WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
quo vadis
      WISSENSMANAGEMENT

                 kuratiertes Dossier
                 in 2 Teilen zum
                 GfWM KnowledgeCamp 2020

                 Teil 2
                                  März 2021

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
Inhalt                                                                          Editorial
                                                                                    Liebe Teilnehmer*innen und Beobachter*innen des #gkc20,
                                                                                    liebe Leser*innen dieses Dossiers,

                                                                                           „Wie weiter mit dem Wissensmanagement?“                                 Die Beiträge beider Teile dieses Dossiers zei-
             Editorial                                Wissensmanagement                    – mit dieser Frage ist das 15. GfWM Knowledge-                     gen eine klare Richtung an: die ursprüngliche Fra-

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             Andreas Matern                          – Quo vadis in der                     Camp (#gkc20) im Herbst 2020 gestartet. Das                       ge nach dem „Wohin des Wissensmanagements“
             GfWM KnowledgeCamp und                   digitalen Verwaltung?                 #gkc20-Redaktionsteam hat die Frage zusätzlich                    bleibt geradezu beispielhaft offen und wird mit
             Stefan Zillich, re:Quest Berlin         Tanja Krins                            an Expert*innen und Praktiker*innen aus unter-                    den Beiträgen des Doppeldossiers kontinuierlich
                                                                                            schiedlichsten Disziplinen gestellt und deren Ant-                weitergeführt. Sie muss in zahlreichen Facetten
                                                                                            worten und Beiträge in einem besonderen Publi-                    beantwortet und vielleicht sogar neu formuliert
                                                                                            kationsprojekt für das #gkc20 zusammengeführt.                    werden.
                                                                                                 Das Kuratierte Dossier in zwei Teilen wurde
                                                                                            als bewusst asynchrone Zugabe zum virtuellen                      Wissensmanagement quo vadis?
             Wie ging es weiter?                     Wissensmanagement                      #gkc20 entwickelt, als fester Bestandteil der GE-                ... was denken Sie?

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              Review zum Kuratierten Dossier         neu komponieren                        samtveranstaltung neben dem kuratierten GfWM
             „Wissensmanagement                      Dr. Pavel Kraus, Swiss Know-           Track und den Barcamp-Sessions.                                   Autor*innen und Redaktion sind gespannt auf Ihre
              quo vadis?“ Teil 1                     ledge Management Forum
                                                                                                 Direkt vor dem Event im November 2020                        Antworten und Ideen zu den Beiträgen des Dop-
                                                                                            konnten Sie, liebe Leseri*innen, Teil 1 lesen als Ein-            peldossiers und weit darüber hinaus.
                                                                                            stieg und Impuls zum Barcamp. Heute freuen wir
                                                                                            uns, Ihnen Teil 2 des Dossiers vorzustellen, wieder               Mit den besten Grüßen
                                                                                            mit exklusiven Erfahrungen und auch ungewöhn-                     Ihr Redaktionsteam „Kuratiertes Dossier #gkc20“
              GfWM KnowledgeCamp                                                            lichen Ideen, die Autor*innen und Redaktionsteam                  Andreas Matern und Stefan Zillich
              Reflexion des

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                                                     Quo vadis Wissensmanagement            nach dem Event aufgreifen und fortführen.                         Kontakt: dossier@gfwm.de
              kuratierten Tracks 2020
                                                     mit Microsoft 365?                          Welche Aspekte und zentralen Ideen bewe-
             – Wissensmanagement Quo Vadis
                                                     Ragnar Heil                            gen uns nach dem GfWM KnowledgeCamp 2020
             Dr. Manfred Bornemann,
             Intangible Assets                                                              auch mit Blick auf aktuelle und mögliche künfti-
                                                                                            ge Entwicklungen? Die Beiträge dieser Ausgabe
                                                                                            knüpfen an das Spektrum des ersten Teils direkt
                                                                                            an, blicken zurück auf das #gkc20 und die Jahr-
                                                                                            zehnte zuvor, fragen nach Standpunkten für heute                  Andreas Matern ist Vizepräsident der Gesellschaft für Wis-
             Wissensmanagement und                                                          und geben Empfehlungen für morgen, entwickeln                     sensmanagement e. V. und seit 2015 verantwortlich für deren

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             Intellectual Capital Manage-
                                                     Die Zukunft des Wissens                Themen für die Praxis und Ideen für Modelle wei-                  Jahresveranstaltung – das GfWM KnowledgeCamp – wel-
             ment – Unde venis – quo vadis?
             Univ.-Prof. Dr. Peter Pawlowsky,
                                                     Dirk Dobiéy, Age of Artists            ter und eröffnen den Horizont auch für Neues.                     ches er zusammen mit einem Team von weiteren Mitgliedern
             TU Chemnitz                                                                         Das Publikationsprojekt wurde im Sommer                      und Unterstützer*innen ehrenamtlich organisiert und erfolg-
                                                                                            2020 mit dem Call for Contributions für Teil 1 ge-                reich weiterentwickelt.
                                                                                            startet und wird nun mit Veröffentlichung dieses                  Stefan Zillich (re:Quest Berlin) ist Information + Content
                                                                                            zweiten Teils Ende März 2021 erfolgreich abge-                    Professional. Seine Kunden entwickeln fachliche und kulturelle
                                                                                            schlossen. Das Redaktionsteam bedankt sich bei                    Inhalte, dabei unterstützt er sie durch professionelle Aufbereitung

              Wissensmanagement                                                             allen Autorinnen und Autoren für exklusive Bei-                   und Optimierung, führt Expertise und Know-how zusammen und

26                                              45
             – Wo stehen wir?                                                               träge, fundierte Meinungen und neue Ideen. Alles                  übersetzt das Ganze in öffentliche Formate, z. B. Veranstaltungen,
              Eine persönliche Einschätzung.         Impressum                              wurde für Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu ei-                 Publikationen und Fortbildungen. Im #gkc20-Redaktionsteam
             Prof. Dr.-Ing Peter Heisig,                                                    nem ungewöhnlichen und relevanten Doppelband                      sichtet er Ideen und Beiträge und entwickelt dazu individuelle
             FH Potsdam                                                                     zusammengefügt.                                                   Publikationskonzepte. www.stz-info.de

2                                                                                           Wissensmanagement quo vadis? - Kuratiertes Dossier 2 /2 - GfWM KnowledgeCamp 2020                                                 3
WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
Review: Kuratiertes Dossier „Wissensmanagement quo vadis?“ Teil 1                                                                                                                                                                     Radical Knowledge Manage-

