Bayerisches Zahnärzteblatt - Bayerisches ...
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58. Jahrgang
4/2021 Bayerisches Zahnärzteblatt
Schwerpunktthema
Funktion/Prothetik
Komposite im kaulasttragenden Seitenzahnbereich –
Verschiedene klinisch relevante Schichttechniken
Zahnmedizinische Katastrophe
Corona sorgt weltweit für Rückgang der Patientenzahlen
Hygiene ist Trumpf
Schutz vor Covid-19 im Praxisalltag
www.bzb-online.de
www.blzk.de | www.eazf.de | www.kzvb.de | www.dgparo.de | www.oegp.at
www.bayerischer-zahnaerztetag.de | www.twitter.com/BayZaet
Informationen: OEMUS MEDIA AG
The Westin Grand München
Telefon: 0341 48474-308 · Fax: 0341 48474-290
München, 21. bis 23. Oktober 2021
E-Mail: zaet2021@oemus-media.de · www.bayerischer-zahnaerztetag.de
Parodontologie 2021
62. Bayerischer Zahnärztetag
© (von oben nach unten/links nach rechts) Shutterstock.com: Algirdas Gelazius, Kiselev Andrey Valerevich, Tefi, New Africa, bymandesigns
editorial
Auf Fakten setzen und
Vorzüge nutzen
Liebe Kolleginnen
und Kollegen,
Christian Berger
Vorsitzender des Vorstands der nach über einem Jahr Pandemie liegen die faches übersteigt. Nebenwirkungen und
Kassenzahnärztlichen Vereinigung
Bayerns Nerven bei vielen Menschen blank. Viel möglicherweise Langzeitfolgen können
zu lange dauern die Einschränkungen der alle Impfstoffe haben – nicht nur der in die
persönlichen Freiheit und unserer Grund- Kritik geratene von AstraZeneca! Niemand
rechte. Die wirtschaftlichen Schäden sind kann ausschließen, dass es bei einem von
kaum absehbar. Kommende Generationen 100000 oder einer Million Geimpften zu
bezahlen die Rettungsschirme von heute. teilweise schweren, ja auch tödlichen Ne-
Nur durch Impfungen und Tests lässt sich benwirkungen kommen kann. Gleichzeitig
Herdenimmunität rasch erreichen. bleibt aber Tausenden von Menschen eine
Länder wie Israel, Großbritannien lebensbedrohliche Erkrankung oder zumin-
oder Chile sind Deutschland weit voraus dest ein schwerer Verlauf erspart. Die we-
auf diesem Weg. Wer übernimmt die Ver- nigen Menschen, die wegen einer Impfung
antwortung? Wer kann in der dritten Welle erkranken, können bestmöglich versorgt
glaubhafte Versprechungen machen statt und hoffentlich geheilt werden. Aber es gibt
wieder nur Lockdown und Ausgangssperre? keine Alternativen. Sollen künftig ärztliche
Die Diskussion über Ruhetage an Ostern Operationen unterbleiben, wenn sie in sel-
oder den Urlaub auf Mallorca spiegelt die tenen Fällen ohne Erfolg bleiben oder sogar
erschreckende Hilflosigkeit der deutschen den Tod des Patienten (mit)verursachen?
Politiker wider. Statt Urlauber anzupran- Die zahnärztlichen Körperschaften
gern und Ruhetage an- und abzuschaffen, in Bayern halten fest an der Empfehlung,
sind Konzepte für kluge Öffnungsstrate- sich impfen zu lassen. Wir appellieren
gien umzusetzen, denn vorhanden sind auch an Sie, bei Ihren Mitarbeiterinnen
sie. Statt Quarantäne nach Rückkehr aus und Mitarbeitern sowie Ihren Patien-
Nicht-Risikogebieten sind Schnelltests tinnen und Patienten entsprechende
gefragt – Schnelltests für Tagestickets wie Aufklärungsarbeit zu leisten. Es gibt in
in Tübingen führen dort zu Öffnung der Deutschland keine Impfpflicht – und das
Außengastronomie und der Läden. ist auch gut so. Jeder muss für sich selbst
Die Debatte um die Wirksamkeit und entscheiden, welches Risiko er eingeht:
Verträglichkeit der verschiedenen Impf- das einer Impfung mit Nebenwirkungen
stoffe ist ebenfalls eine Folge der verfehl- oder das einer in vielen Fällen lebensbe-
ten Beschaffungspolitik – nicht nur auf drohlichen Erkrankung mit unabsehbaren
EU-Ebene! Zahnärztinnen und Zahnärzte Spätfolgen. Unsere Freiheit werden wir
haben eine Prüfung in Pharmakologie jedenfalls erst zurückbekommen, wenn
abgelegt und wissen, dass es keine Imp- das Virus zumindest eingedämmt ist. Und
fung ohne Nebenwirkungen gibt – setzen das wird ohne Impfungen nicht gelingen.
