125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet

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125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 JOOR
Eine Beilage der Basler Zeitung.   Donnerstag, 15. November 2018
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Jahre
Emotionen pur.
Happy Birthday, FC Basel 1893!

                                                         S H I R T
                   Ä U M                               S
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125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Joor FC Basel.                                                                                                                                                | Donnerstag, 15. November 2018 | Seite 3

30 von 125 Jahren im Hochofen der Emotionen: Der FCB ist Lebensgefühl und Kulturgut einer Stadt und ihrer Region

Ein Gruss aus der Fünfliberbüchse
Von Marcel Rohr
                     1. November 1988.
                     Der ausgebildete
                     Speditionsfach-
                     mann und frisch
                     entlassene Bankan-
                     gestellte steht unter
                     der Redaktionstür
                     des doppelstab und
                     sucht sein Pult.
                     Chefredaktor
Martin Herter, Gott hab ihn selig,
raunzt nach ein paar Minuten: «Die
schlechten Journalisten hocken im
Büro, die guten gehen raus – also, was
machst du hier?» So verkrümelt sich
Volontär Rohr gleich an seinem ersten
Arbeitstag auf den Landhof und starrt
den Spielern des FC Basel Löcher in die
Stulpen. Die Helden von damals heis-
sen Uwe Dittus, Enrique Mata und Pat-
rick Rahmen, doch es sind gefallene
Helden, weil sie vier Monate zuvor in
die NLB abgestiegen sind.
    Der Trainer ist Urs Siegenthaler. Ihn
touchiere ich ein erstes Mal ein paar
Wochen später auf dem Claraplatz. Der
FC Basel hat über zwei Millionen Fran-
ken Schulden, Spieler und Trainer bet-
teln mit einer Sparbüchse in der Hand
abwechselnd die Passanten an: «Hesch
fünf Schtutz für d Vereinskasse?» Mein
erster Aufmacher im doppelstab wird
eine knackige Schlagzeile.
    Meine Gegner auf der Redaktion
heissen Genitiv, Dativ und Inter-
punktion, die Gegner des FC Basel
kommen aus Baden, Emmenbrücke,
Glarus und Etoile Carouge. Vor den
Auswärtsspielen betet Gusti Nuss-
baumer, schon damals die gute Seele
des Vereins, dass der Benzintank des
Teambusses voll ist; Siegenthaler
musste die Karre einmal persönlich
über die Wettsteinbrücke schieben,
weil der Club kein Geld mehr für den
Sprit hatte. Warmes Wasser in der
Garderobe ist ein Luxus.

Sali Sigi, Grüss Gott Ernst-August
    In seinem ersten NLB-Jahr verpasst
der FC Basel den sofortigen Wiederauf-
stieg kläglich. Der Konkurs kann im
letzten Moment verhindert werden,            Wenige Wochen vor dem Aufstieg. Im April 1994 kommen 42 126 Fans ins Joggeli, um das Spiel zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich zu sehen.                    Foto Keystone
weil Bevölkerung und Gewerbe eine
Million Franken zusammengebracht             Trainer Claude «Didi» Andrey hat das         Anders als Urs Siegenthaler muss er            Baden, Emmenbrücke, Glarus und          Säulen geworden. Früher hatte er zwei
haben. Ein Gruss aus der Fünfliber-           Wunder möglich gemacht.                      nicht mit dem Kässeli auf dem Clara-       Etoile Carouge sind weit weg. Was ich       Millionen Franken Schulden, heute
büchse. Vorzuweisen hat der FCB ein-            Und jetzt, jetzt kehrt beim rot-          platz Fünfliber sammeln. Dem FCB            damals wusste: Der FC Basel ist ein ein-    investiert er zwei Millionen allein in
zig die glorreiche Vergangenheit mit         blauen Riesen die Kraft zurück. Seine        geht es finanziell deutlich besser.         zigartiges Stück Schweizer Kultur-          den Trainerstaff.
der Legende Helmut Benthaus.                 Identitätskrise hat er hinter sich. Präsi-       1999 gelingt René C. Jäggi ein         geschichte. Was ich damals nicht                Doch es ist nicht das Geld, das faszi-
    Ende 1989 ist auch Urs Siegentha-        dent Peter Epting, ein Sparpapst erster      Coup: Er holt Gigi Oeri ins Boot. Eine     wusste: In den nächsten 16 Jahren           niert, und es sind auch nicht einzig die
ler schon wieder Geschichte, Volontär        Güte, übergibt 1996 an René C. Jäggi.        Dame aus dem «Daig», der dem Club          würde ich noch 18 weitere Titel-            Erfolge, die so viele Menschen seit 125
Rohr moderiert im Gratiswochenblatt          Eine Stadt erwacht. Und ein neuer Boss       jahrelang nur die kalte Schulter           gewinne sowie insgesamt 46                  Jahren berühren. Der FCB ist Lebens-
seinen ersten Trainerwechsel. Sali Sigi,     verbreitet Visionen: neues Stadion.          gezeigt hat – das ist ein Meilenstein in   Champions-League-Spiele der Rot-            gefühl, und Gefühle lösen immer etwas
Grüss Gott Ernst-August Künnecke. Ein        Meistertitel. Champions League.              der Geschichte des Vereins. «Ja, priva-    blauen journalistisch begleiten.            aus, weil man sie nicht kaufen kann.
paar Monate nach seiner Amtsüber-                                                         tes Geld wird fliessen», sagt sie im ers-                                               Deshalb sind sie so wertvoll. Der FCB
nahme steht der Deutsche vor meiner          Für jeden Journalisten,                      ten Interview mit mir. Wieder eine         Ein Stück Kulturgeschichte                  mag ein schwieriges, kompliziertes
Schreibmaschine in der Redaktion und
knurrt: «Alles nur Bockmist im Blatt!        der den Fussball                             Schlagzeile, die an einen Zungenkuss
                                                                                          auf dem Pausenhof erinnert. Jäggi und
                                                                                                                                     2005 mein nächster und vorerst letzter
                                                                                                                                     Transfer: Vom Blick zur BaZ. Was ich
                                                                                                                                                                                 2018 haben. Er mag Fehler gemacht
                                                                                                                                                                                 und seine treuen Fans verärgert haben.
Ich will eine Aussprache mit Ihnen.»         liebt, ist der FC Basel                      Oeri sind pures Kraftfutter für einen      gelernt habe? Fussball ist schnelllebig     Doch gerade in trüben Stunden faszi-
    Was ich damals wusste: Fussball ist
verdammt schnelllebig. Was ich damals
                                             ein Volltreffer.                             Club und eine Stadt, die in der übrigen
                                                                                          Schweiz so händeringend nach Auf-
                                                                                                                                     und der FC Basel ein einzigartiges
                                                                                                                                     Stück Schweizer Kulturgeschichte, und
                                                                                                                                                                                 niert er die Massen, weil er die Men-
                                                                                                                                                                                 schen verbindet. In Sieg und Nieder-
nicht wusste: In den nächsten 29 Jah-                                                     merksamkeit lechzen. In der Politik        jetzt, ja jetzt, wird dieser Hochofen der   lage. Was ich nach 30 Jahren und 14
ren würde ich noch 20 weitere Trainer-           Nicht nur beim FCB gibt es Trans-        spielt Basel seit Jahren nur in der        Emotionen 125 Jahre alt. Aus dem fast       Tagen sagen kann: Für jeden Journalis-
wechsel beim FC Basel journalistisch         fers. Ich tausche die Schreibmaschine        2. Liga. Aber im Fussball vereint der      bankrotten Club mit dem Wellblech-          ten, der den Fussball liebt, ist der FCB
begleiten. Doch es ist halt wie beim         des doppelstab mit einer Computer-           St.-Jakob-Park gefühlt gleich alle sie-    Vordach ist ein Palast mit goldenen         ein Volltreffer. marcel.rohr@baz.ch
Zungenkuss auf dem Pausenplatz:              tastatur beim Blick. Nun müssen es           ben Bundesräte.
Das erste Mal vergisst man nie.              die grossen Buchstaben sein. An der              2002 zelebriert der FCB dann sei-      ANZEIGE
    Sechs Jahre dümpelt der FC Basel         Dufourstrasse in Zürich raunzt der Chef      nen ersten Titel der Neuzeit – für die
in der Nationalliga B. 1993 feiert er        jeden Morgen: «Hau eine Story zum            Boulevard-Gurgel aus Zürich beginnen
sein 100-Jahr-Jubiläum im kleinen            FCB raus. Der bewegt die Massen,             damit die Festspiele. Meine Gegner auf
Rahmen mit einem Festzelt auf dem            Pfeife, kapier das endlich!»                 der Redaktion sind das Ski-, das Tennis-
Barfi. Über dem alten Joggeli breitet             Als Erstes lege ich mich mit Trainer     und das Rad-Ressort, die alle mit dem
sich fast schon sportlicher Verwesungs-
geruch aus, als es 1994 endlich mit
                                             Andrey an. Er spielt sehr defensiv, also
                                             wird er zum «Beton-Didi». Doch der
                                                                                          Krisen-FCZ leiden. Die Gegner des
                                                                                          FC Basel kommen jetzt aus Liverpool,
                                                                                                                                                Die Settelen AG gratuliert
dem Aufstieg klappt. «Nie meh Nati B!»       Genfer hat einen grossen Vorteil:            Valencia und Manchester.
                                                                                                                                                   dem FC Basel 1893
Impressum                                    Die Idee dieser Beilage der Basler Zeitung
                                                                                                                                                  zum 125. Geburtstag
125 Joor FC Basel.                           125 Jahre FCB, das muss gewürdigt            an den sich die Fans längst nicht nur                           Wir sind seit vielen Jahren
                                             werden – und die Basler Zeitung hat          wegen seiner Tore erinnern. Oder mit
Eine Beilage der Basler Zeitung.
                                             damit bereits im Januar begonnen.            der Ärzte-Familie Marti (S. 10, 11). Wir                        gemeinsam unterwegs und
Verlag und Redaktion: Basler Zeitung         Alle vier Wochen gab es – immer um           haben zurückgeblickt auf die Reisen                             «chömme sicher ans Zyl!»
Redaktion: Marcel Rohr, Oliver Gut,          den 18. Tag eines Monats herum – ein         durch Europa (S. 22, 23), die Basler
Tilman Pauls, Dominic Willimann              Kapitel, das sich mit der Geschichte         Spieler in der Schweizer National-
Koordination: Ramon Misteli                  des Vereins beschäftigt hat. Es ging         mannschaft (S. 12, 13), diejenigen, die
Gestaltung: Nino Angiuli                     um die Rolle des FCB innerhalb der           hinter den Kulissen arbeiten (S. 24, 25)
                                             Stadt (S. 4, 5) oder um die Orte, die        und natürlich auch die Spieler, die mit
Fotos Front: Keystone, iStockfoto
                                             man in Basel ganz besonders mit dem          dem Verein 20 Meistertitel gewonnen
Druck: DZB Druckzentrum Bern AG
                                             rotblauen Verein verbindet (S. 6, 7). Wir    haben. In dieser Beilage sind zum
                                             haben mit grossen Namen wie Helmut           Geburtstag alle Beiträge nochmals
Basler Zeitung AG                            Benthaus (S. 18–20) oder Superstar           zum Nachlesen zusammengefasst –
Aeschenplatz 7, 4002 Basel,                  Teofilo Cubillas (S. 8, 9) gesprochen,        ob heute oder auch in einigen
Tel. +41 61 639 10 50                        aber auch mit André Sitek (S. 26–28),        Monaten. tip
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Joor FC Basel.
«Mit dem Erfolg entfachte Benthaus die
FCB-Historiker Josef Zindel weiss genau, wann der FC Basel in seiner 125-jährigen Geschichte zum

