Werde ich Deinen Job wegnehmen oder werden wir zusammenarbeiten?
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Automatisierung – kein Jobkiller Werde ich Deinen Job wegnehmen … … oder werden wir zusammenarbeiten? Juli 2018
Cover story Automatisierung – kein Jobkiller Rund 250 Jahre nach der ersten industriellen Revolution stehen wir offenbar an der Schwelle eines neuen Zeitalters der Automatisierung, das sich durch komplexe Roboter und künstliche Intelligenz auszeichnet. In dieser Ausgabe untersuchen wir die Auswirkungen der kommenden Automatisierungswelle für Arbeit- nehmer, Industrie und die Gesellschaft. Unsere Branchenanalysten sind der Ansicht, dass Roboter menschliche Arbeitskräfte voraussichtlich eher unterstützen werden, als diese zu verdrängen, und auch die historische und ökonomische Betrachtungsweise lässt diesen Schluss zu.
Konzept Editorial In den letzten Jahren habe ich auf das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, nie einen Hehl daraus gemacht, das sich mit dem Ende der 1980er Jahre etabliert dass meiner Meinung nach der hat, zurückblicken werden. Endlich gewinnen die Anstieg der globalen Erwerbs- Arbeitnehmer einen Teil der Lohnsetzungsmacht bevölkerung zwischen 1980 zurück. und 2015 die Hauptursache für Trotz dieser optimistischen Einschätzung bin niedrige Reallöhne, das niedrige Inflationsniveau, ich in fast jedem Kundengespräch, in dem ich die- hohe Unternehmensgewinne und sogar für die se Ansicht vertreten habe, auf eine entschiedene Zunahme des Populismus war. Verstärkt wurde Gegenmeinung gestoßen. Automatisierung und diese Entwicklung dadurch, dass sich China zum Robotik, so heißt es dann, würden die Situation ersten Mal seit Jahrhunderten für die Weltwirt- der Arbeitnehmer bald weiter verschlimmern. Die schaft geöffnet hat, womit eine riesige Welle bil- Menschen haben Angst davor, dass Löhne und liger Arbeitskräfte in den globalen Arbeitsmarkt Inflation strukturell niedrig bleiben. Diese Argu- gespült wurde. Dies hat den Abwärtsdruck auf mentation ist zwar nachvollziehbar, die Erfahrun- Löhne und Gehälter einer zunehmend globalisier- gen aus der Vergangenheit sprechen aber eher ten Arbeitnehmerschaft verstärkt. Das Wachs- dagegen. Die erste industrielle Revolution liegt tum der Erwerbsbevölkerung in den wirtschaft- 250 Jahre zurück, mit Beginn etwa 1765. In der lich bedeutendsten Regionen der Welt, auch Wirtschaftsliteratur ist zudem von einer zweiten in China, flacht jedoch ab, in den kommenden und dritten Revolution ab 1870 bzw. ab etwa 1969 Jahren und Jahrzehnten dürfte die Erwerbsbe- zu lesen. Derzeit stellt sich die Frage: Stehen wir völkerung voraussichtlich schrumpfen. Daher bin an der Schwelle einer vierten industriellen Revo- ich der Ansicht, dass wir eines Tages auf die Mit- lution, die durch Roboter und Automation geprägt te dieses Jahrzehnts als Wendepunkt in Bezug ist? Falls dies der Fall ist, wird diese Revolution Konjunkturzyklen wirken sich auf die langfristige Arbeitslosigkeit in den USA und Großbritannien Long-term aus unemployment is impacted – nicht by cycles „arbeitsplatzgefährdende“ not ‘labour-destroying’ industrial revolutions industrielle Revolutionen Beginn der 1. industriellen Revolution 2. 3. 4. 30 25 20 15 10 5 0 1755 1775 1795 1815 1835 1855 1875 1895 1915 1935 1955 1975 1995 2015 Großbritannien USA Quellen: Deutsche Bank, GFD
Konzept andere Auswirkungen für die Arbeitnehmer Unser Leitartikel befasst sich mit der makroöko- zeitigen als die vorherigen drei? Ein Blick auf die nomischen Sichtweise. Als roter Faden zieht sich Arbeitslosenzahlen großer Volkswirtschaften durch diese Ausgabe der Argumentationsstrang, für dieses Vierteljahrtausend legt nahe, dass die dass Roboter und Automatisierung menschliche endlosen (teils verblüffenden) Maßnahmen zur Arbeitskraft ergänzen und so die Welt verändern Einsparung menschlicher Arbeit keinen langfris- können. Sie werden das Gefüge der Arbeitswelt tigen strukturellen Einfluss auf die Arbeitslosen- nicht zerstören. Betrachten wir einmal folgende quote gehabt haben. Die Art der Tätigkeit mag Zahlen: 1907 gab es auf britischen Straßen sich verändern, was für die Betroffenen ver- 40.000 Autos. 1939 waren es bereits 2.000.000. ständlicherweise eine Belastung darstellt, doch Bis heute hat sich diese Zahl noch einmal ver- die Automatisierung dürfte neue Arbeitsfelder zehnfacht. Werden Roboter im 21. Jahrhundert schaffen und der wirtschaftliche Fortschritt der eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie das letzten 250 Jahre wird wohl anhalten. Wenn die Auto damals? Prognose zutrifft, dass weniger Arbeitnehmer Zur Einstimmung sind alle Artikel auf den Teil dieses Fortschritts sein werden, dürfte dies ersten Seiten kurz zusammengefasst. Wir wün- zu einem strukturellen Anstieg der Reallöhne schen Ihnen viel Freude bei der Lektüre dieser führen. Ausgabe. Im Herbst sind wir mit der nächsten Bei der kommenden Automatisierungs- Ausgabe wieder für Sie da – vorausgesetzt, wir Revolution bestehen einige Unterschiede. Die wurden bis dahin nicht von Robotern ersetzt. heutigen Roboter dienen eher der Automatisie- rung kognitiver Aufgaben als physischer Tätigkei- Jim Reid ten, wie in der Vergangenheit. Doch angesichts der zahlreichen historischen Belege, die für die Automatisierung sprechen, dürfte die Beweislast, dass es diesmal anders kommen könnte, eher bei den Skeptikern bezüglich der Wohlfahrtseffekte der Automatisierung liegen als bei denen, die die Automatisierung als einen Weg zur Verbesserung des Lebensstandards begrüßen. Daher fordern wir Sie auf, Ihren Kollegen Roboter, wenn schon nicht zu lieben, doch zu- mindest wertzuschätzen. In dieser Ausgabe von Konzept betrachten wir die Zukunft der Auto- matisierung aus verschiedenen Blickwinkeln. Wenn Sie Feedback geben oder mit den Verfassern in Kontakt treten möchten, wenden Sie sich bitte zunächst an Ihren Kundenberater der Deutschen Bank oder schreiben Sie an luke.templeman@db.com.
