Wissenschaft für die Praxis - s Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V - Stiftung für die Wissenschaft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Wissenschaft für die Praxis Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. s Finanzgruppe Heft 86 · Dezember 2019 Wissenschaftsförderung
Herausgeber: Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e.V. Geschäftsstelle: Simrockstraße 4, 53113 Bonn Postanschrift: Postfach 14 29, 53004 Bonn Telefon: (02 28) 2 04-57 31 Fax: (02 28) 2 04-57 35 E-Mail: s-wissenschaft@dsgv.de Internet: www.s-wissenschaft.de Verantwortlich: Dr. Klaus Krummrich Redaktion: George Clegg Telefon: (02 28) 2 04-57 31 Fax: (02 28) 2 04-57 35 Gestaltung: weber preprint service, Bonn Die Mitteilungen erscheinen zweimal im Jahr und werden den Mitgliedern der Wissenschaftsförderung der Sparkassen- Finanzgruppe sowie der interessierten Fachöffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt. ISSN 1864-2721 Titelbild: Das Titelbild zeigt die griechische Muse der Poesie, Philosophie, Wissenschaft und Rhetorik Kalliope auf dem Schinkeltor am Westeingang zum Neuen Augusteum der 1409 gegründeten Universität Leipzig. Das nach dem preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel benannte Tor ist das einzige erhaltene Baufragment des Univer- sitätsgebäudes am Augustaplatz aus dem 19. Jahrhundert. Es fügt sich heute harmo- nisch in den modernen Campuskomplex im Herzen der Messestadt ein. Foto: Nils Mammen / Universität Leipzig, SUK
Editorial Editorial „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“ Welcher andere Satz könnte das innerste Wesen und Streben der Wissenschaft treffender beschreiben als der des Erfinders und Unternehmers Henry Ford? Neues Wissen erschließen, Stillstand vermeiden, innova- Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, tive Wege gehen – dieses Grundprinzip des Fortschritts Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV , legt auch die Wissenschaftsförderung der Sparkassen- Vorsitzender des Kuratoriums der Wissenschaftsförderung Finanzgruppe e. V. ihrer Neuorientierung zugrunde. der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. Sie wird 2020 die bisherige Rechtsform eines eingetra- genen Vereins aufgeben und sich in eine „Stiftung für die Wissenschaft“ wandeln und damit einhergehend ihr Forschung und Sparkassenpraxis aufzubauen und zu Förderspektrum ausbauen, neue Kooperationspartner pflegen. Sie hat damit nicht nur für die gesamte einbinden und das überregionale Netzwerk im wissen- Finanzgruppe wichtige operative Themenfelder in den schaftlichen Spektrum verdichten. Denn in Zeiten wissenschaftlichen Diskurs eingebracht, sondern anhaltend verunsicherter Finanzmärkte, veränderter darüber hinaus den aus dem Markenkern geborenen Kundenansprüche, immer höher geschraubter regulato- Anspruch der Sparkassen untermauert, ihr breites rischer, ökonomischer wie ökologischer Anforderungen gesellschaftliches Engagement auch im universitären und tief greifender technologischer Umbrüche müssen Bereich zum Nutzen des Gemeinwohls auszufüllen und auch die Sparkassen ihr Geschäftsmodell erneut zu- sichtbar zu machen. kunftsfest machen. Die mit hohen Belastungen verbun- denen existenziellen Fragestellungen erfordern nicht nur Dieses Engagement fortzuschreiben und den sich einen leistungsstarken Verbund, sie zwingen auch zu wandelnden gesellschaftlichen und wissenschaftlichen einem strategischen, in die Zukunft gerichteten Denken. Anforderungen durch die Erschließung neuer Themen- felder anzupassen sollte, ja muss, im wohlverstande- Angesichts der Komplexität kann diesen Herausforde- nen Eigeninteresse aller Mitglieder des Sparkassenver- rungen allerdings nicht mehr allein mit dem Hand- bundes liegen. Die künftige Rechtsform einer Stiftung werkszeug des internen Fachwissens – und sei es auch sicherte die notwendige breite ideelle und finanzielle noch so ausgeprägt – begegnet werden. Vielmehr Basis und sendet das Signal aus, auch künftig an der bedarf es einer gezielten Wissensvernetzung mit dem gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung aktiv mitzuwir- Sachverstand des externen Forschers, der mutig den ken. Getreu der Erkenntnis des Gründervaters der Blick über den Tellerrand und damit den fachlich-prak- Vereinigten Staaten, des Forschers Benjamin Franklin, tischen Blickwinkel erweitert. dass „eine Investition in Wissen noch immer die besten Zinsen bringt“. Über viele Jahrzehnte hinweg ist es der Wissenschafts- förderung gelungen, ein stabiles Netzwerk zwischen Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis 3
Inhalt Inhalt EDITORIAL 3 Inhalt 5 Das aktuelle Interview 6 Japanischer Zombifizierungs-Infekt bedroht auch Europa – Ausstieg aus der Droge Niedrigzinsen erfordert Mut von Politik und EZB Wissenschaft vor Ort 11 Savings and Retail Banking History Award 2019 – Erster Preis ging in die Schweiz Entrepreneurship Research Newcomer Award – Junge Preisträger aus Düsseldorf und Trier Bonner Akademischer Sommer – Die Freiheit, mutig über den Tellerrand hinaus zu schauen Aus der Forschung 19 Förderung der Wissenschaft bleibt essentiell – Neue Stiftung ebnet Weg in die Zukunft Veranstaltungen 22 12. Magdeburger Finanzmarktdialog – Quo vadis Europa? Zwischen Brexit-Skylla und Zins-Charybdis Newsticker 26 Unternehmensgeschichte 27 Financial History Workshop in Wien – Sparkassen vermitteln weltweit Finanzwissen Sparkassen in historischen Umbrüchen am Beispiel Berlins – Wendezeiten Reif fürs Archiv: Als sich der Plattenteller rund um das liebe Geld drehte – Finanzberatung im Beat-Sound der Swinging Sixties Institut für Kreditrecht Mainz – Seminartermine im Wintersemester 2019/2020 32 Eberle-Butschkau-Stiftung 33 Bildungsreise nach Argentinien und Brasilien – Auf dem Kontinent der tiefen Gegensätze EBuSti-Kollegiaten bei der Sparkasse Osnabrück – Gegenseitiger Lerneffekt Bereichernde Ideen Bachelor-Abschluss der Hochschule gefeiert – Auszeichnung für die Jahrgangsbesten Kommunikations- und Medientraining im Frankenland – Überzeugend auftreten ist auch Übungssache EBuSti-Team beim Sparkassenmarathon CREDIT and CAPITAL MARKETS – KREDIT und KAPITAL 40 5
Das Land der aufgehenden Sonne leidet seit Jahrzehnten unter anhaltenden Niedrigzinsen. Drohen die dadurch verursachten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Negativszenarien mittelfristig auch Europa? Japanischer Zombifizierungs-Infekt bedroht auch Europa Ausstieg aus der Droge Niedrigzinsen erfordert Mut von Politik und EZB An der Universität Leipzig er- Sie bewerten die derzeitige Geldpolitik der EZB mit anhaltenden Niedrigzinsen und massiven Anleihe- forscht Professor Dr. Gunther käufen als schädlich für Wirtschaft und Gesellschaft. Schnabl mit seinem Team die Dabei lief die deutsche Konjunktur in den vergangenen Jahren doch auf Hochtouren. Warum diese Kritik? Auswirkungen der Null- und Negativzinspolitik der Bank von Wir konnten in den letzten Jahrzehnten immer wieder beobachten, dass Zinssenkungen der Zentralbanken Japan auf die japanische Spar- zunächst überschwängliche Boom-Phasen bewirkten, kultur und Wirtschaft. Ob dem die mit einschneidenden Krisen endeten. Beispiele sind die japanische Blasenökonomie in den Jahren Euro-Raum ähnliche Negativ- zwischen 1986 und 1989, der US-Hypothekenmarkt- szenarien drohen könnten, erklärt boom im Zeitraum von 2003 bis 2007 oder die Konsumeuphorie in einigen Ländern der südlichen Professor Schnabl im Gespräch. Eurozone von 2003 bis 2007. Seit 2012 hat das billige 6