wir also auf Fakten! Wissenschaftlich und
objektiv betrachtet, erfüllen alle derzeit Ihr
zugelassenen Impfstoffe die Forderung,
dass deren Nutzen die Risiken um ein Viel-
BZB April 2021 3
inhalt
inhalt
politik
Foto: Bernd Kröger/stock.adobe.com
6 „Grüne halten an der Bürgerversicherung fest“
BZB befragt die im Bundestag vertretenen Fraktionen
8 Hygiene ist Trumpf
Schutz vor Covid-19 im Praxisalltag
10 Positives Schlusslicht
Kaum Verdachtsfälle auf Covid-19 als Berufskrankheit
11 Nachrichten aus Brüssel
12 Mit Luca schneller aus dem Lockdown?
Private Tracing-App kann mehr als
Spahns Vorzeigeprojekt 6
15 Stressfaktor Corona Im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September 2021 stellen wir
Wie sich die Pandemie auf die Zahngesundheit auswirkt den gesundheitspolitischen Sprechern aller derzeit im Parlament
vertretenen Fraktionen die gleichen Fragen. In dieser Ausgabe
16 Kommt die Frauenquote in der Selbstverwaltung? kommen das Bündnis 90/Die Grünen zu Wort.
KZBV spricht sich für eine Frau in den Vorständen aus
18 Umfrage bestätigt: Zahnärzte sind Hygiene-Experten
19 Journal
12
20 Weltmeister Chile
Wie das Land alle anderen beim Impfen überholte
22 Zahnmedizin in Zahlen
„Daten und Fakten 2021“ der BZÄK und KZBV
24 Die Qualität stimmt
Neue Prüfung liefert gute Ergebnisse
Foto: Mirko Vitali/stock.adobe.com
26 „Faktisch fehlende Unabhängigkeit“
Rechtsgutachten zur Neuausrichtung der
Unabhängigen Patientenberatung
28 „Zahnmedizinische Katastrophe“
Corona-Pandemie sorgt weltweit für Rückgang der
Patientenzahlen
Videosprechstunden, elektronische Patientenakte, Gesundheits-
Apps auf Rezept: Eigentlich sollte die Digitalisierung des deut-
schen Gesundheitswesens Fortschritte machen – doch bei den
praxis meisten Projekten läuft es gar nicht rund.
29 GOZ aktuell
Funktion/Prothetik
31 Barrierefrei zum Zahnarzt 32
Virtueller Praxisrundgang zeigt Stolperstellen auf
Abbildung: Andrey Popov/stock.adobe.com
32 Unternehmen Zahnarztpraxis
Teil 1: Praxisfinanzierung, Businessplan und
Fördermöglichkeiten
35 Online-News der BLZK
36 KZVB nutzt die Corona-Krise für neue Formate
bei der Fortbildung
38 Schluss mit veralteten Dokumenten! Wer eine Zahnarztpraxis erfolgreich führen will, braucht mehr
als nur zahnmedizinisches Fachwissen. Der erste Teil der Serie
eazf bietet laufende Betreuung für Arbeitssicherheit, „Unternehmen Zahnarztpraxis“ beleuchtet die Themen Praxis-
Hygienemanagement und QM finanzierung, Businessplan und Fördermöglichkeiten.