Konzept Inhalt 06 In Kürze 10 Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive – Automatisierung ist kein Jobkiller 18 Industrie 4.0 – Chance oder Bedrohung 22 Automatisierung in China – Der Überalterung ein Schnippchen schlagen 28 Machine Vision – 3D-Kameras haben schon die nächste Anwendung im Fokus 34 Automatisierung im Bergbau – Gerade erst in der Warmlaufphase 38 Klimawandel – Vollautomatisch in eine saubere Zukunft 42 Standorterhalt oder Abwanderung in Niedriglohnländer? 46 Robotersteuer und das Sozialsystem – Unterwegs nach Utopia 52 Wie passen Populismus und Automatisierung zusammen? 58 Freizeitproduktivität – Neue Bewertungskonzepte für den Tech-Boom 64 Von Robotern und Cobots – Wie Roboter Einzug in Schwellenländer halten 70 Japan – Vorreiter für komplexe Robotertechnologien
6 Konzept In Kürze Konzept 13
Konzept 13 In Kürze 7 ie Roboter von morgen aus wirtschafts D dürfte die Nachfrage nach Automatisierungstech- historischer Perspektive – Automatisierung nologien in absehbarer Zukunft steigen lassen. ist kein Jobkiller Man beachte, dass in China je 10.000 mensch- Jim Reid, Luke Templeman, Sahil Mahtani lichen Arbeitern nur 68 Roboter im Einsatz sind. In den letzten Jahren hat sich die Angst Selbst wenn China 30 bis 40 Prozent der welt- breitgemacht, dass Automatisierung Arbeits weiten Produktion im Robotiksektor übernimmt, plätze vernichtet und die Einkommen sinken lässt. würde es zehn Jahre dauern, bis das Land eine Für diese Bedenken gibt es, historisch betrachtet, Roboterdichte von 200 erreicht, und selbst damit jedoch kaum Belege. Durch Automatisierung würde China weiterhin weit hinter Japan und werden sowohl Arbeitsplätze vernichtet als auch Südkorea mit einer Dichte von 300 bzw. 600 geschaffen. Menschen haben sich seit jeher an zurückbleiben. Produktivitätssteigerungen angepasst und Wege gefunden, die maschinelle Arbeit zu ergänzen, achine Vision – 3D-Kameras haben schon M was zu einer Verbesserung des Lebens geführt die nächste Anwendung im Fokus hat. Es mag wohl stimmen, dass die Automatisie- Karen Lau rung zu einer Erosion der Mitte führt, sowohl im Wenn Roboter komplexere Aufgaben über Hinblick auf Arbeitsplätze als auch in Bezug auf nehmen sollen, benötigen sie auch ein High-Tech- Löhne und Gehälter, und gewiss ist das allge Augenpaar. Es handelt sich dabei um Kameras, meine Gehaltswachstum nicht so stark, wie viele die eine dreidimensionale Bilderfassung ermög- es sich wünschen. Doch der sinkende Anteil lichen und so das maschinelle Sehen auf ein ganz der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen ist neues Niveau heben. Mit dem rund Zehnfachen eher auf den Aufstieg Chinas, die zunehmende des Preises einer Kamera für zweidimensionale Konsolidierung der Märkte und teure Immobilien Bilder ist diese Technologie nicht ganz billig. In zurückzuführen als auf die Automatisierung. Kombination mit Deep Learning-Technologien ermöglicht sie jedoch den Robotern, Aufgaben zu Industrie 4.0 – Chance oder Bedrohung übernehmen, bei denen Objekte keine standar- Felicitas von Bismarck disierte Form haben. Gesichtserkennung ist ein Anleger schwärmen häufig von den Effi wichtiger Anwendungsbereich, das Aussortieren zienzsteigerungen, die die Autobranche über defekter Produkte ein weiterer. Diese Technologie die letzten Jahrzehnte durch Automatisierung kommt insbesondere in der Landwirtschaft zum erfahren hat. Man darf hier allerdings nicht dem Einsatz, wo es stark abweichende Erzeugnisse zu Irrtum erliegen, dass sich diese Erfolgsgeschich- identifizieren gilt. te so einfach eins zu eins auf andere Branchen übertragen lässt. Betrachten wir zum Beispiel die Automatisierung im Bergbau – Lagertechnik in der Logistik. Der E-Commerce- Gerade erst in der Warmlaufphase Boom hat die Nachfrage nach durchdachten Matthew Greene und effizienten Logistiklösungen enorm steigen Der traditionelle Bergbau mit der Spitz lassen. Der eigentliche Automatisierungsgrad in hacke weicht zunehmend dem wie ein Videospiel den meisten Lagerhäusern ist jedoch noch über- anmutenden automatisierten Bergbau, bei dem raschend gering – es ist häufig einfach zu teuer fahrerlose Lastwagen und automatisierte Geräte oder strukturell nicht zu rechtfertigen, die be- von Technikern in klimatisierten Büros in weit stehende Infrastruktur durch modernste Robotik entfernten Städten ferngesteuert werden. Diese zu aktualisieren. Die Maschinenbauer werden Entwicklung steckt jedoch noch in den Kinder- verstärkt auf mehr sensorengestützte Dienste wie schuhen und es werden vermutlich noch Jahre z.B. die eigentliche Datenanalyse setzen müssen, vergehen, ehe sie Normalität wird. Die Vorlaufkos- um mehr ihrer Kunden zu überzeugen. ten sind hoch und der Automatisierungsprozess sorgt im laufenden Bergbaubetrieb für Störungen utomatisierung in China – Der Über A und Rentabilitätseinbußen. Paradoxerweise könnte alterung ein Schnippchen schlagen ein Einbruch der Rohstoffpreise oder eine starke Zhiwei Zhang und Yi Xiong Konjunkturabkühlung in China die Entwicklung hin Die chinesische Erwerbsbevölkerung zum automatisierten Bergbau beschleunigen. schrumpft und die Lohnkosten steigen weiter. Das Land setzt daher verstärkt auf Automatisie- rung und Robotik, um seine Position im industri ellen Wettbewerb zu sichern. Das Land hat noch einen weiten Weg vor sich und der Rückstand gegenüber den weiter entwickelten Ländern
8 Konzept Klimawandel – ie passen Populismus und Automatisie- W Vollautomatisch in eine saubere Zukunft rung zusammen? Caroline Cook und Tim Rokossa John Tierney Automatisierung bildet den Kern der Ent- In den letzten Jahren sind in einigen Ländern wicklung weg von fossilen Brennstoffen. Und populistische Regierungen an die Macht gekom- dies nicht nur durch die Unterstützung der Tech men. Obwohl sich diese Regierungen vorgeblich nologie, sondern auch als Katalysator dafür, dass für verdrängte Arbeitnehmer einsetzen, steht die neuen technischen Möglichkeiten auch ge- Populismus nicht zwangsläufig in Widerspruch zu nutzt werden und wachsende Verbreitung finden. Automatisierung. So haben sich viele Populisten Zum einen kann durch automatisierte Sensoren, sogar auf die Fahnen geschrieben, der breiten die mit dem Internet der Dinge verbunden sind, Masse Zugang zu den Vorteilen der Industrialisie- die absolute Nachfrage nach Energie reduziert rung und Automatisierung zu verschaffen. Sollte werden. Zudem könnte durch die