Wie weiblich ist die Kulturwirtschaft? - Deutscher Kulturrat
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Geschlechtergerechtigkeit ist zentrales politisches Handlungsfeld Im Sommer des letzten Jahres hat der Deutsche Kulturrat die Studie »Frau- en in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwick lungen und Lösungsvorschläge« veröffentlicht. In der unter der Leitung von Gabriele Schulz erarbeiteten Studie wird für einen Zeitraum von über 20 Jahren untersucht, wie es um die Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich bestellt ist. Dabei wird sowohl die Ausbildungssituation, die Präsenz von Frauen in Führungsetagen von Kultureinrichtungen, die Partizi- pation von Frauen an der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung und anderes mehr für den genannten Zeitraum in den Blick genommen. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass trotz stärkerer Präsenz von Frauen in einigen Bereichen von Geschlechtergerechtigkeit nicht die Rede sein kann. Das gilt gleichermaßen für Kulturverbände. Ich selbst habe mir so gravierende Unterschiede beispielsweise mit Blick auf das Einkommen freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler nicht vor stellen können. Der »Gender Pay Gap« beträgt im Kulturbereich bei den frei- beruflich arbeitenden Künstlerinnen erschreckende 24 Prozent. Die Studie hat großes Aufsehen erregt und zwingt zum Handeln. Der Deutsche Kulturrat verpflichtete sich als erste Reaktion auf die Ergebnisse der Studie, bei der geschlechtergerechten Besetzung von Jurys und Auswahl- Olaf Zimmermann gremien sowie Vorstände bzw. Präsidien mit gutem Beispiel voranzugehen. ist Geschäftsfüh- Auch haben wir mit Unterstützung der Kulturstaatsministerin ein Büro rer des Deutschen für Geschlechtergerechtigkeit im Deutschen Kulturrat eingerichtet, um die Kulturrates und Herausgeber von Studie »Frauen in Kultur und Medien« in ausgewählten Bereichen zu aktuali- Politik & Kultur. sieren und zu erweitern, den Runden Tisch Geschlechtergerechtigkeit, der von der Kulturstaatsministerin als Reaktion auf unsere Studie eingerichtet wurde, fortzuführen und um ein Mentoring-Programm für Frauen im Kultur- und Medienbereich aufzubauen. In dem vorliegenden Dossier, welches auch ein Teil unserer politischen Bemühungen ist, im Kulturbereich mehr Ge- schlechtergerechtigkeit zu erreichen, widmen wir uns der Rolle der Frauen in der Kulturwirtschaft. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich zu erreichen, ist für den Deutschen Kulturrat, ein zentrales politisches Handlungsfeld. Wir haben uns vorgenommen, die Situation zu bessern.
Fotografiert hat Meiko Herrmann. Er wurde 1976 in Frankfurt am Main geboren und studierte Fotografie am Lette-Verein in Berlin. Seine foto journalistischen Arbeiten zeichnen sich in besonderem Maße durch einen sozialkritischen Blick aus und zeigen oftmals Situationen und Menschen in Krisengebieten. 2009 wurde er mit dem »World Press Photo Award« in der Kategorie »General News Storie« ausgezeichnet. www.meikoherrmann.de 4
Inhalt Geschlechter- Frauen in die gerechtigkeit ist Aufsichtsräte zentrales politisches 33 MONIKA SC HULZ-STRE LOW IM G E SPRÄC H Handlungsfeld 3 O L A F Z I M M E RM A N N Fünf Punkte und ein langer Weg Weil es 2017 ist … 37 E LKE HOLST IM G E SPRÄC H 6 MON I K A G RÜ T T ER S An der Spitze #starkeKulturwirtschaft weiblich 10 G AB RI ELE S C H U LZ 40 BE ATRIC E KRA MM IM G E SPRÄC H Vernetzen, informieren, Die Idee war von mir unterstützen 44 BRITTA P OE TZ SC H IM G E SPRÄC H 13 G AB RI ELE S C H U LZ Mehr Freiheit, Keine Männer- mehr Zeit Frauen-Frage 48 E LISA BE TH RUG E IM G E SPRÄC H 15 AN N E T T E H Ä F ELI NGER IM GES P R ÄCH Von Einser- Ein gesamtgesell- Schülerinnen und schaftliches Problem Mutterkreuzen 20 AN ET T G RA F I M G ES P R ÄCH 52 A DRIA NA A LTA RA S IM G E SPRÄC H Nicht in jeder Versuch einer Hinsicht perfekt Export-Bilanz 22 FL E A H OEF L VON LÖ HN EYS EN IM GES P R ÄCH 56 VA LIE E XP ORT IM P ORTRÄT Fifty-Fifty Stadt, Baukultur 24 MI C H A E L LEH M A NN IM GES P R ÄCH und urbanes Leben 58 SA LLY BE LOW IM P ORTRÄT Weniger Hunger nach Geltung? Frauennetzwerke 28 AN DRE A S E ST EVAN S CHR EYER IM GES P R ÄCH 60 E INE ÜBE RSIC HT Der Kampf wird härter 63 IMPRE SSUM 30 D É S I RÉ E VAC H I M GES P R ÄCH 5
Weil es 2017 ist … MONIKA GRÜTTERS W as für eine Frage! Warum er in seinem Kabi- der Filmförderungsanstalt (FFA) mehr Frauen an den nett so viel Wert auf ein ausgeglichenes Ge- Förderentscheidungen beteiligt sind. Ich hoffe, dass schlechterverhältnis lege, wollte eine Jour- sich damit auch mehr von Frauen geprägte Projekte nalistin vor zwei Jahren vom gerade frisch vereidigten durchsetzen können. kanadischen Premierminister Justin Trudeau wissen. Zu den Maßnahmen meines Hauses gehört auch die Und was für eine Antwort! »Weil es 2015 ist.« Besser Einrichtung eines Projektbüros »Frauen in Kultur und als so lapidar kann man das im Grunde Selbstverständ- Medien« mit dem Arbeitsschwerpunkt Geschlechterge- liche nicht formulieren, und mehr muss man zur Be- rechtigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft beim gründung der Gleichberechtigung von Frau und Mann Deutschen Kulturrat. Diese Anlauf- und Beratungsstel- im dritten Jahrtausend auch tatsächlich nicht sagen. le, die aus meinem Etat über einen Zeitraum von drei Viel zu sagen und vor allem ganz konkret beizutra- Jahren gefördert wird, soll dabei helfen, die Ergebnis- gen, gibt es aber nach wie vor zur praktischen Umset- se des »Runden Tisches« zügig in konkrete Maßnah- zung. Das gilt auch für die Kultur- und Kreativwirt- men zu überführen, auf dass auch Kultur- und Kreativ- schaft. Dank der aus meinem Etat geförderten Studie frauen bekommen, was sie verdienen: mehr Aufstiegs- »Frauen in Kultur und Medien« des Deutschen Kultur- chancen, faire Bezahlung und eine bessere Vereinbar- rates haben wir seit Sommer 2016 schwarz auf weiß, keit von Familie und Karriere. wie groß der Handlungsbedarf tatsächlich noch ist und Dazu braucht es nicht zuletzt eine solide Datenba- wo genau er besonders groß ist. Das Gesamtergebnis sis. Denn egal, ob es um Führungspositionen, Stipen- ist eindeutig: Von völliger Gleichberechtigung zwi- dien, Preise oder Honorare geht: Wir kommen nur vo- schen Frauen und Männern, wie sie in Artikel 3 unse- ran, wenn wir Defizite klar benennen und durch harte res Grundgesetzes festgeschrieben ist, kann leider auch Fakten untermauern können. »Frauen zählen. Frauen in Kultur, Medien und Kreativwirtschaft noch keine zählen. Frauen zählen«. So hat es bei einer Sitzung des Rede sein. Die Ursachen dafür sind vielfältig; es sind »Runden Tisches« jemand auf den Punkt gebracht. Das Ursachen, wie wir sie auch aus anderen gesellschaftli- Projektbüro wird den soliden Datenbestand, der uns chen Bereichen kennen: Schwierigkeiten