1456 CAMPUS - Universität Greifswald
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Magazin der Universität Greifswald CAMPUS Ausgabe 17/Juli 2022 * 1456 Klimaschutz Vom Bekenntnis zur Tat Sozialer Stress Solidarität Auslandssemester in der Schule mit der Ukraine in Kanada 1 Seite 18 Seite 28 Seite 36
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Editorial Foto: Lukas Voigt Liebe Leser*innen, es ist mir ein ganz besonderes Privileg, Ihnen die aktuelle Ausgabe des Campus-Magazins vorzustellen, welche ganz im Zeichen des Klimaschut- zes an der Universität Greifswald steht. Das gilt übrigens in zweifacher Hin- sicht: Zum einem sind es die aktuellen Forschungsprojekte und Dialoge an der Universität, die sich mit den Herausforderungen des Klimawandels be- schäftigten. So greift beispielsweise das im vergangenen Jahr gegründete Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS) die rechtswissenschaft- liche Perspektive auf und beantwortet Fragen zur Klimaschutzgesetzge- bung oder etwa den verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen des Strom- netzausbaus. Zum anderen ist es das eigene Bestreben der Universität mit der Klimaschutzstrategie bis 2030 klimaneutral zu werden, um so einen eigenen Teil beizutragen und verantwortungsvoll vorauszugehen. Im vor- liegenden Magazin finden Sie ein Interview mit unserem Nachhaltigkeits- beauftragten Dr. Tiemo Timmermann und Stimmen aus der Verwaltung, die beschreiben, wie wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen. Als studen- tischer Prorektor ist für mich die Beteiligung der Studierenden an diesem Prozess ein großer Erfolg. Auf den Ideenreichtum und die Tatkraft der jün- geren Generationen werden wir nicht verzichten können. Es ist aber nicht nur der Klimawandel, der uns aktuell vor Herausforderungen stellt. Der Krieg in der Ukraine belastet uns nicht nur als Universität, sondern auch unsere Mitarbeitenden und Studierenden auf einer ganz persönlichen Ebe- ne. Es macht uns betroffen, dass Studierende und Mitarbeitende unserer Partnerhochschulen in Lviv und Drohobych unter der Brutalität dieses An- griffskrieges leiden. Zugleich sind wir besorgt um das Leben von einzelnen Universitätsmitgliedern, die sich nach wie vor in der Ukraine befinden. Unsere Solidarität gilt darüber hinaus allen Menschen, die durch diesen Krieg in Mitleidenschaft gezogen werden. In dieser Ausgabe finden Sie eine Übersicht, welche Hilfsangebote die Universität für ukrainische Geflüchte- te bereitstellt. Ich möchte insbesondere auf unser Stipendienprogramm hinweisen, welches ukrainischen Wissenschaftler*innen zu Gute kommt, die vor dem Krieg nach Greifswald flüchten. Wir freuen uns über die zahl- reichen Spenden und hoffen darauf aufbauen zu können. Für das Som- mersemester 2022 wünsche ich Ihnen trotz der bedrückenden Umstände weiterhin viel Erfolg und alles Gute! Mit herzlichen Grüßen Ihr Hennis Herbst | Studentischer Prorektor 3
8 KLIMASCHUTZ – VOM BEKENNTNIS ZUR TAT Seite Panorama Lernen & Lehren Wissenschaft & Gesellschaft 06 Aktuelles aus der Universität 19 Stresstest digitale Prüfungen 27 Auszeichnung für Greifswalder 20 Biologische Exkursion Nachwuchswissenschaftler*innen Im Fokus nach Helgoland 28 Die Universität Greifswald 08 Klimaschutz – Vom Bekenntnis 22 Traumberuf steht an der Seite der Ukraine zur Tat Grundschullehrer*in 30 Auszeichnungen und Preise Forschung Hochschulpolitik 32 Wissenschaft und Wirtschaft im 14 Neues Graduiertenkolleg 24 Neue Gesichter Dialog – Das Zukunft szentrum MV Baltic Peripeties an der Universität 15 Think rural! Forschung in ländlichen Räumen 16 Forstgenetik in Zeiten des Klimawandels 18 Sozialer Stress in der Schule 4
16 Inhalt 22 42 39 48 Internationales Alumni & Karriere 34 Internationalisierung 46 SEGEL SETZEN! Hochschulüber- greifender Businessplanwettbewerb 35 Internationale Partnerschaften im Profil 47 Mit Datensicherheit erfolgreich 36 Greifswald goes international: Auslandssemester in Kanada 48 „Meinen Entschluss Jura zu studieren fasste ich relativ spontan“ – Im Gespräch mit Alumna Dr. Sarah Baudis, Rechtsanwältin Campus & Unileben 39 Lebensqualität und Identitätsstiftung: Hochschulsport 41 Unsere Erstis in Zahlen und Fakten 42 Geschichten aus dem Heimathafen Das Redaktionsteam von Campus 1456 wünscht 44 Fotogalerie Ihnen viel Freude bei der Lektüre! 5
Kultur außerhalb Finnlands. So ist er unter ande- Solidarität rem Initiator des 2019 gegründeten internationalen mit der Ukraine Forschungsnetzwerks FI-DACH, welches die Erfor- schung der wechselseitigen kulturellen Beziehun- gen zwischen Finnland und den deutschsprachigen Ländern vertieft. • Foto: Laura Schirrmeister Die Universität Greifswald ist solidarisch mit der Uk- raine und hat sich unmittelbar nach dem Überfall der Stellungnahme der Allianz der deutschen Wis- Festakt zur Verleihung der Ehrenpromotion an Prof. Dr. Kaisa Häkkinen Foto: Laura Schirrmeister senschaftsorganisationen angeschlossen. Wir ver- urteilen den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg auf das Schärfste und sind in großer Sorge um Kolleg*innen, Freund*innen THE Ranking – und deren Familien. Die Professur für ukrainische Kulturwissenschaft, das jährlich in Kooperation mit Die Universität Greifswald dem Alfried Krupp Wissenschaftskolleg stattfinden- in der Spitzengruppe de Ukrainicum, Partneruniversitäten sowie Studie- rende und Mitarbeitende aus der Ukraine zeigen, wie In dem im September 2021 veröffentlichten THE World fest die ukrainische Sprache und Kultur an unserer University Ranking 2022 gehört die Universität Greifs- Universität verankert sind. Wir bieten ukrainischen wald zu den 400 besten Universitäten weltweit. Das Wissenschaftler*innen und Studierenden, die durch renommierte THE Ranking hat im Jahr 2021 insgesamt den Krieg betroffen sind, Unterstützungen in Form 1662 Hochschulen bewertet. Somit gehört die Univer- von Gastaufenthalten an unserer Universität oder sität Greifswald zu den Top 25 Prozent. Deutschland- psychologische Beratungsangebote an. • weit steht die Universität Greifswald mit mehreren an- www.uni-greifswald.de/ukraine deren Universitäten auf Platz 34. Insgesamt haben es 50 deutsche Universitäten unter die weltbesten 1000 Hochschulen geschafft. Mit deutschlandweit Rang 21 ist die Universität besonders erfolgreich im Bereich 100 Jahre Finnlandkunde Zitationen bezogen auf Forschung und Lehre. „Wir ha- an der Universität Greifswald ben es wie auch im vergangenen Jahr geschafft, die Leistungen der Universität Greifswald in Forschung, Am 1. Oktober 2021 feierte die Universität Greifs- Lehre und Transfer weiter zu verbessern und unse- wald mit einem akademischen Festakt den 100. re Position weltweit zu stabilisieren“, sagt Prof. Dr. Gründungstag des ersten Lektorats für finnische Katharina Riedel, die Rektorin der Universität. • Sprachen und Kultur im deutschsprachigen Raum. Der finnischen Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Kaisa Häkkinen wurde – im Beisein der finnischen Bot- schafterin Anne Sipiläinen – die Ehrendoktorwürde Prof. Dr. Gabriele Uhl zur der Philosophischen Fakultät verliehen. 1921 wurde an der Universität Greifswald das erste Lektorat für Präsidentin der Zoologischen finnische Sprache in Deutschland eingerichtet. Im Gesellschaft gewählt Jahr 1976 folgte der erste deutsche Lehrstuhl für Fennistik. Der Lehrstuhl für Fennistik der Universi- Seit diesem Jahr ist Prof. Dr. Gabriele Uhl, geschäfts- tät Greifswald ist heute eines der wichtigsten Zen- führende Direktorin des Zoologischen Instituts und tren für das Studium der finnischen Sprache und Museums sowie Abteilungsleiterin der Allgemeinen 6
