40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020

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40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum
           Krishna Tempel Zürich
           1980–2020

Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein
Gründer-Acharya His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

        Impressum

        Herausgeberin: Krishna-Gemeinschaft Schweiz
        Idee, Konzept und Redaktion: Krishna Premarupa Dasa | krishnapremarupa@gmail.com
        Redaktionelle Mitarbeit: Sacisuta Dasi, Gaura Lila Dasa

        Lektorat (Deutsch und Englisch): Verena Gaupp | gaupp-text.de
        Layout und Umschlaggestaltung: Durim Shala | hello@durimshala.com

        © 2020 Texte: Autoren der jeweiligen Artikel
        © Fotos: KGS | BBT International | Autoren

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40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
Editorial

                       „Nächster Halt:
                       Hare-Krishna-Tempel“
                                  Wäre das nicht toll, die neue Bushalte-    Ein Überblick dieser geschichtlichen
                                  stelle ‚Hare-Krishna-Tempel‘ zu nen-       Ereignisse bildet den ersten Teil dieser
                                  nen? Das dachten sich die Geweihten        Jubiläumsschrift. Prof. Dr. Frank
                                  Krishnas im Jahr 1998, als die Linie 33    Neuberts Artikel beleuchtet die Ent-
                                  ausgebaut wurde und neu zum Bahn-          wicklung der Hare-Krishna-Bewegung
                                  hof Tiefenbrunnen führte. „Wer weiss       aus religionswissenschaftlicher Sicht.
                                  denn schon, wie lange der Krishna-         Die Chronik zeigt mit Bildern die
                                  Tempel an der Bergtrasse existieren        verschiedenen Stationen der letzten
                                  wird“, begründete der Zürcher Ver-         knapp 50 Jahre.
                                  kehrsverein (ZVV) damals seine Absage
Krishna Premarupa Dasa            auf unseren Antrag.                        Weiterführende Informationen wie eine
                                                                             Kurzbiographie Srila Prabhupadas
Tempelpräsident, Krishna-Tempel   Dieses Jahr feiern wir unser 40-           (Gründer der ISKCON), Antworten zu
ISKCON Zürich                     jähriges Bestehen. 40 Jahre Krishna-       ‚Oft gestellten Fragen‘ sowie Fakten
                                  Bewusstsein in Zürich, 40 Jahre an         und Zahlen findet der/die Leser/in im
                                  derselben Bergstrasse, 40 Jahre            Anhang.
                                  Stetigkeit und Hingabe! Was würde
                                  der ZVV wohl heute antworten?              Dass die Mitglieder des Krishna-
                                                                             Tempels schon seit Langem in einem
                                  Es war im März 1980, als die ersten        regen Austausch mit der Gesellschaft
                                  Geweihten von Krishna die ältere           stehen, zeigt der Hauptteil der Bro-
                                  Villa am Zürichberg erwerben und           schüre. Verschiedenste Persönlichkei-
                                  anschliessend renovieren konnten.          ten aus der Öffentlichkeit erzählen in
                                  So begann die Geschichte des Krishna-      ihren Beiträgen über ihre Eindrücke
                                  Tempels, der als einer der ersten Hindu-   und Begegnungen. An dieser Stelle
                                  Tempel der Schweiz und als Zuhause         möchte ich meinen herzlichen Dank
                                  der Hare-Krishna-Bewegung bald zu          an alle Autor/innen zum Ausdruck
                                  einer stadtbekannten Adresse wurde.        bringen; nicht nur für die Glückwün-
                                                                             sche und Beiträge, sondern auch für
                                  In diesen vier Jahrzehnten entwickelte     die wertvollen Freundschaften, die
                                  sich der Tempel zu einer Art ‚spirituel-   über die Jahre entstanden sind!
                                  ler Oase‘ und diente Tausenden von
                                  Menschen als Begegnungsstätte für          Ich wünsche allen eine spannende
                                  Gleichgesinnte. Ein Ort, um sich aus-      und unterhaltsame Lektüre und freue
                                  zutauschen und Freunden zu begeg-          mich, euch persönlich wieder einmal
                                  nen, aber auch zur Ruhe zu kommen          im Tempel begrüssen zu dürfen.
                                  und sich Krishna näher zu fühlen.
                                                                             Die Bushaltestelle gegenüber des
                                  Die Anfänge der Hare-Krishna-              Tempels heisst immer noch ‚Hof-
                                  Bewegung in der Schweiz liegen jedoch      strasse‘, aber wer weiss, vielleicht
                                  noch weiter zurück. Im Jahre 1971          stellen wir zum 50. Jubiläum einen
                                  kamen Geweihte Krishnas in die             neuen Antrag…
                                  Westschweiz, wo dann in Genf, ein
                                  Jahr später, der erste Krishna
                                  Tempel ins Leben gerufen wurde.

                                                                                                                      5
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

             Inhalt
         PROLOG

               9      Grusswort        Der Tempel: Ein Ort der Zuflucht
                                       Sacinandana Swami

             10       Grusswort        Die Brücke der Liebe zu Gott
                                       Dina Sharana Devi Dasi

             13       Grusswort        Message from the Ambassador of India
                                       Sibi George

             14                        Srila Prabhupada on Zurich
             16       Einleitung       Der Zürcher Tempel und die Geschichte
             			                       der ISKCON
                                       Prof. Dr. Frank Neubert

             22       Chronik          Krishna-Bewusstsein in der Schweiz
             			                       1971–1979
             24       Chronik          Krishna-Tempel Zürich 1980–2020

         STIMMEN ZUM KRISHNA-TEMPEL
         AUS DER ÖFFENTLICHKEIT

             33       40 Jahre Krishna Tempel                     37      Die sanfte Stimme des Schweigens
                      in 500 Jahren Zwinglistadt                          Lic. phil. Michel Bollag
                      Christoph Sigrist
                                                                  38      Blaue Moschee begegnet
             34       Vom Baustellen-Lärm zum                             orangenem Tempel
                      Mantra-Singen                                       Murat Ergül
                      Marc Bundi
                                                                  39      An Uplifting Advice
             35       Freudig und tiefgründig                             Swami Amarananda
                      Veronika Jehle
                                                                  40      Prasadam im Krishna-Tempel
             36       Ein Berg mit vielen Wegen                           Dr. Satish Joshi
                      und einem Ziel
                      Bruder Niklaus Kuster

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40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
Inhalt

  41   Everyone can Serve Bhagavan           49   Dancing at the Temple Was
       Sri Krishna                                a Divine Experience
       Sri Caitanyadeva Dasa                      Pater Dr. Saju George Moolamthuruthil SJ

  42   Neureligiös bewegt und                50   Diving into Devotion
       altindisch verwurzelt                      Manish Vyas
       Simon Gaus Caprez
                                             51   Diskussionen zu den
  43   Weltkloster Erfahrungsdialoge              grossen Fragen des Lebens
       Alexandra Mann M.A.                        Alexandra Smith

  44   The Switzerland Mauritius             52   Hare Krishna in der Schule:
       Connection                                 Alle werden von etwas berührt
       Rajkumar Sookun                            Daniel Barz

  45   Krematoriumsbesuch –                  53   Besuch des Krishna-Tempels in
       Teil der Ausbildung und                    der Aus- und Weiterbildung
       wichtige Aufgabe                           von Lehrpersonen
       Cyrill Zimmermann                          Dr. theol. Monika Schumacher-Bauer

  46   Die ‚Hare Krishnas‘ –                 54   Der Wandel der ISKCON –
       ein fester Bestandteil Zürichs             vom Mönchsorden zur
       Deborah Sutter                             Gemeindereligiosität
                                                  Prof. Dr. Oliver Krüger
  47   Honig und Hingabe für
       einen tanzenden Gott                  55   Der ISKCON-Tempel in Zürich
       Rosanna Grüter                             im Spiegel von Relinfo
                                                  Georg O. Schmid
  48   Der Krishna-Tempel als
       musikalisches Umfeld
       Thomas Niggli

EPILOG

  58   Krishna-Bewusstsein auf einen Blick
  62   Srila Prabhupada, der Gründer der Hare-Krishna-Bewegung
  64   Oft gestellte Fragen
  70   Die ISKCON und andere Religionen
  72   ISKCON Schweiz – Tempel und Restaurant
  74   Einladung zum Sonntagsfest

                                                                                                  7
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

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40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
Grusswort

                       Der Tempel:
                       Ein Ort der Zuflucht

                                     Voller Freude feiere ich mit allen Geweihten und Freund/
                                     innen das 40-jährige Bestehen des Krishna-Tempels Zürich.  