bei der Ver- dank der Studie des Deutschen Kulturrates zur Ver- einbarkeit von Beruf und Familie gehören dazu, aber fügung steht, aktualisieren und zu ausgewählten Ein- auch Rollenstereotype, die vor allem Männern rele- zelthemen Datenberichte erstellen. Schon beim zwei- vante Qualitäten wie Kreativität und Schaffenskraft, ten »Runden Tisch« im März hatte ich außerdem ver- Monika Grütters Durchhaltevermögen und Leidenschaft zuschreiben. sprochen, ein spartenübergreifendes Mentoring-Pro- MdB ist Staats Vermutlich können nicht nur Künstlerinnen ein Lied gramm für Künstlerinnen und Kreative ins Leben zu ministerin für davon singen. rufen. Mittlerweile hat das Projektbüro die Betreuung Kultur und Medien Deshalb habe ich noch 2016 den Runden Tisch des Programms übernommen, also insbesondere das bei der Bundes »Frauen in Kultur und Medien« mit hochrangigen Ver- Rekrutieren geeigneter Mentorinnen und Mentoren, kanzlerin. treterinnen und Vertretern der Kultur- und Medien- die Auswahl der Mentees und die Zusammenführung branche ins Leben gerufen. In verschiedenen Arbeits- der Tandems. gruppen wurden Best-Practice-Beispiele erörtert und Darüber hinaus freut es mich sehr, dass wir für das Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet, sodass wir im Anliegen, die Gleichberechtigung von Frauen und Män- Juli dieses Jahres unter dem Motto »Weil es 2017 ist« nern in Kultur und Medien zu fördern, zahlreiche pro- in aller (weiblichen) Bescheidenheit den erfolgrei- minente Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen chen Abschluss der gemeinsamen Arbeit feiern konn- konnten. 20 Frauen und 17 Männer haben sich unter ten. Wenn die vorgeschlagenen Ideen alle umgesetzt dem Motto »Weil es 2017 ist« zu persönlichen Selbst- werden, sind wir in puncto Gleichberechtigung zwei- verpflichtungen bereit erklärt: zu konkreten Maßnah- fellos ein gutes Stück weiter. men, die sie als Chefredakteurinnen und Chefredak- Auf der Basis der Empfehlungen des Runden Tisches teure, als Leiterinnen und Leiter von Kultureinrichtun- hat mein Haus erste konkrete, in meinem Zuständig- gen, als Verbandsvertreterinnen und -vertreter ergrei- keitsbereich umsetzbare Maßnahmen für mehr Ge- fen werden – oder wo auch immer sie im Bereich Kultur schlechtergerechtigkeit entwickelt. Dazu gehört die pa- und Medien Verantwortung tragen. Sie alle haben längst ritätische Besetzung von Gremien, Jurys und Auswahl- verstanden, dass es dabei nicht allein um Gleichberech- kommissionen. Im Rahmen der Novellierung des Film- tigung geht, sondern auch um künstlerische, kulturel- förderungsgesetzes habe ich beispielsweise schon im le, mediale Vielfalt, um einen Gewinn an Perspektiven vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass in den Gremien und Potenzialen, der sich für alle Beteiligten auszahlt. 6
In diesem Sinne hoffe ich, dass auch die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sich an der Chancen- Initiative unter dem Motto »Weil es 2017 ist« beteiligen und sich für Unterstützung beispielsweise durch die In- dustrie- und Handelskammern einsetzen. Die Verbän- de wiederum können die von ihnen vertretenen Un- ternehmen durch Veröffentlichungen und Veranstal- tungen verstärkt für das Thema sensibilisieren und in ihren brancheneigenen Medien für eine regelmäßige Berichterstattung sorgen. Gerade in einer Branche, die in besonderer Weise für Innovationskraft steht, sollte die Gleichberechtigung von Frauen und Männern doch selbstverständlich und ausreichend Kreativität für de- ren Förderung vorhanden sein! Und das nicht nur, weil es 2017 ist, sondern weil es sich im Wettbewerb um die besten Köpfe langfristig kein Unternehmen mehr leis- ten kann, auf Frauen – die laut Hillary Clinton »am we- nigsten genutzte Ressource der Welt« – zu verzichten. 7
Sabrina Dehoff 2006 gründete Sabrina Dehoff mit ihrer ersten Schmuckkollektion »Little Helpers« ihre eigene, gleich namige Marke. Eigener Stil, zarte Linien, spielerische Ausführung und gute Laune sind seither kennzeich- nend für ihren Schmuck. Im »Online’s Luxury Guide« von Die Welt wurde sie zu einer der besten zehn Schmuck- designer weltweit gewählt. Nicht erst seitdem tragen Berühmtheiten wie Beyonce, Helena Christensen, Sibel Kekilli, Joy Denalane, Heike Makatsch, Hannah Herzsprung und viele viele mehr ihre Kreationen. 8
I n der Studie »Frauen in Kultur und Medien. Ein und Kreativwirtschaft wird in elf Teilbranchen sowie Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklun- die Kategorie Sonstiges unterteilt. Es sind: gen und Lösungsvorschläge«, die im Juni 2016 er- schien, wurde sich mit Blick auf die Kultur- und ԂԂ Musikwirtschaft mit Unternehmen zur Herstel- Kreativwirtschaft vor allem auf freiberufliche Künstle- lung von Musikinstrumenten, dem Einzelhandel rinnen konzentriert, die in der Künstlersozialversiche- mit Musikinstrumenten, dem Einzelhandel mit rung versichert sind. Hierzu liegen Daten vor, sodass bespielten Tonträgern, Tonstudios, Tonträgerver- für einen Zeitraum von 20 Jahren – von 1994 bis 2014 – lagen, Musikverlagen, Musik-/Tanzensembles, Er- in fünf Jahresscheiben analysiert werden konnte, wie bringung von Dienstleistungen für die darstellen- sich zum einen die Zahl weiblicher Versicherter im Ver- de Kunst, selbständige Musikerinnen und Musiker, gleich zu der männlicher und wie sich die Einkommen Theater-/Konzertveranstalter, private Musical-/ der weiblichen Versicherten im Vergleich zu den Kolle- Theaterhäuser, Konzerthäuser; gen entwickelt haben. Eine Zahl kristallisierte sich he- ԂԂ Buchmarkt mit Unternehmen der Buchbinde- raus: Der »Gender Pay Gap« beträgt im Durchschnitt rei, dem Einzelhandel mit Büchern, Antiquariate, 24 Prozent. Oder anders gesagt: Freiberufliche Künst- Buchverlage, selbständige Übersetzerinnen, selb- lerinnen erzielen im Durchschnitt ein um ein Viertel ständige Schriftstellerinnen und Schriftsteller; geringeres Einkommen als freiberufliche Künstler – in ԂԂ Kunstmarkt mit Unternehmen des Einzelhandels einigen Tätigkeitsbereichen wie z. B. Komposition ist mit Kunstwerken, Einzelhandel mit Antiquitäten, der Unterschied noch größer. Mangels Daten konnte selbständige bildende Künstlerinnen und Künst- aber nicht analysiert werden, wie es um die Präsenz ler, Museumsshops; von Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen ԂԂ Filmwirtschaft mit Unternehmen des Einzelhan- aus der Kultur- und Kreativwirtschaft bestellt ist. Mit dels von bespielten Tonträgern etc., Film-/TV- Unterstützung Der Beauftragten der Bundesregierung Produktion, Nachbearbeitung/sonstige Filmtech- für Kultur und Medien führte der Deutsche Kulturrat, nik, Filmverleih und -vertrieb, Kinos, Videothe- im Anschluss an die Studie im Jahr 2017, eine Work- ken, selbständige Bühnen-, Film-TV-Künstlerin- shop-Reihe zur Geschlechtergerechtigkeit in der Kul- nen und