Zukunft mit Hindernissen. E-Books in öffentlichen Bibliotheken
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Forum Digitale Bibliothek Lesezeichen, iPad und Smartphone P rotokoll eines Auskunftsgespräches im De- sen und damit leider auch nicht unsere E-Books.“ zember 2011: „Ich möchte jetzt Ihre virtuelle Aus- – „Na gut, dann nehme ich mein iPad dafür.“ – „Da- leihe nutzen, habe zu Hause einen Kindle.“ – „Der mit können Sie aber nur die E-Books, keine Hörbü- Amazon-Reader kann das EPUB-Format nicht le- cher, Musik und Filme leihen, weil Apple strikt auf Eigenvermarktung im firmeneigenen Zukunft mit Hindernissen. Store setzt.“ – „Die Hörbücher würde ich mir sowieso auf den MP3-Player ziehen.“ – „Der muss aber DRM in der E-Books in öffentlichen Version 10 können.“ Benutzerfreund- liche Technik geht anders. Trotzdem Fotos: stadtbücherei würzburg Bibliotheken soll hier nicht das „ob“ erörtert werden; ist doch in der Vergangenheit viel zu viel berufliche Energie in Diskussionen versandet, ob denn Kassetten, Videos, CDs, CD-ROMs etc. ins Angebot öf- Seit Mai 2007 eröffnet die Onleihe der DiViBib GmbH fentlicher Bibliotheken gehören. Dabei öffentlichen Bibliotheken die Möglichkeit, ihren 94 Kunden auch digitale Medien anzubieten. Ein Erfah- sind unsere Einrichtungen nur mit Bü- chern bestückt nicht mehr vorstellbar. rungsbericht nach fünf Jahren Ausleihe per Down- load über Angebot und Nachfrage, über Erfolge und Hemmnisse. Von Volker König Bibliotheksforum Bayern 06 (2012)
Forum Digitale Bibliothek Der lange Weg des E-Books Präsenz durch Lesezeichen und Regalhinweise, mediale Aufmerksamkeit durch regelmäßige Pres- Während die Nutzung von E-Books in den USA semeldungen, Newsletters, Facebook-Posts, ein seit Jahren starke Zuwächse verzeichnet, be- eigener Blog mit News, Tipps und Tricks2, Ver- schworen viele Frankfurter Buchmessen vergeb- anstaltungen und Infostände zu den vielfältigen lich deren Durchbruch. Mit dem Rocket eBook technischen Fragen rund um die Onleihe; nicht zu war ab 1996 das erste Lesegerät auf dem Markt, vergessen die Einzelberatung hilfesuchender User das breitere Beachtung fand. Immerhin versuchte per Mail, Telefon oder persönlich … Neueste Wer- die Stadtbücherei des oberschwäbischen Bibe- beform sind QR-Codes auf unseren Printmedien, rach an der Riß bereits 2001, dies mit aufgespiel- die auch in der Onleihe vertreten sind: „Mich gibt’s ten E-Books an die Leser zu bringen. Doch über auch als E-Book“, wobei der QR-Code hier ein einzelne Ausleihangebote und Präsentationen in sogenannter „tiefer Link“ direkt auf die Download- verschiedenen Städten kam das Angebot jahre- möglichkeit für das E-Book ist. lang nicht hinaus: Die Lesegeräte waren zu groß und zu schwer, die Akkulaufzeiten zu gering. Die Kundeninteresse im Wandel unbefriedigende Gerätesituation verhinderte ein breites E-Book-Angebot, die geringe Titelzahl Spannend waren die Nachfrageverschiebungen hemmte wiederum die Geräteentwicklung … zwischen den verschiedenen E-Medientypen. Während das Medium E-Book aus der Wissen- Ursprünglich definierten wir als Schwerpunkte schaft und damit auch aus den wissenschaftlichen unserer „virtuellen Zweigstelle“ die berufliche Aus- Bibliotheken schon lange nicht mehr wegzuden- und Weiterbildung und Schülerhilfen. Angebote für ken ist, taten sich die öffentlichen Bibliotheken in Schüler waren zu Beginn kaum vorhanden, denn Deutschland schwer damit: In den Kommunen viele Verlage waren technisch noch nicht in der fehlten die technischen