4 BZB April 2021
inhalt
wissenschaft und fortbildung
46 Die Verwandlung
Vollkeramische Komplettversorgung eines
multifaktoriell geschädigten Gebisses
56 Komposite im kaulasttragenden
Seitenzahnbereich
Verschiedene klinisch relevante Schichttechniken
markt und innovationen
65 Produktneuheiten
56
Prof. Dr. Jürgen Manhart führt Schritt für Schritt durch
verschiedene Schichtkonzepte bei Kompositrestaurationen
im Seitenzahnbereich.
reise und kultur
67 Was Zahnstein verrät
Exotische Küchenzutaten gab es im Mittelmeerraum
bereits vor 3 000 Jahren
69 Was Zähne verraten
Sensationsfund: Zahn-DNA weist auf
neue Mammutart
70 „Wer, wenn nicht wir?!“
Über zwei Studierende, die vor Corona aufbrachen,
um zu helfen
Illustration: Nikola Nevenov
termine
67
amtliche mitteilungen
Eine Untersuchung von rund 70000 Jahre alten Milch-
zähnen widerlegt die These, dass der Grund für das 73 eazf Tipp
Aussterben der Neandertaler in einer zu langen Stillzeit
ihrer Neugeborenen liegen könnte. 74 eazf Fortbildungen
76 Aufstiegsfortbildungen und Weiterqualifizierungen
für Praxispersonal
78 Betriebswirtschaftliches Curriculum
78 Veranstaltungskalender
79 Niederlassungsseminare 2021
79 Praxisübergabeseminare 2021
Titelbild: Chris/stock.adobe.com
80 Vorläufige Prüfungstermine für
In dieser Ausgabe finden Sie die einmal pro Quartal erscheinende Aufstiegsfortbildungen 2021/2022
Information des Verbandes Freier Berufe in Bayern e.V.
80 Ungültigkeit von Zahnarztausweisen
Die Herausgeber sind nicht für den Inhalt von Beilagen verantwortlich. 81 Kassenänderungen
81 Rubrikanzeigen
Das BZB 5/2021 mit dem Schwerpunkt Funktion/Prothetik
erscheint am 14. Mai 2021. 82 Impressum
BZB April 2021 5
politik BLZK/KZVB
Foto: Bernd Kröger/stock.adobe.com
„Grüne halten an der
Bürgerversicherung fest“
BZB befragt die im Bundestag vertretenen Fraktionen
Wie steht es um das deutsche Ge- Klein-Schmeink: Bürokratie darf Gesundheitsämter mit großen personel-
sundheitswesen? Welche Entschei- kein Selbstzweck sein, sondern muss der len Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
dungen müssen in der kommenden Versorgungsqualität dienen. Wir wollen Schuleingangsuntersuchungen oder Be-
Legislaturperiode getroffen werden? Patientinnen und Patienten stärker vor suche des jugendzahnärztlichen Dienstes
Im Vorfeld der Bundestagswahl am schlechter Qualität und zahnmedizi- an den Schulen zur Zahnprophylaxe verrin-
26. September 2021 stellen wir den nischen Eingriffen mit fragwürdigem Nut- gerten sich in den letzten Jahren erheblich.
gesundheitspolitischen Sprechern zen schützen. Dafür ist zum Beispiel eine Der öffentliche Gesundheitsdienst vor Ort
aller derzeit im Parlament vertrete- Ausweitung der Versorgungsforschung muss daher auch langfristig finanziell und
nen Fraktionen die gleichen Fragen. notwendig. Auch benötigen Patientin- personell besser aufgestellt werden.
Nach der AfD kommen nun das nen und Patienten mehr Unterstützung,
Bündnis 90/Die Grünen zu Wort. wenn sie entscheiden, welche zahnmedi- BZB: Dual oder einheitlich – wie sieht
In den nächsten Heften folgen Die zinischen Leistungen sie vornehmen las- für Ihre Partei das Krankenversiche-
Linke, FDP, SPD sowie CDU/CSU. sen. Nicht zuletzt müssen Patientinnen rungssystem der Zukunft aus?
