75 Jahre danach: Die alte Legende von der "spontanen" Wut
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Klartext Geschichte im Dienst der Politik Von Gernot Facius Der 75. Jahrestag des Kriegsendes Österreichische Post AG naht. Vieles, das in diesen Wochen die MZ 02Z030477M Sudetendeutscher Presseverein Offizielles Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich (SLÖ) Spalten der Medien füllt, kommt in- Narzissenweg 5, 4210 Gallneukirchen teressegeleitet daher. Warschau und Folge 3 Linz, am 5. März 2020 66. Jahrgang Moskau, um nur zwei Akteure zu nennen, haben sich in einem Knäuel gegenseitiger Vorwürfe verstrickt. Václav Havel und Das eiskalt geplante Slowakei gegen Polen Mit seiner Version von der Mitver- antwortung Polens am Zweiten Welt- die „bösen Geister“ Nachkriegsverbrechen Tauziehen um die Tatra krieg befeuerte Wladimir Putin eine (Seite 3) (Seite 4) (Seite 5) neue Schulddebatte: Die Warschauer Führung sei antisemitisch gewesen. Er bezog sich auf Jozef Lipski, Po- 75 Jahre danach: Die alte Legende lens Botschafter in Berlin bis 1939. „Ein antisemitisches Schwein“, wie sich Putin ausdrückte. Historisch von der „spontanen“ Wut überliefert ist, dass der Diplomat im September 1938 auf Hitlers Andeu- tungen der Judendeportationen in Nun blühen wieder die Legenden. Die erklärte noch nicht ganz das Problem. rechtlichen Prinzipien, die zur Verur- Deutschland, Polen und Ungarn mit deutsch-tschechischen Beziehungen Die Wahrheit ist eher, dass auch 75 Jah- teilung der Nazi-Größen in Nürnberg der Bemerkung reagierte, man würde seien so gut wie, lautet ein Standardsatz re nach Kriegsende und dem Beginn führten. dem „Führer“ dafür in Warschau ein bayerischer Politiker. Wie ein Stereo- der Vertreibung keine Regierung in Und es sollte auch dies nicht vergessen Denkmal errichten. Wer ehrlich ist, typ wird er seit Jahren wiederholt, da- Prag willens oder in der Lage ist, eine werden: Im Gegensatz zu den weit- wird die starken antisemitischen Ten- mit auch der letzte daran glaubt. Unter dem Vorgang angemessene, sprich: aus meisten Verbrechen während der denzen in Polen - solche gab es auch Sudetendeutschen, dem „vierten bay- ehrliche Regelung der sudetendeut- NS-Herrschaft geschahen die Gräu- in der Vorkriegs-und Nachkriegs- erischen Stamm“, regen sich zu Recht schen Frage politisch auf den Weg zu eltaten an Sudetendeutschen in aller tschechoslowakei - nicht leugnen. Zweifel. Es mag ja zutreffen, dass sich bringen. Öffentlichkeit, verübt von einer zur Aber ebenso wenig kann man den Berlin, München und Prag in Vielem Die Zukunft im Blick, ohne die Ver- Gewalt aufgepeitschten Bevölkerung. so genannten Nichtangriffspakt zwi- nähergekommen sind, vor allem auf gangenheit zu vergessen – das wäre Was sich unmittelbar nach Kriegsende schen Hitlers nationalsozialistischem ökonomischem, verkehrspolitischem allerdings auf allen Seiten ein konst- zutrug, lässt sich nicht einfach mit der „Dritten Reich“ und der Sowjetunion und kulturellen Gebiet. ruktiver Beitrag für das große Erinne- aufgestauten Wut über die Verbrechen Stalins sowie das mit dem Abkom- In einer anderen Frage stockt aller- rungsjahr 2020, aber dazu wird es aller der Hitler-Zeit erklären. men verknüpfte Geheime Zusatz- dings der „Dialog“: Auch die Regie- Voraussicht nach nicht kommen. Zu Die Idee der Vertreibung, da wird protokoll zur Aufteilung Polens aus rung Andrej Babiš (Ano-Partei und sehr sind die Akteure an der Moldau man dem Historiker Friedrich Prinz der Geschichte streichen. Mit histori- Sozialdemokraten) geriert sich ge- Gefangene des alten Denkens. Das hin- zustimmen, ist wesentlich älter als die schem Revisionismus im Stil der Sta- genüber den vertriebenen ehemaligen dert sie an einer nüchternen Analyse Realisierung: „Der Gedanke einer Mas- lin-Zeit und bewusster Verzerrung Mitbürgern nicht viel anders als die der 1945/46 begangenen Fehler. Noch senaussiedlung aller Deutschen aus historischer Fakten schafft man kein Vorgängerkabinette. Den Babiš-Leuten immer fällt ihnen die Einsicht schwer, den böhmischen Ländern, der bereits Vertrauen. sitzt zwar der kommunistische „Tole- dass die Vertreibung der Deutschen ein 1918 als Spielmaterial versuchsweise Jedes Land sollte sich um einen auf- rierungspartner“ mit seinen antideut- Verbrechen gegen die Menschlichkeit von tschechischer Seite in den diplo- richtigen Umgang mit der eigenen schen Tiraden im Nacken, aber das war, gemessen an denselben völker- Fortsetzung auf Seite 2 Historie bemühen und sich hüten, Vergangenes so zu interpretieren, dass es der Glorifizierung der eige- DAS BILD DER HEIMAT nen Nation dient. Andernfalls wäre Geschichte wieder nur die Magd der Politik. Das gilt für das Russland von heute ebenso wie für Polen, die Tsche- chische Republik und alle Länder, die an der Tragödie der Jahre 1939 bis 1945 beteiligt oder von ihr betrof- fen waren. Eine solche Aufrichtigkeit setzt allerdings die Einsicht voraus, dass europäische Länder und ihre Menschen in den Wirren des 20. Jahr- hunderts manchmal beides gewesen sein können: Opfer und Täter. Dass ein derartiges Eingeständnis nicht so leicht zu bekommen ist, weiß man aus Erfahrung. Ein Dreivierteljahrhundert nach der Katastrophe von 1945 wäre es aller- dings an der Zeit, es zumindest ein- mal zu versuchen – ohne die unbe- quemen Fakten auszublenden oder sie propagandistisch zu verbrämen. Das wäre im großen Erinnerungs- jahr 2020 ein konstruktiver Beitrag zur Sicherung des inneren Friedens in 75 Jahre Vertreibung! Postkarte zum Gedenken an die Zwangsaustreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat in Europa und darüber hinaus. Doch es den Jahren 1945 – 1946, ak. Maler R. Assmann. gibt nur eine geringe Hoffnung, dass es dazu kommt.