Das aktuelle Interview „Die Staatsverschuldung Dr. Gunth er Schnab l in Japan ist auf 240 Prozent or fü r ist Profess ir ts ch a ft spolitik des BIP angestiegen. W ationale und Inte r n sbezie- Eine Besserung ist Wirtschaft hungen a it n ä t der Leipzig nicht in Sicht.“ Unive rs dort und leitet Viele binnenmarktorientierte Klein- und Mittelunter- it u t für das Inst ts ch a ft spolitik. nehmen sind hingegen nur noch überlebensfähig, Wir d er weil die Bank von Japan die Zinsen auf Dauer bei Null Er hat an rs itä t Tübingen Unive belässt. Eine quasi bedingungslose Kreditvergabe hat gs- zu Leistun dazu geführt, dass die Produktivitätsgewinne der n g le ich- bilanzu ic h te n u nd ar japanischen Wirtschaft stark zurückgegangen sind. gew tegration bilitiert, w Währung s in p ro m o vi ert und ha d e r Seit 1998 sinken deshalb die realen Löhne, und die pa ersity, n und Euro nford Univ in Ostasie ftle r an der Sta n iversité Pari s1 prekären Beschäftigungsverhältnisse nehmen stetig is se n sc h a n, de r U Ga st w u ve d e r rsität Le desbank, zu. In der Peripherie schrumpfen Städte und Dörfer, hen Unive chen Bun Katholisc e, d e r D e u ts w Yo rk -Sorbonn ank of Ne weil die Wirtschaftskraft schwindet und die Menschen Panthéon Reserve B Universitä t e r Federal Bank of Ja p a n , d r B e ru fu n n die g a a n ki ng in den Großraum Tokio abwandern, wo das billige Geld ine tätig. Im R EZB. Vor se i der EZB sowie der vi so r b e b a n k der Bank von Japan das Wachstum aufrechterhält. ar er als A d en Daten Leipzig w nschaftlich swirte in rn a ti o n alen wisse roze n t der Volk Die Staatsverschuldung ist auf 240 Prozent des der inte en To p -3 -P ört er zu d Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Eine Aussicht auf IDEAS geh d Europa. n d u n Besserung gibt es trotz oder gerade wegen der Geld- Deutschla schwemme nicht. Geld der Europäischen Zentralbank einen Aktien- und Sie warnen davor, dass auch dem Euro-Raum durch die Immobilienboom in Deutschland entfacht. Sobald EZB-Politik japanische Verhältnisse drohen. Gilt diese diese Übertreibungen ein Ende finden, dürfte auch Mahnung vor allem für die südeuropäischen Länder oder Deutschland in die Krise schlittern. Schmerzhafte ist auch der Norden bedroht, in dem doch eigentlich star- Einschnitte werden dann unvermeidlich sein. ke Unternehmen für wirtschaftliche Prosperität sorgen? Als Beispiel für durch lange Niedrigzinsphasen Seit der Einführung des Euro folgen unterschiedliche drohende Fehlentwicklungen verweisen Sie auf Japan. Teile des Euro-Raums unterschiedlichen Konjunktur- Was läuft denn im fernöstlichen einstigen Wirtschafts- zyklen. Zwischen 2001 und 2007 war vor allem wunderland so grundlegend schief? Deutschland in der Krise und der Süden erlebte einen Boom. Seit Ausbruch der europäischen Finanz- und In Japan hat die Blasenökono- mie, die mit großer Euphorie und einem Konsumboom einher- gegangen war, eine 30 Jahre anhaltende Krise nach sich gezogen. Dem Platzen der Blase zu Beginn der 1990er Jahre wurde mit großen staatlichen Nachfrageprogrammen, Zins- senkungen auf Null sowie um- fangreichen Ankäufen von Staatsanleihen und Aktien begegnet. Ein krachender Kollaps konnte verhindert werden, und vor allem die großen Unter- Die anhaltend lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nehmen haben von niedrigen (EZB), verbunden mit markanten Niedrigzinsen könnte auch im Zinsen und der Yen-Abwertung Euro-Raum auf Sicht zu einer zombifizierten Wirtschaft führen. profitiert. Fotos: Deutsche Bundesbank 7
Das aktuelle Interview Schuldenkrise läuft es in Deutschland rund, aber dem „Der wirtschaftliche Süden geht es schlecht. Deshalb wirkt auch die seit 2010 historisch lockere Geldpolitik der EZB unter- Abstieg wird durch schiedlich. Der Süden wird durch die anhaltend niedri- eine wuchernde gen Zinsen zombifiziert, weil dank des billigen Geldes notwendige Strukturreformen und Restrukturierungen Regulierung sogar auf die lange Bank geschoben werden können so wie noch verstärkt.“ in Japan seit 1990. In Deutschland haben hingegen – wie in Japan zwischen Die notwendigen Mittel wurden von der Zentralbank 1986 und 1989 – die anhaltend niedrigen Zinsen einen gedruckt, um die Banken über Wasser zu halten. Die Exportboom und in vielen Städten einen Immobilien- Unternehmen verloren wegen der nachsichtigen boom entfacht, der zuletzt die realen Löhne etwas hat Kreditvergabe ihre Dynamik. Der daraus resultierende steigen lassen. Falls die Blase in Deutschland platzt, wirtschaftliche Verfall war langsam, aber kontinuierlich. dürfte die Geldpolitik der EZB noch expansiver werden. Ich sehe, dass ein solcher Prozess – ausgehend von Dann könnte der ganze Euroraum zombifiziert werden. einem deutlich höheren Wohlstandsniveau – auch in Japan und Europa eingesetzt hat. Der wirtschaftliche Die EZB züchtet Ihren Untersuchungen zufolge also Abstieg wird durch eine wuchernde Regulierung noch geradezu Zombie-Unternehmen und Zombie-Banken verstärkt. und ebnet so und auch durch ausufernde Regulierung den Weg zur schleichenden Rückkehr der Planwirt- Was ist die Konsequenz für die Menschen? schaft. Ist die Situation tatsächlich so dramatisch? Ersparnisse werden nicht mehr beziehungsweise real Das kommt auf die Sichtweise an. Einerseits ist der negativ verzinst. Auch die realen Lohnsteigerungen große Krach ausgeblieben, und die Arbeitslosigkeit ist bleiben aus. Es werden vor allem die Löhne junger seit Ausbruch der europäischen Finanz- und Schulden- Menschen abgesenkt, die neu ins Berufsleben ein- krise sogar gesunken. Neue Exzesse auf den Finanz- steigen. Zudem verschlechtert sich die Qualität vieler märkten sollen durch mehr Regulierung verhindert Güter, da immer mehr Menschen auf ständigen Such- werden. Andererseits ist es offensichtlich, dass in allen prozessen nach den günstigsten Produkten sind. Ländern Europas die Produktivitätsgewinne stark Dienstleistungen werden Schritt für Schritt reduziert. zurückgegangen sind. Ich erkläre das mit „weichen Während die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben Budgetrestriktionen“ wie sie der Ökonom Janos Kornai zunimmt, hat die Qualität vieler öffentlicher Güter wie für die mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften Straßen, Schienentransport und Verteidigung drastisch beschrieben hat.