Wissenschaft für die Praxis - s Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V - Stiftung für die Wissenschaft

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Wissenschaft für die Praxis - s Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V - Stiftung für die Wissenschaft
Wissenschaft
für die Praxis
Mitteilungen der Wissenschaftsförderung
der Sparkassen-Finanzgruppe e. V.

                                     s    Finanzgruppe
Heft 86 · Dezember 2019                   Wissenschaftsförderung
Wissenschaft für die Praxis - s Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V - Stiftung für die Wissenschaft
Herausgeber:
Wissenschaftsförderung der
Sparkassen-Finanzgruppe e.V.
Geschäftsstelle:
Simrockstraße 4, 53113 Bonn
Postanschrift:
Postfach 14 29, 53004 Bonn
Telefon: (02 28) 2 04-57 31
Fax: (02 28) 2 04-57 35
E-Mail: s-wissenschaft@dsgv.de
Internet: www.s-wissenschaft.de

Verantwortlich:
Dr. Klaus Krummrich

Redaktion:
George Clegg
Telefon: (02 28) 2 04-57 31
Fax: (02 28) 2 04-57 35

Gestaltung:
weber preprint service, Bonn

Die Mitteilungen erscheinen zweimal im
Jahr und werden den Mitgliedern der
Wissenschaftsförderung der Sparkassen-
Finanzgruppe sowie der interessierten
Fachöffentlichkeit unentgeltlich zur
Verfügung gestellt.

ISSN 1864-2721

Titelbild: Das Titelbild zeigt die griechische
Muse der Poesie, Philosophie, Wissenschaft
und Rhetorik Kalliope auf dem Schinkeltor
am Westeingang zum Neuen Augusteum
der 1409 gegründeten Universität Leipzig.
Das nach dem preußischen Baumeister Karl
Friedrich Schinkel benannte Tor ist das
einzige erhaltene Baufragment des Univer-
sitätsgebäudes am Augustaplatz aus dem
19. Jahrhundert. Es fügt sich heute harmo-
nisch in den modernen Campuskomplex im
Herzen der Messestadt ein.

Foto: Nils Mammen / Universität Leipzig, SUK
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Editorial

Editorial

„Wer immer tut, was er schon
kann, bleibt immer das, was er
schon ist.“ Welcher andere Satz
könnte das innerste Wesen
und Streben der Wissenschaft
treffender beschreiben als der
des Erfinders und Unternehmers
Henry Ford?
Neues Wissen erschließen, Stillstand vermeiden, innova-
                                                           Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis,
tive Wege gehen – dieses Grundprinzip des Fortschritts
                                                           Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV ,
legt auch die Wissenschaftsförderung der Sparkassen-       Vorsitzender des Kuratoriums der Wissenschaftsförderung
Finanzgruppe e. V. ihrer Neuorientierung zugrunde.         der Sparkassen-Finanzgruppe e. V.
Sie wird 2020 die bisherige Rechtsform eines eingetra-
genen Vereins aufgeben und sich in eine „Stiftung für
die Wissenschaft“ wandeln und damit einhergehend ihr       Forschung und Sparkassenpraxis aufzubauen und zu
Förderspektrum ausbauen, neue Kooperationspartner          pflegen. Sie hat damit nicht nur für die gesamte
einbinden und das überregionale Netzwerk im wissen-        Finanzgruppe wichtige operative Themenfelder in den
schaftlichen Spektrum verdichten. Denn in Zeiten           wissenschaftlichen Diskurs eingebracht, sondern
anhaltend verunsicherter Finanzmärkte, veränderter         darüber hinaus den aus dem Markenkern geborenen
Kundenansprüche, immer höher geschraubter regulato-        Anspruch der Sparkassen untermauert, ihr breites
rischer, ökonomischer wie ökologischer Anforderungen       gesellschaftliches Engagement auch im universitären
und tief greifender technologischer Umbrüche müssen        Bereich zum Nutzen des Gemeinwohls auszufüllen und
auch die Sparkassen ihr Geschäftsmodell erneut zu-         sichtbar zu machen.
kunftsfest machen. Die mit hohen Belastungen verbun-
denen existenziellen Fragestellungen erfordern nicht nur   Dieses Engagement fortzuschreiben und den sich
einen leistungsstarken Verbund, sie zwingen auch zu        wandelnden gesellschaftlichen und wissenschaftlichen
einem strategischen, in die Zukunft gerichteten Denken.    Anforderungen durch die Erschließung neuer Themen-
                                                           felder anzupassen sollte, ja muss, im wohlverstande-
Angesichts der Komplexität kann diesen Herausforde-        nen Eigeninteresse aller Mitglieder des Sparkassenver-
rungen allerdings nicht mehr allein mit dem Hand-          bundes liegen. Die künftige Rechtsform einer Stiftung
werkszeug des internen Fachwissens – und sei es auch       sicherte die notwendige breite ideelle und finanzielle
noch so ausgeprägt – begegnet werden. Vielmehr             Basis und sendet das Signal aus, auch künftig an der
bedarf es einer gezielten Wissensvernetzung mit dem        gesellschaftlichen Zukunftsgestaltung aktiv mitzuwir-
Sachverstand des externen Forschers, der mutig den         ken. Getreu der Erkenntnis des Gründervaters der
Blick über den Tellerrand und damit den fachlich-prak-     Vereinigten Staaten, des Forschers Benjamin Franklin,
tischen Blickwinkel erweitert.                             dass „eine Investition in Wissen noch immer die besten
                                                           Zinsen bringt“.
Über viele Jahrzehnte hinweg ist es der Wissenschafts-
förderung gelungen, ein stabiles Netzwerk zwischen                                    Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis

                                                                                                                            3
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Inhalt

Inhalt
EDITORIAL                                                            3
Inhalt                                                               5
Das aktuelle Interview                                               6
   Japanischer Zombifizierungs-Infekt bedroht auch Europa –
   Ausstieg aus der Droge Niedrigzinsen erfordert Mut von Politik
   und EZB
Wissenschaft vor Ort                                                11
   Savings and Retail Banking History Award 2019 –
   Erster Preis ging in die Schweiz
   Entrepreneurship Research Newcomer Award –
   Junge Preisträger aus Düsseldorf und Trier
   Bonner Akademischer Sommer –
   Die Freiheit, mutig über den Tellerrand hinaus zu schauen
Aus der Forschung                                                   19
   Förderung der Wissenschaft bleibt essentiell –
   Neue Stiftung ebnet Weg in die Zukunft
Veranstaltungen                                                     22
   12. Magdeburger Finanzmarktdialog –
   Quo vadis Europa? Zwischen Brexit-Skylla und Zins-Charybdis
Newsticker                                                          26
Unternehmensgeschichte                                              27
   Financial History Workshop in Wien –
   Sparkassen vermitteln weltweit Finanzwissen
   Sparkassen in historischen Umbrüchen am Beispiel Berlins –
   Wendezeiten
   Reif fürs Archiv:
   Als sich der Plattenteller rund um das liebe Geld drehte –
   Finanzberatung im Beat-Sound der Swinging Sixties
Institut für Kreditrecht Mainz –
Seminartermine im Wintersemester 2019/2020                          32
Eberle-Butschkau-Stiftung                                           33
   Bildungsreise nach Argentinien und Brasilien –
   Auf dem Kontinent der tiefen Gegensätze
   EBuSti-Kollegiaten bei der Sparkasse Osnabrück –
   Gegenseitiger Lerneffekt
   Bereichernde Ideen
   Bachelor-Abschluss der Hochschule gefeiert –
   Auszeichnung für die Jahrgangsbesten
   Kommunikations- und Medientraining im Frankenland –
   Überzeugend auftreten ist auch Übungssache
   EBuSti-Team beim Sparkassenmarathon
CREDIT and CAPITAL MARKETS – KREDIT und KAPITAL                     40

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Das Land der aufgehenden Sonne leidet seit Jahrzehnten unter anhaltenden Niedrigzinsen. Drohen die dadurch verursachten wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Negativszenarien mittelfristig auch Europa?

