. 2 præview Nr. 4 | 2012 3
inhalt 22 Emotionale Darstellungsregeln für Führungspersonen Von den Besten lernen Haben Geschlechtsstereotype einen Einfluss? Innovative Personalentwicklung bei der Polizei Philipp W. Lichtenthaler, Andrea Fischbach 24 intærview „Ich will die Besten, deshalb muss ich Hürden für Frauen abbauen.“ 02 editorial Interview mit Heike Fischer, Polizeipräsidentin in Osnabrück Unternehmen Polizei weiterentwickeln Rüdiger Klatt 26 Szenario 2020: Gute Arbeit für Führungskräfte Ergebnisse einer Ideenwerkstatt mit (angehenden) 06 Frauen im Aufwind Polizei-Führungskräften aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Chancengerechtigkeit ist selbstverständlicher Bestandteil Rüdiger Klatt zukunftsweisender Bildungs- und Forschungspolitik Christina Hadulla-Kuhlmann Der demografische Wandel in der Polizei 28 Was den Behörden das Leben (besonders) schwer macht 08 Potenzial an die Spitze Kurt-Georg Ciesinger, Karsten Woltering Frauen in Führungsfunktionen des Polizeidienstes Andrea Fischbach, Rüdiger Klatt, Hartmut Neuendorff, Kurt-Georg Ciesinger Das „Demografische Mitarbeitergespräch deMAG“ 30 Ein innovatives Instrument moderner Führungskultur 10 Nutzung und Effekte von Emotionen und Regulationsstrategien Alfred Bernitzke Ergebnisse einer Befragung von Polizeiführungskräften und ihren Mitarbeitenden Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler Generationenwechsel bei Polizistinnen 32 Ergebnisse einer Befragung von Frauen auf dem Karrieresprungbrett 12 Gwendolin von der Osten, Kurt-Georg Ciesinger Surface Acting, Deep Acting, Automatic Acting Emotionsregulation in der Führungsarbeit Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler, Jessica Boltz Personalentwicklung anders gedacht 34 Typologie von Polizeibeamtinnen und -beamten 14 Henrik Cohnen Leben und Laufbahn Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei der Polizei Constanze Jäger 16 Cross Mentoring Aspekte der Frauenförderung in Zeiten des Gender Mainstreaming Gwendolin von der Osten 18 Wie wirken Karriere-Booster auf den Karriereerfolg bei Frauen? Nina Horstmann, Nina Zeuch, Claudia M. Wagner, Andrea Fischbach 20 Systemische Gleichstellungspolitik – ein Kulturwandel Marion Dix 36 Vom Tabu- zum Topthema Psychische Gesundheit bei Führungskräften der Polizei Dagmar Siebecke 38 dælphi Demografie, Vielfalt, Chancengleichheit Zukunft der Personalentwicklung in der niedersächsischen Polizei Carsten Rose 40 Gesellschaft im Wandel – Personalentwicklung im Wandel Die Antwort der PD Hannover auf die Herausforderungen der Zukunft Marion Dix, Detlef Hoffmann 42 Aufstieg für Frauen im Polizeivollzugsdienst – immer noch eine Entscheidung zwischen Kind und Karriere? Problemaufriss und erste Lösungsansätze Elke Gündner-Ede 44 Frauen in Führungspositionen – Alles eine Frage der Zeit? Edelgard Kutzner 46 prævokation Frauen in Spitzenpositionen der Polizei Erfolg – auch eine Sache der Mentalität Eileen Lensch 47 impressum 4 præview Nr. 4 | 2012 5
Frauen im Aufwind Chancengerechtigkeit ist selbstverständlicher Bestandteil zukunftsweisender Bildungs- und Forschungspolitik Christina Hadulla-Kuhlmann Die Bildungspolitik hat für die Chancengerechtigkeit in Deutschland in Pakt auf über hundert Partner angewachsen. polizeilicher Behörden sind sie jedoch weiterhin Die bisherige Erfolgsbilanz kann sich sehen las- stark unterrepräsentiert. Es stellt sich deshalb den letzten Jahren viel erreicht. Mehr Mädchen als Jungen erwerben mit sen: Die Projekte der Pakt-Partner haben knapp die Frage, unter welchen strukturellen und kul- dem Abitur die allgemeine Hochschulreife und beginnen ein Studium, das 170.000 Mädchen erreicht. Über zwei Drittel turellen Rahmenbedingungen – insbesondere dieser Mädchen schlagen eine MINT-Laufbahn im Hinblick auf die Führungskultur – Frauen im sie häufig schneller und erfolgreicher abschließen als ihre Kommilitonen. ein oder streben diese an. Auf der Projektland- Polizeidienst Karriere machen wollen und kön- Frauen sind heute hervorragend ausgebildet. Dies schlägt sich auch auf karte von „Komm, mach MINT“ finden sich heute nen. Frauenkarrieren in der Polizei sollten nicht 1.000 einzelne Projekte und Maßnahmen für nur in den Fernsehserien sondern auch in der dem Arbeitsmarkt nieder. Immer mehr Frauen sind erwerbstätig und tragen Schülerinnen und junge Frauen, um MINT zu Realität selbstverständlich sein. Hierzu leistet zum Teil maßgeblich zum Familieneinkommen bei. entdecken und Unterstützung im Studium zu das Forschungsprojekt einen wichtigen Beitrag. erhalten. Inzwischen ist der Pakt MINT in die Unabhängig von den Ergebnissen des For- Trotz dieser positiven Entwicklung sind Frauen und Länder mit einem Fördervolumen von ins- zweite Phase gegangen; er wird noch bis 2014 schungsvorhabens ist angesichts der Einsatz- in wichtigen gesellschaftlichen Schlüsselposi- gesamt 150 Millionen Euro vereinbart. Mit dem vom BMBF unterstützt. zeiten im Polizeidienst offensichtlich, dass die tionen zu wenig vertreten. In Unternehmen der Programm wurden bislang 260 Wissenschaft- Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diesem Privatwirtschaft war 2010 die erste Führungs- lerinnen auf unbefristete W2- und W3-Profes- Die Chancengerechtigkeitsstrategie des BMBF Arbeitsfeld schwierig umzusetzen ist. Häufig ebene nur zu rund einem Viertel mit Frauen be- suren berufen und eine Vielzahl gleichstellungs- und die dafür entwickelten Programme und wird diese Thematik erst diskutiert, wenn es da- setzt; im Top-Management von Großunter- fördernder Maßnahmen an den Hochschulen Maßnahmen beruhen auf aktuellen Forschungs- rum geht, die Frauenanteile in einem spezifi- nehmen sind Frauen eine Seltenheit. In den hun- entwickelt und umgesetzt. So wurden zum Bei- ergebnissen zu genderbezogenen Fragestellun- schen Bereich zu verbessern. Die Lösung dieser dert größten börsennotierten Unternehmen in spiel Angebote zur Gewinnung von Studen- gen. Mit der Aktionslinie „Frauen an die Spitze“ Problematik bietet jedoch auch bessere Arbeits- Deutschland nehmen Frauen nur 2,2 % der Vor- tinnen für naturwissenschaftlich-technische fördert das BMBF deshalb interdisziplinäre For- bedingungen für Männer mit Familienverant- standssitze und 10,6 % der Aufsichtsratsman- Studiengänge oder auch zur Kinderbetreuung schungsarbeiten zu verschiedenen Themenbe- wortung. Dies zeigt: Moderne Chancengleich- date ein. entwickelt. Ein Erfolg, der auch auf das Profes- reichen. Schwerpunkte sind das geschlechter- heitspolitik ist nicht nur auf Frauen ausgerichtet, sorinnenprogramm zurückgeht, ist, dass sich stereotype Berufswahlverhalten von Mädchen