Künstler; tur- und Kreativwirtschaft durch. Das vorliegende Dos- ԂԂ Rundfunkwirtschaft mit Unternehmen der Hör- sier bildet den Abschluss dieser Reihe. funkveranstalter, Fernsehveranstalter, selbständi- ge Journalistinnen und Journalisten, Pressefoto- Kultur- und Kreativwirtschaft grafinnen und -fotografen; Es wurde sich dabei bewusst auf die Kultur- und Kre- ԂԂ Markt für darstellende Künste mit Unterneh- ativwirtschaft, d. h. die Unternehmen dieser Branche men des Kulturunterrichts/Tanzschulen, Theate- sowie die jeweiligen Unternehmensverbände konzen- rensembles, selbständige Artistinnen und Artis- triert. Unter Kultur- und Kreativwirtschaft wird jener ten, Zirkusbetriebe, selbständige Bühnen-, Film- Teil des Kulturbereiches verstanden, der erwerbswirt- TV-Künstlerinnen und Künstler, Erbringung von schaftlich orientiert ist und anhand dieses Kriteriums Dienstleistungen für die darstellende Kunst, The- vom öffentlichen Kultursektor und dem Non-Profit- ater- und Konzertveranstalter, private Musical-/ Sektor abgegrenzt wird. Wobei es zahlreiche Wech- Theaterhäuser/Konzerthäuser, Varietés und Klein- selwirkungen zwischen den Sektoren gibt. Die Kultur- kunstbühnen; #starkeKulturwirtschaft GABRIELE SCHULZ 10
ԂԂ Designwirtschaft mit Unternehmen zur Herstel- 4,33 Personen erwerbstätig, davon 3,33 sozialversiche- lung von Schmuck/Gold- und Silberschmiedewa- rungspflichtig. Sehr viele Unternehmen der Kultur- und ren, Büros für Innenarchitektur, Werbegestaltung Kreativwirtschaft sind inhabergeführt, d. h. der wirt- (50 Prozent), Industrie-/Produkt-/Modedesign, schaftliche Erfolg des Unternehmens entscheidet über Grafik-/Kommunikationsdesign, Interior Design/ das ökonomische Überleben der Unternehmerin. Raumgestaltung, selbständige Fotografinnen und Aufgrund dieser besonderen Struktur greifen ver- Fotografen; schiedene gleichstellungspolitische Maßnahmen nicht. ԂԂ Architekturmarkt mit Architekturbüros für Hoch- Das gilt beispielsweise für das Entgeltgleichheitsgesetz, bau, Büros für Innenarchitektur, Architekturbü- das erst ab einer Zahl von 200 Beschäftigten gilt oder ros für Orts-, Regional- und Landesplanung, Ar- aber die gesetzlichen Maßnahmen, die für mehr Frau- chitekturbüros für Garten- und Landschaftsge- en in den Aufsichtsräten und Vorständen sorgen sol- staltung, selbständige Restauratorinnen und Res- len. Hiervon sind Unternehmen der Kultur- und Kre- tauratoren; ativwirtschaft nur zu einem verschwindend geringen ԂԂ Pressemarkt mit Unternehmen des Einzelhandels Anteil erfasst. Aber auch andere Maßnahmen wie Be- mit Zeitschriften und Zeitungen, Verlagen von triebskindergärten, Eltern-Kind-Zimmer und anderes Adressbüchern, Verlagen von Zeitungen, Verlagen mehr sind für Unternehmen der Kultur- und Kreativ- von Zeitschriften, sonstiges Verlagswesen (ohne wirtschaft schwieriger zu realisieren. Gleiches gilt für Software), Korrespondenz- und Nachrichtenbüros, eine Personalentwicklung, die auf sukzessive Übernah- selbständige Journalistinnen und Journalisten, me von Führungsverantwortung abzielt. In sehr vielen Pressefotografinnen und -fotografen; Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es ԂԂ Werbemarkt mit Werbeagenturen/Werbege- wenige Aufstiegschancen, da die erste Führungsebe- staltung, Vermarktung und Vermittlung von ne oft aus der Inhaberin besteht und die zweite Ebene Werbezeiten/-flächen; dann unmittelbar die Angestellten bilden. Überdies be- ԂԂ Software- und Games-Industrie mit Unterneh- steht in vielen Unternehmen nur eine geringe Fluktua- men zum Verlegen von Computerspielen, Ver- tion, was auf der einen Seite bestehende Teams stärkt lagen sonstiger Software, Entwicklung und Pro- und den Beschäftigten Sicherheit gibt; auf der anderen Gabriele Schulz ist grammierung von Internetpräsentationen, sonsti- Seite Frauen, die neu- oder wiedereinsteigen, weniger Stellvertretende ge Softwareentwicklung, Webportale; Chancen eröffnet, da feste Stellen besetzt sind. Geschäftsführerin ԂԂ Sonstige mit Unternehmen zur Herstellung von In vielen Unternehmen herrscht darüber hinaus ein des Deutschen Münzen oder Fantasieschmuck, selbständige Dol- Selbstbild, dass ein kreativer Beruf generell nicht fami- Kulturrates. metscherinnen, Fotolabors, privatwirtschaftliche lienfreundlich ist und wer daher einen solchen Beruf Bibliotheken und Archive, botanische und zoolo- wählt, die Selbstverwirklichung mit Einschränkungen gische Gärten sowie Naturparks. zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf »erkauft«. Es soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass Die Aufzählung orientiert sich an der amtlichen Sta- es selbstverständlich Unternehmen gibt, in denen ein tistik. Im Jahr 2015 konnten 250.600 Unternehmen zur hohes Bewusstsein für das Thema Geschlechtergerech- Kultur- und Kreativwirtschaft gerechnet werden. Dabei tigkeit besteht, weiblicher Nachwuchs gezielt geför- sind Doppelzählungen herausgerechnet. Diese Doppel- dert wird und freiwerdende Führungspositionen be- zählungen entstehen, weil manche Unternehmen meh- wusst mit Frauen besetzt werden. reren Branchen zugerechnet werden können. Ein Bei- spiel hierfür sind private Musical-, Theater- und Kon- Workshop-Reihe zerthäuser, die sowohl zum Teilmarkt Musik als auch Um den Problemen bei der Verwirklichung von Ge- zum Teilmarkt Darstellende Kunst gehören. Zur Kultur- schlechtergerechtigkeit in der Kultur- und Kreativwirt- und Kreativwirtschaft gehört die komplette Wertschöp- schaft auf den Grund zu gehen und Lösungsansätze zu fungskette von den Schöpferinnen künstlerischer Werke, entwickeln, hat der Deutsche Kulturrat die eingangs also den Urheberinnen, über ausübende Künstlerinnen erwähnte Workshop-Reihe durchgeführt. zu sogenannten Verwertern künstlerischer Leistungen Im ersten Workshop wurde zum einen eruiert, wel- bis hin zu den Vermarktern, sprich dem Einzelhandel che Rolle das Thema Geschlechtergerechtigkeit in den mit künstlerischen Produkten, der an die Endkunden Verbänden spielt. Hier zeigte sich ein uneinheitliches verkauft. Oder um es anders zu sagen: Sowohl die selb- Bild: neben Verbänden, die sich gezielt diesem The- ständigen Künstlerinnen als auch die sogenannten ver- ma widmen, wie die Bücherfrauen, oder die es zuneh- wertenden Unternehmen gehören zur Kultur- und Kre- mend in den Vordergrund rücken, wie der Verband un- ativwirtschaft. Es ist daher nur folgerichtig, dass im Fol- abhängiger Musikunternehmen, gaben andere zu Pro- genden Verantwortliche aus Unternehmen sowie Künst- tokoll, dass die Fragestellung eine untergeordnete bis lerinnen zu Wort kommen. Gemessen an der Gesamtzahl gar keine Rolle spielt. In einem zweiten Schritt wur- an Unternehmen in Deutschland stellen die Unterneh- de nachgefragt, wie es um die Geschlechtergerechtig- men der Kultur- und Kreativwirtschaft 7,64 Prozent. Sie keit im Tätigkeitsbereich bestellt ist. Auch hier zeig- erzielten im Jahr 2015 einen Umsatz von schätzungswei- te sich ein durchaus differenziertes Bild. So wurde von se 150 Milliarden Euro. In der Kultur- und Kreativwirt- der Entwicklung berichtet, dass Unternehmen, in de- schaft sind 1.084.936 Erwerbstätige tätig. nen traditionell Frauen einen erheblichen Teil der Be- Die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft schäftigten stellen, in dem Moment, in dem technische unterscheiden sich von Unternehmen anderer Wirt- Berufe aufgrund der Digitalisierung an Bedeutung ge- schaftszweige dadurch, dass es sich in der Mehrzahl winnen, nochmal mehr Männer beschäftigen. Oder um um Klein- und Kleinstunternehmen handelt. Durch- es einfacher zu sagen: je technischer ein Beruf, desto schnittlich waren im Jahr 2015 in einem Unternehmen weniger Frauen. 11