und Patienten besser vor finanzieller Über- Klein-Schmeink: Unser Gesundheits-
BZB: Selbstverwaltung, Freiberuflich- forderung geschützt werden. Der Umfang wesen steht mit dem medizinischen Fort-
keit und Therapiefreiheit – welchen dessen, was die GKV an zahnmedizinischen schritt und dem demografischen Wandel
Stellenwert haben diese Begriffe für Leistungen übernimmt, hält nicht Schritt vor enormen finanziellen Herausforde-
Ihre Partei? mit dem medizinischen Fortschritt. rungen. Wir wollen, dass auch in Zukunft
Klein-Schmeink: Wir stehen zur alle Menschen unabhängig von der Höhe
freien Arztwahl. Sie ist ebenso ein wichti- BZB: Während die Praxiskosten von ihres Einkommens die Versorgung erhal-
ges Merkmal des deutschen Gesundheits- Jahr zu Jahr steigen, stagniert der GOZ- ten, die sie benötigen. Das Krankenver-
wesens wie der Selbstverwaltung. Nach Punktwert seit 1988. Wann können sicherungssystem der Zukunft ist gerecht,
unserer Auffassung muss jedoch den Zahnärzte mit einer Anhebung rechnen? solidarisch und solide finanziert. Es bie-
Patienten eine deutlich größere Rolle in Klein-Schmeink: Wir befürworten tet Wahlfreiheit für die Versicherten und
der Selbstverwaltung zugebilligt werden. eine angemessene Vergütung der Zahn- ermöglicht einen Wettbewerb um gute
Wir wollen keine Fachaufsicht, sondern ärztinnen und Zahnärzte. Versorgungsqualität und gerade nicht um
eine funktionierende Rechtsaufsicht, die gute Risiken. Das heutige gespaltene duale
auch darauf achtet, dass mit den von den BZB: Die Corona-Krise hat das Gesund- System begünstigt Rosinenpickerei und
Versicherten hart erarbeiteten Beitrags- heitssystem vor eine harte Belastungs- führt dazu, dass viele Versicherte insbe-
mitteln sorgsam umgegangen wird. probe gestellt. Welche Lehren muss die sondere in der PKV nicht die Absicherung
Gesundheitspolitik aus der Corona- erhalten, die sie im Krankheitsfall benö-
BZB: Inhaber von Zahnarztpraxen Pandemie ziehen? tigen. Mit einer Reform der Krankenver-
sehen sich noch immer mit einer Fülle Klein-Schmeink: Gerade in einer aku- sicherung und langfristig einer Bürger-
von bürokratischen Vorschriften kon- ten Krisensituation kommt es auf funktio- versicherung schaffen wir mehr Vielfalt,
frontiert. Wo gibt es nach Ihrer Mei- nierende Gesundheitsämter an. Schon vor Gerechtigkeit und Solidarität. Wir wollen,
nung Abbaupotenzial? der Corona-Pandemie zeigte sich, dass dass alle Versicherten sich solidarisch an
6 BZB April 2021
politik BLZK/KZVB
der Finanzierung unseres Gesundheits- aus einer kieferorthopädischen Behand-
Foto: Stefan Kaminski
wesens beteiligen und alle Versicherten lung oder die Vorgeschichte einer neuen
die Versicherung auswählen können, die Patientin einsehen können. Und nicht zu-
am besten zu ihnen und ihren jeweiligen letzt finde ich es richtig, dass Patienten
Bedürfnissen passt. Eine Einheitsversiche- die Möglichkeit erhalten, für sie wichtige
rung lehnen wir daher ab. Informationen aus der zahnärztlichen Be-
handlung speichern oder das Zahnbonus-
BZB: Bei den Zahnärzten sorgte die heft digital führen zu können.
Covid-19-Schutzverodnung für Frust
und Enttäuschung. Anders als Ärzte BZB: Halten Sie es für richtig, dass man
und Krankenhäuser erhalten sie keine Praxen, die sich nicht an die TI anbin-
echten Liquiditätshilfen, sondern nur den wollen, durch Honorarabzüge „be-
Darlehen. Sehen Sie eine Möglichkeit, straft“?
hier nachzubessern? Klein-Schmeink: Ich bin sicher, dass
Klein-Schmeink: Es ist problema- Maria Klein-Schmeink, gesundheitspoli- man mit einer besseren Planung einen
tisch, dass der Schutzschirm für die zahl- tische Sprecherin der Bündnis 90/Die flächendeckenden Rollout der TI auch
Grünen im Bundestag
reichen Berufsgruppen im Gesundheits- ohne Abzüge hingekriegt hätte, weil der
wesen so unterschiedlich ausgestaltet ist. Nutzen viel deutlicher gewesen wäre. Ärz-
Alle Akteure im Gesundheitswesen sind gungsqualität und der Finanzierungsquelle tinnen und Ärzte sind ja nicht grundsätz-
von Einnahmeausfällen bedroht. Wäh- des MVZ besteht. Wir brauchen insgesamt lich gegen die Digitalisierung. Aber ohne
rend zum Beispiel Hebammen gar nicht mehr Transparenz über die Behandlungs- vermittelbare Vorteile blieb Spahn nur das
berücksichtigt sind, ist der Sicherungs- qualität im ambulanten Sektor sowie die Mittel des Zwangs. Das hätte ich anders
mechanismus für Vertragsärzte sinnvoll Akteure, die Rendite im Gesundheitswesen gemacht. Ich glaube aber, dass mit mehr
ausgestaltet; Vertragszahnärzte erhalten abschöpfen. Dabei aber nur MVZ in den verfügbaren Anwendungen der TI auch
nur ein Darlehen. Die Sicherstellung der Blick zu nehmen, reicht zu kurz. die Bereitschaft steigt, sich anzuschließen,
zahnärztlichen Gesundheitsversorgung Honorarabzüge hin oder her.