Japanischer Zombifizierungs-Infekt bedroht auch Europa

Ausstieg aus der Droge
Niedrigzinsen erfordert
Mut von Politik und EZB
An der Universität Leipzig er-                                        Sie bewerten die derzeitige Geldpolitik der EZB mit
                                                                      anhaltenden Niedrigzinsen und massiven Anleihe-
forscht Professor Dr. Gunther                                         käufen als schädlich für Wirtschaft und Gesellschaft.
Schnabl mit seinem Team die                                           Dabei lief die deutsche Konjunktur in den vergangenen
                                                                      Jahren doch auf Hochtouren. Warum diese Kritik?
Auswirkungen der Null- und
Negativzinspolitik der Bank von                                       Wir konnten in den letzten Jahrzehnten immer wieder
                                                                      beobachten, dass Zinssenkungen der Zentralbanken
Japan auf die japanische Spar-                                        zunächst überschwängliche Boom-Phasen bewirkten,
kultur und Wirtschaft. Ob dem                                         die mit einschneidenden Krisen endeten. Beispiele
                                                                      sind die japanische Blasenökonomie in den Jahren
Euro-Raum ähnliche Negativ-                                           zwischen 1986 und 1989, der US-Hypothekenmarkt-
szenarien drohen könnten, erklärt                                     boom im Zeitraum von 2003 bis 2007 oder die
                                                                      Konsumeuphorie in einigen Ländern der südlichen
Professor Schnabl im Gespräch.                                        Eurozone von 2003 bis 2007. Seit 2012 hat das billige

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Das aktuelle Interview

                                                                                                      „Die Staatsverschuldung
  Dr. Gunth
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                   it u t für
     das Inst
            ts ch  a  ft spolitik.                                                                    nehmen sind hingegen nur noch überlebensfähig,
      Wir
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                 rs  itä  t Tübingen
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        zu Leistun                                                                                    dazu geführt, dass die Produktivitätsgewinne der
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                ic h  te  n  u nd                                                            ar       japanischen Wirtschaft stark zurückgegangen sind.
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                               tegration                                       bilitiert, w
          Währung         s in
                                                   p  ro m  o vi ert und ha           d e r           Seit 1998 sinken deshalb die realen Löhne, und die
                                               pa                             ersity,
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                                                                                             s1       prekären Beschäftigungsverhältnisse nehmen stetig
                      is se  n sc h  a                           n, de r U
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                                              rsität Le                       desbank,                zu. In der Peripherie schrumpfen Städte und Dörfer,
                            hen Unive                            chen Bun
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                              -Sorbonn                                   ank of Ne                    weil die Wirtschaftskraft schwindet und die Menschen
            Panthéon                                       Reserve B            Universitä
                                                                                                t
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                                                  ine                       tätig. Im R
                                EZB. Vor se                    i der EZB
             sowie der                            vi so r b e                         b a n k         der Bank von Japan das Wachstum aufrechterhält.
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                                                d                         en Daten
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                                 ört er zu d                                                          Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Eine Aussicht auf
               IDEAS geh                    d  Europa.
                                 n  d   u n                                                           Besserung gibt es trotz oder gerade wegen der Geld-
                Deutschla
                                                                                                      schwemme nicht.

Geld der Europäischen Zentralbank einen Aktien- und                                                   Sie warnen davor, dass auch dem Euro-Raum durch die
Immobilienboom in Deutschland entfacht. Sobald                                                        EZB-Politik japanische Verhältnisse drohen. Gilt diese
diese Übertreibungen ein Ende finden, dürfte auch                                                     Mahnung vor allem für die südeuropäischen Länder oder
Deutschland in die Krise schlittern. Schmerzhafte                                                     ist auch der Norden bedroht, in dem doch eigentlich star-
Einschnitte werden dann unvermeidlich sein.                                                           ke Unternehmen für wirtschaftliche Prosperität sorgen?

Als Beispiel für durch lange Niedrigzinsphasen                                                        Seit der Einführung des Euro folgen unterschiedliche
drohende Fehlentwicklungen verweisen Sie auf Japan.                                                   Teile des Euro-Raums unterschiedlichen Konjunktur-
Was läuft denn im fernöstlichen einstigen Wirtschafts-                                                zyklen. Zwischen 2001 und 2007 war vor allem
wunderland so grundlegend schief?                                                                     Deutschland in der Krise und der Süden erlebte einen
                                                                                                      Boom. Seit Ausbruch der europäischen Finanz- und
In Japan hat die Blasenökono-
mie, die mit großer Euphorie und
einem Konsumboom einher-
gegangen war, eine 30 Jahre
anhaltende Krise nach sich
gezogen. Dem Platzen der Blase
zu Beginn der 1990er Jahre
wurde mit großen staatlichen
Nachfrageprogrammen, Zins-
senkungen auf Null sowie um-
fangreichen Ankäufen von
Staatsanleihen und Aktien
begegnet. Ein krachender Kollaps
konnte verhindert werden, und
vor allem die großen Unter-
                                                                                                      Die anhaltend lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
nehmen haben von niedrigen
                                                                                                      (EZB), verbunden mit markanten Niedrigzinsen könnte auch im
Zinsen und der Yen-Abwertung                                                                          Euro-Raum auf Sicht zu einer zombifizierten Wirtschaft führen.
profitiert.                                                                                           Fotos: Deutsche Bundesbank

                                                                                                                                                                       7
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Das aktuelle Interview

Schuldenkrise läuft es in Deutschland rund, aber dem        „Der wirtschaftliche
Süden geht es schlecht. Deshalb wirkt auch die seit
2010 historisch lockere Geldpolitik der EZB unter-
                                                            Abstieg wird durch
schiedlich. Der Süden wird durch die anhaltend niedri-      eine wuchernde
gen Zinsen zombifiziert, weil dank des billigen Geldes
notwendige Strukturreformen und Restrukturierungen
                                                            Regulierung sogar
auf die lange Bank geschoben werden können so wie           noch verstärkt.“
in Japan seit 1990.

In Deutschland haben hingegen – wie in Japan zwischen       Die notwendigen Mittel wurden von der Zentralbank
1986 und 1989 – die anhaltend niedrigen Zinsen einen        gedruckt, um die Banken über Wasser zu halten. Die
Exportboom und in vielen Städten einen Immobilien-          Unternehmen verloren wegen der nachsichtigen
boom entfacht, der zuletzt die realen Löhne etwas hat       Kreditvergabe ihre Dynamik. Der daraus resultierende
steigen lassen. Falls die Blase in Deutschland platzt,      wirtschaftliche Verfall war langsam, aber kontinuierlich.
dürfte die Geldpolitik der EZB noch expansiver werden.      Ich sehe, dass ein solcher Prozess – ausgehend von
Dann könnte der ganze Euroraum zombifiziert werden.         einem deutlich höheren Wohlstandsniveau – auch in
                                                            Japan und Europa eingesetzt hat. Der wirtschaftliche
Die EZB züchtet Ihren Untersuchungen zufolge also           Abstieg wird durch eine wuchernde Regulierung noch
geradezu Zombie-Unternehmen und Zombie-Banken               verstärkt.
und ebnet so und auch durch ausufernde Regulierung
den Weg zur schleichenden Rückkehr der Planwirt-            Was ist die Konsequenz für die Menschen?
schaft. Ist die Situation tatsächlich so dramatisch?
                                                            Ersparnisse werden nicht mehr beziehungsweise real
Das kommt auf die Sichtweise an. Einerseits ist der         negativ verzinst. Auch die realen Lohnsteigerungen
große Krach ausgeblieben, und die Arbeitslosigkeit ist      bleiben aus. Es werden vor allem die Löhne junger
seit Ausbruch der europäischen Finanz- und Schulden-        Menschen abgesenkt, die neu ins Berufsleben ein-
krise sogar gesunken. Neue Exzesse auf den Finanz-          steigen. Zudem verschlechtert sich die Qualität vieler
märkten sollen durch mehr Regulierung verhindert            Güter, da immer mehr Menschen auf ständigen Such-
werden. Andererseits ist es offensichtlich, dass in allen   prozessen nach den günstigsten Produkten sind.
Ländern Europas die Produktivitätsgewinne stark             Dienstleistungen werden Schritt für Schritt reduziert.
zurückgegangen sind. Ich erkläre das mit „weichen           Während die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben
Budgetrestriktionen“ wie sie der Ökonom Janos Kornai        zunimmt, hat die Qualität vieler öffentlicher Güter wie
für die mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften        Straßen, Schienentransport und Verteidigung drastisch
beschrieben hat.* Damals wurden ineffiziente Betriebe       abgenommen. All das lässt eine unterschwellige
mit kostenlosen Krediten der staatlichen Banken am          Frustration entstehen, obwohl die offizielle Statistik
Leben erhalten, weil Arbeitslosigkeit politisch uner-       historisch hohe Pro-Kopf-Einkommen ausweist.
wünscht war.