Zum zweiten Workshop wurden gezielt Netzwerke von Zu diesem Dossier Frauen sowie Vertreterinnen von Mentoring-Program- In diesem Dossier werden die geschilderten Facetten men für Frauen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft der Kultur- und Kreativwirtschaft beleuchtet. In In- eingeladen. Hier stand die Frage im Vordergrund, wel- terviews kommen sowohl Arbeit- und Auftraggeber als che Funktionen Netzwerke haben, um Frauen den Weg auch freiberufliche Künstlerinnen aus der Kultur- und in Führungsverantwortung zu ebnen und wie dabei Kreativwirtschaft zu Wort. Sieben Frauen aus der Bran- Mentoring-Programme unterstützen können. che werden porträtiert. Es wird ein Blick über die Kul- Statt eines dritten Workshops wurden fragebogen- tur- und Kreativwirtschaft hinaus in andere Branchen gestützte Interviews mit Personalverantwortlichen geworfen und es werden Verbände, die sich speziell oder Inhabern von Unternehmen der Kultur- und mit dem Thema Frauen in der Kultur- und Kreativwirt- Kreativwirtschaft geführt. Dabei ging es um die Fra- schaft befassen, kurz vorgestellt. Die Fotos zeigen Un- ge, welche Rolle das Thema Geschlechtergerechtigkeit ternehmerinnen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. im Unternehmen spielt, inwiefern sich um die Verein- Der Deutsche Kulturrat wird nicht zuletzt im Pro- barkeit von Familie und Beruf bemüht wird, ob Frau- jektbüro »Frauen in Kultur und Medien« weiter an dem en in Führungspositionen tätig sind oder ob es Maß- Thema dranbleiben und zeigen, dass auch die Kultur- nahmen gibt, damit mehr Frauen Führungsverantwor- und Kreativwirtschaft durch starke Frauen lebt. tung übernehmen. Die Ergebnisse der ersten beiden Workshops sowie der Interviews wurden in einem dritten Workshop zu- sammengeführt und mit Teilnehmerinnen aller Work- shops diskutiert. Hieraus wurden Schlussfolgerungen gezogen, welche die Politik und Verwaltung, die Ver- bände, die Unternehmen selbst sowie Ausbildungsin- stitutionen betreffen. Die Ergebnisse der internen Workshops werden in die weiteren Debatten des Projektbüros Frauen in Kul- tur und Medien beim Deutschen Kulturrat eingespeist und dort zur Diskussion gestellt. Weiter sollen sie an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des »Runden Ti- sches Frauen in Kultur und Medien«, der von Kultur- staatsministerin Monika Grütters einberufen worden war, weitergegeben werden. 12
Vernetzen, informieren, unterstützen GABRIELE SCHULZ D as Projektbüro »Frauen in Kultur und Medien« legte der Deutsche Kulturrat die umfängliche Studie versteht sich als Mittler. Seine finanzielle Un- »Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktu- terstützung im Rahmen eines über drei Jahre elle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschlä- laufenden Projektes wurde von Kulturstaatsministerin ge« vor. In dieser Studie wurde unter anderem für ei- Monika Grütters MdB im Juli dieses Jahres bei der Ab- nen Zeitraum von 20 Jahren (1994 bis 2014) herausgear- schlussveranstaltung des Runden Tisches der Kultur- beitet, wie sich die Anzahl von Studentinnen und Pro- staatsministerin zu Frauen in Kultur und Medien ange- fessorinnen in den künstlerischen Fächern entwickelt kündigt. An diesem Runden Tisch trafen sich im ersten hat, wie viel bzw. wie wenig freiberufliche Künstlerin- Halbjahr 2017 auf Einladung von Kulturstaatsministe- nen verdienen, wie sie an der individuellen Künstlerin- rin Grütters Expertinnen und Experten aus Kultur und nen- und Künstlerförderung partizipieren und wie sie Medien, um über das Ziel »Mehr Geschlechtergerech- in Leitungsfunktionen von Kulturinstitutionen vertre- tigkeit in Kultur und Medien« zu diskutieren. ten sind. Eine wichtige Forderung des Deutschen Kul- Ein Ergebnis dieses Runden Tisches ist das Projekt- turrates war im September 2016, diese Erhebungen zu büro »Frauen in Kultur und Medien«. Es ist beim Deut- verstetigen. Es werden daher bis Mitte 2020 vier Daten- schen Kulturrat, einer zivilgesellschaftlichen Organi- reports erscheinen, in denen sich konzentriert mit Ein- sation, angesiedelt. Der Deutsche Kulturrat mit seinen zelaspekten befasst wird. Der erste Datenreport wird acht Sektionen und 257 angeschlossenen Verbänden voraussichtlich dem Thema Ausbildung gewidmet sein. und Institutionen aus Kultur und Medien repräsen- Es wird so bis zum Jahr 2020 eine Datenreihe entstehen. tiert die gesamte Breite und Vielfalt des Kultur- und Die Akteurinnen und Akteure des »Runden Tisches« Medienbereiches. Ihm gehören sowohl Verbände der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters regten bei Künstlerinnen und Künstler, der Kultureinrichtungen, ihrem zweiten Treffen eine Fortführung der Gespräche der Kulturvereine als auch der Kulturwirtschaft an. In und einen regelmäßigen Austausch an. Diese Anregung seiner Arbeit führt er die unterschiedlichen Interessen wird aufgegriffen. Künftig soll einmal im Jahr der Run- aus dem Kultur- und Mediensektor zusammen, ver- de Tisch tagen. Die inhaltliche Verantwortung für diese dichtet diese und erarbeitet hieraus gemeinsame, von Treffen ist an den Deutschen Kulturrat übergegangen. allen getragene Positionspapiere und Stellungnahmen. Um über die Arbeit des Projektbüros zu informieren Zum Thema Geschlechtergerechtigkeit hat sich der und um Tendenzen sowie aktuelle Entwicklungen auf- Deutsche Kulturrat im September 2016 in einer Stel- zuzeigen, werden drei Dossiers erscheinen, die der Zei- lungnahme positioniert und mehr Geschlechtergerech- tung Politik & Kultur des Deutschen Kulturrates beige- tigkeit im Kultur- und Mediensektor eingefordert. Da- legt und jeweils einem Thema gewidmet sein werden. bei hat er nicht nur Forderungen an andere gerichtet, Ein Novum für den Deutschen Kulturrat wird die sondern auch sich selbst zu mehr Geschlechtergerech- Auflage eines Mentoring-Programms für Frauen aus tigkeit in seinen Gremien verpflichtet. Kultur und Medien sein, die vor dem nächsten Karri- Das Projektbüro »Frauen in Kultur und