                                     Ich kann mich an die vielen Momente erinnern, in denen
                                     ich mich im Tempel Krishna sehr nahe fühlte. Beim Beten
                                     vor dem Altar hatte ich immer den Eindruck, dass eine
                                     Antwort kam – oder eine Versicherung: „Alles ist genauso,
                                     wie es sein sollte und unter unserer persönlichen Aufsicht.
                                     Wir kümmern uns um alles.“

                                     Auch erinnere ich mich gerne an die vielen Kirtans, die
                                     Vorlesungen, die inspirierenden Begegnungen mit Geweih-
                                     ten – und natürlich die Arati-Zeremonien.

                                     Es ist ein grosser Dienst, einen Tempel zu betreiben in
                                     einer Zeit, die so sehr auf spirituelle Inspiration und
                                     Impulse angewiesen ist.

Sacinandana Swami                             Ein Tempel sollte ein Ort der Verehrung
Sannyasi (Mönch), Lehrer und Autor
                                              Gottes sein und ein Ort, an dem man
ISKCON Deutschland                            mehr über Ihn erfahren kann.

                                     Der Zürcher Tempel erfüllt diese traditionellen Vorgaben sehr
                                     gut und ist somit ein Ort der Zuflucht für viele geworden.

                                     Alle, die gerade auch in diesen Zeiten mit ihren besonde-
                                     ren Herausforderungen Zuflucht bei dem höchsten Freund
                                     und Förderer, Sri Krishna, suchen, der unverzichtbar in
                                     unserem Herzen weilt, können sicher sein, dass die Freude
                                     des ewigen Lebens und der göttlichen Liebe in ihnen
                                     geweckt werden.

                                     Ich wünsche dem Tempel und all seinen Freund/innen
                                     und Unterstützer/innen alles Gute und viel spirituelle
                                     Kraft vom höchsten Herrn und freue mich bereits auf
                                     die nächste Gelegenheit eines Besuchs.

                                                                                                             9
40-jähriges Jubiläum Krishna Tempel Zürich 1980-2020
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                      Die Brücke der Liebe zu Gott

 Es ist mir eine große Ehre, anlässlich des 40. Jubiläums
 von ISKCON Zürich meine Wertschätzung ausdrücken zu
 dürfen. Diese Niederlassung des ISKCON Hauptquartiers in
 Mayapur in Indien öffnet auch in der Schweiz die Pforte zur
 spirituellen Welt.

 Es ist im heutigen Zeitalter der Angst und der Verwirrung –
 Kali Yuga – kein leichtes Unterfangen, einen ISKCON-
 Tempel zu betreiben und weltweit die Lehren Caitanya
 Mahaprabhus zu bekunden:

 Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare
 Hare Rama Hare Rama Rama Rama Hare Hare

 Dazu braucht es Überzeugung, spirituelle Kraft, Liebe zu
 Gott und einen gesunden Menschenverstand. Die Liebe
 zu Gott muss so wirklich, so tief und umfassend sein, dass       Dina Sharana Devi Dasi
 sie die Grenzen der eigenen Religion sprengen und über-
 winden kann. Nur dann ist es möglich, echte Liebe für die        Mitglied des weltweiten Führungsrat der ISKCON
 Gottbrüder und Gottschwestern anderer Glaubensrichtun-           Area-GBC (Governing Body Commission)
 gen zu empfinden.                                                für den deutschsprachigen Raum
                                                                  Wiesbaden, Deutschland
 Die Brücke der Liebe zu Gott ist mehr denn je die einzige
 Rettung für das gemeinsame friedliche Leben in dieser
 Welt. Nur in Kooperation können wir etwas für unseren
 Planeten tun. Für den Klimawandel, für die Menschen und          Spirituelle Entwicklung und spirituelle Erfahrungen
 alle Lebewesen dieser Erde. In diesen schweren Zeiten lei-       kommen Gläubigen aller Religionen zugute.
 det die Natur so sehr, dass sie sich gegen unser rücksichts-
 loses Tun wehrt.
                                                                           Die innige Beziehung zu Gott,
 Niemand von uns entscheidet, wann die Welt ‚zu Ende geht‘                 die sich im liebevollen Austausch
 oder ‚gerettet wird‘. Das steht uns nicht zu. Allein Gott kann
 diese Entscheidung treffen.                                               ausdrückt – das ist grosse Bhakti-
                                                                           Kunst!
 Vergebung finden wir nur im gemeinsamen Gebet und in
 der Meditation, in der Verehrung Gottes und im Respekt
 füreinander. Für die Verwirklichung all dessen braucht es        Einen herzlichen Dank für den hingebungsvollen Dienst
 Führungspersonen von bestem Charakter. Daher möchte              an Sri Krishna in seinen Formen als Jagannatha, Baladeva,
 ich insbesondere die Offenheit, Weitsicht, Liebe und Hin-        Subhadra und Gaura-Nitai und für die immer wieder erwie-
 gabe von Tempelpräsident Krishna Premarupa Dasa und              sene Gastfreundschaft! Von ganzem Herzen meine besten
 seinen Kolleg/innen loben. Ich möchte ihnen für die Stetig-      Wünsche für gute Gesundheit und spirituelle Kraft!
 keit und Verantwortung danken, die sie der Internationa-         Hare Krishna!
 len Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein und der Mission
 von A.C. Bhaktivedanta Swami Srila Prabhupada widmen.
 In diesem Sinne: „Herzlichen Glückwunsch zu 40 Jahren
 ISKCON Zürich!“

10
Grusswort

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40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

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Grusswort

                       Message from the
                       Ambassador of India

                              It gives me immense pleasure to convey my best wishes to the
                              International Society of Krishna Consciousness (ISKCON)
                              Zurich and Krishna community in Switzerland on the
                              occasion of the 40th Anniversary of establishment of Krishna-
                              Temple Zurich. It was a pleasant experience for me and
                              my wife to visit the temple in 2018 and have interactions
                              with Krishna devotees.

                                      I convey my deep appreciation for
                                      ISKCON Zurich for its endeavor in
Sibi George                           promoting spiritualism and values
                                      of ancient Indian vedic civilization
Ambassador of India, Bern
                                      through the Krishna consciousness
                                      movement.

                              My best wishes and compliments to all devotees of Lord
                              Krishna associated with ISKCON Zurich who are working
                              towards achieving universal peace and harmony through
                              spiritual consciousness.

                              I look forward to visiting ISKCON Zurich in coming days.

                                                                                                      13
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                     Srila Prabhupada
                     on Zurich
                     „I have been to Zurich. It is a very
                     clean city. Develop it nicely. Many
                     important persons who were very
                     interested in our movement came
                     to see me when I was in Geneva.
                     All the news of these centers is
                     very encouraging. May Krishna
                     bless you that you always remain
                     fully engaged in His service.“
                     – Letter to Bhagavan Dasa | November 7 | 1976

14
His Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Gründer-Acharya der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein

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40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

            Der Zürcher Tempel
            und die Geschichte
            der ISKCON
                                 Prof. Dr. Frank Neubert

                                 Ständiger Lehrbeauftragter und Forschungsmitarbeiter
                                 Religionswissenschaftliches Seminar
                                 Universität Luzern