    * Weiche Budgetrestriktionen
    Der ungarische Ökonom János Kornai beschrieb Anfang der 1980er Jahre die Arbeitsweise der Unternehmen
    im Sozialismus. Weil diese in der Planwirtschaft nicht außerplanmäßig vom Markt genommen werden durf-
    ten, deckte der Staat auch dann deren Kosten, wenn sie ineffizient Produkte herstellten, für die kein
    Nachfragebedarf bestand. Kornai bezeichnete dies als Phänomen der „weichen Budgetrestriktionen“, im
    Gegensatz zu den „harten Budgetrestriktionen“ in der Marktwirtschaft, in der die Stückkosten pro Produkt
    unterhalb des erzielbaren Verkaufspreises liegen mussten, damit das Unternehmen dauerhaft am Markt
    überleben konnte. Die „weichen“ Budgetrestriktionen“ trugen laut Kornai maßgeblich zu einer derart leis-
    tungsschwachen Wirtschaft bei, dass nahezu alle Staaten mit einer sozialistischen Wirtschaftsordnung im
    internationalen Wettbewerb weit zurückfielen und nach der Öffnung schließlich zusammenbrachen.

                                                                                                    Die Redaktion

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Das aktuelle Interview

Was müssen die in Deutschland für den Mittelstand so
wichtigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei
einem Fortgang des von Ihnen beschriebenen Szenarios
befürchten?

Die Auswirkungen der Niedrig-, Null- und Negativzins-
politik auf den Bankensektor lassen sich sehr gut in
Japan beobachten, wo die Entwicklung Deutschland
rund 15 bis 20 Jahre vorausläuft. Der japanische
Bankensektor ist ähnlich wie der deutsche strukturiert.
Es gibt neben einigen Großbanken Regionalbanken, die
den Sparkassen ähnlich sind, sowie zahlreiche Genos-
senschaftsbanken. In Japan hat die anhaltend lockere
Geldpolitik die Zinsmargen – beispielsweise Kreditmar-
gen oder Transformationsmargen – der Banken stark
                                                          Für den Ausstieg aus dem Teufelskreis einer massiven
gedrückt, so dass die Zinsüberschüsse als traditionell
                                                          Geldschwemme und anhaltendem Niedrigzinsniveau
wichtigste Einnahmequelle stark gefallen sind. Weil die   braucht es mutige Entscheidungen – ist die neue Chefin der
japanischen Banken dies nur bedingt über höhere           Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, dazu bereit?
Gebühren und Provisionen ausgleichen konnten,             Foto: Deutsche Bundesbank
mussten sie höhere Risiken durch Anlagen im Ausland
eingehen. Das hat bei internationalen Finanzkrisen zu     realen Zins- und Lohneinkommen vor allem der Mittel-
neuen Erschütterungen geführt. Also waren und sind        schicht unter Druck. Die Lasten der anhaltenden
die Banken gezwungen Filialen zu schließen, zu fusio-     Nullzinspolitiken werden vor allem auf die jungen
nieren und Personal abzubauen.                            Menschen abgewälzt, die geringere Einstiegsgehälter
                                                          als früher erhalten. Eigenheime sind für junge Men-
                                                          schen kaum mehr erschwinglich. Für eine wachsende
„Die Hauptlast der                                        Anzahl von Menschen wird es in Zukunft keine ausrei-
lockeren Geldpolitik                                      chende Alterssicherung mehr geben, weil kapitalge-
                                                          deckte Alterssicherungssysteme ausgehöhlt werden.
tragen mittlere und                                       Viele sehen sehr skeptisch in die Zukunft; immer mehr
kleine Regionalbanken.“                                   Menschen driften an die politischen Ränder. Der Index
                                                          für politische Polarisierung, den wir am Institut für
Weil die anhaltend lockere Geldpolitik vor allem große    Wirtschaftspolitik für die noch 28 Mitgliedsstaaten der
Unternehmen und Investmentbanken begünstigt, war          EU erstellen, zeigt, dass im EU-Durchschnitt bei Parla-
die Entwicklung im Großraum Tokio, wo sich die            mentswahlen bereits 25 Prozent der Menschen für
Großen konzentrieren, weniger spürbar. Die Hauptlast      Parteien am extremen linken oder rechten Rand stim-
der Anpassung tragen die kleinen und mittleren            men. Das bereitet mir Sorge.
Regionalbanken in der Provinz, wo die schwindende
Binnenwirtschaftskraft die Klein- und Mittelunterneh-
men schwächt. Die Finanzaufsichtsbehörde geht
                                                          „Negativzinszahlungen
inzwischen davon aus, dass mit dem Aussterben vieler      der Banken für Einlagen
kleiner Städte auch die Banken abgewickelt werden.
                                                          bei der EZB sollten
Letztlich, so schreiben Sie, bedrohe die ultralockere     beendet werden.“
Geldpolitik die Zukunft der jungen Menschen sowie die
gesellschaftliche und politische Stabilität. Welche       Können wir aus dem beschriebenen Teufelskreis noch
Gefahren sehen Sie konkret und wie weit sind wir auf      ausbrechen – gerade auch angesichts einer sich
diesem Negativpfad schon vorangeschritten?                abzeichnenden globalen wirtschaftlichen Ab-
                                                          schwächung? Welche Alternativen haben Politik und
Die ultra-lockeren Geldpolitiken machen reiche Men-       die unter neuer Leitung agierende EZB?
schen reicher, weil sie die Vermögenspreise nach oben
treiben. Ebenso steigen die Gehälter des Managements      Für den Ausstieg braucht es politischen Mut, weil ein
von Großunternehmen, die von dem billigen Geld der        Anheben der Zinsen zunächst mit einer Anpassungs-
EZB subventioniert werden. Hingegen kommen die            krise verbunden sein wird. Zudem müssen viele

                                                                                                                           9
Wissenschaft für die Praxis - s Mitteilungen der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V - Stiftung für die Wissenschaft
Das aktuelle Interview

wichtige Entscheidungen auf EU-Ebene getroffen              Europäischen Zentralbank bezahlen müssen. Das würde
werden, was eine Wende noch schwieriger macht. Weil         die Banken stabilisieren. Drittens sollten die Zinsen
in Phasen der guten wirtschaftlichen Entwicklung            langsam wieder angehoben werden. Ich denke an
Reformen auf die lange Bank geschoben werden, ist           25 Basis-Punkte pro Jahr, über einen Zeitraum von
jetzt der richtige Zeitpunkt. Die EZB hat eine Schlüssel-   zehn bis 20 Jahren hinweg. Das würde die Staaten
rolle in diesem Prozess, weil nur eine Härtung der          zwingen, ihre Ausgaben zu konsolidieren und Verschul-
Budget-Restriktionen durch eine geldpolitische              dung abzubauen. Die Unternehmen müssten wieder
Straffung für alle Akteure in den europäischen Volks-       produktiver werden. Banken könnten ihren Bestand an
wirtschaften ein Umdenken bringen kann.                     faulen Krediten reduzieren. Die Zombies würden
                                                            wiederbelebt. Die daraus resultierenden gesamtwirt-
Wie könnte ein solcher Ausstieg aussehen?                   schaftlichen Produktivitätsgewinne könnten in Form
                                                            realer Lohnerhöhungen und positiver realer Zinsen an
Erstens sollte es zunächst keine neuen Ankäufe von          die Bürger weitergegeben werden. Dadurch würde sich
Staats- und Unternehmensanleihen durch die EZB mehr         die Stimmung in Europa wieder aufhellen. Das würde
geben. Der Anreiz für weitere staatliche Ausgaben-          vielleicht sogar positiv auf die Geburtenraten wirken, so
exzesse und Fehlspekulationen der Großunternehmen           dass auch die Rentensysteme stabilisiert würden.
würde reduziert. Zweitens sollten die Negativzinsen
beendet werden, die Banken für ihre Einlagen bei der                          Wir danken herzlich für das Gespräch.

