Auto motion - Effizient und CO 2-neutral Antriebsentwicklung für eine klimaneutrale Mobilität - IAV
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auto motion IAV-Kundenmagazin | 02/2019 Effizient und CO2-neutral Antriebsentwicklung für eine klimaneutrale Mobilität
Brennstoffzellenfahrzeuge sind insbesondere im Nutzfahrzeugbereich eine interessante Antriebsoption, um die CO2-Grenzwerte zu erreichen. IAV verfügt über einen hochmodernen Brennstoffzellen-Prüfstand, der für die Anwendungen von wasserstoffbetriebenen PEM-Brennstoffzellen ausgelegt ist und den Entwicklern erlaubt, ihre Untersuchungen unter fahrzeugnahen und dynamischen Betriebsbedingungen durchzuführen.
automotion | Editorial 3 Liebe Leserin, lieber Leser, über das Ziel sind sich alle Experten einig: Die Mobilität der Zukunft muss zwischen serienreif (Seite 24). Allerdings sind sie auf Wasserstoff als CO2-neutral sein. Aber welcher Weg führt am effektivsten zu diesem Energieträger angewiesen, für den weltweit noch keine ausreichende Ziel? Diese Frage ist das Fokusthema dieser automotion-Ausgabe. Infrastruktur zur Verfügung steht. Dieses Problem wollen wir mit unserem Elektrolyseur lösen, der sich optimal für den Aufbau von Wasser- Derzeit stehen batterieelektrische Fahrzeuge im Mittelpunkt der Dis- stofftankstellen eignet (Seite 22). kussion – und IAV ist einer der Vorreiter auf diesem Gebiet: An etwa 60 Prozent der Elektroautos, die dieses Jahr auf dem Genfer Salon gezeigt Bei allen Diskussionen über Alternativen dürfen wir aber die Weiter- wurden, haben wir mitgearbeitet (Interview auf Seite 8). Und gemein- entwicklung des Verbrennungsmotors nicht vernachlässigen – denn sam mit Partnern wollen wir die zentrale Komponente von E-Fahrzeu- sein Wirkungsgrad lässt sich in Zukunft noch deutlich steigern, und in gen deutlich verbessern: Im Forschungsprojekt EMBATT entsteht eine Kombination mit synthetischen Kraftstoffen kann er ebenfalls eine kli- neue Batterietechnologie, die dank einer verbesserten Volumenaus- maneutrale Mobilität ermöglichen (Seite 18). beute Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometern verspricht. Im Moment nimmt sie die nächste Stufe in Richtung Industrialisierung (Seite 20). Viele Wege führen zur klimaneutralen Mobilität. Umso wichtiger sind Elektrisch betriebene Fahrzeuge allein können das CO2-Problem Werkzeuge, mit denen OEMs verschiedene Zukunftsszenarien objektiv aber nicht lösen. Um die Emissionen des Verkehrs zu senken, müssen vergleichen können. Dafür haben wir die IAV-Mobilitätssynthese ent- wir zuerst die Energiewende vollenden und von fossilen Rohstoffen auf wickelt, die als Grundlage für strategische Entscheidungen dient erneuerbare Energien umstellen. Das muss Vorrang vor der Frage ha- (Seite 14). ben, welcher Energieträger und welche Antriebsart im Verkehr einge- setzt werden (Interview auf Seite 16). Außerdem in dieser Ausgabe: intelligente Priorisierung von Software- tests (Seite 30), maschinelles Lernen für die Optimierung der Motor- Neben den batterieelektrischen Antrieben dürfen wir auch die Alter- steuerung (Seite 36) und unser neues VR Lab in Gifhorn (Seite 52). nativen nicht aus dem Auge verlieren: Brennstoffzellenfahrzeuge sind beispielsweise eine interessante Option auf der Langstrecke und in- Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Dr. Ulrich Eichhorn Matthias Kratzsch Katja Ziegler Kai-Stefan Linnenkohl Vorsitzender der Geschäftsführung Geschäftsführer Technik Kaufmännische Geschäftsführerin Geschäftsführer/Arbeitsdirektor IAV GmbH IAV GmbH IAV GmbH IAV GmbH
4 Inhalt | automotion 6 Effizient und CO2-neutral – Antriebsentwicklung für eine klimaneutrale Mobilität Viele Wege führen zu einer klimaneutralen Mobilität – doch welcher Weg ist der effektivste? Diese Frage stellen wir mit dem Fokusthema dieser Ausgabe. Wir zeigen verschiedene Optionen auf sowie Werkzeuge und Tools, mit denen wir unsere Kunden bei der Entscheidungsfindung unterstützen können. Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 8 Fokusthema Effizient und CO2-neutral – Antriebsentwicklung für eine klimaneutrale Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 „Wir können der Klebstoff sein“ . . . . . . . . . . . .8 Revolutionärer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Viele Wege zur CO2-neutralen Mobilität . .14 „Die Verkehrswende wird vorrangig von der Energiewende bestimmt“ . . . . . . . .16 Technologiebausteine für künftige Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . .18 EMBATT-goes-FAB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Smarte Elektrolyse auf dem Sprung . . . . .22 Bereit für die Serie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Verdampfungsgekühlter Krümmer für Ottomotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Impulse Ein echtes Bewegungswunder . . . . . . . . . .28 Das Wichtigste zuerst . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 Schneller Aufbau von „Wir können der Klebstoff sein“ Ad-hoc-Sensornetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 Dr. Ulrich Eichhorn, Vorsitzender der IAV-Geschäftsführung, über seine Ziele und die You drive me crazy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 Technologien der Zukunft.
automotion | Inhalt 5 „Die Verkehrswende wird vorrangig 16 von der Energiewende bestimmt” Matthias Kratzsch, IAV-Geschäftsführer Technik, über die Herausforderungen einer CO2-neutralen Mobilität. Trends Mit maschinellem Lernen Komplexität 20 Embatt-goes-FAB Neue Batterietechnologie nimmt nächste Stufe in Richtung Industrialisierung. beherrschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Produkte Individuelle Kundenlösungen aus dem IAV-Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 IAV Engine – bewährtes Auslegungstool für die Motormechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 28 Immer im Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 Effizienzsteigerung durch toolbasierte Ein echtes Bewegungswunder Fahrverhaltensapplikation . . . . . . . . . . . . . . .44 TRE entwickelt ein Rolling Chassis für ein Spurwechsel autonom fahrendes Shuttle von Schaeffler. Klimaneutrale Mobilität 2050: Glauben Sie das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 Über IAV „Große Chance für Premium-Entwicklungspartner“ . . . . . . . . . .50 Vorreiter beim Einsatz von Virtual Reality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 38 Unser Engineering??? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Individuelle Kundenlösungen aus Unsere Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 dem IAV-Portfolio IAV-Termine: Treffen wir uns? . . . . . . . . . . . . 58 Großes Kundeninteresse auf der Testing Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Expo – IAV Macara war Messehighlight.
6 Fokusthema | automotion Fokusthema: Effizient und CO2-neutral Antriebsentwicklung für eine klimaneutrale Mobilität
automotion | Fokusthema 7 Batterieelektrische Fahrzeuge, Brennstoffzellenantrieb, die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors, der Einsatz von E-Fuels – die Optionen sind vielfältig, um eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft zu erreichen. Gesellschaft, Politik und Automobilindustrie stehen vor der schwierigen Frage, welche Option am effektivsten zu einer klimaneutralen Mobilität führt. In den nächsten Jahren müssen die Weichen gestellt werden für notwendige Maßnahmen wie beispielsweise den Infrastruktur-Ausbau. Ein verbindlicher Rahmen muss geschaffen werden, um Sicherheit für erforderliche Investitionen zu bieten. Mit unserer Expertise bei der konventio- nellen und alternativen Antriebsentwicklung sowie unseren Tools für strategische Entscheidungsfindungen ist IAV ein ausgezeich- neter Partner für diese aktuellen Fragestellungen. Mehr dazu auf den nächsten Seiten.