 I                                         Zitate aus Prabhupadas Werken habe           In Amerika zum Beispiel gibt es aus-
 Der Hare-Krishna-Tempel an der            ich der Online-Ausgabe der Vedabase          reichend Versorgung mit allem, was
 Zürcher Bergstrasse wird 40. Er gehört    entnommen, vedabase.io, Zugriff Mitte        man braucht, aber in anderen Ländern
 damit zu den am längsten kontinu-         April 2020). Im April 1973 weilte der        ist das nicht so. Als ich beispielsweise
 ierlich bestehenden Tempeln der           Founder Acharya in der Schweiz, wo er        in die Schweiz reiste, da sah ich, dass
 ISKCON überhaupt. Viele Tempel sind       sich erholen wollte, erlebte aber eisige     dort alles importiert wird. Das einzige,
 entstanden und vergangen, einige          und schneereiche Tage in St. Moritz,         das lokal im Angebot ist, ist Schnee.
 wurden zugunsten kleinerer oder           wonach seine Einstellung zur Schweiz         Das ist alles unter Krishnas Kontrolle.
 günstigerer oder (manchmal auch)          deutlich abkühlte. Bereits 1975 schrieb      Wenn man Devotee wird, wird man
 grösserer Gebäude aufgegeben.             er wiederum an Hamsaduta: „Bezüg-            ausreichend mit Nahrung versorgt,
 40 Jahre am gleichen Ort, das ist ein     lich der Schliessung des Zürcher             und wenn man nicht Devotee wird,
 Anlass zu herzlicher Gratulation.         Zentrums, ist okay.“ Das klingt nicht        wird man mit Schnee bedeckt.“ Es
 Der Zürcher Tempel beweist damit          nach grossem Bedauern. Er äusserte           scheint, dass Prabhupada nicht mehr
 innerhalb und ausserhalb der ISKCON,      an verschiedenen Stellen sein Miss-          recht warm wurde mit der Schweiz.
 dass derartige Kontinuität möglich,       fallen über die wirtschaftlich prospe-
 umsetzbar und wünschenswert ist.          rierende Schweiz, wo es viel zu sehr         Den Erwerb und die Gründung des
                                           ums Materielle und viel zu wenig ums         Tempels an der Bergstrasse erlebte
 II                                        Spirituelle gehe. Das machte er auch         Prabhupada nicht mehr. Dennoch
 Dabei war der Start der Hare Krishnas     überdeutlich in seinem Vortrag, den          hatte er dort – wie üblich – von Anfang
 in der Schweiz nicht gerade rosig.        er als Antwort auf das Willkommen            an seinen Ehrenplatz und ein Arbeits-
 Bhaktivedanta Swami Prabhupada            durch den Bürgermeister im Genfer            zimmer. Und ich meine, neben der
 hatte zwar schon 1968 in einem Brief      Rathaus Ende Mai 1974 hielt. Am              Liegenschaft selbst hätten ihm auch
 an Sivananda Zürich als möglichen         deutlichsten wird seine ‚unterkühlte‘        die Entwicklung und Kontinuität des
 zukünftigen Tempelstandort genannt.       Haltung zur Schweiz in seinen Ausfüh-        Zürcher Tempels Freude bereitet –
 1973 äusserte er seine Freude darüber,    rungen aus einem Vortrag, die an sein        jedenfalls mehr als viele Entwicklun-
 dass Hamsaduta in Zürich ein Zen-         Erlebnis aus St. Moritz anknüpften.          gen, die sich ab den späten 1970er-Jah-
 trum eröffnet hatte. Er bezeichnete       Er sagte dort wohl etwas scherzhaft          ren bis weit in die 1990er in ‚seiner‘
 Zürich an anderer Stelle auch als         (meine Übersetzung): „Wenn Krishna           Bewegung weltweit ergaben. In der
 ‚sehr saubere Stadt‘ (Anmerkung: Die      will, gibt es ausreichend Versorgung.        Folge möchte ich ohne spezifischen

16
Der Zürcher Tempel und die Geschichte der ISKCON

Krishna-Geweihte aus Zürich
vor der Berner Zytglogge in den
90er-Jahren.

                                                                                 17
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

 In den 80er- und 90er-Jahren war die Bewegung stark
 monastisch geprägt und widmete sich hauptsächlich
 der Verbreitung des Krishna-Bewusstseins.

     Bezug zum Zürcher Tempel einige           machte sich die ISKCON in den zwei        der stärker an Prabhupadas Lehren
     Entwicklungen der ISKCON insgesamt        Jahrzehnten nach Prabhupadas Tod          orientieren. Vor allem hörte man die
     seit dem Tod Prabhupadas im Jahr          das Leben selbst schwer. Die wenigen      Stimmen von Frauen, von Aussteigern
     1977 nachzeichnen.                        kritischen und zu Reformen aufrufen-      und missbrauchten Kindern, um Evi-
                                               den Stimmen wurden kaum gehört, in        denz zusammenzutragen. Man trennte
     III                                       einigen Fällen regelrecht kaltgestellt.   sich von Personen, die den Standards
     Zunächst trat die bei vielen jungen       Zu diesen internen Differenzen gesellte   offenbar über viele Jahre hinweg nicht
     Religionsgemeinschaften typische          sich Druck von aussen durch religiöse     gerecht geworden waren. Natürlich war
     Schwierigkeit auf, eine sinnvolle und     und nichtreligiöse Sektengegner,          das kein einfacher Prozess, und die
     nachhaltige Organisationsstruktur         etablierte Kirchen und sogenannte         Reformen mussten sich gegen zähen
     ohne den bisher nahezu allein verant-     Betroffenen-Initiativen. Sie machten      Widerstand von Hardlinern durchset-
     wortlichen Gründer Prabhupada zu          sich in ihrer Argumentation gegen die     zen. Dass dies letztlich gelang, ist ein
     etablieren. Diese Struktur muss dann      ISKCON die offensichtlichen Miss-         grosses Verdienst der ISKCON insge-
     auch noch von allen Mitgliedern           stände zunutze und prangerten diese       samt und der führenden Reform-
     anerkannt und respektiert werden. Es      an. Vieles davon drang erst dadurch       Köpfe. Ihnen gelang es, die notwen-
     bestand nicht immer Einigkeit bei der     langsam als gravierendes Problem ins      digen Reformen immer mit strengem
     Neuausrichtung der Governing Body         Bewusstsein der ISKCON vor. Erste         Bezug auf die spirituellen Lehren
     Commission (GBC), die bereits 1970        Stimmen begannen, vorsichtig Refor-       Prabhupadas zu begründen, damit
     von Prabhupada ins Leben gerufen          men anzumahnen.                           auch die aufgetretenen (teilweise
     worden war. Bei Weitem nicht alle der                                               schweren) Verfehlungen in einem
     neuen, jungen und oft genug unerfah-      Aber erst das Jahr 1996 brachte eine      Vaishnava-theologischen Kontext zu
     renen Verantwortungsträger waren          wirkliche Wende. Unter Verweis auf        verorten. Jeder müsse, so hiess es
     ihren Aufgaben gewachsen. Durch           das 30-jährige Bestehen der ISKCON        nun, selbst prüfen, in welchem Masse
     Misswirtschaft in Tempeln, überbor-       und den 100. Geburtstag Prabhupadas       er sich an die geistigen und rituellen
     dende Frauenfeindlichkeit, teilweise      wurden Rufe nach Reformen laut, die       Vorgaben halten könne, ob er in der
     katastrophale Zustände in der Kinder-     um Schadensbegrenzung, Wiedergut-         Lage sei, nach einem spirituell reinen
     betreuung und aggressive Missionie-       machung und eine Neuausrichtung           Leben zu streben und sich mit seinen
     rungsmethoden in der Öffentlichkeit       kämpften. Dabei wollten sie sich wie-     unvermeidlichen Verfehlungen kri-

18
Der Zürcher Tempel und die Geschichte der ISKCON

                                   tisch auseinanderzusetzen. Nur so sei es möglich,
                                   auf dem Weg zu einem reinen Devotee voranzu-
                                   kommen. Die erfolgreichen Reformen haben mit
                                   dazu beigetragen, dass sich die ISKCON in den
                                   meisten Ländern als Teil der religiösen Landschaft
                                   etablieren konnte.

                                   Tatsächlich werde ich in den letzten Jahren von
                                   Interessierten und den Medien regelmässig ge-
                                   fragt: „Wo sind eigentlich die Hare Krishnas? Gibt’s
                                   die noch?“ Meine Antwort lautet meistens: „Ja
                                   klar, die gibt es noch, und sie sind sehr aktiv. Aber
                                   wir nehmen sie in der Öffentlichkeit kaum mehr
                                   wahr.“ Dies nicht etwa, weil sich die Devotees ver-
                                   stecken würden, sondern weil sie beispielsweise
                                   den Namen Krishnas nicht mehr durch aggressive
                                   Missionierung verkünden oder weil die ISKCON
                                   nicht mehr im Fokus negativer Berichterstattung
                                   über Religionsgemeinschaften und sogenannte
                                   Sekten steht. Dazu haben neue Kommunikations-
                                   strategien der Bewegung ebenso beigetragen wie
                                   ein oft sehr gutes Verhältnis zu verschiedensten
                                   Hindu-Migrantengruppierungen und die aktive
                                   Beteiligung an Aktivitäten des interreligiösen Dia-
                                   logs in vielen Ländern.