2 SUDETENPOST Folge 3 vom 5. März 2020 Fortsetzung von Seite 1 versuchte, die Katastrophe für die Re- der kaschierte oder Stück um Stück in onsangeboten wesentlich weiter, als es matischen Kampf um die Gründung publik abzuwenden.“ den Vordergrund rückte. All das zer- die sowjetische Führung selbst beab- der ČSR eingeflossen war, hatte 1938, Der „Transfer“-Gedanke gehörte somit stört die Legende von der angeblich sichtigte oder gar forderte.“ Daran zu in den letzten Wochen vor Abschluss seit September 1938 zu den Möglich- „spontanen“ Wut, die sich in bestiali- erinnern ist umso wichtiger, als sich in des Münchener Abkommens, bereits keiten, die der Hasardeur auf der Pra- schen Taten gegen die Deutschen in der tschechischen Geschichtsschrei- eine sehr konkrete Rolle gespielt, als ger Burg immer wieder durchspielte, Böhmen, Mähren und Schlesien entla- bung nur wenige Hinweise auf dieses Staatspräsident Beneš mit verzweifel- ins Kalkül zog und, je nach der konkre- den habe. Es handelte sich, anders kann unrühmliche politische Spiel des sei- ten diplomatischen Anstrengungen ten politischen Großwetterlage, entwe- man es nicht sagen, um von „oben“ her nerzeitigen Exilpräsidenten finden, geplante und arrangierte Verbrechen. dem nach der demokratischen „Wen- Prager Gemeinderat Heute weiß man aus diversen Doku- menten, dass Beneš in Moskau zäh für de“ wieder Denkmäler gewidmet wur- den - von der Verteidigung der nach stimmt für Mariensäule sein Programm der „Liquidierung“ des Deutschenproblems in der Tschechos- ihm benannten Unrechtsdekrete ganz zu schweigen. Es wird interessant sein Der seit Langem schwelende Streit um der unmittelbar nach der Gründung lowakei gerungen hat. Er war bereit, zu beobachten, wie die verantwortli- die Wiedererrichtung der barocken der Tschechoslowakei 1918 zerstörten dafür alle nur erdenklichen Konzessi- chen Politiker in Prag, die Historiker Mariensäule auf dem Altstädter Ring Skulptur per Schiff in die Moldau-Met- onen an die sowjetische Seite zu ma- an den Universitäten und die Publizis- in Prag ist entschieden: Der Gemein- ropole gebracht. chen. Nochmals Professor Prinz: „Er ten mit dem Gedenken an die Ereig- derat der tschechischen Hauptstadt hat Das Aufstellen des Kunstwerks wurde suggerierte seinen Gesprächspartnern, nisse vor 75 Jahren umgehen – und ob sich in einer neuerlichen Abstimmung ihm jedoch aufgrund eines alten Ge- dass der Deutschen-Transfer gewisser- der politische Wille zu einer Verstän- für die Aufstellung einer Kopie an al- meinderatsbeschlusses untersagt. Die maßen ein Stück sozialer Revolution digung mit den ehemaligen deutschen ter Stelle ausgesprochen und damit ursprüngliche Mariensäule stand seit sei. Ebenso lud er die Sowjets förmlich Mitbürgern, die über Formelkompro- eine frühere Entscheidung aus dem Mitte des 17. Jahrhunderts auf dem ein, in die inneren Angelegenheiten misse hinaus geht, vorhanden ist. Die Jahr 2017 widerrufen. Altstädter Ring, sie galt als Dank für der Tschechoslowakei zu intervenie- Hoffnung sollte man jedenfalls nicht Die Mariensäule soll, wie der Prager die Rettung Prags vor dem schwedi- ren, ja, er ging in seinen Kollaborati- aufgeben. Erzbischof Kardinal Dominik Duka schen Heer zu Ende des Dreißigjähri- Streiten, nicht Holzen! erklärte, der Versöhnung und der öku- gen Kriegs. Ihre Zerstörer sahen in ihr menischen Zusammenarbeit dienen. jedoch ein Symbol für das Habsbur- Im Sommer 2019 hatte der Bildhauer ger Reich und die Politik der Rekatho- Petr Vana Teile seiner Nachbildung lisierung. Es steht nicht gut um die politische und dem missbräuchlichen Gebrauch Streitkultur in Deutschland. Verbales von Kampfbegriffen. Holzen tritt vielerorts an die Stelle des Die AfD sei „am ehesten mit den Aus der Redaktion sachlichen, klugen Argumentierens. Deutschnationalen der Weimarer Zeit Das haben inzwischen auch Zeithis- zu vergleichen“. Mit falschen Analogi- Erinnern – immer wieder toriker wie Heinrich August Winkler en, so Professor Winkler in der „Welt und Michael Wildt erkannt und zu am Sonntag“, werde die gegenwärtige Von Gernot Facius größerer Sachlichkeit aufgerufen. Sie Situation der deutschen Demokratie „Warum“, fragte jüngst ein alter Be- rütteln. Das ist Prager Konsens. „Su- wenden sich ge- in ein falsches kannter, „warum noch die Beschäfti- detenpost“-Leser beklagen das immer gen „vernebelte“ Licht gerückt. gung mit dem Thema Vertreibung?“ wieder. Und wer ehrlich ist, wird nicht und geschichts- An diesem Be- Das sei doch schon so lange her, ein verschweigen, dass dieser „Realität“ vergessene Ver- fund ist etwas abgeschlossener Vorgang. Ein Drei- von deutscher, österreichischer und gleiche. Wer zum dran. vierteljahrhundert - da hat der wohl- überhaupt westlicher Seite wenig ent- Beispiel die AfD Das sollten ei- meinende Zeitgenosse Recht. Aber gegengesetzt wird. Ob die Begründung eine Partei von gentlich auch abgeschlossen? Da gibt sich der Mann dieser Passivität – man lebe doch im „Faschisten“ nen- Politiker wie einer Täuschung hin. Die Wahrheit ist Jahr 2020 und müsse sich mit den Ge- ne, der verharm- Bernd Posselt nämlich ernüchternd: 75 Jahre nach gebenheiten abfinden - einer ehrlichen lose den Schre- (CSU) erken- dem „Abschub“ (so die verharmlosen- Nachprüfung standhält? Zweifel sind cken, der mit diesem Begriff im 20. nen, die in Presseverlautbarungen de tschechische Bezeichnung) ist von angebracht. Nicht nur in der aktuel- Jahrhundert einhergegangen sei. undifferenziert von „Höcke-Nazis“ Prag noch immer keine rundum befrie- len Literatur, sondern auch bei vielen Winkler und Wildt warnten, wie die sprechen und sich damit in der „Sude- digende Antwort auf die Vertreibung Begegnungen auf Vertriebenentreffen „Frankfurter Allgemeine“ in ihrem tendeutschen Zeitung“ zitieren lassen. zu erhalten. Es fehlt trotz so mancher ist die Wahrnehmung eine andere. Es Feuilletonteil berichtete, im Blick auf Politischer Streit muss sein. Aber er positiver Wortmeldung (meist auf un- sind gerade die Jahrgänge, die aus dem die Vorgänge um die Ministerpräsi- sollte, ganz im Sinne der Professoren terer politischer Ebene) eine offizielle Arbeitsleben ausgeschieden sind und dentenwahl in Thüringen vor „inflati- Winkler und Wildt, sprachsensibel Distanzierung ohne Wenn und Aber nun Zeit haben, sich mit ihrer oft trau- onären historischen Parallelisierungen“ ausgetragen werden. (fac) von dem über Jahrzehnte kultivier- rigen Familiengeschichte auseinander ten Kollektivschulddenken sowie die zu setzen, die Fragen stellen: Woher Bereitschaft, das Unrecht der Jahre rührt die tschechische Unfähigkeit, Das aktuelle Zitat 1945/46 in angemessener Form zu sich auf einen wirklich vorurteilsfrei- „Für einen Großteil der Tschechen ist die EU etwas Fremdes, das von außen heilen; daran muss man immer wie- en Dialog mit den ehemaligen, aber Einfluss auf sie nimmt. Die Erfahrungen der vierzigjährigen sowjetischen der erinnern. Man versteckt sich heu- vertriebenen Mitbürgern einzulassen Fremdherrschaft sitzen tief. Einige ‚EU-Mythen‘ halten sich hartnäckig: Die EU te in Berlin und anderswo hinter der – auf einen Dialog, der politische Kon- sei extrem bürokratisch, sichere die Grenzen nicht ausreichend, toleriere zu vie- tschechischen Mitgliedschaft in der sequenzen zeitigen muss? Ist das nur le Geflüchtete. Diese Mythen fallen auf fruchtbaren Boden, der wiederum mit „Wertegemeinschaft“ EU und meint, die politische Rücksichtnahme auf die der Behauptung gedüngt wird, dass Tschechien nur ein Sklave der EU sei.“ damit sei schon alles in bester Ord- Kommunisten, welche die gegenwärtige Bára Procházková, Politikwissenschaftlerin, Journalistin beim Nachrich- nung. Nichts ist in Ordnung. Zwar gab Minderheitsregierung in Prag stützen tenportal des Tschechischen Fernsehens es sympathische Auftritte tschechischer oder sind die Akteure an der Moldau Spitzenpolitiker auf Sudetendeutschen Gefangene eines alten, nationalisti- Das historische Zitat Tagen. Kommt aber stets die Rede auf schen Denkens, wenn es um die Sude- „Die Geschichtslüge, wonach erst das Abkommen von Potsdam die Austrei- die Beneš-Dekrete oder die ungelösten tendeutschen geht? Auch wenn andere bung von Millionen Deutscher ausgelöst hatte, wurde bereits in den ersten Eigentumsfragen, äußern sich selbst Medien dazu schweigen sollten: Die Nachkriegstagen in brutaler Weise widerlegt. Dabei tat sich insbesondere die christlich-demokratische Abgeordnete „Sudetenpost“ wird dieser Frage auch Tschechoslowakei hervor, die, im Unterschied zu Polen und Russland, im Kriege nicht viel anders als ihre sozialdemo- in Zukunft nicht ausweichen. Sie hält weniger gelitten hatte. Noch schlimmer als das Vertreibungsverbrechen selbst kratischen oder Ano-Kollegen, von den sich an den alten Grundsatz: Nichts ist waren dessen grausame Begleiterscheinungen.“ Kommunisten ganz abgesehen. An der endgültig geregelt, es sei denn gerecht Der sudetendeutsche Sozialdemokrat Almar Reitzner in seinem Buch „Das Nachkriegsordnung möchte man nicht geregelt. Paradies lässt auf sich warten“ (1984)