Von Oliver Gut                                 Ich wusste gleich: Da gehe ich wieder
                                               hin, obwohl ich es mir mit dem dama-
BaZ: Josef Zindel, Sie sind der FCB-           ligen Lohn von 1500 Franken kaum
Historiker, waren jahrelang der Medien-        leisten konnte. Heute lässt sich sagen:
verantwortliche des Clubs – doch noch          Es war Liebe auf den ersten Blick.
viel länger sind Sie FCB-Fan. Trotzdem       Dabei heisst es doch immer: FCB-Fan
sehe ich nirgends rotblaue Bettwäsche        kann man nicht werden …
oder Poster in Ihrem Zuhause …                 Ja, ich weiss schon … Ich bin dann
  Josef Zindel: Nein. Die finden Sie            halt wohl eine der Ausnahmen dieser
  auch nicht, weil Sie nie existierten.        Regel. Und der Satz hat ja trotzdem
  Aber ich liebe den FCB, auch wenn es         seine Wahrheit, weil er ein anderes
  eine andere Form von Liebe ist als jene      FCB-Phänomen beinhaltet: Man geht
  zu einer Frau. Und ein paar besondere        als Kind schon zum FCB, weil das
  Andenken habe ich schon …                    Interesse von Generation zu Genera-
… aber Sie betreiben keinen Kult. Trotz-       tion weitergegeben wird. Das ist in
dem bezeichnen Sie sich als grossen            Basel extremer als anderswo in der
Fan. Was macht folglich das Dasein             Schweiz. Was in Basel auch anders ist:
eines FCB-Fans aus, wenn es nicht die          Der Stellenwert des Clubs ist im Ver-
rotblaue Bettwäsche ist?                       gleich zur Nationalmannschaft klar
  Ich glaube generell, dass das Fansein        höher. Auch dann, wenn wie aktuell
  nicht zwingend vom Erfolg eines              viele Basler oder Spieler mit FCB-Ver-
  Clubs abhängt. Wer einmal Fan eines          gangenheit für die Schweiz auflaufen.
  Clubs ist, der bleibt es ein Leben lang.
  Und alle verbindet auch, dass sie
  ins Stadion gehen, um Emotionen zu
                                             «Das ist eine Basler
  erleben und auszuleben, wie es in          Eigenart: Der Basler
  ihrem Alltag nicht möglich ist. Geht
  es um den FCB-Fan, dann kommt eine
                                             kritisiert überaus gerne
  durchaus kritische Haltung hinzu, die      das, was er liebt.»
  bei aller Liebe zum Club auch immer
  Platz hat. Das ist eine Basler Eigen-      Ist der FCB für Basel wichtiger, als es
  heit: Der Basler kritisiert überaus        der jeweilige Fussballclub in anderen
  gerne das, was er liebt. Ich meine         Regionen für die jeweilige Stadt ist?
  damit nicht, dass er einfach herum-          Ich denke schon, dass sich das sagen
  nörgelt. Sondern dass er sich mehr-          lässt. Aus heutiger Sicht gilt das
  heitlich geistvoll kritisch mit den Vor-     natürlich auch, weil er ein sehr zuver-
  gängen im und um den FC Basel aus-           lässiger Arbeitgeber geworden ist –
  einandersetzt – und zwar unabhängig          und auch ein Botschafter, Werbe-
  davon, wie es Rotblau gerade läuft.          träger. Also ein Club, der den Namen
Sie selbst sind keineswegs gebürtiger          Basel nach Europa hinausgetragen
Basler, sondern stammen aus dem                hat. Vor allem aber habe ich das
St. Galler Rheintal. Funktionieren Sie da      Gefühl, dass der Identifikationsgrad
trotzdem gleich wie die Basler?                der Stadt und der Region mit dem FC
  Ja. Vielleicht war das schon immer so,       Basel für Schweizer Verhältnisse seit
  vielleicht hat es abgefärbt. Vielleicht      Jahrzehnten höher ist als anderswo.
  liegt es bei mir auch daran, dass ich      Warum ist das so?
  nicht von klein auf FCB-Fan war.             Ich denke, weil der Identifikations-
Mit wem fieberten Sie dann mit? Doch            grad des Baslers mit seiner Stadt und
nicht etwa mit Grünweiss, oder?                Region per se höher ist. Das hat wohl
  Nein. Im Zweifelsfall hielt ich zum SC       damit zu tun, dass wir am Rand und
  Brühl, wenn dieser auf den FCSG traf.        nicht im Zentrum des Landes zu
  Vor allem war ich aber einfach immer         Hause sind. Wir haben seit 1973 und
  Fussball-Fan – in einem Elternhaus,          Hans-Peter Tschudi keinen Bundesrat
  in dem Fussball keine Rolle spielte.         mehr in der Regierung gehabt – und
  Mir wurde verboten, mich dem                 wir bestimmen nicht den Puls des
  FC anzuschliessen. Als Katholik ging         Landes, das geschieht bekanntlich in
  man in den Turnverein – so lernte ich        Zürich. Also existiert da schon eine
  immerhin Handball spielen. Aber an           Art Komplex, der sich darin manifes-
  den Wochenenden, da radelte ich in           tiert, dass der Basler stolz ist auf jene
  der Region herum, um die Spiele des          Gebiete, in denen er die Nummer eins
  FC Rebstein zu schauen. Mein Held            ist: Auf die Fasnacht, auf die Pharma-
  war Werner Zünd, der Libero. Er war          industrie, auf Federer und eben auch
  später jahrelang Assistent in St. Gal-       auf den FCB – selbst dann, wenn er
  len, inzwischen ist er wieder bei Reb-       sportlich nicht erfolgreich ist, weil er
  stein Assistenztrainer.                      auch dann der Club ist, der am meis-
Und dann?                                      ten Menschen ins Stadion bringt.
  Ich absolvierte eine Lehre als Buch-       Aber Sie haben doch gesagt, der Basler
  händler und war auf Jobsuche, nach-        kritisiere gerne, was er liebt …
  dem sich eine Anstellung in Hamburg          Untereinander ist das so. Aber wenn         War der FCB für Basel schon immer von       als neumodische Fusslümmelei, an           Warum war das so?
  im letzten Moment zerschlagen hatte.         von aussen jemand etwas gegen den           grosser Bedeutung?                          die weder Zeit noch Geist zu ver-            Es hat sicher auch damit zu tun, dass
  Ich sah ein Inserat der Buchhandlung         FCB oder Federer oder die Fasnacht            Nein. Als er gegründet wurde, da          schwenden war. Bald darauf schossen          sich der FCB zumindest offiziell in
  Wepf in Basel – die Stadt war für mich       sagt, dann ist der Reflex ein völlig           brauchte es ein paar Akademiker mit       Clubs wie Pilze aus dem Boden – auch         den 1930er-Jahren gegen das auf-
  schon immer eine jener Städte, mit           anderer. Dann findet der grosse                Fussball-Leidenschaft, um entgegen        in Basel. In der Saison 1901/02, da          kommende Profitum zu stemmen
  der ich Freiheit assoziierte. Also           Schulterschluss der Basler statt und          dem Zeitgeist einen Club ins Leben zu     spielten die Young Boys gemeinsam            versuchte. Man spielte dadurch zwar
  setzte ich mich in den Zug nach Basel,       werden diese Wahrzeichen verteidigt.          rufen. Damals war ja Fussball verpönt     mit dem FCB, Excelsior Basel, For-           noch immer nicht schlecht mit – aber
  spazierte in die Buchhandlung und                                                                                                    tuna Basel und den Old Boys in der           für ganz nach vorne reichte es nicht.
  wünschte den Chef, Herrn Hermann,                                                                                                    Gruppe Zentralschweiz um den ers-          Und wann wurde der FCB zum Kulturgut
  zu sprechen. Am anderen Tag nahm                                                                                                     ten Platz, der zur Teilnahme an der        der Stadt Basel?
  ich dort meine Arbeit auf – und es ver-                                                                                              Finalrunde um die Meisterschaft              Ein Mann ist dafür ganz klar die ent-
  ging meines Wissens keine Woche,                                                                                                     berechtigte. Man stelle sich das heute       scheidende Figur, an ihm lässt sich
  bevor ich einfach aus Neugier erst-                                                                                                  vor: eine Fünfergruppe mit vier Bas-         fast aufs Jahr genau der Zeitpunkt
  mals ins alte Joggeli ging. Der FCB                                                                                                  ler Clubs und einem aus Bern – und           festmachen …
  spielte gegen St. Gallen …                                                                                                           das noch unter einer geografisch mit        Karli Odermatt?
Ein Zufall?                                                                                                                            Verlaub stupiden Bezeichnung …               Karli war fraglos auch sehr wichtig
  Absolut. Das Spiel war nichts Spekta-                                                                                              Der FCB war also nicht einfach der klar        und ist es noch. Aber ich spreche von
  kuläres, ein 1:1. Und mit rund 11 000                                                                                              wichtigste Club in Basel?                      seinem Trainer Helmut Benthaus.
  Besuchern waren auch nicht aus-                                                                                                      Nein. Und er bewegte auch nicht die        Was änderte mit ihm?
  gesprochen viele Zuschauer da. Doch                                                                                                  ganze Stadt, obwohl er auf dem Land-         In erster Linie wurde der FCB unter
  die Atmosphäre tat es mir sofort an.                                                                                                 hof schon früh mehr als tausend              ihm zu einem sehr erfolgreichen
                                                                                                                                       Zuschauer anzog. Wenn man die ver-           Club. Und mit dem Erfolg entfachte
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                                                                                                                                       fällt ja beim FCB vor allem auf, dass er     Basel – und zwar in einem Mass, wie
                                                                                                                                       eine sehr atypische Erfolgsgeschichte        es die Schweiz zuvor nicht kannte
                                                                                                                                       aufweist: In der ersten Hälfte seines        und es sich danach anderswo nicht
                                                                                                                                       Bestehens gewann er fast nichts.             entwickeln sollte. Aber diese Erfolge
                                                                                                                                       1933 und 1947 gewann er den Cup,             hatten natürlich ihre Gründe – und
                                                                                                                                       1953 die erste Meisterschaft. Und das        diese finden sich zu einem grossen
   Immer am Ball mit:                                                                                                                  nach Jahrzehnten, von denen man              Teil in der Person von Benthaus.
                                                                                                                                       meinen müsste, dass es einfacher           Was wurde mit ihm anders?
    Gerry Engel und                                                                                                                    gewesen sei als danach, der Beste zu         Nun, der FCB holte ihn ja als Spieler-
      Remo Rossi                                                                                                                       sein. Bis der FCB Meister wurde,             trainer, weil man so einen Spieler und
                                                                                                                                       waren nicht nur GC, der FCZ, YB oder         einen Trainer für ein Salär bekam.
                                                                                                                                       Servette schon zuoberst gestanden,           Das zeigt, dass der FC Basel noch
                                                                                                                                       sondern auch Aarau, Brühl, Winter-           immer irgendwo zwischen Amateur-
                                             «Wissen Sie, was der FCB-Minusrekord ist?» Josef Zindel. Foto Nicole Pont                 thur, Lugano, Bellinzona oder Biel.          und Halbprofi-Club schwebte. Bent-
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
| Donnerstag, 15. November 2018 | Seite 5