Medien« ereschritt stehen. Das Programm wird sich an berufs- setzt auf die Kompetenz und das Fachwissen der Mit- tätige Frauen richten, die bereits einige Erfahrungen glieder des Deutschen Kulturrates. In einem Arbeits- im Berufsleben gesammelt haben und vor der Frage kreis Geschlechtergerechtigkeit, der sich aus Vertre- stehen, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln terinnen und Vertretern der Mitglieder des Deutschen wollen, welche Aufgaben sie in einer neuen Funktion Kulturrates zusammensetzt, sollen Handlungsbedarfe erwarten, wer ihnen Türen öffnen kann und wie beste- analysiert und herausgearbeitet werden. Der Arbeits- hende Hindernisse überwunden werden können. Mit kreis wird die Arbeit des Projektbüros begleiten. Dass dem Mentoring-Programm soll im Jahr 2018 gestartet beim Thema Geschlechtergerechtigkeit auch in den werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Frauen eigenen Reihen noch Handlungsbedarf besteht, ist an in kulturwirtschaftlichen Unternehmen. der Zusammensetzung dieses Arbeitskreises abzule- Vernetzen, informieren, unterstützen, das sollen die sen. Fast ausschließlich Frauen scheinen sich für die- zentralen Bausteine des Projektbüros »Frauen in Kul- ses Thema zu interessieren. Hier besteht die Aufga- tur und Medien« sein. Im Projekt sind wir offen für An- be, Männer weiter dafür zu sensibilisieren, dass Ge- regungen und Gespräche. schlechtergerechtigkeit auch sie angeht. Im Juni 2016 13
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Keine Männer- Frauen-Frage ANNETTE HÄFELINGER IM GESPRÄCH Wie sieht es in der Designbranche mit Projekte werden in der Regel auf eine fixe Frauen in Führungspositionen aus? Deadline hin realisiert. Teilzeitbeschäfti- Ein Designstudium ist bei Frauen beliebt, gungsverhältnisse auf Führungsebene sind daher finden sich in diesem Bereich vie- praktisch kaum umsetzbar. le Frauen. Ich habe sehr viele hochtalen- Gibt es für das Thema in Ihrer Branche tierte junge Frauen mit enormem Poten- ein Problembewusstsein? zial kennengelernt. Doch im Laufe des Be- Ich denke, dass dies mittlerweile in der rufslebens kehrt sich das Verhältnis um – Designbranche angekommen ist. Je grö- das ist meine persönliche Beobachtung. In ßer eine Agentur, desto einfacher wird es. der Designbranche stehen einige herausra- Ab einer bestimmten Agenturgröße kann gende Frauen an der Spitze, aber die Män- eine Stelle zwischenbesetzt werden, sodass ner dominieren. Im Deutschen Designer- eine Mitarbeiterin nach dem Mutterschutz club (DDC) überlegten wir oft händerin- auf ihre ursprüngliche Position zurückkom- gend, welche Referentin oder Jurorin wir men kann. Da kann man anders jonglieren. einladen könnten. Die Auswahl ist dünn. Grundsätzlich gibt es einen Mangel an hoch Woran liegt dieses Ungleichgewicht zwi- qualifizierten, sehr gut ausgebildeten Mit- schen Ausbildung und Berufskarriere? arbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kre- In meiner früheren Agentur häfelinger + ativwirtschaft. Gute, spezialisierte Fach- wagner design haben wir versucht, bei Ein- kräfte werden dringend gesucht. Für mich stellungen neutral zu sein. Auf der Füh- bezieht sich das Problembewusstsein al- rungsebene bildeten wir – als Mann und als lerdings auf Frauen wie auf Männer. Vie- Frau – ein gleichberechtigtes Team. Die De- le junge engagierte Väter möchten zuneh- signbranche ist kein einfaches Feld. Dead- mend ihre Vaterrolle bewusst leben und lines, Präsentationen und Kundentermine mitbekommen, wie ihre Kinder aufwach- bestimmen den Alltag. Technische Entwick- sen. Sie möchten ihre Kinder aus Kitas oder lungen und die Medienauffächerung sorgen Schulen abholen, legen Wert auf gemeinsa- für einen gravierenden Umbruch. Prozes- me Mahlzeiten. Agenturen und Designbü- se und Abstimmungen werden kurztaktiger, ros versuchen mehr und mehr, flexible Ar- ein hohes Maß an Flexibilität ist gefordert. beitszeitmodelle zu etablieren. Die Technik Betreut eine Mitarbeiterin oder ein Mitar- heute eröffnet viele Möglichkeiten, die es beiter in einer kreativen Leitungsposition erlauben, dass man z. B. abends noch ein hauptverantwortlich Kinder, wird es schwie- paar Stunden arbeitet oder Homeoffice- rig. Beispielsweise sind Zeiten vor wichtigen Tage nimmt. Solche Möglichkeiten wer- Präsentationen in der Regel verdichtet und den zunehmend genutzt und erleichtern intensiv. Er oder sie steht mit dem Team in den Alltag. Ich kenne Agenturen, die sich ständigem Austausch. Wenn ein Teamver- bewusst eine Vereinbarkeit zwischen Beruf antwortlicher oder eine Teamverantwortli- und Familie auf die Fahnen schreiben. Das che früh geht, weil er oder sie das Kind ab- hat manchmal mit den persönlichen Hin- holen muss oder ein Kind erkrankt, muss tergründen von Firmeninhabern zu tun, die der Prozess dennoch weiterlaufen. Das kann sich in einer ähnlichen Situation befinden. zu Schwierigkeiten führen. Das gilt auch für Es gibt große, aber auch viele kleinere die Kundenberatung, die zum Kunden und Agenturen: Ist es in den kleinen Agen- zum Team den Kontakt hält, Kundenwün- turen schon wegen der geringen Fluktu- sche einbringt, mit dem Team kommuni- ation schwierig, als Führungskraft nach- ziert und in alle Richtungen Feedback gibt. zurücken? 15
In einer kleinen Agentur gibt es wenig Füh- Vordergrund: Passt jemand ins Team? Ist rungspositionen. Kleine Studios sind oft in- er oder sie qualifiziert? Wie sieht das Port- habergeführt. Je größer eine Struktur ist, folio aus? Welche Projekte hat er oder sie desto mehr Positionen und Hierarchieebe- schon realisiert? nen gibt es. Größere Agenturen haben in Eine Möglichkeit wären anonymisierte der Regel eine höhere Fluktuation, so ent- Bewerbungsverfahren. Was halten Sie stehen Optionen auf Leitungspositionen. davon? Ich möchte zwischen den Geschlechtern Diese Diskussion habe ich bei Siemens mit- nicht trennen. Ich habe festgestellt, dass bekommen. Das finde ich nicht schlecht, es eine Frage des Menschentyps ist, ob je- weil ich glaube, dass es eine gewisse Vor- mand eine Führungsposition anstrebt oder Selektion gibt. Dennoch muss man irgend- nicht. Ich habe viele Männer kennengelernt, wann mit dem Bewerber ins persönliche die sich in der »zweiten Reihe« mit kreati- Gespräch kommen, um eine Entscheidung ven oder anderen Aufgaben sehr wohlfüh- zu treffen. Spätestens dann ist die Anony- len, die im Hintergrund bleiben möchten. mität aufgehoben. Die Frage ist: Ist er oder sie bereit, in die Denken Sie, dass ein solches Verfahren erste Reihe zu treten, zum Kunden zu ge- in Ihrer Branche eine Chance hätte? hen, zu beraten, zu präsentieren, ein Team Ja, ich habe das Gefühl, dass wir mittler- zu leiten und Verantwortung zu überneh- weile gesellschaftlich auf einem anderen men? Das ist keine Männer-Frauen-Frage, Level angekommen sind. Das Bewusstsein sondern eine