* Damals wurden ineffiziente Betriebe abgenommen. All das lässt eine unterschwellige mit kostenlosen Krediten der staatlichen Banken am Frustration entstehen, obwohl die offizielle Statistik Leben erhalten, weil Arbeitslosigkeit politisch uner- historisch hohe Pro-Kopf-Einkommen ausweist. wünscht war. * Weiche Budgetrestriktionen Der ungarische Ökonom János Kornai beschrieb Anfang der 1980er Jahre die Arbeitsweise der Unternehmen im Sozialismus. Weil diese in der Planwirtschaft nicht außerplanmäßig vom Markt genommen werden durf- ten, deckte der Staat auch dann deren Kosten, wenn sie ineffizient Produkte herstellten, für die kein Nachfragebedarf bestand. Kornai bezeichnete dies als Phänomen der „weichen Budgetrestriktionen“, im Gegensatz zu den „harten Budgetrestriktionen“ in der Marktwirtschaft, in der die Stückkosten pro Produkt unterhalb des erzielbaren Verkaufspreises liegen mussten, damit das Unternehmen dauerhaft am Markt überleben konnte. Die „weichen“ Budgetrestriktionen“ trugen laut Kornai maßgeblich zu einer derart leis- tungsschwachen Wirtschaft bei, dass nahezu alle Staaten mit einer sozialistischen Wirtschaftsordnung im internationalen Wettbewerb weit zurückfielen und nach der Öffnung schließlich zusammenbrachen. Die Redaktion 8
Das aktuelle Interview Was müssen die in Deutschland für den Mittelstand so wichtigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei einem Fortgang des von Ihnen beschriebenen Szenarios befürchten? Die Auswirkungen der Niedrig-, Null- und Negativzins- politik auf den Bankensektor lassen sich sehr gut in Japan beobachten, wo die Entwicklung Deutschland rund 15 bis 20 Jahre vorausläuft. Der japanische Bankensektor ist ähnlich wie der deutsche strukturiert. Es gibt neben einigen Großbanken Regionalbanken, die den Sparkassen ähnlich sind, sowie zahlreiche Genos- senschaftsbanken. In Japan hat die anhaltend lockere Geldpolitik die Zinsmargen – beispielsweise Kreditmar- gen oder Transformationsmargen – der Banken stark Für den Ausstieg aus dem Teufelskreis einer massiven gedrückt, so dass die Zinsüberschüsse als traditionell Geldschwemme und anhaltendem Niedrigzinsniveau wichtigste Einnahmequelle stark gefallen sind. Weil die braucht es mutige Entscheidungen – ist die neue Chefin der japanischen Banken dies nur bedingt über höhere Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, dazu bereit? Gebühren und Provisionen ausgleichen konnten, Foto: Deutsche Bundesbank mussten sie höhere Risiken durch Anlagen im Ausland eingehen. Das hat bei internationalen Finanzkrisen zu realen Zins- und Lohneinkommen vor allem der Mittel- neuen Erschütterungen geführt. Also waren und sind schicht unter Druck. Die Lasten der anhaltenden die Banken gezwungen Filialen zu schließen, zu fusio- Nullzinspolitiken werden vor allem auf die jungen nieren und Personal abzubauen. Menschen abgewälzt, die geringere Einstiegsgehälter als früher erhalten. Eigenheime sind für junge Men- schen kaum mehr erschwinglich. Für eine wachsende „Die Hauptlast der Anzahl von Menschen wird es in Zukunft keine ausrei- lockeren Geldpolitik chende Alterssicherung mehr geben, weil kapitalge- deckte Alterssicherungssysteme ausgehöhlt werden. tragen mittlere und Viele sehen sehr skeptisch in die Zukunft; immer mehr kleine Regionalbanken.“ Menschen driften an die politischen Ränder. Der Index für politische Polarisierung, den wir am Institut für Weil die anhaltend lockere Geldpolitik vor allem große Wirtschaftspolitik für die noch 28 Mitgliedsstaaten der Unternehmen und Investmentbanken begünstigt, war EU erstellen, zeigt, dass im EU-Durchschnitt bei Parla- die Entwicklung im Großraum Tokio, wo sich die mentswahlen bereits 25 Prozent der Menschen für Großen konzentrieren, weniger spürbar. Die Hauptlast Parteien am extremen linken oder rechten Rand stim- der Anpassung tragen die kleinen und mittleren men. Das bereitet mir Sorge. Regionalbanken in der Provinz, wo die schwindende Binnenwirtschaftskraft die Klein- und Mittelunterneh- men schwächt. Die Finanzaufsichtsbehörde geht „Negativzinszahlungen inzwischen davon aus, dass mit dem Aussterben vieler der Banken für Einlagen kleiner Städte auch die Banken abgewickelt werden. bei der EZB sollten Letztlich, so schreiben Sie, bedrohe die ultralockere beendet werden.“ Geldpolitik die Zukunft der jungen Menschen sowie die gesellschaftliche und politische Stabilität. Welche Können wir aus dem beschriebenen Teufelskreis noch Gefahren sehen Sie konkret und wie weit sind wir auf ausbrechen – gerade auch angesichts einer sich diesem Negativpfad schon vorangeschritten? abzeichnenden globalen wirtschaftlichen Ab- schwächung? Welche Alternativen haben Politik und Die ultra-lockeren Geldpolitiken machen reiche Men- die unter neuer Leitung agierende EZB? schen reicher, weil sie die Vermögenspreise nach oben treiben. Ebenso steigen die Gehälter des Managements Für den Ausstieg braucht es politischen Mut, weil ein von Großunternehmen, die von dem billigen Geld der Anheben der Zinsen zunächst mit einer Anpassungs- EZB subventioniert werden. Hingegen kommen die krise verbunden sein wird. Zudem müssen viele 9
Das aktuelle Interview wichtige Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen Europäischen Zentralbank bezahlen müssen. Das würde werden, was eine Wende noch schwieriger macht. Weil die Banken stabilisieren. Drittens sollten die Zinsen in Phasen der guten wirtschaftlichen Entwicklung langsam wieder angehoben werden. Ich denke an Reformen auf die lange Bank geschoben werden, ist 25 Basis-Punkte pro Jahr, über einen Zeitraum von jetzt der richtige Zeitpunkt. Die EZB hat eine Schlüssel- zehn bis 20 Jahren hinweg. Das würde die Staaten rolle in diesem Prozess, weil nur eine Härtung der zwingen, ihre Ausgaben zu konsolidieren und Verschul- Budget-Restriktionen durch eine geldpolitische dung abzubauen. Die Unternehmen müssten wieder Straffung für alle Akteure in den europäischen Volks- produktiver werden. Banken könnten ihren Bestand an wirtschaften ein Umdenken bringen kann. faulen Krediten reduzieren. Die Zombies würden wiederbelebt. Die daraus resultierenden gesamtwirt- Wie könnte ein solcher Ausstieg aussehen? schaftlichen Produktivitätsgewinne könnten in Form realer Lohnerhöhungen und positiver realer Zinsen an Erstens sollte es zunächst keine neuen Ankäufe von die Bürger weitergegeben werden. Dadurch würde sich Staats- und Unternehmensanleihen durch die EZB mehr die Stimmung in Europa wieder aufhellen. Das würde geben. Der Anreiz für weitere staatliche Ausgaben- vielleicht sogar positiv auf die Geburtenraten wirken, so exzesse und Fehlspekulationen der Großunternehmen dass auch die Rentensysteme stabilisiert würden. würde reduziert. Zweitens sollten die Negativzinsen beendet werden, die Banken für ihre Einlagen bei der Wir danken herzlich für das Gespräch. Das Forschungsprojekt