Wasser als Streitpunkt der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik - Dokumentation

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Wasser als Streitpunkt der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik - Dokumentation
Wasser als Streitpunkt der
 globalen Umwelt- und
  Entwicklungspolitik
        Dokumentation
Wasser als Streitpunkt der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik - Dokumentation
Wasser als Streitpunkt der
   globalen Umwelt- und
      Entwicklungspolitik

                Dokumentation
Impressum

            Herausgeber:
            Forum Umwelt & Entwicklung
            Am Michaelshof 8-10
            53177 Bonn
            Telefon:     ++49- (0) 228-35 97 04
            Fax:         ++49- (0) 228-35 90 96
            E-mail:      forumue@compuserve.com
            http:        www.forumue.de

            In Zusammenarbeit mit:
            Germanwatch
            Invalidenstraße 112
            10115 Berlin
            Telefon:       ++49- (0) 30-284984-51
            Fax:           ++49- (0) 30-284984-84
            E-mail:        berlin@germanwatch.org
            http:          www.germanwatch.org

            Verantwortlich:
            Jürgen Maier

            Autoren:
            Michael Bender (Grüne Liga e.V.)
            Dörte Bernhardt (GERMANWATCH)
            Dr. Astrid Bracher (WBGU)
            Hans Hartung (FAKT)
            Dr. Ulla Mikota (VENRO)
            Ulrike Peichert (BMZ/GTZ)

            Redaktion:
            Dörte Bernhardt, Lars Klatte

            Layout:
            Monika Brinkmöller

            Herstellung:
            Knotenpunkt GmbH, Buch

            Bonn 2001

2
Vorwort

                                                                          Vorwort

N
           ahezu anderthalb Milliarden       abgedeckt werden konnte. Im Zusam-
           Menschen haben keinen Zu-         menspiel von Umwelt & Entwicklung hat
           gang zu Wasser. Verschmut-        sich die Behandlung der Wasserproble-
zung, Übernutzung und Verschwendung          matik bisher in Deutschland einer inte-
von Wasser gefährden das Überleben           grierten Bearbeitung durch Nichtregie-
vieler Menschen in den Ländern des Sü-       rungsorganisationen (NRO) entzogen,
dens. Sauberes Trinkwasser und aus-          was sich auch in der geringen Beteili-
reichend Wasser für die Landwirtschaft       gung deutscher NRO an internationalen
sind Grundlage für Gesundheit und            Konferenzen und Dialogen widerspiegelt.
Überleben. Weltweit häufen sich die Kon-
flikte zwischen Staaten und Regionen, die        Vor diesem Hintergrund hat das Fo-
sich gegenseitig den Zugang zu Wasser-       rum Umwelt & Entwicklung in Koopera-
vorkommen streitig machen. Auf lokaler       tion mit dem Verband Entwicklungspolitik
Ebene fehlen zunehmend die Ressourcen        deutscher Nichtregierungsorganisationen
und der politische Wille auch Arme und       (VENRO) am 7. September 2000 in Bonn
Bedürftige ausreichend zu versorgen.         ein Fachgespräch zum Thema “Wasser
Zudem droht das knapper werdende Gut         als Streitpunkt der globalen Umwelt- und
immer mehr die Beute großer Konzerne         Entwicklungspolitik” durchgeführt. Ziel
zu werden, die ihrerseits das Wasser und     der Veranstaltung war es, über den aktu-
dessen Verteilung kontrollieren wollen.      ellen Stand der (internationalen) Diskus-
                                             sion zu informieren und erste Anforder-
    Es gibt inzwischen eine Reihe interna-   ungen an eine internationale Wasser-
tionaler Kommissionen und Organisatio-       politik aus Sicht der deutschen Umwelt-
nen, die sich mit Süßwasserressourcen        und Entwicklungsorganisationen zu dis-
bzw. Teilaspekten davon befassen: etwa       kutieren. Um eine breitere Diskussion
die unter Federführung von Weltbank          über das Thema “Wasser” in Deutsch-
und Unesco eingesetzte World Water           lands Nichtregierungsorganisationen
Vision Commission, die einen ausführlich-    anzustoßen, werden hiermit die Beiträge
en 126-Seiten Bericht ”World Water           des Fachgesprächs vorgelegt.
Vision” für das 2. World Water Forum im
März 2000 in Den Haag vorbereitet hat           Die Veranstalter möchten an dieser
(The World Water Vision: Making Water        Stelle noch einmal den Referent/-innen
Everybody’s Business;                        für ihre Beiträge danken. Dr. Ulla Mikota
www.watervision.org) oder die Kommis-        (VENRO), Dr. Astrid Bracher (WBGU),
sion zur Evaluierung von Groß-Staudäm-       Henrike Peichert (GTZ), Hans Hartung
men World Commission on Dams                 (FAKT) und Michael Bender (Grüne Liga)
(www.dams.org), die im November 2000         haben durch ihr Fachwissen wertvolle
ihren Bericht vorlegte. Die Commission       Beiträge zur Diskussion geliefert, die im
for Sustainable Development (CSD) hat        Rahmen des Forums auf jeden Fall
1998 das Thema Süßwasserressourcen           weitergeführt werden soll.
behandelt. Das Forum Umwelt & Entwick-
lung hatte dafür ein Positionspapier zur                              Dörte Bernhardt
europäischen und deutschen Wasserpoli-
tik entwickelt, in dem allerdings die Ent-          Mitglied des Leitungskreises Forum
wicklungsdimension nur ansatzweise                              Umwelt & Entwicklung

                                                                                               3
Inhaltsverzeichnis

Vorwort ........................................................ 3

Inhaltsverzeichnis ....................................... 5

Programm ................................................... 6

Begrüßung und Einführung
Dr. Ulla Mikota (VENRO) ..................................... 7

Referate:

1. Internationale Wasserpolitik:
   Regelungsbedarf, Regelungs-
   ansätze und Stand der Diskussion
   Dr. Astrid Bracher (WBGU) .............................. 8
2. Internationale Wasserpolitik: Die
   Positionen und Aktivitäten des BMZ
   unter besonderer Berücksichtigung
   des Weltwasserforums in Den Haag
   Henrike Peichert (BMZ/GTZ) ............................ 25
3. Internationale Wasserpolitik:
   Kritische Bewertungen und
   Perspektiven aus Sicht von Nicht-
   regierungsorganisationen
   Hans Hartung (FAKT) ...................................... 39
4. Die Wasserrahmenrichtlinie und
   die Privatisierung/Liberalisierung
   der Wasserwirtschaft
   Michael Bender (Grüne Liga e.V.) .................... 49
Entwicklungspolitische Anforderungen
an eine internationale Wasserpolitik;
Zusammenfassung der Beiträge
von Dörte Bernhardt (GERMANWATCH) ............... 57

Anhang:

1. Teilnehmer/-innen .................................. 62
2. Referent/-innen ...................................... 63

                                                                     5
Programm

Programm

                             Fachgespräch: Wasser als Streitpunkt
                         der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik
                                          (7. September 2000 in Bonn)

           11:00 Begrüßung und Einführung
                 Dr. Ulla Mikota (VENRO)

           11:30 Internationale Wasserpolitik: Regelungsbedarf, Regelungsansätze und
                 Stand der Diskussion
                 Dr. Astrid Bracher (WBGU)

                 Internationale Wasserpolitik: Die Positionen und Aktivitäten des BMZ
                 unter besonderer Berücksichtigung des Weltwasserforums in Den Haag
                 Henrike Peichert (GTZ)

           12:30 Mittagspause

           13:15 Internationale Wasserpolitik: Kritische Bewertungen und Perspektiven
                 aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen
                 Hans Hartung (FAKT)

           13:45 Exkurs: Wasserrahmenrichtlinie und Privatisierung der Wasserwirtschaft
                 Michael Bender (DNR-Gesprächskreis “Umweltverbände und Wasserwirtschaft”)

           14:00 Diskussion

           14:45 Pause

           15:00 Zusammenfassung der bisherigen Diskussion: Entwicklungspolitische
                 Anforderungen an eine internationale Wasserpolitik
                 Dörte Bernhardt (GERMANWATCH)

                 Schlussplenum: Welche Beiträge zur Lösung der weltweiten
                 Wasserproblematik können Nichtregierungsorganisationen leisten?