Typ-Frage. für diese Frage hat sich viel stärker veran- Hat sich das in den vergangenen Jahren kert. Solche Überlegungen werden bei ei- verändert? Das Klischee sagt, dass Frau- nem technologieorientierten DAX-30-Kon- en gerne in der zweiten Reihe bleiben. zern wie der Siemens AG diskutiert, das ist Das ist wirklich ein Klischee. Wir müssen bemerkenswert. Ich kann mir das auch für in der Geschlechterdiskussion sehr auf- die Designbranche vorstellen. passen, dass wir Frauen uns nicht in eine Beobachten Sie im Designbereich einen solche Rolle begeben und sie uns einre- »Gender Pay Gap«? den, weil sie wiederholt zitiert wird. Dass Ich bin überzeugt, dass es eine ungleiche wir nicht sagen: Frauen sind leise, beschei- Bezahlung gibt. Heute habe ich für diese den, verständnisvoll, sozial und nicht in der Frage einen sensibleren Zugang und ein be- Lage, Projekte ergebnisorientiert und effi- sonderes Augenmerk als früher. Man darf zient zu managen. An diese Klischees glau- sich grundsätzlich nicht unter Wert ver- be ich nicht. Ich kenne viele Top-Frauen in kaufen, sollte aufmerksam sein und man meinem persönlichen Umfeld, die eine be- braucht den Willen, zu sagen: Ich will das rufliche Karriere nach ganz oben machten. und das verdienen – da muss man schon Kommen Kinder ins Spiel, stellt sich die fast ein bisschen skrupellos sein. Frage: Wie gehen die Partner mit der Ver- Würde Gehaltstransparenz in Unterneh- Annette Häfelinger ist antwortung um? Zieht der Partner nicht mit men Abhilfe schaffen? Expertin für integrierte oder gibt es Schwierigkeiten mit der Kin- Da bin ich nicht ganz sicher. Transparenz Unternehmens- und derbetreuung (Wartelisten bei Kita-Plät- erzeugt auch Unmut. Es wird immer Men- Finanzkommunikation zen etc.), dann wird die Belastung für Frau- schen geben, die überzeugt sind, sie würden sowie Markenentwicklung en oft zu groß. Das ist oft der Grund dafür, ungerecht behandelt und unter Wert be- und Inhaberin der Agen- dass Frauen in eine kleinere Einheit, in ein zahlt. Vielleicht wären Foren hilfreich, auf tur häfelinger design. kleines Studio oder in die Freiberuflichkeit denen man sich austauschen kann. Die Fragen stellte Barbara wechseln. Dort können sie flexibler arbei- Hat das auch mit dem Selbstbewusstsein Haack – sie ist Journa ten und nehmen in der Regel ein geringe- von Frauen zu tun? listin und Moderatorin. res Einkommen in Kauf. Ja. Man sollte sich mehr trauen, über das Wie ist das bei der Einstellung? Erleben Thema Geld und Verdienst zu sprechen. Sie es, dass Frauen mit Kindern bei der Vielleicht sollten wir nach Amerika schau- Bewerbung schlechtere Chancen haben? en; die Amerikaner haben ein lockereres Bei uns hat das keine Rolle gespielt. Verhältnis zu der Frage: Was verdienst du? Vielleicht auch, weil Sie als weibliche Ein stärkerer Austausch wäre gut, um ein Führungskraft das anders sehen? besseres Gespür für geschlechterneutrale Das kann sein. Bei uns stand die Frage im Bezahlung zu bekommen. 16
Wissen Sie etwas über Mentoring-Pro- Wie denken Sie über eine Quote in Un- tierung Normen oder Vorgaben gäbe – auf gramme in der Designbranche? Werden ternehmen? freiwilliger Basis. Immer mehr NGOs, Ver- die genutzt? Grundsätzlich bin ich gegen die Quote, bände und Organisationen achten auf die- Beim DDC stellten wir die Generationsfrage aber ich sehe, dass der Ruf nach der Quo- se Themen und veröffentlichen sie. Die so- in den Mittelpunkt. Wir machen das nicht te hilft. Bei Siemens betrug der Frauenan- zialen Medien bieten heute sehr viele Mög- an Frauen fest. Es ging um die Förderung teil in Vorstand- und Aufsichtsrat im Jahr lichkeiten, einen gesellschaftlichen Druck der jungen Generation, also derjenigen, die 2016 30 Prozent, was sehr positiv ist. Glo- zu erzeugen. Dem können sich Unterneh- jetzt am Start sind. Mentoring-Program- bale Dax-30-Unternemen stehen unter in- men nicht dauerhaft verschließen. me für Frauen empfinde ich als diskrimi- tensiver medialer, öffentlicher und gesell- Wenn wir über Preise, Auszeichnungen, nierend. Das wirkt so, als seien Frauen be- schaftlicher Beobachtung. Insofern erzeugt Wettbewerbe sprechen: Ist eine Quote in sonders hilfebedürftig oder schutzwürdig. die Diskussion um die Quote einen öffent- Gremienbesetzungen für Sie ein Thema? Wichtig ist, dass die junge Generation ins- lichen Druck, der auch dazu beiträgt, dass Der DDC führt den Designwettbewerb gesamt gefördert wird, dass es dafür Pro- Unternehmen ein stärkeres Bewusstsein für »Gute Gestaltung« seit 2000 jährlich durch. gramme gibt. Es wäre gut, wenn Themen dieses Thema entwickeln. Wir achten seit Jahren darauf, dass die Jury wie Verdienstmöglichkeiten und Gehalts- Sehen Sie das als gesetzliche Regelung ausgewogen ist, daher ist der Anspruch auf verhandlungen auch im Studium vorkämen, oder als freiwillige Branchenregelung? Ausgewogenheit im Wettbewerbskodex ver- ebenso die Frage, wie man sich präsentiert. Eine gesetzliche Regelung widerstrebt mir. ankert. Das klappt mal ein bisschen bes- Das sollte nicht geschlechterbezogen sein. Wie weit sollte man selbstständigen, ge- ser, mal ein bisschen schlechter. Beim DDC Mentoring-Programme oder Netzwerke rade kleineren Unternehmen überhaupt wurde ich 2015 in den Vorstand gewählt, als sind auch gedacht, um das »standing« gesetzliche Vorschriften machen? erste Frau nach über 25 Jahren. Das spricht von vorwiegend jungen Frauen zu stär- Gerade kleine Firmen haben es generell Bände, denn die Designbranche ist eine ken, wo es offenbar Nachholbedarf gibt. schwer. Die Auftragslage schwankt. Kleine Männerdomäne. Ich bin in keinem einzigen Frauennetzwerk Studios müssen ausloten, wie sie zurecht- vertreten, ich meide das. Aber: Ich bin in kommen, brauchen Flexibilität. Restriktive vielen Netzwerken vertreten und engagie- Auflagen erschweren es, unternehmerisch re mich dort. Es wäre besser, es gäbe Men- tätig zu sein. Bei den Großen, den »Schwer- toring-Programme für junge Menschen, da- gewichten«, die wirtschaftlich anders aufge- mit alle die gleichen Chancen haben. stellt sind, wäre es gut, wenn es zur Orien- 17
Martina Flor Martina Flor ist in Buenos Aires aufge- wachsen, studierte Kommunikations design in Barcelona und Den Haag, um sich schließlich in Berlin mit ihrem eigenen Studio niederzulassen. Was für ein Glück für die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft! Denn fragt man nach bekannten Frauen in der Designbran- che – wird ihr Name als einer der ersten genannt. Flor ist Designerin und Illustra- torin und arbeitet in drei Sprachen für Kunden, Agenturen, Zeitschriften und Verlage rund um den Globus. Arbeitet sie nicht kommerziell, ist sie mit der Mitgründung des Projekts »Lettering vs Calligraphy«, der Gründung von »Letter Collection«, eigenen Briefdesign-Work- shops sowie Vorträgen an mehreren Uni- versitäten beschäftigt. Qué mujer!