sondern hat positive Wirkungen für Frauen und Ein ähnliches Bild zeigt sich in Hochschulen der Professorinnenanteil an deutschen Hoch- und jungen Frauen, die Berufs- und Karriere- Männer. Letztlich müssen sich auch öffentliche und Forschungseinrichtungen: Bei den Hoch- schulen in den letzten zehn Jahren auf gegen- verläufe von Frauen, die Wirkung von Organi- Arbeitgeber angesichts des demografischen schulabsolventen ist das Verhältnis von Frauen wärtig 19,7 % fast verdoppelt hat. sationsstrukturen in Wirtschaft, Wissenschaft Wandels mit der Frage auseinandersetzen, wie und Männern noch ausgeglichen. Auf den wei- und Forschung und die Frage, wie auch in der attraktiv sie in Zukunft noch für Berufsanfänger teren Qualifikationsstufen nimmt der Anteil der Neben den personellen und strukturellen Erfol- biomedizinischen oder naturwissenschaftlichen sind. Mehr Chancengleichheit ist auch eine Frauen jedoch kontinuierlich ab. Am Ende be- gen sind eine breite hochschulöffentliche Dis- Forschung Genderaspekte besser berücksichtigt Chance, im Wettbewerb um junge Beschäftigte setzen sie nur jede fünfte Professur und nur kussion und ein großes Engagement für die werden können. Ziel ist es, Wissensgrundlagen erfolgreich zu sein. jede zehnte Führungsposition in den außeruni- Gleichstellungsfrage an den Hochschulen in über die Ursachen für die unzureichende Be- versitären Forschungseinrichtungen. Der größte Gang gekommen. Um diese positiven Effekte teiligung von Frauen in der Wissenschaft und Die Autorin Bruch findet nach erfolgreicher Promotion statt: nachhaltig zu sichern, haben Bund und Länder in den Spitzenpositionen der Wirtschaft zu er- Ministerialrätin Christina Hadulla-Kuhlmann Der Frauenanteil bei den Promotionen lag 2010 in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz halten und daraus Handlungskonzepte abzu- ist Leiterin des Referats „Chancengerechtig- bei 44 %, bei den Habilitationen waren es nur (GWK) Mitte dieses Jahres beschlossen, das Pro- leiten. Insgesamt fördert das BMBF gemeinsam keit in Bildung und Forschung“ im Bundesmi- noch 25 %. fessorinnenprogramm für weitere fünf Jahre mit dem Europäischen Sozialfonds (ESF) mit nisterium für Bildung und Forschung. In dieser fortzuführen. dieser Initiative im Zeitraum 2007 bis 2015 rund Funktion ist sie u. a. von Seiten des Bundes Die Bundesministerin für Bildung und For- 100 Forschungsprojekte mit einem Fördervolu- Vorsitzende des Arbeitskreises Chancengerech- schung, Prof. Dr. Annette Schavan, hat deshalb Mit dem „Nationalen Pakt für Frauen in MINT- men von insgesamt 32 Mio. Euro. tigkeit der Gemeinsamen Wissenschaftskonfe- zur Erhöhung der Chancengerechtigkeit Pro- Berufen“ hat das Bundesministerium für Bil- renz des Bundes und der Länder (GWK) und gramme und Fördermaßnahmen auf den Weg dung und Forschung (BMBF) eine wichtige Maß- Eines dieser Projekte, das sich aufgrund seiner Vertreterin des Bundes in der Helsinki Gruppe gebracht, die auf strukturelle Veränderungen nahme auf den Weg gebracht, um den weiblichen Qualität im Wettbewerb um Forschungsmittel der Europäischen Kommission (Generaldirek- im Wissenschaftssystem abzielen. Ziel dieser Nachwuchs für den MINT-Bereich (Mathematik, durchsetzen konnte, ist das Forschungsvorhaben tion Forschung), die fachliche Stellungnahmen zukunftsorientierten Politik ist, dass Frauen in Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu be- „Frauen in Spitzenpositionen des Polizeidienstes“ zur Weiterentwicklung der Gleichstellung von allen Bereichen und auf allen Ebenen – vor allem geistern. Der Pakt begann als breites Bündnis der Deutschen Hochschule der Polizei und der Frauen im Wissenschaftssystem erarbeitet. auch in Führungspositionen – angemessen ver- mit 46 Partnern aus Bund und Ländern, der TU Dortmund. Auch wenn uns Fernsehserien treten sind. Bundesagentur für Arbeit, Partnern aus der ein anderes Bild vermitteln, ist der Polizeidienst Wirtschaft und Wissenschaft sowie aus den Me- gegenwärtig noch ein von Männern dominierter Kernstück ist das Professorinnenprogramm. Die- dien. Die Partner haben sich in einem stetig Berufszweig. Zwar ist es in den letzten Jahren ses Programm wurde im Jahr 2007 auf Initiative wachsenden und für neue Mitglieder offenen gelungen, verstärkt Frauen für diesen Beruf zu der Bundesministerin gemeinsam durch Bund Netzwerk verbunden; in nur drei Jahren ist der gewinnen; besonders in den Führungspositionen 6 præview Nr. 4 | 2012 7
Potenzial an die Spitze Frauen in Führungsfunktionen des Polizeidienstes Andrea Fischbach, Rüdiger Klatt, Hartmut Neuendorff, Kurt-Georg Ciesinger Andrea Fischbach, Rüdiger Klatt, Hartmut Neuendorff, Kurt-Georg Ciesinger Trotz aller Erfolge der Gleichstellungsbemühungen der vergangenen Jahrzehnte ist der Polizeidienst immer noch quantitativ wie qualitativ durch Männer geprägt. Die quantitative Männerdominanz muss vor Frauen im Polizeidienst sollen in Extremsitua- Modell- und Praxispartner aus Polizeiorganisa- Die Zusammenschau aller Ergebnisse zeigt, dass es eine Vielzahl dem Hintergrund der sehr kurzen Historie der tionen auf der einen Seite deeskalierend wirken, tionen verschiedener Länder und des Bundes. erfolgversprechender Ansatzpunkte auch in einer männerdomi- Frauenbeteiligung im Polizeidienst differenziert auf der anderen Seite aufgrund ihrer geringeren nierten Organisation und Kultur wie der Polizei gibt, Frauen zu betrachtet werden. So ist der starke Anstieg der Körperkraft nur beschränkt einsetzbar sein. Sie Im Rahmen modellhafter Umsetzungen mit fördern und Frauen Karrieren zu ermöglichen – und dass dies im Frauenquote im Polizeivollzugsdienst vor allem sollen psychisch weniger belastungsfähig sein, hochmotivierten und engagierten Partnerinnen Interesse und zum Vorteil der Frauen im Polizeidienst wie auch in den letzten Jahren zunächst einmal bemer- dafür aber sozial und emotional kompetenter und Partnern aus der Polizei konnten zahlreiche der Polizeiorganisation selbst ist. kenswert. Die Frauenquote bei den Neueinstel- und so weiter. Darüber hinaus werden Frauen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen lungen bzw. der Anwärterinnen für den geho- in Führungsrollen schon im Allgemeinen anders für die Anwendung in der Praxis nutzbar ge- Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für benen Dienst liegt bereits bei fast 50 %. Bezüg- bewertet als ihre männlichen Kollegen. Proto- macht werden. Die in dieser Ausgabe der præ- die engagierte Unterstützung der in dieser præview vertretenen lich der Nachwuchsgewinnung von Frauen für typisch ist Führungserfolg stärker mit einem view gesammelten Ergebnisse des