8 Fokusthema | automotion „Wir können der Klebstoff sein“ Dr. Ulrich Eichhorn, Vorsitzender der IAV-Geschäftsführung, über seine Ziele und die Technologien der Zukunft O b Elektrifizierung oder klassische Dr. Eichhorn: Wir sind in den letzten Jahren Welche Marktanteile trauen Sie denn dem Verbrennungsmotoren, ob sicher- stark gewachsen und fahren trotzdem in vielen batterieelektrischen Antrieb zu? heitskritische Fahrfunktionen oder Bereichen an der Kapazitätsgrenze. Das ist erst Apps, die die Insassen unterhalten: Dr. Ulrich einmal sehr erfreulich. Allerdings müssen wir in Dr. Eichhorn: Nicht nur in Europa gilt: Es Eichhorn, seit Anfang 2019 Vorsitzender Rechnung stellen, dass die Branche der Ent- wird nicht gelingen, einen CO 2 -Flotten- der IAV-Geschäftsführung, sieht den Vorteil wicklungsdienstleister durch Themen wie die durchschnitt von deutlich unter 100 Gramm des Engineering-Partners in der breiten Auf- neuen Prüfzyklen RDE und WLTP aktuell eine pro Kilometer nur mit Verbrennerfahrzeu- stellung. Sonderkonjunktur hat. Diese Sonderkonjunk- gen zu erreichen. Wenn der Flottenschnitt bei tur wird irgendwann zu Ende sein, genauso wie etwa 60 Gramm liegen soll, ist ein Anteil Herr Dr. Eichhorn, Sie kannten IAV schon lan- der globale Wachstumszyklus. Bis dahin muss von Nullemissionsfahrzeugen in Höhe von cir- ge, bevor Sie im Januar den Vorsitz der Ge- das Schiff sturmfest sein. ca 40 Prozent notwendig. Bis zum Jahr 2030 schäftsführung übernahmen. Gab es trotz- ist das nur mit batterieelektrischen Fahr- dem etwas, das Sie überrascht hat? IAV hat in den vergangenen Jahren ver- zeugen zu erreichen. mutlich mehr als jeder andere Dienstleister Dr. Ulrich Eichhorn: Einige der wichtigsten in neue Technologien investiert. Rechnet Wie sieht es mit Alternativen aus? Projekte in meiner Volkswagen-Zeit habe ich sich das? mit IAV realisiert. So stammte ein großer Teil Dr. Eichhorn: Der Anteil von Brennstoffzellen- der Antriebstechnik des Ein-Liter-Autos von Dr. Eichhorn: Wenn man technologisch führend fahrzeugen und Verbrennern, die mit syn- IAV. Aber auch das W12 Coupé, bekannt sein will, kann man nicht einfach nur Stunden ver- thetischen Kraftstoffen betrieben werden, durch den bis heute ungeschlagenen Ge- kaufen. Wir investieren daher bewusst Eigen- wird sich im Jahr 2025 oder 2030 bestenfalls schwindigkeitsrekord in Nardo, hatten wir ge- mittel in Technologien, von denen wir erwarten, im einstelligen Prozentbereich bewegen. meinsam realisiert. Neben dieser Sicht des dass sie in Zukunft eine größere Rolle spielen. Batterieelektrische Fahrzeuge gehen dage- Kunden hatte ich in den letzten Jahren auch gen jetzt in die Großserienproduktion. Zudem die des Aufsichtsratsvorsitzenden, sodass ich In welchen Technologien sehen Sie für die ist der Entwicklungsfortschritt enorm, ge- recht genau wusste, was mich erwarten wür- kommenden Jahre besonderes Wachs- tragen von einer ernsthaften akademischen de. Aber natürlich ist die Innensicht dann tumspotenzial? sowie unternehmensnahen Forschung. doch immer etwas anders. Wenn man auf 2040 oder gar 2050 schaut, Dr. Eichhorn: Bei der Elektrifizierung ist IAV mag die Antwort anders aussehen, aber für Nämlich? bereits sehr weit, weiter als mancher Auto- die nähere Zukunft sehe ich keine ernsthaf- hersteller, der das bis vor kurzem als Ni- te Alternative. Im leichten bis mittelschweren Dr. Eichhorn: Mir war schon immer bewusst, schenthema angesehen und an Entwick- Nutzfahrzeugsegment ist der Brennstoffzel- dass IAV der kompetenteste Entwicklungs- lungsdienstleister delegiert hat. An etwa lenantrieb für die nähere Zukunft allerdings dienstleister mit den modernsten Entwick- 60 Prozent aller Elektroautos, die auf dem eine sehr interessante Option. lungsmethoden ist. Aber wie sehr das Teil einer Genfer Salon dieses Jahr gezeigt wurden, ha- gelebten Kultur ist, erschließt sich mir erst ben wir mitgearbeitet. Auch in das Thema Wollen Sie alle IAV-Entwickler, die etwas vom jetzt. Wir haben uns trotz des Wachstums den Konnektivität sind wir früh eingestiegen und Verbrennungsmotor verstehen, auf Elektro- Geist eines Start-ups und eine gewisse Uni- bedienen die gesamte Breite bis hin zur antriebe umschulen? versitätsnähe erhalten. Daraus entsteht nicht App-Entwicklung. Beim automatisierten Fah- nur eine gesunde Mischung aus erfahrenen und ren haben wir uns bislang vor allem auf Teil- Dr. Eichhorn: Ich kann die Kollegen, die am Ver- jungen Mitarbeitern, sondern auch aus Prag- aspekte konzentriert. Ich sehe hier großes Po- brennungsmotor arbeiten, vollständig beruhi- matismus und Moderne. tenzial für Entwicklungspartner, da in diesem gen. Ihre Fähigkeiten werden auf lange Jahre Bereich nicht jeder Hersteller für sich allein ar- sehr gefragt sein. Denn 40 Prozent Elektroan- Klingt sehr gut. Wo müssen oder wollen Sie beiten kann und einige Industriestandards triebe heißt ja auch 60 Prozent für die Ver- trotzdem nachsteuern? entstehen werden. brennungskraftmaschine, zumal die absolute
automotion | Fokusthema 9 Anzahl der weltweit verkauften Fahrzeuge wei- ter anwächst. Der Aufwand in der Entwicklung steigt dabei laufend, etwa durch die Abgasnorm Euro 7 und die kommenden CO2-Flotten- grenzwerte. Wobei zu beobachten ist, dass Autoherstel- ler den Verbrennungsmotor eher elektrifi- zieren, anstatt ihm völlig neue Technologien zu spendieren. Dr. Eichhorn: Der Grenznutzen verbleibender neuer Technologien – etwa der variablen Ver- dichtung – ist begrenzt und steht in keinem po- sitiven Verhältnis zum zusätzlichen Aufwand. Die Aufgabe liegt schon in der konsequenten Wei- terentwicklung der Verbrennungsmotoren, wie wir sie heute kennen. Die einzelne Applikation ist deswegen nicht weniger aufwendig. Für die Autohersteller ist das ein Problem. Denn sie müssen einerseits die neuen elektrischen An- triebe zur Marktreife bringen, andererseits aber die Verbrennungsmotoren weiterentwickeln, mit denen sie das Geld verdienen. Für uns als Engineering-Partner ist das eine komfortable Situation, denn wir können beides. Lassen Sie uns über Automatisierung spre- chen. Kehrt da in der Autobranche nicht all- mählich Ernüchterung über das technisch Machbare ein? Dr. Eichhorn: Im Hype-Zyklus sind wir in der Tat im „Tal der Enttäuschung“ angelangt. Viele haben erkannt, dass es ein weiter Weg von einem funktionierenden Demonstrator zu einem Serienprodukt ist, das alle Sicher- heitsanforderungen abdeckt. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, an der Automati- sierung weiterzuarbeiten, denn schließlich wird es mit dem „Pfad der Erleuchtung“ auch wieder aufwärtsgehen. Wobei es sich meines Erachtens um zwei Entwicklungspfade han- delt: Der eine besteht in Privatfahrzeugen, wo Dr. Ulrich Eichhorn ist seit Januar 2019 Vorsitzender der IAV-Geschäftsführung