Fussball-Euphorie»
Kulturgut der Stadt wurde – und was Rotblau ausmacht
                                                                                                                                        Gut, die jüngere Geschichte ist ja          tens. Schliesslich erlebte ich viele
                                                                                                                                        bekannter, bis hin zur Unterstützung        bittere Niederlagen.
                                                                                                                                        durch Gigi Oeri. Zuvor aber waren         Konnte man Ihren Zeilen ab und zu ent-
                                                                                                                                        Charles Röthlisberger und Peter           nehmen, dass Sie persönlich ob der
                                                                                                                                        Epting als Präsidenten sehr wichtig,      Leistung des FCB beleidigt waren?
                                                                                                                                        weil sie es verstanden, den FCB am          Ich glaube nicht. Ich schrieb im Okto-
                                                                                                                                        Leben zu erhalten, sodass er schliess-      ber 1982 erstmals für die BaZ, der
                                                                                                                                        lich in die NLA zurückkehren und            FCB besiegte Lausanne in einer mäs-
                                                                                                                                        sich dort halten konnte. Dann kam           sigen Partie 1:0 – und von da an ging
                                                                                                                                        1996 die legendäre Generalver-              es ja lange nur noch bergab. Würde
                                                                                                                                        sammlung in der Mustermesse, mit            Ihre Vermutung also stimmen, hätte
                                                                                                                                        dem Auftritt von René C. Jäggi, der         ich ja ständig beleidigt sein müssen
                                                                                                                                        als Präsident kandidierte.                  (lacht). Nein, wirklich: Ich versuchte
                                                                                                                                      Ein Schlüsselmoment?                          den FCB so zu begleiten, wie ich es
                                                                                                                                        Fraglos. Natürlich brauchte es auch         noch heute regionalen Journalisten
                                                                                                                                        Gigi Oeri, die von Jäggi ins Boot           empfehle: mit kritischer Solidarität.
                                                                                                                                        geholt wurde. Aber vor allem Jäggi          Ich glaube, das ist mir gelungen.
                                                                                                                                        selbst war in jener Phase enorm wich-     Sie bekamen nie von der FCB-Führung
                                                                                                                                        tig. Er war ein Glücksfall für den FCB.   aufs Dach?
                                                                                                                                                                                    Natürlich! So wie Sie wohl auch.
                                                                                                                                      «Da waren im Saal                             Aber das ist im Fussball wohl system-
                                                                                                                                                                                    immanent: Jeder Club in der Super
                                                                                                                                      1600 Mitglieder – und                         League hat das Gefühl, die Lokal-
                                                                                                                                      René C. Jäggi zog                             presse behandle ihn schlecht.
                                                                                                                                                                                  In jener Zeit bei der BaZ schrieben Sie
                                                                                                                                      alle in seinen Bann.»                       bereits Ihr erstes Buch über den FCB.
                                                                                                                                                                                  War das der Anfang Ihrer Funktion als
                                                                                                                                      Warum?                                      Chronist der rotblauen Geschichte?
                                                                                                                                        Ich weiss, dass René es mir nicht übel      Das geschah fliessend – auch danach,
                                                                                                                                        nimmt, wenn ich es so sage: Er hatte        als ich Medienchef beim FCB war,
                                                                                                                                        eine grosse Klappe – und viel dahinter.     ging der Prozess weiter. Aber klar,
                                                                                                                                        Jäggi trat 1996 in der Mustermesse an       damals stieg ich in die Archive der
                                                                                                                                        und sprach von einem Fünf-Jahres-           BaZ, das war eine wichtige Erfahrung
                                                                                                                                        Plan, an dessen Ende der FCB in der         auf dem Weg zum FCB-Historiker.
                                                                                                                                        Champions League spiele. Das wirkte       Und heute gibt es keinen Menschen, der
                                                                                                                                        damals etwa so, wie es heute wirken       mehr über den FCB weiss als der Ost-
                                                                                                                                        würde, wenn Bernhard Burgener im          schweizer Josef Zindel?
                                                                                                                                        Hinblick auf die Champions-League-          Ich weiss sicher vieles. Und ich
                                                                                                                                        Achtelfinals gegen Manchester City           erschrecke manchmal, was mir wie-
                                                                                                                                        zwei 3:0-Siege des FCB versprechen          der für Spiele, Resultate, Fakten in
                                                                                                                                        würde. Oder sogar noch verrückter.          den Sinn kommen. Da funktioniert
                                                                                                                                        Man wusste zwar, dass der Stadion-          der Kopf besser als bei manchen Din-
                                                                                                                                        Neubau, der St.-Jakob-Park, kommt           gen, von denen man meinen müsste,
                                                                                                                                        und dass dieser bessere Voraus-             es sei ein Leichtes, sie sich zu merken.
                                                                                                                                        setzungen bieten würde. Doch Jäggis         Nur: Ich möchte deutlich festhalten,
                                                                                                                                        Visionen, die überraschten alle. Da         dass ich nicht der Einzige bin.
                                                                                                                                        waren 1600 Mitglieder im Saal – und       Wen gibt es noch?
                                                                                                                                        er zog alle in seinen Bann.                 Nun, Sie haben mich doch eingangs
                                                                                                                                      Und er hielt fast Wort …                      gefragt, was den FCB-Fan ausmacht.
                                                                                                                                        Ja. Es dauerte dann ein Jahr länger,      Ja.
                                                                                                                                        bis der FCB Meister wurde und in der        Ich habe da etwas nicht erwähnt, das
                                                                                                                                        Champions League spielte. Aber mit          ich vor allem auch bei vielen Fans
                                                                                                                                        Jäggi begann der Aufbruch – und er          feststelle, die in der Muttenzer Kurve
                                                                                                                                        zog es durch.                               zu Hause sind: Ganz viele zeichnen
                                                                                                                                      Wäre das auch der Fall gewesen, wenn          sich durch ein grosses Geschichts-
                                                                                                                                      der FCB 1998 in Kriens verloren und wie-      bewusstsein aus, wenn es um ihren
                                                                                                                                      der in die NLB gefallen wäre?                 Club geht. Und inzwischen existiert
                                                                                                                                        Ich glaube schon. Ich denke, das wäre       ein hervorragendes, junges Team um
                                                                                                                                        nicht mehr als ein Rückschlag, eine         Angelo Marras, von dem ich sehr
                                                                                                                                        Verzögerung gewesen.                        viele Daten und Statistiken zur Ver-
                                                                                                                                      Und seit 2002 läuft die zweite Erfolgsära     fügung gestellt bekomme.
                                                                                           Der beste Spieler der ersten rot-          scheinbar unaufhaltsam …                    Zum Jubiläum erscheint von Ihnen ein
                                                                                           blauen Erfolgsära. Karli Odermatt            Ganz so sehe ich das nicht. Klar ist,     zweibändiges Buch über den FC Basel.
                                                                                           im Duell mit seinem grossen FCZ-             dass es die zehnjährige Ära von Trai-     Ist dieses Werk vollständig?
                                                                                           Kontrahenten Köbi Kuhn. Foto Keystone        ner Christian Gross gab. Und mit            Wo denken Sie hin? Ich strebe zwar
                                                                                                                                        Überlappung läuft nun womöglich             immerzu nach statistischer Voll-
                                                                                                                                        eine dritte Erfolgsära, von der noch        ständigkeit. Aber ich weiss, dass wir
                                                                                                                                        nicht wirklich klar ist, wie man sie        sie nie erreichen. 125 Jahre sind viel
    haus machte daraus zunächst einen         Was waren dann die Ursachen?                   damals Transferchef und Mädchen            nennen wird, falls der Erfolg weiter        Zeit – und in den ersten Jahrzehnten
    richtigen Halbprofi- dann einen Profi-        Man verklärt die Vergangenheit gerne.        für alles – und wusste nicht, wie er       anhält. Aber es gab schon schwierige        ist es unmöglich, alle Lücken zu
    club. In der ersten Saison ging er es       Zum Beispiel dann, wenn es um die            vor Auswärtsspielen die Sandwiches         Momente. Ich denke an die Ablösung          füllen. Ab und zu finden wir wieder
    noch langsam an. Er beobachtete und         Zuschauer geht. Klar, der FCB wurde          für die Reise im Mannschaftsbus            von Gross, wo von der neuen operati-        etwas raus – ab und zu meldet sich
    zog seine Schlüsse. Dann handelte er.       unter Benthaus zum absoluten                 berappen sollte. Wir reden zudem           ven Führung um Bernhard Heusler             jemand, der etwas richtigstellt. Ich
    Schon bald wurde zum Beispiel der           Publikumsmagneten. Er zog vom                von Spielertransfers für 10 000 Fran-      viele richtige Entscheidungen ge-           würde deshalb sagen: Der Statistikteil
    erste Arzt hinzugezogen (vgl. Seiten        Landhof ins Joggeli, weil dieses für         ken, die man eigentlich gar nicht          troffen wurden. Aber natürlich denke        der neuen Bücher wird der umfas-
    10/11). Es folgten Trainingslager im        die WM 1954 erbaute Stadion mehr             hatte. Davon, dass man Spieler wie         ich auch an den 13. Mai 2006, die           sendste über den FCB sein. Doch Voll-
    Winter, wie sie die Konkurrenz kaum         Platz bot. Aber es ist deshalb nicht so,     Adrian Knup zu Aarau ziehen lassen         Niederlage gegen den FC Zürich und          ständigkeit werden wir nie erlangen.
    abhielt. Und dann war Benthaus, ein         dass immer 40 000 kamen. Und mit             musste, weil er dort die besseren Per-     die Ausschreitungen. Dieses Ereignis      Wie geht die Geschichte weiter?
    studierter Pädagoge und für Schwei-         dem andauernden Erfolg stellte sich          spektiven hatte. Man verkaufte Beat        war eine Zerreissprobe für den FCB,         Sie wissen so gut wie ich, dass das kei-
    zer Verhältnisse herausragender             – ähnlich wie man das in den letzten         Sutter für die damals stolze Transfer-     da hätte mit falschen Reaktionen            ner weiss. Als historisch sehr interes-
    Fussballer, auch in Sachen Trainings-       Jahren diskutiert hat – eine gewisse         summe von 360 000 Franken an               schnell noch viel, viel mehr kaputt-        sierter Mensch ist für mich aber eines
    lehre und Taktik auf dem neusten            Sattheit ein. Solange man erfolgreich        Xamax – und konnte es sich so gerade       gehen können als durch den in letzter       klar: Der FCB wird irgendwann nicht
    Stand.                                      war, war dies nicht spürbar. Doch als        leisten, für 35 000 Franken einen          Sekunde verlorenen Meistertitel.            mehr Meister sein. Ewigen Erfolg zu
                                                dies endete, brachen die Zuschauer-          Spieler wie Stefan Bützer zu holen. Es   Damals waren Sie längst Angestellter          erwarten, wäre verfehlt. Vielmehr
  «Als der FCB gegründet                        zahlen dramatisch ein. Und zwar so
                                                sehr, dass man klar unter dem Budget
                                                                                             gab die berühmten Sammelaktionen.
                                                                                             Und es gab zum Glück die UBS, die
                                                                                                                                      des FC Basel. Wie war es für Sie zuvor,
                                                                                                                                      in den schwierigen 1980er- und 1990er-
                                                                                                                                                                                    lehrt die Geschichte, dass alles in Zyk-
                                                                                                                                                                                    len verläuft – und jeder Zyklus einmal
  wurde, war Fussball ja                        blieb. In einer Zeit, in der die Profes-     für die Verbindlichkeiten bürgte.        Jahren, als FCB-Fan in der BaZ über den       an ein Ende gerät. Es muss ja des-
  verpönt als neumodische                       sionalisierung im Schweizer Fussball
                                                noch einmal einen Schub erfuhr, war
                                                                                           Was wäre gewesen, wenn nicht?
                                                                                             Ohne die UBS? Das wäre das Ende
                                                                                                                                      FC Basel zu schreiben?
                                                                                                                                        Nun, es war eine Herausforderung,
                                                                                                                                                                                    wegen nicht gleich schon morgen so
                                                                                                                                                                                    weit sein … (Das Interview mit Josef
  Fusslümmelei.»                                der FCB plötzlich extrem knapp bei           gewesen – es sei denn natürlich, man       die Spass machte. Jedenfalls meis-          Zindel erschien im Januar, Red.).
                                                Kasse. Darunter litt die Qualität der        hätte einen anderen Geldgeber
  Jedenfalls war er das bis weit in die         Mannschaft zusehends – und dar-              gefunden. So wie zum Beispiel auch       ANZEIGE
  1970er-Jahre … Als Benthaus den Club          unter litten wiederum die Zuschauer-         die Basler Zeitung mithalf, das Trikot
  1982 verliess, da lag der letzte Meister-     zahlen. Wissen Sie, was der FCB-             sponserte, als sich niemand finden
  titel zwei Jahre zurück und hatte der         Minusrekord in der Nationalliga A ist?       liess. Aber klar ist: Ohne diese
  Abstieg des FCB bereits eingesetzt.         Vielleicht 3000, 4000 Zuschauer?               Absicherung durch ein Grossunter-
    Zumindest kam nach 1980 während             845 Zuschauer im Joggeli. In einer           nehmen wäre der FC Basel von der
    22 Jahren kein weiterer Titel mehr          Kehraus-Partie gegen Baden. Das war          Bildfläche verschwunden.
    dazu. Die Probleme lagen aber ganz
    sicher tiefer, hatten nichts mit der
                                                im Frühling 1986. In der Folgesaison
                                                stand der FCB vor dem Ruin. Und ein
                                                                                           Stattdessen seuchte er sich durch die
                                                                                           NLB, erholte sich langsam, stieg 1993
                                                                                                                                        WÄR NIT GUMPT
    Person Benthaus zu tun, obwohl es
    hier und dort noch heute heisst,
                                                Jahr später stieg er in die NLB ab. Die
                                                Logik war nicht mehr auszuhebeln.
                                                                                           wieder auf – um neun Jahre danach eine
                                                                                           nächste Erfolgsära zu begründen. Wie         DÄ ISCH KAI BASLER!
    damals sei eine Verjüngung der
                                                                                                                                                      BAUGESCHÄFT
                                              Was heisst «er stand vor dem Ruin»?          war das in Zeiten, da bereits viel mehr
    Mannschaft verpasst worden. Eine            Fragen Sie unseren jetzigen Team-          Geld im Fussball floss, innerhalb weni-
    Meinung, die ich keineswegs teile.          betreuer Gusti Nussbaumer. Er war          ger Jahre möglich?
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Joor FC Basel.
Eine Stadt, in der das rotblaue Herz an
Der FC Basel ist mehr als ein Club mit einer Mannschaft und einem Stadion: Seine Geschichte ist in