     Das Forschungsprojekt
     Professor Dr. Gunther Schnabl erforscht mit seinem Team am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität
     Leipzig die Auswirkungen der anhaltenden Null- und Negativzinspolitik der Bank von Japan auf den japa-
     nischen Bankensektor. Er konnte zeigen, dass die ultra-lockere Geldpolitik den japanischen Bankensektor
     nachhaltig destabilisiert hat. Zudem erforscht das Team um Professor Schnabl mit Förderung der Wissen-
     schaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. die Auswirkungen der Null- und Negativzinspolitik auf
     die Sparkultur in Japan und mögliche Implikationen für die europäische Wirtschaftspolitik. Es zeigt sich,
     dass die ultra-lockere Geldpolitik der Bank von Japan die Sparquote der japanischen Haushalte drastisch
     reduziert hat, nicht zuletzt aufgrund der negativen Verteilungseffekte auf Kosten der Mittelschicht.

     Weiterführende Literatur
     Herok, David / Schnabl, Gunther 2018: Europäische Geldpolitik, Zombifizierung und Wachstum in Europa.
     Wirtschaftspolitische Blätter 18, 463–478.

     Müller, Sebastian / Schnabl, Gunther 2017: Zur Zukunft der Europäischen Union aus ordnungspolitischer
     Perspektive. ORDO 68, 3–34.

     Schnabl, Gunther 2013: Die japanischen Lehren für die europäische Krise. Zeitschrift für Wirtschafts-
     politik 62, 1, 1–22.

10
Wissenschaft vor Ort

Savings and Retail Banking History Award 2019

Erster Preis ging
in die Schweiz
Um weltweit historische Forschungen über die Spar-
kassen anzuregen, vergeben das Weltinstitut der
Sparkassen- und Retailbanken und die Europäische
Sparkassen- und Retailbanken-Vereinigung seit 2004
den „Savings and Retail Banking History Award“.
Auch bei der jüngsten Ausschreibung des Preises
konnte die internationale Jury aus Historikern und
Sparkassenpraktikern wieder herausragende wissen-
schaftliche Arbeiten prämieren.

Bindeglied für den
internationalen
Erfahrungsaustausch
Den ersten Preis erkannte sie dem Schweizer Bildungs-
historiker Dr. Thomas Ruoss zu, der zurzeit an der
Katholischen Universität Löwen in Belgien forscht.
Er hat untersucht, welche Bedeutung das 1924 ge-
gründete Internationale Institut der Sparkassen für die
Verbreitung ökonomischen Wissens hatte. Dabei kam
er zu dem Ergebnis, dass das Institut einen wertvollen
Raum für den Informations- und Erfahrungsaustausch
zwischen den verschiedenen nationalen Sparkassen-         Erforschte, welche Bedeutung das 1924 gegründete Internationale
                                                          Institut der Sparkassen für die Verbreitung ökonomischen Wissens
organisationen bot. Ein einheitliches und allgemein
                                                          hatte: Der Schweizer Bildungshistoriker Dr. Thomas Ruoss von der
gültiges Bildungsprogramm entwickelte es aber nicht.      Katholischen Universität Löwen in Belgien. Foto: Mag. Alfred Paleczny
Theorie und Praxis der in den einzelnen Ländern
durchgeführten Bildungsaktivitäten blieben an die
jeweiligen nationalen Bedürfnisse und die gewachse-       Daten und Informationen über die im Vereinigten
nen Traditionen der Sparkassen gebunden.                  Königreich existierenden Sparkassen erfasst wurden.
                                                          Bis auf wenige Aspekte halten Armendáriz und Graham
Der zweite Preis ging an Beatriz Armendáriz PhD und       eine Übertragbarkeit der institutionellen und organisa-
Dr. Aaron Graham vom University College London. Ihr       torischen Erfolgsfaktoren der damaligen Sparkassen in
Beitrag befasst sich mit der Frage, ob die britischen     die Gegenwart nicht für möglich. Denn die sozialen
Sparkassen des 19. Jahrhunderts als Muster für moder-     und wirtschaftlichen Verhältnisse und auch das regula-
ne Microsavings-Institutionen dienen können. Um sie       torische Umfeld unterscheiden sich fundamental.
zu beantworten, werteten die Forscher eine Erhebung
aus dem Jahr 1841 aus, in deren Rahmen zahlreiche                                                     Dr. Thorsten Wehber

                                                                                                                            11
Wissenschaft vor Ort

Entrepreneurship Research Newcomer Award

Junge Preisträger aus
Düsseldorf und Trier
                                                           Freuen sich gemeinsam über die Auszeichnung: Gregor Mauer von
                                                           der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe,
                                                           Preisträgerin Tamara Naulin von der Heinrich-Heine-Universität
                                                           Düsseldorf und Jurymitglied Prof. Dr. Carina Lomberg von der
                                                           Technical University of Denmark.

                                                           Leistungen unterstützen und sich von bereits etablier-
                                                           ten Eigenkapitalinvestoren, wie Venture Capital Gebern
                                                           oder Business Angels, aufgrund ihrer spezifischen
                                                           Eigenschaften abheben. Trotz einer hohen Aufmerk-
                                                           samkeit durch die Medien und einem stetigen Wachs-
                                                           tum von Acceleratoren ist der von ihnen geschaffene
                                                           Mehrwert für Start-ups bislang noch wenig erforscht. In
                                                           der ausgezeichneten Studie wird untersucht, welche
                                                           Mehrwerte (value-added outcomes) für die Entwicklung
                                                           von Start-ups durch die vom Accelerator erbrachten
                                                           Leistungen (value-added inputs) entstehen. Basierend
                                                           auf einer deutschlandweiten multiplen Fallstudie wird
Für ihre Arbeit „The value-adding impact of accelera-      gezeigt, dass Acceleratoren durch die Bereitstellung
tors on start-ups’ development“ erhielten Tamara           von acht “value-adding inputs” Mehrwert für Start-ups
Naulin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf       schaffen, der sich sowohl auf der Organisations- als
und Dr. Alexandra Moritz von der Universität Trier auf     auch auf der Individualebene manifestiert. Die Studie
der 23. Interdisziplinären Jahreskonferenz zu Entre-       unterstreicht damit die Bedeutung von Acceleratoren
preneurship, Innovation und Mittelstand (G-Forum) in       für die Entwicklung junger Unternehmen und trägt
Wien den „Entrepreneurship Research Newcomer               dazu bei, dieses noch junge, aber zunehmend an
Award 2019“. Der mit 1000 Euro dotierte und von der        Bedeutung gewinnende Phänomen besser zu ver-
Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe         stehen.
bereits zum elften Mal ausgelobte Preis wurde wäh-
rend der Abendveranstaltung des 23. G-Forums an der
Wirtschaftsuniversität in Wien durch Jurymitglied          Der Preis
Prof. Dr. Carina Lomberg von der Technical University of
Denmark und Gregor Mauer von der Wissenschafts-            Der themenoffene Preis richtet sich speziell an Dokto-
förderung stellvertretend für das Autorenteam an           randen, Habilitanden und Juniorprofessoren, die ein
Tamara Naulin überreicht.                                  Full-Paper Referatsangebot bei der interdisziplinären
                                                           Jahreskonferenz zu Entrepreneurship, Innovation und
                                                           Mittelstand (G-Forum) einreichen. Die Preisträger
Die Studie                                                 wurden in einem zweistufigen Auswahlverfahren
                                                           ermittelt. In der ersten Stufe wurden in diesem Jahr die
Die vom Autorenteam verfasste Studie thematisiert          sieben im Double-blind-Review am besten bewerteten
den sogenannten „Value-added“, den junge Unter-            wissenschaftlichen Arbeiten von Nachwuchswissen-
nehmen durch „Business Accelerators“ erhalten.             schaftlern nominiert. Anschließend wählte eine Jury
Acceleratoren sind Organisationen, die Kohorten von        aus den nominierten Arbeiten die zu prämierende
Start-ups durch Startkapital und weitere immaterielle      Arbeit aus.