Folge 3 vom 5. März 2020 SUDETENPOST 3 Václav Havel und die „bösen Geister“ Wie der Dichter-Präsident die Vertriebenen enttäuschte Das historische Ereignis war den meis- die Deutschen Bundesrat, die Tschechische Republik ten Medien keine Erinnerung mehr auf dem Weg zur könne den Sudetendeutschen ihr altes wert: Am 2. Jänner vor 30 Jahren guten Nachbar- Zuhause nicht zurückgeben. Für ihn kam Václav Havel als soeben gewähl- schaft“ überschrie- sei es dank der deutsch-tschechischen tes Staatsoberhaupt der Tschecho- ben war. Er nannte „Aussöhnung“ aber möglich, die Ver- slowakei nach Deutschland. In Mün- alle Versuche, von triebenen nicht als Gäste, sondern als chen traf er sich mit Bundespräsident Prag entweder in „unsere einstigen Mitbürger“ zu be- Richard von Weizsäcker. Groß war materieller oder grüßen. Das war immerhin eine an- die Hoffnung auf einen neuen Anfang anderer Form Er- dere Tonlage als zwei Jahre vorher in in den sudetendeutsch-tschechischen satz für die „Nach- Prag. Doch ändert das nichts an dem Beziehungen. Von einer „Entschuldi- kriegsaussiedlung“ Faktum, dass in den Kernfragen des gung“ für die Vertreibung war sogar zu verlangen, „ab- tschechisch-sudetendeutschen Ver- die Rede. Diese etwas optimistische surd“. Man habe hältnisses auch Vaclav Havel ein Ge- Annahme stützte sich auf eine Passa- auch nicht die ge- fangener des alten Denkens geblieben ge in Havels Unterredung mit seinem ringste Absicht, ist. deutschen Gastgeber, die da lautete: die Geschichte Foto: Ben Skála CC BY-SA 2.5 „Wir lehnen den Gedanken der Kol- zurückzudrehen, lektivschuld als moralisch nicht zu „unsere vor langer rechtfertigen ab. Falls sie gegenüber Zeit legitim durch Zeman punktet den tschechoslowakischen Bürgern das Parlament deutscher Nationalität angewandt angenommenen mit „Volksnähe“ wurde, dann war das entschieden nicht Rechtsakte…auf- Der tschechische richtig.“ Eine Entschuldigung im wört- zuheben, neue St aatspräsident lichen Sinne war das nicht. Havel selbst Stürme im Bereich Miloš Zeman ist hat später betont, er habe sich „für der Eigentumsverhältnisse ausbrechen außenminister Joschka Fischer noch zwar bei den Bür- nichts“ entschuldigt, „übrigens auch zu lassen und dadurch all den bösen im Jahr 2000 als völkerrechtswidrig gern seines Lan- deshalb, weil ich dafür von nieman- Geistern der Vergangenheit den Weg bezeichnete. Kritiker in Deutschland des nicht unum- dem ein ausdrückliches Mandat hatte“. zu ebnen“. Und weiter: „Unsere Repu- und teilweise auch in Tschechien war- stritten, aber das Urteil über den Mit dieser Art Präzisierung reagierte blik wird nie“ über eine Revision der fen dem Präsidenten vor, er gehe von Mann auf der Prager Burg fällt alles er auf die Welle von Kritik und Unver- Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs seinen intellektuellen Ansprüchen an in allem differenziert aus. Rund 56 ständnis in seinem Land. Über seine „verhandeln“. Die Vertriebenen und ein Leben in Wahrheit ab und biete Prozent meinen, das signalisiert je- Bereitschaft und Möglichkeiten, eine ihre Nachfahren seien in Tschechien stattdessen den Nationalisten zuhause denfalls das Ergebnis einer Umfra- einigermaßen gerechte Lösung der willkommen – allerdings „nur als Gäs- ein „populistisches Schneckenhaus“ ge des Meinungsforschungsinstituts sudetendeutschen Frage anzustreben, te, die die Gegenden ehren, in denen an. „Seine anderswo so betonte Ab- CVVM, dass Zeman sein Amt nicht hat man sich lange Zeit Illusionen hin- Generationen ihrer Vorfahren gelebt neigung gegenüber Theorien von einer würdevoll ausübe. Dennoch geben gegeben. Der Dichter-Präsident war haben.“ Wie man später erfuhr, war Kollektivschuld war kaum zu bemer- 51 Prozent der Befragten an, dem ein Meister des Wortes. Bei ihm klang das die etwas entschärfte Version des ken“, wunderte sich die „Frankfurter Staatsoberhaupt zu vertrauen. Was manches freundlicher, konzilianter als Redetextes, in dem ursprünglich etwas Allgemeine“. Ihr Fazit: „Dafür aber auffällt: 59 Prozent schätzen seine aus dem Munde seiner Nachfolger, zynisch vorgeschlagen worden war, die stand der Präsident noch nie den An- „Volksnähe“. Im Vergleich zu seinen aber auf Dauer konnte auch er nicht Sudetendeutschen „als Touristen, als sichten des Volkes so nah.“ Bei seinem beiden Amtsvorgängern gilt Zeman verbergen, dass in Prag der politische Investoren“ willkommen zu heißen. Die späteren Treffen mit Bundespräsident als besonders volksnah. Das unter- Wille zu einer Wiedergutmachung Rede wurde im Fernsehen übertragen Johannes Rau (SPD) blieb Havel „im scheidet ihn von Vaclav Havel und der Vertreibung fehlte und er auf die und stieß auf ein riesiges Echo. Es war Einklang mit dem Wortlaut der tsche- Vaclav Klaus. Bei Havel betonten die Stimmung an der Moldau Rücksicht einer der seltenen Augenblicke, in de- chisch-deutschen Erklärung“ bei der Befragten vor allem dessen staats- nehmen musste. nen selbst Vaclav Klaus den Präsiden- Meinung, dass man die Zukunft „nicht männische Auftritte im Ausland, bei Ein Beispiel dafür lieferte Havel mit ten öffentlich lobte. Havel hatte die mit Fragen der Vergangenheit belasten Klaus wiederum die Art und Weise seiner Rede am 17. Feber 1995 in der letzten Illusionen platzen lassen, dass sollte“. Und am 24. April 1997 sagte er der Amtsführung. Karls-Universität, die bezeichnen- die Beneš-Dekrete aufgehoben werden während seines Besuchs in Berlin vor Foto: Občanská demokratická strana, CC BY 2.0 der Weise mit „Die Tschechen und könnten, die selbst der grüne Bundes- den Mitgliedern von Bundestag und HÖCHTL „im Dienste der VÖLKERVERSTÄNDIGUNG: eine intensive Woche der Begegnungen in WASHINGTON“ „Heuer stand eine einwöchige Kon- ten brachten sehr viel an NEUEM und taktreise nach Washington am Pro- natürlich viele neue Kontakte. gramm, weil dort zu dieser Zeit im Höchtl hat dabei insgesamt VIER Re- Feber weltweite Tagungen stattfinden, den zu verschiedenen Themen gehal- an denen bis zu 140 Nationen mit vie- ten, Diskussionsbeiträge bei diversen len Spitzenrepräsentanten teilnehmen. PANEL-Gesprächen abgegeben und Auch dieses Mal waren Staatsober- etliche bilaterale Begegnungen absol- häupter, Ministerpräsidenten, Minis- viert. Höchtl vergaß auch bei verschie- ter sowie religiöse und wirtschaftliche denen seiner Beiträge nie, darauf hin- Führungspersönlichkeiten vertreten. zuweisen, dass seine Eltern 1945 aus Dies zu nützen, war auch heuer mein SÜDMÄHREN vertrieben worden Bestreben“, berichtete der Präsident sind und diese Ungerechtigkeit ein der „Österreichischen Gesellschaft für wesentlicher Faktor war, dass er sich Völkerverständigung“ Prof. Dr. Josef seit seiner frühesten Jugend politisch HÖCHTL nach seiner Rückkehr. engagiert – „nur durch persönliches Es war ein „fast non-stop Programm“, Engagement kann ich die Gesellschaft besonders die EINZEL-Begegnungen Höchtl mit OSZE-Präsident Tesereteli (Georgien) und eh. Ministerpräsident mitgestalten“- Fernstehen ist keine mit hohen Vertretern aus rund 50 Staa- Peterle (Slowenien) Lösung!