Von Oliver Gut und Tilman Pauls              ohne Herz funktioniert, lässt sich hier
                                             auch der rotblaue Puls fühlen.
Basel. Die Adresse kennt nicht jeder.            Nur: Das FCB-Herz schlägt bei Wei-
Und doch ist «Birsstrasse 320A, 4052         tem nicht hier allein. Sondern bei ganz
Basel» die vielleicht logischste Antwort     vielen Menschen in der Region und
auf die simple Frage, wo der FC Basel zu     darüber hinaus, die so etwas wie eine
Hause ist. Denn an der Birsstrasse 320A,     rotblaue DNA verbindet. Und es
im grossen Glasturm direkt neben dem         schlägt auch an vielen anderen Orten
St.-Jakob-Park, findet sich seit der          der Stadt auf völlig unterschiedliche
Fertigstellung des imposanten Baus die       Weise. In der Freien Strasse zum Bei-
Geschäftsstelle des FC Basel 1893. Hier      spiel, wo vor bald 125 Jahren alles
haben jene ihre Büros, welche die rot-       begann. Oder auf dem Landhof, wo
blauen Geschicke der Gegenwart be-           sieben Jahrzehnte lang gespielt wurde
stimmen und die Zukunft des Fussball-        und inzwischen vor allem ein Nah-
clubs planen.                                erholungsgebiet ist. Und natürlich im
    Kurz: Hier ist der Ort, wo die           Stadion zu St. Jakob. Dort, wo sich alle
Nervenstränge zusammenlaufen. Hier           zwei Wochen versammelt, was die
sitzt das Gehirn. Und weil kein Gehirn       Essenz des FC Basel ist.

Zeichen setzen
Rotblau in der ganzen Stadt. Basel ist rotblau, auch dann, wenn der FC Basel
nicht spielt. Denn überall in der Stadt lassen sich die Spuren des Vereins finden.
Sei das im allgemeinen Stadtbild, wenn in regelmässigen Abständen das rotblaue
Meistertram fährt. Sei das am Rathaus oder auf der Mittleren Brücke, wenn dort
bei einem Basler Erfolg die Fahnen in den Vereinsfarben erstrahlen. Oder sei das
in der umliegenden Region, wo zahlreiche Autobahnbrücken, Stromkästen oder
Laternen von den Fans bemalt worden sind. Besonders intensiv ist die Rotblau-
Dichte rund um das Stadion, wo sich die wichtigsten Fangruppierungen entlang
der Birs prominent und künstlerisch verewigt haben. Vor dem Klassiker 2015
zwischen dem FCB und dem FCZ wurden dort diverse Graffitis in der Nacht über-
malt – doch 24 Stunden später hatten die Basler darauf reagiert und alle Gemälde
wiederhergestellt. Denn Basel ist – und bleibt – Rotblau. tip Fotos Florian Bärtschiger
                                                                                                  Erfolge zelebrieren
                                                                                                  34 Quadratmeter für Basels Helden. Er ist 24 Meter lang,        es noch mehr. So viele Zuschauer waren seitdem zwar nicht
                                                                                                  1,4 Meter breit und er schwebt fünf Meter über dem Boden:       bei jeder Feier dabei, aber Geschichten hat der Balkon, der
                                                                                                  Der Balkon des Basler Stadtcasinos. Aber natürlich ist dieser   nur dem FCB vorbehalten ist, seitdem viele geschrieben.
                                                                                                  nicht unbedingt attraktive Balkon viel mehr als nur ein Stück       Zum Beispiel Xherdan Shaqiri, der bei der Cupfeier 2010
                                                                                                  Beton, er ist Fussballgeschichte auf 34 Quadratmetern.          eine Pyrofackel zündete. Oder Aleksandar Dragovic, der sich
                                                                                                      Während die Meistertitel in der Ära Benthaus noch auf       2012 halbherzig für seine Kopf-Tätscheleien bei Bundesrat
                                                                                                  dem Vorbau der Brasserie Baselstab auf dem Martkplatz           Ueli Maurer entschuldigte («Ich entschuldige mich bei Ueli
                                                                                                  gefeiert wurden, begann 2002 eine neue Ära, die bis heute       Maurer oder wie der auch heisst. Aber innerlich weiss jeder,
                                                                                                  anhält. Den ersten Meistertitel nach 22 Jahren feierte die      dass es mir ziemlichen Spass gemacht hat.»). Oder Murat
                                                                                                  Stadt gemeinsam mit ihrem Club dort, wo 1994 schon der          Yakins Mutter Emine, die 2014 stundenlang und alleine auf
                                                                                                  Aufstieg bejubelt wurde: unterhalb des Casino-Balkons.          die Mannschaft – und ihren Sohn – wartete.
                                                                                                  Geschäftsführer Werner Schneeberger hatte in geheimen               Rekordhalter in Sachen Balkon-Feiern ist übrigens Marco
                                                                                                  Sitzungen alles in die Wege geleitet für die Feier, bei der     Streller. Bisher jedoch nur als Spieler. Als Sportchef hat der
                                                                                                  40 000 Fans dabei gewesen sein sollen; vermutlich waren         ehemalige Captain den Balkon noch nie betreten. tip Foto Key