Professor Dr. Gunther Schnabl erforscht mit seinem Team am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig die Auswirkungen der anhaltenden Null- und Negativzinspolitik der Bank von Japan auf den japa- nischen Bankensektor. Er konnte zeigen, dass die ultra-lockere Geldpolitik den japanischen Bankensektor nachhaltig destabilisiert hat. Zudem erforscht das Team um Professor Schnabl mit Förderung der Wissen- schaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. die Auswirkungen der Null- und Negativzinspolitik auf die Sparkultur in Japan und mögliche Implikationen für die europäische Wirtschaftspolitik. Es zeigt sich, dass die ultra-lockere Geldpolitik der Bank von Japan die Sparquote der japanischen Haushalte drastisch reduziert hat, nicht zuletzt aufgrund der negativen Verteilungseffekte auf Kosten der Mittelschicht. Weiterführende Literatur Herok, David / Schnabl, Gunther 2018: Europäische Geldpolitik, Zombifizierung und Wachstum in Europa. Wirtschaftspolitische Blätter 18, 463–478. Müller, Sebastian / Schnabl, Gunther 2017: Zur Zukunft der Europäischen Union aus ordnungspolitischer Perspektive. ORDO 68, 3–34. Schnabl, Gunther 2013: Die japanischen Lehren für die europäische Krise. Zeitschrift für Wirtschafts- politik 62, 1, 1–22. 10
Wissenschaft vor Ort Savings and Retail Banking History Award 2019 Erster Preis ging in die Schweiz Um weltweit historische Forschungen über die Spar- kassen anzuregen, vergeben das Weltinstitut der Sparkassen- und Retailbanken und die Europäische Sparkassen- und Retailbanken-Vereinigung seit 2004 den „Savings and Retail Banking History Award“. Auch bei der jüngsten Ausschreibung des Preises konnte die internationale Jury aus Historikern und Sparkassenpraktikern wieder herausragende wissen- schaftliche Arbeiten prämieren. Bindeglied für den internationalen Erfahrungsaustausch Den ersten Preis erkannte sie dem Schweizer Bildungs- historiker Dr. Thomas Ruoss zu, der zurzeit an der Katholischen Universität Löwen in Belgien forscht. Er hat untersucht, welche Bedeutung das 1924 ge- gründete Internationale Institut der Sparkassen für die Verbreitung ökonomischen Wissens hatte. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass das Institut einen wertvollen Raum für den Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen nationalen Sparkassen- Erforschte, welche Bedeutung das 1924 gegründete Internationale Institut der Sparkassen für die Verbreitung ökonomischen Wissens organisationen bot. Ein einheitliches und allgemein hatte: Der Schweizer Bildungshistoriker Dr. Thomas Ruoss von der gültiges Bildungsprogramm entwickelte es aber nicht. Katholischen Universität Löwen in Belgien. Foto: Mag. Alfred Paleczny Theorie und Praxis der in den einzelnen Ländern durchgeführten Bildungsaktivitäten blieben an die jeweiligen nationalen Bedürfnisse und die gewachse- Daten und Informationen über die im Vereinigten nen Traditionen der Sparkassen gebunden. Königreich existierenden Sparkassen erfasst wurden. Bis auf wenige Aspekte halten Armendáriz und Graham Der zweite Preis ging an Beatriz Armendáriz PhD und eine Übertragbarkeit der institutionellen und organisa- Dr. Aaron Graham vom University College London. Ihr torischen Erfolgsfaktoren der damaligen Sparkassen in Beitrag befasst sich mit der Frage, ob die britischen die Gegenwart nicht für möglich. Denn die sozialen Sparkassen des 19. Jahrhunderts als Muster für moder- und wirtschaftlichen Verhältnisse und auch das regula- ne Microsavings-Institutionen dienen können. Um sie torische Umfeld unterscheiden sich fundamental. zu beantworten, werteten die Forscher eine Erhebung aus dem Jahr 1841 aus, in deren Rahmen zahlreiche Dr. Thorsten Wehber 11
Wissenschaft vor Ort Entrepreneurship Research Newcomer Award Junge Preisträger aus Düsseldorf und Trier Freuen sich gemeinsam über die Auszeichnung: Gregor Mauer von der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe, Preisträgerin Tamara Naulin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Jurymitglied Prof. Dr. Carina Lomberg von der Technical University of Denmark. Leistungen unterstützen und sich von bereits etablier- ten Eigenkapitalinvestoren, wie Venture Capital Gebern oder Business Angels, aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften abheben. Trotz einer hohen Aufmerk- samkeit durch die Medien und einem stetigen Wachs- tum von Acceleratoren ist der von ihnen geschaffene Mehrwert für Start-ups bislang noch wenig erforscht. In der ausgezeichneten Studie wird untersucht, welche Mehrwerte (value-added outcomes) für die Entwicklung von Start-ups durch die vom Accelerator erbrachten Leistungen (value-added inputs) entstehen. Basierend auf einer deutschlandweiten multiplen Fallstudie wird Für ihre Arbeit „The value-adding impact of accelera- gezeigt, dass Acceleratoren durch die Bereitstellung tors on start-ups’ development“ erhielten Tamara von acht “value-adding inputs” Mehrwert für Start-ups Naulin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schaffen, der sich sowohl auf der Organisations- als und Dr. Alexandra Moritz von der Universität Trier auf auch auf der Individualebene manifestiert. Die Studie der 23. Interdisziplinären Jahreskonferenz zu Entre- unterstreicht damit die Bedeutung von Acceleratoren preneurship, Innovation und Mittelstand (G-Forum) in für die Entwicklung junger Unternehmen und trägt Wien den „Entrepreneurship Research Newcomer dazu bei, dieses noch junge, aber zunehmend an Award 2019“. Der mit 1000 Euro dotierte und von der Bedeutung gewinnende Phänomen besser zu ver- Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe stehen. bereits zum elften Mal ausgelobte Preis wurde wäh- rend der Abendveranstaltung des 23. G-Forums an der Wirtschaftsuniversität in Wien durch Jurymitglied Der Preis Prof. Dr. Carina Lomberg von der Technical University of Denmark und Gregor Mauer von der Wissenschafts- Der themenoffene Preis richtet sich speziell an Dokto- förderung stellvertretend für das Autorenteam an randen, Habilitanden und Juniorprofessoren, die ein Tamara Naulin überreicht. Full-Paper Referatsangebot bei der interdisziplinären Jahreskonferenz zu Entrepreneurship, Innovation und Mittelstand (G-Forum) einreichen. Die Preisträger Die Studie wurden in einem zweistufigen Auswahlverfahren ermittelt. In der ersten Stufe wurden in diesem Jahr die Die vom Autorenteam verfasste Studie thematisiert sieben im Double-blind-Review am besten bewerteten den sogenannten „Value-added“, den junge Unter- wissenschaftlichen Arbeiten von Nachwuchswissen- nehmen durch „Business Accelerators“ erhalten. schaftlern nominiert. Anschließend wählte eine Jury Acceleratoren sind Organisationen, die Kohorten von aus den nominierten Arbeiten die zu prämierende Start-ups durch Startkapital und weitere immaterielle Arbeit aus. 12