Panorama und Systematischen Zoologie der Universität Greifs- Geologische Gesellschaft (DGG) in Berlin als wissen- wald, Präsidentin der Zoologischen Gesellschaft. Die schaftlicher Verein für alle naturwissenschaftlich Deutsche Zoologische Gesellschaft e. V. gründete sich Interessierten gegründet. Heute hat die DGGV über im Jahr 1890 in Frankfurt am Main und ist eine der äl- 4000 Mitglieder. Sie wird von einem Präsidium, dem testen zoologischen Gesellschaften der Welt. Ziel ist Vorstand sowie einem Beirat vertreten. Das Hauptan- es, die zoologischen Wissenschaften interdisziplinär liegen der Vereinigung ist die Förderung der Geologie zu fördern. Wobei die Beschreibung der Diversität in Forschung, Lehre, Wirtschaft und Verwaltung. • der Tierwelt, das Verständnis der Evolution der Viel- falt und das Studium unterschiedlichster biologischer Vorgänge in allen Tiergruppen von besonderer Be- Vergabe des Genderpreises deutung sind. • 2021 der Universität Greifswald Der Genderpreis wird jährlich für eine wissenschaftli- che Arbeit mit besonderem Fokus auf Geschlechter- perspektiven vergeben. Foto: Kilian Dorner Nele Maria Klamer wurde vom Rektorat und der zentralen Gleichstellungskommission des Senates für ihre Promotionsarbeit in der Rechts- und Staats- wissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifs- wald mit dem Genderpreis 2021 ausgezeichnet. Ihre Arbeit widmet sich der reformierten Vorschrift des § 177 StGB, welche im November 2016 in Kraft ge- treten ist. Darin wird der Ertrag der Reform hin zu einem umfassenderen Schutz der sexuellen Selbst- Prof. Dr. Martin Meschede ist bestimmung durch die Einführung des „Nein heißt der neue Präsident der DGGV Nein!“-Ansatzes analysiert. Für den neuen Grundtat- bestand des sexuellen Übergriffs in § 177 I StGB ist die Ausübung von Gewalt oder Drohung mit Gewalt nicht mehr erforderlich. Der Fokus liegt nun auf dem Vorhandensein eines erkennbaren entgegenstehen- den Willens des Opfers, welcher in objektiver Hin- sicht erkennbar sein muss. • Foto: Till Junker Prof. Dr. Martin Meschede, Inhaber des Lehrstuhls für Regionale Geologie und Strukturgeologie der Univer- sität Greifswald, wurde am 20. September 2021 zum Präsidenten der Deutschen Geologischen Gesell- schaft – Geologische Vereinigung gewählt. Die Wahl fand im Rahmen der Mitgliederwahl in Karlsruhe statt. Moritz Lang, Bachelorstudent der Geologie an Foto: Laura Schirrmeister der Universität Greifswald, wurde als studentischer Vertreter in den Beirat der DGGV berufen. Die Deut- sche Geologische Gesellschaft – Geologische Ver- einigung e. V. ist die älteste und größte geologische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum und in Mitteleuropa. Schon 1848 wurde sie als Deutsche 7
Klimaschutz – Vom Bekenntnis zur Tat Im September 2021 hat der Senat der Universität Greifs- wald mit großer Mehrheit eine Klimaschutzstrategie be- schlossen mit dem Ziel einer klimaneutralen Universität bis 2030. Damit bekennt sich die Universität zu ihrer ge- sellschaftlichen Verantwortung und konkretisiert das in ihrem Leitbild gesetzte Ziel der CO₂-Neutralität. Und wie wird die Klimaschutzstrategie jetzt umgesetzt? Welche Schritte stehen in den kommenden Jahren an, welche Akteur*innen sind partizipativ in den Prozess ein- gebunden und welche Erwartungen sind damit verbun- den? Dazu haben wir mit dem Nachhaltigkeitsbeauftrag- ten Dr. Tiemo Timmermann gesprochen und Stimmen von Universitätsleitung, aus der Verwaltung und von Stu- dierenden eingeholt. Ergänzend beschreiben die Beiträge des An-Instituts IKEM (Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität) und des In-Instituts IfEUS (Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht) die Umsetzung von Klimaschutzzielen aus der rechtswissenschaftlichen Perspektive. Es sind nur zwei Beispiele für die wissenschaftliche Expertise zum Thema Klimaschutz, die an der Universität Greifswald quer durch (fast) alle Disziplinen zu finden ist. Foto: Felix Mittermeier 8
Im Fokus Von Julia Lammertz Klimaneutrale Uni 2030 – ein ehrgeiziges Ziel Im Gespräch mit dem Nachhaltigkeits- beauftragten Dr. Tiemo Timmermann Julia Lammertz: Und wie erfolgt die Bilanzierung der Treibhausgase? Herr Timmermann, die Uni will bis 2030 klimaneutral wer- Die Bilanzierung der Treibhausgase folgt internationalen Stan- den. Was sind die nächsten Schritte? dards wie dem Green House Gas Protocol und der ISO-Norm Tiemo Timmermann: Mit dem Bekenntnis des Senats zur Kli- 14064-1. Bei dem recht aufwendigen Prozess müssen zunächst maschutzstrategie hat die Universität grünes Licht gegeben, die Grenzen definiert werden: Zählen die THG-Emissionen des Klimaschutz als eigenen Handlungsschwerpunkt zu begreifen Mittagessens aus der Mensa mit zum Fußabdruck der Univer- und in allen Bereichen zügig umzusetzen. Das bedeutet, dass sität oder nicht? Sind Dienstreisen Teil des Fußabdrucks? Und sich von nun an die Anzahl von Maßnahmen sowie das Tempo wie sieht es mit dem Pendelverkehr aus? ihrer Umsetzung stark erhöhen wird. Priorität werden insbe- sondere Maßnahmen haben müssen, die ein besonderes Po- Kriterien sind u. a. die Verantwortlichkeit, die Kontrollierbar- tenzial für eine Verringerung der THG-Emissionen bieten. keit und die Relevanz. Im Falle der Universität Greifswald zählen dazu: Energieverbräuche für Wärme- und Stromnut- Die Aufgaben sind auf fünf Arbeitsgruppen verteilt: die AG zung, Dienstreisen, Fuhrparknutzung, Beschaffung, Gebäude, „Energie, Gebäude und Campus“, die AG „Ländereien“, die AG Dienstleistungen, Wasserverbrauch und Abfallentsorgung. „Mobilität und Logistik“, die AG „Beschaffung und Vergabe“ so- Auch die Einbeziehung der Universitätsländereien