Geister beschwören
Wurzeln hüben und drüben. Es heisst, der FC Basel gehöre allen. Gestützt wird
dies nicht nur durch eine breite Anhängerschaft quer durch alle Basler Schichten
und Kulturen, sondern auch durch die Ursprünge: Der Club stand schon beim
Aufruf zur Gründungsversammlung per Zeitungsinserat allen offen (Graffiti-Nach-
bildung oben rechts). Er trug stets nur den Namen der Stadt. Und er wurde zwar
im Grossbasel gegründet, aber spielte von Beginn an im Kleinbasel. Wer heute die-
sen Wurzeln auf beiden Seiten des Rheins nachspürt, trifft Unterschiedliches: An
der Freien Strasse 52 befindet sich längst ein Bürogebäude, und eine Plakette
erinnert an das Zunfthaus zu Schuhmachern (oben links). Nur Fan-Sprayereien
daneben lassen das FCB-Gründungslokal erahnen. Der Landhof (unten) lebt noch
und nirgends in Basel fühlt man sich den rotblauen Geistern näher als hier, wo
                                                           Deutschland 1908
                                                           gegen die Schweiz sein
                                                           erstes Länderspiel aus-
                                                           trug. Seppe Hügi, der
                                                           den FCB 1953 zum ers-
                                                           ten Meistertitel schoss,
                                                           wohnte ebenso in
                                                           einem der anliegenden
                                                           Häuser wie Gottfried
                                                           «Godi» Dienst, der Bas-
                                                           ler Schiedsrichter
                                                           des «Wembley-Tors»
                                                                                                  Fussball erleben
                                                           im WM-Final 1966                       Was lange währt… Fast 20 Jahre muss die Stadt Basel auf         andere Veranstaltungen genutzt wird. Es braucht die Bent-
                                                           (vgl. Seite 12). olg                   diesen Tag warten, den 25. April 1954. Mit dem Länderspiel      haus-Euphorie, dass der FCB ins grosse Stadion zieht.
                                                              Fotos Bärtschiger (2), Armbruster   zwischen Deutschland und der Schweiz wird der St.-Jakob-            Ganz anders sieht es aus, als der neue St.-Jakob-Park 2001
                                                                                                  Park wenige Wochen vor dem Start der WM offiziell eröffnet.     dank der treibenden Kraft von Stephan Musfeld errichtet
                                                                                                  Die Arbeiten beginnen allerdings schon 1937 und werden          wird. Da ist klar: Es ist das Stadion der Basler. Während dem
                                                                                                  damals aus dem Fonds des Basler Arbeitsrappens finanziert,       Neubau zwischen 1998 und 2001 muss der Club auf die
                                                                                                  einer Massnahme zur Milderung der Wirtschaftskrise. Mit         Schützenmatte ausweichen, in das Stadion, in dem nicht nur
                                                                                                  dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird der Bau dann           Massimo Ceccaroni gegen GC einen denkwürdigen Penalty
                                                                                                  erst verlangsamt und 1942 komplett gestoppt. Als die WM         verschiesst. Für die Basler Fanszene ist das Gastspiel ein
                                                                                                  immer näher rückt, kommt wieder Bewegung in die Stadion-        bedeutender Einschnitt, weil sich dort die neue «Muttenzer-
                                                                                                  Debatte. Dank eines Finanzierungs-Kniffs des Sport-Toto-Di-     kurve» bildet, die im neuen Stadion für Stimmung und
                                                                                                  rektors Ernst Thommen wird das Stadion vor dem Turnier          Choreografien verantwortlich ist. Es sind allerdings auch Fans
                                                                                                  fertiggestellt. Es dauert aber auch nach der WM mehrere         aus diesem Sektor, die an den Ausschreitungen rund um den
                                                                                                  Jahre, bis der St.-Jakob-Park zur Heimstätte des FC Basel       13. Mai 2006 beteiligt sind. 2008 folgt vor der EM der letzte
                                                                                                  wird. Erst 1967 zieht der Club vom Landhof aus permanent        Umbau: Die Tribüne am Bahndamm wird von zwei auf drei
                                                                                                  in die Brügliner Ebene, während das Stadion zuvor für Con-      Etagen aufgestockt, wodurch bei internationalen Spielen nun
                                                                                                  geli-Spiele, Länderspiele, Windhundrennen, Turnfeste oder       36000 Zuschauer ins Joggeli passen. tip Fotos Keystone
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
| Donnerstag, 15. November 2018 | Seite 7

vielen Orten schlägt
ganz Basel verteilt und kann an völlig unterschiedlichen Schauplätzen eingeatmet werden

                                                                                                  Hinspiel, Rückspiel, Nachspielzeit –
                                                                                                  ein Spaziergang, der sich lohnt
                                                                                                  Gruss an Karli. Wer diverse Schauplätze der FCB-Historie besichtigen und
                                                                                                  spannende Storys erfahren will, kann sich auf eigene Faust oder unter fach-
                                                                                                  kundiger Anleitung auf einen Marsch durch die Stadt begeben. «Fussball-
                                                                                                  spaziergang Basel» nennt sich, was ein Team eingefleischter FCB-Fans 2016
                                                                                                  ins Leben rief und mittels kostenfreier, informativer Karte oder geführt anbietet.
                                                                                                  Wer sich auf ein Hinspiel (rund 90-minütige Tour) oder ein Hin- und Rückspiel
                                                                                                  (rund 180 Minuten) einlässt, erweitert unabhängig seiner Vorkenntnisse den
                                                                                                  Horizont rund um Rotblau und das runde Leder. Zusätzlichen Mehrwert schaf-
                                                                                                  fen dabei kleine Quizfragen – oder eine voradressierte Postkarte (Bild), mittels
                                                                                                  der man eine persönliche Grussbotschaft an FCB-Legende und Ex-Beizer Karli
                                                                                                  Ordermatt senden kann. olg

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             Auch Emma (8), Claudia (29), Ruben (4), Hansjörg (71) und Luca (13) bringen es auf 125 Jahre Fussballbegeisterung.
             Gemeinsam gratulieren wir dem FC Basel 1893 ganz herzlich zum imposanten Jubiläum.

             www.bkb.ch
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Joor FC Basel.
Ein einzigartiges Experiment mit dem
Teofilo Cubillas schoss an zwei Weltmeisterschaften zehn Tore für das peruanische Nationalteam –

Von Andreas W. Schmid                      schon 45 Jahre her. Er freut sich über
                                           den Anruf aus der Schweiz, der ihn an
Nein, auf Basel hatte Teofilo Cubillas      der Fussball­WM in Russland erreicht.
keine Lust. Also sagte er diesem ziem­     «Meine Zeit in Basel? Da werden viele
lich aufsässigen Schweizer namens          Erinnerungen wach», sagt der 69­Jäh­
Ruedi Reisdorf, dass seine Ablöse          rige auf Spanisch, «viele gute
100 000 Dollar koste – damals, Anfang      Erinnerungen.» Ruedi Reisdorf sei ein
der Siebzigerjahre, eine Heidensumme.      Mensch mit einem grossen Herz
Reisdorf hatte soeben im Basler Joggeli    gewesen, seine Mitspieler grossartige
ein Benefizspiel zwischen Europa und        Fussballer, allen voran «Odermatt,
Südamerika für die Aktion «Sportler        Demarmels, Hitzfeld, der total dünn,
helfen hungernden Kindern» organi­         aber pfeilschnell und sehr agil war».
siert. Der Peruaner Cubillas begeisterte   Und der kürzlich verstorbene Peter
die Zuschauer mit seinem Ballgefühl        Ramseier habe sich ihm gegenüber
und zwei sehenswerten Treffern. Der        immer «aussergewöhnlich sympa­
wäre eine Nummer für den FCB, dachte       thisch» verhalten.
sich Reisdorf, der Rotblau nahestand.          Doch obwohl alle und alles in
Der Basler Transportunternehmer be­        Basel (zumindest in der
sass in Peru ein grosses Guthaben in der   Erinnerung) so grossartig
dortigen Landeswährung, das er nicht       waren, wurde Cubillas beim
ausser Landes transferieren durfte, aber   FCB nicht glücklich – und der
sinnvoll verwenden wollte.                 FCB nicht mit ihm. Warum
    Ein paar Monate später reiste er       nicht? Die Basler hatten vier
nach Lima, um den «schwarzen Panther       der vorherigen fünf Meister­
Perus», wie er auch genannt wurde, für     titel gewonnen und sich sozu­
100 000 Dollar gleich mitzunehmen.         sagen «zu Tode gesiegt», Spie­
Der völlig überrumpelte Cubillas hatte     ler und Anhänger waren über­
allerdings noch immer keinen Bock auf      sättigt, wie der damalige Präsi­
die Schweiz im fernen Europa. In seiner    dent Felix Musfeld in einem
Not bat er den Präsidenten von Alianza
Lima, wo er unter Vertrag stand, um
Beistand: Tatsächlich erklärte dieser,
dass sich der Marktwert des Spielers in
der kurzen Zeit verdreifacht habe. «Den
sind wir los», dachten sich die beiden.
Ein Irrtum: Tags darauf stand Reisdorf
erneut auf der Matte – und bezahlte die
Summe, die umgerechnet eine Million
Franken betrug.

Enorme Erwartungen
    So kam Teofilo Cubillas 1973 zum
FCB und schrieb damit eines der meist­
diskutierten Kapitel der 125­jährigen
FCB­Geschichte mit. Die Zeitzeugen
von damals und damit schon älteren
Leser mögen entschuldigen, dass an
dieser Stelle nochmals verdeutlicht
werden muss, welch grossen Fisch man
da dank Reisdorf an Land gezogen