Technologie die das Problem der Jobverluste jedoch zunehmen, Nutzung autonomer Elektrofahrzeuge zunehmen, muss unbedingt die Produktivität steigen, damit da ein Auto im Durchschnitt nur etwa fünf Pro- ausreichend Steuereinnahmen und finanzieller zent der Zeit überhaupt genutzt wird. Um dies zu Spielraum vorhanden sind, um die freigesetzten fördern und den Menschen den Verzicht auf ein Arbeitskräfte zu unterstützen. Die neue Auto- eigenes Auto zu erlauben, muss es eine Plattform matisierungswelle könnte dazu beitragen, das geben, über die Fahrzeuge zu verschiedenen Produktivitätswachstum zu steigern, das seit Zwecken angefordert werden können. mehreren Jahrzenten hinter den historischen Werten zurückbleibt. tandorterhalt oder Abwanderung in S Niedriglohnländer? reizeitproduktivität – Neue Bewertungs F John Chou konzepte für den Tech-Boom Angesichts der steigenden Lohnkosten in Dominic Konstam vielen Schwellenländern sehen sich die weltweit Das Bruttoinlandsprodukt mag die gängige größten Bekleidungsunternehmen gezwungen, Kennzahl für das wirtschaftliche Wohlergehen ihre Produktion zunehmend in Billiglohnländer sein. Ein breiter ausgelegter Indikator ist jedoch zu verlagern. Auch über die Aussichten auf ein die ökonomische Wohlfahrt, bzw. die Summe aus Reshoring, also die Rückverlagerung von Pro- BIP und Konsumentenrente – der Differenz zwi- duktionsstätten, wird häufig gesprochen, da die schen dem Preis, den ein Verbraucher tatsächlich jüngsten Entwicklungen in der Automatisierung für ein Gut bezahlt, und dem Preis, den er dafür zu den Bedarf an Arbeitskräften in der Produktion zahlen bereit wäre. Automatisierung und verstärk- sinken lassen. Dass Unternehmen in großem ter Technologieeinsatz haben Unternehmen in die Umfang von ihren bestehenden Standorten ab- Lage versetzt, Profile ihrer Kunden zu erstellen wandern, ist jedoch unwahrscheinlich. und so ihre Zahlungsbereitschaft zu bestimmen. Auf diese Weise können sie die Konsumenten- obotersteuer und das Sozialsystem – R rente als Unternehmensgewinne abschöpfen. An- Unterwegs nach Utopia gesichts derartiger Bedenken verliert man jedoch Sebastian Becker nur allzu leicht die Tatsache aus dem Blick, dass Wie schon bei früheren Automatisierungs- Automatisierung und technologischer Fortschritt wellen hinterfragt die Gesellschaft derzeit zurecht, voraussichtlich zu einer erheblichen Steigerung ob der im Zuge der Automatisierung entstehende des allgemeinen Wohlstands und einer deutlichen Wohlstand auch tatsächlich der gesamten Gesell- Verbesserung der Freizeitqualität führen werden. schaft zugutekommt oder nur einigen wenigen. In dem Maße, in dem es nicht zu einer Abschöp- Für den letzteren Fall haben Unternehmenslenker, fung der Konsumentenrente kommt, kann dieses Ökonomen und Politiker bereits die verschiedens- Konzept unter anderem Vorzeichen neu gedacht ten Konzepte, die für eine gleichmäßigere Ein- werden. Hierfür verwenden wir den Begriff kommensverteilung sorgen könnten, in den Raum „Freizeitproduktivität“. geworfen. Eine Robotersteuer könnte die Auto- matisierung bremsen, während durch ein bedin- gungsloses Grundeinkommen sichergestellt wer- den könnte, dass verdrängte Arbeitnehmer nicht in Armut enden. Beide Konzepte haben jedoch auch gravierende Nachteile, die sich negativ auf die Produktivitätsentwicklung auswirken und den Fachkräftemangel weiter verschärfen könnten.
Konzept 13 In Kürze 9 on Robotern und Cobots – Wie Roboter V Einzug in Schwellenländer halten Michael Spencer Viele Menschen denken bei dem Wort Robo- ter an riesige Industriemaschinen in Werkshallen. „Cobots“ sind eine neue Generation von Robo- tern, die entwickelt wurden, um in der unmittel- baren Nähe von und gemeinsam mit Menschen zu arbeiten. Die asiatischen Länder und insbe- sondere China nehmen hinsichtlich Cobots eine Vorreiterrolle ein und die frappierenden Parallelen zur Entwicklung des Smartphones lassen darauf schließen, dass kostengünstige Cobots zu einem Technologiesprung in den Schwellenländern füh- ren könnten, der möglicherweise die Produktivität und das Produktionswachstum ankurbeln wird. Die Verbreitung der Robotik stellt also ent- gegen der weitläufigen Meinung keine Bedro- hung für die Schwellenländer dar, sondern viel- mehr eine Chance für die künftige Entwicklung. Japan – Vorreiter für komplexe Robotertechnologien Takeshi Kitaura Japan hat sich am rasch wachsenden Markt für Industrieroboter, für den in den kommenden Jahren ein jährliches Wachstum von 16 Pro- zent prognostiziert wird, an die Spitze gesetzt. Dennoch ist Japan das einzige Land, in dem die als Zahl der Roboter im Verhältnis zur Zahl der Arbeitskräfte gemessene Roboterdichte seit der Finanzkrise rückläufig ist. Paradoxerweise ist der Grund für diese Entwicklung, dass Japan weitaus produktivere Roboter entwickelt hat. In China steigt mit der Umsetzung der „Made in China 2025“-Strategie der Bedarf an Robotern noch weiter und Japan steht als wichtiger Exporteur entsprechender Technologien bereits in den Startlöchern.
10 Konzept Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive – Automatisierung ist kein Jobkiller Die Angst vor Robotern, die Arbeitsplätze vernichten, hat eine lange Geschichte. Bereits 1589 verweigerte Königin Elisabeth I. einem Er- finder ein Patent auf eine mechanische Strick- maschine, da sie befürchtete, die Strickerinnen würden durch die Maschine arbeitslos werden. Rund 400 Jahre später ist die Angst der Königin immer noch gegenwärtig. Kein Tag vergeht ohne Presseartikel über die Zukunft der Arbeit, die wachsende Verbreitung prekärer Lebensverhält- nisse und stagnierende Löhne. Kern der Befürch- tungen ist, dass wir an der Schwelle zu einer neuen Ära stehen, in der Roboter nicht nur die physische Arbeitskraft des Menschen ersetzen Anteil der US-Arbeitnehmer, die mangels Perspektive nicht aktiv einen Arbeitsplatz suchen Anteil der US-Arbeitnehmer, die mangels Perspektive nicht aktiv einen Arbeitsplatz suchen 0,6% 0,5% 0,4% 0,3% 0,2% 0,1% 0,0% 1994 1999 2004 2009 2014 Quellen: Haver Analytics, Deutsche Bank Jim Reid, Luke Templeman, Sahil Mahtani
Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive 11 wie im 19. und 20. Jahrhundert, sondern auch 25-Jahres-Durchschnitts. Dies deutet darauf hin, kognitive Fähigkeiten entwickeln, sodass immer dass die Erwerbsbevölkerung sich bislang nicht weniger Aufgaben für den Menschen bleiben. von der Automatisierung entmutigen lässt. Diese weit verbreitete Meinung steht in star- Doch gibt es auch Gründe für eine Automa- kem Kontrast zu der von Historikern und Ökono- tisierungsphobie, die einer realistischen Betrach- men vertretenen Ansicht. Auch wenn sich diese tung standhalten? Auch wenn die Zeit grund- beiden Gruppen sonst eher uneins sind, herrscht sätzlich für sie arbeitet, ist es doch verständlich, in dieser Frage Einigkeit. Die einhellige Meinung dass Arbeitnehmer Angst davor haben, dass ihre lautet: Statt Arbeitsplätze zu vernichten, schafft Arbeitsplätze wegrationalisiert werden oder sie Automatisierung bessere Jobs, statt Löhne und in neuen Arbeitsverhältnissen schlechter bezahlt Gehälter zu drücken, sorgt Automatisierung für werden. Begründen ließen sich diese Ängste mit Lohnzuwächse. Da Automatisierung also viel bes- Daten, die zeigen, dass die Reallöhne seit Jahren ser ist als ihr Ruf, sollte man sie nicht verteufeln. stagnieren. Auch angesichts der vielen Berichte Unserer Ansicht nach ist diese Argumenta- über neue Entwicklungen in den Bereichen tion durchaus überzeugend, da im Zuge der Auto- Robotik und künstliche Intelligenz in den Medien matisierung Arbeitsplätze entstehen, die die von scheinen diese Ängste durchaus eine gewisse Robotern übernommenen Tätigkeiten ergänzen. Berechtigung zu haben. Und schließlich gibt es Anders ausgedrückt: Mit jeder Maschine, die auch volkswirtschaftliche Studien, die zu dem erfunden wird, wird der Mensch leistungsfähiger. Ergebnis kommen, dass zwischen einem Drittel Ein Finanzanalyst beispielsweise kann mit Micro- und der Hälfte aller Arbeitsplätze in naher Zukunft soft Excel oder Python ganz anders arbeiten. automatisiert werden könnten. Zumindest sollte klar sein, dass einige der In der Auseinandersetzung mit der Behaup schlimmsten Befürchtungen beim Thema Auto- tung, die Hälfte aller Arbeitsplätze könnte durch matisierung jeder Grundlage entbehren. In vielen Automatisierung, Roboter und künstliche Intelli- westlichen Ländern ist die Arbeitslosigkeit trotz genz vernichtet werden, sollte man zunächst die zunehmender Automatisierung und Technologi- Annahmen prüfen, die diesen erschreckenden sierung auf den niedrigsten Stand seit mehreren Zahlen zugrunde liegen. In einer OECD-Studie Jahrzehnten gesunken. wurde kürzlich argumentiert, dass die meisten Würden Roboter tatsächlich zu einer end- durch Automatisierung gefährdeten Arbeitsplätze gültigen Vernichtung von Arbeitsplätzen führen, mit zentralen Anforderungen noch immer weit wäre die Arbeitslosigkeit deutlich höher. Immer- außerhalb der Möglichkeiten einer Automatisie- hin gibt es das Phänomen „Automatisierung“ in rung liegen. In komplexen sozialen Beziehungen der einen oder anderen Form bereits seit min- zu stehen, kreativ zu sein oder in einem unstruk- destens hundert Jahren. Beschäftigungsquoten, turierten Arbeitsumfeld zu arbeiten, wird weiter- die einen breiteren Blick auf Arbeitslosigkeit hin nur Menschen möglich sein. Die OECD-Studie ermöglichen als herkömmliche Maße, sind in den basiert auf aktuellen Daten, bei denen die Unter- OECD-Ländern seit der Finanzkrise rückläufig, schiede zwischen Arbeitnehmern mit derselben jedoch nicht niedriger als zu Beginn der 1990er Jobbezeichnung berücksichtigt wurden, was die Jahre (in einigen Ländern sind sie sogar gestie- Ergebnisse glaubhaft macht. Unter Berücksichti- gen; die britische Beschäftigungsquote hat den gung dieses Aspekts werden in den kommenden höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen Jahren aller Voraussicht nach nur neun Prozent 1971 erreicht). der Arbeitsplätze in den OECD-Ländern durch In den USA liegt die natürliche Arbeitslosen- Automatisierung verloren gehen. Automatisierte quote im Bereich ihres Allzeittiefs. Die Erwerbs- Abläufe werden also die menschliche Arbeitskraft beteiligung ist in den letzten zwanzig Jahren zwar eher ergänzen als ersetzen und Arbeitnehmer von 67 auf 63 Prozent gesunken, der Anteil der produktiver machen. Menschen, die mangels Perspektive nicht aktiv Exemplarisch wird dies an einer Entwick- einen Arbeitsplatz suchen, liegt bei der Bevölke- lung in Großbritannien deutlich: Dort hat sich der rung über 16 Jahren jedoch nur bei 0,18 Prozent. Anteil der Buchhalter an der Erwerbsbevölkerung Diese Quote ist seit der Finanzkrise kontinuier- laut Schätzungen von Deloitte in den letzten lich gefallen und liegt nun im Bereich ihres vierzig Jahren trotz der enormen Fortschritte
12 Konzept Veränderung der Beschäftigtenanteile in Berufen mit niedrigen, mittleren Changes in occupational employment shares in low, middle and high wage occupations in 7 EU countries, und hohen Löhnen und Gehältern1993-2010 in 7 EU-Ländern, 1993-2010 15 10 5 0 Österreich Frankreich Deutschland Italien Niederlande Spanien Großbritannien -5 -10 -15 niedriges Lohnniveau mittleres Lohnniveau hohes Lohnniveau Quelle: Goos, Manning und Salomons (2014, Tabelle 2) Anmerkungen: Berufsgruppen mit hohen Löhnen und Gehältern sind Führungskräfte in Unternehmen; Physiker, Mathematiker und Ingenieurwissenschaftler; Biowissenschaftler und Mediziner; sonstige Fachkräfte; Leiter kleiner Unternehmen; sonstige Fachkräfte in den Bereichen Physik, Mathematik und Ingenieur- wesen; sonstige Fachkräfte; sonstige Wissenschaftler und verwandte Berufe. Berufe mit mittlerer Bezahlung sind Bediener stationärer und verwandter Anlagen; Metallarbeiter, Mechaniker und verwandte Berufe; Fahrzeugführer und Bediener mobiler Anlagen; Büroangestellte ohne Kundenkontakt; Präzisionsarbeiter, Kunst- handwerker, Drucker und verwandte Berufe; Mineralgewinnungs- und Bauberufe; Büroangestellte mit Kundenkontakt; Maschinenbediener und Montierer sowie andere Handwerks- und verwandte Berufe. Niedriglohnberufe sind Hilfsarbeiter im Bergbau, Baugewerbe, Verarbeitenden Gewerbe und Transportwesen; perso- nenbezogene Dienstleistungsberufe und Sicherheitsbedienstete; Models; Verkäufer und Vorführer; Hilfsarbeitskräfte im Verkaufs- und Dienstleistungsbereich. bei Automatisierung und Technologie in diesem an die kognitive Leistungsfähigkeit stellen. Trotz Sektor verdoppelt. der Fortschritte im Bereich künstliche Intelligenz Natürlich können Negativeffekte bei Unter- sind Maschinen hier immer noch kein adäquater gruppen in den aggregierten Zahlen verschwin- Ersatz. den. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Von der Automatisierung am stärksten Zum einen, weil bei vielen Arbeitsplätzen, die nur betroffen sind die Berufsgruppen mit mittlerer eine geringe Qualifizierung erfordern und von Qualifikation. So zeigen beispielsweise offizielle stärker von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen Statistiken, dass seit 2000 sieben Prozent der in der Gesellschaft besetzt werden, eine Auto- Arbeitsplätze in Verkauf und Büro (klassische matisierung gar nicht zur Debatte steht. In den Berufe der mittleren Qualifikationsebene) verloren meisten Phasen seit 1979 haben Berufe mit gerin- gegangen sind. Das Stellenangebot im Dienst- ger Qualifizierung sogar ein höheres Wachstum leistungssektor (tendenziell Arbeitsplätze für beim Beschäftigtenanteil erfahren als alle anderen Geringqualifizierte) sowie in Führungspositionen Berufsgruppen, mit Ausnahme der am höchs- (tendenziell Arbeitsplätze mit hohen Qualifika- ten qualifizierten. In Europa beispielsweise sind tionsanforderungen) hat hingegen um 27 bzw. zwischen 1993 und 2010 die Beschäftigtenzahlen 36 Prozent zugenommen. Angesichts dieser in den Berufen am unteren und oberen Rand des Erosion der Mitte sind mehr Arbeitnehmer auf Lohn- und Gehaltsspektrums in nahezu jedem der Qualifikationsleiter nach oben geklettert als Land gestiegen. Verlierer waren hingegen die Be- abgerutscht. rufe im Mittelfeld. Doch drücken höhere Beschäftigtenzahlen Dies bedeutet, dass zumindest geringer im Niedriglohnsegment nicht das Lohnniveau? qualifizierte Beschäftigte ihre Arbeitsplätze Dies ist eine sehr brisante Frage, insbesondere vermutlich nicht aufgrund von Automatisierung wenn die Erosion der Mitte zu einer Spreizung des verlieren werden. Das andere Ende des Spek Lohnspektrums führt. Das Bild ist jedoch weitaus trums bilden Menschen, die in hochqualifizierten gemischter. Berufen arbeiten. Auch diese haben wenig von Zwar hinkt die Lohnentwicklung im unters- der Automatisierung zu befürchten, da sie in ten Quintil durchaus der im obersten Quintil Funktionen tätig sind, die hohe Anforderungen hinterher. Zwischen 1979 und 2016 sind die realen
Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive 13 Technologie und Automatisie- rung spielen zwar eindeutig eine wichtige Rolle für das aktuelle Wirtschaftswachstum, die Zahlen zum Kapitalstock deuten jedoch darauf hin, dass der jüngste Rückgang der Lohnquote nicht auf diese beiden Faktoren zurückgeführt werden kann. Stundenlöhne für die untersten 20 Prozent um Berufsgruppen-Perzentilen, ist der Konzentra- ein Prozent gesunken, für die obersten 20 Prozent tionseffekt weniger stark als bei den Lohngrup- hingegen um 27 Prozent gestiegen. pen-Perzentilen, da sich die Spitzenverdiener auf Differenziert man nach Berufsgruppen-Per- verschiedene Berufsgruppen verteilen. zentilen, wird das Bild jedoch deutlich nuan- Selbst wenn man die Automatisierung für cierter. Arbeitsökonom David Autor ordnete alle den beobachteten Lohnrückgang bei Berufen Berufe nach ihrem anfänglichen Qualifikations- mittlerer Qualifikation verantwortlich machen niveau, gemessen an den durchschnittlichen wollte, ist nicht von der Hand zu weisen, dass es Stundenlöhnen für 1979, von unten nach oben in in den Jahren von 1980 bis 2015 außerordent- 100 Perzentile. Dann verfolgte Autor die Verände- liche Sondereffekte gab: Chinas Reintegration rungen der Löhne und Gehälter in den folgenden in die Weltwirtschaft, der Zusammenbruch der Jahrzehnten. Während Löhne und Gehälter in Sowjetunion und die wirtschaftliche Liberalisie- den mittleren Berufsgruppen grundsätzlich lang- rung in Indien seit 1991. Das Zusammenspiel samer stiegen als im obersten Quintil, waren die dieser drei Faktoren hat mehr als eine Milliarde Lohnzuwächse im untersten Quintil in den Jahren billige Arbeitskräfte in die globale Wirtschaft zwischen 2007 und 2012 sowie zwischen 1989 gespült, den Wettbewerb am Arbeitsmarkt und 1999 sogar stärker. Anders ausgedrückt: Die verschärft und alles in allem die Löhne sinken mittleren Berufsgruppen blieben zwischen 1979 lassen. In den oben genannten Daten den Effekt und 2016 gegenüber dem obersten Quintil be- der Automatisierung zu isolieren, gestaltet sich sonders stark zurück, die Berufsgruppen am unte- daher schwierig. Zumal die in die Weltwirtschaft ren Ende der Skala verzeichneten hingegen nur integrierte erwerbsfähige Bevölkerung Chinas manchmal geringere relative Lohnzuwächse. Wie in etwa der gesamten Erwerbsbevölkerung der lässt sich dieser Unterschied erklären? Betrachtet weiter entwickelten Welt zusammengenommen man das Wachstum der Löhne und Gehälter nach entsprach. Diese enorme Angebotsausweitung
14 Konzept Erwerbsbevölkerung in den entwickelteren Volkswirtschaften (More Developed World, MDW) und China (in Mio.) 2.000 15-64 J. MDW+China 15-64 J. MDW+China (China vor 1980 als geschlossene Volkswirtschaft) 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 - 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Quellen: Deutsche Bank, UN Population Division am Arbeitsmarkt hat zweifellos zu dem Rück- Befürchtungen einer zunehmenden Polari- gang beim Anteil des Produktionsfaktors Arbeit sierung der Gesellschaft nach Berufsqualifikation an der Wirtschaftsleistung in vielen Teilen der erscheinen daher überzogen. Zwar vollzieht sich entwickelten Welt beigetragen. Dies war jedoch in der Tat ein Wandel bei den Berufen mit mittle- ein Einmaleffekt und letztendlich dürfte sich die rer Qualifikation, die Lohnzuwächse am unteren Globalisierung in den kommenden Jahren als Rand des Spektrums sind jedoch größer als in Wachstumsfaktor erweisen, wenn das globa- allen anderen Gruppen, außer am oberen Rand. le Angebot an Arbeitskräften zu schrumpfen Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird die Lücke beginnt. Tatsächlich wird die Erwerbsbevölkerung zur Mitte nicht größer werden, sondern sich Chinas zwischen 2015 und 2050 um rund 250 wieder schließen. Mio. Menschen schrumpfen. Ein Blick in die Geschichte liefert weitere Vor diesem Hintergrund erscheint die unter- Anhaltspunkte dafür, warum die Theorie von der durchschnittliche Entwicklung der Löhne und ewigen Proletarisierung mit Vorsicht zu genießen Gehälter in den Berufsgruppen mit mittlerer Qua- ist. Diese besagt, dass Automatisierung zwar zu lifikation wenig verwunderlich und die überdurch- einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Pro- schnittliche Entwicklung bei Berufen geringer duktivität führen mag, aber Löhne und Gehälter Qualifikation in den USA