                                   IV
Buchverteilung auf der             Im Zuge all dieser Entwicklungen hat sich im
Rathausbrücke in Zürich            Leben der Devotees vieles geändert. So spielte sich
                                   noch bis weit in die 1990er-Jahre hinein beinahe
                                   das ganze Leben in einem Tempel ab. Man lebte
                                   im Tempel, verrichtete dort seine spirituellen
                                   Praktiken, arbeitete für den Unterhalt des Tempels
                                   und verliess ihn oft nur, um an öffentlichem Sin-
                                   gen und Bücherverkauf teilzunehmen. Für Devo-
                                   tees, die heiraten und Familien gründen wollten,
                                   waren die Bedingungen besonders in den ersten
                                   Jahren nach Prabhupadas Tod oft schwierig. Das
                                   änderte sich vor allem durch zwei Entwicklungen:
                                   Einerseits wurde rasch immer deutlicher, dass die
                                   monastisch-asketischen Ideale, die in der Anfangs-
                                   zeit der Bewegung doch sehr im Zentrum standen,
                                   langsam aufweichten. Sie machten dem Bewusst-
                                   sein Platz, dass man auf Haushälter-Devotees, also
                                   besonders die ausserhalb der Tempel lebenden
                                   Familien, angewiesen ist und ihren Bedürfnissen
                                   Rechnung tragen muss. Schliesslich kann eine
                                   Religionsgemeinschaft nicht auf Dauer nur aus

Eine Krishna-Geweihte rezitiert
den Hare-Krishna-Maha-Mantra.
                                                                                           19
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

     ‚Konvertierten‘ bestehen, sondern         auch: Wie stark wird der Tempel auch
     sie muss sich nach und nach auf die       von Aussenstehenden, Gästen und
     Integration und Sozialisation der         neuen Interessierten besucht? Das ist
     nächsten Generationen einstellen. Sie     schliesslich seit den Anfängen der
     und ihre Familien sind es auch, die       ISKCON so geblieben: Die Tempel sind
     mit ihren Beiträgen inzwischen mass-      vielfach Orte des ersten intensiven
     geblich zum Unterhalt vieler Tempel       Kontakts mit der Gemeinschaft. Viele
     beitragen und in Zukunft dadurch          waren angesichts der farbenfrohen,
     noch an Bedeutung gewinnen werden.        fröhlichen, spirituell-sinnlichen
                                               Zeremonien, des guten vegetarischen
     Andererseits öffnete sich die Gemein-     Essens und der oft herzlichen Begrüs-
     schaft stärker nach aussen und liess      sung begeistert und blieben der
     offenere Gemeindestrukturen zu. Das       Gemeinschaft verbunden. Für viele
     heisst, dass inzwischen ein Grossteil     junge Leute gaben diese Eindrücke
     der Devotees ausserhalb der Tempel        den Ausschlag für die Entscheidung,
     lebt und arbeitet, während sie für die    selbst Devotee zu werden.
     Pujas, Vorträge und natürlich die
     Sonntagsfeste die Tempel besuchen.        V
     Sie pflegen enge Beziehungen mit den      Der Tempel an der Zürcher Bergstrasse
     Tempelbewohnern und den anderen           hat mit seinen 40 Jahren Geschichte
     Devotees, aber auch mit vielen Men-       viele dieser Entwicklungen hautnah
     schen ausserhalb der Community. Ihre      miterlebt. Die damit verbundenen
     Kinder besuchen in den Tempeln viel-      Schwierigkeiten wie auch Heraus-
     fach spezielle Angebote, beispielsweise   forderungen, die sich aus der engen
     religiöse Unterweisung oder Unterricht    Anbindung an die ISKCON in anderen
     in Elementen indischer Kultur wie         deutschsprachigen Ländern und die
     Musik und Tanz. Die Tempel sind damit     besondere Lage in Zürich ergaben,
     in vielen Fällen hauptsächlich zu         haben die Bewohnerinnen und
     Gemeindezentren geworden, die nur         Bewohner des Tempels immer wieder
     noch für relativ wenige Brahmacaris       gemeistert. Auch Zürich hat dabei
     und Sannyasis den eigentlichen Lebens-    Besonderheiten entwickelt. Eine ist
     mittelpunkt bilden.                       sicherlich die erfolgreiche und sehr
                                               offene Integration der tamilischen
     Für den Umgang mit diesen neuen           Vaishnavas in die Tempelaktivitäten
     Gegebenheiten haben die Tempel            und die Programmgestaltung.
     unterschiedliche Strategien und
     Modelle entwickelt. Im Laufe der Zeit     Nach vielen Besuchen in verschie-
     haben die regionalen Zweige und           denen Tempeln weltweit kann auch
     sogar einzelne Tempel eigene spezielle    ich sagen, dass ich mich im Zürcher
     Sonntagsfestprogramme und Willkom-        Tempel immer besonders wohl und
     menskulturen entwickelt – selbstver-      willkommen gefühlt habe, sei es bei
     ständlich immer orientiert an den von     meinen Besuchen für Forschung und
     der Tradition und den Schriften vor-      Interviews, sei es mit Gruppen von
     gegebenen rituellen Notwendigkeiten.      Studierenden oder Teilnehmenden
     Dabei spielen verschiedene Überle-        von VHS-Kursen. Herzlichen Dank
     gungen eine Rolle: Wie viele Personen     dafür und alles Gute für die Zukunft.
     leben permanent im Tempel? Wie            Śubhamastu. Hari bol.
     hoch ist der Unterhaltsaufwand? Und

20
Der Zürcher Tempel und die Geschichte der ISKCON

         Badezeremonie (Abhisheka)
         der Altarfiguren im Tempel

                                               21
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

             CHRONIK
             Krishna-Bewusstsein
             in der Schweiz
             1971–2020

                                           Die Anfänge
                                                1971–1979

                                                                         Erstes öffentliches Singen in den

                                                     1971
                                                                         Strassen von Genf durch Krishna-
                                                                         Geweihte aus dem ISKCON-Tempel
                                                                         von Paris.

                                       1972

                                                    Der erste Krishna-Tempel in
                                                    der Schweiz: Petit-Lancy bei
                                                    Genf (bis 1975). Die Krishna-
                                                    Gemeinschaft zählte damals
                                                    knapp zehn Vollzeitmitglieder.

                                                                                            1973

22
Chronik | Krishna-Bewusstsein in der Schweiz

                                                             Umzug von Petit-Lancy ins elegante Schlösschen
                                                             ‚Château Banquet‘ im Herzen von Genf (bis 1977).

                                                             In Zürich (Rotwandstrasse) wird das erste kleine
                                                             Krishna-Zentrum der Deutschschweiz eröffnet
                                                             (für 1 Jahr).

Die in Westbengalen, Indien, gefertig-
ten Murtis, Altarfiguren von Gaura-Nitai
(Inkarnationen Krishnas) kamen im
                                              1975
Oktober nach Petit-Lancy.

                                               Srila Prabhupadas zehntägiger Besuch in Genf
                                               (30. Mai–8. Juni). Seine Ankunft wurde vom
                                               Westschweizer Fernsehen gefilmt und
                                               am selben Abend in der Tagesschau ausge-
                                               strahlt. Auch die ‚Tribune de Genève‘ berichtet
                                               über die Ankunft des ‚grand maître spirituel‘.
                                               Ein offizieller Empfang beim Genfer Stadtrats-
                                               präsidenten im Hôtel de Ville, ein Symposium
                                               an der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
                                               sowie Gespräche mit verschiedenen Persön-
                                               lichkeiten des öffentlichen Lebens bildeten die
                                               Highlights von Prabhupadas Besuch.

                        1974

                                           Srila Prabhupadas erster Besuch in der Schweiz
                                           (2.–5. April) während eines Zwischenstopps von
                                           Bombay nach New York. Der Gründer der Krishna-
                                           Bewegung verbrachte zwei Tage in St. Moritz (geplant
                                           waren 14 Tage zum Kuren) sowie eine Nacht in
                                           Zürich (Hotel Sonnenberg, 10 Min. vom Krishna-
                                           Tempel entfernt).

                                                                                                                23
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                                                                            1978

     1977
                                                                                                    Erstes Ratha-Yatra, indisches
                                                                                                    Wagenfest, in der Schweiz und
                                                                                                    in Kontinentaleuropa (Genf,
                                                                                                    entlang der Seepromenade).

             Umzug von Genf ins ‚stille Tal‘ – ein kleiner
             Landsitz bei Düdingen/FR (bis 1991).

                                                 Krishna Tempel Zürich
                                                                    1980–2020
                                                             sowie ISKCON Schweiz

                                                                    1980

                 Einzug in die ehemalige Villa von
                Julius Bär an der Bergstrasse 54 in
                                    Zürich (März).

              Registrierung der ‚Schweizerischen
             Stiftung für Krishna-Bewusstsein‘ im
                        Handelsregisteramt (Mai).

             Gründung des Vereins ‚Schweizerische
                Gesellschaft für Krishna-Bewusst-
                                       sein‘(Juni).

             Kritischer Bericht im Tagesanzeiger:
                ‚Krishna-Guru – von Angesicht zu
                      Angesicht mit Gott‘ (30.12.).

                                                                  Objektiver und ansprechender
                                                             Artikel in der NZZ: ‚Einfach leben –
                                                                                                           1981
                                                                  anspruchsvoll denken‘ (10.8.).

24
Chronik | Krishna-Bewusstsein in der Schweiz

1979

                                                                               Ratha-Yatra und das ‚Festival
                                                                               dell’India‘ auf ‚La Pampa‘ in
                                                                               Sessa/TI (oberstes Bild). Der
Erstes Ratha-Yatra in der deutschen
                                                                               Höhepunkt wurde 1988 erreicht:
                                                          1985
Schweiz an der Zürcher Bahnhofstrasse
                                                                               über 2000 Besucher und posi-
mit anschliessendem Festival auf dem
                                                                               tive Berichte in allen wichtigen
Münsterplatz.
                                                                               Tessiner Medien (Radio, TV
                                                                               und Zeitungen).
Erstes ‚Govinda‘-Begegnungszentrum
an der Brandschenkenstrasse im Kreis 2
von Zürich (bis 1981).