Verbundpro- Akteurinnen und Akteure der Polizei, aber auch bei den tausenden Führungspositionen im höheren Dienst ist eben- „männlichen“ als mit einem „weiblichen“ Ge- jektes dokumentieren, dass es dabei gelungen Polizistinnen und Polizisten bedanken, die sich für Interviews und falls ein positiver Trend zu verzeichnen. Im Jahr schlechtsstereotyp assoziiert (Eagly & Karau, ist, den Erfolg von Frauen in Spitzenpositionen Befragungen zur Verfügung gestellt haben und die gemeinsam 1999 lag der Frauenanteil der Studierenden an 2002). Diese Effekte der „geschlechtsstereotypen der Polizei und die Attraktivität von Führungs- mit uns vor Ort in den Behörden im Rahmen von Personal- und der ehemaligen Polizeiführungsakademie (der Wahrnehmung“ sollten in der „Polizistenkultur“, positionen auch für Frauen wirksam und nach- Organisationsentwicklungsprojekten konkret und intensiv zusam- heutigen Deutschen Hochschule der Polizei) in in der „expressive Männlichkeit“ und das Be- haltig zu unterstützen. mengearbeitet haben. Münster bei 4 %. Seitdem ist der Frauenanteil währen als „Street Cop“ in Gefahrensituationen Literatur deutlich gestiegen, allerdings hat sich dieser prototypisch mit polizeilichem Berufserfolg as- Die vorliegende Ausgabe der præview lässt die Behr, R. (2000). Cop Culture: Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungs- Wert seit 2006 um 20 % eingependelt und steigt soziiert ist, noch verstärkt auftreten (Behr, 2000). Wissenschaft ebenso zu Wort kommen wie die muster und Kultur in der Polizei. Opladen: Leske+Budrich. Eagly, A.H. & Karau, S.J. (2002). Role congruity theory of prejudice toward female leaders. nicht weiter an. Zudem gibt es in dieser Dienst- Somit sind Frauen in polizeilichen Führungspo- Praxis: Die Forscherinnen und Forscher der Tech- Psychological Review, 109, S. 573-598. stufe große Unterschiede im Frauenanteil zwi- sitionen besonders starkem Bewährungsdruck nischen Universität Dortmund und der Deut- Hoff, E.-H., Grothe, S. & Wahl, A. (2002). Erfolg in den Bildungsverläufen von Frauen und Männern – Das Beispiel der Profession Psychologie. Wirtschaftspsychologie, 1, S. 56-63. schen den Bundesländern bzw. den Polizeien und teilweise anderen Anforderungen in ihren schen Hochschule der Polizei stellen ihre wis- Schulz, P., Schlotz, W., Wolf, J. & Wüst, S. (2002). Geschlechtsunterschiede bei stressbezo- des Bundes. Führungsinteraktionen mit ihren überwiegend senschaftlichen Ergebnisse vor. Die Beiträge von genen Variablen. Der Einfluss der Neigung zur Besorgnis. Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 23, S. 305-326. männlichen Mitarbeitern ausgesetzt. Darüber Fischbach und anderen von der Deutschen Es ist in den Polizeibehörden also einerseits in hinaus sind auch Ressourcen zur Bewältigung Hochschule der Polizei basieren auf verschiede- den letzten Jahren gut gelungen, Frauen für von Führungsanforderungen (wie beispielsweise nen umfangreichen quantitativen Erhebungen Die Autorin, die Autoren den gehobenen und höheren Polizeivollzugs- soziale Unterstützung im privaten Bereich, An- und fokussieren Fragen des Führungsverhaltens Prof. Dr. Andrea Fischbach (Deutsche Hochschule der Polizei, dienst zu gewinnen und die Frauenquote für erkennung und Wertschätzung für Leistung und und dessen Erfolgsfaktoren, vor allem die Emo- Münster), Prof. em. Dr. Hartmut Neuendorff (Technische Universi- potenziellen Nachwuchs für Führungspositio- persönliche Kompetenzen) bei Frauen und Män- tionsregulation in Führungsinteraktionen. tät Dortmund), Dr. Rüdiger Klatt (Forschungsinstitut für innova- nen im höheren Polizeivollzugsdienst zu erhö- nern unterschiedlich ausgeprägt (vgl. z.B. Hoff tive Arbeitsgestaltung und Prävention, Gelsenkirchen) und Kurt- hen. Andererseits sind Frauen im Polizeivoll- u.a., 2002; Schulz u.a., 2002). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Georg Ciesinger (gaus gmbh – medien bildung politikberatung, zugsdienst weiterhin unterrepräsentiert. Diese der Technischen Universität Dortmund stellen Dortmund) führen gemeinsam das Projekt „FiS – Frauen in Spit- Schieflage setzt sich bei der Besetzung von Das interdisziplinäre Verbundprojekt „Frauen in die Ergebnisse ihrer qualitativen Forschung zu zenpositionen des Polizeidienstes und der Wirtschaft“ durch. Dienstposten mit Führungsfunktionen im ge- Spitzenpositionen des Polizeidienstes und der den organisationalen Rahmenbedingungen der hobenen und höheren Polizeivollzugsdienst fort. Wirtschaft“ hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Karrieren von Frauen in der Polizei vor, hier vor Je höher die hierarchische Position, desto ge- die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche allem die Fragen der sich wandelnden Organi- ringer wird die Frauenquote. Rekrutierung, Förderung und Ausbildung von sationskultur. Frauen im höheren Polizeidienst zu untersuchen Die Männerdominanz spiegelt sich auch auf und Verbesserungsvorschläge zu entwickeln, um Der besondere Schwerpunkt liegt aber auf den qualitativer Ebene sowohl in der „Polizistenkul- so die Frauenquote in unterrepräsentierten Be- Erfahrungsberichten der Partner aus Polizeibe- tur“ innerhalb der Polizei (Behr, 2000), als auch reichen der Polizei zu erhöhen. Das Projektkon- hörden verschiedener Länder und des Bundes. in der öffentlichen und sozialen Wahrnehmung sortium bestand aus Organisationspsycholo- Die Akteurinnen und Akteure selbst beschreiben von Frauen und Männern im Polizeidienst und ginnen und -psychologen der Deutschen Hoch- ihre Anstrengungen, innovative Ansätze der polizeilicher Führungspersonen wider. So wird schule der Polizei, Arbeitssoziologinnen und Personal- und Organisationsentwicklung und auch heute noch die Rolle der Polizistinnen – -soziologen der Technischen Universität Dort- die Erfolge, die in Zusammenarbeit mit dem mit positivem oder negativem Vorzeichen – dif- mund und Unternehmensberaterinnen und -be- Projekt „Frauen in Spitzenpositionen“ erreicht ferenziell von der ihrer Kollegen diskutiert: ratern der gaus gmbh. Beteiligt waren zahlreiche wurden. 8 præview Nr. 4 | 2012 9