4 SUDETENPOST Folge 3 vom 5. März 2020 Das eiskalt geplante Nachkriegsverbrechen Vor 75 Jahren wurde die Vertreibung der Sudetendeutschen in Gang gesetzt Von Gernot Facius später englischen Politikern vortrug: litik, sondern auch durch Mitwirkung Priester Jan Šrámek (!) als Regie- die Liquidierung der sudetendeut- der Westmächte zustande gekommen. rungschef sollte die „ununterbrochene Es sind erinnerungsschwere Tage und schen „Verräter“ und die Vertreibung Außerdem ließ sich auch das Ergebnis Kontinuität des tschechoslowakischen Wochen. Vor einem Dreivierteljahr- der großen Mehrheit der Deutschen der Mission des Briten Lord Runci- Staates nach den Märzereignissen hundert, im Nachkriegsfrühling 1945, in Böhmen, Mähren und Schlesien. man nicht unterschlagen, der sich von 1939“ (Errichtung des Protektorats) begann die Umsetzung dessen, was Ohne eine Politik der systematischen Ende Juli bis Mitte September 1938 in repräsentieren – so die Regierung der Edvard Beneš und seine Londoner Ausgrenzung hätten die „revolutio- der Tschechoslowakei aufhielt und die heutigen Tschechischen Republik. Völ- Exilregierung schon mitten im Krieg nären Garden“ nie so ungehindert von Empfehlung abgab, die Sudetengebiete kerrechtlich eine umstrittene Meinung. angestrebt hatten: eine möglichst um- Mai bis Juli 1945 Dörfer und Städte an das Deutsche Reich abzutreten. Die Denn zu dem genannten Zeitpunkt gab fassende Vertreibung der Sudeten- durchkämmen und Menschen aus dem tschechoslowakische Verwaltung, so es kein Territorium, das zu „regieren“ deutschen aus ihrer Heimat. 1942 ließ Land jagen können. sein Befund, habe zwar keine „aktive gewesen wäre. Präsident Beneš trat ja Beneš den Sozialdemokraten Wenzel Beneš‘ Londoner Ankündigungen Unterdrückung“ der Deutschen ausge- am 5. Oktober 1938, nur kurze Zeit Jaksch und dessen Anhänger in der und sein späteres brutales Vorgehen übt, aber „so viel kleinliche Intoleranz nach „München“ zurück. Somit war britischen Hauptstadt spüren, dass für widerlegen im Übrigen die wiederhol- und Diskriminierung“ an den Tag ge- das Konzept der ununterbrochenen sie nach einem Sieg der Alliierten kein ten Behauptungen des gegenwärtigen legt, „dass sich die Unzufriedenheit der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt. Platz in der Tschechoslowakei sein Staatspräsidenten Miloš Zeman, dass deutschen Bevölkerung unvermeidlich Beneš wusste das, deshalb stellte er am werde. Am 19. Mai 1945, zurückge- es sich mitnichten um eine „kollekti- zum Aufstand fortentwickeln musste“. 26. Juni 1940 im Rundfunk seine um- kehrt aus dem Exil, erließ er die nach ve Schuldzuweisung“ gehandelt habe. Das hinderte den Exilpräsidenten nicht strittene „Theorie der Rechtskontinu- ihm benannten berüchtigten Dekrete. Dabei ist die Faktenlage seit Langem daran, am 6. August 1942 in einer ität“ vor, die von den Alliierten aber Prinzipiell alle „Personen deutscher klar. Die Exilregierung verfolgte zwei Rundfunkansprache „auf der juristi- hingenommen wurde. Ihr Inhalt: Sämt- oder madjarischer Nationalität“ wur- Hauptziele: die Ungültigkeitserklä- schen Kontinuität unserer Republik, liche Rechtsakte auf dem Territorium den als „staatlich unzuverlässig“ er- rung des Münchener Abkommens so wie sie vor München existierte“ zu der Tschechoslowakei nach dem 30. klärt. Rasch waren „wilde“, aber auch von 1938 durch die Alliierten und beharren. September 1938 seien ungültig – auch staatlich geduldete Vertreibungen im die Genehmigung einer - als „Bevöl- Und das war noch längst nicht alles. seine Abdankung. Im Sommer 1942 Gang. Bereits am 5. Mai hatten Deut- kerungsumsiedlung“ oder „Bevölke- Mehr und mehr wandte er sich der erklärten die Regierungen in London sche in Prag „spontane“ tschechische rungstransfer“ umschriebenen – Ver- kommunistischen Sowjetunion zu. und Paris das Münchener Abkommen Gewalt zu spüren bekommen, auf die treibung eines möglichst großen Teils Am 12. Dezember 1943 schloss er für nichtig. Der Exilpräsident konn- Fälle von Lynchjustiz auf den Straßen der Sudetendeutschen bei Kriegsende. mit ihr einen „Freundschaftsvertrag“, te sich bestätigt fühlen. Das Ende der folgten Ermordungen im großen Stil. Auf britischen Druck hin musste er wurde somit zu einem Vasallen Jo- Londoner Exilregierung, auch das ist Das Historiker-Trio Emilia Hrabo- zunächst noch mit Jaksch über eine sef Stalins. Der Kreml sicherte der wichtig für die weitere Beurteilung der vec, Tomaš Stanek und Adrian von Aufnahme sudetendeutscher Politi- Tschechoslowakei die Beachtung der Anlehnung an die Sowjetunion unter Arburg hat in seinen Studien nach- ker in den Exil-Staatsrat verhandeln. Unabhängigkeit, der Souveränität und Stalin, wurde beschlossen während der gewiesen, dass die so genannte „wilde Dabei widersetzte sich Jaksch den der Nichteinmischung in die inneren Verhandlungen in Moskau vom 22. Vertreibung“ von oben initiiert und Vertreibungsplänen am 23. Jänner Angelegenheiten zu. Ein Hohn, wenn bis 29. März 1945 zwischen der Beneš gelenkt wurde und weniger, wie noch 1942 sogar öffentlich: „Das Ziel der man daran denkt, wie die Stalinis- -Führung und der Kommunistischen heute oft behauptet, eine „spontane“ tschechischen Politik bleibt nach wie ten später mit ihrem „Partner“ an der Partei der Tschechoslowakei. Ihr Er- Reaktion der Bevölkerung auf die Zu- vor ein maximaler nationaler Macht- Moldau umgegangen sind. Aber nicht gebnis: eine neue Regierung der Natio- mutungen während der Kriegsjahre gewinn nach dem Kriege. Es wäre be- nur das: Für die sowjetische Zustim- nalen Front. war. Die Vertreibung wurde mit Un- quem für unsere Partner, wenn sich mung zur Vertreibung von „nur“ zwei Am 5. April 1945 trat das erste Kabi- terstützung der Sowjetunion in Gang dieser Prozess mit unserer förmlichen Millionen Sudetendeutschen, so die nett Fierlinger zusammen. Unter der gesetzt, man wollte die Westmächte Zustimmung vollziehen würde. Unse- „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im Verantwortung des ehemaligen tsche- vor Potsdam vor vollendete Tatsa- re Führung denkt nicht daran, diese Jahr 2002, habe Beneš das Lieblings- chischen Sozialdemokraten und spä- chen stellen. Sie war kein aus dem Zustimmung zu geben.