Wissenschaft vor Ort Mit Innovationskraft und Wissen die Herausforderungen der Zukunft annehmen – dafür plädierte DSGV-Präsident Helmut Schleweis vor den Teilnehmern am Bonner Akademischen Sommer in Bonn. Fotos: Jun Fukuda, Bonn Bonner Akademischer Sommer Die Freiheit, mutig über den Tellerrand hinaus zu schauen Welche wichtigen Zukunfts- Eingeladen von der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe, der Management-Akademie herausforderungen aber auch und der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe Chancen bewegen die Finanzwelt zeigten die vortragenden Experten unter der Modera- tion von Bärbel Kaatz von der Wissenschaftsförderung derzeit besonders? Antworten den rund 150 Teilnehmern spannende, manchmal auf diese Frage gab auch in sogar auch unkonventionelle Wege zur erfolgreichen Zukunftsgestaltung auf. diesem Jahr der traditionsreiche Bonner Akademische Sommer. Denn: „Akademischer Sommer, das heißt auch akade- mische Freiheit. Die Freiheit, unbekanntes Gelände zu Er vermittelte aus dem Blick- erkunden, große Fragen aufzuwerfen und ganz generell winkel der Wissenschaft praxis- über den Tellerrand zu schauen“, zeichnete der Präsi- dent des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, nahe Impulse für den Spar- Helmut Schleweis, die Intention einer Tagung nach, die kassen-Alltag. ihrem Leitmotiv und Anspruch, „Wissenschaft trifft Praxis“, erneut voll gerecht wurde. Schleweis machte 13
Wissenschaft vor Ort eindringlich bewusst, dass aus dem Geschäftsmodell der Sparkassen, eine dienende Rolle in Gesellschaft, Wirtschaft und in den Kommunen zu übernehmen, ebenso Chancen wie auch Verpflichtungen erwachsen, die, im Verbund wahrgenommen und bewältigt, zur kraftvollen und kreativen Zukunftsgestaltung befähi- gen. Als aktuelles Beispiel nannte der DSGV-Präsident die Pläne von Politik und Aufsicht zum Beitrag der Kreditwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit. Hier befinde sich die Sparkassen-Finanzgruppe in einem Meinungsbildungsprozess und sei noch nicht mit voller strategischer Kraft unterwegs. Gleichwohl wisse man um die Bedeutung dieses Themas. Damit verwies er auf den Komplex der Nachhaltigkeit als erstem Themen- schwerpunkt der Tagung, dem sich Redner und Disku- tanten aus unterschiedlichen Perspektiven näherten. Schlug mit seinem eindringlichen Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit die Zuhörer in seinen Bann: Professor Dr. Ottmar Edenhofer. Wenn Zukunft nachhaltig Gesichtspunkten auf. Er warnte vor unabsehbaren gesellschaftlichen und finanziellen Schäden, sollte dem auf den Nägeln brennt durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen verursach- ten Kohlendioxydausstoß und der dadurch verursach- Professor Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam- ten rasanten Erwärmung der Atmosphäre nicht zügig Instituts für Klimafolgenforschung, forderte in seinem und konsequent Einhalt geboten werden. Dieser Vortrag „Ökonomie und Nachhaltigkeit“ die Finanzwirt- Umbau hin zu nachhaltigen Energieträgern müsse schaft zu einer aktiven Rolle beim Umbau der Wirt- durch eine entsprechende, sozial abgefederte Beprei- schaft unter ökologischen und klimafreundlichen sung ökonomisch angetrieben werden. Faszinierender Perspektivwechsel Ulrike Hennesen ist für Klimafolgenforschung, der Fakten zum Klima- Vorstandsreferentin wandel aufbereitet hat, die er wenige Tage später bei der Kreissparkasse Köln. auch dem Bundeskabinett erläutern durfte. Auch Herr Professor Dr. Armin Falk faszinierte das „Mit dem Bonner Plenum mit seinem Blick aus der Zukunft zurück auf Akademischen Sommer den digitalen Wandel unserer Gegenwart. Aber auch bietet uns die Wissen- die weiteren Vorträge waren inspirierend. schaftsförderung der Sparkassen-Finanz- Neben der Qualität der Vorträge dieser Tagung ge- gruppe eine exklusive nieße ich stets auch sehr den Austausch mit den Veranstaltung zu anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen aktuellen Themen mit Teilen der Sparkassen-Finanzgruppe. Bezug zur Finanzwirt- Die Kolleginnen und Kollegen decken die gesamte schaft. Mich begeistern immer wieder die sehr Bandbreite der verschiedenen Bereiche bei Spar- versierten Vortragenden und die gelungene Kombi- kassen und Verbundunternehmen ab. Dies ist eine nation aus Praxis und Wissenschaft. Gerade die- fantastische Basis, um das eigene Netzwerk zu sen Perspektivwechsel finde ich wesentlich, denn erweitern. er ermöglicht den Blick über den Tellerrand. Für meine Aufgaben bei der Kreissparkasse Köln ist Beispielhaft nenne ich Herrn Professor Dr. Ottmar der Besuch des Bonner Akademischen Sommers sehr Edenhofer, den Direktor des Potsdam-Instituts hilfreich.“ 14
Wissenschaft vor Ort Derzeit, so Edenhofer, werde die Atmosphäre als Dass Klima- und Umweltschutz in breiten Bevölke- globales Gemeinschaftsgut der Menschheit durch den rungsschichten einen großen Stellenwert einnimmt, ungebremsten Ausstoß von Kohlendioxyd und anderen verdeutlichten Professor Dr. Christian Klein vom Schadstoffen wie eine „wilde Deponie“ benutzt. Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Deshalb müssten internationale Vereinbarungen Kassel und Johannes Behrens-Türk von der DekaBank getroffen werden, um dieser Belastung wirksam zu im Arbeitskreis „Nachhaltige Geldanlagen – Hype oder begegnen. In Deutschland solle ein CO2-Preis dafür Megatrend“. Zwar, so Klein, werde der Begriff Nach- sorgen, den Einsatz der weiterhin im Überangebot haltigkeit von vielen potenziellen Anlegern noch diffus vorhandenen und teilweise sogar subventionierten definiert. Dennoch zeige die stark wachsende Nach- klimaschädlichen fossilen Brennstoffe so zu verteuern, frage nach nachhaltigen Investments, dass Angebote dass es ökonomisch attraktiver sei, regenerative und Beratungskompetenz zum Pflichtprogramm der Energiequellen einzusetzen. „Denn nur wenn es uns Finanzindustrie gehörten, merkte Behrens-Türk in der gelingt, den CO2-Ausstoß schnell spürbar zu senken, von Dr. Klaus Krummrich von der Wissenschaftsförde- kann die dramatische Erderwärmung auf ein verträgli- rung moderierten Diskussion an. Hier verfügten die ches Maß begrenzt werden.