Wie ging es weiter?
                                                                                                                                                                                                                                      ment. by Stephanie Barnes
                                                                                                                                                                                                                                      The author writes about the feed-
                                                                                                                                                                                                                                      back to her contribution: „Since
Zu Teil 1 des Kuratierten Dossiers #gkc20 gab es neben vielen mündlichen Reaktionen auch schriftliche                                                                                                                                 my article on Radical KM has been
Rückmeldungen. Dazu unser Beitrag im GfWM-Blog: https://www.gfwm.de/kuratiertes-dossier-gkc20-positive-resonanz/.                                                                                                                     published, I have barely stopped
Auch die AutorInnen berichten über Reaktionen, Beobachtungen und neue Entwicklungen nach Veröffent-                                                                                                             talking about it. I have participated in seemingly
lichung ihrer Beiträge. Dazu unsere Zusammenstellung auf diesen Seiten.                                                                                                                                         never-endling virtual coffee meetings, webinars, pre-
     QR-Codes und Links führen zu den jeweiligen Originalbeiträgen in Teil 1. Zur vollständigen Ausgabe                                                                                                         sentations, blog posts, and videos sharing the idea
und allen Informationen: Startseite Kuratiertes Dossier #gkc20: https://www.gfwm.de/kuratiertes-dossier-gkc20.                                                                                                  of including creativity in knowledge management—
– AutorInnen und Redaktion freuen sich auf Ihre Rückmeldungen: dossier@gfwm.de                                                                                                                                  that is what is missing, and what knowledge workers
                                                                                                                                                                                                                need. It’s all been very exciting and encouraging for
               ICM For Future Knowledge Navi-                 Prof. Michael Spencer (www.sound-strategies.co.uk)                     wenn nun diese Corona Krise überwunden sein sollte, wird we-               an idea that was in development since I started pain-
               gation. by Prof. Leif Edvinsson / Dr.          My response to this article takes a number of different guises,        nig vom möglichen Fortschritt im Elearning übrigbleiben. In den            ting in 2011.
               Astrid Szogs / Günther M. Szogs                I am constantly drawn back to my background, training, and             Kultusbehörden wird meist die falsche Dichotomie ELearning vs                    People like the idea of taking a more balanced,
               - Control And Surrender: The Ambi-             performance practice as a musician. Ultimately, the impact of          Präsenzunterricht betont. Die Argumente für Präsenzunterricht              sustainable approach, and not being so focused on
               guity of Artful Thinking - And Doing           any music making is from the performance itself, not the pro-          müssen die Versäumnisse bei der Nutzung von ELearning de-                  the analytical side of things, especially taking a step
Responses by Prof. Michael Spencer, Prof. Uwe                 cess of preparation. This is not to imply that preparation is wit-     cken. Die Kultusbürokratie ist tatsächlich inkompetent.                    back from technology. Not, that the people, pro-
Beck and Dr. Maik Wagner                                      hout value, in fact it is completely necessary. But it’s activation         Manches Grundsätzliche habt ihr in eurem schönen                      cess, and technology components of KM are going
                                                              in real time, in front of a critical audience, is what crystallises    Beitrag im Dossier für die Gesellschaft für Wissensmanage-                 anywhere, they are still necessary, they’re just not
Introduction by Günther M. Szogs                              and sustains authentic, deep learning for all involved. As El-         ment identifiziert. Die aktuelle Situation ist gut geeignet eure           enough to deal with the constant change and uncer-
(www.leonardo-award.eu)                                       ton John said in a recent Guardian article, “…you can spend            Fragen zu stellen.                                                         tainty we are dealing with now.
In inspiring exchanges Michael Spencer and myself             months in a rehearsal room painstakingly perfecting your craft                                                                                          There has been a curiosity that Radical KM
debated some assumptions and implications of the ar-          and you won’t learn as much about live performance as you              Dr. Maik Wagner (www.wissenskommunikation.eu)                              addresses the question of what’s next for KM? KM
ticle. To kind of summarise some of his thinking Micha-       do in half an hour trying to win over an unfamiliar audience.”         The dilemma that sound knowledge and crying ignorance exist                has largely been unchanged for the last 20+ years.
el provided this link https://youtu.be/JUL8kNYmgsA            If you accept that music, in essence, is a coevolved system            at the same time and at the same place is in an historical per-            Yes, the technology has evolved, but the basic idea
to a conversation with Brian Eno on Exploring Crea-           for social bonding, then participation in the live experience of       spective quite common. Since the age of enlightenment (at                  of knowledge management hasn’t changed at all. In
tivity. Eno describes the creative endeavour as so-           music making could also be considered an act of co-creation.           least) the struggle between these two aspects of the conditio              many cases KM hasn’t lived up to the expectations
mething like a surfer might experience. A constant            In this, both performer and audience fulfil an interactive, fluid,     humana is part of the development of societies. But so far, the            that people had, and Radical KM may address that—
changing role of control and surrender, where one             dual participatory role as ‚part-giver‘ and ‚part-taker’. Lumi-        team knowledge/reason has the upper hand insofar the pro-                  the verdict is still out on that.
tries to command the whole process to perfection              naries such as Nonaka, Mintzberg and Drucker etc., espouse             gress is slow but steady.                                                        I am excited about the prospects of Radical KM
but only to let it go and enjoy the ride down the             the connection between management and artful thinking, par-                  If the impact of ICM and KM is not as it “should” be then            and where it will take us. Like with KM, we’re starting
wave.                                                         ticularly in the domain of practical engagement. So, for me,           the rational (and optimistic) conclusion is that there is still a lot      small and iterating, learning as we go and pivoting as
       This might be the framing of the debate on             this article raises a provocation. After carefully nurturing know-     work/research to do. The intangible side of human being and                we gain new insights.“
„Quo Vadis?“ - with the dimension of focussing on             ledge and learning in theory, at what point, and how, do we            interaction puzzled thinkers quite some centuries. So, the pro-                  The author is looking for case studies to inclu-
command and control (Standbein) and daring imagi-             actually learn from its practical application?                         gress in understanding this intangible side is remarkable since            de in the Radical KM book she is planning to write,
native playfulness (Spielbein) - in parts represented                                                                                it was conceptualised as an economical asset. Together with                so if you’re interested in participa-
in all kinds of IC-Methodologies on one and uncon-            Prof. Uwe Beck (https://www.managerseminare.de/ms_Artikel/             Prof. Hellmanzik we founded the “Institut für Wissensökonomie”             ting, please get in touch
ventional Future Labs and Barcamps on the other               Learntec-Vater-Uwe-Beck-im-Interview-Die-neue-Kongress-Vielfalt-ist-   to understand better “knowledge”, “reason” and (at the intellec-           stephanie@realisation-of-potential.com.
side. Prof. Uwe Beck, together with Prof. Winfried            gut-fuer-den-Mar,192241)                                               tual horizon) “wisdom” as an (socio)economical phenomenon.
Sommer founder of Europe’s most influential fair for          Die vier Enkelkinder wohnen in einer Entfernung von wenigen            At a long shot, a more precise understanding and application of                    ... read the article from page 34
Educational Technology LearnTec, reflects the artic-          hundert Metern. Somit ist Enkelbesuch garantiert. Gelegent-            these concepts in the sub-system of economy could spill-over
le from his supporting role in homeschooling for his          lich darf ich auch Mathe mit ihnen machen. Dabei erlebe ich            to the whole system of society, if, and only
grandkids comparing it with the intentions which led          das Versagen des Schulsystem bzw. die endlose Geschichte               if, these concepts deliver real tangible im-
to LearnTec decades ago.                                      des ELearnings in der Schule. Es gibt manchen engagierten              pacts for companies or cluster of companies.                                watch the video of the #gkc20
                                                                                                                                                                                                                 session with Stephanie Barnes:
       Dr. Maik Wagner offers an optimistic view if we        Lehrer, der Handgestricktes anbietet, der aber letztlich ohne          Let’s try it even if the presence of ignorance
                                                                                                                                                                                                                 „Radical KM - Why Everything
better understand the interplay of intangible and tangi-      Struktur, die von der Kultusbürokratie beigesteuert werden             is sometimes overwhelmingly frustrating.                                    You Know About Working Is Wrong“
ble knowledge assets in their socio-economic impact.          müsste, allein gelassen wird - mindestens seit 20 Jahren. Und                         ... read the article from page 4                             https://www.youtube.com/watch?v=OKWx1GwQmIk