ist relativ wie die koordinierende AG „Steuerung“. Dabei bleibt die Uni- eindeutig. Weniger klar – und nun vorrangig zu diskutieren – medizin ausgeklammert. Vorgesehen sind jeweils drei Treffen ist, ob etwa auch der Pendelverkehr, die Mensen oder Kapital- pro Jahr. Die ersten Treffen haben im März 2022 stattgefunden. anlagen beim Klimaschutz mit in das „System UG“ gehören. Ein erster Arbeitsschritt ist die möglichst genaue Bilanzierung Haben die Arbeitsgruppen weitere Aufgaben? des Treibhausgas-Fußabdrucks der Universität, vereinfacht oft Das Kerngeschäft der Arbeitsgruppen sind die Klimaschutz- als CO2-Fußabdruck bezeichnet. maßnahmen selbst. Manche Maßnahmen, wie etwa die Aus- stattung der Gebäude mit Gebäudeleittechnik, LED-Beleuch- tung und energiesparenden Belüftungssystemen, werden bereits seit vielen Jahren umgesetzt. Dennoch besteht noch TREIBHAUSGAS-FUSSABDRUCK großes Potenzial, neuartige und tiefgreifendere Maßnahmen (CO2-Fußabdruck, Carbon Footprint) zu realisieren. Zunächst wird ein erster Katalog mit Vorschlä- gen für Maßnahmen erarbeitet, der schon Kosten-Nutzen-Be- Der Treibhausgas-Fußabdruck beschreibt, wie klima- trachtungen anstellt, Verantwortlichkeiten und Erfolgsindika- freundlich oder klimaschädlich etwas ist. Neben Koh- toren benennt und Prioritäten festlegt. Im Sommer 2022 soll lenstoffdioxid (CO2), das global für rund 60 Prozent der ein erstes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht werden. durch den Menschen verursachten Treibhausgas-Emis- sionen verantwortlich ist, werden in der Regel auch andere Treibhausgase wie Methan (CH4) und Distick- stoffmonoxid (Lachgas, N2O) sowie weitere bilanziert, meist angegeben in Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2eq). Foto oben: Jan Meßerschmidt 9
Wie setzen sich die Arbeitsgruppen zusammen? Welche Kosten sind mit dem ehrgeizigen Ziel verbunden? Die Arbeitsgruppen haben eine Größe von sieben bis zwölf Die genauen Kosten sind derzeit noch nicht zu beziffern. Es Personen und beziehen in der Regel die zuständigen Perso- zeichnet sich ab, dass, wie überall im Klimaschutz, erhebliche nen der Universitätsverwaltung und -leitung, fachlich aus- Kosten anfallen werden. Das Einwerben weiterer Fördermittel gewiesene Wissenschaftler*innen, ein Mitglied der Nachhal- für den Klimaschutz wird daher eine wichtige Rolle spielen, um tigkeitskommission, den Nachhaltigkeitsbeauftragten und die Klimaschutzstrategie erfolgreich umsetzen zu können. Studierende mit ein. Dabei sind auch Mitglieder der Universi- tätsmedizin, der Scientists for Future, von Fridays for Future, Wie kann man mitmachen? des Greifswald Moor Centrums, der studentischen AG Ökolo- Alle, die sich für den Klimaschutz an unserer Universität enga- gie, des AStA sowie weitere externe Expert*innen. gieren möchten, sind herzlich willkommen! • ANSPRECHPARTNER*INNEN Für Mitarbeitende: Tiemo Timmermann: tiemo@uni-greifswald.de Für Studierende: Hennis Herbst, Studentischer Prorektor: Der universitätseigene Fuhrpark verfügt aktuell über ein E-Auto. Drei weitere Fahr- prorektor-studierende@uni-greifswald.de zeuge für den Nahbereich kommen in 2023 hinzu. Die Bereitstellung von Infrastruktur für Ladestationen und Wallboxen wurde kürzlich beauftragt. | Foto: Patrick Geßner Klimaschutz und wirtschaftliche Nachhaltigkeit Dr. Juliane Huwe, Kommissarische Kanzlerin Die Körperschaftsliegenschaften sind eine stete Einnahme- ein wichtiges Thema – sowohl für die Pachtbetriebe, für die quelle, aus der die Universität angesichts knapp bemesse- die Universität auch in Zukunft eine verlässliche Vertrags- ner Landeszuschüsse zusätzliche Mittel zur Finanzierung partnerin sein muss, als auch das Körperschaftsvermögen. ihrer Aufgaben zieht. Ideen, wie die Körperschaftsflächen Es gilt daher bei alternativen Formen der Flächennutzung im Sinne des Klimaschutzes künftig genutzt werden können, wirtschaftlich tragfähige Nutzungskonzepte zu entwickeln, gibt es viele: die Waldbewirtschaftung auf ausgewählten zum Beispiel Verwertungswege aus Paludikulturen aufzu- Flächen einstellen mit dem Ziel, Ökokonten einzurichten, zeigen, die Pachtbetrieben ein auskömmliches Wirtschaften die Flächen in einen Klimawald umzuwandeln, die Nach- ermöglichen. Werden Wälder aus der regelmäßige Einnah- haltigkeitskriterien für landwirtschaftlich genutzte Pacht- men generierenden Holznutzung zugunsten der einmaligen flächen im Rahmen der Greifswalder Agrarinitiative (GAI) Verwertung in Form von Ökopunkten herausgenommen, zu schärfen oder auch Moorflächen für Wiedervernässungs- brauchen wir Konzepte zur Verwendung dieser Erlöse, um projekte bereitzustellen. Neben dem Klimaschutz ist aber der Universität für ihre vielfältigen Aufgaben auch künftig ein auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit aller Maßnahmen kontinuierliches Einkommen zu sichern. • „Unsere Uni sollte nicht bloß Klimapunkte einkaufen, um in einer Berechnungstabelle in einem Aktenschrank die CO2-Bilanz zu senken, sondern sich langfristig selbst umstrukturieren, um vor Ort die Emissionen zu verbessern." Christiane Kiesow, AStA-Referentin für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit 10
Im Fokus „ Besonders im Hinblick auf die THG-Bilanzierung sowie die Verwaltung der Ländereien erwarte ich Mut, Entschlossenheit und Progressivität.“ Melissa Seidel, Stellvertretende Vorsitzende der Nachhaltigkeitskommission und stellvertretende Vorsitzende des Senats Strom und Wärme nachhaltig erzeugen Dr. Peter Rief, Leiter des Dezernats Planung und Technik Der Stromverbrauch von Universität und Universitätsmedi- zin entspricht dem von 8750 Einfamilienhäusern. Seit 2012 nutzt die Universität ausschließlich Strom aus regenerativen Energieträgern, der seit 2014 in norwegischen, finnischen und französischen Wasserkraftwerken erzeugt wird. Der Wärmeverbrauch entspricht dem von 4500 Einfamilien- häusern. Geheizt wird an der Universität Greifswald zu über 93 Prozent mit Fernwärme, die durch die Greifswalder Stadtwerke aus Solarthermie und Erdgas gewonnen wird und zwar zu ca. 70 Prozent mit Kraft-Wärme-Kopplung. Dies führt, verglichen mit anderen fossilen Energieträgern, zu re- lativ niedrigen Treibhausgasemissionen. Dabei schwankt der Wärmeverbrauch der Gebäude stark, je nach Nutzungstyp Im neuen Universitätsrechenzentrum wurden sämtliche Anforderungen der Ener- (insbesondere dem Anteil von Laboren), Größe, Form, Bau- gieeinsparverordnung (ENEV) umgesetzt. Die Abwärme der Server versorgt das Semi- jahr und Modernisierungsstand. Die Universität stellt seit nar- und Verwaltungsgebäude zu 100 Prozent mit Wärme. Bei einem Überschuss an Abwärme können zusätzlich bis zu 25 Prozent Wärme über eine neu verlegte vielen Jahren konsequent auf Fernwärme oder nachhaltige- Nahwärmeleitung an das benachbarte Forschungsgebäude Center for Functional re Energieversorgung um. Kleine Gas- oder Ölheizungen wur- Genomics of Microbes (C_FunGene) abgegeben werden. | Foto: Jan Meßerschmidt den und werden aufgegeben. So ist es gelungen, Verbrauch und Kosten trotz steigender Flächen zu senken. • „Wir stehen vor einer enormen Herausforderung, die wir nur gemeinsam bewältigen können und – davon bin ich persönlich fest überzeugt – auch werden.“ Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin 11