“ Der deutsche projekt der Londoner Planungsbü- terem Mitglied des Politbüros der KP Untergang des nationalsozialistischen Sozialdemokrat misstraute Beneš – zu rokratie seit 1940 hintertrieben: eine begann die Phase der Enteignung und Regimes geborenes (Zufalls-)Ereignis, Recht, wie man heute weiß. Am 2. Juli polnisch-tschechoslowakische Kon- Vertreibung der Sudetendeutschen – sondern ein von langer Hand vorbe- 1942, nach dem Attentat auf Reinhard föderation als Schutz vor Deutschland auf der Basis der Beneš -Dekrete. Wie reiteter Akt. Der ehemalige deutsche Heydrich und nach den „Vergeltungs- und vor der Sowjetunion nach dem hatte der Präsident im britischen Exil Bundespräsident Joachim Gauck, man maßnahmen“ an den Einwohnern des Krieg. Am 1. Dezember 1942 war es am 27. Oktober 1943 in einer an Tsche- sollte ihm dafür dankbar sein, hat am Dorfes Lidice – berichtete der britische zu einem letzten Gespräch zwischen chen und Slowaken gerichteten Rund- 20. Juni 2015 in seiner Rede zum ers- Außenminister Anthony Eden dem dem Exilpräsidenten und Wenzel funkrede gesagt? Zitat: „In unserem ten bundesweiten Gedenktag für die Kriegskabinett in London über Pläne Jaksch gekommen. Am Tag danach Land wird das Ende des Krieges mit Opfer von Flucht und Vertreibung zu von Beneš, durch Gebietsabtretung teilte Beneš dem Londoner Außen- Blut geschrieben werden…Die gan- Recht an die Umstände des von Prag und „Transfer“ von „Kriegsverbre- ministerium seine Auffassung vom ze Nation wird sich an diesem Kampf noch immer verniedlichend „Transfer“ chern“ sowie einer zusätzlichen Mil- Selbstbestimmungsrecht für die Su- beteiligen, es wird keinen Tschechoslo- genannten Vorgangs erinnert. Gauck lion Menschen die sudetendeutsche detendeutschen mit: Es zerstöre „das waken geben, der sich dieser Aufgabe zitierte den jüdischen britischen Ver- Minderheit „auf ungefähr eine Million Recht auf Selbstbestimmung von zehn entzieht, und kein Patriot wird es ver- leger Victor Gollancz: „Die Deutschen zu verringern“. Das britische Kriegs- Millionen Tschechoslowaken“ und ma- säumen, gerechte Rache für die Leiden wurden vertrieben, aber nicht einfach kabinett stimmte im Grundsatz der che „die Existenz eines unabhängigen der Nation zu nehmen.“ Am 3. Feber mit einem Mangel an übertriebener „Umsiedlung“ von Deutschen zu, ohne tschechoslowakischen Staates unmög- 1944 gab der Mann, dem nach der Rücksichtnahme, sondern mit dem sich jedoch auf ein Schuldprinzip und lich“. Und er ließ sich zu der Aussage „Wende“ 1989 wieder Denkmäler er- denkbar höchsten Maß an Brutalität.“ einen zahlenmäßigen Umfang festzu- hinreißen, Jaksch und seine politi- richtet wurden, die Parole für den „blu- Die linksliberale Hamburger Wochen- legen. Das entsprach nicht ganz den schen Freunde müssten als „Landes- tigen, unbarmherzigen Kampf “ gegen zeitung „Die Zeit“, meist auf Distanz Erwartungen der Exilregierung. Eben- verräter“ betrachtet werden. Zitat FAZ: die Deutschen aus. Und so kam es zu den Vertriebenenverbänden, kam so gab es einen Dissens in der Beur- „So schaltete er die sudetendeutschen schließlich auch. Es wurde nicht nach ebenfalls nicht umhin anzumerken: teilung von „München“. Eden vertrat Exilpolitiker aus, obwohl sie frühere individueller Schuld gefragt, die Ver- Nicht erst der Beschluss der Welt- am 5. August 1942 die Auffassung, Gegner des Nationalsozialismus ge- treibung war eine kollektive Bestra- kriegssieger in Potsdam (August 1945) das Abkommen sei nicht von Anfang wesen waren. Sie hatten Beneš in Lon- fung. Das einzusehen bereitet offenbar zur „Überführung der deutschen Be- an ungültig gewesen, sondern durch don aber keinen Blankoscheck für die noch heute, 75 Jahre danach, vielen völkerung“ in „ordnungsgemäßer und das Deutsche Reich 1939 vorsätzlich geplante millionenfache Vertreibung tschechischen Verantwortungsträgern humaner Weise“ habe die Vertreibung gebrochen worden. Er konnte ja gar ihrer Landsleute ausstellen wollen.“ Schwierigkeiten. Das macht das sude- ermöglicht: Staatspräsident Beneš habe nicht anders argumentieren, war doch Die Exilregierung in London mit Beneš tendeutsch-tschechische Verhältnis so schon vor dem Krieg geplant, was er „München“ nicht nur durch Hitlers Po- als Präsident und dem katholischen kompliziert.
Folge 3 vom 5. März 2020 SUDETENPOST 5 Tauziehen um die Tatra Im September 1939 kämpft die Slowakei gegen Polen Im Morgengrauen des 1. September len in die Zips ein, weichen jedoch vor Warschau gekommen. Die slowakische 1939 stürmen Soldaten der von Ge- den in die bisher ungarische Slowakei Armee besteht in jenen Tagen aus drei neral Anton Pulanich befehligten einrückenden Tschechen am 7. De- Divisionen Infanterie zu je zwölftau- slowakischen 1.Division in der Nähe zember (Gefecht bei Käsmark) zurück. send Mann, die Ausrüstung stammt von Zakopane über die polnische Zwischen Juni 1919 und Jänner 1920 aus CSR-Beständen. Den Befehl führt Grenze. Gemeinsam mit der deutschen halten die Polen wiederum zwei Gebie- General Ferdinand Catloš. Wehrmacht, deren 17. Armee den te westlich und östlich von Zakopane Bereits am zweiten Tag des Feldzugs Feind vom Süden her aufrollt. Hier, im besetzt. befreien die Slowaken alle bisher vom Schatten der Hohen Tatra, holt sich das Mutterland abgetrennten Landstriche, seit März 1939 unabhängige Land die- Im Friedensvertrag von Trianon muß 38 Soldaten fallen. Die Polen – sie ha- jenigen Gebiete zurück, die sich War- Ungarn ein kleines Gebiet an Polen ben andere Sorgen als die Tatra – leis- schau elf Monate zuvor einverleibt hat. abtreten. Es handelt sich einerseits um ten wenig Widerstand. In Berlin ist Zur Abrundung nimmt die Preßburger zwölf Ortschaften um Jablonka im man mit dem eher symbolischen Bei- Regierung zusätzlich noch ein paar Nordosten des Komitats Árva (poln. trag des kleinen Bündnispartners zu- Gebirgsflecken unter ihre Fittiche. Orawa). In der Gegend wohnen, wie Jozef Tiso frieden, Adolf Hitler zeichnet Premier schon die ungarische Volkszählung von Tiso mit dem Orden vom Schwarzen Was bewegt die slowakische Führung 1910 zeigt, praktisch nur Polen. Wobei abtausch von 1924 abgetreten hat. Im Adler aus. unter Pater Jozef Tiso zu einem der- die Genauigkeit der Statistik täuscht, Dreiländereck Polen-Slowakei-Protek- artigen Vorgehen? Wer meint, das denn die Bevölkerung der ganzen Ge- torat annektiert Warschau drei strate- Auch Moskau honoriert die Teilnahme Deutsche Reich nötige seinen kleinen gend ist höchst gemischt. Zudem spre- gisch wichtige Flecken in der Nähe des am Krieg gegen die den Russen ver- Schützling zu diesem Schritt, liegt chen viele Leute südlich der Tatra, die Jablunkapasses. haßten Polen am 18. September mit falsch. Vielmehr ist der Streit um die sich als Slowaken bezeichnen, dieselbe einem kleinen Dankeschön in Form dünn besiedelte, jedoch landschaftlich Mundart wie die Góralen, also die pol- Die Slowaken sind verbittert, betrach- der völkerrechtlichen Anerkennung. wunderschöne Gegend rings der Ho- nischen Bewohner um Zakopane. Der ten sie doch die Polen als ihre slawi- Der sowjetische Gesandte Georgi Ma- hen Tatra schon einige Jahrzehnte alt. zweite Zugewinn Warschaus sind drei- schen