4                                                                                                                                              Wissensmanagement quo vadis? - Kuratiertes Dossier 2/2 - GfWM KnowledgeCamp 2020                                      5
WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
Digitalität und die humane Seite des Wissensma-          management verändern wird“ und „eine                               Vorstellungskraft als Werkzeug -                  Die CoworkLand e.G. setzt sich seit 2019 für
                     nagement. von Angelika Mittelmann                        große Chance zum innovativen Einsatz                               Wissen aus der Zukunft. von So-             Gründungen und Vernetzungen von Coworking
                     Die Autorin über die Rückmeldungen zu ihrem Bei-         von Wissensmanagement“ bietet. Der                                 phie Mirpouroan                             Spaces im ländlichen Raum ein. Die Pandemie und
                     trag: „Nach dem Versenden meines Beitrags war ich        Begriff „Digitalität“ scheint noch relativ                         Die Autorin fasst neue Impulse              das Home Office hat nur verstärkt, dass Menschen
                     sehr neugierig, ob und welche Rückmeldungen aus          unbekannt zu sein und wird des Öfteren                             nach ihrem Beitrag zusammen:                sich fragen, wo sie arbeiten wollen und wie ihr Alltag
                     meinem Freundes- und Fachkreisen kommen wer-             mit „Digitalisierung“ gleichgesetzt bzw.     Wissen als Baumaterial - Bricolage für Vorstel-                   anders sei könnte ohne langes Pendeln und klassi-
den. Ich war überrascht, wie schnell z.T. manche Rückmeldungen ka-            verwechselt. Man ist sich ziemlich sicher,   lungskraft                                                        sche Büros. Auch immer mehr Angestellte entde-
men. In Summe haben mir 23 Personen ein sehr facettenreiches Feed-            dass es mit großen Veränderungen in den      „Ende 2020 hatte ich die Freude als Teil des Dossiers             cken mobiles Arbeite für sich. www.coworkland.de
back zu meinem Artikel gegeben.                                               Organisationen einhergehen wird, was in      GfWM KnowledgeCamp 2020 ein paar Denkanstö-                       (2) Was wäre wenn … verschiedene Bürger*innen
Der Grundtenor ist, was mich sehr freut, dass es ein „hervorragend            der derzeitigen pandemischen Zeit bereits    ße zum Thema Zukünfte, Imagination und Szenarien                  sich im öffentlichen Stadtraum treffen?
geschriebenes Paper“ mit einem „super Titel, der neugierig macht“ sei.        beobachtet werden kann.                      Design einzubringen. Im Anschluss möchte ich Im-                        Die Initiative MITTE stößt ko-kreative Stadtent-
Es sei „auch für Laien sehr angenehm zu lesen und inhaltlich nachvoll-              Der letzte Aspekt, der angespro-       pulse geben, wo wir Wissen sammeln können.                        wicklung in Kiel an der Hörn an – am Treffpunkt zwi-
ziehbar“, eine „schöne, kurze und verständliche Zusammenfassung“,             chen wird, ist das Vertrauen. Hier wird            In der Ausgabe habe ich der Leser*in die Frage              schen West- und Ostufer. Die momentane Baupha-
die „einige Aspekte auf den Punkt bringt“. Einige wollen es als Dialog-       besonders hervorgehoben die Thematik         gestellt: Was ist unsere wünschenswerte Zukunft?                  se soll genutzt werden um einen öffentlichen Raum
grundlage verwenden und in Besprechungen bzw. Seminaren zitieren.             „digitale Identitäten“ und visuelle Kon-           Bei dem Anthropologen Lévi-Strauss ist Brico-               zum Mitgestalten zu schaffen. Dafür entwickelt die
      Inhaltlich wird der Aspekt „human-digital“ am häufigsten aufge-         trolle sowie die spannende Frage, ob         lage ein Begriff, der beschreibt, das zu nutzen, das              Initiative neue Methoden die das Miteinander von
griffen. Hier spannt sich der Bogen der Rückmeldungen vom „in Ba-             „eine KI einem Menschen bzw. einer           da ist um etwas zu bauen – im Gegensatz dazu zu                   verschiedene Bevölkerungsgruppen ins Zentrum
lance bringen der humanen und Technik-Seite“ über mehr Klarheit zum           anderen KI vertrauen kann“. An dieser        planen und dann notwendiges Materialien zu be-                    stellen. www.mittekiel.de/
Spannungsfeld zwischen „humanen und digitalen Elementen“ bis zur              Frage zeigt sich, wie wenig vertraut die     schaffen. Auch um uns die Zukunft vorzustellen und                (3) Was wäre wenn … wir Essen als inklusiven
„Synthese der digitalen und realen Wirklichkeit als mächtiges Werk-           Allgemeinheit        mit                     für eine wünschenswerte Version zu entscheiden,                   Treffpunkt neudenken?
zeug“. Der Aspekt „Intuition“ erscheint einigen besonders wichtig als         dem Thema „Digita-                           brauchen wir erstmal Inspiration und „Baumaterial“.                     Das Kreativzentrum Anscharcampus ist ein
menschliches Gegengewicht in einer von Cyber-Systemen durchdrun-              lität“ allgemein und                         Dazu lohnt es sich im Jetzt umzuschauen und zu                    Lernlabor für Zukunftsgestaltung. Das letzte Jahr
genen Welt.                                                                   mit „KI“ im Besonde-                         sehen, was sich sammeln lässt. Sogenannte Weak                    hat die Gastronomie vor große Herausforderungen
      Im Hinblick auf „Digitalisierung/Digitalität“ sind sich einige Exper-   ren ist.“ ... den Bei-                       Signals von möglichen Zukünfte liegen schon überall               gestellt. Gleichzeitig wird umso klarer: Essen ist
tInnen aus dem Fachpublikum einig, dass sich „einiges im Wissens-             trag lesen ab Seite 10                       verteilt.                                                         unersetzlicher Treffpunkt für Zusammensein und
                                                                                                                           (1) „Was wäre wenn …“ - Dreimal Baumaterial für                   Austausch. In einem neuartigen Konzept mit Gas-
                                                                                                                           Vorstellungskraft                                                 tronomie und offenen Werkstät-
                  Wenn es ums Wissen geht,                 sionen von Wissen konzentriert. Der Resonanzbo-                       Es viele Projekte, die unsere Fantasie ankurbeln kön-       ten wird ein denkmalgeschütztes
                  braucht man Geschichten. von             den für neue Denkmodelle im Umgang mit Wissen                   nen. Hier sind ein paar Fundstücke aus meinem Umfeld:             Gebäude transformiert.
                  Christine Erlach                         und Organisationen wächst konstant: die Zukunft                       Was wäre wenn … wir da arbeiten können, wo                  www.anscharcampus.de/haeuser/haus-15
                  Die Reaktionen reihen sich in ei-        gilt der Frage, welche impliziten Narrative Wissen              wir leben wollen statt wo unsere Arbeit ist?                      ... den Beitrag lesen ab Seite 38
                  nen allgemein zu beobachtenden           formen und Sinn konstruieren – denn digitale Tech-
                  Tenor ein: Management-Modelle,           nologien und KI werden uns immer selbstverständ-
die auf Narrativen rund um Planbarkeit und Mess-           licher in der Organisation des expliziten Wissens
barkeit fußen, sind angesichts des Tempos an Ver-          unterstützen. Doch nur der Mensch kann das kom-
änderungen der Umwelt nicht mehr tragfähig. Die            plexe Wesen von „Wissen“ in seiner Ganzheitlich-                #gkc20 – Videos von weiteren Sessions
Rückmeldungen sind sich weitestgehend einig in             keit in sich tragen und nutzbar machen. Der Mensch
der Beobachtung, dass der Umgang mit der Res-              wiederum bedient sich narrativer Strukturen, um                 Simon Dückert
source Wissen in Organisationen einen Paradig-             all seine Erfahrungen abzuspeichern und zu erin-                „Wissensmanagement 2040 - Ask Me Anything zu meinem gkc20
menwechsel erlebt: immer öfter wird anerkannt,             nern. Erfahrungen sind die Quelle all unseres Wis-              Dossier Artikel“ https://www.youtube.com/watch?v=KouxeHIxZs0
dass das Wesen von „Wissen“ sich den Versuchen,            sens. Es ist also nur noch ein Katzensprung zu der
es zu „managen“, in großen Teilen entzieht; mehr           Schlussfolgerung, dass die Zukunft im Wissensma-                Prof. Peter Heisig und Johannes Hercher
und mehr wird dem implizitem Erfahrungswissen              nagement den Narrativen und                                     „Vertrauen schaffen in virtuellen Teams“
Beachtung geschenkt.                                       Narrationen in Organisationen                                   https://www.youtube.com/watch?v=2V3s2S5w58U
     Daher bestätigen die Reaktionen auf den Bei-          weit mehr Beachtung schenken
trag dessen Kerngedanken: die Querschnittsdiszip-          wird, als dies noch vor wenigen                                 #WMOOC Live Session von Christine Erlach auf dem #gkc20
lin Wissensmanagement wird sich nicht behaupten            Jahren denkbar gewesen wäre.                                    „Wie trotz digitaler Zusammenarbeit Wissen ins Fließen kommt und Kreati-
können, wenn sie sich nur auf die expliziten Dimen-        ... den Beitrag lesen ab Seite 48                               vität entstehen kann“ https://www.youtube.com/watch?v=xL96I35olZM

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
Die Einladung von Andreas Matern öffnete eine bereits sichtbare Türe, der konkrete Termin
GfWM KnowledgeCamp                      und die Verbindung mit dem GfWM KnowledgeCamp brachten Fokus und Aktivierungs-

Reflexion des kuratierten Tracks 2020   energie, von der Idee auch zur Tat zu schreiten. Internationalisierung und Vertiefung im
                                        Zugang zu Wissensmanagement und zu seinen Teil- und Nachbardisziplinen – was darf

– Wissensmanagement Quo Vadis           man sich mehr wünschen? Das Programm war relativ schnell entwickelt, die Zusagen der
                                        Vortragenden gewonnen, die technische Unterstützung gegeben. Danke an alle, die hierzu
                                        regelmäßig und verlässlich im Hintergrund wirken!
                                             Die folgenden Zeilen bauen auf den Überlegungen und Thesen der Vortragenden,
Dr. Manfred Bornemann
                                        interpretiert und zusammengefasst durch den Autor. Der weitere Kontext findet sich auf der
                                        Startseite zum Kuratierten Track: https://www.gfwm.de/gfwm-track-2020/