Ein gesamtgesell- schaftliches Problem ANETT GRAF IM GESPRÄCH Wie viele Mitarbeiter haben Sie insgesamt, wie vie- le davon sind Frauen? Wir haben ca. 300 Mitarbeiter, davon sind 30 Prozent Frauen. Das ist im Vergleich zu anderen Unternehmen im Games- und IT-Umfeld überdurchschnittlich. Wir als Firma können sehr stolz darauf sein, dass wir eine sehr hohe Frauenquote im IT-Umfeld haben. Wie viele Frauen haben Führungspositionen? Wir haben ungefähr 50 Führungskräfte, davon sind sie- ben Frauen, sowohl in der ersten Ebene direkt unter der Geschäftsleitung als auch in den Ebenen darunter. Wie setzt sich die Geschäftsleitung zusammen? Die Geschäftsleitung besteht aus fünf Leuten: dem Vor- stand, der Gründer der Gameforge AG ist, und weite- ren vier Geschäftsführern, die für bestimmte Firmen- bereiche verantwortlich sind. Unter diesen fünf ist kei- ne Frau. Bis vor zwei Jahren hatten wir ein weibliches Geschäftsleitungsmitglied. Wird bei Ihnen Wert darauf gelegt, Frauen verstärkt in Führungspositionen zu bringen? Explizit ist das kein Thema. Es gibt keine speziellen Förderprogramme, um mehr Frauen in solche Positio- nen zu bringen. Wir schauen auf Leistung, Kompetenz und Engagement. Das tun wir völlig geschlechterun- abhängig. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sa- gen, dass ich mich nicht anders als meine männlichen Kollegen behandelt fühle. Es zählt einfach das, was ich leiste und mitbringe. Nehmen Sie wahr, dass Frauen in Ihrem Unterneh- men nach solchen Führungspositionen streben? Wir haben vor einigen Jahren ein Führungskräftenach- wuchsprogramm aufgesetzt. Wir fragen dafür im Un- ternehmen offen ab, wer, egal ob Mann oder Frau, sich als Führungskraft weiterentwickeln möchte. Diese po- tenziellen Führungskräfte bewerben sich mit einem Motivationsschreiben. Die Kandidaten, die geeignet erscheinen, gehen in ein Programm, das ungefähr ein halbes Jahr läuft. Dort statten wir sie mit allem aus, was sie für die Rolle und die Aufgaben einer Führungskraft brauchen: Trainings zum Thema Kommunikation, Mit- arbeiterführung, Arbeitsrecht und Projektmanagement. Sind auch Frauen dabei? Ja. Das sind Gruppen von zehn bis zwölf Mitarbeitern; auch hier liegt das Verhältnis bei ungefähr drei Frau- en zu sieben Männern. Viele dieser Kollegen, die das in den letzten Jahren durchlaufen haben, sind heu- 20
te Führungskräfte. Aber das machen wir nicht spezi- was sie selber angeben wollen. Wenn sie kein Foto mit- ell für Frauen. Wir schauen auch nicht darauf, ob das schicken, dann werden wir das nicht anfordern. Wenn Verhältnis stimmt. jemand in seinem Lebenslauf seinen Familienstand Wie ist die Situation in Ihrem Unternehmen oder oder die Anzahl seiner Kinder nicht angibt, dann fra- auch in der Branche allgemein: Spüren Sie den gen wir nicht nach, weil uns das nicht interessiert. Mich Fachkräftemangel? interessiert, was jemanden bewegt, sich bei uns zu be- In den Medien wird darüber derzeit viel berichtet. Für werben, was er spannend findet an der Aufgabe, was er unser Unternehmen würde ich das nicht unterschrei- in der Vergangenheit gemacht hat, welche Qualifikati- ben. Natürlich merken wir, dass das Recruiting extrem on, welches Engagement und welche Motivation er hat. schwierig geworden ist. Man muss als Arbeitgeber ein- Es spielt für mich keine Rolle, wie alt er ist, wo er vor- fach viel mehr tun, um auf sich aufmerksam zu machen. her gelebt hat, wie viele Kinder er hat oder ob er drei- Es ist ein ganz klassischer Bewerbermarkt, vor allen mal geschieden ist. Das einzige, was wir hinterfragen, Dingen in den technischen Berufen, in der IT und im ist inhaltsbezogen. Gaming. Die Leute können sich ihren Job aussuchen, Heftig diskutiert ist der »Gender Pay Gap«, also wenn sie gut sind. Aber wir finden nach wie vor die die Tatsache, dass viele Frauen mit der gleichen Menschen, die wir brauchen. Wir bekommen sehr viele Arbeit weniger verdienen als Männer. Sehen Sie Bewerbungen von Frauen auch für technische oder IT- das bei sich auch? Berufe, die wir genauso bewerten und beurteilen, wie Nein. Bei uns zählt bei der Vergütung immer Leistung wir das mit denen der männlichen Mitbewerber tun. und Engagement. Wir haben eine strukturierte und Erleben Sie, dass Familiengründung dazu führen starke Kontrolle durch uns als Human Resources, um kann, dass Frauen seltener in Führungspositio- ein gutes Ranking und keine Ausreißer zu haben, son- nen kommen? dern eine Gleichbehandlung in der Bezahlung nach Nein, das würde ich nicht sagen. Ich kann aus eigener Leistung. Das prüfen wir regelmäßig nach. Wir schau- Erfahrung sprechen: Meine Tochter ist sechs Jahre alt, en nach Vergleichspositionen, gucken, was im Markt ich bin seit knapp drei Jahren in dieser Position. Ich und was in der Region gerade bezahlt wird. So legen bin also mit einem dreijährigen Kind und Teilzeitar- wir ein Gehaltsniveau oder eine Gehaltsbandbreite fest. beit auf die Führungsposition gekommen. Als ich mich Hintergrund dieser Frage ist unter anderem, dass für diese Position intern bewarb, war es nie ein The- die Frauen in den Bewerbungsgesprächen niedri- ma, dass ich zu dem damaligen Zeitpunkt nur 30 Stun- ger einsteigen mit ihren Forderungen. den gearbeitet habe. In zwei Fällen habe ich selber reagiert, als sich jemand Sind Sie ein familienfreundliches Unternehmen? beworben hat und deutlich unter dem war, was wir be- Ja, ich würde uns als sehr familienfreundliches Unter- reit waren zu zahlen. Das machen wir dann nicht, weil nehmen bezeichnen. Genau das hilft mir dabei, mei- es unfair wäre. Da hat eine Frau mehr bekommen als nen Job als Führungskraft zu machen. Ich habe eini- das, was sie gefordert hat. ge Kolleginnen, die auch Kinder haben und trotzdem Was halten Sie von der Einführung einer Quote? eine Führungsposition oder eine verantwortungsvolle Meine persönliche Meinung ist: Nein, warum auch? Produktposition bekleiden. Wir haben flexible Arbeits- Für uns ist es kein Thema. Es zählen Leistung und En- zeiten. Wir haben keine Von-Bis-Zeiten, sondern jeder gagement. Wenn wir eine Geschäftsführerposition zu kann seine Arbeitszeit frei gestalten. Wir haben immer besetzen hätten, käme es darauf an, welche Kandida- die Möglichkeit, Homeoffice zu machen. Wir reagieren ten wir finden. Ich würde sehr gerne eine Frau ein- als Unternehmen entspannt, wenn sich jemand – auch stellen, aber wenn ich keine finde, die eine bestimmte spontan – um sein Kind kümmern muss. Wir haben kei- Kompetenz und Qualifikation mitbringt: Was soll ich ne festen Richtlinien, weil für uns die Familie und die dann tun? Ich kann nicht jemanden einstellen, der ein- Kinder einfach an erster Stelle stehen. fach schlecht ist. Woher kommt eine solche Einstellung im Unter- Über Mentoring-Programme in Ihrem Unterneh- nehmen, gerade wenn keine Frauen in der Ge- men haben Sie gesprochen. Wissen Sie, ob es so et- schäftsleitung sind? was in Ihrer Branche gibt? Wir sind trotz unserer Größe ein sehr familiäres Un- An Frauenförderungsthemen aus der Branche kenne Anett Graf ist Head ternehmen. Unsere Geschäftsleiter haben alle Fami- ich die Initiative »Womenize« von Ruth Lemmen. Das of Human Resources lie und wissen um die Schwierigkeiten und herausfor- ist