           16:00 Ende der Veranstaltung

           Moderation: Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung)

6
Begrüßung

                                                                   Begrüßung

A
       ls Geschäftsführerin von VENRO           - für die sogenannte Inlandsarbeit in
       begrüße ich sie herzlich zu dem            unserer eigenen Gesellschaft
       heutigen Fachgespräch:
                                                Dazu gehört auch, sich mit der
Wasser als Streitpunkt der                      konkreten Politik des BMZ (inkl. den
globalen Umwelt- und                            Vorfeldorganisationen) im
Entwicklungspolitik                             Wassersektor auseinander zu setzen.
   Ich möchte in meiner kurzen Einfüh-       3. Wollen wir für das Thema “Wasser”
rung weniger auf die fachlichen Aspekte         ein breiteres Bewusstsein herstellen?
der heutigen Veranstaltung eingehen.
Erstens sind Sie insgesamt dazu sehr viel       - Eignet sich Wasser aufgrund seiner
fachkundiger als ich und zweitens wer-            realen Brisanz, aber auch
den sie ja noch eine ganze Reihe kom-             aufgrund seines Charakters als
petente Referent/-innen hören.                    “Teil des Alltags jeden Menschens”
                                                  vielleicht besonders gut, in einer
   Mir liegt daran, noch einmal die               Art “Kampagne” die verschiedenen
Herausforderungen deutlich zu machen,             Dimensionen und die wichtige
die neben der differenzierten Fachdis-            Fragestellungen zu diesem
kussion aus meiner Sicht ebenfalls mit            “Lebenselexier” deutlich zu
dem Thema – auch stellvertretend für              machen.
andere Themen aus der Schnittstelle             - Wie sieht die quantitative Zukunft
zwischen Umwelt und Entwicklung –                 des Gutes “Wasser” aus? Wie viel
verbunden sind.                                   Wasser wird zukünftig vorhanden
                                                  sein, insbesondere Süßwasser und
   Insgesamt sehe ich vor allem drei              vor allem sauberes Trinkwasser?
Herausforderungen für uns Nichtre-              - Wer wird Zugang zu Wasser
gierungsorganisationen (NRO):                     haben?
1. Es gilt mehr Expertise und Kompetenz         - Wird Wasser noch viel stärker als
   zu entwickeln, bzw. – und das ist              bisher ein kommerzielles Gut
   vielleicht noch wichtiger – die vorhan-        werden?
   dene Expertise und die praktischen           - Was können wir im Norden dafür
   Erfahrungen zu bündeln und auf den             tun, dass alle Menschen Zugang zu
   entwicklungspolitisch und umwelt-              ausreichend sauberem Wasser haben?
   politisch wichtigsten Punkt zu bringen.
                                                Wahrscheinlich werden sie diese Liste
2. Es gilt, diese Positionen in einen        noch verändern, konkretisieren und
   größeren politischen Kontext zu           ergänzen.
   stellen. Was bedeuten unsere Analyse,
   Einschätzungen und Forderungen für           Ich wünsche mir, dass aus diesem
   die drei Standbeine einer nachhalti-      Fachgespräch auch politisch ein Impuls
   gen Umwelt- und Entwicklungspolitik:      für die weitere Arbeit der entwicklungs-
                                             politischen NRO ausgeht.
   - für die globale Strukturpolitik
   - für die konkrete Arbeit der NRO in         Viel Erfolg.
     den armen Ländern vor Ort                                 Dr. Ulla Mikota (VENRO)

                                                                                                 7
Stand der Diskussion

Internationale Wasserpolitik:
Regelungsbedarf, Regelungs-
ansätze und Stand der Diskussion

                                                          Nutzung der Biosphäre” (2000)
           Der WBGU                                     - “Neue Strukturen globaler
          ƒ Der Wissenschaftlicher Beirat der             Umweltpolitik” (2000)
            Bundesregierung Globale Umwelt-
            veränderungen (WBGU) wurde 1992          Die Süßwasserkrise
            gegründet. 12 Mitglieder aus den
            Bereichen Medizin, Natur-, Sozial-,      Einleitung
            Rechts- und Wirtschaftswissenschaf-
            ten, die von einer Geschäftsstelle und       Die Verfügbarkeit von Trinkwasser
            16 wissenschaftlichen Mitarbeiter/-      stößt an ihre Grenzen. 2 Milliarden
            innen unterstützt werden.                Menschen sind ohne Zugang zu aus-
                                                     reichend Trink- und Sanitärwasser. Jeder
          ƒ Hauptaufgabe: Erstellung jährlicher      zweite Mensch in den Entwicklungs-
            Gutachten zu Themen der globalen         ländern leidet an wasserbürtigen Krank-
            Umweltveränderungen mit dem Ziel         heiten. Pro Jahr sterben etwa 5 Millionen
            Empfehlungen für politisches Handeln     Menschen in Entwicklungsländern an
            und die Forschung zu geben.              Krankheiten, die mit der Verunreinigung
            Daneben werden auch Sondergut-           von Trinkwasser im Zusammenhang
            achten zu speziell dringenden Themen     stehen. Weltweit werden nur etwa 5 %
            auf Anfrage der Regierung erstellt.      allen Abwassers einem Reinigungspro-
          ƒ Methode:                                 zess unterzogen. Etwa 70 % allen Süß-
                                                     wassers wird für die Erzeugung von
             - Analyse der gegenwärtigen             Lebensmitteln verwendet. Es gibt natür-
               Entwicklungen                         lich auch Probleme und sogar Katast-
             - Entwicklung von Empfehlungen          rophen, die durch zu viel Wasser zu
               für politische und praktische         erheblichen Problemen und sogar zu
               Lösungen zur Problembewältigung       Katastrophen führen. Hochwasser und
                                                     Überschwemmungen sind Naturkatastro-
          ƒ Themen einiger Gutachten (Reihe:         phen, die weltweit die größten wirt-
            “Welt im Wandel”):                       schaftlichen Schäden verursachen und
                                                     viele Menschenleben kosten. Insgesamt
             -   “Die Gefährdung der Böden”
                                                     tragen Ausmaß und Bedeutung des
                (1994)
                                                     gegenwärtigen Süßwasserproblems den
             - “Wege zu einem nachhaltigen
                                                     Keim einer globalen sozialen und öko-
                Umgang mit Süßwasser” (1998)
                                                     logischen Krise in sich. Die Bereitstellung
             - “Strategien zur Bewältigung
                                                     von Wasser in ausreichender Menge und
                globaler Umweltrisiken” (1999)
                                                     Qualität stellt vielleicht die größte
             - “Erhaltung und nachhaltige
                                                     Herausforderung an das 21. Jahrhundert

8
Stand der Diskussion

dar. Dabei sind vor allem die folgenden       strategien erfordern. Es sind dies im
Probleme zu beachten:                         Einzelnen:

ƒ Die Verfügbarkeit von Wasser deckt          - Lebenserhaltungsfunktion: Die
  sich keinesfalls mit dem Bedarf der           Erfordernisse an Wasser zur
  Bevölkerung.                                  Deckung unseres physiologischen
                                                Wasserbedarfs sowie zur Erzeu-
ƒ Wie bei allen lebensnotwendigen               gung von Lebensmitteln,
  Ressourcen ist der Wasserbedarf             - Lebensraumfunktion: Die
  durch das Produkt Bevölkerung x Pro-          Bedeutung des Süßwassers als
  Kopf-Verbrauch definiert. Gerade in           Lebensmedium für die Binnenge-
  jenen Ländern, deren Bevölkerung am           wässer-Ökosysteme und die in
  stärksten wächst, ist der Wasser-             ihnen enthaltenen Pflanzen- und
  verbrauch am geringsten. So ist etwa          Tierarten,
  der Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser in         - Regelungsfunktionen: Die Bedeu-
  den USA 70 mal so hoch wie in                 tung von Wasser für die Kontrolle
  Ghana. Die Problematik besteht da-            des Klimas sowie der bio-geo-
  her darin, dass gerade in jenen               chemischen Stoffkreisläufe und
  Regionen, in denen das größte Bevöl-        - Kulturfunktionen: Die Bedeutung
  kerungswachstum herrscht, auch der            von Wasser für unsere Zivilisation
  größte Nachholbedarf im Hinblick auf          und Kultur, welche eine wissen-
  die Versorgung mit Süßwasser be-              schaftlich- technische, eine ökono-
  steht. Es wird damit gerechnet, dass          mische, eine rechtlich- administra-
  der Weltenergieverbrauch sich bis             tive, eine religiöse sowie eine
  zum Jahr 2050 verdoppeln wird. Wir            ästhetische und symbolische
  können davon ausgehen, dass der               Dimension besitzt. Dabei weiß die
  Wasserbedarf etwa im selben Maße              Einstellung des Menschen zum
  steigen wird. Im Vergleich zur Ener-          Wasser starke interkulturelle
  gieproblematik weißt aber die Was-            Unterschiede auf.
  serproblematik einen höheren
  Komplexitätsgrad auf:                    Ursachen der Süßwasserkrise
1. Wasser ist eine nicht substituierbare       Ein wesentlicher Grund für die Süß-
   Ressource. Während man im Falle der     wasserkrise in zahlreichen Regionen ist
   Energie – zumindest theoretisch –       die klimatisch und naturräumlich be-
   zusätzlich zur Effizienzsteigerung      dingte extrem ungleichmäßige Verteilung
   durch eine Diversifizierung der Ener-   von Süßwasser auf der Erde. Das Was-
   giequellen (vor allen in Richtung auf   serdargebot wird insbesondere in klima-
   erneuerbare Energieträger) eine Ent-    tischen Randlagen sehr empfindlich
   schärfung des Problems herbeiführen     durch Klimaveränderungen beeinflusst
   kann, ist Wasser nicht zu ersetzen.     (z. B. in der Sahelzone), so dass sich die
                                           Süßwasserkrise durchaus weiter verschär-
2. Zusätzlich zur Wassermenge spielt die   fen könnte. Der Strukturwandel der
   Qualität des Wassers eine entschei-     Landwirtschaft ist eine wesentliche Trieb-
   dende Rolle. Die Verfügbarkeit von      kraft für den Wassermangel. Die Zunah-
   Wasser ist daher eine komplexe          me der Bewässerungslandwirtschaft – für
   Größe, die sich aus dem Mengen-         den Anbau von devisenbringenden
   und Qualitätsdargebot ergibt.           Exportprodukten (cash crops) oder
3. Süßwasser hat mehrere Funktionen,       Grundnahrungsmitteln als Folge des
   deren Erhaltung stark von einander      Bevölkerungswachstums – hat einen
   unterschiedliche Management-            erheblichen Anteil an der weltweiten
                                           Erhöhung des Wasserverbrauchs. Durch

                                                                                              9
Stand der Diskussion

          den Anbau nicht standortgerechter Nutz-      Oberflächenwasser mit Stickstoff, wo-
          pflanzen kann es dazu kommen, dass           durch seine Eignung als Trinkwasser
          ein arides Land sein knappes Wasser          durch überhöhte Nitratkonzentrationen
          über die Agrarprodukte „exportiert“ und      verringert wird. Hinzu kommen Biozide,
          so die lokale Wasserversorgung               die sich z. T. in der Nahrungskette
          unterminiert wird (z. B. Anbau von Zitrus-   anreichern können.
          früchten in Israel; Falkenmark und Wild-
          strand, 1992). Mit der Zunahme des               Gleichzeitig führt die Änderung der
          Fleischkonsums steigt der Wasserbedarf       Lebensstile im Zuge von Urbanisierung
          für die Nahrungsproduktion weiter. Im        und Industrialisierung zu einem steigen-
          Vergleich zu rein vegetarischer Ernäh-       den Verbrauch und zur Verschmutzung
          rung hat eine Ernährung mit einem An-        von Süßwasser. Als Folge von Urbani-
          teil von nur 20 % Fleisch bereits eine       sierung verringern sich die nutzbaren
          Verdopplung des Wasserbedarfs in der         Wasservorkommen durch Flächenver-
          Landwirtschaft zur Folge (Klohn und          siegelung. Anspruchsteigerung und die
          Appelgren, 1998). Technische Großpro-        Ausbreitung westlicher Konsum- und
          jekte (z. B. Staudämme, Bewässerungs-        Lebensstile treiben den Strukturwandel in
          projekte) sollen den gesteigerten Wasser-    der Industrie an und verursachen neben
          bedarf decken helfen, sind jedoch häufig     einem höheren Verbrauch von Energie
          mit sozialen Verwerfungen (z. B. durch       und Rohstoffen auch einen höheren
          Umsiedlungsmaßnahmen, Zerstörung             Wasserbedarf. Nährstoff- und Schad-
          kostbaren Kulturerbes verbunden (Bsp.:       stoffeinträge aus unzureichend geklärten
          Nassa-Staudamm, Drei-Schluchten-             häuslichen und industriellen Abwassern
          Projekt, Atatürk-Staudamm)) und              und aus Emissionen führen in Gewässern
          schaffen andere ökologische Probleme         zur rasanten Eutrophierung und
          (Erhöhung der Wasserverluste durch           Schadstoffanreicherung. Die Subventio-
          Verdunstung; Ablagerungen von Sedi-          nierung bis hin zur kostenlosen Bereit-
          menten im Staubecken, damit Ausblei-         stellung von Süßwasser kann zu einem
          ben der natürlichen Düngung der              sorglosen und verschwenderischen Um-
          darunter gelegenen Täler und damit           gang mit Wasser beitragen, ist aber
          Ausfälle in der Landwirtschaft und Ver-      gleichzeitig für die Sicherstellung der
          salzung der Böden; Konversion wertvoller     Grundversorgung für einkommens-
          Ökosysteme und Auslöschen von biolo-         schwache Gruppen unerlässlich. Geringe
          gischen Arten (besonders gravierend im       Effizienz der Wasserversorgung und
          Falle des Drei-Schluchten-Projektes)). Im    -nutzung schränkt die Verfügbarkeit der
          Falle des 1990 begonnenen Atatürk-           knappen Ressource Süßwasser weiter
          Staudamms besteht zusätzlich noch die        ein. In vielen Städten führen lecke Rohr-
          Gefahr einer Großkatastrophe im Falle        leitungen und illegale Abzweigungen zu
          eines Erdbebens. Im Falle des Atatürk-       Verlusten von 20-50 % (Zehnder et al.,
          Staudamms droht ein internationaler          1997).
          Konflikt, da die abwärts am Euphrath
          liegenden Länder, Syrien und Irak um         Wechselwirkungen der
          ihre Wasserressourcen fürchten. Die          Süßwasserkrise mit anderen
          Zerstörung des Aralsee-Ökosystems und        globalen Umweltproblemen
          in der Folge der Lebensgrundlagen für
          die Bevölkerung in diesem Gebiet kann           Eine Beeinträchtigung der Süßwasser-
          als die größte vom Menschen ausgelöste       qualität verstärkt v.a. in den Küstenregio-
          Öko-Desaster bezeichnet werden.              nen die Schadstoffbelastung. Die falsche
                                                       Bewässerung (und Veränderung der
             Die Intensivierung der Landwirtschaft     lokalen Wasserbilanz) führt zur Versal-
          führt zur Belastung von Grund- und           zung und damit zur Degradation der