Nutzung und Effekte von Emotionen und Regulationsstrategien Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler Ergebnisse einer Befragung von Polizeiführungskräften und ihren Mitarbeitenden Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler einer Führungsperson ausgeprägt ist, in ver- diert, negative Emotionen zu erleben und wie wird reduziert und die gezeigten Emotionen meintlich „kritischen“ negativen Situationen mit häufig sie ihre negativen Emotionen durch Deep wirken authentischer. Wir glauben, dass Füh- Mitarbeitenden trotzdem positiver bzw. weniger Acting Strategien (beispielsweise durch Perspek- rungspersonen, die authentische positive Emo- negativ zu fühlen. tivenübernahme) so beeinflusst, dass sie ange- tionen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Erste Ergebnisse dieser Testauswertung zeigen, messene Emotionen in der Situation zeigen Mitarbeitern zeigen, das Arbeitsengagement der dass sich Führungspersonen in dieser Kompe- kann. Mitarbeitenden aktiv positiv beeinflussen kön- tenz unterscheiden. Kurz gesagt, eine negative nen. Situation mit einer Mitarbeiterin oder einem Gelungene Führungsarbeit benötigt eine ge- Mitarbeiter ist nur so negativ, wie die Führungs- lungene Führungsbeziehungsgestaltung. Hier Die Autorin, der Autor person negativ darüber denkt. Selbstverständ- sind Führungspersonen in der Pflicht. Idealer- Prof. Dr. Andrea Fischbach ist Leiterin des Fach- lich hat die Kompetenz der Perspektivenüber- weise erleben sie positive Emotionen und kön- gebiets Sozial-, Arbeits- und Organisations- nahme ihre Grenzen, z. B. dann, wenn sich eine nen diese in den Interaktionen mit ihren Mitar- psychologie an der Deutschen Hochschule der Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter lautstark über beiterinnen und Mitarbeitern authentisch zeigen. Polizei in Münster. Eine aktuelle Studie im Rahmen des Projektes „Frauen in Spitzenpositionen“ sie tatsächlich empfinden, auch die stärkste Aus- die Inkompetenz der oder des Vorgesetzten bei Erleben Führungspersonen aber eine Diskrepanz andrea.fischbach@dhpol.de (www.dhpol-karrierestudie.de) untersucht Emotionen in der Führungsarbeit. prägung im Arbeitsengagement ihrer Mitar- einer Kollegin oder einem Kollegen beschwert zwischen aktuell gefühlten und in angemesse- beitenden. Umgekehrt finden wir bei den Füh- und die oder der Vorgesetzte das Gespräch zu- ner Weise auszudrückenden Emotionen, dann Dipl.-Psych. Philipp W. Lichtenthaler ist wissen- Folgende Fragestellungen sollen dabei beantwortet werden: rungspersonen, die seltener positive Emotionen fällig mithören kann. Allerdings geht es ja ge- wird Emotionsregulation notwendig. Unsere schaftlicher Mitarbeiter in diesem Fachgebiet. 1. Wie häufig drücken Führungspersonen positive und negative Emotionen aus? zeigen und seltener Emotionen zeigen, die sie rade nicht darum, dass eine Führungsperson Studienergebnisse zeigen, dass Führungsper- philipp.lichtenthaler@dhpol.de 2. Welche Strategien nutzen Führungspersonen, um ihre Emotionen zu regulieren? tatsächlich empfinden, die niedrigste Ausprä- immer positiv fühlt, sondern in kritischen Si- sonen dabei überwiegend versuchen, die eige- gung im Arbeitsengagement ihrer Mitarbeite- tuationen durchaus in der Lage ist, diese Situ- nen erlebten Emotionen aktiv so zu beeinflussen, 3. Wie wirken sich Emotionen und Emotionsregulation einer Führungsperson auf rinnen und Mitarbeiter. ation als „kritisch“ zu erkennen und angemessen dass sie die Emotion erleben, die sie zeigen soll- arbeitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Mitarbeiterinnen negative Emotionen auszudrücken, z. B. um auf ten. Kaum hingegen werden Emotionen einfach und Mitarbeiter aus? Wir nehmen an, dass Führungspersonen, die ih- ein Problem aufmerksam zu machen. Darüber nur vorgespielt und so getan, als ob man sie ren Mitarbeitenden gegenüber positive Emoti- hinaus ist dann aber die Stärke der erlebten ne- hätte. Dies hat zwei entscheidende Vorteile: Die 4. Hat das Geschlecht der Führungsperson einen Einfluss auf diese Prozesse? onen zeigen, insbesondere dann einen positiven gativen Emotionen davon abhängig, wie stark erlebte Diskrepanz und damit der empfundene Einfluss auf deren Arbeitsengagement ausüben eine Führungsperson grundsätzlich dazu ten- Stress in Interaktionen mit den Mitarbeitenden Dazu wurden bislang 98 Führungspersonen aus es für die Führungspersonen auch häufig not- können, wenn sie diese positiven Emotionen tat- der Polizei (25 % Frauen, 75 % Männer) zum wendig, eine Diskrepanz zwischen angemesse- sächlich erleben. Dieser Effekt könnte damit er- Einsatz ihrer Regulationsstrategien befragt. Bei nen und erlebten Emotionen zu reduzieren. Da- klärt werden, dass diese Führungspersonen mehr Positive Emotionen FP häufig 4,5 Positive Emotionen FP selten ihren 621 Mitarbeitenden (26 % Frauen, 74 % bei wählen die Führungspersonen Deep Acting Grund zum Erleben positiver Emotionen haben, 5,5 4,0 Männer) wurden die ausgedrückten Emotionen Strategien deutlich häufiger als Surface Acting eben weil ihre Mitarbeitenden engagiert sind. 5,0 5,0 Arbeitsengagement der Mitarbeitenden 4,7 3,5 ihrer Führungsperson und ihr Arbeitsengage- Strategien. Führungspersonen scheint es dem- In dieser positiven Beeinflussungsrichtung kön- 4,5 4,4 4,5 ment erhoben. In Abbildung 1 sehen wir, dass nach wichtig zu sein, die angemessenen Emo- nen die Führungspersonen wiederum ihre au- 4,0 3,0 Führungspersonen häufiger positive als negative tionen gegenüber den Mitarbeitenden nicht thentischen positiven Emotionen gegenüber den 3,5 2,5 Emotionen gegenüber ihren Mitarbeitenden einfach nur auszudrücken, sondern auch tat- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücken. 3,0 ausdrücken. Auch das Geschlecht der Führungs- sächlich zu erleben. 2,0 2,5 person spielt beim Emotionsausdruck eine Rolle. Wir vermuten aber auch, dass Führungsperso- 2,0 1,5 Weibliche Führungspersonen drücken häufiger In Abbildung 2 sehen wir, wie sich die gezeigten nen darüber hinaus lernen können, positive positive und seltener negative Emotionen aus Emotionen und die Emotionsregulation einer Emotionen im Führungsalltag auch dann zu er- 1,5 1,0 Positive Negative Surface Deep Automatische als männliche Führungspersonen. Führungsperson auf das Arbeitsengagement der leben, wenn es zunächst keinen Anlass „zur 1,0 Emotionen FP Emotionen FP Acting Acting Regulation Gesamt 3,4 2,5 1,6 3,0 4,0 Mitarbeitenden auswirken können. In diesem Freude“ gibt. Dies kann beispielsweise durch das Automatische Automatische Männer 3,3 2,6 1,6 3,0 4,0 Regulation häufig Regulation selten Frauen 3,6 2,3 1,8 2,9 4,0 Bei den Regulationsstrategien hingegen zeigt Beispiel finden wir bei den Führungspersonen, Erlernen von Perspektivenübernahme erreicht sich kein deutlicher Geschlechtereffekt. Am häu- die häufiger positive Emotionen gegenüber ih- werden. Hierzu haben wir den Situations-Ge- Abb. 1: Häufigkeit der Nutzung von Emotionen Abb. 2: Arbeitsengagement der Mitarbeitenden in Abhängigkeit figsten drücken Führungspersonen ihre Emo- ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigen danken-Test für Führungspersonen entwickelt. und Regulationsstrategien von der Häufigkeit des Zeigens positiver Emotionen seitens der tionen so aus, wie sie sie erleben. Allerdings ist und häufiger diejenigen Emotionen zeigen, die Er kann feststellen, wie stark die Kompetenz Führungskraft und der Häufigkeit Automatischer Regulation. 10 præview Nr. 4 | 2012 11