                                           1984

                                                                Installation der Murtis von Jagannatha,
                                                                Baladeva und Subhadra Devi, Formen
                                                                Krishnas wie sie in Jagannatha Puri,
                                                                Odhisa, Indien, verehrt werden.

 1983
                           Pacht des Bauernhofes
                           ‚La Pampa‘ in Sessa/TI (bis 1989).

                                                                                                                  25
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                                                                                      Eröffnung des ‚Govinda Kulturtreff‘
                                                                                      an der Preyergasse 16 in der Zürcher

                                        1986
                                                                                      Altstadt (bis 2006).

                                                                                                 Erstes öffentliches ‚Krishna-
                                                                                                 Janmastami Festival‘ im
                                                                                                 Tempel. Offizieller Besuch des
                                                                                                 indischen Botschafters aus
                                                                                                 Bern: H.E. Ashok Sen Chib.

     Das Schweizer Yatra wird in den                                        1989
     kommenden zehn Jahren mehr-
     fach Weltmeister in der Buchver-
     teilung. Mitglieder des Zürcher
     Tempel belegen während über
     zehn Jahren die Plätze 1 und 2                                                          Umzug der Bauernhof-
     in der weltweiten Rangliste der                                                         gemeinschaft vom Tessin
     Buchverteiler.                                                                          nach Roche-d’Or/JU
                                                                                             (bis 1993).

                         1990

                                                   Die ‚Schweizer Illustrierte‘ veröffentlicht
                                                   einen positiven Bericht über die Krishna-
                                                   Bewegung in der Schweiz.

                                                            Eröffnung ‚Govinda‘ in Bern
                                                            (bis 1995).

                                                                                        Swiss-Tamil Krishna Society

                                                                1991

                                  Gründung der ‚Swiss-Tamil Krishna Society‘.

26
Chronik | Krishna-Bewusstsein in der Schweiz

                       Jubiläumsjahr: 25 Jahre Krishna-
                            Bewusstsein in der Schweiz.

                                                1996

                                                                              Prabhupada Centennial
                                                                              (1896–1996).

                                  Der ‚Blick‘ schreibt über das Janmastami-
                                  Fest mit den beiden Ehrengästen und
                                  Musikstars Nena und Salvo: ‚Nena Hare –
                                  Salvo Krishna‘ (31.8.).

               1994

   Kauf des Château Bellevue in Dole
(Frankreich) und Umzug des Bauern-
     hofs von Roche-d’Or nach Dole.

 SF DRS TV-Sendung: ‚Nachtschicht‘
         zum Thema ‚Seelenmarkt‘.
                                                                                       1993

                                       SF DRS: TV-Dokumentarfilm
                                           ‚Krishna-Tempel Zürich‘
                                                 (‚Seismo‘ – 23.11.).

                                      SF DRS: TV-Dokumentarfilm
                                    ‚Hare Krishna und ihre Eltern‘
                                            (‚Fragmente‘ – 28.11.).

  Erstes Krishna-Zentrum in Basel
  (bis 1996).

               Erfolgreiche Vortragsreihe ‚Reinkarnation‘
               von Raja Vidya (Ronald Zürrer) an der Uni/
               ETH Zürich.

                                                                                                                     27
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

     Neueröffnung eines Tempels in Muttenz/BL –
     Kauf eines eigenen Gebäudes.

                     Start des Bhakti-Sanga –
                     tempelunabhängige Treffen
                     von auswärts lebenden
                     Devotees (St. Gallen).
                                                                                       Govinda-Rama Centro in
                                                                                       Locarno (bis 2008).

                                                  1998
                                                              Weitreichender Umbruch: Harikesha
                                                              Swami – Mitglied des weltweiten
                                                              Führungsrats (GBC) und einweihender
                                                              spiritueller Meister – verlässt ISKCON.
                                                              Aufgrund seines Rücktritts verlassen
                                                              viele seiner Schüler den Tempel.

                                                                                                  2004
                              Chakra-Installation auf dem
                               Dach des Tempelgebäudes.

                                                                      Beteiligung an der Ausstellung
                                                                      ‚Hinduistisches Zürich‘ im
                                                                      Stadthaus Zürich.

                                                                      2006

                                                            Grosse Dachrenovation.

28
Chronik | Krishna-Bewusstsein in der Schweiz

        Gründung der ‚Krishna-Gemeinschaft
        Schweiz‘ (KGS) – mit einer aktiveren

1999    Beteiligung der Gemeinde ausserhalb
        des Tempels (als Nachfolgeverein der
        ‚Schweizerischen Gesellschaft für
        Krishna-Bewusstsein‘).

 2002

                                                                                 30-jähriges

                                                           2010
                                                                                 Jubiläumsfest.
                 Installation des neuen,
                 handgeschnitzten Altars
                 aus Holz (hergestellt in
                 Indien).

                                                                            Erste Beteiligung an der
                                                                            ‚Woche der Religionen‘ –
                                                                            seither jährliche Teilnahme
                                                                            des Krishna-Tempels.

                          2008                 Kauf und Eröffnung des
                                               Tempels in Langenthal.

                                        Teilnahme am Anlass ‚Lange Nacht
                                        der Religionen‘ inkl. vedischer Feuer-
                                        zeremonie im Krishna-Tempel.

2007    Gründung des Vereins ‚Gaura Bhakti-
        Yoga Center‘ (ISKCON Langenthal).

                                                                                                          29
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                                                                                                      SRF TV-Dokumentation
                                                                    Hinduismus                        ‚Göttliche Speisen‘ über das

     2012
                                                                            «Oh, mein lieber
                                                                           Krishna, Du bist so
                                                                                                      interreligiöse Buchprojekt
                                                                    barmherzig und hast uns
                                                                                               dies   ‚Was is(s)t Religion‘?, mit Teil-
                                                                       gesegnete Speise gegeben, e
                                                                         um uns zu läutern und        nahme von Gemeindemitglie-
                                                                     uns zu helfen, in Dein Reic
                                                                          zurückzukommen.»
                                                                                                 h    dern des Krishna-Tempels.
                                                                     ( Vishnuitisches Tischgeb
                                                                                               et )

                          ‚Was is(s)t Religion‘? – Buchveröffent-
                          lichung zum 150-jährigen Jubiläum der
                          ‚Israelitischen Cultusgemeinde Zürich‘

                                                                             2013
                          (ICZ) – Mitglieder des Krishna-Tempels
                          vertreten den Hinduismus mit einem
                          Einführungstext und Rezepten aus der
                          Vedischen Küche.

                                                                    Krishna-Tempel wird in die Unterrichts-
                                                                    materialien ‚Blickpunkt 3‘ (Kultur und Religion)
                                                                    des Lehrmittelverlags Zürich aufgenommen.

                         2014

                                                      Festivals in Genf und Zürich anlässlich
                                                      von Srila Prabhupadas Besuch in der
                                                      Schweiz vor 40 Jahren (1974).

                                                          2015

                                                                                         SRF TV-Reportage über den Tempel:
                                                                                         ‚Wie feiert ein Hindu-Gott Geburtstag?‘
                                                                                          im Rahmen der Jugendsendung
                                                                                         ‚Rosanna checkt’s!‘.

30
Chronik | Krishna-Bewusstsein in der Schweiz

                                                   40-jähriges Jubiläum
 Positiver Bericht des Tages-                      Krishna Tempel Zürich
 anzeigers ‚Das Gesicht der
 Orangen‘ über das Come-
 back der Hare Krishnas am
 Zürisee.

                                        2020

              Die Erziehungsdirektion des Kantons
              Bern bewilligt die erste nichtchrist-
              liche/nichtjüdische private Schule der
              Schweiz: ‚Sandipani Ashram School‘
              (ISKCON Langenthal).

                2018
                                                                                 Partnerschaft mit dem Projekt
                                                                                 ‚Dialogue en Route‘ der IRAS
                                                                                 (Interreligiöse Arbeitsgruppe
                                                                                 Schweiz).

                                 Mitgründung ‚Schweizerischer
                                 Dachverband für Hinduismus‘.

SRF 2 Kultur in der Radio-
sendung ‚Perspektiven‘:
                                                                          2017
‚Hare Krishna – wo stecken
die eigentlich?‘.