10
Stand der Diskussion

Böden. Die Veränderung der lokalen          balen Wasserentnahme gemäß der
Wasserbilanz führt zur Degradation und      Bevölkerungsentwicklung ohne Verän-
Konversion von Ökosystemen und darü-        derung des Verbrauchs: Zunahme am
ber zum Artenverlust. Umgekehrt kann        stärksten (100-180%) in Afrika und
es durch die Degradation von Böden          Teilen Asiens; + 40-80%: Südamerika; +
aufgrund von nichtnachhaltiger Bewirt-      bis zu 20-40%: Nordamerika, Australien,
schaftung und durch Entwaldung zur Ver-     Ost/Südostasien; Europa und ehemalige
änderung der lokalen Wasserbilanz           Sowjetunion stagnierend und leicht
kommen. Ebenfalls durch Erosion von         abnehmend.
Böden kann sich die Schadstoffbelastung
im Wasser erhöhen. Durch den Klima-            Durch eine lokale Wasserkrise können
wandel kommt es zur Veränderung von         zahlreiche andere Probleme verursacht
Niederschlagsmustern: Dies kann in eini-    beziehungsweise verstärkt werden
gen Gegenden zur Desertifikation            (“Selbstverstärkungsschleifen“). Lokale
führen, in anderen erhöht sich Ausmaß       Wasserkrisen können zur Desertifikation
und Häufigkeit von Überschwemmun-           führen und so den Treibhauseffekt und
gen.                                        die Reduktion der Biodiversität verstär-
                                            ken. Wasserkrisen können die lokale
Regelungsbedarf                             Bevölkerung zur Abwanderung zwingen
                                            und so einen erheblichen innerstaatlich-
   Würden nur die Süßwasserprobleme         en und zwischenstaatlichen Migrations-
Mittel- und Westeuropas sowie Nord-         druck erzeugen. Insgesamt führen Was-
amerikas betrachtet, so könnte von          serkrisen zur Übernutzung auch grenz-
einem globalen Umweltproblem kaum           überschreitender Gewässer und so zu
die Rede sein: In den letzten drei Jahr-    einer Zunahme regionaler Konflikte, die
zehnten hat sich die Qualität der meisten   bis zu “Wasserkriegen” eskalieren
Oberflächengewässer (Beispiel: Boden-       können. All dies zeigt, dass auch lokale
see) aber auch die Trinkwasser Qualität     Wasserkrisen eine immense globale
sehr wesentlich verbessert. Wir vergessen   Bedeutung haben können, die das Was-
dabei, dass diese erfreuliche Entwicklung   serproblem zu einem Problem der
nur mit extrem hohem technischen Auf-       gesamten Staatengemeinschaft werden
wand unter entsprechend hohen               lassen. Der Beirat weist darauf hin, dass
finanziellen Aufwendungen möglich war.      Industriestaaten, wenn sie sich im welt-
                                            weiten Süßwasserschutz verstärkt enga-
   Doch in vielen anderen Regionen der
                                            gieren und hier ihre technologischen und
Erde besteht erheblicher Handlungsbe-
                                            finanziellen Ressourcen einsetzen, nicht
darf in bezug auf Wasserverknappung
                                            nur der Staatengemeinschaft und den
und -verschmutzung. Weltweit hat das
                                            Menschen der von Wasserkrisen betroffe-
Süßwasserproblem weiter zugenommen.
                                            nen Regionen dienen, sondern ihr eige-
Es wird damit gerechnet, dass die gro-
                                            nes Interesse fördern.
ßen Konflikte des 21. Jahrhunderts nicht
um Energie oder andere Ressourcen aus-
gefochten werden, sondern um die            Regeln zur Lösung der
Wasserressource. Die zukünftige Entwick-    Süßwasserkrise
lung der globalen Wasserentnahme hat
                                              Folgende Regeln zur Lösung der
der Beirat mit Hilfe von WaterGAP
                                            Süßwasserkrise sollten beachtet werden:
(Water- Global Assessment and Pro-
gnosis: Alcamo et al. 1997) in einem        ƒ Beachtung der Wechselwirkungen
Szenario prognostiziert. Abbildung D1.4-      auch zu anderen globalen Umwelt-
4 aus dem Jahresgutachten 1997                problemen durch integrative Ansätze
(WBGU, 1998) zeigt die Modellierung           und Konzepte: Lösungen finden, die
der zukünftigen Entwicklung der glo-          zur Verringerung meist mehrerer

                                                                                             11
Stand der Diskussion

             Umweltprobleme gleichzeitig beitra-     anderen Ländern auch) auf einer
             gen, Synergieeffekte erzeugen und       Verringerung des Ressourceneinsatzes
             Maßnahmen vermeiden, die für ein        liegen:
             jeweils anderes Umweltproblem
             kontraproduktiv sind.                   - Steigerung der Effizienz der
                                                       Ressourcennutzung
          ƒ Bioregionales Management:                - Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs
            Insgesamt ist die Verknappung und        - Förderung innovativer und
            Verschmutzung von Süßwasser sehr           effizienter Technologien und
            eng mit den Umweltproblemen                Organisationsstrukturen
            Bodendegradation und Verlust von
            Biodiversität und Entwaldung auf der   ƒ In den Entwicklungsländern mit
            regionalen Ebene gekoppelt. Diese        hohem Bevölkerungswachstum und
            Wechselwirkungen sind daher am           geringem Ressourcenverbrauch pro
            besten mit einer integrativen, bio-      Kopf sollten zunächst Maßnahmen zur
            regionalen Strategie zu erfassen.        Verringerung des Bevölkerungs-
                                                     wachstums angestrebt werden,
          ƒ Der Schwerpunkt sollte v. a. in den
                                                     insbesondere durch Verbesserung der
            Industrieländern (mit geringem oder
                                                     sozioökonomischen Lage der von
            sogar negativem Bevölkerungswachs-
                                                     Armut betroffenen Ländern.
            tum und hohem Ressourcenverbrauch
            pro Kopf, aber am besten bei den

12
Stand der Diskussion

Regelungsbedarf im Einzelnen

Primäre Ursachen            Unmittelbare Auslöser           Zentraler
                              oder Wirkungen                  Handlungsbedarf
Intensivierung und          · Zunahme des                   · Nachhaltige,
    Ausweitung der            Wasserverbrauchs und            standortgemäße
    Landnutzung               Veränderung der lokalen         Landnutzungsformen
· Steigerung der              Wasserbilanz                    fördern
    Nahrungsmittel-         · Ausweitung der                · Großprojekte nur bei
    produktion                Bewässerung, technische         Einhaltung der
· Produktion von Cash-        Großprojekte                    ökologischen und
    Crops                   · Belastung von Grund- und        sozialen Leitplanken
· Landnutzung auf             Oberflächenwasser mit           durchführen
    marginalen Standorten     Nährstoffen und Bioziden      · Nutzungseffizienz der
· Markt- und                                                  Bewässerungstechnik
    Politikversagen                                           verbessern
    (Subventionierung)                                      · Wasserintensive
· Internationale                                              Produktionen in Länder
    Verschuldung                                              mit ausreichendem
                                                              Wasserdargebot
                                                              verlagern
Strukturwandel der          ·   Wasserverschwendung,        · Nutzungseffizienz
    Industrie                   Wasserpreise spiegeln         verbessern
· Anspruchssteigerung,          nicht die Knappheit wider   · Mindestqualität von
    Lebensstile             ·   Schadstoffeinträge in         Wasser sicherstellen
· Industrialisierung            Gewässer                    · Wassermanagement
· Markt- und                                                  transparent und
    Politikversagen                                           partizipativ gestalten
· Globalisierung der                                        · Verzerrende Marktinter-
    Märkte                                                    ventionen vermeiden
Urbanisierung und           ·   Absenkung des               · Grundversorgung mit
    Mobilität                   Grundwasserspiegels           Trinkwasser sichern
· Anspruchsteige-rung,      ·   Nähr- und                   · Transparentes und
    Lebensstile                 Schadstoffeinträge in         partizipatives Wasser-
· Bevölkerungswachstum          Oberflächengewässer und       management von
· Zunahme der                   Grundwasser                   Einzugsgebieten
    sozioökonomischen                                         einführen
    Disparitäten, Armut
· Nicht-nachhaltige
    Siedlungsformen
· Zersiedlung
· Zunahme des
    Tourismus
· Zunahme der Mobilität

                                                                                                  13
Stand der Diskussion

                                                            internationaler Bedeutung,
          Regelungsansätze                                  insbesondere als Lebensraum für
                                                            Wasser- und Wattvögel”
          Bestehende institutionelle
          Regelungen zur Lösung der                   Zwischenstaatliche Rechts-
          Süßwasserkrise                              ordnungen