Surface Acting, Deep Acting, Automatic Acting Emotionsregulation in der Führungsarbeit Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler, Jessica Boltz Andrea Fischbach, Philipp W. Lichtenthaler, Jessica Boltz Führung ist zu großen Teilen durch die Kommunikation der Führungsperson mit angenehmer Spannungszustand erlebt wird. tionen in der Führungsarbeit ableiten. Frauen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestimmt. Dabei geht es längst nicht Beim Deep Acting (Tiefenhandeln) versucht die etwa wird allgemein zugeschrieben, dass sie ein Führungsperson die angemessene Emotion stärkeres Gewicht auf die Beziehungsgestaltung nur um die rationale Weitergabe von Arbeitsaufträgen und den Austausch von nicht nur nach außen darzustellen, sondern mit ihren Mitarbeitenden legen, als dies ihre Argumenten. Diese Sachebene ist bekanntlich nur „die Spitze des Eisbergs“, da- auch, sie tatsächlich zu empfinden (indem sie männlichen Führungskollegen tun. Entspre- runter geht es um die Gestaltung der Beziehung zwischen Führungspersonen sich etwa sagt, dass solche Fehler passieren und chend sollten weibliche Führungspersonen in man dafür Verständnis haben kann). So redu- Führungssituationen häufiger positive und sel- und Geführten und um gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz. ziert die Führungsperson die Diskrepanz zwi- tener negative Emotionen zeigen als ihre männ- schen erlebten und ausgedrückten Emotionen lichen Führungskollegen. Geht man davon aus, Wenn eine Führungsperson es schafft, eine gute auf ihre eigenen Emotionen, um diese Ziele zu und damit ihr Stresserleben. dass sie auf der Sachebene genauso viel Anlass Arbeitsbeziehung mit ihren Mitarbeiterinnen erreichen. Führungspersonen regulieren also zu negativem Erleben haben wie ihre männ- und Mitarbeitern zu gestalten, sind positive Ef- ständig ihre Emotionen, um erfolgreiche Füh- Häufig ist allerdings gar keine bewusste An- lichen Kollegen (z. B. ein Projekt läuft aus dem fekte auf das Arbeitsverhalten der Mitarbeiten- rungsarbeit leisten zu können, sie leisten Emo- strengung wie beim Deep Acting oder Surface Zeitrahmen), so müssten sie entsprechend häu- den zu erwarten. Sie können beispielsweise die tionsarbeit (Hochschild, 1983). Acting nötig, um angemessen Emotionen in In- figer negatives emotionales Erleben mittels Sur- Kritik ihrer Führungsperson nachvollziehen und teraktionen mit Mitarbeitenden zu zeigen. Die face Acting und Deep Acting regulieren als ihre akzeptieren und mögliches problematisches Ver- Erlebt eine Führungsperson beispielsweise Ärger Führungsperson erlebt keine Diskrepanz zwi- männlichen Kollegen. halten ändern. Sie können einen Arbeitsauftrag und Enttäuschung über den Stand der Projekt- schen erlebten und angemessenen Emotionen Literatur so entgegennehmen, dass sie „dahinter stehen“, arbeit, weil der ihren eigenen Leistungsmaß- und kann die Emotion zeigen, die sie aktuell Hochschild, A.R. (1983). The Managed Heart: Commercialization mögliche Probleme voraussehen, kreative Lö- stäben und zeitlichen Vorstellungen nicht ent- erlebt. In diesem Fall sprechen wir von Auto- of Human Feeling. Berkeley: University of California Press. sungen erarbeiten und „am Ball bleiben“, auch spricht, kann sie erkennen, dass die Mitarbei- matic Acting (Authentischhandeln). wenn es einmal Hindernisse zu überwinden gibt. tenden mit ihrem Leistungsvermögen und unter Die Autorinnen, der Autor den schwierigen Gegebenheiten möglicherwei- Sowohl beim Surface Acting und Deep Acting Prof. Dr. Andrea Fischbach ist Leiterin des Die Emotionen, die Führungspersonen in der se kaum Schuld an der zeitlichen Verzögerung als auch beim Automatic Acting werden von Fachgebiets Sozial-, Arbeits- und Organisati- Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden aus- tragen. In einem solchen Fall wird sich die Füh- der Führungsperson angemessene Emotionen onspsychologie an der Deutschen Hochschule drücken, spielen dabei eine zentrale Rolle. Posi- rungsperson möglicherweise dazu entscheiden, ausgedrückt. Allerdings sollte sich die wahr- der Polizei in Münster. Ihr Forschungsschwer- tive Emotionen werden im Arbeitskontext all- den aufgekommenen Ärger und die eigene Ent- nehmbare Qualität der ausgedrückten Emotion punkt liegt auf Emotionsarbeit, Identität, Nor- gemein als förderlich betrachtet. Werden sie von täuschung zu verbergen und den Mitarbeiten- je nach Emotionsregulationsstrategie unter- men und Werten emotionaler Anforderungen, Führungspersonen in Interaktionen mit ihren den gegenüber Verständnis für die zeitliche Ver- scheiden. Wenn eine Führungsperson „nur so deren Determinanten, Moderatoren und Kon- Mitarbeitenden ausgedrückt, so fördern sie Krea- zögerung auszudrücken. tut“, als ob sie positive Emotionen empfindet sequenzen. In aktuellen Projekten beschäftigt tivität, Eigeninitiative und das Arbeitsengage- (Surface Acting), bleibt ihr unterdrücktes ne- sie sich mit Emotionsarbeit und Emotionsre- ment der Mitarbeitenden. Aber auch negative Stehen die aktuell erlebten Emotionen im Wi- gatives Erleben in der Regel nicht unbemerkt. gulation in personenbezogenen Dienstleistun- Emotionen können durchaus im Führungskon- derspruch zu den in der Situation angemessenen Ändert eine Führungsperson ihre erlebten Emo- gen sowie in der Führungsarbeit. text wichtige Funktionen haben. Beispielsweise Emotionen, dann muss die Führungsperson ihre tionen so, dass sie mit den gezeigten Emotionen können sie bei einem aktuellen Problem die Auf- Emotionen aktiv regulieren. Sie kann sich hierbei übereinstimmen (Deep Acting), können die ge- Dipl.