                                                                                Ein persönlicher Rückblick auf 20 Jahre GfWM
                                                                                durch Ulrich Schmidt

                                                                                Zu Beginn seiner Karriere war der Begriff noch nicht so bekannt. Betty
                                                                                Zucker, Christoph Schmitz und Josef Hofer Alfeis waren unter den ers-
                                                                                ten „Evangelisten“ zum Thema. Die Professoren Klaus North und Peter
                                                                                Pawlowsky waren die Gründungspräsidenten der GfWM mit klar akademi-
                                                                                schem Fokus auf Berufsbilder, Ausbildung und formale Begründung des
                                                                                neuen Themas. Mit Jörg Weber und weiteren Akteuren aus dem Rhein-
                                                                                Main-Gebiet wurde der erste Wissensmanagement-Stammtisch gegrün-
                                                                                det. Die Idee der Stammtische wurde aufbauend auf die in Frankfurt zu-
                                                                                nehmend stabilere Community bald ausgerollt. Stefan Zillich hatte damals
                                                                                die Idee zum Newsletter, Michael Tobaden und Jürgen Gimmel bildeten
                                                                                den Kern einer agilen Community!

                                                                                Prägende Entwicklungen

                                                                                Bei der GfWM Mitgliederversammlung 2004 hat dieser Kreis dann auch
                                                                                mehr eingefordert, Ulrich Schmidt wurde gemeinsam mit Simon Dückert
                                                                                zum Vorstand eingeladen. Sie versuchten nun, die GfWM auf stabile Beine
                                                                                zu stellen, monatliche Telefonkonferenzen wurden genauso etabliert, wie
                                                                                ein vereinfachter Mitgliederbeitrittsprozess. Durch das Engagement der
                                                                                Mitglieder lebt die GfWM und entwickelte langsam das erste DACH - WM
                                                                                Glossar. Damals entwickelte Ulrich auch die Abkürzung GfWM, bis dahin
                                                                                sprachen alle von GfW, der ursprüngliche Name war „Gesellschaft für Wis-
                                                                                sens-Management (mit Bindestrich)“. Damals wurde das Logo umbenannt
                                                                                und das existiert heute noch.
                                                                                     Weitere Vorstandsideen wurden insbesondere mit Simon Dückert be-
                                                                                arbeitet:
                                                                                •    Wir wollen der zentrale Anlaufpunkt für Wissensmanagement in DE
                                                                                     sein. Wir sind da auf einem guten Weg.
                                                                                •    Wir wollten eine robuste Organisation auf Basis des Ehrenamtes und

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
ohne dominante Sponsoren aufstellen. Im Rückblick stellte sich dieser Zugang als                                                  werden wir langfristig reproduzierbar hohe Produktivität durch Wissens-
     stabil heraus.                                                                                                                    management liefern können.
 •   Simon und Ulrich war noch wichtig, die GfWM zum Heimathafen für „Gestrandete“                                                         Und in diese Richtung stellt Anders Örtenblad schwierige Fragen zum
     zu machen. Viele der zwischenzeitlich aktiven Gruppen gibt es so heute nicht mehr:                                                Thema Lernende Organisation.
     den Arbeitskreis Wissensmanagement Karlsruhe (von 1998), Arbeitskreis Knowledge
     Management, die Community of Knowledge gibt es noch als Website, aber nicht ak-
     tiv (Steffen Doberstein), die Plattform Wissensmanagement in Österreich, der VDI                                                  Lernende Organisation
     Fachausschuss Wissensmanagement (wurde aber nie aktiv aufgelöst). Diese Com-
     munities gingen verloren und die Personen haben sich der GfWM zugewandt. Das                                                      Anders Örtenblad ist der Herausgeber von TLO oder „The Learning Orga-
     gilt analog auch auf der Ebene von Tagungen und Konferenzen: die KnowTech, die                                                    nization“, die sich unter anderem über diese LinkedIn Gruppe organisiert
     Karlsruher Wissensmanagement Tage, die ProWM in Potsdam und andere finden                                                         https://www.linkedin.com/groups/13500763/. Seine Geschichte erzählte er wie folgt:
     nicht mehr oder nur noch unregelmäßig statt. Das KnowledgeCamp ist nun das zen-
     trale Event zum Thema Wissensmanagement in DACH.                                                                                  Unklare Definitionen

     Seit Ende des Jahrtausends herrschte Goldgräberstimmung. Das ging bis 9/11 im                                                    „Ich las sehr viel über L.O. und verstand es nicht. Was ist eine lernende Or-
Jahr 2001. Es gab Firmen mit 50 Wissensmanagern und zahlreichen Tools. Ab 9/11 wurde                                                   ganisation? Es ist wichtig, ausbaufähige Ideen von L.O. und KM und BPR
das wieder platt gemacht, es folgten der Wiki Hype, dann der Social Media Hype und nun                                                 anzupassen, um den Kontext zu verstehen. Aber ist wirklich alles davon
eben ISO 30401.                                                                                                                        relevant? Dem Konzept von L.O. fehlt eine klare Definition!
                                                                                                                                            Viele Organisationen (unabhängig ob privat / öffentlich / for-profit
Die Zukunft zum Thema Wissensmanagement                                                                                                oder NPO) wollen als „lernende Organisationen“ erscheinen. Wer aber
                                                                                                                                       kann wirklich sagen, dass sie es NICHT sind?
„Wir leben jetzt in einer Zeit, die professionellstes Wissensmanagement erfordert. Die Kri-                                                 Es gibt einen Missbrauch des Begriffs L.O. Ist es schon genug, das
 se zeigt auch die Schwächen und das Dilemma, dass Verständnis für gutes Wissens-                                                      Konzept für sich zu beanspruchen? Dann können „alle“ Organisationen
 management nicht weit verbreitet ist. Mir fehlt der ganzheitliche Ansatz - am Ende wird                                               behaupten, dass sie L.O. sind, und das Konzept würde schnell bedeu-
 immer von Informationen gesprochen - das ist wichtig - aber nicht alles! Wissen =/= In-                                               tungslos.
 formation. Wissen ist das Ergebnis eines individuellen Lernprozesses. Für mich ist wich-                                                   Um sich dagegen abzugrenzen, ist eine klare Definition notwendig.
 tig die Interpretation. Wir haben viele Informationen - Es wird fälschlich behauptet, das                                             Und sie muss anspruchsvoll sein. Wenn wir eine anspruchsvolle Definition
 Wissen der Welt wäre im Internet. Das aber sind nur Informationen. Und das muss inter-                                                formulieren, dann können „neue“ Organisationen nach dieser Definition
 pretiert werden. Die Interpretation hängt ab von Ausbildung und Intelligenz, Erfahrung.                                               beanspruchen, eine Lernende Organisation zu sein. Aber das schafft neue
 Das Beispiel der „Kochrezepte“ macht klar: Auch wenn alle die gleichen Zutaten haben,                                                 Probleme, da möglicherweise nicht alles (aus dieser Definition) für jede
 schmeckt es eben nicht bei jedem Koch gleich! Das ist profan, bei komplexeren Dingen                                                  Organisation relevant ist.“
 gibt es noch viel mehr Interpretationsspielraum. Was wir aktuell an globalen Nachrichten                                                   Anders diskutierte in seinem Vortrag mehrere Kriterien, die eine ler-
 sehen, wie Menschen Verschwörungstheorien interpretieren, kann eine Gefahr für unse-                                                  nende Organisation erfüllen soll. Ein Kriterium könnte sein: „Lernende Or-
 ren Fortschritt sein. Kluges Wissensmanagement hat uns als Menschheit dazu gemacht,                                                   ganisationen haben ein positives Lernklima.“ Er stellt es aber sofort wieder
 was wir sind. Und ermöglicht, dass wir ein Camp auch digital machen können.“                                                          in Frage: „Mitarbeiter (eines Produktionsunternehmens) werden ermutigt,
       Am Beispiel der „Erörterung“ erklärt Ulrich seinen Zugang zum Wissensmanage-                                                    aus Experimenten zu lernen. Aber wie relevant ist das für ein Krankenhaus
 ment: „Im Nachhinein habe ich verstanden, wie wertvoll dieses Werkzeug aus der Schul-                                                 oder für eine Schule?“
 zeit ist, wie wichtig die Anwendung des dialektischen Prinzips These - Antithese - Synthe-                                                 Ein weiteres Kriterium könnte sein: „Eine L.O. ist eine dezentralisierte
 se ist. Das gilt auch für die Wissenschaft - sonst ist das Wasser auf den Mühlen jener, die                                           Organisation.“ Wenn das so ist, sollte dann der Staat Deutschland, Öster-
„das System“ kritisieren. Es darf nicht manipuliert werden. Man kann Verantwortung nicht                                               reich, Schweden ... dezentralisiert werden? Anders verneint diese Implikation.
 delegieren - ich muss das selber tun! Da sind wir gefordert, diese dialektischen Prinzipi-
 en anzuwenden und zu hinterfragen. Es braucht Neutralität, es darf keine Zensur geben.                                               „Wir können die Dezentralisierung
 Sonst führt das zur Verdummung. Und dann würde der Fortschritt, den wir in den letzten                                                nicht von JEDER Organisation fordern!“
 20 Jahren, seit es die GfWM gibt, zum Rückschritt.“
       Diesen Hinweis zur Methode, zur Präsentation einer These, Suche nach Argumenten                                                 Anders fordert: „Wir müssen industrie-spezifische Standards schaffen, ba-
 für als auch gegen diese Aussagen, die kritische Prüfung und Suche nach besseren Ant-                                                 sierend auf umfassenden und anspruchsvollen Definitionen, aber vor al-
 worten soll auch für die weitere Arbeit in der GfWM eine Leitlinie sein. Wer möchte, findet                                           lem mit unterschiedlichen Merkmalen. Ein Krankenhaus ist anders als ein
 hier das Video https://www.youtube.com/watch?v=_vcdpxcRYcA im Wortlaut - nur so                                                       Autohersteller. Wenn wir diese Industrie-spezifischen Standards haben,