              Durch nationale und internationale         Seit mehr als 100 Jahren versuchen
          Rechtsordnungen wurden institutionelle      Staaten, Konflikte auf diesem Gebiet
          Vorgaben geschaffen, die erst eine siche-   durch Abschluss bi- und multilateraler
          re und effektive Allokation der             Verträge beizulegen. Die FAO zählte
          vorhandenen Wasserressourcen ermög-         schon 1978 über 2000 völkerrechtliche
          lichen. Produktive und konsumtive Pro-      Instrumente zur Regelung grenzüber-
          zesse sollen hierdurch so gesteuert wer-    schreitender Gewässernutzung (FAO,
          den, dass der Wirtschaftskreislauf des      1978). Eine Aktualisierung wurde 1993
          Wassers sich weitestgehend in den über-     veröffentlicht. Sie zeigt, dass der Institu-
          greifenden natürlichen Wasserkreislauf      tionalisierungsprozess anhält (FAO,
          einfügt.. Das zentrale Ziel muss eine       1993). Trotzdem ist der Kooperations-
          möglichst rationelle Wasserverwendung       grad in vielen Regionen - gemessen am
          sein, v. a. in wasserärmeren Ländern, in    Inhalt der Verträge - noch unzureichend.
          denen der ohnehin bestehende                Die durch die Vertragsstaaten einge-
          Wassermangel durch Fehlallokation           gangenen Kooperationspflichten reichen
          drastisch verstärkt wird.                   nicht viel weiter als das bestehende
                                                      Völkergewohnheitsrecht..
          a) Innerhalb der Staaten erfolgt die
             Aufteilung des Wassers zwischen den      Gewohnheitsrechtliche Regeln
             unmittelbaren Nutzern des Wassers             Diese gewohnheitsrechtlichen Regeln
             (hier nicht weiter aufgezeigt)           bilden einen “Mindeststandard” der Ko-
                                                      operationspflichten, an den die An-
          b) Die zwischenstaatliche Rechtsordnung     rainerstaaten auch ohne vertragliche
             soll das bei der Nutzung von grenz-      Verständigung gebunden sind. Die Iden-
             überschreitenden Wasserressourcen        tifikation der einschlägigen völker-
             auftretende Konfliktpotential zwischen   gewohnheitsrechtlichen Regeln auf die-
             Nachbarstaaten bewältigen (siehe         sem Gebiet ist vor allem den Arbeiten
             3.2) dazu liegt im internationalen       internationaler Gremien zu verdanken.
             Süßwasserrecht folgendes vor:            Dazu gehören:
             - Konvention zur nicht-schiffahrt-       ƒ “Salzburger Erklärung” des Institut de
               lichen Nutzung internationaler           Droit International von 1961,
               Wasserläufe (siehe 3.2.2)
             - Mechanismen zur Konflikt-              ƒ “Helsinki Regeln” der International
               schlichtung                              Law Association (ILA) von 1966 und
                                                      ƒ die Arbeit der Völkerrechtskommission
          c) Mögliche weitergehende                     der UN, die von 1974 bis 1994 an
             Kooperationsformen zum Schutz und          dem “Entwurf zur nicht-schifffahrt-
             zur Bewahrung von Wasser - verbes-         lichen Nutzung internationaler Was-
             serte internationale Zusammenarbeit        serläufe” arbeitete (1997 als Rahmen-
             über den engen Bereich des Nachbar-        konvention verabschiedet).
             schaftsrechts hinaus
                                                         Für grenzüberschreitende Oberflä-
                                                      chenwasser ist die völkergewohnheits-
             - Ramsar-Konvention “Überein-            rechtliche Geltung des Grundsatzes der
               kommen Feuchtgebiete mit

14
Stand der Diskussion

“ausgewogenen” und “vernünftigen”               bestehender Verträge verhandelt wer-
Nutzungsaufteilung weitestgehend                den: Konkretisierung der Regelung
anerkannt (Grundsatz der ausgewoge-             einer ausgewogenen Nutzungsauf-
nen und vernünftigen Nutzungsauftei-            teilung internationaler Gewässer
lung). Für Grundwasservorkommen, die            durch vertragliche Regelungen, die
im Austausch mit Oberflächenwasser              auf das spezifische Gewässer und die
stehen, ist die Geltung dieses Grund-           jeweiligen Anlieger abgestimmt sind.
satzes jedoch umstritten und für sonstige,      Die gewohnheitsrechtliche Regel gibt
abgeschlossene Grundwasser (confined            lediglich das Gebot der Verständi-
groundwaters) zu verneinen, da eine all-        gung vor und benennt einschlägige
gemeine Staatenpraxis nicht nachweisbar         Faktoren - ohne Gewichtung. Bei kon-
ist.                                            kreten Streitigkeiten stützen sich die
                                                Staaten oftmals argumentativ auf die
   Diese ausgewogene Aufteilung                 gewohnheitsrechtlichen Regeln, wie
korrespondiert mit dem Ausgleich der            sie durch die Arbeiten der Exper-
kollidierenden territorialen Souveräni-         tengremien herausgearbeitet wurden.
tätsrechte der Anlieger: Jeder Staat hat
grundsätzlich das Recht, von den auf         2. Nutzungsaufteilung muss nicht nur
seinem Staatsgebiet gelegenen Ressour-          ausgewogen, sondern auch “vernünf-
cen nach Belieben Gebrauch zu machen,           tig” sein. Dieses Kriterium der “ver-
aber zugleich die Pflicht, nicht in die         nünftigen“ Nutzung soll einzelne An-
Nutzung der Ressourcen eines anderen            rainerstaaten vor unangemessenen
Staates einzugreifen. Ausgewogenheit in         Forderungen anderer Staaten
der Nutzung grenzüberschreitender Ge-           schützen.
wässer bedeutet hier, dass die Anrai-        3. Für die Nutzungsaufteilung wird die
nerstaaten diese Rechte und Pflichten           Pflicht der Staaten zu einer “opti-
ausgleichen. Im konkreten Fall hängt            malen” Nutzung diskutiert, d.h. der
eine ausgewogene Nutzungsaufteilung             optimale Einsatz der Ressource hat
von den Umständen des Einzelfalls ab            umweltschonenden Charakter, da
Hierbei spielen unter anderem eine Rolle        nicht mehr Wasser als erforderlich
(keine Gewichtung der Faktoren,                 degradiert wird. In den “Helsinki-
unterschiedlich im Einzelfall):                 Regeln” von 1966 fehlt noch ein Hin-
ƒ Geographische Bedingungen des                 weis auf dieses Konzept, das erst in
  Gewässers                                     die Entwürfe der UN-Völkerrechts-
                                                kommission aufgenommen wurde
ƒ Bisherige, “historische”                      (Art. 5 Abs. 1). Der Grundgedanke
  Nutzungsaufteilung                            wurde aber schon auf der Stockhol-
                                                mer Konferenz über die menschliche
ƒ Ökonomische und soziale Bedürfnisse           Umwelt von 1972 diskutiert und dort
  der Anrainerstaaten                           als Empfehlung 51 des Aktionspro-
ƒ Zahl der von dem Gewässer                     gramms verabschiedet.
  abhängigen Menschen                           Das Verbot erheblicher grenzüber-
ƒ Kosten, die bei alternativer Deckung       schreitender Umweltbeeinträchtigungen:
  der ökonomischen und sozialen              Dies stellt eine zentrale Regel des völker-
  Bedürfnisse der Staaten entstünden.        rechtlichen Nachbarrechts dar. Demnach
                                             müssen Staaten dafür sorgen, dass von
1. Durch den Grundsatz der aus-              ihrem Gebiet aus keine erheblichen
   gewogenen Nutzung wird in der             Beeinträchtigungen für menschliches
   Praxis ein Rahmen abgesteckt, in dem      Leben und Gesundheit sowie für die von
   neue Verträge oder Änderungen             Menschen genutzten Gegenstände in