Von Adrian Röhrig und Dennis Nill Klimaschutz und Recht zusammendenken Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) „Das Formulieren von Klimazielen spart im Sinne des Klimaschutzes zu machen, In Zusammenarbeit mit der Universität noch keine einzige Tonne CO2 ein. Denn verstehe das IKEM als seine Hauptaufga- Greifswald bietet das IKEM Studierenden ohne entsprechenden Rechtsrahmen be, so der langjährige Lehrstuhlinhaber und Absolvent*innen die Chance, sich in werden keine Windenergieanlagen ge- des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Fi- Promotionsvorhaben grundlegend mit baut, die Elektromobilität kommt nicht nanzrecht, Umwelt- und Energierecht an Klimaschutz zu beschäftigen und sich voran, innovative Unternehmen und der Universität Greifswald. „Am IKEM ar- in Praxisprojekten direkt bei der Umset- nachhaltige Geschäftsmodelle scheitern beiten jedoch nicht nur Jurist*innen. Seit zung der Energiewende einzubringen. an der fossilen Konkurrenz“, erklärt Prof. seiner Gründung ist das IKEM ein inter- Die Partnerschaft soll in den kommenden Dr. Michael Rodi, Direktor und wissen- disziplinäres Forschungsinstitut, das das Jahren weiter ausgebaut werden. Zu den schaftlicher Leiter des Instituts für Klima- Spannungsverhältnis von Recht, Ökono- aktuellen Plänen gehört die Einrichtung schutz, Energie und Mobilität (IKEM) – ein mie und Politik in den Blick nimmt.“ eines Klimaforschungsschwerpunkts an An-Institut der Universität Greifswald der Universität, der das IKEM und andere mit Sitz in Berlin. „Die Kombination von Mit diesem Auftrag und einem Team von Einrichtungen in ein gemeinsames For- Klimaschutz und Recht ist deshalb seit rund 70 Mitarbeiter*innen hat das IKEM schungsnetzwerk einbinden soll. mehr als zehn Jahren Dreh- und Angel- seit seiner Gründung 2009 über 180 Pro- punkt unserer Forschung und Projektar- jekte bearbeitet, davon viele mit Bezug Für eine klimafreundliche Zukunft muss beit.“ zur Energieregion Mecklenburg-Vorpom- Klimaschutz überall mitgedacht wer- mern. Zum Beispiel arbeitet das IKEM den. Das ist – gerade im Recht – noch So wie die Themen Klimaschutz und derzeit in CAMPFIRE an Projekten, wel- nicht überall der Fall. Aber es geht voran: Energiewende immer wichtiger wurden, che die große Erzeugungsleistung bei Über die letzten Jahre hat das IKEM die nahm in den vergangenen Jahren auch den erneuerbaren Energien in Nordost- Entwicklung des neuen Rechtsgebiets die Regelungsdichte zu – das im Jahr deutschland für die Dekarbonisierung begleitet und durch seine Arbeit mitge- 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien- des Schiffsverkehrs nutzbar machen staltet. Nun erschien im Januar 2022 die Gesetz (EEG) wuchs beispielsweise von wollen. Und als Partner des Interdiszipli- erste juristische Fachzeitschrift zum Kli- zwölf auf mehr als einhundert Paragra- nären Forschungszentrums Ostseeraum maschutz im Verlag C.H.Beck – natürlich fen an. Diese zunehmende Komplexi- (IFZO) an der Universität Greifswald mit dem passenden Namen: Klima und tät wissenschaftlich zu begleiten sowie analysiert das IKEM rechtliche und ge- Recht. • Vorschläge für eine Konsolidierung und sellschaftspolitische Aspekte der Ener- Weiterentwicklung des Rechtsrahmens giewende. www.ikem.de Im Oktober 2021 wurde Prof. Dr. Michael Rodi für seine langjährige Forschungsarbeit zum Klimarecht mit dem Greifswald Research Award in der Kategorie „Senior“ ausge- zeichnet. Der Award wird jährlich durch den Greifswald University Club (GUC) verliehen und dient der Hervorhebung von Personen, Foto: Kilian Dorner die sich besonders um herausragende anwen- dungsbezogene Forschung und deren Transfer verdient gemacht haben. 12
Im Fokus Von Sabine Schlacke Klimaschutz und Nachhaltigkeit rechtswissenschaftlich begleiten Das Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS) Aktuell werden im IfEUS die Grundlagen zum Klimaschutz- und -anpassungs- recht erforscht. Außerdem werden die Energiewende rechtswissenschaftlich begleitet sowie Rechtsfragen des Infra- strukturausbaus (On- und Offshore) und der Information, Beteiligung und des Rechtsschutzes der Öffentlichkeit und von Verbänden bearbeitet. Insbeson- dere ist in diesen Bereichen die Ent- Foto: Jan Meßerschmidt wicklung übergeordneter Leitbilder, Konzepte und Instrumente unerläss- lich, um die nötige Transformation weder ausschließlich künftigen Gene- rationen aufzubürden, noch lediglich in andere Bereiche zu verschieben. Wie können Planungs- und Genehmi- men der Transformation der Energie-, Dazu wird den Forschungsthemen in gungsverfahren z. B. von Windener- Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme Projekt- und Forschungsarbeiten in- gieanlagen (Off- und Onshore) oder zu klimaneutralen und nachhaltigen terdisziplinär und mit Bezügen zur Stromleitungen so beschleunigt wer- Systemen aus rechtswissenschaftlicher Rechtspraxis nachgegangen. Laufen- den, dass die Klimaziele erreicht, Ar- Perspektive auf. Dabei arbeitet es mit de Forschungsprojekte sind neben ten- und Gesundheitsschutz jedoch vielen anderen Disziplinen, wie zum den thematisch im Zusammenhang nicht unberücksichtigt werden? Wie Beispiel den Natur-, Wirtschafts-, Po- stehenden Promotionsvorhaben das sieht aus rechtswissenschaftlicher Per- litik- und Sozialwissenschaften, zu- Kopernikus-Projekt Ariadne – Gestal- spektive ein erfolgreicher Instrumen- sammen. Geschäftsführende Direkto- tung der Energiewende, das Kompe- tenmix – unter anderem unter Einsatz rin ist Prof. Dr. Sabine Schlacke vom tenznetzwerk Umweltrecht (KomUR) digitaler Technologien und künstlicher Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. sowie die Ständige Senatskommission Intelligenz – für die Energiewende in Verwaltungs- und Umweltrecht, von für Grundsatzfragen der biologischen Deutschland und der Europäischen der Rechts- und Staatswissenschaft- Vielfalt (SKBV). Darüber hinaus ist das Union aus? Welcher rechtlichen Stell- lichen Fakultät. Unter ihrer Leitung IfEUS in der wissenschaftlichen Politik- schrauben bedarf es, um eine klima- werden aktuelle Fragen und Probleme beratung tätig. • und umweltverträgliche Landnutzung, praxis- und lösungsorientiert erforscht die auf Mehrgewinnstrategien setzt, und mit der (Fach-)Öffentlichkeit dis- zu ermöglichen und zu fördern? Wel- kutiert. Als Forum dienen hierfür die che Governance wird benötigt, um die Greifswalder Gespräche zum Energie-, Grenzen der planetaren Gesundheit Umwelt- und Seerecht, die präsent und nicht zu überschreiten? digital durchgeführt werden. Eine erste Tagung zum Thema „Offshore-Wind- Zur Unterstützung des Instituts Dies sind nur einige Fragen, die im energie – Planung, Förderung und Re- wurde ein Förderkreis gegrün- Rahmen des zum 01.10.2021 als gulierung als passendes Steuerungs- det, neue Vereinsmitglieder sind „In“-Institut der Universität Greifswald modell?