Cubillas hatte genug mit
sich selber zu tun und
war mit der Rolle als
Impulsgeber überfordert.
hatte: Teofilo Cubillas war ein Weltstar
und wurde später von Pelé nicht zufällig
in die legendäre Fifa­Liste der 125 bes­                                                                       Der schwarze Panther aus Peru bei den Rotblauen aus Basel. Teofilo Cubillas glaubte nicht
ten noch lebenden Fussballer auf­                                                                              daran, dass jemand die 300 000 Dollar bezahlen würde, die sein Club als Transfersumme nannte.
genommen. Er war torgefährlich (fünf                                                                           Doch weil Ruedi Reisdorf genau das tat, wechselte er 1973 von Alianza Lima zum FCB. Fotos Keystone
Treffer an der WM 1970 und später
1978 gleich nochmals fünf), mit einer
stupenden Technik ausgestattet, Süd­       Zeitungsartikel in der National-Zeitung    abgegebenen Schuss erfolgreich ab.»          schaftskollegen keine Punkte sammelte.     sehe ihn noch heute vor mir», sagt
amerikas Fussballer des Jahres, mit 24     feststellte. Die Neuverpflichtung aus       Im ersten Heimspiel doppelte er mit              Alle haben sie ihn als «ganz lieben    Odermatt, «wie er bei seinen ersten
im besten Alter und obendrein auch         Peru schien deshalb gerade zur rechten     einem weiteren Tor nach. Doch dann           Kerl» (Benthaus) und «immer vorbild­       Schritten herumeierte. Er lief mit den
noch gut aussehend – sozusagen der         Zeit zu kommen, als belebendes Ele­        geriet dieser Lauf, den er hatte, ins Sto­   lich freundlich» (Hitzfeld) in Erin­       Stollenschuhen wie eine Ballerina
Harry Belafonte von Lima.                  ment, das das Publikum wieder ins Sta­     cken. Die ersten kritischen Stimmen          nerung. «Ja, wir hatten ihn alle gerne»,   umher.» Schnell wechselte er wieder
    «Seine Verpflichtung war eine Sen­      dion locken sollte. Stattdessen hatte      wurden laut. «Das von Cubillas               sagt Odermatt – und trotzdem wurde         auf die Nocken zurück – die Rutsch­
sation», erinnert sich Ottmar Hitzfeld,    Cubillas genug mit sich selber zu tun      inspirierte und von Hitzfeld und Balmer      das Verhältnis zwischen ihm und seinen     partie ging weiter. «Irgendwann spielst
der mit ihm in der Offensive agierte.      und war damit für die gedachte Rolle       stupiderweise noch forcierte enge Kom­       Mitspielern schwieriger. Benthaus          du ihn nicht mehr an, wenn er ständig
Und Trainer Helmut Benthaus freute         als Impulsgeber überfordert.               binieren – zuletzt stets mit einem           erzählt, wie Cubillas von den gegneri­     am Boden liegt.»
sich «über einen Fussballer von dieser                                                Doppelpass – war einfach ausgedrückt         schen Mannschaften einen Sonder­
Qualität». Die Vorschusslorbeeren          Enorme Schwierigkeiten                     nichts anderes als eine sinnlose Zwin­       bewacher erhalte habe, was er sich vom     Enorme Lohndifferenz
waren überall enorm, die damit ver­            Der Beginn war ja noch ordentlich.     gerei», hiess es in den Basler Nach-         Fussball in seiner Heimat so nicht             Eine einleuchtende Erklärung. Es
bundenen Erwartungen ebenso. Und           Bereits in seiner ersten Partie auswärts   richten nach einer der überraschend          gewohnt war. Dass er immer wieder          gibt allerdings Zeitzeugen, die in
die Enttäuschung über das, was dann        gegen Chênois erzielte er den 1:0­Sieg­    häufigen Niederlagen, die der FCB in          Pausen einlegte und viel zu oft Bälle      Erinnerung haben, dass einige Mit­
folgte, war umso grösser.                  treffer. Die National-Zeitung schrieb:     jener Saison kassierte.                      verlor, was dann zu Gegentoren führte.     spieler Teofilo Cubillas gewollt schlecht
    Diese ist bei Teofilo Cubillas aller­   «Er schloss ein Piquet mit Hitzfeld mit        Die Kommunikation mit ihm war            «Irgendwann ist die Gesamtstimmung         aussehen liessen. Auch Ruedi Reisdorf,
dings längst verblasst, es ist ja auch     einem haargenau in die Torecke             schwierig, er beherrschte nur einen          umgeschlagen.» Das Publikum war            der vor zwei Jahren verstarb, erzählte
                                                                                      Satz, den er auch in diesem Gespräch         unzufrieden mit dem vermeintlichen         es so in einem BaZ­Interview: «Cubillas
                                                                                      äussert: «Nicht sprechen Deutsch.» Die       Weltstar, die Mannschaft ebenso.           wurde von seinen Mitspielern absicht­
                                                                                      Kultur war ihm fremd, an vieles musste                                                  lich geschnitten.» Eine Unterstellung,
                                                                                      er sich erst gewöhnen – obwohl er doch       20000 Franken pro                          gegen die sich Karli Odermatt mit aller
                                                                                      von Anfang an hätte funktionieren sol­
                                                                                      len. Er erinnert sich mit hörbarem
                                                                                                                                   Monat! Zum Vergleich:                      Vehemenz wehrt. «Wie gesagt: Er war
                                                                                                                                                                              ein hochanständiger Mensch, wir hat­
                                                                                      Lachen an einen Sonntagmorgen, an            Karli Odermatt kam                         ten ein gutes Verhältnis zu ihm. Und es
                                                                                      dem er im Bahnhof SBB verzweifelt
                                                                                      seine Mannschaftskollegen suchte.
                                                                                                                                   damals auf 3000.                           hat auch niemand von uns seine Kleider
                                                                                                                                                                              durchwühlt, um nachzuschauen, wie
                                                                                      Damals, Anfang der Siebzigerjahre,                                                      viel er verdient.»
                                                                                      reiste der FC Basel noch mit dem Zug zu          Ottmar Hitzfeld erinnert sich, dass        Genau das aber wird, seit der Welt­
                                                                                      den Auswärtsspielen. «Doch da war nie­       Cubillas von den tiefen Temperaturen       star in Basel weilte, immer wieder hart­
                                                                                      mand mehr», erinnert er sich, «meine         im Herbst richtiggehend geschockt          näckig kolportiert. Schon von Beginn
                                                                                      Mitspieler waren ohne mich abge­             gewesen sei und deshalb mit Pullover       an wurde über Cubillas als Grossver­
                                                                                      fahren.» Cubillas war zu spät am Bahn­       und Mütze ins Training kam. Karli          diener gemunkelt. Franz Baur schrieb
                                                                                      hof eingetroffen. In Peru war er es sich     Odermatt wiederum bezeichnet es als        damals in der National-Zeitung: «Von
                                                                                      gewohnt gewesen, dass man es mit den         grosses Pech, dass es ausgerechnet in      ihm verlangt man zu Recht einfach
                                                                                      Abfahrtszeiten nicht so genau nimmt.         jenem Jahr ständig regnete. «Trotzdem      mehr als von den anderen Spielern.
                                                                                      Umso überraschter musste er fest­            wollte er mit seinen Nockenschuhen         Auch er verlangt ja mehr als andere …»
                                                                                      stellen, dass ein Zug in Basel auf die       spielen. Klar, dass er bei jedem Sprint    Wie viel es war, fand die Mannschaft
                                                                                      Sekunde genau abfährt. Das Spiel habe        ausrutschte.» Also wurde er auf­           «durch einen puren Zufall» heraus, wie
«Ein ganz lieber Kerl». Doch in der Mannschaft soll der Star auch Neid geweckt        dann ohne ihn stattgefunden, erzählt         gefordert, sich Stollen zu montieren,      sich Karli Odermatt erinnern will. «Wir
haben – und deshalb in Spielen geschnitten worden sein.                               er. Klar, dass er damit bei seinen Mann­     die deutlich mehr Halt garantieren. «Ich   haben damals auf dem Landhof Ende
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
| Donnerstag, 15. November 2018 | Seite 9

einzigen Weltstar
aber traf als Transfer-Sensation nur achtmal für den FCB

                                                                                                                                           Die FCB-Jahrhundertelf der BaZ-Leser. Hintere Reihe v. l.: Yann Sommer,
                                                                                                                                           Murat Yakin, Oliver Kreuzer, Karli Odermatt, Massimo Ceccaroni, Alex Frei. – Vor-
                                                                                                                                           dere Reihe v. l.: Christian Gimenez, Seppe Hügi, Marco Streller, Xherdan Shaqiri,
                                                                                                                                           Scott Chipperfield. – Rechts daneben: Jahrhunderttrainer Helmut Benthaus.

                                                                                                                                           Cubillas war der Grösste,
                                                                                                                                           aber nicht der Wichtigste
                                                                                                                                           In der BaZ-Jahrhundertelf spielen andere Namen
                                                                                                                                           Von Oliver Gut                                 Die gesamte Zusammensetzung der
                                                                                                                                                                                      Jahrhundertelf erwies sich letztlich als
                                                                                                                                           Basel. Ottmar Hitzfeld wurde als Trai-     Spiegel der beiden erfolgreichsten rot-
                                                                                                                                           ner zum Star. Walter Samuel war vor sei-   blauen Phasen und belegte auch, was
                                                                                                                                           nen zwei letzten Karriere-Jahren beim      bei allen anderen Fussballer-Wahlen
                                                                                                                                           FCB schon Champions-League-Sieger.         zum Vorschein kommt: Offensiv-Spie-
                                                                                                                                           Ivan Rakitic wäre im Sommer fast Welt-     lern werden Sympathien leichter zuteil
                                                                                                                                           meister geworden. Und Mohamed Salah        als Defensiv-Künstlern. So finden sich
                                                                                                                                           ist einer der begehrtesten Spieler über-   mit Josef «Seppe» Hügi, Alex Frei,
                                                                                                                                           haupt. Doch Teofilo Cubillas ist der ein-   Christian Gimenez und Xherdan Shaqiri
                                                                                                                                           zige Spieler in der 125-jährigen Club-     neben Streller gleich vier weitere Spie-
                                                                                                                                           geschichte des FC Basel, der bei seiner    ler in der Mannschaft, die als Mittel-
                                                                                                                                           Verpflichtung eine der ganz grossen         oder Flügelstürmer Karriere machten.
                                                                                                                                           Nummern der Fussball-Welt war.             Komplettiert wird die Elf, die von
                                                                                                                                               Dass der Star dann allerdings keine    Jahrhundert-Trainer Helmut Benthaus
                                                                                                                                           grossen Spuren am Rheinknie hinter-        gecoacht wird, von Oliver Kreuzer, Mas-
                                                                                                                                           liess, spiegelte sich bei der Wahl der     simo Ceccaroni, Scott Chipperfield und
                                                                                                                                           FCB-Jahrhundertelf, welche die BaZ
                                                                                                                                                                                      Goalie Yann Sommer.
                                                                                                                                           mit Unterstützung des FC Basel vor drei
                                                                                                                                           Jahren öffentlich durchführte: Cubillas    Die BaZ-FCB-Jahrhundertelf
                                                                                                                                           belegte mit 224 Leser-Stimmen ledig-       1. Karl Odermatt, 2851 Stimmen. 2. Marco Strel-
                                                                                                                                           lich den 38. Platz. Dass das immer noch    ler, 2641. 3. Murat Yakin, 2293. 4. Massimo Cec-
                                                                                                                                           besser ist, als es klingt, zeigen die      caroni, 2227. 5. Yann Sommer, 2096. 6. Josef
                                                                                                                                           Namen direkt vor und nach dem Perua-       Hügi, 1713. 7. Scott Chipperfield, 1665. 8. Alex
                                                                                                                                           ner: Im 37. Rang findet sich Mladen         Frei, 1589. 9. Christian Gimenez, 1353. 10. Xher-
                                                                                                                                           Petric, Fabian Frei folgt an 39. Stelle.   dan Shaqiri, 1328. 11. Oliver Kreuzer, 1197. –
                                                                                                                                                                                      Ersatzspieler: 12. Ivan Ergic, 1195. 13. Benjamin
                                                                                                                                               Die Favoriten von über 3500 Lesern,
                                                                                                                                                                                      Huggel, 1113. 14. Peter Ramseier, 1067. 15.
                                                                                                                                           die sich an der Wahl beteiligten, waren    Valentin Stocker, 973. 16. Timothée Atouba, 971.
                                                                                                                                           andere, wenn es darum ging, jene Spie-     17. Ottmar Hitzfeld, 883. – Ersatzgoalie: Franco
                                                                                                                                           ler und jenen Trainer zu wählen, die       Costanzo, 585. – Jahrhundert-Trainer: Helmut
                                                                                                                                           nicht nur aufgrund ihrer Fähigkeiten,      Benthaus, 2342. – Assistenz-Trainer: Christian
                                                                                                                                           sondern auch aufgrund ihrer Verdienste     Gross, 795. – Die nächsten Spielerplätze
                                                                                                                                           und ihres Status die bedeutendsten der     belegten: Bruno Michaud, 846. Ivan Rakitic, 749.
                                                                                                                                           FCB-Geschichte waren. Und einer über-      Aleksandar Dragovic, 728. Walter Mundschin,
                                                                                                                                                                                      630. Matias Delgado 608. Admir Smajic, 566.
                                                                                                                                           ragte dabei erwartungsgemäss alle:
                                                                                                                                                                                      Granit Xhaka, 552. Marcel Kunz, 529. Otto
                                                                                                                                           Gleich 2851-mal wurde Karli Odermatt       Demarmels, 470. Hakan Yakin, 464. Jörg Stoh-
                                                                                                                                           in die Jahrhundertelf gewählt, gefolgt     ler, 405. Markus Tanner, 376. Erni Maissen, 346.
                                                                                                                                           von Marco Streller (2641) und Abwehr-      Julio Hernan Rossi, 314. Sébastien Barberis,
                                                                                                                                           chef Murat Yakin (2293).                   283. Philipp Degen, 252. Detlev Lauscher, 250.