“ Sparkassen über eine gute Ausgangslage, denn eine Befragung durch die Uni Kassel habe deutlich ge- In der anschließenden Diskussion mit Frank Pierschel macht, dass die Menschen ihnen bei nachhaltigen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- Investments hohes Vertrauen schenkten, so Klein. aufsicht Bonn, Dr. Michael Schulte, Vorstandsvor- sitzender der Sparkasse Vest Recklinghausen, und Professor Dr. Edenhofer wurde deutlich, dass der Digitale Zukunft Klimaschutz auch für die Finanzindustrie eine zuneh- mend hohe Bedeutung hat. Pierschel kündigte für den ist ante portas Dezember 2019 ein Nachhaltigkeits-Merkblatt der BaFin an und betonte die Vorreiterrolle seiner Anstalt Den zweiten Themenschwerpunkt der Tagung bildeten bei der Verfolgung nachhaltiger Vorgaben. Die Einfüh- die Herausforderungen, die aus dem sich wandelnden rung einer neuen Risikokategorie für Nachhaltigkeit Geschäftsumfeld für die Finanzwirtschaft entstehen. werde es jedoch nicht geben, so Pierschel, dennoch Eine zentrale Rolle spielt für die Sparkassen bei der würden die Kreditinstitute künftig zusätzliche Rahmen- Zukunftsgestaltung der digitale Sektor, wie DSGV- bedingungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit im Präsident Schleweis verdeutlichte. Die zahlreichen Finanzgeschäft zu beachten haben. Aktivitäten, mit denen die Gruppe sich und ihren Kunden die Möglichkeiten neuer Technologien er- Schulte verwies darauf, dass Nachhaltigkeit zum schließt, reichen von der Plattformökonomie über den genetischen Code der Sparkassen gehöre. Heute schon digitalen Zahlungsverkehr bis hin zum Einsatz künst- würden auch Klimarisiken in der Unternehmenspolitik licher Intelligenz und Blockchain. berücksichtigt, deshalb sei es wünschenswert, regulatorische Maß- nahmen zurückhaltend einzusetzen. Er warnte den Gesetzgeber davor, Verantwortlichkeiten auf die Finanzindustrie zu übertragen, weil damit die Gefahr planwirtschaftlicher Strukturen verbunden sei. Die Verpflichtung der Finanzindustrie, wirtschaftliche Len- kungswirkung zu entfalten, empfand Schulte als einen Diskutierten über Herausforderungen und Anforderungen immer anspruchsvollerer Klimaschutzvorgaben für Irrweg. Finanzinstitute (v. l.): Professor Dr. Ottmar Edenhofer, Dr. Michael Schulte und Frank Pierschel. 15
Wissenschaft vor Ort In seinem Vortrag erklärte Professor Dr. Hannes Federrath, Leiter des Arbeitsbereichs Sicherheit in verteilten Systemen an der Universität Hamburg und Präsident der Gesellschaft für Informatik, die Syste- matik, Nutzungsmöglichkeiten und Vorteile, aber auch die Risiken von Private und Public Blockchain (z. B. für Handelsplattformen). Er stellte die Frage, ob es sich bei dieser Plattformtechnologie um eine nachhaltige Lösung auch für den Einsatz in der Finanzwirtschaft handele oder ob die verstärkte Nutzung als ein kurz- fristiger Hype zu werten sei. Dem gingen in der an- schließenden Podiumsdiskussion auch Joachim Erdle von der LBBW Landesbank Baden-Württemberg und Dr. Philipp Sandner vom Blockchain Center der Frankfurter School of Finance & Management unter reger Debat- tenbeteiligung der Zuhörer auf den Grund. Lernen und Wissen – Bausteine der Zukunft Professor Dr. Hannes Federrath Über den Stand des DSGV-Projekts „Bankausbildung und Zielsetzungen von Auszubildenden in der Spar- 2020“ informierten in einem Arbeitskreis Dr. Michael kassen-Finanzgruppe. Daraus abgeleitet ergaben sich Thaler von der Management-Akademie sowie Anika verschiedene Handlungsempfehlungen zur Bindungs- Dresen von der Kreissparkasse Ahrweiler. In diesem und Leistungsförderung des Nachwuchses. Sie um- Forschungsprojekt der Hochschule für Technik Stutt- fassen Kernpunkte wie eine individuelle Aus- und gart erfragten Studierende die Wünsche, Vorstellungen Weiterbildungsgestaltung, Übertragung von Verant- Denkanstöße für Forschung und Lehre Marcel Munsch, Digitalisierung einschätzen und welche Entwicklun- M.Sc. ist Wissenschaftlicher gen sie für den Bankensektor prognostizieren. Mitarbeiter beim Lehrstuhl für Banken und Betriebliche Finanzwirtschaft an der Meine Erwartungen wurden sogar eher übertroffen. Universität Duisburg-Essen. Es war mir wichtig, neue Denkanstöße und Inhalte für die Forschung und den Lehrbetrieb unseres Lehr- „Mein Gesamteindruck stuhls mitzunehmen. Das ist gelungen. Die Vorträge vom Bonner Akademi- waren definitiv auf einem sehr hohen Niveau und schen Sommer, den ich fachlich diversifiziert, so dass es kaum bzw. keine in diesem Jahr erst- Redundanzen gab. Insbesondere aus den praxis- mals besuchen durfte, nahen Vorträgen konnte ich viel mitnehmen. war sehr positiv. Es gab genügend Gelegenhei- Der Austausch mit den anderen Teilnehmern ist ten, sich mit anderen Gästen in Ruhe auszutauschen. mir sehr positiv in Erinnerung geblieben. Zudem Zudem waren die Themen der Vorträge sehr aktuell war der Vortrag ,Ökonomie und Nachhaltigkeit` von und die jeweiligen Referenten absolute Experten auf Professor Edenhofer unheimlich interessant und ihren Gebieten. Aus wissenschaftlicher Perspektive lehrreich. Mir ist aufgefallen, dass die Vorträge war es besonders interessant zu erfahren, wie teilweise auf einem so hohen Niveau stattgefunden Praktiker und andere Wissenschaftler insbesondere haben, dass sich anschließend eher eine Fragerunde die aktuellen Trend-Themen Nachhaltigkeit und als eine Diskussion ergeben hat.“ 16
Wissenschaft vor Ort wortung, Transparenz und Einheitlichkeit im Übernah- könnte zu Unausgewogenheiten im eigenen Portfolio, mesystem, vereinheitlichte Feedback- und Beurtei- zu einer Reduktion der Zinsspanne und damit zu lungssysteme innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe, Ertragsverlusten führen, warnte Josten in seinem flexiblere Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung oder Vortrag, dem sich eine rege Fachdebatte unter der die Sicherheit in der Karriereplanung für die aktuellen Moderation von Professor Dr. Marwan Hamdan von der Auszubildenden. Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe anschloss. Als wichtiges Element der Mitarbeiterbindung nennt das Forschungsprojekt auch die Definition und Ver- Im Wunderland der mittlung eines werteorientierten Markenkerns, einer werteorientierten Kultur als verbindendes Kulturele- Online-Plattformen ment in der Sparkassen-Finanzgruppe. Diese Bindung sei zwar über alle beruflichen Phasen von großer Bedeutung, die Grundlagen könnten aber in der Berufsausbildung gelegt werden, um das positive Verhältnis zum Arbeitgeber Sparkasse entscheidend zu beeinflussen, so die These des Vortrages, der bei den Teilnehmern auf großes Interesse stieß und zu einem regen Feedback der Teilnehmer führte. Finanzpartner Kommune als Herausforderung Im Arbeitskreis Kommunalfinanzierung gelang es RA Ralf Josten, Chefjustiziar und Direktor Kommunen/ Recht der Kreissparkasse Köln, sowohl aus juristischer wie betriebswirtschaftlicher Sicht die aktuellen Heraus- forderungen im Bereich Kommunalfinanzierungen praxisnah zu vermitteln. Zwar, so Josten, habe sich die Professor Dr. Hans-Gert Penzel finanzielle Situation der Städte und Gemeinden dank der boomenden Konjunktur verbessert. Allerdings Zu einem ebenso interessanten wie launigen Ausflug seien immer noch große regionale Unterschiede in der in die internationale Banken- und Finanzwelt im Jahr Finanzausstattung der Kommunen festzustellen. So 2035 lud Professor Dr. Hans-Gert Penzel, Geschäfts- liege die Verschuldung im Saarland sechsmal höher als führer der ibi research an der Universität Regensburg, in Baden-Württemberg. In Hessen, Nordrhein-West- ein. Seine Kernthese: Der Einfluss von Google und falen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wiesen die