umso bemerkenswerter. stagnieren lässt und die Einkommensungleich- Autor hält die überdurchschnittlichen Lohnzu- heit verstärkt, da die Gewinne zunehmend den wächse bei geringer qualifizierten Arbeitnehmern Kapitaleigentümern zufließen. im Vergleich zu Arbeitnehmern mit mittlerer Dieses Phänomen wurde erstmals 1845 Qualifikation aufgrund der Einkommenselastizi- von Friedrich Engels in seinem Werk über „Die tät der Nachfrage nach manueller Arbeitskraft Lage der arbeitenden Klasse in England 1844“ für ein durchaus erwartbares Phänomen. Wenn beschrieben: „Die Lage der arbeitenden Klasse, also die Automatisierung in einigen Bereichen das heißt die Lage der ungeheuren Majorität des zu einem Anstieg der Einkommen führt, hat dies englischen Volks, die Frage: Was soll aus diesen eine entsprechende Steigerung der Nachfrage besitzlosen Millionen werden, die heute das ver- nach Dienstleistungen und damit auch des Lohn- zehren, was sie gestern verdient haben, [...] diese niveaus in diesem Bereich zur Folge. Wo auch Frage ist seit der Reformbill die nationale Frage immer die Ursachen für diese Entwicklung liegen geworden. [...] Aber bei alledem will die englische mögen, Fakt ist, dass genau dies geschieht. Mittelklasse und namentlich die fabrizierende, die
Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive 15 aus der Not der Arbeiter sich direkt bereichert, befasste, fiel ihm auf, dass der Faktor Kapital in nichts von dieser Not wissen.“ der ersten Phase der industriellen Revolution – Mitte des 19. Jahrhunderts schien diese Be- Engels' pause – im Vergleich zum Faktor Arbeit obachtung mehr oder weniger den Tatsachen zu nur einen geringen Stellenwert hatte, in der Phase entsprechen. In all den Jahren seines noch jungen des Lohn- und Gehaltswachstums jedoch an Be- Lebens – Engels war erst 25, als er über die Lage deutung gewann. der englischen Arbeiterklasse schrieb – ist die Nach Auffassung von Allen war dies auf Arbeitsproduktivität in Großbritannien stärker die geringe Substitutionselastizität von Kapital gestiegen als das Lohnniveau. Zwischen 1760 und Arbeit in der ersten Phase der industriellen und 1800 stiegen die Reallöhne in Großbritannien Revolution zurückzuführen. Anders ausgedrückt nur langsam (0,39 Prozent pro Jahr), gleiches galt gab es in dieser Phase nicht genügend Spielraum jedoch auch für die Arbeitsproduktivität (0,26 für Investitionen. Trotz der sinkenden Preise für Prozent). Produktionsfaktoren wie Baumwolle und Energie Zwischen 1800 und 1830 führten jedoch die waren die Produktionsprozesse auf der Ebene berühmten Erfindungen der industriellen Revo- der einzelnen Fabriken noch nicht reif für die lution zu einem Anstieg der Arbeitsproduktivität Massenproduktion. auf 0,63 Prozent, während die Reallöhne stag- Erst später wurden zusätzliche Investitionen nierten. Zwischen 1830 und 1860 kletterte die in den Kapitalstock getätigt, was sich in steigen- Arbeitsproduktivität auf 1,12 Prozent und auch die der Produktivität der Fabrikarbeit niederschlug. Reallöhne begannen schließlich zu steigen, auf Damit begann der Siegeszug der Fabriken, die ein Reallohnwachstum von 0,86 Prozent pro Jahr. in großem Maßstab Handwerksbetriebe ver- Erst danach, zwischen 1860 und 1900, waren die drängten. Bis 1850 hatte sich Großbritannien zur Reallohnzuwächse mit 1,61 Prozent dann höher „Werkstatt der Welt“ entwickelt. In dieser Zeit als das Produktivitätswachstum mit 1,03 Prozent. wurde, wie Allen feststellt, der Grundstein für das Es überrascht nicht, dass das Produktivitäts- nachhaltigste Lohn- und Gehaltswachstum aller wachstum, das zwischen 1800 und 1830 bei 0,69 Zeiten gelegt. Prozent gelegen hatte, zwischen 1830 und 1860 Könnte es sein, dass wir heute etwas ganz auf 0,94 Prozent stieg. Ähnliches erleben? In seinem 2013 erschienen Die ewige Proletarisierung war letztlich nur Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ themati- ein vorübergehendes Phänomen und die Arbeiter siert Thomas Piketty in Bezug auf die vergange- profitierten vom Wirtschaftswachstum. Seit- nen 40 Jahre ähnliche Entwicklungen wie die, her steigt die Produktionsleistung pro Stunde die Allen bereits im Hinblick auf die erste Hälfte mit der Produktivitätsentwicklung. Zwischen des 19. Jahrhunderts aufgefallen waren: hohe 1760 und 1870 sank der Anteil des Produktions- Produktivität trotz geringen Reallohnwachs- faktors Arbeit an der Wirtschaftsleistung von tums, Einkommensungleichheit und geringe 60 auf 45 Prozent. In den folgenden 30 Jahren Investitionstätigkeit. Falls sich die Geschichte stieg er jedoch wieder auf 60 Prozent. Sich so wiederholt, werden die Jahre zwischen 1970 und lange zu gedulden, dürfte selbst für Arbeiter mit heute vielleicht eines Tages als „Pikettys Pause“ moderaten Ansprüchen etwas zu viel verlangt bezeichnet werden. sein. Große Unternehmen waren damals jedoch Warum wird nicht ausreichend investiert? noch ein Novum, und deren Eigentümer hatten So plausibel wie die Beobachtungen von Engels wesentlich mehr Macht und Einfluss als heut- sind auch Pikettys Feststellungen. Pikettys Buch zutage. Arbeitnehmer hatten kaum Rechte und zeigt in erster Linie, dass der Anteil des Faktors waren kaum geschützt, Betriebsräte gab es noch Kapital an der Wirtschaftsleistung steigt. Sowohl nicht und Gewerkschaften waren allenfalls eine in Industrie- als auch in Schwellenländern ist der Randerscheinung. Auch Tarifverhandlungen oder auf den Faktor Arbeit (im Gegensatz zum Produk- staatliche Sozialleistungen waren damals noch tionsfaktor Kapital) entfallende Teil des Volksein- Zukunftsmusik. Ironischerweise veröffentlichten kommens in den letzten 30 Jahren kontinuierlich Marx und Engels ihr Kommunistisches Manifest zurückgegangen. Dies war auch im 19. Jahrhun- 1848 gerade zu einem Zeitpunkt, als sich die dert der Fall. Lücke zwischen den Anteilen der Produktions- Dieser Trend setzte bereits weit vor der faktoren Arbeit und Kapital am Volkseinkommen Weltwirtschaftskrise ab 2007 ein. Der größte allmählich schloss. Bruch begann etwa in den 1970er Jahren. Zwi- Wo lagen Marx und Engels falsch? Als sich schen 1947 (Beginn der Datenaufzeichnungen) der Wirtschaftshistoriker Robert Allen, der den und 1969 lag die durchschnittliche Lohnquote in Begriff von „Engels' pause“ für den Zeitraum von den USA bei 63,9 Prozent. In der Folgezeit sank 1800 bis 1830 prägte, mit dem Datenmaterial sie auf einen Durchschnittswert von 59,9 Prozent.