                                                       2016
                                                            Jubiläumsfeier:
                  Beginn der Bhakti-Shastri-Kurse
                                                            50 Jahre ISKCON.
                  in Zürich – ISKCON’s zertifierter
                  Grundkurs für akademische Studien
                  der Bücher von Shrila Prabhupada.
                                                                                                                 31
Stimmen zum
Krishna-Tempel
aus der Öffentlichkeit
Stimmen aus der Öffentlichkeit

                     40 Jahre Krishna-Tempel
                     in 500 Jahren Zwinglistadt

Vor 40 Jahren begann die Geschichte       Gott sowie die vertrauensvolle und
des Krishna-Tempels an der Berg-          reichhaltige Gastfreundschaft beim
strasse. Vor 501 Jahren begann die        Essen und Fragenstellen über alles.
Geschichte der Zwinglistadt am            Krishna Premarupa Das verstand es,
Grossmünster. Der Hindu-Tempel und        das Interesse wachzuhalten, das Herz
die Zwinglistadt bilden seit 40 Jahren    zu berühren und die Seele zu öffnen.
einen Resonanzraum interreligiöser
und interkultureller Begegnungen          Die Geschichte des Krishna-Tempels,
besonderer Art. Ulrich Zwingli, der       des ersten Hindu-Tempels in der
Reformator am Grossmünster, stach         Schweiz und Zuhause der Hare-
die Doppelbödigkeit von Kirche und        Krishna-Bewegung, erzählt eine
Gesellschaft in die Nase. Er refor-       dreifache Geschichte von der Behei-
mierte die Kirche und transformierte      matung der Brüder und Priester am
die Gesellschaft. In den Schwächsten      Tempel, vom nationalen und interna-
scheint Gottes Antlitz auf. Im gegen-     tionalen Treffpunkt von Glaubenden         Christoph Sigrist
seitigen Helfen, gemeinsamen Feiern       mit ihren Festtagen, mit ihren Sorgen
und demokratischen Disputieren            und Nöten, die auf offene Ohren            Pfarrer Grossmünster
spannte Zwingli sein Netz des gemein-     stossen. Der Krishna-Tempel stellt         Präsident des Zürcher Forum der Religionen
samen Leben-Teilens in unserer Stadt.     jedoch auch ein wichtiges Kapitel dar
Wir sprechen bis heute in Zürich von      im interreligiösen Dialog in unserer
der Zwinglistadt.                         Stadt und unserem Kanton. Ich freue
                                          mich sehr, dass Krishna Premarupa
Im Unterschied zu damals leben heute      Dasa im erweiterten Vorstand des
nicht nur Christen evangelisch-refor-     Zürcher Forums der Religionen seit
mierter oder römisch-katholischer         längerer Zeit tatkräftig mitwirkt.
Prägung in unserer Stadt. Menschen
mit christlicher, jüdischer, muslimi-     Ich danke allen Glaubensschwestern
scher, hinduistischer, buddhistischer     und Glaubensbrüdern der hinduisti-
oder anderer religiöser und weltan-       schen Religion und der Hare-Krishna-
schaulicher Tradition wohnen in der       Bewegung für ihr segensreiches,
Stadt und wollen sich an Orten treffen,   40-jähriges Wirken an der Bergstrasse
in Räumen feiern und das Leben teilen.    und im ganzen Land, wünsche dem
Vor ein paar Jahren besuchte ich mit      Tempel für die Zukunft Gottes lebens-
meinen Schülerinnen und Schülern          spendenden Segen und freue mich
aus der Religionsklasse im Rämibühl       auf all die weiteren Resonanzräume
den Krishna-Tempel im Rahmen              wohltuender Gastfreundschaften, die
der Einführung in den Hinduismus.         entstehen, wenn die Tore an der Berg-
Gemeinsam staunten wir über die           strasse sich öffnen und das gegenseitige
vibrierende Intensität der Spirituali-    Vertrauen Berge zu versetzen mag.
tät, die berührende Tiefe des Dialogs
über unser Suchen und Finden von

                                                                                                                                  33
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                         Vom Baustellen-Lärm
                         zum Mantra-Singen

                                          Früher November. Wind, Nieselregen,        Reich gesegnet und beschenkt verlasse
                                          feucht-kalter Nebel. Nasses Herbst-        ich den Tempel. Der Regen hat aufge-
                                          laub glänzt auf dem frischen Asphalt.      hört, und der Nebel hat sich gelichtet.
                                          Teergeruch. Bagger und Bauarbeiter,        Ich wandle den Wolfbach entlang und
                                          Baulärm, Absperrungen, hektischer          lasse meine Gedanken schweifen. Bei
                                          Berufsverkehr. Ich habe mich ver-          der Einmündung in die Dolderstrasse
                                          spätet und kann die Hausnummer             reisst mich ein lautes Hupen aus den
                                          nicht finden. Bergstrasse 45? Die Bau-     Gedanken. Ich war unaufmerksam.
                                          arbeiter können mir nicht helfen. Die      Die Fahrerin lächelt nachsichtig und
                                          Mittagszeremonie beginnt gleich. Ich       lässt mir den Vortritt. Beschwingt
                                          gehe ein paar Schritte weiter, schaue      mache ich mich auf den Weg ins Büro.
                                          mich um und realisiere, dass ich mich
                                          direkt vor dem Eingang zum Hare-           Seit 40 Jahren ist der Krishna-Tempel
                                          Krishna-Tempel befinde.                    eine religiöse und spirituelle Ausbil-
                                                                                     dungsstätte. Hier können interessierte
                                          Mit dem Betreten des Tempels tauche        Menschen die Vielfalt und Tiefe der
                                          ich in eine andere Welt ein. Verkehrs-     vedischen Kultur und Philosophie ken-
                                          und Baulärm sind verschwunden und          nenlernen und in ihren privaten und
                                          die Hektik des Alltags wie weggewischt.    beruflichen Alltag integrieren. Der
 Marc Bundi                               Das Interieur der stattlichen Patrizier-   Tempel ist aber auch eine Begegnungs-
                                          Villa ist ein harmonisches Neben-          stätte zur Förderung von interkulturel-
 Beziehungen und interreligiöser Dialog   einander von stilvoller Eleganz und        lem Verständnis und interreligiösem
 Reformierte Kirche Kanton Zürich         exotischem Flair. Der Tempelraum ist       Dialog. Vor allem aber ist er ein Ort
                                          kunstfertig dekoriert. Die Altarfigu-      zur Förderung des Gottesbewusst-
                                          ren Krishnas auf dem Altar prunkvoll       seins – oder wie es Philippe Dätwyler
                                          gekleidet und reich geschmückt. Ich        in seinem Beitrag zur Jubiläumsschrift
                                          nehme als stiller Beobachter an der        ‚100 Jahre Prabhupada, 25 Jahre
                                          Tempelzeremonie teil. Es dauert aber       Krishna-Bewusstsein in der Schweiz‘
                                          nicht lange, bis auch ich – vorerst zag-   formulierte – ein Ort, der es erlaubt,
                                          haft und zurückhaltend – der Melodie       „die ‚Gottesvergessenheit‘ unserer Zeit
                                          des Harmoniums folgend, das Maha-          zu überwinden“.
                                          mantra chante und den Namen Gottes
                                          lobpreise. Ich lasse meinen Blick          Ich möchte der Zürcher Krishna-
                                          ziellos durch den Raum schweifen,          Gemeinschaft zum 40-jährigen Beste-
                                          schaue durch die grossen Fenster in        hen des Krishna-Tempels gratulieren
                                          den verwunschenen Garten, schliesse        und für die stets herzliche und grosszü-
                                          die Augen, öffne sie langsam, richte       gige Gastfreundschaft danken. Für
                                          meinen Blick auf die Altarfiguren und      die Zukunft wünsche ich den Krishna-
                                           werde von den grossen, leuchtenden        Geweihten, dass ihr Beitrag zur
                                          Augen angezogen. Die Augen der             Respiritualisierung der Gesellschaft
                                          Gestalten wirken lebendig und              anerkannt werde und freue mich auf
                                          scheinen auf mich zurückzublicken.         die weitere interreligiöse Zusammen-
                                          Darshana, Schau Gottes, segensrei-         arbeit für eine friedliche und harmoni-
                                          cher Anblick. Die Zeremonie geht zu        sche Zukunft.
                                          Ende. Ich bleibe sitzen, geniesse die
                                          ausklingenden Akkorde des Harmo-
                                          niums und lasse die vielen Eindrücke
                                          auf mich wirken.