12
Wissenschaft vor Ort

Mit Innovationskraft und Wissen die Herausforderungen der Zukunft annehmen – dafür plädierte DSGV-Präsident Helmut Schleweis vor den
Teilnehmern am Bonner Akademischen Sommer in Bonn. Fotos: Jun Fukuda, Bonn

Bonner Akademischer Sommer

Die Freiheit, mutig
über den Tellerrand
hinaus zu schauen
Welche wichtigen Zukunfts-                                            Eingeladen von der Wissenschaftsförderung der
                                                                      Sparkassen-Finanzgruppe, der Management-Akademie
herausforderungen aber auch                                           und der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe
Chancen bewegen die Finanzwelt                                        zeigten die vortragenden Experten unter der Modera-
                                                                      tion von Bärbel Kaatz von der Wissenschaftsförderung
derzeit besonders? Antworten                                          den rund 150 Teilnehmern spannende, manchmal
auf diese Frage gab auch in                                           sogar auch unkonventionelle Wege zur erfolgreichen
                                                                      Zukunftsgestaltung auf.
diesem Jahr der traditionsreiche
Bonner Akademische Sommer.                                            Denn: „Akademischer Sommer, das heißt auch akade-
                                                                      mische Freiheit. Die Freiheit, unbekanntes Gelände zu
Er vermittelte aus dem Blick-                                         erkunden, große Fragen aufzuwerfen und ganz generell
winkel der Wissenschaft praxis-                                       über den Tellerrand zu schauen“, zeichnete der Präsi-
                                                                      dent des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes,
nahe Impulse für den Spar-                                            Helmut Schleweis, die Intention einer Tagung nach, die
kassen-Alltag.                                                        ihrem Leitmotiv und Anspruch, „Wissenschaft trifft
                                                                      Praxis“, erneut voll gerecht wurde. Schleweis machte

                                                                                                                                       13
Wissenschaft vor Ort

eindringlich bewusst, dass aus dem Geschäftsmodell
der Sparkassen, eine dienende Rolle in Gesellschaft,
Wirtschaft und in den Kommunen zu übernehmen,
ebenso Chancen wie auch Verpflichtungen erwachsen,
die, im Verbund wahrgenommen und bewältigt, zur
kraftvollen und kreativen Zukunftsgestaltung befähi-
gen. Als aktuelles Beispiel nannte der DSGV-Präsident
die Pläne von Politik und Aufsicht zum Beitrag der
Kreditwirtschaft beim Thema Nachhaltigkeit. Hier
befinde sich die Sparkassen-Finanzgruppe in einem
Meinungsbildungsprozess und sei noch nicht mit voller
strategischer Kraft unterwegs. Gleichwohl wisse man
um die Bedeutung dieses Themas. Damit verwies er auf
den Komplex der Nachhaltigkeit als erstem Themen-
schwerpunkt der Tagung, dem sich Redner und Disku-
tanten aus unterschiedlichen Perspektiven näherten.              Schlug mit seinem eindringlichen Plädoyer für mehr Nachhaltigkeit
                                                                 die Zuhörer in seinen Bann: Professor Dr. Ottmar Edenhofer.

Wenn Zukunft nachhaltig                                          Gesichtspunkten auf. Er warnte vor unabsehbaren
                                                                 gesellschaftlichen und finanziellen Schäden, sollte dem
auf den Nägeln brennt                                            durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen verursach-
                                                                 ten Kohlendioxydausstoß und der dadurch verursach-
Professor Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-            ten rasanten Erwärmung der Atmosphäre nicht zügig
Instituts für Klimafolgenforschung, forderte in seinem           und konsequent Einhalt geboten werden. Dieser
Vortrag „Ökonomie und Nachhaltigkeit“ die Finanzwirt-            Umbau hin zu nachhaltigen Energieträgern müsse
schaft zu einer aktiven Rolle beim Umbau der Wirt-               durch eine entsprechende, sozial abgefederte Beprei-
schaft unter ökologischen und klimafreundlichen                  sung ökonomisch angetrieben werden.

     Faszinierender Perspektivwechsel
                                  Ulrike Hennesen ist            für Klimafolgenforschung, der Fakten zum Klima-
                                  Vorstandsreferentin
                                                                 wandel aufbereitet hat, die er wenige Tage später
                                  bei der Kreissparkasse Köln.
                                                                 auch dem Bundeskabinett erläutern durfte.
                                                                 Auch Herr Professor Dr. Armin Falk faszinierte das
                                   „Mit dem Bonner               Plenum mit seinem Blick aus der Zukunft zurück auf
                                   Akademischen Sommer           den digitalen Wandel unserer Gegenwart. Aber auch
                                   bietet uns die Wissen-        die weiteren Vorträge waren inspirierend.
                                   schaftsförderung
                                   der Sparkassen-Finanz-        Neben der Qualität der Vorträge dieser Tagung ge-
                                   gruppe eine exklusive         nieße ich stets auch sehr den Austausch mit den
                                   Veranstaltung zu              anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen
                                   aktuellen Themen mit          Teilen der Sparkassen-Finanzgruppe.
                                   Bezug zur Finanzwirt-         Die Kolleginnen und Kollegen decken die gesamte
     schaft. Mich begeistern immer wieder die sehr               Bandbreite der verschiedenen Bereiche bei Spar-
     versierten Vortragenden und die gelungene Kombi-            kassen und Verbundunternehmen ab. Dies ist eine
     nation aus Praxis und Wissenschaft. Gerade die-             fantastische Basis, um das eigene Netzwerk zu
     sen Perspektivwechsel finde ich wesentlich, denn            erweitern.
     er ermöglicht den Blick über den Tellerrand.
                                                                 Für meine Aufgaben bei der Kreissparkasse Köln ist
     Beispielhaft nenne ich Herrn Professor Dr. Ottmar           der Besuch des Bonner Akademischen Sommers sehr
     Edenhofer, den Direktor des Potsdam-Instituts               hilfreich.“

14
Wissenschaft vor Ort

Derzeit, so Edenhofer, werde die Atmosphäre als                   Dass Klima- und Umweltschutz in breiten Bevölke-
globales Gemeinschaftsgut der Menschheit durch den                rungsschichten einen großen Stellenwert einnimmt,
ungebremsten Ausstoß von Kohlendioxyd und anderen                 verdeutlichten Professor Dr. Christian Klein vom
Schadstoffen wie eine „wilde Deponie“ benutzt.                    Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Deshalb müssten internationale Vereinbarungen                     Kassel und Johannes Behrens-Türk von der DekaBank
getroffen werden, um dieser Belastung wirksam zu                  im Arbeitskreis „Nachhaltige Geldanlagen – Hype oder
begegnen. In Deutschland solle ein CO2-Preis dafür                Megatrend“. Zwar, so Klein, werde der Begriff Nach-
sorgen, den Einsatz der weiterhin im Überangebot                  haltigkeit von vielen potenziellen Anlegern noch diffus
vorhandenen und teilweise sogar subventionierten                  definiert. Dennoch zeige die stark wachsende Nach-
klimaschädlichen fossilen Brennstoffe so zu verteuern,            frage nach nachhaltigen Investments, dass Angebote
dass es ökonomisch attraktiver sei, regenerative                  und Beratungskompetenz zum Pflichtprogramm der
Energiequellen einzusetzen. „Denn nur wenn es uns                 Finanzindustrie gehörten, merkte Behrens-Türk in der
gelingt, den CO2-Ausstoß schnell spürbar zu senken,               von Dr. Klaus Krummrich von der Wissenschaftsförde-
kann die dramatische Erderwärmung auf ein verträgli-              rung moderierten Diskussion an. Hier verfügten die
ches Maß begrenzt werden.“                                        Sparkassen über eine gute Ausgangslage, denn eine
                                                                  Befragung durch die Uni Kassel habe deutlich ge-
In der anschließenden Diskussion mit Frank Pierschel              macht, dass die Menschen ihnen bei nachhaltigen
von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-                  Investments hohes Vertrauen schenkten, so Klein.
aufsicht Bonn, Dr. Michael Schulte, Vorstandsvor-
sitzender der Sparkasse Vest Recklinghausen, und
Professor Dr. Edenhofer wurde deutlich, dass der                  Digitale Zukunft
Klimaschutz auch für die Finanzindustrie eine zuneh-
mend hohe Bedeutung hat. Pierschel kündigte für den
                                                                  ist ante portas
Dezember 2019 ein Nachhaltigkeits-Merkblatt der
BaFin an und betonte die Vorreiterrolle seiner Anstalt            Den zweiten Themenschwerpunkt der Tagung bildeten
bei der Verfolgung nachhaltiger Vorgaben. Die Einfüh-             die Herausforderungen, die aus dem sich wandelnden
rung einer neuen Risikokategorie für Nachhaltigkeit               Geschäftsumfeld für die Finanzwirtschaft entstehen.
werde es jedoch nicht geben, so Pierschel, dennoch                Eine zentrale Rolle spielt für die Sparkassen bei der
würden die Kreditinstitute künftig zusätzliche Rahmen-            Zukunftsgestaltung der digitale Sektor, wie DSGV-
bedingungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit im                    Präsident Schleweis verdeutlichte. Die zahlreichen
Finanzgeschäft zu beachten haben.                                 Aktivitäten, mit denen die Gruppe sich und ihren
                                                                  Kunden die Möglichkeiten neuer Technologien er-
Schulte verwies darauf, dass Nachhaltigkeit zum                   schließt, reichen von der Plattformökonomie über den
genetischen Code der Sparkassen gehöre. Heute schon               digitalen Zahlungsverkehr bis hin zum Einsatz künst-
würden auch Klimarisiken in der Unternehmenspolitik               licher Intelligenz und Blockchain.
berücksichtigt, deshalb
sei es wünschenswert,
regulatorische Maß-
nahmen zurückhaltend
einzusetzen. Er warnte
den Gesetzgeber davor,
Verantwortlichkeiten
auf die Finanzindustrie
zu übertragen, weil
damit die Gefahr
planwirtschaftlicher
Strukturen verbunden
sei. Die Verpflichtung
der Finanzindustrie,
wirtschaftliche Len-
kungswirkung zu
entfalten, empfand
Schulte als einen          Diskutierten über Herausforderungen und Anforderungen immer anspruchsvollerer Klimaschutzvorgaben für
Irrweg.                    Finanzinstitute (v. l.): Professor Dr. Ottmar Edenhofer, Dr. Michael Schulte und Frank Pierschel.