und katholischen Brüder. Auch ximowitsch Puschkin, entfernter Ver- zehn Dörfer um den Markt Nova Biala aus dem Süden droht Ungemach: Bu- wandter des Dichters, ist ungeachtet Um das Jahr 1900 eskaliert der juristi- im Nordwesten der Zips. dapest möchte das ganze Land schlu- ideologischer Gegensätze persona gra- sche Streit zwischen Ungarn und dem cken oder zumindest die Beute entlang ta, in seiner Residenz – die der Kom- cisleithanischen Königreich Galizien Polen ist damit nicht zufrieden, es for- des Waagtales mit Polen aufteilen. So munist in bester bürgerlicher Manier um einen winzigen Landstrich, der dert vor allem das gebirgige Terrain bleibt Preßburg nach der Erklärung als offenes Haus führt – gibt sich die ungefähr drei Kilometer nordwestlich bei Javorina. Prag lehnt ab. Nach lan- der Unabhängigkeit nur eine Möglich- Hautevolee der Hauptstadt die Tür- der höchsten Erhebung des Gebiets, gen Debatten kommt es am 12. März keit, nämlich sich unter den Schutz klinken in die Hand. der 2.655 m hohen Franz-Josephs-Spit- 1924 durch einen Schiedsspruch des des Deutschen Reiches zu stellen. Was ze liegt. Auf heutigen Landkarten fin- Völkerbundes in Genf zu einem Ge- nicht allzu schwer fällt, wirkt sich das Insgesamt entsenden 27 Staaten ihre det man den Berg unter dem Namen bietstausch. Ein slowakischer Weiler Abkommen von München auf die Slo- diplomatischen Vertreter in den jun- Gerlachovský Štít, auf Deutsch: Gerls- in der Nähe von Jablonka gehört nun waken nur minimal aus. Berlin erhält gen Staat, ein Umstand, der dem slo- dorfer Spitze. Genauer gesagt geht es als Lipnica Wielka zu Polen, das da- bloß die deutschen Ortschaften En- wakischen Selbstwertgefühl schmei- um die Meeraugenspitze (poln. Rysy) für weiter im Süden die Flecken Suchá gerau und Theben im Dunstkreis der chelt. Selbst Neutrale wie die betuliche und dem darunter gelegenen Schwar- Hora und Hladovka räumt. Hauptstadt. Auf die Gemeinde Oberu- Schweiz und das vorsichtige Schweden zen Teich. Obschon es sich um eine fer östlich der Preßburger Altstadt ver- stellen sich ein. Meinungsverschiedenheit innerhalb Danach kehrt Ruhe ein, allerdings bloß zichtet das Reich, obwohl dieses Dorf der Doppelmonarchie handelt, bemü- scheinbar. Anfang Oktober 1938 holt im Dezember 1918 von Deutschöster- Das Ringen um die Tatra findet am hen die Kontrahenten ein internatio- Polen im Windschatten des Münche- reich beansprucht wird. Dafür sichert 21. November 1939 seinen formellen nales Schiedsgericht, das 1902 Galizien ner Abkommens nicht nur die Lands- sich die Wehrmacht einen großzügig Abschluß. An diesem Tag proklamiert recht gibt. leute im schlesischen Teschen heim ins bemessenen Truppenübungsplatz bei in Preßburg der überaus populäre Reich, sondern besetzt darüber hinaus Malatzka / Malacky am Abhang der Monsignore Tiso, mittlerweile Staats- In den letzten Tagen des Ersten Welt- das immer schon begehrte Javorina Kleinen Karpaten. präsident, die Wiedereingliederung kriegs geht es dann so richtig los. Am westlich von Zakopane, desgleichen Im September 1939 sieht Preßburg den der Gebiete an der Nordgrenze. 6. November 1918 marschieren die Po- die beiden Dörfer, die es im Gebiets- Zeitpunkt für eine Revanche gegen Erich Körner-Lakatos „Nur Bares ist Wahres“ im Haus der Heimat Zu einer weiteren Veranstaltung im Funktionären von den Landsmann- von Edelmetallen und die Herstellung Darüber hinaus werden Edelmetallron- Rahmen der Serie „Forum Heimat“ schaften ebenfalls einige Ehrengäste im von Münzen bekannt ist. Einige der be- den und Umlaufmünzen an zahlreiche lud VLÖ-Präsident Ing. Norbert Ka- „Haus der Heimat“ begrüßen, darun- liebtesten Anlagemünzen und eine be- Länder auf der ganzen Welt geliefert - peller gemeinsam mit ter: Abteilungsleite- eindruckende Vielfalt an Münzen und eine der Hauptaufgaben ist jedoch die seinen Vorstandskol- rin Gesandte Dr. Su- Medaillen für Sammler werden dabei Produktion von Umlaufmünzen für die legen am Donnerstag, sanne Bachfischer von der Münze Österreich hergestellt. Republik Österreich. Fotos: VLÖ den 13. Feber 2020 in vom BMEIA, Adolf das „Haus der Heimat“ Wala (ehem. Präsi- ein und freute sich dabei dent der National- besonders, Mag. Ger- bank), Manfred Frey hard Starsich, General- (ehem. Vizepräsident direktor der Münze Ös- der Nationalbank) terreich AG, begrüßen sowie Dietmar F. zu können, der einen Spranz, (ehem. Ge- Vortrag unter dem Titel neraldirektor der „Nur Bares ist Wahres“ Münze Österreich). hielt. Kapeller konnte Im Zuge seines Vor- dabei neben dem VLÖ-Ehrenpräsiden- trages stellte Generaldirektor Starsich ten Dipl.-Ing. Rudolf Reimann, eini- die Münze Österreich AG vor, die welt- gen Vorstandskollegen und weiteren weit für die erstklassige Verarbeitung
6 SUDETENPOST Folge 3 vom 5. März 2020 Einsichten, Absichten und Irrtümer tschechischer Politik vor München Das Beispiel Kamil Krofta (*1876 Pilsen - †1945 Prag) Der im Gegensatz zu dem Staats- tschechische ab, da „Deutschböhmen“ kein lebens- verderber Edvard Beneš weitgehend Volk das „ei- fähiges Gebilde sei. Alles sei auf Prag unbekannt gebliebene Historiker gentlich histo- ausgerichtet. und zeitweilige Außenminister der rische Volk“, Mit einiger Überraschung liest man Tschechoslowakei (1936- 1938), Kamil die „führende dann seinen Vorschlag, die Deutschen Krofta, veröffentlichte 1937 im Prager Nation“. Zwar als „zweites Staatsvolk“ anzuerkennen. Orbis-Verlag eine Broschüre mit dem hätten die Die Voraussetzung dafür aber sieht er Titel „Die Deutschen im tschechoslo- Deutschen in in der „aufrichtigen geistigen und sitt- wakischen Staate“ in deutscher Spra- der Geschich- lichen Anhänglichkeit der Sudeten- che. te „unserer deutschen an unseren Staat“. Sie soll- Es handelt sich um eine Mischung von Länder eine ten in diesem Staat auch ihren Staat, richtigen Einsichten und verhängnis- überaus be- „ihre dauernde Heimat, ihr Vaterland vollen Irrtümern, die zu den Konflik- deutende Rolle sehen“, was auch allen Deutschen nut- ten zwischen Sudetendeutschen und gespielt“, wä- zen würde. Tschechen geführt haben. ren aber in der Aber gerade diese Möglichkeit war Dieser Publikation war schon 1932 eine Vergangenheit durch die Parole Benešs „Zerstört in Berlin in deutscher Übersetzung er- niemals ein Österreich“, seine nationalistische schiene „Geschichte der Tschechoslo- Element gewe- Ideologie, die verfehlte und feindli- wakei“ vorausgegangen. sen, welches che Politik seit der Neugründung der Die Darstellung inner-tschechischer „die Richtung Tschechoslowakei gegen die „deut- Auseinandersetzung vermied er. Der für nicht berechtigt. Deren Versuch ei- seiner Geschichte bestimmt hätte“. schen Landsleute“ längst