                                                                                              ter Zeit zwölf Kilo ab.» Ruedi Reisdorf                                                 Es war schliesslich seine erste Ausland-
                                                                                              habe ihm nur Salat und Gemüse zu                                                        station und eine wichtige Lebens-
                                                                                              essen gegeben (was dieser immer                                                         erfahrung. «Ich lernte Pünktlichkeit»,
                                                                                              bestritt). Zudem trainierte er so viel wie                                              sagt er mit einem Lachen, «und durfte
                                                                                              noch nie in seiner Karriere: «Ich war der                                               grossartige Menschen kennenlernen.»
                                                                                              einzige Vollprofi, weshalb der Trainer                                                   Heute pendelt der Vater zweier Söhne
                                                                                              sich ganz mir allein widmen konnte. Er                                                  und Grossvater von vier Enkeln zwi-
                                                                                              war sehr fordernd.» Als es dann immer                                                   schen Lima und Fort Lauderdale, wo er
                                                                                              kälter wurde und einmal sogar schneite,                                                 lange eine Fussballschule betrieb. Für
                                                                                              wurde ihm bewusst, dass er hier nicht                                                   kurze Zeit war er auch Sportminister
                                                                                              glücklich werden würde.                                                                 von Peru. In Russland kommentierte er
                                                                                                  Beim FCB sah man es genauso. Im                                                     in diesem Sommer als Fussballexperte
                                                                                              Dezember 1973 liess sich Präsident                                                      für den spanischsprachigen US-Sender
                                                                                              Felix Musfeld nach Cubillas’ 20 Wett-                                                   Telemundo die WM-Spiele von Peru.
                                                                                              bewerbsspielen mit acht Toren so zitie-                                                 «Unser Team war allerdings nicht
                                                                                              ren: «Unsere Clubleitung und die Ver-                                                   gerade vom Glück verfolgt.»
                                                                                              antwortlichen für technische Belange                                                        An Basel werde er nicht nur
                                                                                              sind übereingekommen, dass Teofilo                                                       erinnert, wenn ihn Journalisten darauf
                                                                                              Cubillas die Erwartungen, die wir in ihn     Ein letztes Lächeln. Als der erste         ansprechen. Jedes Jahr trifft bei ihm
                                                                                              gesetzt haben, bei uns nicht erfüllen        Schnee fiel, zog Cubillas zu Porto          pünktlich zu seinem Geburtstag eine
                                                                                              kann.» Also suchte man nach einer            weiter, wo er Torschützenkönig wurde.      rotblaue Glückwunschkarte ein. «Es
                                                                                              Lösung und fand sie mit dem Wechsel                                                     freut mich, dass sie mich beim FC Basel
                                                                                              zum FC Porto. Transfersumme: 400 000         mit der Aufschrift «Adios Amigos» in die   auch nach so vielen Jahren nicht ver-
                                                                                              Dollar. Ruedi Reisdorf legte jedoch stets    Hand. Bereitwillig machte der Fuss-        gessen haben.»
                                                                                              Wert darauf, dass er beim Weiterver-         baller mit, wie so oft lächelnd. Damit
                                                                                              kauf keinen Cent verdient habe. «50 000      ging für den FC Basel ein einzigartiges    ANZEIGE
    Für Telemundo an der WM in Russland unterwegs. Bis heute ist Cubillas in                  Dollar gab ich an eine wohltätige Insti-     Experiment zu Ende, bei dem der Ver-
    seiner Heimat eine Legende – wo er im Wechsel mit Florida noch immer lebt.                tution weiter, die anderen 50 000 zahlte     ein und alle Beteiligten Lehrgeld               Wir danken euch für
                                                                                              ich auf ein Sperrkonto für Cubillas ein.»    bezahlten. «Hinterher ist man immer
    Monat unser Lohngüggli abgeholt. Ein-          sich über den gewaltigen Unterschied       Diese waren für die Ausbildung seiner        klüger», zog Rod Ackermann in den             125 Jahre Einsatz für die
    mal fiel Cubillas der Lohnausweis zu            beim Zahltag: «So viel Lohn für so         Kinder gedacht. Als der Peruaner sich        Basler Nachrichten Bilanz, «man lege           Fussballregion Basel!
    Boden. Ein Spieler – ich sage nicht, wer       wenig Leistung ist nicht in Ordnung.»      später in Fort Lauderdale in Florida         die Episode Cubillas so rasch wie mög-
    – hob ihn auf und kippte vor Schreck               Teofilo Cubillas will sich nicht mehr   niederliess, überwies ihm Ruedi Reis-        lich ad acta. Und nehme fortan von
    fast um, als er sah, wie viel er kassierte.»   an diese Episode erinnern, aber daran,     dorf das Geld mitsamt den Zinsen.            Transfers solchen Kalibers Abstand.»
    20 000 Franken pro Monat! Zum Ver-             dass er ab Oktober von sich aus auf die                                                 Was dann ja auch der Fall war.
    gleich: Karli Odermatt, der verdienteste       Hälfte seines Gehalts verzichtete, weil    Enormes Lehrgeld                                 Teofilo Cubillas aber fand beim
    Spieler der Mannschaft, kam damals             er mit seinen Darbietungen nicht zufrie-      Cubillas verabschiedete sich so aus       FC Porto zu alter Klasse zurück und
    auf 3000. Als Captain sprach er deshalb        den war. «Aber Neid habe ich nicht         Basel, wie es von ihm nicht anders zu        wurde Torschützenkönig. Das halbe
    «nicht für mich, sondern fürs Team» bei        gespürt.» Und er hatte ja genug mit sich   erwarten war: mit Stil. Am Flughafen         Jahr bei Rotblau möchte er, auch wenn
    der Clubleitung vor und beschwerte             selbst zu tun: «Ich nahm innert kürzes-    drückte ihm ein Fotograf ein Schildchen      er nicht glücklich wurde, nicht missen.
125 JOOR Eine Beilage der Basler Zeitung - Donnerstag, 15. November 2018 - Newsnet
125 Joor FC Basel.
Am Anfang war die «Walliser Kanne»
Wie ein glücklicher Zufall aus der Ärzte-Familie Marti eine rotblaue Fussball-Familie machte

Von Tilman Pauls und Oliver Gut
Muttenz. Zu dritt waren sie jetzt schon
länger nicht mehr im Stadion. Max hat
inzwischen Probleme mit den Stufen im
St.-Jakob-Park und die Angestellten am
Einlass erkennen ihn auch immer selte-
ner. Walter geht zwar noch ab und zu,
wenn das Wetter stimmt, aber auch bei
ihm macht sich so langsam das Alter be-
merkbar. Und Felix, der muss eh ständig
arbeiten, wenn der FCB spielt.
     Wenn man mit den ehemaligen und
aktuellen Ärzten Max, Walter und Felix
Marti über ihre Beziehung zum FC Basel
sprechen will und damit auch über ihre
persönliche Geschichte, dann bietet es
sich an, sie in Muttenz zu besuchen. Dort
ist es ruhiger, es gibt mehr Abstand zum
lärmigen Stadion, und abgesehen davon
würden die 90 Spielminuten ja ohnehin
nicht reichen, wenn die drei erst mal
angefangen haben zu erzählen.
     Da sitzen sie nun, am Küchentisch
von Max Marti, feinsäuberlich aufgereiht
nach ihrem Geburtsjahr. Ganz links der
Gastgeber, Max, 1917, und mit seinen
101 Jahren wohl der älteste ehemalige
FCB-Mitarbeiter, der noch lebt. In der
Mitte Walter, der jüngere Bruder, 1919,
der auch nicht mehr so weit von seinem
100. Geburtstag entfernt ist. Und auf
der rechten Seite dann Felix, der diese
Woche 66 geworden ist und langsam
über das nachdenken könnte, was nach
seinem Berufsleben auf ihn wartet.
Allerdings ist es in seinem Fall wohl
eher so, dass der Ruhestand noch einige
Jahre auf ihn warten muss.
     Zusammen sitzen dort mehr als 250
Lebensjahre am Tisch, was alleine ja
schon beachtlich genug wäre. Aber in
ihrem Fall sind es auch knapp 70 Jahre
in Diensten des FC Basel. Denn wenn
sich bei den Baslern im Laufe der Ver-
einsgeschichte schon so viel geändert
hat, die Namen der Spieler, der Trainer
und der Präsidenten, so ist seit über 50       266 Jahre Lebenserfahrung an einem Tisch. Max, Walter und Felix
Jahren eines immer gleich geblieben.           Marti (von rechts nach links) schaffen es zwar nur noch selten zu dritt in den
Der Name des Mannschaftsarztes.                St.-Jakob-Park, haben mit dem FC Basel aber viel erlebt. Foto Florian Bärtschiger