“ fand im November 2021 in herzlich willkommen! gegründeten Institut für Energie-, Um- Kooperation mit der Forschungsstelle www.uni-greifswald.de/ifeus welt- und Seerecht – kurz: IfEUS – be- für Europäisches Umweltrecht in Bre- arbeitet werden. Das Institut greift The- men statt. 13
Von Anna Derksen und Alexander Waszynski Reformationen, Revolutionen, Katastrophen. Neues Graduiertenkolleg erforscht Wendepunkte im Ostseeraum „Anno 1625 den 10 Febr ist das Meer durch ein Nord Osten In Kooperation mit dem Interdisziplinären Forschungszen- Sturm an disen Stein unterste Kante von 2 bis 5 Uhr auf den trum Ostseeraum (IFZO) kann das Projekt an eine gewachse- Abent aufgelaufen und erwachsen.“ So steht es auf der Ge- ne, in den Graduiertenkollegs „Kontaktzone Mare Balticum“ denktafel am Rostocker Mönchentor, die an eine der ver- (2000–2009) und „Baltic Borderlands“ (2009–2018) ausge- heerendsten Sturmfluten in der Region erinnert. In ihrem baute Expertise anknüpfen. Vertreten sind u. a. die Fächer Dissertationsprojekt „Die Naturkatastrophe als Peripetie“ Baltistik, Fennistik, Germanistik, Slawistik, Geschichte und erschließt Laura Tack anhand historischer Quellen die nar- Philosophie. Aus dem engen fach- und länderübergreifen- rative Seite solcher Ereignisse. Sie ist Kollegiatin des von der den Austausch ergeben sich neue Fragestellungen. So stellt DFG in einer 1. Phase bis 2025 geförderten Graduiertenkol- die Politikwissenschaftlerin Natalia Iost heraus: „Das Kolleg legs „Baltic Peripeties. Narratives of Reformations, Revolu- erlaubt mir, meinen Schwerpunkt in der internationalen tions and Catastrophes“. Das internationale Team von mehr Konfliktforschung auf die Ostseeregion zu beziehen. Meine als 30 Wissenschaftler*innen der Universitäten Greifswald, Trond- heim und Tartu untersucht das Zusammenspiel von Ereignissen und erzählten Wendepunkten im Hinblick auf die Wahrnehmung des Ostseeraums. Dazu wird der Begriff der „Peripetie“ neu nutzbar gemacht: In Aristoteles‘ „Poetik“ bezeichnet er den Um- schlagpunkt einer dramatischen Handlung, also das Ereignis, das die Dinge einen ganz anderen Lauf nehmen lässt, als erwartet. Der Sprecher des Projekts, der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Eckhard Schumacher, erläutert: „Das, was wir mit dem Ost- Dissertation profitiert von der Zusammenarbeit mit der Uni- seeraum verbinden, basiert auf einer Vielzahl von Geschich- versität Tartu und dem methodischen Ansatz in der Narra- ten. Im öffentlichen Diskurs der letzten Jahre haben sich die tologie.“ Geschichten, die wir über den Ostseeraum erzählen, erheblich verändert – von einer gemeinsamen Vergangenheit und engem In den kommenden Semestern trägt das Kolleg zur Ringvor- kulturellen Austausch hin zur Sichtbarmachung gesellschaft- lesung der Ostseeraumforschung bei und wird verschiede- licher Bruchlinien durch die Corona-Pandemie, zur Rhetorik ne Tagungen an den beteiligten Standorten ausrichten. Das der ‚Zeitenwende‘ und zu Neubewertungen von Projekten wie Sommerprogramm begann am 6. April mit einem Festvor- Nord Stream 2 und der geopolitischen Sicherheitslage im Bal- trag des Mercator-Fellows und Architekturhistorikers Prof. tikum angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Uk- Dr. Kristoffer Neville (UC Riverside) im Alfried Krupp Wissen- raine. Mit dem Konzept der Peripetie wird es möglich, aktuelle schaftskolleg. • wie historische Umbrüche und Wendepunkte und deren Rolle für das ‚Narrativ‘ des Ostseeraums genauer zu analysieren.“ 14
Forschung Von Stefan Ewert Think rural! Forschung zu ländlichen Räumen gemeinsam erstellt wurde. Zu lesen ist hier u. a. von einem „Kriminalitätsimport“ vom Land in die Stadt und Sicherheits- wahrnehmungen in ländlichen Räumen, von agrarischen In- tensivgebieten oder von der Telemedizin als Innovation im Gesundheitswesen, die gerade in ländlichen Räumen die Daseinsvorsorge verbessern kann. Die Beiträge des Dossiers geben jeweils einen Überblick über spezifische Konstellatio- nen und Problemlagen in ländlichen Räumen und zeigen auf, wie Greifswalder Forschungsergebnisse hier in anwendungs- Foto: Jan Meßerschmidt bezogene Lösungsansätze münden. Partnerinstitutionen wie das Thünen-Institut für Ländliche Räume in Braunschweig und das IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobili- tät – berichten zudem vom Wandel der Lebens- und Arbeits- verhältnisse im ländlichen Raum und von neuen Mobilitäts- konzepten für periphere Regionen. Mangelnde Distanz von Sozialwissenschaftler*innen zu ih- rem Untersuchungsgegenstand birgt die Gefahr einer zu gro- Konferenzen in Planung ßen Subjektivität – diese Warnung wird Studierenden einer- Um den Kreis des Forschungskonsortiums „Think rural!“ zu seits schon in den ersten Semestern auf ihrem akademischen erweitern, fand am 13. Mai 2022 eine Tagung zu Herausforde- Weg mitgegeben. Andererseits sind Universitäten dafür prä- rungen und Entwicklungschancen von ländlichen Räumen in destiniert, Untersuchungsgegenstände in ihrer räumlichen Greifswald statt. Parallel laufen die Vorbereitungen für eine Nähe unter die Lupe zu nehmen: Kurze Wege liefern for- internationale Tagung im März 2023 am Alfried Krupp Wis- schungspragmatische Gründe dafür, zudem finden sich oft senschaftskolleg. Hier werden unter dem Motto „Think rural entsprechende Traditionen. Der Forschungsschwerpunkt in the Baltic Sea Region“ die Forschungen zum ländlichen Ostseeraum unserer Universität ist dafür ein gutes Beispiel. Raum und der Greifswalder Forschungsschwerpunkt Ost- Neben der Ostseenähe kennzeichnet den Standort Greifs- seeraum zusammengeführt. So kommen die Ostsee und die wald die Lage inmitten dünn besiedelter ländlicher Räume. Ländlichkeit – die beiden Charakteristika der Greifswalder Auch zu Fragen, die sich mit der ländlichen Lage ergeben, Umgebung – auf dieser Tagung zusammen. • findet in Greifswald eine lebhafte Forschung statt. 2011 ha- ben sich Forschende aller Fakultäten unserer Universität zu- sammengeschlossen, um ihre Forschungen zum ländlichen Raum zu koordinieren. Seitdem hat das Forschungskonsor- tium „Think rural!“ mehrere Tagungen zum ländlichen Raum organisiert, gemeinsame Forschungsprojekte durchgeführt und eine Reihe von insbesondere anwendungsbezogenen Foto: Jan Meßerschmidt Forschungsergebnissen hervorgebracht. Online-Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung Das neueste Resultat der Zusammenarbeit ist ein On- line-Dossier zu ländlichen Räumen, welches für die Bun- deszentrale für politische Bildung entwickelt und mit dieser 15