-Psych. Philipp W. Lichtenthaler ist wis- merksamkeit und Anstrengung der Mitarbeite- entscheiden, die angemessenen Emotionen nach zeigten Emotionen bereits authentischer wirken. senschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet So- rinnen und Mitarbeiter bei der Aufgabenerledi- außen zu zeigen, obwohl sie andere Emotionen Erlebt die Führungsperson keine Diskrepanz zwi- zial-, Arbeits- und Organisationspsychologie gung steigern. Sowohl ausgedrückte positive als erlebt. Bei diesem sogenannten Surface Acting schen dem, was sie fühlt und dem, was sie aus- der Deutschen Hochschule der Polizei in auch ausgedrückte negative Emotionen einer (Oberflächenhandeln) „tut sie so“, als ob sie bei- drückt (Automatic Acting), ist der Emotions- Münster. In seiner Dissertation beschäftigt er Führungsperson gegenüber ihren Mitarbeite- spielsweise Verständnis für eine zeitliche Verzö- ausdruck authentisch. Wir gehen davon aus, sich mit Eigeninitiative/Proaktivität bei der rinnen und Mitarbeitern tragen somit zu deren gerung hat und bleibt den Mitarbeiterinnen und dass die Effekte von Emotionen bei Mitarbei- Arbeit und deren Effekte auf Leistung, Wohl- Motivation und Leistungsfähigkeit bei. Mitarbeitern gegenüber freundlich, obwohl sie tenden umso stärker sind, je authentischer die befinden und Gesundheit von Mitarbeitenden. sich tatsächlich ärgert. Bei dieser Strategie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Emotionen Der Erhalt oder die Steigerung von Motivation Emotionsregulation bleibt der erlebte Ärger un- ihrer Führungsperson wahrnehmen. Dipl.-Psych. Jessica Boltz ist wissenschaftliche und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden ist verändert bestehen, er wird nur in der Interak- Mitarbeiterin im Fachgebiet Sozial-, Arbeits- eine zentrale Aufgabe in der Führungsarbeit. tion mit den Mitarbeitenden unterdrückt. Es stellt sich die Frage, ob weibliche und männ- und Organisationspsychologie der Deutschen Erfolgreiche Führungspersonen reflektieren da- liche Führungspersonen sich im Ausdruck ihrer Hochschule der Polizei in Münster. In ihrer her ihren emotionalen Umgang mit ihren Mit- Günstiger ist es allerdings für die Führungsper- Emotionen unterscheiden und infolgedessen Dissertation beschäftigt sie sich mit interper- arbeitenden, sie entscheiden sich, in welchen son, wenn sie auch das eigene emotionale Er- unterschiedliche Emotionsregulationsstrategien sonalen Emotionsregulationsstrategien von Situationen sie welche Emotionen gegenüber leben in Richtung der Emotionen beeinflusst, wählen. Hieraus ließe sich beispielsweise ein Führungskräften und deren Effekte auf Leis- den Mitarbeitenden ausdrücken und welche die in der Situation angemessen ausgedrückt unterschiedlicher Trainingsbedarf für Frauen tung, Wohlbefinden und Gesundheit von Mit- Emotionen sie in Situationen erleben sollten werden sollen, da diese Diskrepanz zwischen und Männer zum gesundheitsförderlichen und arbeitenden. oder möchten, und sie nehmen aktiv Einfluss erlebten und ausgedrückten Emotionen als un- zielförderlichen Umgang mit den eigenen Emo- 12 præview Nr. 4 | 2012 13
Die Autorin Constanze Jäger M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsbereich Arbeits- Lebensentwürfe in unserer Gesellschaft wer- soziologie der TU Dortmund. constanze.jaeger@tu-dortmund.de den vielfältiger. War das Zusammenleben in einer Familie mit Kindern noch vor zwei Jahr- zehnten sowohl Normalfall als auch Norm, so nach dem erfolgreichen Aufstieg in den höheren den Wochenenden in der Familie. Im schlech- das Zugangsalter zum höheren Dienst ange- stehen heute verschiedenste Lebensstile Dienst wird zugeteilt. Die Aufsteigerinnen und testen Fall kommen somit vier Jahre zusammen, rechnet, um eine Karriere nach der Familien- gleichberechtigt nebeneinander, mit und ohne Aufsteiger haben dabei in den meisten Fällen in denen die Anwärterinnen und Anwärter zeit- gründung zu ermöglichen. Auch gibt es erste Partner, mit und ohne Kinder, mit und ohne ein sehr geringes Mitspracherecht. lich flexibel und mobil sein müssen und nur in Bestrebungen, eine höhere Verlässlichkeit be- geringem Maße auf die Belange ihrer Familie züglich der ersten Verwendung nach dem Auf- Stabilität. Auch die Rollenteilung zwischen Für Polizistinnen und Polizisten mit familiärer und Partnerschaft Rücksicht nehmen können. stieg zu schaffen. Soweit im Polizeidienst um- den Geschlechtern hat sich deutlich gewan- Orientierung bedeutet dies eine erhebliche Ein- setzbar werden flexible Arbeitsmodelle einge- delt. Mit dieser Dynamik gesellschaftlicher schränkung der Work-Life-Balance für mehrere Ist der Aufstieg in den höheren Dienst erfolg- setzt, um den Polizistinnen und Polizisten eine Jahre. Sind bereits Kinder vorhanden, fällt die reich absolviert, wird die erste Verwendung in möglichst gute Work-Life-Balance zu ermögli- Realität halten die formalen Aufstiegsmodelle hauptsächliche Betreuungsverantwortung der der neuen Laufbahn oft zugeteilt. Es kann also chen, und zum Teil sehr kreative Lösungen ge- in der Polizei nicht Schritt. Besonders Frauen zurückbleibenden Partnerin oder dem Partner passieren, dass sich die räumliche und zeitliche funden, um Personalausfälle auszugleichen. Die mit Kinderwunsch sind davon betroffen, aber zu. Ähnlich schwierig gestaltet es sich bei einem Abwesenheit fortsetzt, wenn die Familie nicht Polizeien nutzen, ähnlich wie die Wirtschaft, Kinderwunsch. Das übliche Alter für den Auf- einen kompletten Umzug in Kauf nehmen möch- die ganze Bandbreite moderner Instrumente, durchaus auch alle anderen, die ihre Lebens- stieg in den höheren Dienst liegt bei Anfang te. Die Bereitschaft, während dieser fordernden um Polizistinnen in Führungsfunktionen hinein gestaltung nicht der Karriere unterordnen, bis Mitte 30. Inklusive der Förderverwendungen Aufstiegsphase eine Familie zu gründen, ist vor zu entwickeln. sondern damit vereinbaren wollen. und Standzeiten im gehobenen Dienst wird die allem bei Frauen relativ gering. Aktuell stellt Karriere bei der Polizei ist eingebunden in ein Entscheidung für Karriere Mitte bis Ende 20 ge- sich die Lage in vielen Polizeien so dar, dass ein So gut und so wichtig diese Ansätze sind, stoßen klar strukturiertes Aufstiegssystem. In den troffen. Das Durchschnittsalter von Frauen bei Großteil der Aufsteigerinnen kinderlos und/oder sie doch nicht bis zum Kern des Problems vor. Leben und Laufbahn meisten Polizeien erfolgt mittlerweile der Di- rekteinstieg in den gehobenen Dienst über der Geburt des ersten Kindes liegt in Deutsch- land bei 29 Jahren (BMFSFJ, 2012). Damit liegen unverheiratet ist. Bei den Männern im höheren Dienst zeigt sich dagegen ein eher traditionelles Das Karrieremodell der Polizei hat sich in einer Zeit entwickelt, in der ausschließlich Männer Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit ein Bachelorstudium. Im Anschluss an die die karriererelevante Phase von Mitte Zwanzig Familienbild (Müller et. al, 2004, S. 22ff). im Polizeiberuf zugelassen und die Frauener- dreijährige, überwiegend theoretische Aus- bis Mitte Dreißig und die Familiengründungs- werbstätigkeit noch relativ gering waren. Um von Karriere und Familie bei der Polizei bildung werden erste praktische Erfahrungen phase genau übereinander. Ein weiteres Problem Eine Konsequenz für die Polizeien sind