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
könnten wir sie suchen und nach relevanten Anforderungen an eine                               Örtenblad extrem relevant. Schaffen wir ein allgemeingültiges und doch „anspruchsvol-
spezifische Organisation fragen. Davon sind wir noch weit entfernt!“.                          les“ Standardformat für Wissensmanagement (in KMU oder Verwaltungen oder …), oder
Die Suche nach Antworten geht aktuell weiter – und neue Wege: „Was                             gelingt es nur mit branchenspezifischen Ansätzen, Relevanz zu schaffen? In den aktuellen
etwa könnten L.O. Kriterien für einen Kindergarten sein? In Norwegen                           Arbeiten wird zumindest der kollaborative Weg, die Zusammenarbeit von Forschern und
ist das aktuell eine große Sache, weshalb auch alle mitmachen müs-                             Praktikern, beschritten, auch wenn der Dialog dadurch keineswegs einfacher wird.
sen. Was können wir von einem Kindergarten verlangen, der ein ler-                                  Ebenfalls aus einer akademischen Perspektive und ebenfalls mit einem historischen
nender Kindergarten werden will?“                                                              Kontext berichtet Veronica Scuotto über Entwicklungen im Intellektuellen Kapital und bei
     Anders Örtenblad hat viele verschiedene Definitionen und Kon-                             der Künstlichen Intelligenz.
texte für L.O. gefunden:
 •   Lernen am Arbeitsplatz
 •   Klima zum Lernen                                                                           Künstliche Intelligenz im Wissensmanagement
 •   Organisatorisches Lernen                                                                   und das Management von Intellektuellem Kapital
 •   Lernstruktur
                                                                                               Veronica Scuotto arbeitet nach fünf erfolgreichen Jahren in Großbritannien an der Univer-
Er schlägt vor, dass Forscher diese Definitionen verwenden und die                             sity Glasgow and an der Business School Paris nun wieder an der University of Turin in
Aspekte und Teilaspekte untersuchen, um die Relevanz für „lernende                             Italien. Neben ihren Aktivitäten als Redaktionsassistentin von JIC (Journal of Intellectual
Kindergärten“ zu überprüfen.                                                                   Capital) und JKM (Journal for Knowledge Management) ist sie auch aktiv als Mentorin bei
                                                                                               Techstarts Smart Mobilty.
Was bedeutet etwa „Lernen am Arbeitsplatz“?
                                                                                                Das Journal of Intellectual Capital - JIC wurde im Jahr 2000 gegründet. Dieses Journal kon-
Es bedeutet, dass wir ohne formale Kurse Schwierigkeiten haben zu ler-                          zentrierte sich zunächst auf „Accounting“, verlagerte den Schwerpunkt aber zunehmend
nen WARUM wir lernen, was wir lernen. Im Kindergarten aber zeigen wir                           auf Business und Management. Erst vor wenigen Wochen teilte Leif Edvinsson eine aktu-
informell, wie man Dinge besser macht. Formal entsteht nun ein Problem.                         alisierte Grafik (https://www.visualcapitalist.com/the-soaring-value-of-intangible-assets-in-the-sp-500/)
      Wenn wir aber diese Forderung des „formalen Lernens“ aufgeben,                            zum nach wie vor steigenden Anteil von immateriellen Vermögenswerten am Unterneh-
haben wir schon wieder ein Problem: Damit Buchhalter autorisierte                               menswert, die seit Jahren zur Legitimation des gesamten Themas herangezogen wird .
(geprüfte) Buchhalter werden können, müssen sie einige Kurse bele-                              Die Botschaft ist klar: Wissen und Intangible Assets werden relevanter.
gen. Wir können von Steuerberatern eben nicht fordern, das formale                                    Das zeigt sich auch am verbesserten Impact-Faktor des JIC. Das Interesse unter
Lernen zu überspringen!                                                                         den Studenten steigt, ebenso wie die Zahl von Zitaten von Studien über Intellektuelles
      Ähnliche Punkte lassen sich für die weiteren Anforderungen einer                          Kapital. Historisch wurde das Thema in der Praxis bearbeitet, und erst ab 2000 wurden
Lernenden Organisation anführen wie das „Klima für Lernen“ (das muss                            neue Theorien veröffentlicht, unter anderen auch von Leif Edvinsson. Nach seiner Defi-
im Detail untersucht werden ...), „Organisatorisches Lernen“ (Wissen                            nition setzt sich das Intellektuelle Kapital zusammen aus Humankapital, Beziehungska-
wird außerhalb von Einzelpersonen in lernfähigen Strukturen oder in                             pital und Struktur- oder Organisationskapital. Es gibt auch einen Zusammenhang zwi-
teambasierten Strukturen gespeichert) oder für „lernfähige Strukturen“                          schen Wissensentwicklung und Wissensanwendung, die Begriffe laufen parallel.
(in teambasierten Strukturen hat beispielsweise jeder die Aufgaben                                    Der Unterschied zwischen Intellektuellem Kapital und Wissensmanagement ist
aller anderen ebenfalls gelernt und kann ihnen helfen, vielleicht so-                           nicht so klar. Es wäre vermutlich sehr interessant, einen Artikel zu verfassen, der die
gar sie ganz zu ersetzen (Redundanz)). Auch die Themen „dezentrale                              Verbindung definiert. IK ist mit Innovation verbunden, IK ist damit eine gemeinsame
Strukturen“ oder „flache Strukturen“ könnten in bestimmten Branchen                             Fähigkeit, neue Ideen zu generieren. Innovation ist mit Unternehmertum verbunden. In
relevant sein.                                                                                  den letzten Jahren wird das Thema zunehmend in den „emerging economies“ aufge-
      Um nun eine Antwort auf die Frage zu finden, was eine Ler-                                griffen und zeigt damit auch eine regionale Verlagerung. In einer neuen Sonderausgabe
nende Organisation ausmacht, schlägt Örtenblad vor, diese ver-                                  wird über die Entwicklung des Intellektuellen Kapitals während der letzten 20 Jahre
schiedenen Dimensionen auf einem anspruchsvollen, bran-                                         berichtet.
chenspezifischen Niveau zu definieren (zu kalibrieren). Forscher
und Praktiker sollen beginnen, Vorschläge für diese Standards                                       Veronica berichtet unter anderem über eine Clusteranalyse über die Artikel des
auszuarbeiten. Der gesamte Vortrag liegt auch als Video vor.                                   JIC der letzten Jahre, die spannende Aussagen über die Entwicklung und Interpreta-
https://www.youtube.com/watch?v=lKF1fwp7wks .                                                  tion des Themas in unterschiedlichen Regionen erlaubt. Hier zeigt sich übrigens, wie
                                                                                               unterschiedlich auch von Spezialisten über ein „gemeinsames Thema“ gedacht und ge-
Mit Bezug zu den aktuellen Bemühungen der GfWM im Kontext                                      schrieben wird – vielleicht als Analogie über Wissen oder Kompetenzen in Unterneh-
ISO 30401 und DIN SPC 91443 sind diese Aussagen von Anders