Foto: Andreas Burger Von Melanie Zacharias Forstgenetik in Zeiten des Klimawandels Hitzesommer, Stürme, Borkenkäfer, Waldsterben. Vielen an Klimaveränderungen an? Ein Baum steht immer an ei- Waldbesucher*innen fällt auf, dass es unseren Wäldern nem Ort, kann nicht weglaufen und erlebt im Laufe sei- nicht gut geht. Unsere kleinen grünen Inseln der Erholung nes recht langen Lebens so einige Klimaextreme. Zudem scheinen mit den Herausforderungen des Klimawandels braucht es Zeit, ehe ein Baum die ersten Samen produziert, nicht mehr mithalten zu können. Vor allem die weit ver- um seine Gene an die nächste Generation weiterzugeben. breiteten reinen Fichtenbestände, die aufgrund hoher Holz- erträge in der Vergangenheit bevorzugt gepflanzt wurden, Diese Fragen untersucht die Forstgenetik, in der ich 2018 sehen zunehmend schlechter aus. meine Dissertation am Institut für Botanik und Landschafts- ökologie an der Universität Greifswald begonnen habe. Die Priorisierung von Holzertrag über Widerstandsfähigkeit Ein halbes Jahr später reiste ich im Zuge meiner Arbeit von Waldökosystemen fällt uns nun auf die Füße. Doch wie nach Alaska, um dort Weiß-Fichten (Picea glauca) an der passen sich langlebige Organismen wie Bäume überhaupt Baumgrenze zu untersuchen. Warum ausgerechnet Alaska? 16
Forschung Alaska gehört zu den Regionen der Welt, in denen die Erd- erwärmung mit am deutlichsten zu spüren ist. Zudem kön- nen wir in vom Menschen unberührten Wäldern natürliche Prozesse am besten untersuchen. Vor allem Bäume an der GRADUIERTENKOLLEG 2010 RESPONSE Baumgrenze, an der extreme Bedingungen das Wachstum Schon die dritte Generation an Nachwuchs- und Überleben limitieren, eignen sich, um den Einfluss des wissenschaftler*innen forscht im Rahmen des Klimas zu untersuchen. Die Abgelegenheit bringt mit sich, Graduiertenkollegs 2010 RESPONSE daran, dass man auch mal in Zelten schläft, den nächsten Fluss die Folgen der Erderwärmung für Tier- und als Badezimmer benutzt und stets Bärenpfefferspray dabei Pflanzenarten sowie Mikroorganismen zu hat. Dafür wird man mit wunderschönen Landschaften und untersuchen und deren Anpassungsvermögen unzähligen Tierbeobachtungen belohnt. Für genetische einzuschätzen. Das Graduiertenkolleg wird Analysen sammelten wir Fichtennadeln und nahmen Bohr- von der Deutschen Forschungsgemeinschaft kerne, um das Baumwachstum zu untersuchen. (DFG) gefördert mit einer Laufzeit von April 2015 bis März 2024. Die wissenschaftliche Ko- Zurück in Deutschland ging es im Labor mit DNA-Extraktio- ordinatorin ist Dr. Susann Räth, Sprecher des nen und PCR-Analysen weiter. Den größten Teil meiner Ar- Graduiertenkollegs ist Prof. Dr. Gerald Kerth, beitszeit verbrachte ich mit der Datenauswertung und dem Lehrstuhlinhaber für Angewandte Zoologie Formulieren meiner wissenschaftlichen Erkenntnisse am und Naturschutz. PC. Dabei arbeitete ich eng mit den Dendroökolog*innen unserer Universität zusammen. In meiner Arbeit untersuche ich, ob das Wachstum von Bäumen eher von deren Genetik oder den Umweltbedin- gungen beeinflusst wird und welche Gene für eine bessere Trockenstresstoleranz in Bäumen verantwortlich sind. So- mit ist es in Zukunft vielleicht möglich, Bäume zu pflanzen, die genau diese Gene besitzen, um trotz des Klimawandels gesunde Waldbestände zu erzeugen. Dabei geht es nicht um Gentechnik. Das Ziel ist, natürliche Prozesse besser zu ver- stehen, um unterstützend einzugreifen. Neuste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Geschwindigkeit des menschengemachten Klimawandels die Anpassungsfähigkeit vieler Baumarten übersteigt. Bäu- me sind eben etwas Besonderes. Sie verfügen über eine hohe sogennante phänotypische Plastizität, was bedeutet, dass sie ihr Erscheinungsbild ihrer Umwelt anpassen kön- nen. Zum Beispiel haben Blätter, die im Schatten wachsen, eine andere Anatomie als Blätter, die viel Sonnenlicht abbe- kommen. Zudem besitzen Wälder eine hohe genetische Di- versität und verteilen ihre Pollen und somit Gene über viele Kilometer, um Bäume zu bestäuben, die weit entfernt wach- sen. An dieser Diversität kann natürliche Selektion arbeiten, indem zum Beispiel nur die Bäume eine Dürre überleben, die besser an Trockenheit angepasst sind. Diese „Überle- benden“ können dann Samen produzieren, um ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben. • Timo Pampuch, Melanie Zacharias, Andreas Burger | Foto: Andreas Burger 17
Forschung Von Diana Raufelder Sozialer Stress in der Schule und seine Folgen für die Hirnentwicklung von Schüler*innen Soziale Ausgrenzung in der Klasse hat und -Analysen wichtige Erkenntnisse relevant. Die Ergebnisse wurden mit schädliche und langfristige Auswirkun- darüber zu gewinnen, wie sich soziale Daten aus begleitenden Befragungen gen auf die Entwicklung eines Kindes. Faktoren auf die Gehirnentwicklung kombiniert. Im Einzelnen wurde der Sie beeinflusst die strukturelle Ent- auswirken. Mehrere funktionelle Hirn- Einfluss von Schulzugehörigkeit, sozia- wicklung der grauen Substanz der lin- entwicklungsstudien haben bereits ge- ler Ausgrenzung in der Schule unter Be- ken Inselrinde (Teil der Großhirnrinde) zeigt, dass schulische Zugehörigkeit rücksichtigung des Pubertätsstatus im von Schüler*innen. Dies ist eine der we- und soziale Ausgrenzung mit der Hirn- Hinblick auf Veränderungen in verschie- sentlichen Erkenntnisse einer Studie aktivität in Bereichen des sogenannten denen Hirnregionen analysiert. Es zeig- zur Frage, inwieweit das Gefühl der so- Social Brains zusammenhängen, das te sich ein Zusammenhang zwischen zialen Zugehörigkeit und Ausgrenzung mit der Navigation in komplexen sozi- sozialer Ausgrenzung (und nicht Zuge- in der Schule bei Jugendlichen mit ih- alen Umgebungen verbunden ist und hörigkeit) und dem Volumen der grau- rer strukturellen Gehirnentwicklung zu- die Interaktion und Kooperation mit en Substanz in der linken Inselrinde. sammenhängt. Die Studie wurde in der anderen erleichtert. Erziehungswis- internationalen