Facebook, die Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten, Kommunen exorbitant hohe Kassenkredite aus. veränderte Finanzströme und Anlagemöglichkeiten Bundesweit belaufe sich die Summe der Kassenkredite sowie ganz neue Serviceinstrumente werden die Welt auf 35 Milliarden Euro, die oft zum Schließen von Haus- der Banken spürbar verändern, während sich das haltslücken „zweckentfremdet“ würden. Finanzverhalten der Menschen im Vergleich zur Gegen- wart nicht verändert haben wird. Nur wer sein unter- Zwar seien Kassenkredite für die Sparkassen aufgrund nehmerisches Verhalten und Angebot an diese schon der Insolvenzunfähigkeit der öffentlichen Hände heute absehbaren Entwicklungen anpasst, werde als ausfallsicher, gleichwohl beinhalteten sie zahlreiche Finanzinstitut überleben – das aber erfolgreicher Portfoliorisiken, so Josten. Er spielte verschiedene denn je. Szenarien durch, die sich durch regulatorische Verän- derungen des Solvabilitätsstatus der Kommunen oder Einen Überblick über die Position der Braunschweigi- durch den Wegfall von deren Insolvenzunfähigkeit für schen Landessparkasse im Verbund der NordLB gab die kreditgebende Sparkasse bis hin zum Zusammen- Christoph Schulz. Er skizzierte als Vorstandschef der bruch des gesamten heutigen Systems der Kommunal- Sparkasse und Vorstandsmitglied der Landesbank die finanzierung ergeben könnten. Ein allzu starkes durch den Einbruch des Chartergeschäfts verursachten Engagement von Sparkassen beim Kassenkredit Probleme der NordLB und verdeutlichte die Anstren- 17
Wissenschaft vor Ort Tolle Impulse gesetzt Dr. Georg Stickel ist reich, zumindest im Nachgang, auch über die Vorstandsmitglied der Präsentationen zu verfügen und den einen oder Sparkasse Pforzheim Calw. anderen Aspekt nochmals wirken zu lassen. „Die Themen mit den Die Workshops gaben die Möglichkeit, eigene Schwerpunkten digitale Schwerpunkte zu setzen und die Fragestellungen, die Entwicklungen und die jeweilige Sparkasse und die eigene Aufgabe am Nachhaltigkeit waren meisten betreffen, zu intensivieren und in kleinen für mich sehr gut Gruppen zu diskutieren. Für mich waren zum Beispiel gewählt und die einige Aussagen von Frank Pierschel, der das Referenten von Hoch- Nachhaltigkeitsteam der BaFin leitet, sehr hilfreich. schule und Aufsicht konnten hier tolle Der Austausch mit Brancheninsidern aus der ganzen Impulse setzen. Ein Highlight war natürlich auch, Republik ist neben den zahlreichen kompetenten dass sich DSGV-Präsident Schleweis die Zeit genom- Referenten sicherlich ein wesentlicher Bestandteil men hat, dem Auditorium aus erster Hand Einblicke der Veranstaltung. in die aktuelle Geschäftspolitik der Sparkassen- organisation zu geben und für Fragen zur Verfügung Eine Teilnahme am Bonner Akademischen Sommer zu stehen. kann ich auf jeden Fall empfehlen und werde diesen in den nächsten Jahren sicherlich auch wieder Meine Erwartungen wurden sehr gut erfüllt. Neben besuchen. So weitet die Veranstaltung den Blick über dem Gehörten ist mir persönlich wichtig und hilf- den Tellerrand des Tagesgeschäfts hinaus.“ Wie stark beeinflussen kulturelle Unterschiede den ökonomischen Erfolg von Gesellschaften? Dieser Frage ging Professor Dr. Armin Falk, Vorstandsvorsitzender des briq Institute on Behavior & Inequality aus Bonn, in seinem Vortrag „Die Vermessung der Welt“ auf den Grund. Auf Basis einer mit Koautoren vorgenommenen global repräsentativen Datenerhebung, dem „Global Preference Survey“, ermittelte Falk Maße für Zeit- und Risikopräferenzen, Reziprozität, Altruismus und Vertrauen bei insgesamt 80.000 Individuen in 76 Ländern. Dabei erwies sich, dass unterschiedliche kulturelle Präferenzen wie Risikobereitschaft, Rezi- prozität (Gegenseitigkeit im Handeln), Altruismus (Uneigennützigkeit) oder Vertrauen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Erfolg beeinflussen können. Seine aus der Studie abgeleitete These: Gesellschaften, Christoph Schulz die über einen längeren Zeitraum mehr zur Geduld neigen, sind wirtschaftlich nachhaltig erfolgreicher. gungen, die unternommen werden, um die Bank auch Denn sie verfügen über die Fähigkeit und die humanen unter dem Aspekt der regulatorischen Vorgaben wieder Ressourcen, Erfolg über einen längerfristigen Zeitraum zu stabilisieren und im Verbund mit der Sparkasse zu planen und das wirkt sich auch deutlich positiv auf Braunschweig auf einen zukunftssicheren Kurs zu die Bereitschaft zu nachhaltigen Investitionsvorhaben bringen. aus. 18
Wissenschaft vor Ort / Aus der Forschung Die Bereitschaft, sich auf der Grundlage eines in fast zweieinhalb Jahrhunderten erworbenen Wissens stets neu zu erfinden und den immer wieder veränderten Anforderungen und Ansprüchen gerecht zu werden, ist das wohl entscheidende Erfolgsrezept der Sparkassen. Diese Fähigkeit zum nachhaltigen Wandel unter Wahrung des ursprünglichen gesellschaftlichen und sozialen Markenkerns wird auch in einer sich immer schneller drehenden Welt des technologischen Fort- schritts wesentlicher Faktor für das Fortbestehen des Sparkassenmodells sein. Die Vorträge und die ange- regten Diskussionen auch auf dem Bonner Akademi- schen Sommer 2019 machten deutlich, dass die Wissenschaft wesentliche Impulse geben und im fruchtbaren Dialog mit der Praxis den Pfad zur erfolg- reichen Zukunftsbewältigung ebnen kann. Juliane Clegg Professor Dr. Armin Falk Förderung der Wissenschaft bleibt essentiell Neue Stiftung ebnet Weg in die Zukunft Die Wissenschaftsförderung der verständlich ansahen, aber gegenwärtig ist der Erhalt der Fördereinrichtung nicht gesichert. Eine auskömm- Sparkassen-Finanzgruppe hat liche Finanzierung dieser Institution, auch im Sinne der auch in 2019 viele Forschungs- Beitragsgerechtigkeit, wäre gegeben, wenn sich möglichst alle Institute über den DSGV-Haushalt daran projekte rund um das Thema beteiligen. In den vergangenen Jahren sind die Mit- Finanz- und Kreditwirtschaft gliederzahlen bei der Wissenschaftsförderung jedoch zurückgegangen. Deshalb stellte sich für die Gremien unterstützt. Eine wegweisende des Vereins die Frage, in welcher Form die Förderung Weichenstellung zur Errichtung der Wissenschaft in Zukunft gesichert werden könnte. einer Stiftung stand ebenfalls im Der Vorstand der Wissenschaftsförderung hatte – Fokus. bereits beginnend in 2018 – ein Zukunftskonzept für die wissenschaftliche Fördertätigkeit der Sparkassen- Finanzgruppe ausgearbeitet. Hinsichtlich der künftigen Errichtung einer Stiftung Organisationsform ist aus Effizienz- und Reputations- gründen die gemeinnützige Stiftung vorgesehen. Die Organisationsform des Vereins Wissenschaftsför- Die bestehenden Rücklagen des Vereins sollen in die derung hatte sich zwar in der Vergangenheit bewährt, Stiftung überführt werden; das gleiche gilt für die als fast alle Sparkassen eine Mitgliedschaft als selbst- Vermögensbestände der Eberle-Butschkau-Stiftung. 19