                                                                                                                              15
Wissenschaft vor Ort

In seinem Vortrag erklärte Professor Dr. Hannes
Federrath, Leiter des Arbeitsbereichs Sicherheit in
verteilten Systemen an der Universität Hamburg und
Präsident der Gesellschaft für Informatik, die Syste-
matik, Nutzungsmöglichkeiten und Vorteile, aber auch
die Risiken von Private und Public Blockchain (z. B. für
Handelsplattformen). Er stellte die Frage, ob es sich bei
dieser Plattformtechnologie um eine nachhaltige
Lösung auch für den Einsatz in der Finanzwirtschaft
handele oder ob die verstärkte Nutzung als ein kurz-
fristiger Hype zu werten sei. Dem gingen in der an-
schließenden Podiumsdiskussion auch Joachim Erdle
von der LBBW Landesbank Baden-Württemberg und Dr.
Philipp Sandner vom Blockchain Center der Frankfurter
School of Finance & Management unter reger Debat-
tenbeteiligung der Zuhörer auf den Grund.

Lernen und Wissen –
Bausteine der Zukunft
                                                                 Professor Dr. Hannes Federrath

Über den Stand des DSGV-Projekts „Bankausbildung                 und Zielsetzungen von Auszubildenden in der Spar-
2020“ informierten in einem Arbeitskreis Dr. Michael             kassen-Finanzgruppe. Daraus abgeleitet ergaben sich
Thaler von der Management-Akademie sowie Anika                   verschiedene Handlungsempfehlungen zur Bindungs-
Dresen von der Kreissparkasse Ahrweiler. In diesem               und Leistungsförderung des Nachwuchses. Sie um-
Forschungsprojekt der Hochschule für Technik Stutt-              fassen Kernpunkte wie eine individuelle Aus- und
gart erfragten Studierende die Wünsche, Vorstellungen            Weiterbildungsgestaltung, Übertragung von Verant-

     Denkanstöße für Forschung und Lehre
                                  Marcel Munsch,                 Digitalisierung einschätzen und welche Entwicklun-
                                  M.Sc. ist Wissenschaftlicher
                                                                 gen sie für den Bankensektor prognostizieren.
                                  Mitarbeiter beim Lehrstuhl
                                  für Banken und Betriebliche
                                  Finanzwirtschaft an der        Meine Erwartungen wurden sogar eher übertroffen.
                                  Universität Duisburg-Essen.
                                                                 Es war mir wichtig, neue Denkanstöße und Inhalte für
                                                                 die Forschung und den Lehrbetrieb unseres Lehr-
                                  „Mein Gesamteindruck           stuhls mitzunehmen. Das ist gelungen. Die Vorträge
                                  vom Bonner Akademi-            waren definitiv auf einem sehr hohen Niveau und
                                  schen Sommer, den ich          fachlich diversifiziert, so dass es kaum bzw. keine
                                  in diesem Jahr erst-           Redundanzen gab. Insbesondere aus den praxis-
                                  mals besuchen durfte,          nahen Vorträgen konnte ich viel mitnehmen.
                                  war sehr positiv. Es gab
                                  genügend Gelegenhei-           Der Austausch mit den anderen Teilnehmern ist
     ten, sich mit anderen Gästen in Ruhe auszutauschen.         mir sehr positiv in Erinnerung geblieben. Zudem
     Zudem waren die Themen der Vorträge sehr aktuell            war der Vortrag ,Ökonomie und Nachhaltigkeit` von
     und die jeweiligen Referenten absolute Experten auf         Professor Edenhofer unheimlich interessant und
     ihren Gebieten. Aus wissenschaftlicher Perspektive          lehrreich. Mir ist aufgefallen, dass die Vorträge
     war es besonders interessant zu erfahren, wie               teilweise auf einem so hohen Niveau stattgefunden
     Praktiker und andere Wissenschaftler insbesondere           haben, dass sich anschließend eher eine Fragerunde
     die aktuellen Trend-Themen Nachhaltigkeit und               als eine Diskussion ergeben hat.“

16
Wissenschaft vor Ort

wortung, Transparenz und Einheitlichkeit im Übernah-       könnte zu Unausgewogenheiten im eigenen Portfolio,
mesystem, vereinheitlichte Feedback- und Beurtei-          zu einer Reduktion der Zinsspanne und damit zu
lungssysteme innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe,        Ertragsverlusten führen, warnte Josten in seinem
flexiblere Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung oder      Vortrag, dem sich eine rege Fachdebatte unter der
die Sicherheit in der Karriereplanung für die aktuellen    Moderation von Professor Dr. Marwan Hamdan von der
Auszubildenden.                                            Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe anschloss.

Als wichtiges Element der Mitarbeiterbindung nennt
das Forschungsprojekt auch die Definition und Ver-         Im Wunderland der
mittlung eines werteorientierten Markenkerns, einer
werteorientierten Kultur als verbindendes Kulturele-
                                                           Online-Plattformen
ment in der Sparkassen-Finanzgruppe. Diese Bindung
sei zwar über alle beruflichen Phasen von großer
Bedeutung, die Grundlagen könnten aber in der
Berufsausbildung gelegt werden, um das positive
Verhältnis zum Arbeitgeber Sparkasse entscheidend
zu beeinflussen, so die These des Vortrages, der bei
den Teilnehmern auf großes Interesse stieß und zu
einem regen Feedback der Teilnehmer führte.

Finanzpartner Kommune
als Herausforderung

Im Arbeitskreis Kommunalfinanzierung gelang es
RA Ralf Josten, Chefjustiziar und Direktor Kommunen/
Recht der Kreissparkasse Köln, sowohl aus juristischer
wie betriebswirtschaftlicher Sicht die aktuellen Heraus-
forderungen im Bereich Kommunalfinanzierungen
praxisnah zu vermitteln. Zwar, so Josten, habe sich die    Professor Dr. Hans-Gert Penzel
finanzielle Situation der Städte und Gemeinden dank
der boomenden Konjunktur verbessert. Allerdings            Zu einem ebenso interessanten wie launigen Ausflug
seien immer noch große regionale Unterschiede in der       in die internationale Banken- und Finanzwelt im Jahr
Finanzausstattung der Kommunen festzustellen. So           2035 lud Professor Dr. Hans-Gert Penzel, Geschäfts-
liege die Verschuldung im Saarland sechsmal höher als      führer der ibi research an der Universität Regensburg,
in Baden-Württemberg. In Hessen, Nordrhein-West-           ein. Seine Kernthese: Der Einfluss von Google und
falen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wiesen die         Facebook, die Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten,
Kommunen exorbitant hohe Kassenkredite aus.                veränderte Finanzströme und Anlagemöglichkeiten
Bundesweit belaufe sich die Summe der Kassenkredite        sowie ganz neue Serviceinstrumente werden die Welt
auf 35 Milliarden Euro, die oft zum Schließen von Haus-    der Banken spürbar verändern, während sich das
haltslücken „zweckentfremdet“ würden.                      Finanzverhalten der Menschen im Vergleich zur Gegen-
                                                           wart nicht verändert haben wird. Nur wer sein unter-
Zwar seien Kassenkredite für die Sparkassen aufgrund       nehmerisches Verhalten und Angebot an diese schon
der Insolvenzunfähigkeit der öffentlichen Hände            heute absehbaren Entwicklungen anpasst, werde als
ausfallsicher, gleichwohl beinhalteten sie zahlreiche      Finanzinstitut überleben – das aber erfolgreicher
Portfoliorisiken, so Josten. Er spielte verschiedene       denn je.
Szenarien durch, die sich durch regulatorische Verän-
derungen des Solvabilitätsstatus der Kommunen oder         Einen Überblick über die Position der Braunschweigi-
durch den Wegfall von deren Insolvenzunfähigkeit für       schen Landessparkasse im Verbund der NordLB gab
die kreditgebende Sparkasse bis hin zum Zusammen-          Christoph Schulz. Er skizzierte als Vorstandschef der
bruch des gesamten heutigen Systems der Kommunal-          Sparkasse und Vorstandsmitglied der Landesbank die
finanzierung ergeben könnten. Ein allzu starkes            durch den Einbruch des Chartergeschäfts verursachten
Engagement von Sparkassen beim Kassenkredit                Probleme der NordLB und verdeutlichte die Anstren-