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
men. Die vielen Details dazu sind übrigens auch im Video zu ihrem Vortrag gut sichtbar                                                           Um das zu konkretisieren, erläutert er den Begriff Führung. „Was
https://www.youtube.com/watch?v=zqSuzRo4GrM.                                                                                               ist Führung? In einer komplexen Welt kann eine Führungskraft die Welt
                                                                                                                                           nicht vollständig verstehen. Führung im Kontext der konversationellen
Einer der Fixsterne in der Welt des Wissensmanagement ist David Gurteen, der mit seinen                                                    Führung ist eine Praxis. Jeder kann sich entscheiden, Führung zu prak-
regelmäßigen Newslettern konsequent das Thema der Interaktion von Menschen bearbei-                                                        tizieren. Das ist der Schlüssel! Führung wird für jeden verfügbar, wenn
tet. Seine Methode „Knowledge Cafe“ wird weltweit genutzt. Die Reflexion seiner Erfah-                                                     sie sich leidenschaftlich kümmern und Menschen mobilisieren.“
rungen war die Überschrift zu seiner Einladung und Bitte, auch im Kontext des kuratierten                                                        Wir tragen eine kollektive Verantwortung für die globalen Zustände,
Tracks beizutragen. Weitere Hintergründe finden sich bei http://www.gurteen.com/ .                                                         die wir beeinflussen und die uns beeinflussen. Wir werden diese Ver-
      Eine seiner zentralen Botschaften ist, die Herausforderungen aus einer komplexeren                                                   änderungen nicht auf der Grundlage einer autoritätsbasierten Führung
Welt durch eine neue, gesprächsbasierte Form von Führung zu lösen, wobei der zentrale                                                      vornehmen, sondern wenn wir gemeinsam mit jedem anderen die Füh-
Unterschied zu „früher“ ist, dass sich daran auch „jeder“ beteiligen kann.                                                                 rungsrolle übernehmen.

                                                                                                                                           KONVERSATION
Das Konzept der Gesprächsführung
                                                                                                                                           Konversation oder auch Gesprächsführung ist ein ziemlich mächtiges
 Die explizite Absicht von David Gurteen war es, in seinem Beitrag Konversation und Füh-                                                   Werkzeug, das uns laut Gurteen von Tieren unterscheidet. Hier sieht
 rung zu verbinden. Das hat nach seiner Auffassung unmittelbar mit Komplexität zu tun:                                                     er auch die Priorität in einer komplexen Welt und fordert: „Wir müssen
„Wir leben in einer hyper-vernetzten, komplexen Welt. Die Welt hat sich in den letzten 20                                                  die Welt besser verstehen. Wir müssen unsere Entscheidungsfindung
 Jahren phänomenal verändert. Die Veränderung ist beispiellos. Unsere Welt ist ein besserer                                                verbessern. Wir müssen unsere Fähigkeit verbessern, andere Men-
 Ort zum Leben, als sie es jemals war! Auch wenn es viele Ebenen und viele Bedrohungen                                                     schen zu beeinflussen und zu handeln. Wir müssen herausfinden,
 gibt, könnte sie ein viel besserer Ort sein! Lasst uns eine bessere Welt schaffen!“                                                       wie wir besser zusammenleben und arbeiten können.
                                                                                                                                                Wissensmanagement sollte uns dabei helfen, mehr zu wissen. Es
David findet mehrere Ansatzpunkte, warum unsere Welt hypervernetzt ist:                                                                    sollte darum gehen, uns (selbst) zu helfen, zu verstehen! Auch zu die-
•   es ist nicht nur das Internet, unsere Lieferketten, die Produktion in China. Wir haben                                                 sem Input gibt es eine Videoaufzeichnung „An Introduction to Conversa-
    ein riesiges digitales Netzwerk.                                                                                                       tional Leadership“ https://www.youtube.com/watch?v=mMb2FNe-cv4
•   Mit der Konnektivität kommt die Komplexität. Unsere Welt ist komplex.                                                                        Außerdem das Video zum Vortrag von David Gurteen „We Are
•   Wir leben in einer VUCA-Welt: volatil, unberechenbar, komplex, mehrdeutig.                                                             Not Enemies, But Friends“ https://www.youtube.com/watch?v=ZIyt5Ei1mGA

     „Ein komplexes System ist nicht dasselbe wie ein kompliziertes System! Mit der                                                        Diese Aufforderung von David Gurteen an uns alle, Führung auch
Komplexität kommt die Unvorhersehbarkeit. Man kann die Folgen seines Handelns nie ge-                                                      selbst als Anliegen und Aufgabe zu übernehmen trage ich selbst voll
nau vorhersagen. Wir müssen mit unbeabsichtigten und unvorhersehbaren Konsequenzen                                                         und ganz mit. Auch im Kontext der GfWM brauchen wir diese Form
leben.“                                                                                                                                    des Engagements, der Interaktion und der Führung. Gespräche und
      David springt zurück ins 18. und 19. Jahrhundert ins Zeitalter der Dampfmaschinen.                                                   Dialoge als Format eignen sich dazu und sollen daher auch in den fol-
An die Folgen des Kohlendioxids in der Welt haben wir damals nicht gedacht. Und seither                                                    genden Monaten und vielleicht Jahren noch mehr in den Vordergrund
hat sich vieles geändert.                                                                                                                  rücken. Es liegt an uns allen.
      Was sich laut David NICHT geändert hat, ist der Mensch. „Der Mensch ist komplex.
                                                                                                                                                                                   Ihre Rückmeldung zu diesem Beitrag
Er ist das komplizierteste System im Universum. Die Art und Weise, wie wir interagieren, ist                                                                                                       an Autor und Redaktion
sogar noch komplexer. Wir versuchen aber immer noch, auf traditionelle Weise zu planen                                                                                                                  dossier@gfwm.de
und zu steuern, was im Grunde genommen nicht mehr funktioniert. Wir verstehen die Kom-
plexität nicht.“

Führung in unserer komplexen Welt
                                                                                                                 Dr. Manfred Bornemann arbeitet zu den Themen Wissensmanagement, Change Management, lernende Or-
Als Werkzeug, über die Welt zu denken und sie hoffentlich in eine produktivere Richtung zu                       ganisation, Innovation und Wirtschaftsethik als Unternehmensberater in seinem eigenen Unternehmen. Als
bringen, schlägt Gurteen Conversational Leadership vor: „Bei Conversational Leadership                           Präsident der Gesellschaft für Wissensmanagement treibt er aktuell besonders die Fertigstellung eines Wis-
geht es darum, die außerordentliche, aber noch zu wenig genutzte Kraft der Konversation                          sensmanagement Standards 91443 für KMU.
zu schätzen und zu erkennen, dass wir alle Leadership praktizieren und einen konversatio-
nellen Ansatz für die Art und Weise wählen können, wie wir zusammen leben und arbeiten.“                         Abbildung Seite 1 im Beitrag: pixabay.com

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WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
Wissensmanagement und                 In Ihrem Beitrag „ICM for Future Knowledge Navigati-              lungsimplikationen könnte sehr wohl, ein verlässli-

     Intellectual Capital Management
                                           on“ fragen Leif Edvinsson, Astrid Szogs und Günther               ches Navigationsinstrument sein.
                                           Szogs mit Blick auf die mangelhafte Krisenbewälti-                      Es geht dabei also weniger um die Methoden der