10 Fokusthema | automotion die Fahrerassistenzsysteme konsequent wei- Das Machtgefüge in der Automobilindustrie Dr. Eichhorn: Ein führender Engineering-Part- terentwickelt werden, sozusagen vom Tem- verschiebt sich ja bereits ein wenig ostwärts. ner ist auch so etwas wie ein Technologie- pomaten zum Autobahnpiloten. Der zweite Wie stellt sich IAV darauf ein? scout. Wir können Themen früh erspüren, sei Pfad betrifft Fahrzeuge für den Güter- und den es, weil man uns in frühen Phasen hinzuzieht professionellen Personentransport. Hier wer- Dr. Eichhorn: Erst vor Kurzem haben wir bei- oder schlicht weil wir den Überblick über sehr den sich Level-4- oder Level-5-Systeme ra- spielsweise unsere Vertretung in Shanghai viele Projekte haben. Mir persönlich macht das scher durchsetzen. Diese können zwar nur in wesentlich verstärkt. Bislang arbeiten wir in Chi- große Freude. bestimmten Gebieten eingesetzt werden, na vorrangig für unsere bekannten Kunden, ha- müssen dafür aber alle auftretenden Ver- ben aber gute Kontakte zu lokalen Herstellern. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. kehrssituationen beherrschen. Das ist viel Die sind hungrig, die sind extrem gut finanziert Eichhorn! komplexer und daher auch mit erheblichen – die muss man ernst nehmen. Zusatzkosten verbunden, die sich allerdings Das Interview führte Johannes Winterhagen. rasch amortisieren, da dort der größte Kos- Was reizt Sie persönlich daran, für IAV zu ar- tenblock derzeit das Fahrergehalt ist. beiten? Heute arbeiten Autohersteller, Systemliefe- ranten und Elektronikspezialisten gemein- sam an autonomen Systemen. Welche Rolle kann IAV hierbei einnehmen? Dr. Eichhorn: Wir können der Klebstoff zwi- schen den Partnern sein. Denn die Auto- hersteller tun sich mit Daten- und Computing- themen teilweise etwas schwer. Umgekehrt kennen die Spezialisten auf solchen Gebieten nicht die Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, um sicherheitskritische Systeme an Konsu- menten zu verkaufen. Wir kennen beide Welten. Wie digital ist IAV bereits? Dr. Eichhorn: Wir sind, wie übrigens die ge- samte Automobilindustrie, total digital. Das letzte analoge Steuergerät ging etwa 1985 in Serie. Wenn Ihre Frage nicht auf Embedded Systeme zielt, sondern auf Software, die der Kunde als solche wahrnimmt, gründen wir ge- rade einen neuen Bereich, in dem wir alle ent- sprechenden Aktivitäten zusammenfassen. Dafür stellen wir 200 Softwareingenieure ein. Da hilft es uns natürlich, dass wir mit Berlin einen attraktiven Standort bieten und auch mit un- seren Arbeitgeberleistungen brauchen wir uns Zur Person nicht verstecken. Elektrifizierung, Automatisierung, Software: Dr. Ulrich Eichhorn studierte Maschi- 2003 wurde er zum Vorstand für Tech- Bleibt die deutsche Automobilindustrie bei all nenbau und Fahrzeugtechnik an der nische Entwicklung bei Bentley beru- diesen Themen Technologieführer? Technischen Universität Darmstadt fen. 2012 wechselte er als Geschäfts- und promovierte dort 1992. Er ist ein führer zum Verband der Automobilin- Dr. Eichhorn: Wir dürfen das auf keinen Fall für Alumnus der Harvard Business School dustrie. Von 2016 bis 2018 war er Lei- selbstverständlich halten. Die anderen, ob Chi- und ein Fellow der British Institution of ter des Konzernbereichs Forschung na, Frankreich oder die USA, schlafen alle Mechanical Engineers IMEchE. und Entwicklung der Volkswagen AG in nicht – das gilt auch für die Entwicklungs- Wolfsburg sowie Aufsichtsratsvorsit- dienstleister. Dazu kommt, dass wir in Deutsch- Nach seinem Berufseinstieg bei Ford zender von IAV. Seit dem 1. Januar land in der politischen Diskussion unsere Au- leitete Eichhorn von 2000 bis 2003 2019 ist Dr. Ulrich Eichhorn Vorsitzen- tomobilindustrie laufend zerpflücken. Das gibt die Volkswagen Konzernforschung. der der IAV-Geschäftsführung. es so nirgends sonst.
automotion | Fokusthema 11 Revolutionärer Ansatz Eigene Toolketten unterstützen dabei, die Komplexität der Antriebsstrang- entwicklung zu beherrschen D ie Vielfalt bei den Antrieben nimmt zu: Anforderungen an Drehmoment und Fahr- mehr Drehmoment und Leistung benötigen. Hybride gehören bereits zum Main- leistung aber so hoch, dass man um mehrere „Durch ein mehrgängiges Getriebe kann man stream und werden immer ausge- Gänge eigentlich nicht mehr herumkommt, ge- die E-Maschine downsizen“, erklärt Liebold. „Es feilter, während die batterieelektrische Mo- rade bei großen Fahrzeugen“, sagt Jens gibt bei den Kosten also einen Trade-off zwi- bilität gerade Fahrt aufnimmt. Umso wichti- Liebold, Fachreferent bei IAV. „Dabei gilt: Je grö- schen Motor, Getriebe und Batterie.“ ger ist ein ganzheitlicher Überblick über alle ßer die Masse des Fahrzeugs ist, desto größer Themen und ihre Überschneidungen. IAV ist der Vorteil durch die Mehrgängigkeit.“ Denn IAV kennt das Thema aus vielen realen Pro- nutzt für Konzepte und Entwicklungen unter in solchen Fahrzeugen – etwa elektrisch an- jekten und unterstützt seine Kunden vom anderem eine durchgängige Toolkette, mit der getriebenen SUVs mit hohem Gewicht und ho- Konzept (Wie viele Gänge sind erforderlich?) bis sich Komponenten, aber auch ganze An- her Maximalgeschwindigkeit – fließt eine hohe zum Serienstart. Als wichtiges Werkzeug hat triebsstränge und Flotten optimieren las- Leistung durch den Antriebsstrang, sodass ein sich hier die IAV-Antriebsstrangsynthese be- sen. Getriebe mit mehreren Gängen die Verluste währt. Sie liefert auf Basis der Kundenvorga- deutlich reduzieren kann, indem es den Motor ben – etwa zu Reichweite, Performance oder Noch sind E-Fahrzeuge Exoten auf unseren so nahe wie möglich an seinem optimalen Be- Kosten – eine objektive Empfehlung für die ge- Straßen, aber das dürfte sich bald ändern: Nach triebspunkt hält. samte Flotte. Dabei werden Aspekte wie neue Vorreitern wie Nissan oder Tesla bringen die Entwicklungen in der Leistungselektronik, zum etablierten OEMs Modelle mit elektrischem An- Zwei, drei oder vier Gänge? Beispiel Bauteile aus SiC- und GaN-Verbin- trieb auf die Straße. Zudem versuchen viele dungshalbleitern, berücksichtigt. Auch der neue Hersteller, auf dem schnell wachsenden Vor allem zwischen den Anforderungen beim Komfortaspekt bleibt immer im Blick der In- Markt Fuß zu fassen und die Gunst der Stun- Anfahren und bei der Fahrt mit hohem Tempo genieure: „In E-Fahrzeugen fallen alle Unsau- de zu nutzen. Parallel dazu entsteht derzeit die können Welten liegen. Darum gehen die IAV- berkeiten besonders auf“, berichtet von Rüden. nächste Generation der ersten elektrischen Experten davon aus, dass mehrgängige Ge- „Der Kunde darf davon aber nichts spüren, Antriebssysteme, bei denen es den Herstellern triebe in Zukunft zumindest in manchen Mo- weshalb die Komfortanforderungen höher vor allem um Optimierungen geht – bei den dellen Standard sein werden. „Bis zum C- sind als bei Fahrzeugen mit Verbrennungs- Kosten, der Effizienz, dem NVH-Verhalten und Segment kann ein Gang gerade noch ausrei- motor.