16 Konzept Das Reallohnwachstum war während der ersten industriellen Revolution Pickup in real wages lagged productivity in the first industrial revolution 1770-1900 (1770-1900) geringer als der Produktivitätszuwachs 100=1850 180 160 140 Engels' pause (1800-1830), eine Phase, in der das 120 Produktivitätswachstum höher war als der Reallohnzuwachs 100 80 60 40 20 0 1770 1775 1780 1785 1790 1795 1800 1805 1810 1815 1820 1825 1830 1835 1840 1845 1850 1855 1860 1865 1870 1875 1880 1885 1890 1895 1900 Reales BIP pro Kopf Reallöhne Quelle: Bank of England Seit 1990 liegt sie im Durchschnitt bei nur mehr Lohnentwicklung der Produktivitätsentwicklung. 57,9 Prozent. Genau wie im 19. Jahrhundert war Dieser Anteil ist jedoch zurückgegangen. Wäre die Produktivitätssteigerung pro Kopf größer als der Wert unverändert geblieben, hätten ame- das Reallohnwachstum. rikanische Arbeitnehmer heute USD 1 Bill. pro Die USA sind dabei kein Einzelfall. In Studien Jahr mehr in der Tasche. Stattdessen fließt das zu anderen Ländern wurde ein ähnlicher Rück- Geld den Kapitaleigentümern zu, die besonders gang der Lohnquote festgestellt. Zwischen 1990 am oberen Ende des Einkommensspektrums zu und 2009 sank der Median der Lohnquote in den finden sind. OECD-Ländern von 66 auf 62 Prozent. Selbst Warum ist der Anteil des Produktionsfak- in den Schwellenländern, bei denen größere tors Arbeit rückläufig? Häufig wird behauptet, Diskrepanzen in puncto Lohnquote bestehen, ist diese Entwicklung sei auf die Auslagerung der Trend seit den 1990er Jahren, d.h. seit Daten von Teilen der Produktion in Niedriglohnländer verfügbar sind, klar rückläufig. zurückzuführen. Der sinkende Anteil der Arbeits Der sinkende Anteil des Produktionsfaktors einkommen am Volkseinkommen ist jedoch Arbeit an der Wirtschaftsleistung ist der Haupt- ein globales Phänomen, das nicht nur im Nord grund für die sinkenden Reallöhne. Mathema- atlantik-Raum zu beobachten ist, sondern auch tisch gesehen ist das Reallohnwachstum eine in China. Zudem ist die Lohnquote sowohl im Funktion von zwei Faktoren: Veränderungen der Sektor für handelbare als auch für nicht handel- Produktivität und Veränderungen des Anteils bare Güter gefallen. Produktionsverlagerungen in des Produktionsfaktors Arbeit an der nationalen Niedriglohnländer können also nicht die Haupt- Wirtschaftsleistung. ursache sein. Von anderer Seite wurden die Bleibt der Anteil des Produktivitätsfaktors rückläufigen Mitgliedszahlen der Gewerkschaften Arbeit an der Wirtschaftsleistung gleich, folgt die als Ursache mit ins Feld geführt, empirische
Die Roboter von morgen aus wirtschaftshistorischer Perspektive 17 Studien fanden hierfür jedoch keine ausreichen- Neben der Kreditvergabe durch Banken sind den Belege. die Vorschriften, die eine Angebotsausweitung Da scheint es dann doch naheliegender, am Wohnungsmarkt beschränken, ein wichtiger die Automatisierung dafür verantwortlich zu Faktor für steigende Immobilienpreise in vielen machen. Wie jedoch Matt Rognlie, Volkswirt Städten. Dieser regulatorische Rahmen zemen- an der Northwestern University, festgestellt tiert hohe Immobilienpreise und mehrt damit das hat, machen Roboter und Automatisierung – im Vermögen einer bestimmten Kategorie von Kapi- weitesten Sinne – mit maximal 15 Prozent nur talinhabern – Eigentümer teurer Immobilien. einen winzigen Teil des Wertes des Kapitalstocks Der Anstieg der Immobilienpreise in den der US-Wirtschaft aus, und dieser geringe Anteil Städten hat auch zu neuen Entwicklungen in ist seit einigen Jahrzehnten mehr oder weniger der Arbeitsmigration geführt. Die Volkswirte stabil. Der Wert von Immobilien – Wohnhäuser, Peter Ganong und Daniel Shoag zeigten in einer Wohnungen, Büroräume – entspricht hingegen Forschungsarbeit, dass Hausmeister in New York 175 Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch wenn nach Bereinigung um Wohnungskosten sieben Arbeit und Kapital Stromgrößen und Immobilien Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen Bestandsgrößen sind, legt die enorme Diskre- in den US-Südstaaten. Dies steht in starkem panz zwischen dem automatisierungsbezogenen Kontrast zu Daten aus den 1960er Jahren, aus Kapitalstock und dem in Immobilien gebunde- denen hervorgeht, dass Hausmeister in New nen Kapital doch nahe, dass Roboter nicht als York, ebenfalls nach Bereinigung um Wohnungs- Hauptursache für den rückläufigen Trend in der kosten, 70 Prozent mehr verdienten als Hausmeis- Lohn- und Gehaltsentwicklung gesehen werden ter in den Südstaaten. Hohe Wohnungskosten können. Technologie und Automatisierung spielen sorgen effektiv für eine Verdrängung geringer zwar eindeutig eine wichtige Rolle für das aktuelle qualifizierter Arbeitnehmer aus Regionen mit Wirtschaftswachstum, die Zahlen zum Kapital- hohem Einkommensniveau und reduzieren so die stock deuten jedoch darauf hin, dass der jüngste Arbeitskräftemobilität. Rückgang der Lohnquote nicht auf diese beiden Waren im 19. Jahrhundert Know-how-Defi- Faktoren zurückgeführt werden kann. zite die großen Investitionshemmnisse, so sind es Eine bessere Erklärung für den rückläufi- heutzutage mangelnder Wettbewerb und starre gen Anteil des Produktionsfaktors Arbeit an der Immobilienmärkte, die verhindern, dass sich mehr Wirtschaftsleistung sind der wachsende Wett- Menschen in Ballungsräumen ansiedeln können. bewerbsdruck am Arbeitsmarkt infolge der oben Die Automatisierung für stagnierende Reallöh- beschriebenen Integration von einer Milliarde ne und die Verdrängung einiger Berufsgruppen Menschen, aber auch der schwächere Wettbe- verantwortlich zu machen, greift daher zu kurz. werb und steigende Immobilienpreise. Bedenklich stimmen vielmehr andere Faktoren Der schwächere Wettbewerb unter den wie internationale politische Entscheidungen Unternehmen war bereits Thema früherer Kon- im Zuge der Globalisierung, Wettbewerb und zept-Ausgaben1. Nur wenige Menschen kommen insbesondere die nicht nachhaltigen Strukturen jedoch auf den Gedanken, dass ihre eigenen vier am Immobilienmarkt. Es ist daher wichtig, dieses Wände etwas mit stagnierenden Löhnen zu tun Wirkungsgefüge zu verstehen, damit die Politik haben könnten. Daher wollen wir diesen Zusam- auch an den richtigen Problemen ansetzt. Gewiss menhang kurz etwas näher beleuchten. Die direk- muss die Automatisierung vernünftig geregelt te Inflationssteuerung durch die Zentralbanken in werden. Den technologischen Fortschritt künst- den 1990er Jahren, die anhaltend geringe Infla- lich zu erschweren wäre jedoch kontraproduktiv tion und davor die wirtschaftliche Liberalisierung und gleichbedeutend mit Maßnahmen gegen der Kreditvergabe durch Banken in den 1980er einen steigenden Lebensstandard. Jahren haben insgesamt positive geldpolitische und gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Immobilienerwerb geschaffen. Dies hat den Boden dafür bereitet, dass in der Folgezeit Immobilien einen maßgeblichen Anteil an der steigenden Kapitalquote hatten. Sowohl Mietern als auch Hauskäufern ist bekannt: Je höher die finanzielle Belastung durch Miete oder Darlehen, desto weniger Einkommen steht zur freien Ver- fügung. Der Anteil von Wohnimmobilien an der 1 Siehe: „Beyond QE – the resilience of corporate gesamten Wirtschaftsleistung ist heute dreimal America“, Oktober 2017, und „From concentrate – so hoch wie in den 1950er Jahren. America’s diluted competition“, Juni 2015.