eher ein Netzwerk und ein publizistisches Projekt, bei Gameforge, dem dernden Situationen, denen man sich stellen muss. Das das Aufmerksamkeit herbeiführen soll. Das hat nicht so weltweiten Markt ist immer ein Teil der DNA gewesen, welche Game- viel mit konkreter Umsetzung in Unternehmen zu tun. führer im Bereich der forge ausmacht. Natürlich sind wir ein Unternehmen, Es gibt noch das Netzwerk »Women in Games«, über Free-to-Play-Spiele. das wirtschaftlich denkt, arbeitet und schauen muss, das viel Recruiting passiert und in dem speziell Frau- Die Fragen stellte dass Umsätze stimmen und die nötige Produktivität en ihre Projekte der Gamesbranche vorstellen. Zum Barbara Haack – sie an den Tag gelegt wird. Aber unter all dem vergessen Thema Führungspositionen gibt es noch PANDA, ein ist Journalistin und wir nicht, dass wir hier Menschen sind und ein vertrau- Netzwerk für Führungsfrauen. Das bezieht sich aber Moderatorin. ensvolles Umfeld benötigen, um mit unseren Mitarbei- nicht nur auf die Gamesbranche. tern zu arbeiten. Wäre es sinnvoll, man setzte viel früher an und Haben Frauen mit Kind, die sich bewerben, für Sie versuchte, Interesse bei jungen Mädchen für diese einen Einstellungsnachteil? Arten von Ausbildungen und Berufen zu wecken? Nein. Ja, aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Was halten Sie von anonymisierten Bewerbungen? Das machen wir nicht. Ich persönlich mag das über- haupt nicht. Kandidaten bewerben sich bei uns mit dem, 21
Nicht in jeder Hinsicht perfekt F L E A H O E F L VO N LÖ H N E YS E N I M G E S P R ÄC H 22
Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Unterneh- Man könnte das machen. Aber ob es hilft? Flea Hoefl von Löhneysen men, und wie viele davon sind Frauen? Ich habe neulich einen Mitarbeiter oder ist Managing Director Wir haben elf Mitarbeiter, darunter fünf Mitarbeiterin gesucht. Ich habe da nicht von Guerilla Music Promotion. Frauen. auf die Namen geguckt, nur auf das, was Die Fragen stellte Barbara Und Sie stehen an der Spitze? sie bisher gemacht haben. Haack – sie ist ist Journalistin Ja, genau. Und Sie haben auch nicht darauf ge- und Moderatorin. Gibt es weitere Führungskräfte? achtet, ob da jemand ein Kind hat oder Es gibt mich und einen männlichen Mitar- nicht? beiter, der schon sehr lange dabei ist. Nein. Das ging aus den Bewerbungen gar Spielt es für Sie eine Rolle, wenn Sie nicht hervor. Das frage ich auch nicht ab. Menschen einstellen, ob es Frauen oder Wie finden Sie Ihre Nachwuchsführungs- Männer sind? kräfte und wie schwierig ist das? Gibt es Eigentlich nicht. bei Ihnen einen Fachkräftemangel? Das heißt, Sie stellen ein nach …? Im deutschsprachigen Raum scheint das Qualifikation, Erfahrung und Kompetenz. schwieriger als im englischsprachigen zu Ist die Geschlechterverteilung in Ihrem sein. Ich weiß nicht, warum das so ist. Aber Unternehmen, das recht ausgeglichen ich weiß von anderen Agenturen, die nicht ist, ein Thema? mit Musik zu tun haben, dass sie extreme Das ist kein Thema. Aber wenn man zurück- Probleme haben, Leute zu finden, die rich- denkt an die letzten 20 Jahre: Im Plattenin- tig ausgebildet sind. Aber in dem Bereich dustriebereich gab es Zeiten, in denen nur gibt es mehr Frauen als Männer. Frauen gearbeitet haben. Wenn Sie sich diese PR-Branche an- Gab es dafür einen Grund? schauen: Gibt es da viele Frauen in der Das hatte einen ganz klaren Grund: Als die Chefposition? Umsätze fielen, waren die Jobs zu schlecht Ja, weil es oft Firmen sind, die die Frauen bezahlt, und es waren nur Frauen bereit, so selbst gegründet haben. viel Arbeit für dieses Geld zu leisten. Würden Sie sagen, dass Sie in Ihrer ei- Haben es die Künstlerinnen in Ihrem Damit sind wir schon beim »Gender Pay genen Agentur familienfreundliche Ar- Bereich also tatsächlich schwerer als Gap«. Offensichtlich werden viele Frauen beitsbedingungen haben, z. B. flexible die Künstler? für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt Arbeitszeiten, Homeoffice etc.? Ja, das kann man überall beobachten, auf als Männer. Nehmen Sie das auch wahr? Ja, das ist auf jeden Fall möglich. Aber aus Festivals, in Sendern … Die Antwort lau- So formuliert, nehme ich es nicht wahr. eigener Erfahrung versuche ich, allen klar- tet dann z. B.: »Wir haben schon zwei Quo- Aber ich stelle fest, dass Frauen bereit sind, zumachen, dass sie glücklicher werden, tenfrauen. Wir brauchen keine weiteren.« für das gleiche Geld viel mehr zu arbeiten. wenn sie das trennen können. Nach meiner Können Sie sich vorstellen, dass Netz- Ich habe z. B. Erfahrungen mit Frauen, die eigenen Erfahrung ist das Arbeiten zu Hau- werke für Frauen oder auch Mentoring- in meinem Alter sind, die wegen ihrer Kin- se, wenn man Kinder hat, die Hölle. Ich weiß, Programme helfen würden? der oft eine 30-Stunden-Woche machen. dass viele es vorziehen, ins Büro zu fahren. Ich glaube, das hilft auf jeden Fall. Ich habe Die arbeiten dann natürlich 50 Stunden, Das klingt so, als ob es für Frauen tat- so etwas 20 Jahre lang vermieden und fand auch von zu Hause aus. sächlich stressig sein kann, mit Kindern es unnötig. Aber inzwischen finde ich das Haben Sie eine Erklärung dafür, dass das einen verantwortungsvollen Job zu ma- ganz gut. so ist, dass die Frauen einfach mehr ar- nagen. Haben Sie eine Idee, wie man da- Was halten Sie von einer Quote, in Un- beiten? ran etwas ändern könnte? ternehmen oder auch im öffentlich- Ich glaube, Frauen sind ehrgeizig. Und sie Deutschland ist bei der Kinderbetreuung rechtlichen Bereich? Könnte das etwas haben immer Angst, dass sie ihren Job ver- schon sehr weit, das finde ich fantastisch. verändern? lieren, wenn sie Kinder bekommen haben. In Amerika, Kanada, Australien oder Eng- Ich habe immer Angst, dass Leute dann Oder weil sie älter werden. Wegen dieser land hat man diese Unterstützung nicht. Es denken, dass die Frauen weniger wert sind, Angst arbeiten sie doppelt so viel wie nö- ist eher etwas Psychisches: dieses ständige weil sie nur wegen der Quote eine bestimm- tig für die Bezahlung, die sie bekommen. Schuldgefühl, wenn man sich mal auf eine te Position haben. Das finde ich eigentlich Das heißt, dass das Thema Familie nach Sache konzentriert und nicht immer alles negativ. wie vor ein großes Thema ist? andere im Hinterkopf hat. Wichtig ist der Wie haben Sie es geschafft, an der Spitze Das ist ein riesiges Thema. Ich habe sel- Gedanke, dass man nicht in jeder Hinsicht eines Unternehmens zu stehen? ber vier Kinder im Alter von 14 bis 26 Jah- perfekt sein muss. Das ist einfach sehr, sehr, sehr viel Arbeit. ren. Und ich habe die ersten beiden Kinder Erleben Sie in Ihrem Umfeld Männer- erst einmal verheimlicht, um meinen ers- oder Frauen-Netzwerke? ten Job in Deutschland zu bekommen. Ich Was mir ganz stark auffällt, ist, dass Männer habe ein Jahr lang gearbeitet, ohne dass je- im öffentlich-rechtlichen Bereich deutlich mand von meinen Kindern wusste. dominieren. Das führt dann zur Bevorzu- Was halten Sie bei dieser Vorgeschich- gung anderer Männer, nicht nur als Kolle- te von anonymisierten Bewerbungsver- gen, sondern auch in der Auswahl der Mu- fahren? siker, die gesendet werden. 23
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