“ der Industrialisierbarkeit. Hier werden Bauka- chen, aber spätestens darüber hinaus sind zwei stensysteme bald ganze Familien von elektri- bis drei Gänge erforderlich“, sagt Dr. Klaus von Die Zukunft gehört den DHTs schen Antrieben, etwa mit unterschiedlich Rüden, Abteilungsleiter bei IAV. „Ich rechne da- starken E-Motoren, beinhalten. Bei ihnen dürf- mit, dass in großen Fahrzeugen vor allem zwei Mit dem Umbruch bei den Antrieben steigt ten neue Funktionen wie Torque Vectoring und Gänge zum Einsatz kommen – ein dritter Gang auch die Zahl der Hybridfahrzeuge. In Europa Mehrgängigkeit eine wichtige Rolle spielen. bietet in puncto Reichweite und Performance und den USA sind Automatikgetriebe seit je- keine signifikante Verbesserung mehr, kann her weit verbreitet, sodass die Hersteller in den In vielen der aktuellen Fahrzeuge arbeiten aber beim Fahrkomfort helfen.“ Bei Nutzfahr- letzten Jahren vieles aus bestehenden Ge- derzeit vor allem mechanisch einfache Ge- zeugen rechnet IAV mit drei bis vier Gängen, trieben übernommen und daraus hybridisier- triebe mit nur einem Gang. „Mittlerweile sind die weil sie aufgrund ihrer hohen Trägheit deutlich te Varianten abgeleitet haben. China ist auf die-
12 Fokusthema | automotion sem Gebiet weiter: Dort gibt es mehr E-Fahr- und kommt mit nur vier bis sechs Schaltstu- draulisch, elektrisch oder pneumatisch bei zeuge, und die Hersteller haben die Entwick- fen aus. Außerdem werden neue Funktionen Nutzfahrzeugen) entscheiden. lung dedizierter Hybridgetriebe (DHT) schon wie stufenloses Segeln ohne Verbrennungs- früher gestartet. „Diese Entwicklung wird jetzt motor, rein elektrisches Anfahren oder rein elek- „Bei den Hybridgetrieben haben wir es mit ei- verstärkt in Europa und den USA ankommen, trisches Rückwärtsfahren möglich. Allerdings ner deutlich größeren Komplexität als bei den denn der globale Trend geht eindeutig in Rich- ist die Auswahl aus verschiedenen Topologien rein elektrischen Antrieben zu tun“, erklärt Mül- tung DHT“, sagt Dr. Jörg Müller, Abteilungslei- (parallel, seriell, kombiniert, leistungsverzweigt) ler. „Man muss eine Balance zwischen dem me- ter bei IAV. groß und erfordert eine eingehende Analyse. chanischen und dem elektrischen Aufwand fin- Zudem stellt sich die Frage, wie viele E-Ma- den und gleichzeitig die Kosten, den Verbrauch Dedizierte Hybridgetriebe bieten eine ganze schinen sinnvoll sind. Und schließlich muss und die Kundenanforderungen im Auge behal- Reihe von Vorteilen: Durch die Leistung der man sich zwischen verschiedenen Getriebe- ten.“ Hier werden sich flexible Baukastensys- E-Maschine kann man auf Gänge verzichten technologien und Aktuierungseinheiten (hy- teme mit vielen Übernahmebauteilen durch-
automotion | Fokusthema 13 setzen. Dafür nutzt IAV ein spezialisiertes Tool: Die IAV-Getriebesynthese liefert bei vorgege- benen Randbedingungen aus Millionen von Varianten die objektiv beste Lösung. Weltweit führend bei den Tools IAV berät seine Kunden und unterstützt sie da- bei, die zunehmende Komplexität der An- triebsstränge zu beherrschen. Dafür nutzen die Experten eine Toolkette, in die jahrzehntelan- ge Erfahrungen eingeflossen sind und die sich in vielen Kundenprojekten bewährt hat. Die Antriebsstrangsynthese analysiert zunächst Millionen unterschiedlicher Optionen und lie- fert daraus die Antriebskonfigurationen, die ob- jektiv den Kundenvorgaben am besten ent- sprechen. Weiterhin können mit einem spe- Erkennen Analysieren Bewerten Dokumentation ziellen Baukastentool Kombinationen von An- und Freigabe trieben für verschiedene Fahrzeuge und Märk- Kohärente Fahrbarkeitsanalyse, Validierung und Dokumentation te untersucht werden, woraus sich optimierte Antriebsbaukästen für eine ganze Flotte ab- leiten lassen. Danach kommen die Spezialwerkzeuge für die einzelnen Komponenten zum Einsatz: Syn- thesetools für Verbrennungsmotor, E-Ma- schine und Getriebe. „Wir durchforsten immer den gesamten Lösungsraum und finden so den besten Antriebsstrang“, sagt Dr. Christoph Danzer, Teamleiter bei IAV. „Dabei berück- sichtigen wir unterschiedliche Auslegungs- und Technologiekombinationen von Komponenten und berechnen damit die Eigenschaften in ver- schiedenen Fahrzyklen wie dem WLTP. Gleich- zeitig behalten wir die Kosten, die Fahrleis- tungen und die Modularität der Antriebslö- sungen im Blick.“ Am Ende stehen Lösungen, die objektiv be- wertbar sind und ein hohes Maß an Transpa- renz in puncto Anforderungen, Technik und Kosten aufweisen. „Früher hat man die ein- zelnen Komponenten separat optimiert. We- gen der strengen gesetzlichen Vorgaben muss man heute das Gesamtsystem be- trachten. Hier sind wir weltweit führend und ent- sprechend erfolgreich auf dem Markt“, so Danzer. Kontakt: joerg.mueller@iav.de jens.liebold@iav.de klaus.von.rueden@iav.de IAV Powertrain 2025+ christoph.danzer@iav.de
14 Fokusthema | automotion Viele Wege zur CO2-neutralen Mobilität Die IAV-Mobilitätssynthese erlaubt den objektiven Vergleich von Zukunftsszenarien D ie Mobilität der Zukunft muss CO2- Energiebranche – viele Wechselwirkungen Kundenspezifische Akzeptanz- neutral sein. Darüber sind sich die Ex- und Abhängigkeiten. Ein Flottenbetreiber kennzahl perten einig. Aber welche Bedeutung könnte vor der Frage stehen, ob er für seine werden einzelne Antriebsvarianten und Mo- Fahrzeuge Tankstellen für erneuerbare Kraft- „Um ein konkretes Zukunftsszenario be- bilitätslösungen haben? Was muss bei den stoffe oder Strom installieren soll und wo in Zu- trachten zu können, müssen all diese Einflüsse Fahrzeugen, den Kraftstoffen und bei der In- kunft Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor über- mit ihren Trends und Rückwirkungen einge- frastruktur getan werden, um die Emissi- haupt noch fahren dürfen. Ein Infrastruktur- rechnet werden“, sagt Dr. Bernd Becker, der onsziele zu erreichen? Mit der IAV-Mobili- betreiber muss entscheiden, wo er Ladesta- das Team Fuels und Future Mobility bei IAV lei- tätssynthese lassen sich Szenarien ableiten tionen oder Tankstellen aufbaut – dicht genug tet. „Zentrales Element ist dabei immer der und Planungen auf eine objektive Basis stel- für die Kunden, aber nicht mit überhöhten In- Kunde, der sein Mobilitätskonzept innerhalb len. vestitionskosten verbunden. Einen Hersteller der verfügbaren Antriebe und Kraftstoffe bzw. von E-Fuels interessiert es sehr, welche Men- Energieträger auswählt. Für seine Fahrstrecken Neben den rein technischen Randbedingun- gen seiner Produkte er absetzen kann. Und die entscheidet er, womit er vorzugsweise mobil gen muss die Mobilität der Zukunft auch die Politik steht vor der Frage, mit welchen Maß- ist.