verschüttet. Mord an Herzog Wenzel durch seinen ner Abspaltung „erwies sich als nicht Für ihn sind die „deutschen Landsleu- Dessen gegen die beiden deutschen Bruder, Herzog Boleslaw oder auch lebensfähig“, wobei er die militärische te“ „zu einem großen Teil direkt Nach- Staaten gerichtete Außenpolitik war die Ermordung Johann Nepomuks Besetzung der deutschen Gebiete als kommen tschechischer Vorfahren“ grundfalsch. Zudem hatte er (im durch den unfähigen König Wenzel eine ziemlich nebensächliche und un- und von daher sieht er aufgrund der Verbund mit Masaryk). Österreich- IV. bleiben unerwähnt. problematische Sache bezeichnet. NS-Rassentheorien gar kein Interesse Ungarn als Gegengewicht gegen das Bei seiner Beurteilung Österreich– Krofta gibt sich der Hoffnung hin, des Deutschen Reiches an den Sude- nur vorübergehend machtlose Deut- Ungarns folgt er der Linie František dass sich das Verhältnis der deutschen tendeutschen. sche Reich zerstört und nichts aus der Palackýs und sieht die Tschechen im Staatsbürger zur Republik und zur Die Ideen Bolzanos (Bildung einer langen Geschichte der böhmischen Ersten Weltkrieg in der Mehrzahl „mit tschechoslowakischen Nation auf dem böhmischen Nation) oder Emanuel Länder gelernt. dem Herzen auf der Seite der Gegner“, Wege einer glücklichen Entwicklung Radls (einheitliche Staatsnation) ge- Die erste Tschechoslowakische Repub- der Mittelmächte, nämlich Frank- befindet. schweige denn die Verschmelzung der lik ist auch an fehlendem und falschem reichs, Russlands, Serbiens und Eng- Er krönt seine Geschichte mit der Tschechen mit den Deutschen lehnt er Geschichtsbewusstsein, gefährlichen lands. Feststellung, dass der Tschechoslowa- ab und hält sie für „rundweg unmög- Irrtümern radikaler Nationalisten, Die Hinwendung zu den slawischen kischen Republik von der nationalen lich“ und postuliert: „Wir beharren auf Mangel an Gerechtigkeit und politi- Staaten sieht er durch eine „romanti- Frage keine ernsthafte Gefahr drohe: dem tschechoslowakischen National- scher Blindheit zugrunde gegangen. sche Brüderschaft“ begründet – dem „… die Tschechoslowakische Repub- charakter unseres Staates…“. Eine „gerechte, demokratische Natio- Panslawismus. Im Sinne der Ideen von lik darf ruhig und hoffnungsvoll ihrer Immerhin räumt er Fehler bei der Na- nalitätenpolitik“ hätte 1918/1919 be- Tomáš Masaryk und Edvard Beneš glücklichen und ruhmreichen Zukunft tionalitätenpolitik des Staates ein, un- ginnen müssen und die Außenpolitik interpretiert er die Abkehr von Öster- entgegenschreiten“. (S. 162) ter anderem bei der Berücksichtigung durfte nicht auf Gegnerschaft oder reich als eine Befreiung des „histori- Auch 1937 ist Kamil Krofta nicht viel in der Staatsverwaltung, bei der Steu- Feindschaft zu den deutschen Nach- schen Gebiets der böhmischen Krone“. klüger geworden. Er hält an den künst- eraufteilung oder der Sprachverwen- barn mitten in Europa aufgebaut wer- Alle Bestrebungen der Sudetendeut- lichen Konstruktionen des Tschechos- dung. den. schen in den Jahren 1918/1919 hält er lowakismus fest. Für ihn bleibt das Eine territoriale Autonomie lehnt er Rüdiger Goldmann Städtewappen Unter Tannowitz / Dolní Dunajovice Tanne, somit ein redendes Siegelbild in Znaky 155, Anm. 46, Abb. Taf. 9). Pappel statt der Tanne, bietet das ova- Land: Mähren hatte, Grundelement des neuen Wap- Noch im selben Jahr wurde das Wap- le, bis 1945 (?) geführte Siegel MARKT Landkreis: Nikolsburg pens wurde: in Silber auf einem grünen pen in dem neuen Typar, 30mm ᴓ, UNTER TANNOWITZER GEMEIN- Einwohner: Hügel eine grüne Tanne, flankiert von angebracht; Umschrift: *MARGT*- DEVORSTAND, nach dem Gödel irr- 1910: 2690 / 2689 je einem roten be- VNTER*TANAWI- tümlich ein rotes Feld mit silbernen 1930: 2778 / 2676 zinnten Turm („Ra- CZ*SIGL*1.5.8.0. Im Türmen und einer Pappel dazwischen 1939: 2792 tenturm“) mit drei Unterschied zu der veröffentlichte (Znaky 122f., Anm. 1947: 1758 (2, 1) Fenstern (aus Verleihung wurde 154f., dort weitere Lit. und Berichtigun- 2019: 1704 dem Familienwap- aber die Tanne als gen). pen des Grafen Laubbaum darge- Ein Falsum kennt den Ort schon 1173, Thurn), der Hügel stellt. Auf dem fol- Dr. Karl Renner tatsächlich ist Unter Tannowitz aber erst belegt von einem genden Typar, 24mm *14. Dezember 1245 durch Marquart von Tannowitz b r au n b e s t i e l t e n ᴓ, DES MARCTS 1870 in Unter nachweisbar. 1573 noch als Dorf ge- silbernen Winzer- VNDER TANAWI- Tannowitz, †31. nannt, erhob es Rudolf II. am 3.4.1580 sech.. Zwar wer- TZ SIGIL.1626, das Dezember 1950 auf die Bitte von Franz Gf und Frhr von den der Hügel und noch 1787 angewen- in Wien, öster- Thurn Valsassina und zum Kreuz, Herr das Winzersech det wurde, ist außer- reichischer Po- auf Liepnitz, Pürschitz und Wostitz, – manchmal als dem das Winzersech, litiker (SDAP, zum Markte, dem er zwei Jahrmärk- Sichel bezeichnet – nicht in dem Text das zwar wieder auf dem im 19. Jh. ge- SPÖ). Er war in te genehmigte. Unmittelbar danach ausdrücklich erwähnt, doch sind sie aus brauchten Siegel, 30mm ᴓ, des U. TAN- der Ersten und Zweiten Republik an wurde dem Markte durch den Besitzer der Zeichnung der Verleihungsurkunde NOWITZER GRUNDBUCHAMT(s) führender Stelle tätig. (Bestandgeber: ein Wappen verliehen, wobei das bis ersichtlich (Orig. im Bezirksarchiv Ni- erscheint, aber als Winzermesser und Archiv der Universität Wien, Bildarchiv dahin gebrauchte Dorfsiegel, das eine kolsburg, Unter Tannowitz Nr. 1, zitiert balkenweise. Eine letzte Version, eine Signatur: 106.I.1803)
Folge 3 vom 5. März 2020 SUDETENPOST 7 Gedenkveranstaltung im Mandschurei-Museum von Achimura In der Sudetenpost Folge 9 vom Darstellung des inzwischen sehr vielfäl- 6.9.2018 S. 13 ff. haben wir von einem tigen Flüchtlingswesens in Deutsch- Treffen mit japanischen Flüchtlingen land. Gegenstände der Berichte waren berichtet, von deren Schicksal wir erst neben der Schilderung der Lage der wenige Monate zuvor erstmals ver- Kriegsflüchtlinge 1945 ff. auch das Er- nommen hatten. Ihre Notsituation und gehen der Spätaussiedler der 1970er, deren politische Hintergründe haben 80er Jahre und schließlich der heute wir dort beschrieben. Mitglieder des Schutz suchenden Bevölkerung des Na- Frauenverbandes im BdV empfingen hen Ostens und anderer Notgebiete. im Herbst 2018 eine Delegation japani- Prof. Dr. Makoto Minami (Universität scher Flüchtlinge zu einem ausgiebigen Nagasaki), der selber als Nachkomme gemeinsamen Seminar, lernten sie ken- japanischer Siedler in den 1980er Jah- nen und hielten seitdem Kontakt. Der ren aus China nach Japan übersiedelte, in Aussicht genommene Gegenbesuch erläuterte die Geschichte und Gegen- in Japan fand Ende Oktober 2019 statt. wart