     – Unde venis – quo vadis?
                                           gung und unzureichendes Katastrophenmanage-                       Erkenntnisgewinnung und deren Navigation (WM/
                                           ment der letzten Jahrzehnte, warum das ICM - das                  ICM) als vielmehr um die Frage nach den Navigati-
                                           Management von intellektuellem Kapital - neben we-                onszielen. Etwas polarisierend gefragt: Geht es um
     Univ.-Prof. Dr. Peter Pawlowsky (1)   nigen positiven Entwicklungen keinen ganzheitliche-               individualisierte ökonomische Nutzenmaximierung
                                           ren gesellschaftlichen Lernerfolg zeitigt. Als Orien-             und/oder um existentielle Gemeinwesengestaltung,
                                           tierungsrahmen gesellschaftlichen Lernerfolges wird               die unser Zusammenleben in Zukunft ermöglicht?
                                           Jacques Delors‘ UNESCO-Ansatz des lebenslangen                    Obwohl so mancher klassische Ökonom theoretisch
                                           Lernens herangezogen. In diesem Ansatz wird ver-                  hier keinen Wiederspruch sieht, erkennen wir zuneh-
                                           sucht, den Stand des Lernens in den verschiedenen                 mend, das aus Adam Smiths unsichtbarer Hand ein
                                           Lebensphasen, sozusagen „von der Wiege bis zur                    versteckter Pferdefuß (3) geworden ist, das die indi-
                                           Bahre“ und in den verschiedenen Lernumgebungen                    viduelle Nutzenmaximierung nicht zwangsläufig, ge-
                                           Schule, Gemeinschaft, Arbeitsplatz und Privatleben                steuert durch die unsichtbare Hand zum Wohle der
                                           im Hinblick auf die nachfolgenden vier Dimensionen                Allgemeinheit beiträgt, sondern deren Grundlage zu
                                           zu erfassen: (1) Lernen, zusammen zu leben, (2) Ler-              erodieren droht.
                                           nen, Wissen zu erwerben, (3) Lernen, das Leben zu                       Genau hier stellt sich die Frage nach den bishe-
                                           gestalten und (4) Lernen zu handeln. So werden von                rigen Zielen des Wissen- und Intellectual Capital Ma-
                                           den Autoren u.a. die bislang ungelösten gesellschaft-             nagements. Historisch geht es im ICM und im WM
                                           lichen Transformationsthemen – Klima Krise, Mobili-               um die Überlebensfähigkeit und den Wert von Or-
                                           tätskonzepte, Digitalisierung, Pandemiebewältigung                ganisationen. WM und ICM wurden als Instrumente
                                           als Indiz angeführt, dass die gesellschaftliche Wis-              entwickelt um strategische Ziele und ökonomische
                                           sensaneignung und –nutzung auf der Grundlage                      Erfolge zu generieren und Risiken zu minimieren. Der
                                           eines Intellectual Capital Managements suboptimal                 ICM Pionier Leif Edvinsson hat vom Skandia Vor-
                                           erfolge, da es sich um „subprime knowledge“ han-                  stand 1978 den Auftrag bekommen, die versteck-
                                           delt und die Bildungsinstitutionen die drängenden                 ten Werte (Hidden Assets) ausfindig zu machen,
                                           Themen der Lebensgestaltung weder an die Her-                     um risikogerechte Unternehmensbewertungen vor-
                                           ausforderungen der Gegenwart anpassen, noch ent-                  zunehmen und damit rechtlichen Klagen aufgrund
                                           sprechende Handlungskonsequenzen bewirken.                        versteckter Unternehmenswerte vorzubeugen. Dar-
                                                 In der Tat, bewertet man das Intellectual Capital           aus ist dann der Skandia Navigator als Blaupause
                                           Management (ICM) und Wissensmanagement (WM)                       des ICM entstanden. Auch in den Geburtsstunden
                                           vor dem Hintergrund der Blaupause gesellschaftli-                 des Wissensmanagements sehen wir klare Motive:
                                           cher Erkenntnis- und Fortschrittsfähigkeit (hier ein-             So hat der schwedische Ökonom Westermann be-
                                           mal abgesehen von der Wertpluralität des Konzep-                  reits Mitte des 18. Jahrhunderts beobachtet, dass
                                           tes), mag die Bestandsaufname ernüchternd sein                    die Leistungsfähigkeit des schwedischen Schiffbaus
                                           und eher Unwissen (2) als Wissen widerspiegeln.                   weit hinter der Leistungsfähigkeit von Holland und
                                           Aber können wir das ICM mit Maßstäben der Aufklä-                 England zurückgeblieben war. Er führte dies auf ein
                                           rung bewerten und handlungsrelevante Einsichten                   Defizit an „industrial knowledge“ zurück. Industrielles
                                           und politischen Willen einfordern, wo Dilemmata und               Wissen bezeichnete er als Fähigkeit zur Organisation
                                           Paradoxien existieren, die die Wissenschaft, eben-                der Arbeit und als Kenntnisse im Umgang mit neu-
                                           sowenig wie die Politik bisher aufzulösen vermögen?
                                                 Wissensmanagement und ICM sind nicht „ge-
                                                                                                             (1) Univ.-Prof. Dr. Peter Pawlowsky: www.personalundfuehrung.com
                                           boren“ worden, um das Licht der Erkenntnis in der                 (2) Im Artikel wird der englische Begriff „Ignorance“ im Sinne des
                                           dunklen Welt der Ignoranz zu verbreiten. Aber der                 „Nichtwissens“ verwendet. Ignoranz im deutschen impliziert aber
                                                                                                             die „willentliche Nichtbeachtung von Erkenntnissen“ und etikettiert
                                           wissenschaftlich begründete Dialog der Wahrheits-                 das Subjekt als nicht lernfähig. Ursula Schneider (2006) hat in Ihrem
                                                                                                             Buch „Das Management der Ignoranz“ bewußt auf das Erkennen
                                           findung mit kritischen evidenzbasierten Methoden                  des Nichtwissens abgezielt
                                           und den daraus abzuleitenden vorläufigen Hand-                    (3) Ich danke Michael v. Klipstein für diese Formulierung