sinkende den Ansprüchen der nachwachsenden Füh- Constanze Jäger in der Bereitschaftspolizei gesammelt. Unge- dabei ist, dass beide Phasen zeitlich begrenzt und stagnierende Bewerbungen für den Auf- rungskräfte gerecht zu werden, werden die Po- fähr fünf Jahre nach Studienbeginn steht sind. Das Beamtenrecht regelt, dass Aufstiege stieg zum höheren Dienst. Besonders Frauen, lizeien nicht daran vorbei kommen, Karriere an- dann eine erste Position im polizeilichen Ein- in den höheren Dienst nur bis zu einem be- aber auch Männer, die Wert auf eine ausgewo- ders zu denken und zu gestalten. Eine Flexibili- zeldienst an. Wird ein Aufstieg in die höchste stimmten Alter – meist 40 Jahre1 – möglich sind, gene Work-Life-Balance legen, wägen Kosten sierung des Karriereweges, zum Beispiel durch Laufbahn – den höheren Dienst – angestrebt, und bei Frauen mit höherem Alter steigt die und Nutzen eines Aufstiegs genau ab. Die Posi- die Möglichkeit, die Grundvoraussetzungen über muss zunächst eine gewisse Standzeit im ge- Gefahr einer Risikoschwangerschaft bzw. sinkt tionen im höheren Dienst in der Polizei sind einen entzerrten Zeitraum hinweg zu erwerben, hobenen Dienst erfüllt werden. Bei entspre- die Chance, überhaupt schwanger zu werden. vergleichsweise rar. Weitere Aufstiege können oder eine Neugestaltung des Studiums, bei wel- chend guten Leistungsbeurteilungen und ei- (fast) nur über Abgänge älterer Beamtinnen und chem räumliche Anwesenheit nur in bestimm- ner erfolgreichen Bewerbung für den Aufstieg Dieser zeitliche Engpass betrifft jedoch nicht Beamter erreicht werden und sind wiederum ten kurzen Phasen notwendig wäre, werden da- müssen die Anwärterinnen und Anwärter zu- nur Frauenkarrieren. Wenn ein Mann mit fami- oft mit räumlichen Veränderungen verbunden. bei die Hauptansatzpunkte sein. Die Polizeien nächst zwei bis drei Förderverwendungen mit liärer Verantwortung die Entscheidung trifft, in Weiterhin muss der Partner oder die Partnerin sollten in jedem Falle die kreativen Potenziale einer ungefähren Dauer von jeweils sechs Mo- den höheren Dienst aufzusteigen, muss seine bereit sein, die (neuerlichen) Einschränkungen der nachwachsenden Generation nutzen, um naten durchlaufen. Diese Förderverwendun- Partnerin zwangsläufig den Großteil der Betreu- durch diesen Karriereweg mitzutragen. Während weiterhin sichergehen zu können, die besten gen finden meist an verschiedenen Standor- ungsverantwortung übernehmen. Dies geht oft eine familienbedingte Verkürzung der Arbeits- Talente zu fördern – ob mit oder ohne Familien- ten statt. Ziel ist es, dass alle Anwärterinnen damit einher, dass die Partnerin nur bedingt in zeit bei Frauen in Deutschland immer noch recht orientierung. und Anwärter eine möglichst hohe Verwen- ihre eigenen beruflichen Ambitionen investieren üblich ist – 70 % der erwerbstätigen Mütter ar- 1 Die einzelnen Landes-, bzw. das Bundesbeamtengesetz regeln, dungsbreite aufweisen können. Im Anschluss kann. Ein anderer Aspekt ist außerdem, dass beiten in Teilzeit (BMFSFJ, 2012) – ist dies vor bis zu welchem Alter Beamtinnen und Beamte einen Aufstieg in an diese Stationen folgt ein zweijähriges Mas- Vater bzw. Mutter während des Aufstiegs räum- allem für aufstiegsambitionierte Polizistinnen den höheren Dienst antreten dürfen. terstudium, dessen erstes Jahr an der Lan- lich oft abwesend sind. Die Praxisbewährungen problematisch. Auch hinsichtlich eines immer Literatur des- bzw. Bundespolizeihochschule verbracht und Förderverwendungen, die bereits vor dem egalitärer werdenden Partnerschaftsmodells, bei Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird. Das zweite Studienjahr schließlich findet eigentlichen Aufstiegsstudium absolviert wer- welchem beide zu gleichen Teilen erwerbstätig (2011). Familienreport 2011. Leistungen, Wirkungen, Trends. Ber- lin: BMFSFJ. für alle Anwärterinnen und Anwärter des hö- den müssen, finden zumeist an anderen Orten sind, ist der Karriereverlauf in der Polizei zu un- Müller, U., Müller-Franke, W., Pfeil, P. & Wilz, S. (2004). Alles eine heren Dienstes aus ganz Deutschland an der als dem Wohnort der Familie statt. Weiterhin flexibel. Frage der Zeit? Zur Situation von Frauen und Männern in der Polizei. Villingen-Schwenningen: Fachhochschule für Polizei. Deutschen Hochschule der Polizei in Müns- dienen diese Praxisbewährungen auch dazu, die ter-Hiltrup (NRW) statt. Die erste Verwendung Anwärterinnen und Anwärter hinsichtlich ihrer Die Polizeien haben die Probleme erkannt und Belastungsfähigkeit zu prüfen – Präsenz über begonnen ihnen entgegenzusteuern, um wei- die normale Dienstzeit hinaus ist dabei zu er- terhin aus einer möglichst großen Anzahl aus warten. Das eigentliche Studium ermöglicht an- Bewerberinnen und Bewerbern wählen zu kön- schließend oft nur noch eine Anwesenheit an nen. Zum Beispiel werden Familienzeiten auf 14 præview Nr. 4 | 2012 15
Cross Mentoring Aspekte der Frauenförderung in Zeiten des Gender Mainstreaming Gwendolin von der Osten Frauenförderung – in Zeiten des Gender- und Diversity-Ansatzes klingt Programm Horizonte schon der Begriff irgendwie überholt. In Organisationen, in denen sich nach Die PD Hannover hat als Konsequenz dieser Zielgruppenanalyse ein neues PE-Programm vielen Jahren familienfreundlicher Arbeitszeitregelungen, der Umsetzung aufgelegt, das Kompetenzen für höhere Füh- von Gleichstellungsgesetzen und Willensbekundungen zum höheren rungsebenen stärkt. Entwicklungsziele des Pro- gramms sind souveräner Umgang mit Macht Frauenanteil in Führungspositionen kein Effekt des „Durchwachsens“ von und Mikropolitik sowie die Verbesserung der Frauen in Spitzenämter einstellen will, ist Frauenförderung aber nach wie strategischen und der analytischen Kompeten- zen. Gestärkt werden sollen zudem persönliche vor absolut erforderlich. Kompetenzen wie Organisationsfähigkeit und Reflexionsvermögen, aber auch Netzwerkkom- Frauenförderung im engeren Sinne bezeichnet Als Instrumente zur Analyse bieten sich folgende petenzen. Hier geht es also nicht mehr um die die Entwicklung und das Angebot von beson- an: klassische Fortbildung für Nachwuchs auf der deren personalentwicklerischen Maßnahmen ersten Führungsebene, in denen vor allem die zur Förderung von Frauen. Ging es früher eher æ Erhebung der strukturellen Gegebenheiten: Menschenführung thematisiert und in erster darum, dass Frauen vielleicht bestimmte Defizite Altersstruktur von Frauen in der Organisation, Linie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit haben, die es durch gezielte Fördermaßnahmen Bestandsaufnahme der Geschlechterverteilung geschult werden. Hier geht es um Kompetenzen