Fachzeitschrift „Child senschaftler*innen und Neurowissen- Von Mitte der 9. bis Mitte der 10. Klasse Development“ veröffentlicht. schaftler*innen der Universität Greifs- war die Abnahme der grauen Substanz umso geringer, je mehr soziale Aus- grenzung die Schüler*innen wahrnah- men. Die normale Hirnentwicklung bei Jugendlichen ist durch eine Abnahme der grauen Substanz und Ausdünnung charakterisiert, was zu einer effiziente- ren Funktion beiträgt. Diese Ergebnis- se deuten darauf hin, dass ungünstige soziale Faktoren die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen können und unterstreichen die Bedeutung eines in- tegrativen Schulklimas, das durch qua- litativ hochwertige Beziehungen und ein geringes Maß an sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Lehrer*innen und Erzieher*innen sollten sich bewusst Soziale Ausgrenzung zum ersten Messzeitpunkt war mit der Veränderung des Volumens der grauen Substanz in der linken Inselrinde zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt verbunden (rot gefärbte Bereiche). sein, dass soziale Ausgrenzung in der Quelle: Paper (Raufelder et al., 2021, Child Development) Klasse die Reifung des sozialen Gehirns so beeinträchtigen, dass sie die Interak- tion und Kooperation eines Schülers mit Bislang haben nur wenige Längsschnitt- wald haben jetzt gemeinsam mit Kol- anderen behindert. studien den Zusammenhang zwischen leg*innen der Charité Berlin Gehirn- sozialen Stressfaktoren (zum Beispiel und Fragebogendaten von 71 Sekun- Die Studie wurde mit 800.000 Euro von Viktimisierung durch Gleichaltrige) und darschüler*innen untersucht. der VolkswagenStiftung im Rahmen des der strukturellen Gehirnentwicklung bei Forschungsprojektes SELF (Die Bedeu- Jugendlichen untersucht. Dabei ist es Dabei wurden spezifische Hirnregionen tung Sozio-Emotionaler Lernfaktoren möglich, mit Hilfe von strukturellen Ma- des Social Brains identifiziert. Diese sind im schulischen Lernprozess) unter Lei- gnetresonanztomographie-Daten (MRT) für soziale Akzeptanz und Ausgrenzung tung von Diana Raufelder finanziert. • 18
Lernen & Lehren Gesammelt von Laura Schirrmeister Stresstest digitale Prüfungen? Studierende berichten von ihren Erfahrungen „Ich hatte Prüfungen zwar nur ein Semester in Präsenz, muss aber sagen, dass mir digitale Prüfungen besser gefallen, denn zuhause am Schreibtisch ist die Atmosphäre viel Durchstehen und auch Durchspre- entspannter. Vor allem bei münd- „ Drei Corona-Semester boten die chen vor und nach den Klausuren, lichen Prüfungen nimmt mir das Möglichkeit, jegliche Facetten von der Kaffee im Grünen. Prüfungen heimische Umfeld die Aufregung Online-Prüfungen zu erleben. Wäh- machen zwar keinen Spaß, aber und ich kann mich besser konzen- rend ich mündliche Prüfungen als sie schweißen zusammen und trieren.“ angenehm empfunden habe, war werden erträglicher, wenn alle zu- der Stresspegel bei schriftlichen sammen durchmüssen.“ Annalena Wallenta, 5. Semester Klausuren jedoch hoch. Kommunikationswissenschaft Von Internet- und Kameraausfäl- Annica Brommann, 7. Semester und Germanistik len über deutsche Autokorrektur Kommunikationswissenschaft bei Fremdsprachenprüfungen bis und Germanistik hin zum bedrohlich ablaufenden Timer an der Seite, der die Minuten und Sekunden bis zum Einreichen zeigte. Dieser hat bei meiner ersten „Meinen Erfahrungen nach unter- digitalen Prüfung dazu geführt, scheiden sich mündliche Prüfun- die erste Hälfte der Fragen schnell „ Meine beiden digitalen Prüfungen gen in Präsenz kaum von denen, und relativ panisch zu beantwor- fand ich einigermaßen organisiert. die im Onlineformat stattfinden. ten. Später zurückblättern war Eine Klausur schrieb ich auf Papier, Schwierigkeiten waren bei mir nicht mehr möglich – ein deutlicher die andere digital. Nachteil der stets technischer Natur — vom Nachteil im Vergleich zum norma- Papierprüfung war, dass einige im Einfrieren der Dozierenden, über len Studium. Kurs keinen funktionierenden Dru- schwer verständliches Audio bis hin Aber irgendwann kommt die Rou- cker zu Hause hatten, der essenti- zum Verbindungsabbruch. tine, auch die außergewöhnlichs- ell für diese Klausur war. Denn wir Wesentlich eindrucksvoller waren ten Umstände erhalten mit jeder mussten die ausgefüllten Blätter bisher alternative Prüfungsfor- Wiederholung etwas Normalität. scannen und an die Prüferin zu- mate. Beispielsweise wurden in Inzwischen bin ich mir nicht sicher, rückschicken – per E-Mail und Post. einem Geschichtsmodul statt tradi- ob ich nicht viel aufgeregter wäre, Leicht für diejenigen, die in Greifs- tioneller Hausarbeit eine Reihe von müsste ich zu einer Präsenzprü- wald waren. Ein größerer Aufwand Studienleistungen in Gruppenar- fung gehen und in der aufgelade- für diejenigen, die nicht vor Ort beit bewertet. So flossen am Ende nen Atmosphäre ausharren, bis die waren. Positiv für mich war jedoch, eine Präsentation, Peerfeedback, Blätter ausgeteilt und umgedreht dass ich während dieser Prüfungen mündliche Mitarbeit und eine kür- werden. weniger Druck empfunden habe.“ zere Hausarbeit in eine einzige Damit fehlt aber auch die soziale Note – mit vollem Erfolg.“ Essenz des Studiums: die Blicke Mareike Ottomann, 7. Semester durch den Raum, die sagen ʼHey, Kommunikationswissenschaft Niklas Michel, 7. Semester Lehr- wir packen das!ʻ das gemeinsame und Geschichte amt an Gymnasien (Geschichte und Englisch) 19
Fotos: Lukas Voigt Von Kerstin Lipinske Von roten Felsen, tierischen Blumen und zahmen Tölpeln Biologische Exkursion nach Helgoland Rot, weiß und grün – das sind die Farben von Helgoland. Rot steht für den beeindruckenden Felssockel aus rotem Buntsandstein, der das Bild der Insel prägt. Weiß sind der Strand und die Nachbarinsel Düne, die einst mit Helgo- land verbunden war. Grün ist das Land, geprägt von Pflanzen, die Stürmen und Salzgischt widerstehen. Dünengras, Klippenkohl und Möwenblume sind ebenso zu finden wie Sanddornsträucher und buschige Heckenrosen. Doch was ist mit „blau“? Die Nordsee Greifswaldern auch sein Gästehaus zur umflutet Helgoland und gibt ihre bio- Verfügung stellte. Makro- und mikro- logischen Schätze erst auf den zweiten skopische Untersuchungen an den ver- Blick frei. So war es im September 2021 schiedenen Organismengruppen gaben das Ziel der Exkursion Greifswalder einen Einblick in die Diversität marinen Studierender im Master Biologie unter Lebens. Vorträge zum Einfluss der Gezei- Leitung von Prof. Dr. Steffen Harzsch ten und anderer abiotischer Faktoren, (Zoologisches Institut und Museum), zu marinen Lebensräumen, ökologi- Einblicke in die marine Lebenswelt zu schen Zusammenhängen, zu aktuellen erhalten