Voraussetzungen eben- Lage oder nicht bereit, Lizenzen für die E-Book- so wie das Know-how für eine virtuelle Ausleihe Ausleihe zu erteilen. Das hat sich inzwischen bei (Nutzungsschutz entsprechend der Lizenz), auch Fremdsprachen und Deutsch leicht verbessert, war das populäre Titelangebot der Verlage viel zu für Mathematik und Naturwissenschaften jedoch gering. Und soweit überhaupt Anbieter wie etwa bieten die Verlage noch viel zu wenig virtuelle Lern- Ciando in Frage kamen, waren deren Angebo- trainer an. Anders als bei den Printmedien benö- te nicht in die Bibliotheksangebote integrierbar, tigen Bibliotheken für jedes E-Medium eine Lizenz führten also eher weg von ihnen. Erst 2005 trat des Verlages – hier stehen die kommerziellen In- die DiViBib GmbH als Tochterunter- nehmen der ekz.bibliotheksservice GmbH auf den Markt, um zusammen mit fünf Pilotbibliotheken ein solches Angebot zu entwickeln. Über die Pla- nung des Angebotes, die strategische Ausrichtung und die Einführungsphase wurde vor vier Jahren an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet1. Seither haben sich die virtuellen Entleihungen in Würzburg nahezu verdoppelt. Dabei war dieser neue Service durchaus kein Selbstläufer. Für die meisten unserer Kunden galt 2007 ein Download noch als etwas Exotisches, wenn nicht gar Gefährliches (Viren!). Ständige Wer- bung für den unsichtbaren Bestand war und ist unabdingbar: OPAC-Nach- 95 weis der virtuellen Medien, optische Infostand zur Virtuellen Stadtbücherei im Eingangsbereich Bibliotheksforum Bayern 06 (2012)
Forum Digitale Bibliothek teressen im Widerspruch zum Informationsauftrag und so bleibt uns nur eine Handvoll ausleihbarer der Bibliotheken! Sachbücher zur allgemeinen E-Magazines und E-Papers. Die nächste Nach- beruflichen Fortbildung, zu Arbeits- und Manage- fragewelle verzeichneten wir bei den E-Audios – menttechniken finden guten Absatz, die Belletristik übrigens ohne dass bei der enormen Nachfrage spielte anfangs praktisch keine Rolle. nach Hörbüchern auf CD Einbußen zu verzeichnen Den Ausleihschwerpunkt bildeten zunächst die waren! Problematisch ist jedoch die Übertragung Zeitschriften: „Der Spiegel“, später „manager ma- von Onleihe-Dateien auf portable Abspielgeräte: gazin“ und „Wirtschaftswoche“, mit der „FAZ“ und Wegen ihres DRM-Schutzes muss eine bestimm- der „Süddeutschen“ auch die E-Paper. Hier ist es te Übertragungsprozedur genauestens eingehalten bis heute bei einem sehr schmalen Titelangebot ge- werden und schlimmer noch: nachdem die Musik- blieben; die Presseverlage haben mehrheitlich ihre industrie ab 2007 aufgrund massiver Absatzproble- eigenen Online-Vermarktungsformen gefunden, me schrittweise auf DRM verzichtete (!), gibt es im- zeigen kaum Bereitschaft für ein Verleihangebot mer weniger DRM-kompatible MP3-Player. Häufige Modellwechsel und unklare Produktspezifikationen Buchrückseite mit in diesem Sektor taten ein Übriges, um die Hörbuch- QR-Code interessenten unter unseren Kunden massiv zu verunsichern. „Jetzt habe ich mir extra einen MP3- Player dafür gekauft, und nun geht er nicht“ – so sind uns in der Vergangenheit viele Kunden schnell wieder verloren gegangen. Trotz aller Umstände beim Überspielen ist die Hörbuchnutzung jedoch immer noch überdurchschnittlich. Ab dem Jahreswechsel 2010/2011 war ein deutlicher Ruck bei der E-Book-Nachfrage spür- bar, und zwar vor allem bei der Belletristik. Mit zu- nehmender Verbreitung portabler Lesegeräte wie Smartphones und Tablet-PCs wurde deren Ge- brauch attraktiver, vor allem aber durch die rasant zunehmende Verbreitung von E-Book-Readern! Der zurückliegende Jahreswechsel brachte einen noch stärkeren Schub in diesem Bereich, zumal die Verlagsgruppe Weltbild mit ihrem 60-Euro- Medien der Virtu- ellen Stadtbüche- rei – abrufbar auf dem iPad 96 Bibliotheksforum Bayern 06 (2012)