der japanischen Rückkehrer aus Tagungsort war das mandschurische Gemeinsames Bild vom Symposium mit Helga Engshuber (4. von rechts). Nordostchina. In Japan wurden die Museum, das sehr gut von der Bevölke- Rückkehrer aus China in „Repatriierte“ rung angenommen wird. In den sechs- Die Einwanderungs- und Siedlungspo- zu bringen und neue Impulse für die (kollektive Rückkehrer) und „Heim- einhalb Jahren seines Bestehens haben litik des imperialistischen japanischen zukünftige Arbeit der Gedenkstätte zu kehrer aus China“ (zurückgebliebe- bereits 170.000 Interessierte seine Aus- Kaiserreiches wurde nach Kriegsende erlangen. Im Vorjahr hatte eine Delega- ne Erwachsene und zurückgelassene stellungen gesehen. Zweck des Muse- nie zufriedenstellend zusammengefasst tion der Gedenkstätte eine Europareise Kinder) eingeteilt. Ein wesentlicher ums sind die Aufbereitung der histo- und aufgearbeitet. Die Geschichte der Unterschied zur Situation in Deutsch- rischen Ereignisse und die Weitergabe japanischen Bevölkerung in der Mand- land besteht darin, dass die deutschen der daraus entstandenen Erfahrungen schurei, die einerseits zu Opfern der Flüchtlinge, Vertriebene und Aussiedler an die nächste Generation. Kriegsgeschehnisse wurde, von einem als deutsche Staatsbürger anerkannt anderen Standpunkt jedoch auch als wurden, während eine Anerkennung Der herzliche, von menschlicher Nähe ausbeutende Kolonisatoren auf frem- der Rückkehrer in Japan schwieriger geprägte Stil des Umgangs mit den ja- der Erde zu bezeichnen sind, blieb nach war. In seinem eigenen Fall wurde die panischen Flüchtlingen und sonst In- Ende des Krieges größtenteils uner- japanische Herkunft der Großmutter, teressierten hat uns sehr bewegt. Über zählt. die nach dem Krieg in China zurück- 100 Personen besuchten das Symposi- Die noch verbliebenen Betroffenen blieb, anerkannt, wonach er auch die um, das aus Anlass unseres Besuches werden Jahr für Jahr weniger an Zahl, Staatsbürgerschaft beantragen konnte. stattfand. Das Auditorium lauschte mit deshalb erscheint es umso wichtiger, die In Japan kam es auch nicht zu einer Or- gleichbleibender Aufmerksamkeit. Wir Geschichte festzuhalten und zu über- ganisierung der Rückkehrer in einem umarmten die auch auf japanischer Sei- liefern und sich sowohl dem Opfer- als gemeinsamen Verband, so dass deren te nur noch wenigen Zeitzeugen. Der auch dem Täterstandpunkt zu stellen. Herzlicher Kontakt mit den japani- Stimme in der Politik und Gesellschaft japanische Professor Kimura berich- Mit dieser grundsätzlichen Haltung schen Zeitzeugen. keine gesonderte Aufmerksamkeit er- tet: wurde diese Erinnerungsstätte gebaut. hielt. Zwar befindet sich die Gedenkstätte auf nach Deutschland und Polen unter- Die Gemeinsamkeiten und Unterschie- Im Jahre 2013 wurde im Dorf Achi- dem Land fernab der großen Metropo- nommen, bei der es zu ersten Begeg- de, die im Symposium angesprochen mura [sprich: Atschimura] in der Prä- len, jedoch stellt es einen Schnittpunkt nungen mit dem Frauenverband kam. und diskutiert wurden, machten erneut fektur Nagano in Zentraljapan ein von Menschen, Quellensammlungen Prof. Dr. Goro Christoph Kimura die Bedeutung deutlich, die jeweiligen privat geführtes Museum gegründet, und Informationen dar, wodurch ein (Sophia-Universität, Tokyo), dessen Erfahrungen auszutauschen und in das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ort des Lernens und des Gedenkens Großeltern 1945 die Heimat im heuti- Verbindung zu bringen. Die Teilneh- die Geschichte der japanischen Ein- entstanden ist. gen Polen (Danzig und Posener Land) menden waren sich einig, diesen Dia- wanderung in der Mandschurei zu Die Museumsleitung ist bemüht, diese verlassen mussten, und der in einem für log fortzusetzen. beschreiben und festzuhalten, darüber Aktivitäten mit kleinen, jedoch stetigen Söhne der Japaner in der Mandschurei So haben wir am Ende des Symposions zu lernen und zugleich der Friedens- Schritten fortzusetzen. gegründeten Studentenwohnheim in die Frage, wie man fremden Menschen förderung dienlich zu sein. Tokyo seine Studentenzeit verbrach- in Frieden begegnen könne, mit folgen- Im Nordosten Chinas gründete Japan Am 19. Oktober 2019 fand in dieser te, schilderte in seiner Einführung die den Grundsätzen beantwortet: 1931 den Marionettenstaat „Mand- Gedenkstätte ein Symposium statt mit Geschichte der deutschen Flucht und schukuo“ und aus staatspolitischen dem Titel „Aus dem Dialog, aus der Vertreibung sowie die Geschichte der 1. Beschäftigung mit fremden Gründen wurden 270 000 Menschen Geschichte für die Zukunft lernen: ja- Aussiedler im historischen und europä- Kulturen, vor allem Religionen der agrarischen japanischen Landbe- panische und deutsche Vertriebene, ischen Kontext mit Bezug auf die japa- und viel daraus lernen. völkerung nach Mandschukuo gesandt, Flüchtlinge und Aussiedler.“ Dieses nischen Erfahrungen. 2. Fremde Sprachen beherrschen, um dort Landwirtschaft zu betreiben. Symposium, das durch die Vermittlung Die Ansprachen der deutschen Teil- damit man mit den Menschen Die Region mit der größten Zahl der von Dr. Mariko Fuchs (wohnhaft in nehmerinnen, Präsidentin und Vor- reden und ihre Gedanken ver- Auswanderer war die Präfektur Naga- Düsseldorf) in Zusammenarbeit mit standsmitglieder des Frauenverbandes stehen kann. no, die auf Grund der geographischen dem Frauenverband im Bund der im BdV, lagen in japanischer Überset- 3. Allen Menschen mit Achtung Lage mitten in den Bergen eine schwä- Vertriebenen stattfinden konnte, setz- zung aus, so dass alle Teilnehmer des und Respekt begegnen und sie chere wirtschaftliche Grundlage hatte. te sich das Ziel, die deutschen und ja- Symposiums sie aufnehmen konnten. in ihren Besonderheiten wert- Die Umsiedlungsaktion wurde, unge- panischen Erfahrungen in Beziehung Diese Beiträge boten eine umfassende schätzen. achtet der schweren militärischen Si- 4. Solche Achtung auch den Toten tuation bis Mitte 1945 fortgesetzt. Mit und ihren Begräbnisstätten ent- dem Einmarsch der russischen Trup- gegenbringen. Viele Beobach- pen am 9. August 1945 begann für diese tungen in unseren ehemaligen Bevölkerung eine dramatische Flucht, Siedlungsgebieten lassen erken- die für viele in Massenselbstmord und nen, dass die Versöhnung derer, Gefangenenlager endete. Etwa 80 000 die ehemals ihre Heimat geteilt Menschen verloren dabei ihr Leben. haben, sich zu Kriegsende dann Auch die japanische Restbevölkerung, aber töteten und vertrieben, auf die vor allem in Städten lebte, wurde in den Friedhöfen begann. den Nachkriegsjahren nach Japan zu- rückgesandt. Das Museum Achimura Helga Engshuber, Düsseldorf
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