und einen Blick unter die Was- wissenschaftlichen Forschungsprojek- Auch die Kolonie der Basstölpel war seroberfläche zu werfen. ten und zur Avifauna Helgolands mach- unvergesslich. Die Meeresvögel mit gel- ten die achttägige Exkursion zu einem bem Kopf und bläulichem, kräftigem Ausgerüstet mit Gummistiefeln, Eimern Intensivkurs in mariner Biologie. Schnabel brüten an und auf den Steil- und Helmen wurde bei Niedrigwasser wänden der Insel. Ein Rundweg führt über glitschige Steine balanciert und Häufig offenbarte sich Erstaunliches direkt an der Kolonie vorbei und wäh- nach marinen Lebensformen gesucht. unter dem Mikroskop. Kleine, unauf- rend Homo sapiens einen Blick in die Um neben Muscheln, Schnecken, Qual- fällige „Flecken“ auf einer Alge wurden Tiefe riskiert, wo sich Kliff und Nord- len, Krebsen, Algen und Würmern auch zu einem Blütenmeer im Mikrokosmos: seewellen treffen, schweben die Töl- kleinste Lebewesen des Meeres zu Winzige Seescheiden der Art Botryllus pel im Wind, allzeit bereit, in die steile untersuchen, mussten sich die Studie- schlosseri, deren Individuen völlig un- Schlucht zu stoßen. Nur eine Armlänge renden beim „Fischen“ von Phyto- und scheinbar erscheinen, bilden Kolonien, entfernt saßen die flauschigen Jung- Zooplankton mithilfe eines Netzes zur die einem prächtigen Blütenmeer oder tiere in ihren flachen, felsigen Nestern. vertikalen Beprobung bewähren. einem funkelnden Sternenhimmel glei- Wer genauer hinsah, erkannte auch chen. Jedes „Blütenblatt“ repräsentiert Buntes in den Nestern, an den Klippen, Die nachfolgenden Laboruntersuchun- ein Einzeltier. Neben wissenschaftlicher in den Schnäbeln und um die Hälse der gen fanden in den Kursräumen der Rationalität konnte man schon ab- Tiere. Es sind Teile von Geisternetzen Biologischen Anstalt Helgoland des schweifend ins Träumen kommen – eine und anderer Kunststoffmüll, die von Alfred-Wegener-Instituts statt, das den Emergenz der Ästhetik? den Vögeln mit Nahrung verwechselt 20
Lernen & Lehren Eine Ikone der marinen Fauna Helgolands: Kolonie der Seescheide Botryllus schlosseri | Foto: Kerstin Lipinske Probennahme im Helgoländer Felswatt, im Hintergrund die „Lange Anna“ | Foto: Prof. Dr. Steffen Harzsch oder zum Nestbau verwendet werden. Jungtieren im Sand, während sich die eine Fossilienausstellung verfügt. Schwere Verletzungen und Verhungern ersten Kegelrobben behäbig aus dem Unter anderem findet sich dort die mit vollem Magen, der mit unverdauli- Wasser an das Ufer hievten. Die Träg- Gipsabformung eines 51,5 cm langen chen Kunstoffen gefüllt ist, sind nicht heit täuscht, denn die bis zu 300 kg Schädels des Capitosaurus helgolandi- selten die Folge. In den Nestern kann schweren Tiere können auch an Land ae, dessen Original im Jahre 1910 ein der Müll zur tödlichen Falle für die Kü- eine beachtliche Geschwindigkeit er- Sensationsfund auf der Insel war. Der ken werden, die sich an dem festen Ma- reichen. Abstand sollte daher von den Schädel ist fast 250 Mio. Jahre alt und terial strangulieren und als mahnendes Beobachter*innen nicht nur zur Scho- wird einer primitiven Amphibiengrup- Zeugnis von den Klippen hängen. Auf nung der Robben eingehalten werden, pe zugeordnet. • der Exkursion erschloss sich nicht nur sondern auch zum Eigenschutz. die Diversität marinen Lebens, sondern auch seine Gefährdung. Trotz straffem Stundenplan blieb auch noch Zeit, die Insel auf eigene Faust zu Der Ausflug zur benachbarten Düne erkunden und paläontologisch Inte- ließ die Studierenden erneut Vögeln ressierte konnten auf Fossiliensuche und Meeressäugern nahekommen. Fast gehen. Wer erfolglos vom Strand zu- stolperte man am Strand über Sander- rückkehrte wurde spätestens im Hel- linge, Steinwälzer oder Regenpfeifer. goländer Museum fündig, das neben Eine Gruppe Seehunde ruhte mit ihren Geschichtlichem zur Insel auch über 21
Von Julia Lammertz Traumberuf Foto: Ines Rodewald-Dannenberg Grundschullehrer*in Eindrücke vom Praxistag im Studium Eine Besonderheit im Studiengang „Lehramt an Grundschu- len“ an der Universität Greifswald ist der Praxistag. Bereits ab dem ersten Semester verbringen die Studierenden wäh- rend der Vorlesungszeit einen Tag pro Woche in einer Schule. Zunächst liegt der Schwerpunkt auf Hospitationen, ab dem zweiten Studienjahr gestalten die Studierenden auch eigene Unterrichtsstunden. Aktuell sind 44 Schulen in den Praxistag involviert. Sieben davon in Greifswald, die Mehrheit liegt in einem Umkreis von etwa 50 Kilo- metern, einige sind weiter entfernt. Der Praxistag ist ein Schritt in die richtige petenz, Erklärungen zu geben. Die Er- Studierende, die den Praxistag an Richtung für die zukünftige Ausbildung fahrungen, die man hier mit den Kindern Schulen im ländlichen Raum absol- von Lehrpersonen. Ein besserer Einblick macht, sind wegweisend. vieren, können einen Reisekosten- in den Schulalltag kann einer angehen- zuschuss beantragen. Die Campus- den Lehrkraft nicht gewährt werden. Im dritten Semester werden die ersten Redaktion hat Eindrücke vom Praxis- eigenen Unterrichtsstunden geplant, vor- tag gesammelt. Sowohl die Interaktion mit den Kindern bereitet, durchgeführt und reflektiert. Zu als auch die Unterstützung der Pra- erleben, wie viel Arbeit in einer einzigen xiskoordinator*innen erweitern unseren Unterrichtsstunde steckt und diese auch Erfahrungsschatz ungemein, bringen vie- erfolgreich durchzuführen, war schlicht- le Anstöße für Reflektionsarbeit und vor weg eine große Freude und bisher mein Martin Radtke studiert Grundschullehr- allem eine Menge Spaß, den Schulalltag persönliches Highlight im gesamten Stu- amt im 4. Semester in der Fächerkombi- von Beginn an hautnah mitzuerleben. dium. • nation Mathematik, Deutsch, Philoso- Frisches theoretisches Wissen wird sofort phieren mit Kindern und Sachunterricht zur Anwendung gebracht und jeder kann und verbringt seinen Praxistag an der für sich schon einmal ausprobieren, wel- Kinderkunstakademie Greifswald. che didaktischen Methoden in der Praxis wirkungsvoll und für die jüngste Genera- Mein persönliches Highlight tion angemessen sind. im Studium Das Unterrichtsklima und die Motivation Der Wunsch, eines Tages Lehrer zu wer- durch die Praxiskoordinator*innen sorg- den, war bei mir schon seit frühester ten schnell dafür, dass ich selbst aktiv Kindheit vorhanden. Als das Grundschul- im Unterricht begann, einzelnen Schü- lehramt an der Universität Greifswald ler*innen Hilfestellungen bei Aufgaben zu eingeführt wurde, bot sich mir die große geben, die Lehrpersonen organisatorisch Chance, diesen Traum zu verwirklichen. zu unterstützen und, nach eigener Kom- 22
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