                                                                                                                  17
Wissenschaft vor Ort

     Tolle Impulse gesetzt
                                  Dr. Georg Stickel ist       reich, zumindest im Nachgang, auch über die
                                  Vorstandsmitglied der
                                                              Präsentationen zu verfügen und den einen oder
                                  Sparkasse Pforzheim Calw.
                                                              anderen Aspekt nochmals wirken zu lassen.

                                    „Die Themen mit den       Die Workshops gaben die Möglichkeit, eigene
                                    Schwerpunkten digitale    Schwerpunkte zu setzen und die Fragestellungen, die
                                    Entwicklungen und         die jeweilige Sparkasse und die eigene Aufgabe am
                                    Nachhaltigkeit waren      meisten betreffen, zu intensivieren und in kleinen
                                    für mich sehr gut         Gruppen zu diskutieren. Für mich waren zum Beispiel
                                    gewählt und die           einige Aussagen von Frank Pierschel, der das
                                    Referenten von Hoch-      Nachhaltigkeitsteam der BaFin leitet, sehr hilfreich.
                                    schule und Aufsicht
                                    konnten hier tolle        Der Austausch mit Brancheninsidern aus der ganzen
     Impulse setzen. Ein Highlight war natürlich auch,        Republik ist neben den zahlreichen kompetenten
     dass sich DSGV-Präsident Schleweis die Zeit genom-       Referenten sicherlich ein wesentlicher Bestandteil
     men hat, dem Auditorium aus erster Hand Einblicke        der Veranstaltung.
     in die aktuelle Geschäftspolitik der Sparkassen-
     organisation zu geben und für Fragen zur Verfügung       Eine Teilnahme am Bonner Akademischen Sommer
     zu stehen.                                               kann ich auf jeden Fall empfehlen und werde diesen
                                                              in den nächsten Jahren sicherlich auch wieder
     Meine Erwartungen wurden sehr gut erfüllt. Neben         besuchen. So weitet die Veranstaltung den Blick über
     dem Gehörten ist mir persönlich wichtig und hilf-        den Tellerrand des Tagesgeschäfts hinaus.“

                                                              Wie stark beeinflussen kulturelle Unterschiede den
                                                              ökonomischen Erfolg von Gesellschaften? Dieser Frage
                                                              ging Professor Dr. Armin Falk, Vorstandsvorsitzender
                                                              des briq Institute on Behavior & Inequality aus Bonn, in
                                                              seinem Vortrag „Die Vermessung der Welt“ auf den
                                                              Grund.

                                                              Auf Basis einer mit Koautoren vorgenommenen
                                                              global repräsentativen Datenerhebung, dem „Global
                                                              Preference Survey“, ermittelte Falk Maße für Zeit-
                                                              und Risikopräferenzen, Reziprozität, Altruismus und
                                                              Vertrauen bei insgesamt 80.000 Individuen in
                                                              76 Ländern. Dabei erwies sich, dass unterschiedliche
                                                              kulturelle Präferenzen wie Risikobereitschaft, Rezi-
                                                              prozität (Gegenseitigkeit im Handeln), Altruismus
                                                              (Uneigennützigkeit) oder Vertrauen wirtschaftliche
                                                              Leistungsfähigkeit und Erfolg beeinflussen können.
                                                              Seine aus der Studie abgeleitete These: Gesellschaften,
Christoph Schulz                                              die über einen längeren Zeitraum mehr zur Geduld
                                                              neigen, sind wirtschaftlich nachhaltig erfolgreicher.
gungen, die unternommen werden, um die Bank auch              Denn sie verfügen über die Fähigkeit und die humanen
unter dem Aspekt der regulatorischen Vorgaben wieder          Ressourcen, Erfolg über einen längerfristigen Zeitraum
zu stabilisieren und im Verbund mit der Sparkasse             zu planen und das wirkt sich auch deutlich positiv auf
Braunschweig auf einen zukunftssicheren Kurs zu               die Bereitschaft zu nachhaltigen Investitionsvorhaben
bringen.                                                      aus.

18
Wissenschaft vor Ort / Aus der Forschung

                                                           Die Bereitschaft, sich auf der Grundlage eines in fast
                                                           zweieinhalb Jahrhunderten erworbenen Wissens stets
                                                           neu zu erfinden und den immer wieder veränderten
                                                           Anforderungen und Ansprüchen gerecht zu werden, ist
                                                           das wohl entscheidende Erfolgsrezept der Sparkassen.
                                                           Diese Fähigkeit zum nachhaltigen Wandel unter
                                                           Wahrung des ursprünglichen gesellschaftlichen und
                                                           sozialen Markenkerns wird auch in einer sich immer
                                                           schneller drehenden Welt des technologischen Fort-
                                                           schritts wesentlicher Faktor für das Fortbestehen des
                                                           Sparkassenmodells sein. Die Vorträge und die ange-
                                                           regten Diskussionen auch auf dem Bonner Akademi-
                                                           schen Sommer 2019 machten deutlich, dass die
                                                           Wissenschaft wesentliche Impulse geben und im
                                                           fruchtbaren Dialog mit der Praxis den Pfad zur erfolg-
                                                           reichen Zukunftsbewältigung ebnen kann.

                                                                                                         Juliane Clegg
Professor Dr. Armin Falk

Förderung der Wissenschaft bleibt essentiell

Neue Stiftung ebnet
Weg in die Zukunft
Die Wissenschaftsförderung der                             verständlich ansahen, aber gegenwärtig ist der Erhalt
                                                           der Fördereinrichtung nicht gesichert. Eine auskömm-
Sparkassen-Finanzgruppe hat                                liche Finanzierung dieser Institution, auch im Sinne der
auch in 2019 viele Forschungs-                             Beitragsgerechtigkeit, wäre gegeben, wenn sich
                                                           möglichst alle Institute über den DSGV-Haushalt daran
projekte rund um das Thema                                 beteiligen. In den vergangenen Jahren sind die Mit-
Finanz- und Kreditwirtschaft                               gliederzahlen bei der Wissenschaftsförderung jedoch
                                                           zurückgegangen. Deshalb stellte sich für die Gremien
unterstützt. Eine wegweisende                              des Vereins die Frage, in welcher Form die Förderung
Weichenstellung zur Errichtung                             der Wissenschaft in Zukunft gesichert werden könnte.

einer Stiftung stand ebenfalls im                          Der Vorstand der Wissenschaftsförderung hatte –
Fokus.                                                     bereits beginnend in 2018 – ein Zukunftskonzept für
                                                           die wissenschaftliche Fördertätigkeit der Sparkassen-
                                                           Finanzgruppe ausgearbeitet. Hinsichtlich der künftigen
Errichtung einer Stiftung                                  Organisationsform ist aus Effizienz- und Reputations-
                                                           gründen die gemeinnützige Stiftung vorgesehen.
Die Organisationsform des Vereins Wissenschaftsför-        Die bestehenden Rücklagen des Vereins sollen in die
derung hatte sich zwar in der Vergangenheit bewährt,       Stiftung überführt werden; das gleiche gilt für die
als fast alle Sparkassen eine Mitgliedschaft als selbst-   Vermögensbestände der Eberle-Butschkau-Stiftung.

                                                                                                                       19
Aus der Forschung

Die Partizipation der Verbände und Institute              KMU-Finanzierung
der Sparkassen-Finanzgruppe soll wie bisher
durch geeignete Stiftungsgremien, insbeson-
dere durch ein Kuratorium, gewährleistet
bleiben.