                                                                                               15
Stand der Diskussion

          einem anderen Staat verursacht werden.        Nationen sieht bei dem Beeinträchti-
          Dem Verbot liegt ein weiter Umweltbe-         gungsverbot in erster Linie Konsultatio-
          griff zugrunde, der nicht nur die Um-         nen vor Nur nachrangig und vorsichtig
          weltmedien erfasst, sondern auch (und         formuliert wird die Frage des Schadens-
          traditionell gesehen vor allem) die darauf    ersatzes angedeutet.
          basierenden menschlichen Tätigkeiten,
          wie zum Beispiel auch die land-                UN-Konvention über die nicht-
          wirtschaftliche und industrielle Nutzung      schifffahrtliche Nutzung
          des Wassers. Das Verbot schützt nicht die     internationaler Wasserläufe vom
          Ökologie eines Staates, sondern dessen        21.5.1997
          Souveränitätsinteressen, durch Sicherung      ƒ Fundierte Kodifizierung des geltenden
          der Unversehrtheit seiner Umwelt und             Gewohnheitsrechts auf Grundlage
          auch deren Bewirtschaftung. Dabei diffe-         des Entwurfs der Völkerrechtskommis-
          renzierte das Völkerrecht jedenfalls             sion, v. a. auf wirtschaftliche und
          herkömmlicherweise nicht, ob die ge-             sicherheitspolitische Fragen
          schützte Bewirtschaftung selbst die Um-          ausgerichtet
          welt beeinträchtigt, da dies in der Selbst-   ƒ Setzt weltweiten Mindeststandard, in
          verantwortung des Staates liegt. In bezug       dessen Rahmen Staaten zukünftig
          auf “grenzüberschreitend” bedarf es             durch Abschluss regionaler Verträge
          keiner gemeinsamen Grenze zwischen              zusammenarbeiten sollen
          den Staaten – Nachbarstaat ist jeder
          Staat, der von einer Umweltbelastung          ƒ Sehr gut an der UN-Konvention ist die
          betroffen werden kann. Für den Bereich          Festigung der Informations- und Kon-
          der Binnengewässer kommen deshalb               sultationspflicht bei grenzüber-
          alle Anrainerstaaten in Betracht.               schreitenden Umweltbelastungen und
                                                          der Kooperationspflicht bei der aus-
              Das Kriterium der “erheblichen”             gewogenen und vernünftigen Nut-
          Beeinträchtigung führt zu den größten           zungsaufteilung als völkergewohn-
          Anwendungsproblemen neben dem                   heitsrechtliche Regeln.
          Nachweis der Kausalität zwischen den
          Aktivitäten in einem Staat und der Beein-     ƒ Leider wurden nur zum Teil Ergebnisse
          trächtigung in einem anderen. Denn in           der Rio-Konferenz (insbesondere
          der Praxis werden in Konfliktfällen             Kapitel 18 der Agenda 21) berück-
          Kausalität, Erheblichkeit oder Zurechen-        sichtigt, aber immerhin in Artikel 5
          barkeit bestritten, nicht aber die Geltung      der Konvention wurde der Gedanke
          der Norm (Kunig, 1992). Schwierigkeit           der Nachhaltigkeit mit dem zentralen
          en bereitet die Konkretisierung des unbe-       Grundsatz der vernünftigen und aus-
          stimmten Rechtsbegriffs der “Erheb-             gewogenen Nutzungsaufteilung
          lichkeit”. Keine genauen Grenzwerte und         aufgeführt
          feste Abgrenzungskriterien können da-
                                                        ƒ Naturwissenschaftliche Zusammen-
          raus abgeleitet werden. Staaten sind im
                                                          hänge und Erkenntnisse erhalten
          Einzelfall auf Verhandlungen ange-
                                                          verstärkt Berücksichtigung: (Bsp.
          wiesen, um zu einer einvernehmlichen
                                                          Begriff “internationaler Wasserlauf”
          Lösung zu gelangen und diese informell
                                                          umfasst gesamtes Oberfächenwasser
          oder vertraglich festzulegen. Das Verbot
                                                          oder Grundwasser, das aufgrund
          der erheblichen grenzüberschreitenden
                                                          seiner physikalischen Beziehung eine
          Umweltbeeinträchtigungen ist also vor-
                                                          Einheit bildet und in der Regel im
          nehmlich als ein Gebot zu verstehen,
                                                          gemeinsamen Abfluss endet (vorher
          durch Verhandlung zum Interessenaus-
                                                          nur ein Fluss, etc. ohne Zuflüsse!).
          gleich zu finden (Kunig 1992). Die UN-
                                                          Trotzdem ist eine flexible Bestimmung
          Völkerrechtskommission der Vereinten
                                                          des Regelungsgegenstands auf der

16
Stand der Diskussion

  Grundlage der Konvention zu               ƒ Kooperative Bewirtschaftung des
  erlassende Verträge möglich (es kann        Gewässers,
  auch nur Teil des Wasserlaufs sein,
  Wasserlauf oder hydrographisches          ƒ Hochentwickeltes Instrument der
  Becken). Es gab viel Widerstand             integrierten Wasserbewirtschaftung.
  dagegen, gerade da dies weit-               Dabei ist dies nicht ein feststehendes
  reichende Folgen für wasserbauliche         Konzept, sondern ein auf der Basis
  Maßnahmen haben kann.                       des jeweils vorhandenen naturwissen-
                                              schaftlichen Erkenntnisstandes auf-
   Nicht abgedeckt durch die Konvention       bauendes Instrument mit dem
sind folgende Punkte:                         höchsten Integrationsniveau unter den
                                              beteiligten Staaten. Bestehende
ƒ Aufnahme geschlossener Grund-               Schutzregime werden den Erkennt-
  wasservorkommen in den Begriff des          nissen und Aufgaben nach angepasst.
  internationalen Wasserlaufes bzw. den
  des hydrographischen Beckens, den         Neue Verträge in Europa
  die CSD in ihren Arbeiten bevorzugt,         Übereinkommen über die Zusammen-
                                            arbeit zum Schutz und zur verträglichen
ƒ Berücksichtigung von angrenzenden         Nutzung der Donau von 1994
  Ökosystemen, insbesondere des
  küstennahen Meeresbereichs und von            Das Übereinkommen ist beispielhaft
  Feuchtgebieten,                           für den zur Zeit möglichen Regelungs-
                                            grad eines Vertrages über die gemein-
ƒ Aufnahme einer Schwarzen Liste von        same Gewässernutzung. Es orientiert sich
  hochgefährlichen Stoffen in die           an dem Gedanken einer möglichst
  Rahmenkonvention oder zumindest           schonenden Nutzung, bezieht sich auf
  der Auftrag zur Erarbeitung einer         das gesamte hydrologische Einzugs-
  solchen,                                  gebiet der Donau und soll darüber
ƒ Aufnahme des bewährten Vorsorge-          hinaus zur Verminderung der Belastung
  und des Verursacherprinzips               des Schwarzen Meeres beitragen. Ziel-
                                            vorgaben sind u. a. Verhütung bleiben-
ƒ Aufnahme der Verpflichtung zur            der Umweltschäden und der Schutz der
  Durchführung von Umweltverträg-           Ökosysteme; diese werden durch weit-
  lichkeitsprüfungen und                    reichende Instrumente flankiert. Dem
                                            Übereinkommen liegen das Vorsorge-
ƒ Mechanismen, die im Einzelfall die
                                            und das Verursacherprinzip zugrunde
  friedliche Konfliktlösung auf der Basis
                                            (Art. 2 IV). Vorgesehen ist u. a. die
  der Grundsätze fördern könnte.
                                            Errichtung einer ständigen gemeinsamen
Regionale Verträge                          Kommission (Art. 18f). Die durch den
   Diese Verträge zur Konkretisierung       Vertrag vorgesehene Verschmutzungs-
der gewohnheitsrechtlichen Regeln           bekämpfung reicht im Detail bis zu der
variieren sehr:                             Differenzierung einzelner industrieller
                                            Branchen und gefährlicher Stoffe über
ƒ vom einfachen Versprechen zur             die Festlegung von Emissionsbegren-
  Konsultation vor der Änderung des         zungen, die gemeinsam erarbeitet
  Nutzungsmusters,                          werden sollen (Art. 7 i.V.m. Anlage II).
                                            Hierzu sollen die Vertragsstaaten auch
ƒ Versprechen, nicht in die Wasser-
                                            gemeinsame Gewässergüteziele und -
  nutzung des anderen einzugreifen,
                                            kriterien erarbeiten oder die nationalen
ƒ Versuche, die Gewässer und ihre           harmonisieren (Art. 7 IV und Art. 9 I).
  Vorteile aufzuteilen,                     Weiterhin soll ein Inventar über die
                                            diffusen und punktförmigen