“ Daraus ergeben sich Tankzeiten, Umwe- Wünsche der Kunden berücksichtigen. „Sie nahmen sie die größte Wirkung in puncto ge und Mobilitätskosten für die zurückge- spielen eine zentrale Rolle, und die Fahrzeuge Emissionsreduzierung erzielt. legten Strecken sowie die Auswirkungen auf müssen ihren Bedürfnissen entsprechen“, die Umwelt. Die jeweilige Mobilitätswahl wird sagt Ralf Tröger von Consulting4Drive, der Ma- Die IAV-Mobilitätssynthese berücksichtigt die in einer kundenspezifischen Akzeptanzkenn- nagement- und Innovationsberatung von IAV. Fragen aller Gruppen und ermöglicht es, ver- zahl zusammengefasst. Sie gibt Auskunft „Darum bezieht die IAV-Mobilitätssynthese ne- schiedene Szenarien schnell und objektiv darüber, wie stark neue Technologien und ben technischen Randbedingungen immer miteinander zu vergleichen. Die Idee dahinter: Kraftstoffe den Markt durchdringen können. auch die Kundenpräferenzen mit ein – etwa die Geht man von bestimmten Annahmen über die Zahl der zumutbaren Tankstopps oder die gefahrenen Strecken, die Fahrweise, die ge- Das wiederum hat Folgen für die CO2-Redu- typischerweise zurückgelegten Strecken.“ nutzten Antriebe und die verwendeten Kraft- zierung, denn erneuerbar produzierte Ener- stoffe aus, lassen sich daraus Kennzahlen wie gieträger ermöglichen eine signifikante Emis- Dabei gibt es zwischen den betroffenen Sek- Energieverbrauch und die CO2-Emissionen sionsreduktion. Neben der batterieelektri- toren – neben der Mobilität vor allem die berechnen. schen Mobilität gehören dazu auch regenerativ hergestellter Wasserstoff sowie Bio- und PtX- Kraftstoffe (Power-to-X). Der Energiebedarf für ein bestimmtes Szenario errechnet sich aus Datenbasis Modellbasierte Veränderungstrends der Nutzungsart, den kundenspezifischen Szenarienentwicklung Fahrstrecken, den vorhergesagten Verbräu- • Fahrzeugbestand • Urbanisierung • Neuzulassungen Mobility r 0DUNWKRFKODXILQGHU chen und dem Energiegehalt der jeweiligen • Energieträger E-Mobilität Energieträger. „Dabei berücksichtigen wir die • Strommix • Potenziale in der Wirkungsgradketten der Erzeugung“, so Trö- (Ʊ]LHQ]VWHLJHUXQJ • Flottengrenzwerte Tank-to-Wheel ger. „Aus dem Strom zum Laden, dem Was- • Shared mobility • Fahrleistung serstoff und der PtX-Herstellung resultiert • Ausbau erneuerbarer • Mittlerer Verbrauch der Bedarf an erneuerbarer Energie für die Mo- Energien • COǍ-Einsparpotenzial Well-to-Tank bilität.“ • Gesetzgebung r 5RKVWRƬEHGDUI • Auslastung der r )DKUSURƮO ,QIUDVWUXNWXU Das Verhältnis von E-Fuels und Strom ergibt sich aus der Kundenakzeptanz: Kurze urbane Stre- cken sind leichter elektrisch zurückzulegen. Höhere Kilometerleistungen werden künftig r %LODQ]LHUXQJVSH]LƮVFKHU.HQQ]DKOHQ hingegen vorzugsweise mit Brennstoffzellen r 7HFKQRORJLHUDQNLQJ%HGDUIVSODQXQJ oder PtX-Kraftstoffen bewältigt. Die genaue Auf- • Erarbeitung von Lösungsansätzen teilung hängt natürlich von den zukünftigen
Randbedingungen ab, woraus sich eine Un- kann man bis auf wenige Prozente CO2- te nicht sicher vorhergesagt werden. Mit schärfe bei der Zusammensetzung der Antei- Neutralität erreichen“, so Becker. „PtX-Kraft- der IAV-Mobilitätssynthese besteht aber die le von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, stoffe haben zudem das Potenzial, die Fahr- Möglichkeit, verschiedene Szenarien sowie E-Antrieb und Brennstoffzelle ergibt. zeugflotte schneller zu durchdringen.“ In ei- deren Auswirkungen auf alle betroffenen In- nem solchen Szenario hätte der Verbren- teressengruppen miteinander zu verglei- Künftige Bedeutung des Verbren- nungsmotor auch künftig noch eine große chen. Das schafft die Grundlage für Ent- nungsmotors Bedeutung für die Mobilität. Der Primär- scheidungen bei OEMs und Energieversor- energiebedarf für diesen Pfad ist allerdings gern sowie in der Politik. Davon hängen aber die nötigen Investitionen deutlich höher, wobei perspektivisch PtX- in neue Infrastruktur ab. Bei einem höheren Kraftstoffe auch sehr gut mittels Importen zur Kontakt: PtX-Anteil benötigt man weniger Batterieka- Verfügung gestellt werden können. bernd.becker@iav.de pazitäten, was die Emissionen während ihrer r.troeger@consulting4drive.com Produktion verringern würde (LCA-Betrach- Welche der zahlreichen Möglichkeiten für tung). „Für den Klimaschutz wäre diese Al- einen künftigen Antriebs- und Mobilitätsmix ternative sehr attraktiv, denn mit E-Fuels sich in Zukunft durchsetzen wird, kann heu-
16 Fokusthema | automotion „Die Verkehrswende wird vorrangig Matthias Kratzsch, IAV-Geschäftsführer Technik, über die Herausforderungen einer CO2-neutralen Mobilität M atthias Kratzsch, Geschäftsführer Technik bei IAV, spricht im automo- tion-Interview über die Frage des zu- künftigen Energiesystems, regenerative Ener- gieträger im Verkehr und die Notwendigkeit schneller Entscheidungen seitens der Politik. Herr Kratzsch, bislang hinkt der Verkehrs- sektor deutlich hinter den Klimaschutzzielen hinterher. Ist das Elektroauto die Lösung? Matthias Kratzsch: Bisher gelten hierzulande wie nahezu überall auf der Welt Flottenemissions- ziele, die auf einer Tank-to-Wheel-Betrachtung beruhen. Das ist zu kurz gesprungen. Um den Weg in Richtung Klimaneutralität zu gehen, müssen wir die Primärenergie von fossilen Rohstoffen auf erneuerbare Quellen umstel- len. Das bedeutet: Um im Verkehrssektor die Emissionsziele umzusetzen, muss man einen Umweg über die Energiewende gehen. Das hat Vorrang vor der Frage, welcher Energie- Matthias Kratzsch, IAV-Geschäftsführer Technik träger und welche Antriebsart im Verkehr eingesetzt werden. Kratzsch: Ehrlich heißt, die Kapazitäten für Wasserstoff zu Methan und nutzt dafür das CO2 Es geht Ihnen also gar nicht darum, wie viel CO2 Erzeugung und Speicherung so auszulegen, aus der Atmosphäre oder von großindustriellen die Fahrzeuge ausstoßen? dass wir Dunkelflauten überstehen, in denen CO2-Emittenten. Für die Methanspeicherung sehr wenig Solar- und Windenergie zur Verfü- kann man die Erdgasinfrastruktur in Deutsch- Kratzsch: In der Tat ist