18 Konzept Industrie 4.0 – Chance oder Bedrohung Möbel nach Anleitung aufzubauen hat Automatisierung, Digitalisierung und allgemeiner vermutlich schon unzählige Menschen zur ‚Industrie 4.0‘ eröffnen. Verzweiflung gebracht. Zukünftig könnte uns Und das Konzept scheint auch ungeahnte dieser Frust erspart bleiben, denn Ingenieure der Effizienzsteigerungen zu versprechen: Digital Nanyang Technological University in Singapur vernetzte Maschinen kommunizieren miteinander haben einen Roboter entwickelt, der einen und interagieren ohne viel menschliches Zutun. Ikea-Stuhl in nur 20 Minuten alleine zusammen- Die potenziellen Vorteile sind also relativ schnell baut. Für den Hausgebrauch ist das natürlich gefunden in weniger Fehlern und Materialver- noch Zukunftsmusik. In der Logistik und Lager- schwendung, schnelleren Durchlaufzeiten und technik ist es allerdings schon häufig Realität und passenderem Service sowie weniger Energiekos- manche Unternehmen profitieren schon jetzt sehr ten. Die Umsetzbarkeit dieser Konzepte ist davon. Für andere jedoch hat dieser Fortschritt allerdings häufig sehr viel schwieriger als gedacht durchaus seine Schattenseiten. und der tatsächliche kommerzielle Gewinn für das Zu der Wertschöpfungskette der Logistik Unternehmen häufig sehr viel geringer. und Lagertechnik zählen wir vor allem Logistik- Der Trugschluss, der oft übersehen wird, ist dienstleister, Maschinenbauer und Software- der, dass schlauere Maschinen und größere unternehmen. Alle drei betonen sehr gerne, Effizienz für den Kunden zugleich sinkende welche Chancen sich für sie durch Nachfrage für den Maschinenbauer bedeutet. Das Technologieunternehmen ABB beispielsweise schätzt das Umsatzpotenzial von Digitalisierungs- Felicitas von Bismarck technologien auf rund USD 20 Mrd. Gleichzeitig
Industrie 4.0 – Chance oder Bedrohung 19 könnten sich aber die operativen Kosten der der Gewinn- und Verlustrechnung der On- Kunden jährlich um USD 1 Bill. reduzieren. Damit line-Händler. Damit steigt die Nachfrage nach bricht für den Maschinenbauer ein sehr viel einer möglichst effizienten Bearbeitung der größerer Teil der Nachfrage weg, als durch die Paketsendungen und somit auch nach automati- Digitalisierung entsteht. Der Kuchen wird also sierten Lagerhäusern. kleiner und der Wettbewerb dafür größer, Jetzt stellen sich hier die Anleger aber häufig insbesondere wenn neue Akteure von der ein komplett unabhängig arbeitendes Lager vor Software-Seite auftauchen. (lights-out-warehouse), in dem selbstfahrende Betrachten wir zunächst die potenziellen Gabelstapler herumsausen und eigenständig die positiven Effekte, sollten sie auch häufig über- Bestellungen zusammenstellen, die sie direkt aus schätzt sein. Anleger orientieren sich hier oft an dem Internet ziehen, um sie dann in einem der Automobilbranche, in der die Automatisie- hübschen Karton auf einem Fließband zu einem rung der Produktion zu enormen Effizienzsteige- wartenden LKW zu schicken. Manchmal läuft es rungen geführt hat. Das ist auch sehr beeindru- auch tatsächlich so ab. In den allermeisten Fällen ckend, allerdings ist es schwierig, diese aber sieht die Realität leider noch ganz anders Erfolgsgeschichte eins zu eins auf alle Branchen aus. In vielen Lagerhäusern ist der Automatisie- zu übertragen, sodass früher oder später alle rungsgrad sogar noch ziemlich gering. Wir haben Prozesse ohne menschliches Zutun ablaufen. zum Beispiel einige sehr moderne Lagerhäuser Kommen wir zu dem Beispiel der Lagertech- besichtigt und waren wirklich enttäuscht, als sich nik, wo die Automatisierung gleich durch zwei herausstellte, dass die autonomen Gabelstapler strukturelle Faktoren vorangetrieben wird: Die meistens gar nicht autonom sind, sondern sich in Digitalisierung, wie wir Dinge kaufen, und die Wirklichkeit auf festen Bahnen sehr langsam Digitalisierung, wie wir Dinge erhalten. Der Boom durch die Gebäude bewegen und bei jedem im E-Commerce führt zu einer viel stärkeren kleinsten Hindernis ruckartig stehen bleiben. Fragmentierung der Logistikketten. Es gibt auch In manchen Märkten wird der geringe viel mehr, viel kleinere Pakete als vorher. Um es Automatisierungsgrad voraussichtlich auf einem sehr vereinfacht zu veranschaulichen: Vor zehn niedrigen Niveau bleiben, da die Investitionen zu Jahren ging ein Kunde in ein physisches Geschäft teuer sind und sich strukturell nicht lohnen. Und und kaufte sich – nach reiflicher Überlegung – ein in anderen Märkten wird volle Automatisierung Paar blaue Schuhe. Damit das Geschäft immer auch nur sinnvoll sein, wenn bestimmte Hinder- ausreichend Schuhe verfügbar hatte, bestellte nisse beseitigt sind. das Logistiksystem alle vier Wochen ein großes Zum ersten Punkt: Ein Lager vollständig zu Paket mit hunderten Paar Schuhen bei einem automatisieren ist eigentlich nur dann sinnvoll, Lagerhaus. Aufgrund der langen Lieferzeiten wenn eine große Zahl gleicher und leicht zu änderte sich das Produktangebot eher selten, greifender Produkte bearbeitet werden, wie zum und für kleinere Läden war es schwierig, sich Beispiel in der Automobilbranche. Der Erfolg hier gegen die großen etablierten Wettbewerber zu war nämlich so durchschlagend, weil täglich behaupten. tausende Autos vom Band laufen. Online-Händler Heutzutage sind wir es gewohnt, Schuhe im für Bekleidung hingegen müssen ihre Kollektio- Internet zu bestellen. Fallende Anfangsinvestitio- nen häufig, manchmal sogar wöchentlich nen haben den Weg für tausende neue Anbieter wechseln. Es wäre völlig unsinnig, diese jeweils geöffnet und das Angebot wechselt viel schneller irgendwo in einem Hochregallager zu verstauen als früher, um die Kunden bei der Stange zu und bei Bestellung von einem hochmodernen halten. Der Kunde bestellt jedoch normalerweise selbstfahrenden Gabelstapler mit Roboterarm nicht nur dieses eine Paar blaue Schuhe im holen zu lassen, der im Zweifelsfall je nach Internet, sondern auch ein Paar hellblaue und ein Produktlinie ständig neu programmiert werden Paar dunkelblaue und alle drei in Größe 37 und müsste. Stattdessen ist es hier in der Tat wirt- 38. Das macht sechs Päckchen insgesamt. Fünf schaftlich am sinnvollsten, dass ein Mitarbeiter davon werden wahrscheinlich wieder zurückge- mit einem Headset zu einer Großen Box läuft, die sendet oder auch im Geschäft abgegeben und Bestellung, z.B. ein Paar rote Socken und eine müssen wieder transportiert, organisiert, Hose, heraussucht und in einem Karton verpackt. überprüft und neu verpackt werden. Der gesamte Die anschließenden Etikettierungs- und Trans- Prozess muss schnell und unkompliziert ablaufen, portprozesse können hingegen wieder meist denn sonst besteht die Gefahr, dass der Kunde vollautomatisch ablaufen. das nächste Mal bei einem anderen der unzähli- Zum zweiten Punkt, was die Hindernisse gen Konkurrenten bestellt. für eine stärkere Automatisierung anbelangt: Die Die logistische Komplexität hat also massiv meisten Investoren denken automatisch an die zugenommen und die Ausgaben hierfür sind großen Online-Giganten wie Amazon, Asos und infolgedessen häufig einer der größten Posten in Alibaba. Online-Händler von dieser Größe sind
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