darf nicht gefährdet werden. BZB: Die elektronische Patientenakte
macht in der Zahnmedizin wenig Sinn. BZB: Die weitere Digitalisierung des
BZB: Fremdkapitalfinanzierte MVZ Zahnärzte arbeiten selten interdiszi- Gesundheitswesens ist erklärtes Ziel
sind trotz der Begrenzung der Markt- plinär. Welche Vorteile haben Zahn- der jetzigen Bundesregierung. In ande-
anteile im TSVG auf dem Vormarsch. arztpraxen von der Anbindung an die ren Ländern kam es bereits zu schwer-
Sie konzentrieren sich auf die städ- Telematik-Infrastruktur? wiegenden Hackerangriffen. Halten Sie
tischen Ballungsräume. Braucht es hier Klein-Schmeink: Zugegebenerma- den Schutz hochsensibler Patienten-
weitere Regelungen wie zum Beispiel ßen ist der Nutzen der TI bislang recht daten für ausreichend?
eine Gründungsbefugnis ausschließ- überschaubar, nicht nur im zahnärztlichen Klein-Schmeink: Ich glaube, dass wir
lich für Zahnärzte? Bereich. Ich kann deshalb verstehen, wenn bezüglich IT-Sicherheit in Deutschland
Klein-Schmeink: Nach Abschaffung sich einzelne Ärzte fragen, warum sie sich noch viel Nachholbedarf haben, nicht
der Bedarfsplanung lassen sich die zahn- überhaupt anschließen müssen. Meiner nur im Gesundheitswesen. Die IT-Sicher-
medizinischen Versorgungsangebote kaum Meinung nach hätte man die TI bereits heitsrichtlinie von KBV und KZBV finde ich
noch so steuern, dass benachteiligte Regio- mit funktionierenden Anwendungen einen Schritt in die richtige Richtung. Ich
nen nicht unter den Tisch fallen. Koopera- ausrollen sollen, dann wäre der Frust bei könnte mir auch vorstellen, das BSI noch
tive Versorgungsstrukturen wie MVZ sehen den Ärzten vermutlich geringer gewesen. stärker einzubeziehen oder die Hersteller
wir nicht als Bedrohung, seit einigen Jahren Denn bei der TI geht es ja nicht nur um mehr in die Verantwortung zu nehmen.
steigt die Zahl der angestellten Zahnärzte die ePA, sondern zukünftig auch um das In jedem Fall gilt es, IT-Sicherheit nicht
und Zahnärztinnen und die KZBV geht eRezept, die eAU, telekonsiliarische Ver- statisch zu begreifen, sondern als fortlau-
selbst davon aus, dass dies nicht zu einer fahren oder einen Messenger-Dienst. Ich fenden Prozess. So wie sich Hacker immer
Verschlechterung der Versorgung führt. glaube, dass diese Anwendungen eine wieder neue Methoden ausdenken, müs-
Die Trägervielfalt von MVZ ist ein hohes ganz konkrete Arbeitserleichterung für sen wir unsere Schutzmaßnahmen immer
Gut, das nicht durch eine Begrenzung der Arztpraxen sein können. Natürlich gibt wieder evaluieren, um die Gesundheits-
Gründungsbefugnis eingeschränkt werden es in den verschiedenen Fachbereichen daten zu schützen.
sollte. Nach aktueller Studienlage gibt es unterschiedlich viele Anwendungsfälle.
keine belastbaren Hinweise darauf, dass Aber auch Zahnärzte profitieren, wenn sie Die Fragen stellten Leo Hofmeier und
ein Zusammenhang zwischen der Versor- Behandlungsinformationen zum Beispiel Thomas A. Seehuber.