                                                                                           17
Stand der Diskussion

          Verschmutzungsquellen erstellt werden.      technischen und naturwissenschaftlichen
          Verfahrenspflichten sichern die für die     Forschungsbereich - entzogen haben.
          Erreichung der geplanten Maßnahmen          China hat 1993 den ersten seiner ge-
          notwendige enge Zusammenarbeit. Für         planten Dämme am Mekong, den Man-
          mögliche Meinungsverschiedenheiten ist      Wan-Damm, in Betrieb genommen,
          durch Anlage V ein Schiedsverfahren vor-    ohne die unteren Anlieger zu konsultie-
          gesehen. Gemäß Artikel 14 des Vertra-       ren (Chomchai, 1995). Die ökologischen
          ges ist außerdem die Weitergabe von         Folgen sind noch nicht absehbar. Vor
          Informationen über den Zustand und die      allem wird durch die mangelnde Zusam-
          Qualität des Fließgewässers an die Öf-      menarbeit der Oberanlieger die Wirk-
          fentlichkeit sicherzustellen. Das Donau-    samkeit der Kooperation der Unterlieger-
          Übereinkommen erinnert in seiner            staaten wesentlich entwertet und
          Ausgestaltung maßgeblich an das in          behindert.
          Helsinki unterzeichnete Übereinkommen
          zum Schutz und zur Nutzung grenz-           Internationale Zusammenarbeit
          überschreitender Wasserläufe und inter-
                                                      zum Schutz der Süßwasser-
          nationaler Seen vom 17. März 1992.
                                                      ressourcen
          Das gleiche trifft für die 1994 durch
          Frankreich, Belgien und die Niederlande         Die große Bedeutung des Süßwassers
          unterzeichneten Verträge über die Maas      für von einer Wasserkrise betroffene Re-
          und die Schelde zu. Das Helsinki-Über-      gionen wie deren großer Verbreitungs-
          einkommen wurde von der UN-Wirt-            grad sprechen für einen globalen Lö-
          schaftskommission für Europa (ECE)          sungsansatz. Neben der notwendigen
          erarbeitet und kann gewissermaßen als       Regelung von zwischenstaatlichen Kon-
          eine “Rahmenkonvention für den euro-        flikten um die Nutzungsverteilung bei
          päischen Bereich” bezeichnet werden.        grenzüberschreitenden Gewässern ist
                                                      auch die verstärkte internationale Zusam-
          Der neue Vertrag zum Mekong 1995
                                                      menarbeit zum Schutz und zur verbes-
             Auch in nicht europäischen Regionen
                                                      serten Nutzung sonstiger Süßwasser-
          wurde der Umweltschutz in zwischen-
                                                      ressourcen im weltweiten Maßstab
          staatlichen Verträgen aufgewertet. Die
                                                      erforderlich, durch:
          Anrainerstaaten des unteren Mekong –
          Kambodscha, Laos, Thailand und                - koordinierte interregionale
          Vietnam – haben am 5. April 1995 ein            Zusammenarbeit und
          Übereinkommen zur Zusammenarbeit              - gezielte und effektivere Unterstüt-
          für die nachhaltige Entwicklung des             zung der Staaten mit geringen Pro-
          Mekong geschlossen (ILM, 1995), das             Kopf-Einkommen mit erheblichem
          die seit 1957 bestehende Kooperation            Wassermangel (betroffen sind etwa
          neu ausrichten soll. Insgesamt wird dem         1,2 Milliarden Menschen; hier
          Umweltschutz in dem Vertrag ein hoher           droht Wassermangel zum entschei-
          Stellenwert eingeräumt. Fraglich ist            denden limitierenden Faktor ihrer
          jedoch, ob sich dieser Anspruch auch            sozio-ökonomischen Entwicklung
          ohne starke institutionelle Ausgestaltung       zu werden).
          des Gemeinsamen Ausschusses durch-
          setzen wird. Im Regelfall besteht für       ƒ Schon Ende der 70er Jahre haben
          Wasserentnahmen lediglich eine Notifi-        politische Entscheidungsträger das
          kationspflicht. Ein großes Hindernis ist      Ausmaß der Probleme in bezug auf
          auch der Umstand, dass die Anlieger des       die Wasserreserven erkannt: 1977
          oberen Mekong, China und Myanmar,             fand in Mar de la Plata (Argentinien)
          sich bisher jeglicher Zusammenarbeit mit      der 1. UN-Weltgipfel zum Thema
          den unteren Anliegern - außer im              Wasser statt; dadurch wurde Wasser

18
Stand der Diskussion

  plötzlich zum vordringlichen Anliegen      der CSD (Januar und April/Mai
  der internationalen Politik.               1998).
ƒ 1981-1990 wurde die “Internationale     ƒ Nicht rechtsverbindliche Leitlinie der
  Dekade für Trinkwasserversorgung          WHO von 1993 zu Richtwerten über
  und Abwasserreinigung” (im An-            Trinkwasserqualität, zu denen gehö-
  schluss an Mar de la Plata) von den       ren: ästhetische Werte, mikrobiolo-
  VN lanciert und koordiniert. Wichtig-     gische Kriterien, organische Ver-
  stes Ziel, bis zum Jahr 2000 jedem        schmutzung anzeigende Messgrößen,
  Menschen Zugang zu Trinkwasser zu         Gehalt partikulärer Substanz, stick-
  sichern, wurde nicht erreicht. Aber       stoffhaltige Komponenten, Salze,
  immerhin konnte 600-800 Millionen         organische Spurenstoffe wie Pestizide
  Menschen der Zugang zu Trinkwasser        und anorganische Spurenstoffe
  ermöglicht werden; daher 1998 auf x-      (Schwermetalle, radioaktive Substan-
  ter Weltkonferenz zum Thema Wasser-       zen). Diese Richtlinie kann lediglich
  ressourcen die Feststellung “L‘eau:       als Grundlage für die Entwicklung
  une crise imminente?”                     nationaler Standards im Sinne der
                                            Minimalanforderung gelten. Grenz-
ƒ Zwischen dem Erkennen des Problems        werte können nur eine relative Sicher-
  (1977) und 2000 gab es zahllose           heit vor Gesundheitsschäden bieten.
  internationale, kontinentale und          Gerade Ernährungszustand, Gesund-
  globale Konferenzen, Kongresse und        heitszustand und Alter können die
  Symposien zum Thema Wasser                Empfindlichkeit beeinflussen. Diese
  (vermehrt noch nach der Wasser-           Unwägbarkeit fordert völlige Abwe-
  Dekade; Bsp. 1997-2000, Petrella,         senheit bei bestimmten Substanz-
  2000, S. 42), fast alle mit Aktions-      gruppen (Cancerogene, fruchtbar-
  programmen, Projekten, Resolutionen       keitsschädigenden Stoffen, etc.).
  und Erklärungen. Dadurch wurde der        Zusätzlich sind auch begleitende
  Problemkreis im ganzen Ausmaß             Regelungen nötig (gutes Beispiel s.
  erkannt, ausgelotet, analysiert und       LAWA, 2000, S. 98).
  verstanden und dies hat auch bewirkt,
  dass nach neuen Konzepten und           ƒ 1997 sieht der UN-Generalsekretär
  Lösungen aktiv gesucht wurde (Bsp.        die Notwendigkeit, “einen Globalen
  Internationale und globale Organisa-      Konsens (Global Consensus) zu errei-
  tionen, die sich mit Wasser beschäf-      chen, der weit über das hinausreicht,
  tigen; Petrella, 2000, S.148/149).        was in den bestehenden Grundsätzen
                                            und Vereinbarungen zu den globalen
ƒ Vermehrte Aktivität z. T. wegen           Süßwasserressourcen enthalten ist,
  UNCED im Juni 1992 (Konzept der           denn er kam (in der vorgelegten und
  nachhaltigen Entwicklung verabschie-      gemeinsam mit den UN-Sonderor-
  det; Grundlage für globale Umwelt-        ganisationen erstellten “Comprehen-
  politik; Einführung “internationaler      sive Assessment of the Freshwater
  Tag des Wassers” 22.3.): Art. 18 der      Resources of the World”) zum Schluss,
  Agenda 21 macht globale Wasser-           es sei “illusorisch zu glauben, dass
  politik zum vordringlichem Thema,         durch irgendetwas unterhalb der
  hier umfassender Katalog von nicht-       Schwelle eines weltweiten Einsatzes
  bindenden Handlungsempfehlungen           (global commitment) ausreichende
  zum Schutz und zur verbesserten           Mittel zur Nachhaltigkeit bereitgestellt
  Nutzung von Wasserressourcen.             würden. Gerade weil Wasserkrisen
ƒ Wasser ist mittlerweile Hauptanliegen     zum Teil sehr drastisch sein können,
  bei der CSD; es gab auch zwei             hat die ganze Welt ein Interesse, sie
  Konferenzen über Wasser im Rahmen         zu verhindern.”