Forum Digitale Bibliothek TrekStor-Reader über das Niedrigpreissegment öffentlichen Bibliotheken vom DiViBib-Medien- neue Käuferschichten erreichte. Binnen kurzer Zeit shop nur sechs von 20 Belletristik-Titeln der stieg die Zahl der am Markt verfügbaren Model- Spiegel-Bestsellerliste beziehen, fünf von der le enorm – was den Verbrauchern und uns den Sachbuchliste. Das spiegelt die zögerliche Praxis Überblick erschwerte: Welche Geräte können vieler Verlage wider, Ausleihlizenzen zu vergeben. unsere DRM-geschützten E-Books wiedergeben Ein Dilemma entsteht durch die unterschiedliche (Voraussetzung EPUB-Format!)? Welche Übertra- Nutzung von Sachbüchern und Belletristik: Neben gungsprozeduren sind einzuhalten? Ähnlich wie der Weiterbildung spielen vor allem Ratgeber und bei Druckern wird der Preis für die Hardware nied- natürlich Computerliteratur eine große Rolle – Titel, rig gehalten, um das eigentliche Geschäft beim bei denen der Leser per Volltextsuche schnells- anschließenden E-Book-Verkauf möglichst im fir- tens und punktgenau zur gesuchten Information Der Autor meneigenen Onlineshop zu machen. gelangt. Entsprechend kurz ist die Nutzungsdauer. Volker König beklei- Für Belletristik dagegen benötigen unsere Kunden det die Stabsstelle Von den Schwierigkeiten, mehr Zeit als eine Woche, aber die Leihfrist für Qualitätsmanage- zum Gebrauchsartikel zu werden beide Medientypen ist momentan nur einheitlich ment bei der Stadt- festlegbar. Nachdem die Medien in der Onleihe bücherei Würzburg. Einiges an Problemen ist bereits zur Sprache ge- nicht vorzeitig zurückgegeben werden können, kommen, vor allem die Umstände, die das DRM müssen sich also Belletristik-Leser bei der Lektüre den Kunden abverlangt. Vorausschauende Geräte- besonders beeilen. Ferner verwundern die Preise wahl, Adobe Digital Editions auf dem PC installieren, der E-Books, denn die Verlage verlangen dafür anschließende Autorisierung per Adobe-ID, gege- annähernd die gleichen wie für die gedruckten Ex- benenfalls eine spezielle Reader-Software installie- emplare, trotz wesentlicher Kosteneinsparungen ren, spezielle Apps für Android- und Apple-Sys- gegenüber dem Printvertrieb! teme herunterladen – ohne genaue Vorinformation Zur Benutzerschulung haben sich die Bibliothe- über das Procedere geht die erste E-Book-Auslei- ken einiges einfallen lassen. Wir haben gute Erfah- he für den neuerstandenen Reader schief ... un- rungen mit einem regelmäßigen Informationsstand getrübte Lesefreude erfordert schon ein vertieftes gemacht, um für das (unsichtbare) Angebot zu Wissen. Bei allem Verständnis für die Interessen werben, Hardware- und Handling-Fragen zu be- von Autoren und Verlagen: so etwas fördert die antworten. Gut, wenn dabei die Gerätebedienung Bereitschaft zu illegalen Downloads! auch praktisch demonstriert werden kann, wie es Ebenfalls unbefriedigend ist immer noch das die Stadtbibliothek Köln in Perfektion betreibt3. Ei- Titelangebot: Mitte November 2011 konnten die nige Bibliotheken versuchen der Verunsicherung auch mit einer Geräteausleihe zu begegnen4. Ne- ben dem finanziellen Aspekt, Handling-Problemen mit der Adobe-ID und den möglichen Problemen bei Defekten ist hierbei aber auch