Die Diagnose von Max Marti
    «Wir drei haben über 40 Prozent der           Auf Empfehlung des Basler Coaches            Doch während Felix Marti von klein     welchen Spielern er damals auf die Welt     Zimmer zum nächsten, damit der FCB
Vereinsgeschichte miterlebt», sagt Felix      Ruedi Wirz und vom «Kanne-Walter»            auf als Fan des FCB aufwächst, mit dem     begleitet hat, dann hört sich das mehr      wenigstens genügend Spieler fürs Trai-
Marti und man könnte seinen Stolz in          Kurt Walter landen die Röntgen-Bilder        Vater in die Kabine spazieren darf, die    nach einer Nostalgie-Mannschaft an als      ning hat. Aber abgesehen von diesen
diesen Momenten in Flaschen abfüllen.         beim ausgebildeten Gynäkologen Max           Basler Heimspiele auf dem Bahndamm         nach der Arbeit eines Frauenarztes. «Ich    kleinen Startschwierigkeiten ist der
«Ich kann mir kaum vorstellen, dass es        Marti, der sich mit einem der Kollegen       verfolgt und weint, wenn die Rotblauen     habe oft gehört, ich hätte mich nur um      «Kleine» so gut, dass er beim FC Basel
noch viele andere Familien gibt, die das      berät. Ihnen ist sofort klar, was Hauser     mal ein Spiel verlieren, müssen Walter     die Tschutti-Frauen gekümmert, aber das     unzählige Trainer und zahlreiche Club-
von sich behaupten können. Das gibts ja       fehlt. Wenig später steht er wieder auf      und Max Marti die Anziehungskraft die-     war stets ein Scherz», sagt er.             führungen überdauern wird.
eigentlich gar nicht.» Und wenn die drei      dem Platz und erzielt im Cupfinal die         ses Vereins erst erlernen.                     Weil der Verein eine immer grössere         Wenn Felix Marti mal angefangen
Martis jetzt dort sitzen und von früher,      beiden Tore für die Basler.                      «Es ist schwer zu sagen, was genau     Rolle im Leben der Martis einnimmt, ist     hat zu erzählen, was er alles mit dem
ganz früher und noch ein bisschen frü-            Max Marti muss schmunzeln, wenn          mich am meisten fasziniert hat. Ich habe   es irgendwann auch völlig normal, dass      FCB erlebt hat, dann ist es ein beein-
her erzählen, dann hört es sich so an, als    er zurückdenkt an diese Zeit, in der         einfach gerne für den FCB gearbeitet. Es   Walter Marti am Morgen um 5 Uhr die         druckender Schnelldurchlauf durch die
habe es einfach so kommen müssen mit          nicht nur Basel anders war, sondern          war eine Ehre», sagt Walter Marti heute.   Praxis öffnet, am Nachmittag mit dem        jüngere Geschichte. Es beginnt mit den
ihnen und dem FCB. Dabei war es ein           auch der Rest der Welt. «Natürlich sind      Wie sein Bruder bemerkt auch er bald,      Flugzeug nach Genf fliegt und sich dort      letzten Ausläufern der Benthaus-Ära,
Zufall, dass aus der Ärzte-Familie Marti      wir in den Jahren zuvor mal auf den          was es bedeutet, mit einem Fussballclub                                                mit Trainingslagern und Testspielen in
auch eine Fussball-Familie wurde.
    Am Anfang dieser Geschichte steht
                                              Landhof gegangen. Wir haben auch
                                              mitbekommen, dass der FCB 1953 den
                                                                                           unterwegs zu sein. Der Umgang mit den
                                                                                           jungen Sportlern, das ständige Hin und
                                                                                                                                      Es ist eine Mischung                        Singapur oder Kuala Lumpur, in Mexiko
                                                                                                                                                                                  City und New York, Penang, Acapulco,
die «Walliser Kanne», so wie die «Walli-      Titel gewonnen hat. Aber richtige Fans       Her zwischen Erfolg und Misserfolg,        aus Dankbarkeit und                         Barbados oder auf den Grand Bahamas.
ser Kanne» am Anfang von unzähligen
anderen Geschichten in der Stadt steht.
                                              waren wir nicht.» Das ändert sich erst,
                                              als Benthaus nicht mehr mit der medizi-
                                                                                           und nicht zuletzt auch das (damals noch
                                                                                           bescheidene) Rampenlicht.
                                                                                                                                      tiefer Verbundenheit, die                   Es geht um auf der Reise verschollene
                                                                                                                                                                                  Koffer und einen Helmut Benthaus, der
Es ist im Jahr 1967. Wann genau, das          nischen Abteilung zufrieden ist und sich         Denn mit der Zeit werden nicht         die Ärzte weitergeben.                      in Shorts am Zoll steht und sich bei der
weiss Max Marti nach all den Jahren           auf die Suche nach einem neuen Arzt          mehr nur Helmut Benthaus oder Karli                                                    Kontrolle gar nicht mehr beruhigen
selbst nicht mehr. Jedenfalls sitzt FCB-      macht. «Als er mich gefragt hat, ob ich      Odermatt vor dem Stadion oder in der       in ein Taxi setzt, damit er pünktlich zum   will. Da sind Fahrten über «Strassen»
Trainer Helmut Benthaus im Restaurant         nicht zufällig einen geeigneten Arzt         Stadt erkannt, sondern auch die Ärzte.     Anstoss im Stadion sein kann. «Ich habe     mit Schlaglöchern und Trainings bei 40
in der Gerbergasse, in jener Ecke, in der     kenne, da habe ich mich einfach selbst       «Von einigen Zuschauern im Joggeli         nie gefragt, ob ich die Spesen für diese    Grad im Schatten. «Ich könnte ganze
die Spieler und Verantwortlichen des          vorgeschlagen», sagt Max Marti.              habe ich später Spitznamen bekommen,       Reisen zurückbekomme. Max und ich           Bücher füllen mit den ganzen Geschich-
FCB immer sitzen. Es ist nicht mehr               Eigentlich wollte er den Job nur vor-    die mit meinen weissen Haaren zu tun       haben uns doch gefreut, dass wir über-      ten, die ich mit dem FCB erlebt habe.»
lange bis zum Cupfinal gegen Lausanne-         läufig machen, «nur für kurze Zeit». Er       hatten», sagt Walter Marti.                haupt dabei sein durften. Wir haben             Ein noch grösserer Teil handelt aber
Sport, der in einem legendären Sitzstreik     konnte ja nicht ahnen, dass ihn später                                                  dem FCB nie eine Rechnung gestellt.»        eben auch vom sportlichen Abstieg und
der Romands enden wird. Die Basler            auch noch sein Bruder Walter unter-          Die Kinder der FCB-Spieler                     Es ist diese Mischung aus Dankbar-      den Zeiten, in denen die medizinischen
haben einige verletzte Spieler, darunter      stützen und beerben würde. Und er                Wenn die Basler ins Trainingslager     keit und tiefster Verbundenheit, die er     Probleme innerhalb des Clubs noch die
auch den deutschen Stürmer Helmut             wusste erst recht nicht, dass sein Neffe     reisen oder im Ausland spielen, dann ist   und sein Bruder auch an die nächste         kleinsten sind. Zeiten, in denen der FCB
Hauser. Das Problem ist nur, dass keiner      Felix dereinst mal Teamarzt der Basler       immer auch ein Marti dabei. «Ich weiss     Generation weitergeben.                     froh sein kann, dass die Ärzte keine
weiss, woran dieser eigentlich leidet.        werden würde. Wie hätte er auch?             noch, wie wir 1970 in Moskau gegen                                                     Rechnungen stellen und nie auf die Idee
                                                                                           Spartak spielten», erzählt Walter Marti,   Die Shorts von Helmut Benthaus              kommen, einen Lohn für ihre Arbeit zu
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                                                                                           der Geschichten wieder hört, die er        sich endgültig vom FCB zurückzieht, ist     kurz vor dem Aus steht, dass selbst die
                                             «Wir gratulieren dem FC Basel 1893            selbst miterlebt hat. «Ich habe vom FCB    erstmals auch Felix mit dabei. Der steht    kleinsten Verletzungen derart «streng»
                                             zu seinem 125-jährigen Jubiläum»              Geld bekommen, um mit den Spielern         zu diesem Zeitpunkt zwar kurz vor dem       begutachtet werden, dass die Kranken-
                                                                                           eine Tour durch die Stadt zu machen.       Staatsexamen und kann es sich eigent-       kasse die Kosten übernimmt.
                                                                                           Aber als wir etwas essen wollten, hatten   lich nicht erlauben, mit dem FCB nach           «In dieser Zeit war es überhaupt
                                                                                           wir nichts mehr.» Also macht sich der      Haiti ins Trainingslager zu fliegen. Aber    nicht mehr angesehen, wenn man für
                                                                                           Mannschaftsarzt auf eigene Faust auf       Walter und Max sind in der Praxis mit       den FC Basel gearbeitet hat. Einige in
                                                                                           die Suche nach dem Schweizer Restau-       den übrigen Patienten ausgelastet. Und      der Stadt wollten ja sogar, dass dem
                                                                                           rant, von dem er im Vorfeld zufällig       für Felix gibt es ohnehin nichts Grösse-    Club die Lizenz entzogen wird. Damals
                                                                                           gehört hat. Er handelt mit den Besitzern   res. Natürlich sagt er zu.                  haben alle zu mir gesagt: Was machst
                                                                                           einen speziellen FCB-Preis aus «und            Der einzige Kommentar von Trainer       du überhaupt noch da? Du musst
                                                                                           dann habe ich jedem Spieler das nötige     Benthaus zum Wechsel in seiner medi-        schauen, dass du dort wegkommst»,
                                                                                           Geld aus der Tasche gezogen».              zinischen Abteilung: «Wenn der Kleine       sagt Felix Marti.
                                                                                               Max und Walter verwachsen immer        so gut ist wie sein Vater und sein Onkel,       Aber er will nicht weg. Wie könnte
                                                                                           mehr mit dem Verein. Die Spieler kom-      dann kann er gerne mitkommen.»              er «seinen» FCB zurücklassen, als es um
                                                                                           men in Walters Praxis in Muttenz, in die       Zwar liegt in der Karibik die halbe     dessen Existenz geht? Die Martis sind
  FELIX TRANSPORT AG I 4144 Arlesheim I T +41 (0)61 766 10 10 I felixtransport.ch          sie zum Teil heute noch kommen. Und        Mannschaft mit Magen-Darm-Proble-           nach vielen schönen und nicht zuletzt
                                                                                           wenn Max Marti erzählt, die Kinder von     men im Bett und Marti eilt von einem        erfolgreichen Jahren schon zu tief in
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