Das Zukunftskonzept der Wissenschafts-
förderung hat die wichtigsten Entscheidungs-
gremien der Sparkassen-Finanzgruppe
(Verbandsvorsteher, Girozentralleiter, Lan-
desobleute sowie DSGV-Gesamtvorstand)
passiert. Am 24. Oktober 2019 hat die
Mitgliederversammlung der Wissenschafts-
förderung die Auflösung des Vereins und die
Errichtung einer Stiftung beschlossen.
Vorbehaltlich der Bereitstellung des jähr-
lichen Budgets durch die DSGV-Mitglieder-
versammlung sowie der Zustimmung der
Stiftungsaufsicht und Finanzbehörde soll                  Beeinflusst Institutsvielfalt im Bankensektor den Grad und
2020 die neue „Stiftung für die Wissenschaft“ errichtet   die Qualität der KMU-Finanzierung, so die Fragestellung eines
                                                          Forschungsprojekts.
werden. Diese Stiftung wird die Förderzwecke des          Foto: SparkassenBilderwelt des Deutschen Sparkassenverlags
vormaligen Vereins mit einer guten Perspektive und
um neue Aspekte erweitert fortführen.
                                                          Professor Dr. Dorothea Schäfer (DIW Berlin und Jön-
                                                          köping International Business School) forscht unter
Ausgewählte Projekte                                      dem Titel „Die Bedeutung von Institutsvielfalt für
                                                          Bankensektorstabilisierung und KMU-Finanzierung“ zu
Die im Folgenden vorgestellten Projekte stellen einen     einem Thema, das bislang wissenschaftlich noch nicht
wichtigen Ausschnitt der Fördertätigkeit des Vereins      ausführlich behandelt worden ist. Es sollen jene
dar. Dabei werden Themenstellungen wissenschaftlich       Faktoren identifiziert werden, die den Einfluss von
bearbeitet, die praxisnah sind, aber auch einen theo-     Institutsvielfalt auf die Stabilität und Leistungsfähig-
retischeren Bezug haben können. Darüber geben die         keit des Bankensektors in der KMU-Finanzierung
nachfolgend kurz beschriebenen Forschungsvorhaben         bewirken. Die adressierte Fragestellung spielt unter
Auskunft. Einen ausführlichen Überblick der Projekt-      anderem in der Diskussion über die EU-Bankenregulie-
förderung gibt der jeweilige Jahresbericht der Wissen-    rung eine wichtige Rolle.
schaftsförderung.
                                                          Nullzinspolitik und Sparkultur

Laufende Projekte                                         Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Niedrigzins-
                                                          politik und Sparkultur in Japan: Implikationen für die
Finanzielle Bildung                                       deutsche und europäische Wirtschaftspolitik“ unter-
                                                          sucht Professor Dr. Gunther Schnabl (Universität
Im Themenfeld der finanziellen Bildung beschäftigt        Leipzig) den Einfluss der Nullzinspolitik auf die Spar-
sich Professor Dr. Lukas Menkhoff (Humboldt-Univer-       kultur in Japan. Die Ergebnisse dieses Forschungs-
sität Berlin / DIW) in seinem Forschungsvorhaben          projekts werden dazu dienen, eine Grundlage für
„Finanzielle Bildung: Maßnahmen, Erfahrungen,             vergleichende Analysen mit Deutschland und Europa
Evaluierung und Ausblick“ vorrangig mit der Frage,        zu schaffen, um die Auswirkungen der Nullzinspolitik
wie finanzielle Bildung effizienter gestaltet werden      der EZB auf das Sparverhalten und die Funktionsweise
kann. Dies soll auf Grundlage einer Meta-Analyse          des Bankensystems zu prognostizieren.
bereits vorhandener internationaler empirischer
Studien erfolgen. Die Schlussfolgerungen aus seiner       Tone from the Top
Untersuchung könnten dazu beitragen, weitergehende
Forschungsfragen zur finanziellen Bildung herauszu-       Mit dem Thema Risikokultur beschäftigen sich im
stellen.                                                  Forschungsvorhaben „Der ,Tone from the Top‘: Eine

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Aus der Forschung

empirische Analyse der Risikokultur in Sparkassen“ die       und Professor Dr. Claudia Breuer (S-Hochschule). Eine
Siegener BWL-Professoren Arnd Wiedemann und                  zentrale Fragestellung dieser Untersuchung lautet:
Volker Stein. Damit soll ein Beitrag zur konstruktiven       Sind Szenarien in den Beratungsprozessen identifizier-
Gestaltung einer Risikokultur in Sparkassen geleistet        bar, in denen systematische Fehler im Vergleich zur
werden, die nicht als Restriktion für das Geschäfts-         „Homemade“-Anlageentscheidung provoziert werden?
modell verstanden wird. Aktuell wird eine Umfrage der        Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts können
beiden Wissenschaftler in den Instituten der Spar-           wertvolle Hinweise dazu geben, ob Robo Advice als
kassen-Finanzgruppe durchgeführt.                            Beratungsform sinnvoll ist.

Crowdfunding
                                                             Ausblick
Ein weiteres Projekt der Wissenschaftsförderung hat
das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Manage-           Der Zeitraum bis Ende 2020 wird stark von operativen
ment und Wissensökonomie, Leipzig, übernommen.               Aspekten des Wechsels der Organisationsform geprägt
Das praxisnahe Forschungsvorhaben „Crowdfunding              sein. Das hängt vorrangig damit zusammen, dass im
und Kreditfinanzierung“ soll den Status quo zu diesem        Liquidationsjahr 2020 der Verein abgewickelt und
Thema in der Sparkassen-Finanzgruppe ermitteln.              gleichzeitig die Stiftung errichtet wird. Außerdem
Darüber hinaus geht es um die Rolle des Crowdfun-            findet dann der Übergang des Vereinsvermögens auf
dings im Zusammenwirken mit dem Kreditgeschäft der           die Stiftung statt.
Sparkassen. Von universitärer Seite unterstützt Profes-
sor Dr. Carolin Bock (TU Darmstadt) das Forschungs-          Im Liquidationsjahr wird der Verein keine neuen
projekt. Die Ergebnisse sollen dann zu einem Wissen-         Forschungsvorhaben vergeben. Allerdings ist die
stransfer in die Sparkassen-Finanzgruppe beitragen.          bestehende Pipeline noch gut gefüllt. Erstmals ist die
                                                             Einbindung eines außeruniversitären Kooperations-
Robo Advice                                                  partners gelungen – die Förderung eines Projekts der
                                                                      Fraunhofer-Gesellschaft. Diesem Handlungs-
                                                                      feld wird auch die zukünftige Stiftung eine
                                                                      hohe Aufmerksamkeit schenken. Wann die
                                                                      Stiftung operativ tätig werden kann, ist unter
                                                                      anderem von der Genehmigung durch die
                                                                      Aufsichtsbehörde abhängig.

                                                                      Themenfelder erweitern
                                                                       Ein weiteres wichtiges Ziel ist die inhaltliche
                                                                       Erweiterung der Themenfelder künftiger
                                                                       Förderaktivitäten. Dem ist Rechnung getra-
                                                                       gen worden, indem die Stiftungszwecke in
                                                                       der neuen Stiftungssatzung allgemeiner
                                                                       formuliert worden sind. Konkret beutet dies,
Kann Robo Advice als Beratungsform sinnvoll sein –                     dass bestimmte Fragestellungen auch aus
dieser Frage geht ein aktuelles Forschungsprojekt nach.      politikwissenschaftlicher oder soziologischer Perspek-
Foto: SparkassenBilderwelt des Deutschen Sparkassenverlags   tive behandelt werden. Das könnte beispielsweise eine
                                                             Beschäftigung mit dem Begriff des Gemeinwohls sein.
Mit dem interessanten Thema Robo Advice beschäfti-           In diesem Bereich liegen jedenfalls viele wissenschaft-
gen sich unter dem Projekttitel „Robo Advice oder            lich lohnende und für die Sparkassen-Finanzgruppe
persönliche Finanzberatung: Auswirkungen auf Ver-            hoch interessante Fragestellungen.
haltensanomalien bei Entscheidungen privater An-
leger“ Professor Dr. Wolfgang Breuer (RWTH Aachen)                                                      Gregor Mauer

                                                                                                                     21
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