zu beachten, dass viele Modelle bereits nach einem Jahr ver- altet sind. Und in Zukunft? Mit der Onleihe haben wir Bibliotheken einen Fuß in der Tür zur digitalen Welt; der Wandel auf dem Popmusikmarkt sollte uns warnen: brachte die CD-Ausleihe einst die Aufmerksamkeit und Er- schließung neuer Benutzerschichten, so wurde sie mittlerweile von kommerziellen Downloadpor- talen zurückgedrängt. Die gleiche Entwicklung ist auf dem Spielfilmsektor zu beobachten. Bi- 97 Bücherregal in natura oder auf dem iPad Bibliotheksforum Bayern 06 (2012)
Forum Digitale Bibliothek bliotheken könnten sich dort allenfalls mit einem E-Books künftig im Vordergrund stehen. Und öffent- gebührenpflichtigen Angebot „anhängen“ – aber liche Bibliotheken können sich nur dauerhaft posi- wozu sollten die Kunden dann den Weg über uns tionieren, wenn sie eine zeitgemäße Literatur- und nehmen? Schon droht die Vermarktung der Aus- Informationsversorgung umfassend sicherstellen, leihe: Für 79 Dollar im Jahr können amerikanische wenn wir das leisten, was wir gut können: das Sam- Amazonkunden unter 5.000 Verleihtiteln auswäh- meln und Erschließen, die kritische Beurteilung von len und auch Libreka denkt mittelfristig über sol- Informationen, unsere Beratung – egal auf welchem cherart Geschäft nach5. Umso wichtiger, dass sich Trägermedium sie stehen. Sicher werden wir damit öffentliche Bibliotheken rechtzeitig mit einem eige- Amazon & Co. nicht aufhalten, aber wir haben ei- nen Angebot positionieren! niges zusätzlich zu bieten. Und jenseits aller Technik Für weiter steigende Nachfrage nach E-Books gilt es zukünftig auch dieses Problem von uns zu lö- sorgt der gesellschaftliche Wandel; denn einer- sen: nachdem die Diversifizierung der Medienarten seits wird die ortsunabhängige Verfügbarkeit von pro Titel nur selten mit einer adäquaten Erhöhung Information vor dem Hintergrund steigender Mobi- der Anschaffungsmittel einhergehen wird, müs- lität immer selbstverständlicher, andererseits steigt sen Bibliotheken genau beobachten, wer welche durch die demografische Entwicklung der Anteil Themen in welcher medialen Form nutzt, um eine älterer Menschen, die bei eingeschränkter Mobili- gezielte, nachfrageorientierte wie wirtschaftliche tät und eventueller Sehschwäche vermehrt auf die Anschaffungspolitik zu betreiben. Downloadausleihe von EPUB-Titeln mit veränder- barer Schriftgröße angewiesen sind. Der Horizon FuSSnoten Report mit seinem jährlichen Zukunftsbericht weist den E-Books und den mobilen Endgeräten des- 1) König, Volker: Wir schaffen die Öffnungszeiten ab! in: halb schon kurzfristig eine besondere Relevanz Bibliotheksforum Bayern 02(2008), S. 92 – 95. zu6. Kenner des amerikanischen Marktes erwarten 2) http://virtuellestadtbuecherei.blogspot.com bereits für 2014, dass dann nur noch die Hälfte 3) http://stadtbibliothekkoeln.wordpress.com/tag/ebookreader der dort verkauften Bücher gedruckt sein wird7. 4) U. a. Neumann, Marlene: E-Book-Reader in der Stadtbibliothek Zumindest für bestimmte Zielgruppen wie Men- Erlangen in: BuB 63 (2011) 3, S. 151. schen mit akutem Informationsbedarf, mit langen 5) www.buchreport.de/nachrichten/ausland/ausland_nachricht/ Reisezeiten und belletristische Vielleser werden datum/2011/11/10/wiedersehen-vorm-kadi.htm 6) www.mmkh.de/upload/dokumente/ 2011-Horizon-Report_German.pdf, S. 9 – 18. 7) www.boersenblatt.net/412145 98 Medienvielfalt: Buch, CD-ROM, E-Book auf dem Smartphone Bibliotheksforum Bayern 06 (2012)
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