das wichtigste Ziel gung steht. Es kann nicht sein, dass wir bilan- land sofort einsetzen. Ergänzend zu diesen so- nicht, die Tank-to-Wheel-CO2-Emissionen zu ziell vollständig auf Grünstrom umstellen, zeit- fort umsetzbaren Pfaden besteht auch die vermindern, sondern den CO2-Gehalt in weise jedoch Atom- oder Kohlestrom aus Möglichkeit, Flüssigkraftstoffe mithilfe des der Atmosphäre möglichst wenig ansteigen dem Ausland zukaufen. Wenn wir diesen ehr- Wasserstoffs und des CO2 herzustellen. All zu lassen. Dafür ist nicht der Emissionswert lichen Schritt gehen wollen, brauchen wir diese Pfade können dazu dienen, das batte- im Jahr 2050 relevant, sondern die Ge- Speicherkapazitäten, die in Deutschland we- rieelektrische Fahrzeug zu ergänzen. samtmenge, die bis dahin in die Atmo- der über Batterien noch über Pumpspeicher- sphäre gelangt – anders formuliert: Das In- werke im notwendigen Maßstab gedeckt wer- Wie schnell können wir die dafür notwendige tegral zählt. Wenn wir den CO2-Gehalt zum den können. Wir müssen also an andere Spei- Energie-Infrastruktur schaffen? Maßstab machen, kann es zum Beispiel im chermedien denken, die langfristig funktio- Sinne des Klimaschutzes interessant sein, nieren und es erlauben, Überschüsse aus Kratzsch: Bis die gesamte Energieversorgung CO2 aus der Luft zu entnehmen, um damit dem Sommer in den Winter zu ziehen. Diese eines Landes umgebaut ist, vergehen Jahr- Wasserstoff zu karbonisieren. Speicherkapazitäten sind übrigens auch aus zehnte. Wichtig ist deshalb, dass wir schnell Ent- Gründen einer Netzstabilisierung notwendig. scheidungen darüber treffen, wie das Energie- Welche Richtung muss die Energiewende system langfristig aussehen soll. Denn erst nehmen, damit der Verkehrssektor einbezo- Welche Wege sehen Sie dafür? auf dieser Basis können wir Entscheidungen da- gen werden kann? rüber treffen, wie wir Investitionen in regenera- Kratzsch: Die nächstliegende Lösung besteht tive Energieträger im Verkehr anstoßen. Kratzsch: Es geht darum, den im Verkehr ent- darin, überschüssigen Strom per Elektrolyse für stehenden Energiebedarf durch entspre- die Wasserstoffherstellung zu nutzen. Der Was- Wir wissen aber doch noch gar nicht, für wel- chende Kapazitäten an regenerativer Erzeu- serstoff kann auf zwei Wegen gespeichert che Antriebe sich Kunden zukünftig ent- gung zu decken. Dabei sollten wir ehrlich werden: Entweder in großindustriellen Spei- scheiden. rechnen. chern, um ihn in Zeiten der Dunkelflaute über Gaskraftwerke oder Brennstoffzellen zurück Kratzsch: Antriebskonzepte werden sich dann Was bedeutet „ehrlich“ in diesem Kontext? zu verstromen. Oder man karbonisiert den durchsetzen, wenn sie die Mobilitätsbedürfnisse
automotion | Fokusthema 17 von der Energiewende bestimmt“ der Kunden befriedigen. Dazu gehören die Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, den Verbren- fen – deshalb veranstalten wir das Symposium Verfügbarkeit sowie niedrige spezifische Kos- nungsmotor parallel weiterzuentwickeln? 2019 erstmals gemeinsam mit dem Verband ten über den gesamten Lebenszyklus. Unsere der Automobilindustrie (VDA). Wichtig ist uns, Untersuchungen zeigen, dass sich die Le- Kratzsch: Im ländlichen Raum und im interurbanen den Dialog nicht nur zwischen Ministern und Vor- benszykluskosten für batterieelektrische, Brenn- Verkehr sehen wir im Wesentlichen zwei Alter- ständen zu führen, sondern auf den Ebenen, auf stoffzellen- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge künf- nativen für klimaneutralen Individualverkehr: die denen Gesetze und Investitionsentscheidungen tig vermutlich nicht deutlich unterscheiden, Brennstoffzelle, was den Aufbau einer Wasser- vorbereitet werden. Denn mein Motto lautet: wenn man alle Steuern und Abgaben heraus- stoffinfrastruktur voraussetzt, oder einen mit Man kann Menschen zu fast allem bewegen, rechnet. Für die Akzeptanz des Kunden ist synthetischen Kraftstoffen betriebenen Plug- wenn sie genau verstanden haben, warum et- also entscheidend, welche Energieträger ihm zu in-Hybrid. Analog gilt das übrigens für den Stra- was wichtig ist. welchen Preisen zur Verfügung stehen und ßengüterverkehr. Deshalb verfolgen wir das Ziel, wie der Staat diese Energieformen künftig be- den mittleren Wirkungsgrad des Verbrennungs- Herr Kratzsch, vielen Dank für das Gespräch! steuert. Hierzu brauchen wir rasch Richtungs- motors so weit zu erhöhen, dass der Primär- entscheidungen, damit es nicht zu Fehlinves- energiebedarf um rund ein Viertel sinkt. An ent- Das Interview führte Johannes Winterhagen. titionen kommt. sprechenden Technologien arbeitet IAV aktuell. Indirekt spiegeln sich in den Lebenszykluskosten Während insgesamt die F&E-Mittel für Ver- für den Kunden auch die CO2-Vermeidungskos- brennungsmotoren in der Branche zurückge- ten. Diese sind aber doch aktuell durch die reine fahren werden … Tank-to-Wheel-Betrachtung verzerrt. Kratzsch: Das gilt nur für Deutschland! In Japan Kratzsch: Auch hier spielt die Regulierung arbeitet man an Hightech-Motoren mit einem eine entscheidende Rolle. Wir brauchen drin- Spitzenwirkungsgrad von 50 Prozent. Von chi- gend den Schwenk von einer Betrachtung der nesischen Kunden hören wir mittlerweile: Wir Flottenemissionen hin zu einer Well-to-Wheel- wollen einen Motor, der so sparsam wie ein ja- Analyse oder gar einem Life Cycle Assess- panischer ist. Meiner Meinung nach müssen wir ment, das die durch die Produktion entste- sehr aufpassen, den Anschluss an die Welt- henden Emissionen berücksichtigt. Das The- spitze nicht zu verpassen. Das gilt auch für die Antriebe der Zukunft ma wird in der Europäischen Union bereits für universitäre Ausbildung, in der es weiterhin die Zeit ab 2030 diskutiert. Mit dem Zeitpunkt wichtig bleibt, Lehrstühle für Verbrennungs- 3. und 4. Dezember 2019 in Berlin an sich können wir gut leben, wichtig ist aber, motoren zu besetzen. dass wir frühzeitig Sicherheit darüber haben, Die Automobilindustrie ist Mitgestalter um in entsprechende Entwicklungen inves- Welche Anteile erwarten Sie für welche An- eines tief greifenden Transformati- tieren zu können. triebsformen im Jahr 2050? onsprozesses der Mobilität. Politisch- gesellschaftliche sowie wirtschaftlich- technische Faktoren bilden die Grund- Welche Entwicklungsschwerpunkte sehen Kratzsch: Das hängt von politischen Ent- lage dieses Prozesses. Im Gespräch Sie vor diesem Hintergrund für batterieelek- scheidungen, technischen Weiterentwicklungen sind eine Vielzahl von Mobilitätskon- trische Fahrzeuge? und vom Kaufverhalten der Kunden ab. In der zepten und Antriebslösungen, die die Realität erwarten wir