                                                                                            19
Stand der Diskussion

          ƒ 1996 wurde durch die Weltbank und       ƒ Kritik von NRO-Seite lag v.a. darin,
            anderen Organisationen (z. B. der         dass keine klare Zielvorgaben, Zeit-
            Vereinten Nationen) sowie durch pri-      pläne und finanzielle Zusagen ge-
            vate Unternehmen (z. B. Suez              macht wurden.
            Lyonnaise des Eaux) der “Weltwasser-
            rat” (World Water Council) gegründet    Empfehlungen des Beirats
            und die “Global Water Partnership”      zu Institutionellen Regelun-
            lanciert.
                                                    gen zur Lösung der Süß-
          ƒ Das “Global Water Partnership” hat      wasserkrise
            zum Ziel, die Zusammenarbeit öffent-
            licher und privater Instanzen (Unter-      Zur Unterstützung von Entwicklungs-
            nehmen) zu fördern, v. a. im Hinblick   ländern mit akuten oder potentiellen
            auf die Sparpolitik hinsichtlich der    Wasserkrisen empfiehlt der Beirat, dass
            Wasserressourcen.                       Deutschland den UN-Generalsekretär in
                                                    seinem Bemühen um einen Globalen
          ƒ Der Weltwasserrat hat eine gemein-      Konsens zu Süßwasserressourcen unter-
            same,, globale “Vision” entwickelt.     stützt. Laut WBGU sollte dieser globale
            Dabei wurde er durch das 1997 in        Konsens vier Funktionen erfüllen:
            Marrakesh stattfindende 1. Weltwas-
            serforum und durch die Weltwasser-      ƒ Information und Monitoring: Verbes-
            kommission unterstützt, die zur wei-      serte Information über den Status der
            teren Ausgestaltung der “Vision” 1999     globalen Wasserressourcen ein-
            geschaffen wurde. Zentrales Doku-         schließlich einer Bewertung über de-
            ment ist die “World Water Vision” –       ren “Kritikalität” sowie das fortlau-
            Vision für Wasser, Leben und Umwelt”.     fende Monitoring der Wasserpolitik
            Dieses Dokument spiegelt die Visio-       auf nationaler Ebene,
            nen für die nachhaltige Nutzung und
                                                    ƒ Konsultation: Verbesserte Konsultation
            Entwicklung der Wasserressourcen
                                                      der Staaten über verschiedene
            wieder, die verschiedene Gruppen
                                                      Lösungsansätze bei akuten Wasser-
            (Mitarbeit von ca. 15.000 Männern
                                                      krisen, einschließlich der verschieden-
            und Frauen auf lokaler, nationaler,
                                                      en Technologien der rationellen Was-
            regionaler und globaler Ebene) mit
                                                      sernutzung und des Gewässerschutzes
            verschiedenen Schwerpunkten (orien-
                                                      sowie der geeigneten Politikinstru-
            tiert an verschiedenen Bezugs- und
                                                      mente,
            Akteurgruppen, Regionen, Techniken)
            erarbeitet haben.                       ƒ Unterstützung: Verstärkte, auch vor-
                                                      beugende Unterstützung von Staaten,
          ƒ Dieses Dokument lieferte eine Dis-
                                                      denen eine Wasserkrise droht oder die
            kussionsgrundlage für das 2. Welt-
                                                      bereits akut von einer Wasserkrise
            wasserforum (Second World Water
                                                      betroffen sind, insbesondere durch
            Forum) vom 17. - 22. März 2000 in
                                                      Technologietransfer und
            Den Haag. Zum Abschluss des Fo-
            rums wurde ein Aktionsprogramm          ƒ Stärkung der Konfliktschlichtungs-
            “Framework for Action” für den nach-      mechanismen bei grenzüber-
            haltigen Umgang mit Süßwasser in          schreitenden Wasserkonflikten:
            den kommenden 25 Jahre,                   Verbesserte Vermittlung zwischen -
            verabschiedet.                            und Beratung von - Staaten, zwischen
                                                      denen ein Konflikt um die Nutzung
          ƒ Parallel dazu fand unter der Schirm-
                                                      grenzüberschreitender
            herrschaft der niederländischen Re-
                                                      Wasserressourcen besteht oder droht
            gierung eine Ministerkonferenz statt.     (Streitschlichtung, Mediation).

20
Stand der Diskussion

Institutionelle Lösungen für                 Konsens). Sehr wichtig dabei ist es die
Ausgestaltung des Globalen                   umweltpolitischen Standards integriert zu
Konsens                                      beachten und die Wirkungstiefe wasser-
                                             relevanter Vorhaben hinreichend auszu-
   Aufbauend auf diesen Konsens bieten       loten. Folgende Leitplanken empfiehlt
sich aus Sicht des WBGU mehrere              der Beirat:
institutionelle Lösungen an:
                                             1. Mindeststandards für die individuelle
ƒ Einigung der Staaten auf ein                  Grundversorgung mit Trinkwasser und
  zusätzliches Aktionsprogramm,                 Wasser bezogenen Hygieneleistungen
                                                festzulegen,
ƒ Vereinbarung einer Weltwassercharta,
  die völkerrechtlich nicht bindend,         2. die aus 1. resultierenden länder- und
  politisch aber verpflichtende Verhal-         kulturspezifischen Süßwasserbedürf-
  tensstandards für Staaten, zwischen-          nisse nach Quantität und Qualität
  staatliche Organisationen und nicht-          unter besonderer Berücksichtigung
  staatliche Verbände enthält, und              der Gesundheitsaspekte zu ermitteln,
ƒ Aushandlung eines völkerrechtlichen        3. Allgemeine Sicherheitsstandards im
  Übereinkommens zum Süßwasser-                 Hinblick auf wasserbedingte Natur-
  schutz (“rechtlich bindende Weltwas-          katastrophen,
  sercharta”) mit regelmäßigen
  Berichtspflichten, Konventions-            4. Ermittlung des geographischen und
  sekretariat, Expertenberatung und             soziopolitischen Vulnerabilitätsmusters
  verbesserter Finanzierung.                    und des resultierenden Vorsorgebe-
                                                darfs nach Maßgabe von 3.,
   Trotz aller denkbaren Vorteile die eine
völkerrechtlich bindende Rahmenkonven-       5. Vereinbarung internationaler Gerech-
tion zum Süßwasserschutz gegenüber              tigkeitsgrundsätze für den Zugang zu
den anderen hier vorgeschlagenen inter-         innerstaatlichen und grenzüberschrei-
nationalen Plattformen haben kann, hält         tenden Süßwasserressourcen,
der Beirat zur Zeit so eine Konvention als   6. Ermittlung des weltweiten Bestands an
politisch verfrüht. Eine bessere (v. a.)        fossilen Grundwasservorkommen,
schnellere Möglichkeit die gegenwärtige         sowie Erneuerungs- und Selbstreini-
Süßwasserkrise zu bewältigen, bietet            gungsraten rezenter Grundwasser-
vorerst eine nicht rechtlich, aber dafür        reservoirs,
politisch deutlich verpflichtende
Weltwassercharta.                            7. Erfassung und Klassifizierung des
                                                weltweiten Bestands an schützens-
   Für den weiteren Umgang mit Süß-             werten süßwasserdominierten oder -
wasser hat der Beirat (im Jahresgutach-         beeinflussten Ökosystemen,
ten 1997) das Leitbild der größtmögli-
chen Effizienz unter Beachtung der Ge-       8. Bestimmung der unter 7. identifizier-
bote von Fairness und Nachhaltigkeit            ten naturnahen Systeme im Hinblick
entwickelt.                                     auf Wassserdargebot, -qualität und –
                                                variabilität und
Leitplanken                                  9. Weiterentwicklung der Methoden zur
   Ein guter Umgang mit dem Wasser              integrierten Analyse und Bewertung
setzt voraus, dass soziokulturelle und          wasserrelevanter privatwirtschaftlicher
ökologische Leitplanken bestimmt                oder staatlicher Projekte
werden (mit Hilfe eines Globalen

                                                                                               21
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