34
Stimmen aus der Öffentlichkeit

                     Freudig und tiefgründig

‚Karma-freies‘ Essen, das werde im        Im Krishna-Tempel Zürich habe ich
Krishna-Tempel Zürich gekocht und         Menschen getroffen, allen voran
gegessen. Es werde auch mit den           Krishna Premarupa Dasa, die mir die
Gästen geteilt, hörte ich, selbst Gast,   interreligiöse Begegnung und den zwi-
und staunte nicht schlecht, als ich       schenmenschlichen Dialog leicht und
zum ersten Mal in diesen Genuss kam.      immer erfreulich gemacht haben.
Keine Lebewesen mussten dafür ster-
ben, Gott wurde gebeten, das Essen        Unvergesslich werden für mich blei-
frei zu machen von den folgenreichen      ben: das gemeinsame interreligiöse
Zusammenhängen des Karmas.                Quartierprojekt ‚Open Rooms‘ in
                                          Fluntern im Jahr 2015, das Mitfeiern
Das feine und klare Bewusstsein,          von Krishna Premarupa Dasa am Fest
das sich mir da im Umgang mit den         meines 30. Geburtstags an meinem
kostbaren Gaben der Natur eröffnete,      damaligen Arbeitsort in der Pfarrei
zeigte sich mir an diesem Ort immer       St. Martin in Fluntern und aktuell die
wieder. Die dichte, ruhige Atmosphäre     Zusammenarbeit im Zürcher Forum
beim Betreten des Hauses, die ge-         der Religionen. Danke von Herzen!
sammelte, bewusste Art, wie einem         Mein Wunsch für den Krishna-Tempel       Veronika Jehle
die Menschen begegnen, die liebevoll      Zürich zum 40. Geburtstag: Möge er ein
gestaltete Buntheit im Tempelraum         Ort bleiben, an dem ‚das Andere‘ – an    Pastoralassistentin und Spitalseelsorgerin
selbst – ich merkte schnell, dass         Religion, Kultur und Tradition – ein     Katholische Kirchen Zürich
ich im Krishna-Tempel Zürich gern         Anlass zur Freude ist!
zu Gast bin. Wenn dann die Chants
                                                    .
beginnen, der Duft der Räucherstäb-
chen sich verbreitet, wenn das Essen
Karma-frei und gleichzeitig unglaub-
lich fein ist, dann bin ich in Zürich
und doch grad mitten in Indien.

                                                                                                                                35
40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                             Ein Berg mit vielen Wegen
                             und einem Ziel

                                         Eindrückliche Tage haben mich 2013        miteinander zu teilen. Auf Religionen
                                         mit Krishna Premarupa Dasa ver-           bezogen, verändert Freundschaft ein
                                         bunden: den Franziskaner in brau-         kontaktloses Nebeneinander in ein
                                         ner Kutte mit dem Hindu-Mönch im          engagiertes Miteinander. Dialog und
                                         orangenen Kleid. Im Weltkloster am        gemeinsame Erfahrungen machen
                                         Bodensee meditierten, beteten und         Menschen unterschiedlichen Glaubens
                                         sangen wir gemeinsam, tauschten           miteinander vertraut. Sie „erkennen das
                                         Glaubenserfahrungen aus und zeigten       Verbindende und überwinden das Tren-
                                         an öffentlichen Anlässen, dass uns        nende“ (Papst Franziskus) und ermuti-
                                         eine gemeinsame Hoffnung verbindet.       gen einander auf dem je eigenen Weg.

                                         Radolfzell schuf eine Brücke, die uns     Unser Feiern in Wiedikon machte einen
                                         in Zürich anlässlich der ‚Woche der       dritten Schritt: Geschwister können sich
                                         Religionen‘ interreligiöse Abende         aus dem Blick verlieren, und Freund-
                                         gestalten liess: im November 2014         schaft kann auch von punktuellen
                                         eine hinduistisch-christliche Feier mit   Kontakten leben. Weggefährtenschaft
                                         Podiumsgespräch, 2016 einen Abend         verändert den Alltag. Gefährtinnen und
                                         der drei abrahamitischen Religionen       Gefährten wagen einen gemeinsamen
                                         und der Hare-Krishna-Bewegung.            Weg. Sie haben ein verbindendes Ziel,
     Bruder Niklaus Kuster                                                         einen gemeinsamen Auftrag, gehen
                                         Was mich an dieser zweiten Feier          miteinander durch Hoch und Tief und
     Franziskaner                        zutiefst beeindruckte, war das gemein-    gestalten gemeinsam Welt.
     Dr. theol., Dozent und Buchautor    sam gewählte Motto, das wir mit
     Kapuzinerkloster Olten              heiligen Texten unserer Religionen,       Dass Menschen mit Tiefe und Weite
                                         Liedern, Musik und Stille füllten:        leben, verbindet unsere Religionen als
                                         Geschwister – Freunde – Weggefährten.     gemeinsame Hoffnung und Sendung.
                                                                                   Jede Religion kennt ihren eigenen Weg,
                                         Als Glaubende sind Menschen geschwi-      aus alltäglichen Sorgen zur inneren
                                         sterlich verbunden. Der einzige gött-     und zur gemeinsamen Mitte zu führen.
                                         liche Ursprung aller Wesen verbindet      Die Menschheit gleicht der Bevölke-
                                         uns als Söhne und Töchter. So bekennt     rung, die auf verschiedenen Flanken
                                         es auch die Bhagavad-Gita (BG 10.8        desselben Berges wohnt. Viele Wege
                                         und 14.4). Geschwister wählen sich        führen auf denselben Gipfel. Glücklich,
                                         nicht aus, sondern sind sich gegeben.     wer sich auf den Weg macht, wer Men-
                                         Sie können sich entfremden oder in        schen auf anderen Wegen zum gleichen
                                         Konflikt geraten. Glücklich, wenn sie     Ziel ziehen sieht – und wer unterwegs
                                         einander als Geschenk erfahren und        von den Erfahrungen anderer lernt!
                                         ein gutes Miteinander einüben.
                                                                                   Radolfzell hat mich im Bild des einen
                                         Menschen verschiedener Religio-           Berges mit vielen Wegen und einem
                                         nen können einander als Glaubende         Ziel bestärkt, und in Zürich haben wir
                                         Freunde werden. Freundschaft ist nicht    diese verbindende Hoffnung in einem
                                         naturgegeben. Sie entsteht zwischen-      grösseren Kreis gefeiert. Ich freue
                                         menschlich, indem wir miteinander         mich auf weitere Schritte.
                                         vertraut werden. Wer sich so findet,
                                         erlebt Freundschaft als Weg, Kostbares