Mischszenarien. Um die Ge- gesellschaftlichen und ökologischen Kratzsch: Für reine Elektrofahrzeuge steht samtwirkung auf den Energiebedarf und die Ansprüche erfüllen und neue Mög- lichkeiten der Digitalisierung nutzen. ganz klar die Reduktion der Batteriekosten im CO2-Emissionen aus dem Verkehr abschätzen Fokus. Auch die volumetrische Energiedich- zu können, haben wir ein Softwarewerkzeug ent- Das Berliner Antriebsstrangsymposium te ist weiterhin ein Thema. Deshalb engagiert wickelt: die Mobilitätssynthese. Sie ist sozusa- am 3. und 4. Dezember 2019 in Berlin sich IAV im Verbundforschungsprojekt EM- gen eine konsequente Weiterentwicklung der bietet die Möglichkeit, mit Vertretern BATT. Und nicht zu vergessen: die Festkör- Antriebsstrangsynthese auf einem höheren der Politik und Top-Entscheidern der perbatterie, die derzeit bei einigen Herstellern Systemniveau. Automobilindustrie die Mobilität von morgen zu diskutieren. intensiv erforscht wird. Für Plug-in-Hybride müssen zudem die C-Raten erhöht werden, Im Dezember 2019 veranstalten Sie wieder das Vertreter der Politik sowie Konzerne wie also die maximalen Entladeleistungen in Re- Berliner Antriebsstrangsymposium. Was er- Mazda, Shell und Volkswagen werden lation zur Nennkapazität des Akkus. Ansons- hoffen Sie sich davon? mit Beiträgen dabei sein. ten bleiben kleinere Batterien dauerhaft ver- hältnismäßig teuer. Kratzsch: Unser Ziel besteht darin, ein Dialog- Kontakt: lars.gamasin@iav.de forum zwischen Politik und Wirtschaft zu schaf-
18 Fokusthema | automotion Technologiebausteine für künftige Verbrennungsmotoren Die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors ist wesentlich für eine klimaneutrale Mobilität 2050 D eutlich höhere mittlere Wirkungs- Bausteine für künftige Ottomotoren dem System auch Abgaswärme zugeführt grade und Schadstoffemissionen auf werden und anschließend mithilfe eines Kol- „Zero Impact“-Niveau: IAV entwickelt Bereits heute bestechen Ottomotoren auf- ben-Dampf-Expanders nutzbar gemacht wer- Technologiebausteine für den Verbren- grund ihrer stöchiometrischen Betriebsführung den. Erste Untersuchungen bei IAV zeigen nungsmotor der Zukunft. in Verbindung mit einem vergleichsweise ein- ein WLTP-Verbrauchspotenzial von rund 15 fachen Abgasnachbehandlungssystem im Prozent. Auf dem Weg in eine klimaneutrale An- betriebswarmen Zustand mit äußerst niedrigen triebswelt spielt ein guter alter Bekannter eine Schadstoffemissionswerten. Ist das Abgas- Effizienzsteigerungen sind vor allem durch Schlüsselrolle: Der Verbrennungsmotor, der nachbehandlungssystem jedoch nicht auf eine Verringerung der Selbstzündneigung zu heute die dominierende Antriebsart im Stra- Betriebstemperatur, so werden die Schad- erzielen, wobei die damit einhergehende Mög- ßenverkehr darstellt. Denn zum einen steigt stoffemissionen unbehandelt in die Umwelt lichkeit zur Erhöhung der geometrischen Ver- trotz wachsender Marktanteile alternativer entlassen, was bei jedem Kaltstart oder dem dichtung weitere deutliche Potenziale im ge- Antriebe die absolute Anzahl produzierter Wiederstart in einem hybriden Antriebsstrang samten Kennfeld erschließt. Hierzu arbeitet IAV Verbrennungsmotoren derzeit weiter an, der Fall ist. Derzeit verfolgt IAV mehrere An- bereits seit langem an der Realisierung eines zum anderen besteht die Option, Lang- sätze, um ein rasches Aufheizen des Abgas- Brennverfahrens mit Einspritzdrücken größer streckenmobilität mit synthetischen Kraft- nachbehandlungssystems sowie ein niedriges 1000 bar. In Verbindung mit einer angepass- stoffen klimaneutral zu gestalteten. Aus Schadstoffrohemissionsniveau mit minimalem ten Einspritzstrategie lassen sich hier deutli- Sicht von IAV gehört die Weiterentwicklung Energieeinsatz zu ermöglichen. Als besonders che Potenziale ausweisen. des Verbrennungsmotors daher zu den zen- interessant erweisen sich dabei beispielswei- tralen Aufgaben der Antriebsentwicklung. Da- se die Vorkonditionierung des Kraftstoffs, Als im Rennsport erprobte Methode eignet sich bei sind weitere Effizienzsteigerungen ge- etwa durch beheizte Einspritzdüsen, sowie die die Vorkammerzündung über eine Verringerung nauso wichtig wie das Erreichen eines „Zero Wärmekapselung des kompletten Verbren- der Klopfneigung zur Erzielung einer deutlichen Impact“-Emissionsniveaus. nungsmotors. Letztere ermöglicht es, Rest- Wirkungsgradsteigerung. Wird diese aktive wärme aus vorangegangenen Fahrtabschnit- ausgeführt, so hat sie zusätzlich den Vorteil, Derzeit in den Markt eingeführte Ottomo- ten möglichst lange im Motor zu halten. dass im Zylinder selbst eine hohe Luftver- toren erzielen bereits Spitzenwirkungsgra- dünnung des Gemisches erreicht werden de von circa 38 Prozent, Pkw-Dieselmoto- Für eine effiziente Umsetzung der im Kraftstoff kann, ohne die Stabilität des Verbrennungs- ren sogar bis zu maximal 46 Prozent. Aller- enthaltenen Energie ist es notwendig, die ablaufes zu gefährden. dings spielen diese im besten Kennfeldbe- Wärmeverluste über die Zylinderwände mög- reich erreichten Werte für den Betrieb in Kun- lichst gering zu halten. Allerdings besteht Bausteine für Dieselmotoren denhand nur eine untergeordnete Rolle: gleichzeitig die Anforderung, dass die Wärme Hier kommen aktuelle Motoren auf Werte bei hohen Lasten schnell abgeführt werden Der Dieselmotor weist per se eine sehr hohe Ef- von 25 (Ottomotor) bis 29 Prozent (Diesel- kann, um Selbstzündungen im Gemisch und fizienz auf. Allerdings ist es für die zukünftige Ak- motor). Um im Realbetrieb mittlere Be- damit einer ggf. vollständigen Zerstörung des zeptanz dieses Antriebs unumgänglich, auch für triebswirkungsgrade von 40 Prozent zu er- Motors vorzubeugen. Eine Lösung dieses Stickoxide einen „Zero Impact“- Emissions- reichen, müssen künftige Ottomotoren Spit- Zielkonflikts ist über eine Phasen-Wechsel- wert zu erreichen. Die Herausforderung beim zenwirkungsgrade von 45 bis 50 Prozent auf- Kühlung zu erreichen. Die Kühlleistung eines Einsatz heutiger Abgasnachbehandlungs- weisen. Für Dieselmotoren liegt der Zielwert solchen Systems wird deutlich erhöht, da das technologien besteht weniger im Erreichen für den Spitzenwirkungsgrad nochmals um Kühlmittel bei hohen Leistungsanforderun- minimaler Emissionswerte in typischen Stan- zwei bis drei Prozent höher. Die dafür ein- gen durch einen Phasenwechsel zusätzliche dardfahrzyklen als vielmehr darin, unter allen Be- zusetzenden Technologiebausteine ent- Energie aufnehmen kann. Auf gleichem Weg dingungen im Realbetrieb sehr niedrigere wickelt IAV derzeit. kann durch eine entsprechende Erweiterung Grenzwerte zu erreichen.