Aus der Forschung Die Partizipation der Verbände und Institute KMU-Finanzierung der Sparkassen-Finanzgruppe soll wie bisher durch geeignete Stiftungsgremien, insbeson- dere durch ein Kuratorium, gewährleistet bleiben. Das Zukunftskonzept der Wissenschafts- förderung hat die wichtigsten Entscheidungs- gremien der Sparkassen-Finanzgruppe (Verbandsvorsteher, Girozentralleiter, Lan- desobleute sowie DSGV-Gesamtvorstand) passiert. Am 24. Oktober 2019 hat die Mitgliederversammlung der Wissenschafts- förderung die Auflösung des Vereins und die Errichtung einer Stiftung beschlossen. Vorbehaltlich der Bereitstellung des jähr- lichen Budgets durch die DSGV-Mitglieder- versammlung sowie der Zustimmung der Stiftungsaufsicht und Finanzbehörde soll Beeinflusst Institutsvielfalt im Bankensektor den Grad und 2020 die neue „Stiftung für die Wissenschaft“ errichtet die Qualität der KMU-Finanzierung, so die Fragestellung eines Forschungsprojekts. werden. Diese Stiftung wird die Förderzwecke des Foto: SparkassenBilderwelt des Deutschen Sparkassenverlags vormaligen Vereins mit einer guten Perspektive und um neue Aspekte erweitert fortführen. Professor Dr. Dorothea Schäfer (DIW Berlin und Jön- köping International Business School) forscht unter Ausgewählte Projekte dem Titel „Die Bedeutung von Institutsvielfalt für Bankensektorstabilisierung und KMU-Finanzierung“ zu Die im Folgenden vorgestellten Projekte stellen einen einem Thema, das bislang wissenschaftlich noch nicht wichtigen Ausschnitt der Fördertätigkeit des Vereins ausführlich behandelt worden ist. Es sollen jene dar. Dabei werden Themenstellungen wissenschaftlich Faktoren identifiziert werden, die den Einfluss von bearbeitet, die praxisnah sind, aber auch einen theo- Institutsvielfalt auf die Stabilität und Leistungsfähig- retischeren Bezug haben können. Darüber geben die keit des Bankensektors in der KMU-Finanzierung nachfolgend kurz beschriebenen Forschungsvorhaben bewirken. Die adressierte Fragestellung spielt unter Auskunft. Einen ausführlichen Überblick der Projekt- anderem in der Diskussion über die EU-Bankenregulie- förderung gibt der jeweilige Jahresbericht der Wissen- rung eine wichtige Rolle. schaftsförderung. Nullzinspolitik und Sparkultur Laufende Projekte Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Niedrigzins- politik und Sparkultur in Japan: Implikationen für die Finanzielle Bildung deutsche und europäische Wirtschaftspolitik“ unter- sucht Professor Dr. Gunther Schnabl (Universität Im Themenfeld der finanziellen Bildung beschäftigt Leipzig) den Einfluss der Nullzinspolitik auf die Spar- sich Professor Dr. Lukas Menkhoff (Humboldt-Univer- kultur in Japan. Die Ergebnisse dieses Forschungs- sität Berlin / DIW) in seinem Forschungsvorhaben projekts werden dazu dienen, eine Grundlage für „Finanzielle Bildung: Maßnahmen, Erfahrungen, vergleichende Analysen mit Deutschland und Europa Evaluierung und Ausblick“ vorrangig mit der Frage, zu schaffen, um die Auswirkungen der Nullzinspolitik wie finanzielle Bildung effizienter gestaltet werden der EZB auf das Sparverhalten und die Funktionsweise kann. Dies soll auf Grundlage einer Meta-Analyse des Bankensystems zu prognostizieren. bereits vorhandener internationaler empirischer Studien erfolgen. Die Schlussfolgerungen aus seiner Tone from the Top Untersuchung könnten dazu beitragen, weitergehende Forschungsfragen zur finanziellen Bildung herauszu- Mit dem Thema Risikokultur beschäftigen sich im stellen. Forschungsvorhaben „Der ,Tone from the Top‘: Eine 20
Aus der Forschung empirische Analyse der Risikokultur in Sparkassen“ die und Professor Dr. Claudia Breuer (S-Hochschule). Eine Siegener BWL-Professoren Arnd Wiedemann und zentrale Fragestellung dieser Untersuchung lautet: Volker Stein. Damit soll ein Beitrag zur konstruktiven Sind Szenarien in den Beratungsprozessen identifizier- Gestaltung einer Risikokultur in Sparkassen geleistet bar, in denen systematische Fehler im Vergleich zur werden, die nicht als Restriktion für das Geschäfts- „Homemade“-Anlageentscheidung provoziert werden? modell verstanden wird. Aktuell wird eine Umfrage der Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts können beiden Wissenschaftler in den Instituten der Spar- wertvolle Hinweise dazu geben, ob Robo Advice als kassen-Finanzgruppe durchgeführt. Beratungsform sinnvoll ist. Crowdfunding Ausblick Ein weiteres Projekt der Wissenschaftsförderung hat das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Manage- Der Zeitraum bis Ende 2020 wird stark von operativen ment und Wissensökonomie, Leipzig, übernommen. Aspekten des Wechsels der Organisationsform geprägt Das praxisnahe Forschungsvorhaben „Crowdfunding sein. Das hängt vorrangig damit zusammen, dass im und Kreditfinanzierung“ soll den Status quo zu diesem Liquidationsjahr 2020 der Verein abgewickelt und Thema in der Sparkassen-Finanzgruppe ermitteln. gleichzeitig die Stiftung errichtet wird. Außerdem Darüber hinaus geht es um die Rolle des Crowdfun- findet dann der Übergang des Vereinsvermögens auf dings im Zusammenwirken mit dem Kreditgeschäft der die Stiftung statt. Sparkassen. Von universitärer Seite unterstützt Profes- sor Dr. Carolin Bock (TU Darmstadt) das Forschungs- Im Liquidationsjahr wird der Verein keine neuen projekt. Die Ergebnisse sollen dann zu einem Wissen- Forschungsvorhaben vergeben. Allerdings ist die stransfer in die Sparkassen-Finanzgruppe beitragen. bestehende Pipeline noch gut gefüllt. Erstmals ist die Einbindung eines außeruniversitären Kooperations- Robo Advice partners gelungen – die Förderung eines Projekts der Fraunhofer-Gesellschaft. Diesem Handlungs- feld wird auch die zukünftige Stiftung eine hohe Aufmerksamkeit schenken. Wann die Stiftung operativ tätig werden kann, ist unter anderem von der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde abhängig. Themenfelder erweitern Ein weiteres wichtiges Ziel ist die inhaltliche Erweiterung der Themenfelder künftiger Förderaktivitäten. Dem ist Rechnung getra- gen worden, indem die Stiftungszwecke in der neuen Stiftungssatzung allgemeiner formuliert worden sind. Konkret beutet dies, Kann Robo Advice als Beratungsform sinnvoll sein – dass bestimmte Fragestellungen auch aus dieser Frage geht ein aktuelles Forschungsprojekt nach. politikwissenschaftlicher oder soziologischer Perspek- Foto: SparkassenBilderwelt des Deutschen Sparkassenverlags tive behandelt werden. Das könnte beispielsweise eine Beschäftigung mit dem Begriff des Gemeinwohls sein. Mit dem interessanten Thema Robo Advice beschäfti- In diesem Bereich liegen jedenfalls viele wissenschaft- gen sich unter dem Projekttitel „Robo Advice oder lich lohnende und für die Sparkassen-Finanzgruppe persönliche Finanzberatung: Auswirkungen auf Ver- hoch interessante Fragestellungen. haltensanomalien bei Entscheidungen privater An- leger“ Professor Dr. Wolfgang Breuer (RWTH Aachen) Gregor Mauer 21
Sie können auch lesen