abzubauen galt, muss heute ganzheitlicher an und Dienstpostenanteile, Teilzeitanteile, ins- zur Wahrnehmung von Management- und Lei- die Aufgaben der Frauenförderung herangegan- besondere in höherwertigen Positionen. Viele tungsaufgaben, die für höhere Führungsebenen gen werden. Die Wirksamkeit frauenfördernder dieser Strukturdaten sind in Gleichstellungs- erforderlich sind. Maßnahmen hängt wesentlich von zwei Fakto- plänen zu finden, andere lassen sich unproble- ren ab: dem Kontext, in den die Maßnahmen matisch in den Personaldezernaten erheben. Im Kern enthält das Programm ein „Cross Men- eingebettet sind, und der zielsicheren Auswahl toring“, d. h. die Begleitung einer Mitarbeiterin und Dosierung von Maßnahmen. æ Individuelle quantitative und/oder qualitati- mit entsprechendem Potenzial durch einen ve Befragungen der Zielgruppe über Karriere- Mentor oder eine Mentorin aus einem Wirt- Die Polizeidirektion Hannover ist zuständig für 1.132.962 Einwohner und betreut Mit dem ersten Punkt ist gemeint, dass eine motivation und Karrierehemmnisse. Hierzu schaftsunternehmen oder einer Verwaltung, ex- eine Fläche von 2.291 qkm. Die Behörde umfasst heute mehr als 3.600 Beschäftigte, Organisation, die allein auf frauenfördernde können Online- oder schriftliche Befragungen, plizit aber nicht aus der Polizei. Wir versprechen davon 600 Verwaltungskräfte und 3.000 Polizeibeamtinnen und -beamte. Der Frau- personalentwicklerische Maßnahmen setzt und Interviews oder auch Workshops mit der uns davon für die Mentees die Erkenntnis, dass enanteil liegt bei ca. 34 %, im Polizeivollzug (exklusive Verwaltung) bei 27 %. Waren darüber verschläft, dass entsprechende klare Zielgruppe durchgeführt werden. es für gleich gelagerte Problemstellungen in es 2005 nur 17 Frauen, so bekleiden derzeit 56 Frauen einen nach A11 bewerteten Vorgaben, familienfreundliche Rahmenbedin- unterschiedlichen Organisationskontexten ganz Dienstposten (herausgehobene Sachbearbeitung und Führungspositionen). Dies gungen und eine wandlungsfähige Organisa- Im weiteren Schritt lassen sich wesentliche Ziel- unterschiedliche Lösungsansätze gibt, und da- entspricht einem Anteil von 14,9 %. Die Einstellungsquote von Frauen lag in den tionskultur zu verankern sind, keinen durch- gruppen für Fördermaßnahmen herausarbeiten. mit eine „Schärfung des analytischen Verstan- letzten Jahren bei durchschnittlich 40 %. schlagenden Erfolg haben wird. Denn die Wirk- Fördermaßnahmen für jüngere Kolleginnen, die des“. Nicht zuletzt hoffen wir als Behörde auch samkeit von Frauenförderung hängt davon ab, erst am Anfang ihrer Polizeilaufbahn stehen, von den Erfahrungen und Ideen zu profitieren, Das Programm ist schon für sich genommen Als Mentoring-Aufgabe haben die Mentees in- Kompetenzen vermittelt, die Frauen heute für dass die Organisation Frauen tatsächlich voran müssen sicherlich anders aussehen, als Instru- die unsere Mentees in anderen Organisationen ein Netzwerk, weil die Beteiligten sich in Ver- nerhalb des Programms Gelegenheit zur Vorbe- den Aufstieg in männerdominierten Organisa- bringen will und sie Bedingungen vorfinden, mente für gestandene Polizeibeamtinnen, die machen und kennenlernen. anstaltungen und Seminaren austauschen und reitung und Durchführung (einschl. Moderation) tionen wie der Polizei benötigen: Umgang mit die eine Karriere überhaupt ermöglichen. bereits eine gewisse Karriere gemacht haben. kennenlernen. einer Veranstaltung zu einem aktuellen gesell- Macht und Mikropolitik, strategische Karriere- Auch das Thema professionelles Netzwerken ist schaftspolitischen Thema von allgemeinem In- planung und Networking. Der zweite Aspekt meint, dass Frauenförderung In der PD Hannover ist diese Analyse gründlich Inhalt des Programms, einerseits theoretisch (in Zur Kompetenz der „Reflexionsfähigkeit“: Hier teresse. Das schult die Gestaltungs- und Orga- nicht gleich dem Gießkannenprinzip auf alle erfolgt, allerdings nur für die Zielgruppe der Seminaren), andererseits in der praktischen An- bieten sich auch für Mentorinnen und Mentoren nisationsfähigkeit. Ein erwünschter Nebeneffekt Die Autorin Frauen einer Organisation verteilt werden darf. Frauen A11, die also schon erste Karriereschritte wendung, indem ein Netzwerk von Mentorin- Entwicklungsmöglichkeiten. Der Ansatz des für die PD Hannover: Sowohl die Mentoren und Volljuristin Gwendolin von der Osten ist Polizei- Auf diesen Aspekt möchte ich hier näher ein- vollzogen haben. Heraus kam, dass es entgegen nen/Mentoren und Mentees entsteht. Ein wich- Cross Mentoring ist, dass die Mentorin bzw. der Mentorinnen als auch die Mentees stammen oberrätin und Leiterin eines Kriminal- und gehen. Um zielgenaue Maßnahmen in einer Or- der allgemeinen Annahme, dass viele Kollegin- tiger Ansatz dabei ist, dass die Fähigkeit, sich Mentor konstruktive Rückmeldung gibt über aus unterschiedlichen Organisationen und Un- Ermittlungsdienstes der Polizeidirektion Han- ganisation zu etablieren, bedarf es zunächst ei- nen eher nicht karrieremotiviert sind und sozu- professionell in Netzwerken bewegen zu können, Wirkung und Auftreten der Mentee. Diese aktive ternehmen der Region, so dass die regionale nover. Sie war Leiterin der Arbeitsgruppe ner Analyse der Zielgruppe. Eine Beschreibung sagen „wachgeküsst“ werden müssen, mehr als in vielerlei Hinsicht beim Aufstieg helfen kann. Begleitung schult die personalentwicklerische Vernetzung und Öffnung vorangetrieben wird. „Frauen in Spitzenämter“ der PD Hannover. der Zielgruppe ist nebenbei auch gut geeignet, die Hälfte der Zielgruppe durchaus eine weitere Netzwerke haben außerdem unterstützende Kompetenz, also die Fähigkeit, auch eigenes durch die Erhebung von Zahlen und Fakten mit Karriere anstrebt (vgl. auch den Beitrag von Cie- Funktion, können beratend und auch bestärkend Personal besser gezielt zu fördern. Darüber hi- Das Cross Mentoring in der PD Hannover ist sich hartnäckig haltenden Vorurteilen aufzu- singer & von der Osten S. 32). wirken. Egal ob informelle, formelle, private naus ist es erlaubt, dass auch Mentorinnen und also nicht nur eine zusätzliche neue Maßnahme räumen („Frauen wollen keine Karriere machen“) oder halbdienstliche Netzwerke, manchmal Mentoren ein konstruktives Feedback über ihr der Frauenförderung, sondern ein Programm, und so neues Verständnis für Genderaspekte in reicht es, wenn man weiß, wen man fragen kann. Wirken bei ihrer Mentee einholen. das bestehende Unterstützungsmöglichkeiten der Personalentwicklung zu wecken. integriert und koordiniert und vor allem die 16 præview Nr. 4 | 2012 17
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