automotion | Fokusthema 19 Schwierig ist dies vor allem in Bereichen sehr ho- der drosselfreien Füllungssteuerung ermöglicht. morisch, ist zudem immer der mögliche Betrieb her und sehr niedriger Motorlast. Bei sehr ho- Wo dies nicht ausreicht, wie zum Beispiel direkt mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen her Last – insbesondere wenn sehr kleine Mo- nach dem Motorkaltstart, erweist sich die An- zu berücksichtigen. Angesichts der weiter toren in relativ großen und schweren Fahrzeu- hebung der Abgastemperatur als probates wachsenden Anzahl des Bestandes an Fahr- gen zum Einsatz kommen – erhöhen sich die Mittel, etwa durch den Einbau eines beheizba- zeugen mit Verbrennungsmotor ist neben Emissionen stark, wenn die Raumgeschwin- ren Katalysators. Elektrifizierung und Hybridisierung die Wei- digkeit im Katalysator zu groß und die Abgas- terentwicklung des Verbrennungsmotors so- rückführraten zu niedrig werden. Grundsätzlich Zudem besteht die Möglichkeit, die nach dem wie die Nutzung CO2-neutraler Kraftstoffe schafft hier nur eine angemessene Dimensio- Motorstart entstehende Stickoxid-Rohemis- entscheidend, um eine weitgehend klima- nierung von Motor und Abgasreinigungssystem sion durch aktive NOx-Speicherkatalysatoren neutrale Mobilität im Jahr 2050 zu erreichen. Abhilfe, ebenso wie Tandem SCR-Systeme mit bzw. passive NOx-Adsorber zu puffern. Da die Und auf dem Weg dorthin könnten diese kli- zwei AdBlue Dosierstellen. im Abgas enthaltene Energie bei Verwendung maneutralen synthetischen Kraftstoffe als mehrstufiger Aufladesysteme stark abnimmt, „Drop-in“ Lösung sofort nach Verfügbarkeit zu Direkt nach dem Motorkaltstart und bei Fahr- werden Alternativen wie die einstufige Aufladung einer deutlichen CO2-Reduktion in der neuen ten mit geringer Motorlast ist es vor allem die zu mit elektrischem Zusatzverdichter attraktiv. und bestehenden Flotte führen – die Aner- niedrige Abgastemperatur, die den Entwicklern kennung der CO2-reduzierenden Wirkung Sorgen bereitet. Das Abgasreinigungssystem Schwerpunkte muss allerdings kurzfristig legislativ festge- ist noch zu kalt bzw. kühlt in der Folge schwach- schrieben werden. lastigen Fahrbetriebs aus und erreicht nicht Die genannten Technologiebausteine stellen mehr die gewünschten Konvertierungssraten. nur einen Ausschnitt aus den verfügbaren Kontakt: Eine Schlüsseltechnologie zur Absenkung der Optionen dar, die durch eine sinnvolle Kombi- matthias.kratzsch@iav.de NOx-Emission unter diesen Bedingungen ist das nation zu effizienteren „Zero Impact“-Antrieben marc.sens@iav.de aktives Zylindertemperaturmanagement, das führen können. Bei der Weiterentwicklung des maximilian.brauer@iav.de eine gute AGR-Verträglichkeit und den Einsatz Verbrennungsmotors, ob diesel- oder otto- r.troeger@consulting4drive.com
20 Fokusthema | automotion EMBATT-goes-FAB Neue Batterietechnologie nimmt nächste Stufe in Richtung Industrialisierung B essere Batterien für höhere Reich- sortium die Industrialisierung der neuen Bat- aus aufeinandergestapelten, seriell verschal- weiten von Elektrofahrzeugen – dies terien voran. teten Elektroden. „Auf einem gemeinsamen ist der Anspruch der Technologie- Elektrodenträger sind die Aktivmaterialien für entwicklung „EMBATT“. Ihr Ziel ist eine grö- Das Besondere an der EMBATT-Technologie die Kathode der Batterie und umseitig die ßere Volumenausbeute, die zu Reichweiten ist die Zusammenführung von Plattform und Aktivmaterialien für die Anode aufgebracht“, er- von bis zu 1.000 Kilometern mit einer Ladung Batterie: Bipolar aufgebaut, bestehen die Bat- klärt Michael Clauß, Entwicklungsingenieur führen soll. Seit Mitte 2018 treibt das Kon- teriezellen – ähnlich wie Brennstoffzellen – bei IAV. „Die einzelnen Lithium-Ionen-Zellen sind
automotion | Fokusthema 21 nicht mehr separat in Aluminiumgehäusen Neue Fertigungsanlage im Technikum ben wir Muster aufgebaut und gezeigt, dass die verpackt. Stattdessen bekommt nur der ferti- Technologie funktioniert“, sagt Clauß. „Neben ge Elektrodenstapel eine feste Umhausung.“ Das wollen IAV und seine Partner Daimler AG, dem Volumen und Gewicht der Batterie ent- Dadurch fallen zahlreiche Gehäusebauteile thyssenkrupp System Engineering GmbH scheiden die Kosten über den Erfolg am Markt. und Verbindungselemente weg, was Kosten und Fraunhofer IKTS nun ändern. Seit Mitte Wir wollen zeigen, dass EMBATT neben dem Vo- und Platz im Fahrzeug spart. Dieser frei ge- 2018 arbeiten sie im Projekt „EMBATT-goes- lumen- auch einen Kostenvorteil bietet.“ wordene Raum lässt sich mit zusätzlichem Ak- FAB“ daran, die vielversprechende neue Tech- tivmaterial füllen – wodurch die Batterie mehr nologie auf die nächste Reifestufe zu heben. Interessenten für Pilotanlage gesucht Energie speichern kann und die Reichweite des Wurden die Batterien bisher auf kleinen An- Fahrzeugs steigt. Genau darin besteht der lagen gefertigt, sollen nun im thyssenkrupp- Das Projekt „EMBATT-goes-FAB“ läuft noch bis Reiz von Lithium-Ionen-Bipolarbatterien, die Technikum in Pleißa bei Chemnitz größere Ma- Ende 2020. Schon jetzt macht sich Clauß bislang nur im kleineren Labor- und Techni- schinen für die einzelnen Prozessschritte Gedanken über die nächsten Schritte: „Wir su- kumsmaßstab (300 x 400 [mm²]) angefertigt zum Einsatz kommen. „Zwei der neuen Ma- chen Interessenten für den Bau einer Pilotlinie, und untersucht wurden. schinen werden in Betrieb genommen, die drit- auf der größere Zellen gefertigt werden kön- te wird Ende 2019 aufgebaut“, berichtet Clauß. nen. Diese könnten wir in reale Fahrzeuge in- „Anfang 2020 wollen wir so weit sein: Dann tegrieren und so die Technologie in der Praxis können wir ausgehend von den beschichte- testen.“ Danach könnte die Serienproduktion ten Elektroden komplette Stacks mit mehr als starten. zehn produzieren.“ Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, Auch das Format der Zellen wird größer: Die denn EMBATT kommt den aktuellen Trends bei bisherigen Prototypen maßen 30 mal 40 Batterien entgegen: Die Zellen werden größer, Zentimeter, künftig sollen sie 30 mal 100 und die Energie pro Zelle nimmt zu – genau das Zentimeter groß sein. Damit sind sie bereits ist das Ziel des Forschungsprojektes. Zudem sehr viel näher an den Abmessungen der Se- steigt das Interesse an Festkörperelektrolyten, rienbauteile, die bei 60 mal 100 Zentimetern, etwa aus Keramik, Sulfiden oder Polymeren. 100 mal 100 Zentimetern oder sogar darüber Auch für sie ist EMBATT bestens geeignet. hinaus liegen dürften. Eine große He-raus- forderung ist die gleichmäßige Kühlung der „Wir optimieren nicht nur einzelne Kompo- Zellen. „Wir müssen die Temperatur bis auf we- nenten, sondern verfolgen einen radikalen, dis- nige Grad im optimalen Bereich halten und ruptiven Ansatz“, fasst Clauß zusammen. „Vie- eine homogene Temperaturverteilung errei- le OEMs und Tier-1-Zulieferer sind an unserer chen“, so Clauß. „Darum arbeiten wir daran, die Arbeit interessiert.“ Und nicht nur sie: Auch für Wärme von überall in den Zellen abzuführen die Hersteller von Solarbatterien oder Handy- und die Wärmekapazität der Fahrzeugplatt- Akkus ist die neue Technologie attraktiv. form zu nutzen.“ Kontakt: Gemeinsam mit der Daimler-Vorentwicklung michael.clauss@iav.de beschäftigen sich die IAV-Experten zudem mit www.embatt.de der Anbindung der Batterie an das Batterie- managementsystem. Grundlage dafür ist ein virtuelles Fahrzeug, das mit EMBATT ausge- stattet ist und mit dessen Hilfe das Konzept im Detail entwickelt wird. Dabei haben die Inge- nieure immer ein Ziel vor Augen: 80 Prozent Volumenausbeute als Grundlage für bis zu 1.000 Kilometer Reichweite mit einer Batte- rieladung. Neben technischen Fragen beschäftigt sich IAV auch mit dem ökologischen Fußabdruck von der Batterie sowie den späteren Kosten. „Bisher ha-
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