36
Stimmen aus der Öffentlichkeit

                      Die sanfte Stimme
                      des Schweigens

Das Judentum wird als Offenbarungs-         stabe – und nur er – ist es, so sagt der
religion bezeichnet. Allgemein ver-         Rabbi, der ihnen offenbart wurde,
steht man unter einer Offenbarung           d. h. ihn haben sie gesehen! Denn hör-
eine Botschaft, die eine Gottheit einem     bar ist er ja nicht!
Menschen oder einem menschlichen
Kollektiv mitteilt. Wie aber ist es über-   Es ist allgemein bekannt, so der Rabbi
haupt möglich, dass endliche Wesen          weiter, dass der göttliche Name im
mit dem Unendlichen, Transzenden-           Buchstaben Alef angedeutet ist, der die
ten kommunizieren können? Und wie           Form von zwei ‚Jud‘ und einem ‚Waw‘
sollen offenbarte Gebote, die vor 2500      hat. Damit hat das Alef denselben Zah-
Jahren ausgesprochen wurden, bis            lenwert wie der göttliche Name. Der
heute gültig sein?                          Alef ist auch im Antlitz des Menschen
                                            angedeutet: Zwei Augen entsprechen
Eine Antwort auf diese Frage gibt uns       der Form von zwei ‚Jud‘, die Nase ent-
ein rätselhafter Vers in der heiligen       spricht der Form eines ‚Waw‘, deshalb
Torah, gemäss dem die Israeliten am         heisst es auch: „Im Ebenbild Gottes
Sinai ‚die Stimmen sahen‘. Auffallend       schuf er den Menschen“, denn das
ist zunächst, dass das Wort ‚Stimmen“       Antlitz des Menschen weist auf den
hier im Plural vorkommt, wo doch nur        Buchstaben Alef hin, in welchem der        Lic. phil. Michel Bollag
der eine, einzige Gott gesprochen hat.      göttliche Name angedeutet ist. Und als
Darauf antworten die Rabbinen, dass         wir dieses wichtige Ereignis erfuhren      Mitbegründer des Zürcher Lehrhauses (ZIID)
nicht jeder die Stimme des Unendli-         und die Stimme den Buchstaben Alef         Ehemaliger Mitarbeiter des ICZ Rabbinats
chen auf dieselbe Art und Weise hört.       äusserte, so wurde uns die Form des        Israelitische Cultusgemeinde Zürich
Die Quelle der Offenbarung ist eins,        Alef offenbart, wie es heisst: „Und
deren Empfänger sind unzählige,             das ganze Volk sah die Stimmen.“ Sie
voneinander verschiedene, die in ver-       sahen, was üblicherweise gehört wird,      Zugängen wieder aufgedeckt und
schiedenen Zeiten und Räumen leben.         denn sie sahen die Form des Alef, wel-     in die traditionelle Praxis integriert
                                            ches dem göttlichen Namen gleicht,         werden. Für viele, die sich auf der
Die andere Auffälligkeit der Offenba-       und sie verstanden, dass dies auch die     spirituellen Suche befanden, bedeu-
rung ist aber, dass hier Stimmen            Form ihres eigenen Antlitz war. Gott       tete dies eine Versöhnung mit dem
gesehen und nicht gehört werden.            ist im Menschen selbst, sozusagen          Judentum.
Dazu gibt es eine rekordverdächtige         unter unserer Nase. Offenbarung ge-
Zahl an Interpretationen. Eine davon        schieht also im Hören auf die göttliche    Dies ist ein schönes Beispiel für
geht auf den chassidischen Rabbi            Stimme, die von Innen kommt, sie           die Bedeutung des interreligiösen
Menachem Mendel aus Rymanow                 ist in der Stimme einer sanften Stille,    Dialogs, wie ihn der Rabbiner und
(1745–1815) zurück und führt uns in         angedeutet im Buchstaben ‚Alef‘. Alles     Philosoph Abraham Jehoschua
die Tiefen der jüdischen Mystik.            andere ist Interpretation dieser Stimme    Heschel 1966 in seinem berühmten
                                            der sanften Stille.                        Aufsatz ‚No Religion is an Island‘
Die Offenbarung am Berg Sinai – so                                                     verstand: Der Zweck der Kommunika-
rekapituliert der Rabbi – beginnt mit       Die östliche Spiritualität hat vielen      tion auf religiösem Gebiet zwischen
den Worten: „Ich bin der Ewige Euer         Juden, die sich von ihrer religiösen       Menschen unterschiedlicher Überzeu-
Gott …“. Der erste Buchstabe des Wortes     Tradition abgewandt hatten, den Pfad       gung ist gegenseitige Bereicherung und
‚Ich‘ – ‚Anochi‘ auf hebräisch – beginnt    zu dieser sanften Stimme des Schwei-       wachsender Respekt und Wertschät-
mit dem Buchstaben Alef, ein stummer        gens gezeigt und ihnen geholfen,           zung, nicht aber die Hoffnung, dem
Konsonant, der ohne hinzugefügte            diese auch in der eigenen Tradition zu     Gesprächspartner zu beweisen, dass all
Vokalisierung nicht hörbar ist. Dieser      suchen und zu finden. Somit konnten        das, was für ihn heilig ist, falsch sei.
Buchstabe Alef ist auch der erste des       alte jüdische Meditationstraditionen
hebräischen Alphabets. Dieser Buch-         mit ihren verschiedenen spezifischen       Happy Birthday, Krishna-Temple!

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40-jähriges Jubiläum | Krishna Tempel Zürich 1980–2020

                        Blaue Moschee begegnet
                        orangenem Tempel

                                         Wir Mitglieder der Blauen Moschee        süssliches Gebäck verteilte. Den glei-
                                         wollten seit langem auch andere, uns     chen Geschmack fand ich, als wir zum
                                         nicht bekannte Religionsgemein-          Abendessen eingeladen wurden und
                                         schaften in Zürich kennenlernen. Im      dabei Gebäck mit einem sehr feinen
                                         Rahmen des Forums der Religionen         Tee serviert bekamen. Wir erfuhren
                                         kam uns ein interreligiöses Begeg-       beim Rundgang durch den Tempel
                                         nungsangebot sehr gelegen, und wir       viel über die Geschichte der Krishna-
                                         verständigten uns mit dem Krishna-       Gemeinschaft Schweiz und wie sie
                                         Tempel über gegenseitige Besuche.        in Zürich ansässig wurde. Ich war
                                         Am 1. November 2017 durften einige       erstaunt, dass Hare Krishna ein mono-
                                         Mitglieder unserer Moschee den           theistischer Glaube ist. Auch dass die
                                         Krishna-Tempel besuchen. Wir alle        Gebäude Anfang der 80er-Jahre von
                                         wussten bis dahin nichts über die        einer Bankiers-Villa in einen Tempel
                                         Krishna-Gemeinschaft Schweiz, ausser     umgestaltet worden waren, verblüffte
                                         dass der Tempel an der Bergstrasse lag   mich. Ich hatte nicht gewusst, dass
                                         und mit dem Bus Nr. 33 zu erreichen      dieses Gebäude, an dem ich schon
                                         war – wie die Blaue Moschee Zürich.      einige Male mit dem Auto oder dem
                                                                                  Bus vorbeigefahren war, einen Tempel
                                         An diesem Herbstabend wurden wir         beherbergte.
 Murat E.                                von Krishna Premarupa Dasa und
                                         der Belegschaft des Tempels herzlich     Im Prabhupada-Museum sahen wir
 Präsident                               empfangen. Zunächst fiel mir auf,        eine lebensgrosse kunststoff Figur
 Blaue Moschee Merkez Zürich             dass wir unsere Schuhe unmittel-         vom Srila Prabhupada, Gründer der
                                         bar nach dem Betreten des Tempels        Internationalen Gesellschaft für
                                         ausziehen mussten. Eigentlich gar        Krishna-Bewusstsein (ISKCON), und
                                         nicht ungewohnt für uns Moslems:         erfuhren einiges über sein Leben und
                                         Auch wir ziehen unsere Schuhe in der     seine Werke. Auch über das tägliche
                                         Moschee aus, um mit den Füssen am        Leben im Tempel, wie die Bewohner
                                         Boden geerdet zu sein und uns wohler     täglich das vedische Wissen studieren
                                         zu fühlen. Im Gebetsraum, wo wir         und die Lehren praktisch anwenden,
                                         zuschauen durften, haben Frauen und      wurden wir informiert. Das Leben
                                         Männer getrennt zum Rhythmus eines       der Tempel-Bewohner/innen hat mich
                                         Harmoniums und einer Trommel ihre        sehr beeindruckt, weil in der heutigen
                                         Abendgebete gesprochen und Mantras       Konsumgesellschaft der Verzicht auf
                                         gesungen, was sehr harmonisch klang      materielle Güter doch einen sehr star-
                                         und eindrücklich war. Der Gesang         ken Glauben braucht.
                                         erinnerte mich an meine Jungendzeit
                                         in den 80er-Jahren, als eine Gruppe      Es war ein sehr interessanter und
                                         von Mönchen in Orange gekleidet          schöner Abend im Krishna-Tempel.
                                         Hare-Krishna-Mantras singend durch
                                         die Bahnhofstrasse zog und dabei ein

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Stimmen aus der Öffentlichkeit

                     An Uplifting Advice

It was the month of June in 2014. The      Over the course of the last three years,
occasion was the celebration of the        in connection with the formation of
summer solstice through yoga perfor-       the Hindu Forum of Switzerland, I
mances, talks on related subjects like     visited the ISKCON centre of Zurich
sutras of Patanjali and bhajan sessions.   several times and collaborated with
Yadunandana Swami (hereafter YN),          Krishna Premarupa Dasa during diffe-
the representative of ISKCON, was also     rent sessions of the Forum even out-
there. Amritasuryanandaji, the foun-       side of Zurich and once in Belgium. In
der of the Portuguese Yoga Confedera-      2018 I spent one night at Radhadesh of
tion, was the mainspring of the whole      ISKCON in Belgium.
occasion. He always made sure that
YN and I would be together when food       The glorification of the name of
was served. Naturally a friendship         God by Sri Chaitanyadeva resonates
grew among us.                             with the collective wisdom of great
                                           devotees down the ages. His advice
Yadunandana Swami informed me that         to Sri Raghunatha Das Goswami was
Gaudiya Math was helped indirectly         as follows: “Do not utter or listen to
by the Ramakrishna Movement in             vulgar words. Do not take opulent          Swami Amarananda
maintaining accounts. A person who         dishes. Do not put on elegant dres-
worked as accountant in a branch of        ses. Show respect even to those who        Leiter
Ramakrishna Math, eventually became        do not deserve it. Repeat always the       Ramakrishna Mission, Genf
close to Gaudiya Math and initiated        name of Krishna. Visualise the divine
rigorous accounting there. I, in turn,     sport at Vraja.” This uplifting advice
told YN that Sri Ramakrishna’s family      has a quality which transcends time
deity was Rama, that Sri Ramakrishna       and manifested itself through the
regarded Sri Chaitanyadeva as a divine     renunciation and devotion of the great
incarnation, used to sing songs on him     Goswamis. I wish that the ISKCON
frequently (I actually chanted many        centre of Zurich continues to spread
such songs without much melody), and       this message to people surrounded by
had mystic vision of this 16th century     the ambiance that tends to lead them
super-saint innumerable times.             away from God.

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