16                                         Wissensmanagement quo vadis? - Kuratiertes Dossier 2/2 - GfWM KnowledgeCamp 2020                                                   17
WISSENSMANAGEMENT - MÄRZ 2021 - GFWM
en Maschinen (vgl. Eliasson et al. 1987). Ähnlich ist   Mind (Sandelands, Stablein 1987), organisationale         sich hier im Kern auch um Optimierungsaufgaben                        schäftsprozessorientierte Wissensmanagement weiter
auch in neuen Ansätzen des Wissensmanagements           Handlungstheorie (Argyris 1964), organisationale          im traditionellen betriebswirtschaftlichen Sinne. Ent-                (Bullinger et al. 1998; Finke, Orth et al. 2006).
die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation, in der       Intelligenz (Wilensky 1967, Oberschulte 1994), or-        scheidend bei diesen Modellen war aber die neue                             Auch in deutschen Großunternehmen wur-
Regel des Unternehmens, die treibende Erkenntnis        ganisationaler Referenzrahmen (Shrivastava, Mitroff       Sichtweise, dass es nicht mehr nur um die individu-                   den neue Instrumente entwickelt, um Prozesse des
gewesen. Betrachten wir die bisherige Entwicklung       1983) und viele andere Konzepte (vgl. Pawlowsky           elle Anpassung der Qualifikationen des Einzelnen                      Wissensmanagements zu unterstützen. Unter dem
dieser Disziplin („unde venis“ (4)), auf die wir uns    1996) beziehen sich auf organisationales Wissen           ging, wie noch im weiterbildungsbedarfsorientierten                   Kürzel ww.deck („world wide development and
bis heute berufen, um zu erkennen, welche Naviga-       und die Frage, wie dieses in Organisationen ent-          Ansatz, sondern dass es hier um die Bedarfssitua-                     exchange of corporate knowledge“) entstand bei
tionsziele bisher mit den Navigationsinstrumenten       steht und genutzt werden kann.                            tion der Organisation als Ganzes ging, also quasi                     Volkswagen in Wolfsburg eine Abteilung, die höchst
des ICM/WM verfolgt wurden und tun wir nicht so,                                                                  erstmalig um das kollektive Wissen der Organisation                   kreative Tools für internes Wissensmanagement ent-
als wären ICM/ WM schon immer im Sinne gesell-                                                                    in Abhängigkeit von den definierten organisationalen                  wickelte: Yellow Pages, Community Networks, Wis-
schaftlicher Aufklärung intendiert gewesen.             Phase 2: Anforderungs-                                    Wissenszielen und -strategien.                                        sensstafette – um nur einige der erfolgreichsten An-
     Ich möchte in Anlehnung an meinen Vortrag          und Bedarfsperspektive                                                                                                          sätze zu nennen. Später wurden diese Ansätze auch
auf dem Knowledge Camp der GfWM 2019 (https://          des Wissensmanagements                                                                                                          durch Beratungsunternehmen extern vermarktet und
www.gfwm.de) und mein Lehrbuch - Wissensma-                                                                       Phase 3:                                                              trafen auf entsprechende Nachfrage. Mitte/Ende der
nagement - grob sechs Phasen unterscheiden (vgl.        In dieser zweiten Phase (Ende der 1980er-, Anfang         Verteilen von Wissen – Technologie,                                   1990er-Jahre wurde verstärkt die Forderung eines
Pawlowsky 2019):                                        der 1990er-Jahre) wird Wissensmanagement vor-             Tools und Bewertung von Wissen                                        ganzheitlichen Wissensmanagements (Mensch – Or-
                                                        rangig in Anlehnung an betriebliches Qualifikations-                                                                            ganisation – Technik sowie eine operative, strategi-
                                                        und Bildungsmanagement gesehen. Qualifikatio-             Ganz in der Tradition der Bereitstellung von betriebli-               sche und normative Ebene) vertreten. Das Lehrbuch
Phase 1:                                                nen und Wissen werden benötigt, um bestimmte              chem Wissen, um ganzheitlich betrieblich-organisa-                    von North, welches 1998 in erster Auflage erschien,
Ursprünge des Wissensmanagements                        betriebliche Anforderungen zu erfüllen. So sind die       tionale Anforderungen zu erfüllen, entwickelten sich                  geht von einer solchen Fundierung aus.
                                                        nötigen Qualifikationen für Arbeitsplätze, erweitert      verstärkt ab Mitte der 1990er-Jahre technologisch ori-                      Am 17. März 2000 wurde die Gesellschaft für
Die Ursprünge des Wissensmanagements sind               auch ganzer Arbeitssysteme, in den Tätigkeitsbe-          entierte Ansätze des Wissensmanagements, die diese                    Wissensmanagement (https://www.gfwm.de) ge-
in den Ansätzen des organisationalen Lernens zu         schreibungen mehr oder weniger genau hinterlegt.          Prozesse zumeist mit IT-Werkzeugen unterstützten.                     gründet. Als wir im März 2000 anläßlich eines von mir
verorten. Hier werden Organisationen als Systeme        Wissensmanagement wird hier als Ansatz verstan-           Es ging dabei fast ausschließlich um explizites Wis-                  und Uta Wilkens initiierten Ladenburger Diskurses
beschrieben, die Entscheidungsprozesse in Ab-           den, das notwendige Wissen bereitzustellen, um            sen, das entlang der Wertschöpfungskette identifi-                    in der Gottlieb Daimler und Karl- Benz-Stiftung ge-
hängigkeit von Umwelteinflüssen vollziehen und          diese Anforderungen zu erfüllen. In einer Definition      ziert und gemanagt wird. Prototypen sind z. B. das                    meinsam zur Entwicklung der Wissensgesellschaft
dementsprechend Informationen aus der Umwelt            von Wissensmanagement nach O‘Dell und Gray-               „geschäftsprozessorientierte Wissensmanagement“                       diskutierten, entstand die Idee die Gesellschaft für
aufnehmen und verarbeiten müssen. Dies führt            son (1998) wird diese Bedarfsperspektive in den           beim Fraunhofer Institut (Heisig 2002) und die Wis-                   Wissensmanagement zu gründen. Die Daimler Benz
zum Herausbilden von sogenannten Standardpro-           Mittelpunkt gestellt: „Knowledge Management is            sensvernetzung in der Produktentwicklung (Bullin-                     Benz Stiftung hatte uns, im Nachgang zum Kolleg
zeduren, die von Cyert und March (2006) auch als        therefore a conscious strategy of getting the right       ger et al. 2000a; Frank et al. 2001).                                 „Organisationales Lernen“, in dem wir über drei Jah-
Gedächtnis der Organisation beschrieben wurden.         knowledge to the right people at the right time and             Das Grundverständnis beinhaltet hier, dass                      re mit international führenden Wissenschaftlern (un-
Nur erfolgreiche Verhaltensweisen und Entschei-         helping people share and put information into action      Wissen explizit, bewertbar und zählbar ist. Es stellt                 ter anderem John Child, Iukuro Nonaka, John Stop-
dungsregeln (d. h. erfolgreiche Stimulus-Response       in ways that strive to improve organizational perfor-     sozusagen eine Ressource dar, die man ähnlich ei-                     ford, Meinolf Dierkes, Lutz von Rosenstiel, Ariane
Kombinationen) werden in der Zukunft reproduziert,      mance“ (O‘Dell et al. 1998 nach Girard et al. 2015: 2).   nem natürlichen Rohstoff oder Vorprodukt an die                       Antal) das Themenfeld „Lernende Organisation und
somit lernen Organisationen aus ihren Erfahrungen.           Parallel zu diesen bedarfsorientierten Wissens-      relevanten betrieblichen Verarbeitungsstationen                       Wissensmanagement“ ausgeleuchtet haben (5), die
Das ist wohl die grundlegendste Bedeutung von           managementansätzen entwickelten sich in Anleh-            transportiert, um dort den Wertschöpfungsprozess                      Möglichkeit eingeräumt einen breit angelegten Dis-
Wissen im Kontext von Unternehmens- und Ma-             nung an kybernetische Regelschleifen eine Reihe           bzw. den betrieblichen Transformationsprozess zu                      kurs zum Thema „Konturen der Erwerbsarbeit in der
nagementhandeln und die Grundlage für spätere           von Prozessmodellen (Mandl et al. 2000; Pawlows-          unterstützen. Insbesondere die Fraunhofer-Institute                   Wissensgesellschaft“ durchzuführen (http://www.
Ansätze des Resource Based View (RBV) (Werner-          ky 1992, 1998; Nonaka et al. 1995, 1998; Probst           IPK und IAO entwickelten dieses, eng an den Pro-                      apf.rub.de/iaw/aup/forschung/projekte/dbs0101-
felt 1984; Barney 1991): Wissen und Wissensverän-       et al. 1998; Boisot 1998; Eppler 1999; Reinmann-          duktions- und Innovationsprozessen orientierte ge-                    0302.html.de).
derung dienen Organisationen dazu, sich mit einem       Rothmeier, Mandl 2001), die Wissen nicht nur im                                                                                       Ausgangspunkt für die Gründung der GfWM
Wandel der Umwelt auseinanderzusetzen, um sich          Wechselspiel zwischen Arbeitsplatzbedarf und in-                                                                                war damals die Frage wie die zentrale Ressource
anzupassen und/oder darauf gestaltend zu reagie-        dividuellen Qualifikationen verorten, sondern eine        (4) Lat. Wo kommst du her?                                            „Wissen“ für Organisationen handhabbar ist, wie sie
                                                                                                                  (5) Die Ergebnisse des Kollegs wurden unter anderem in nachfol-
ren. Diese kognitive Tradition der Organisationslehre   ganzheitliche Perspektive aus der Sicht der Organi-       genden Publikationen präsentiert: Dierkes, M., Alexis, M.; Berthoin   gemanagt werden kann und welche gesellschaftli-
(organisationale Wissenssysteme) hat in den 1960er      sation einnehmen. Es geht hier primär darum, Wis-         Antal,A.; Hedberg, B.; Pawlowsky, P.; Stopford, J./ Vonderstein, A.   chen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind.
                                                                                                                  (2001): The Annotated Bibliography of Organizational Learning and
bis 1980er-Jahren eine breite Grundlage für Wis-        sen in der Organisation zu erfassen, zu generieren,       Knowledge Creation (2nd revised and extended edition), Berlin:              Parallel fand in dieser Phase auch eine Neuaus-
                                                                                                                  Sigma, und Dierkes, M., Berthoin-Antal, A., Child, J. & Nonaka, I.
sensmanagement geschaffen. Konzepte wie orga-           zu teilen, zu organisieren sowie zu speichern und         (Hrsg. 2001): Handbook of Organizational Learning and Knowledge,
                                                                                                                                                                                        richtung der Wissensbewertung statt. Die ursprüng-
nisationales Gedächtnis (Simon 1957), Organization      im Sinne der Organisationsziele zu nutzen. Es handelt     Oxford, New York : Oxford University Press                            lichen Ansätze waren aus der volkswirtschaftlichen

18                                                                                                                Wissensmanagement quo vadis? - Kuratiertes Dossier 2/2 - GfWM KnowledgeCamp 2020                                        19
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