BZB April 2021 7
politik BLZK
Hygiene ist Trumpf
Schutz vor Covid-19 im Praxisalltag
Know-how aus der Praxis ist immer BZB: Beim Bayerischen Zahnärztetag Prinzipiell bleiben die Bedingungen
gefragt. Besonders wertvoll ist sie im Oktober 2020 haben Sie zum Thema für die Praxen schwierig: Viele Patienten
in Krisenzeiten. Dr. Michael Rottner, „Erfahrungen und Lehren aus der Co- sind übervorsichtig, schieben Behand-
Referent Praxisführung und Medizin- rona-Pandemie“ referiert. Inwieweit lungen auf und vernachlässigen die Prä-
produkte der Bayerischen Landes- hat sich die Situation für die Zahnarzt- vention. So wurden beispielsweise laut
zahnärztekammer und federführend praxen seither verschärft? KZVB im ersten Halbjahr 2020 in Bayern
beim Auf- und Ausbau des Informa- Rottner: Infolge der gestiegenen Infek- 650000 Vorsorgeuntersuchungen we-
tionsangebots der BLZK zu Covid-19, tionszahlen im Herbst und Winter hat sich niger durchgeführt als im Vorjahreszeit-
schildert im Interview mit dem BZB die Lage wieder zugespitzt. Ein zusätzlicher raum. Diese Bilanz hat sich zwar im dritten
seine Erkenntnisse aus dem Pande- Unsicherheitsfaktor sind die besorgnis- Quartal verbessert. Dennoch dürfen wir
mie-Verlauf. erregenden Mutationen von Sars-CoV-2. davon ausgehen, dass viele Patienten län-
GUT GERÜSTET FÜR DEN WEITEREN PANDEMIE-VERLAUF
Vorausschauendes Denken und Handeln im Verbund mit Disziplin und Durchhaltevermögen sind weiterhin gute Leitplanken
in der Corona-Pandemie. Dr. Michael Rottner, Referent Praxisführung und Medizinprodukte der BLZK, bringt seine Lehren für
die Gegenwart und Zukunft auf den Punkt:
• Einbestellung der Patienten im zeitlichen Abstand (Wartezimmer)
• Hinweis auf Verschärfung der Maskenpflicht (FFP2/KN 95 oder höhere Schutzklasse) am Telefon, über Aushänge, Webseite,
Social Media
• Triage
Abfrage von Krankheitsanzeichen im Vorfeld – möglichst schon bei der telefonischen Terminvereinbarung, spätestens an
der Praxistür
Vermeiden Sie die Behandlung von Patienten mit Krankheitsanzeichen ohne entsprechende Schutzausrüstung und im
Routinebetrieb (Alternative: Schwerpunktpraxis/-klinik).
• Spüllösungen vor der Behandlung können die Viruslast eventuell kurzfristig senken
• Immer wieder hinterfragen: Herrscht noch genügend Sorgfalt? Zum Beispiel:
- bei der Basishygiene (Händehygiene, Handschuhe, dichtes Anliegen und Disziplin beim An- und Ablegen des medizi-
nischen Mund-Nasen-Schutzes)
- beim Desinfizieren der Bereiche, die von Patienten kontaminiert werden (auch Greifdisziplin im Team: Was nicht konta-
miniert ist, muss nicht desinfiziert werden)
- beim Umgang mit der Schutzausrüstung
• Vorhalten und Lagern von ausreichend Schutzausrüstung für die Zukunft
• Und: lüften – lüften – lüften!
Ausführliche Informationen finden Sie in der S1-Leitlinie zum Umgang mit zahnmedizinischen
Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern:
www.dgzmk.de > Zahnärzte > Wissenschaft und Forschung > Leitlinien > Details
> Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern
8 BZB April 2021
Abbildung: Tierney/stock.adobe.com
politik BLZK
ger als ein Jahr keine Zahnarztpraxis von Zudem ist nach wie vor wichtig, die
Foto: BLZK
innen gesehen haben – die Folgen für uns Menschen zu sensibilisieren. Selbst wenn
alle sind schmerzlich bekannt. wir am Arbeitsplatz alle Schutzmaßnah-
men einhalten, müssen wir uns ständig
BZB: Gibt es Bereiche, in denen es ein- ins Bewusstsein rufen: Auch Menschen,
facher geworden ist? die uns privat nahestehen, könnten uns
Rottner: Abstandsregeln und Hygiene- anstecken.
maßnahmen halten auch andere Erreger
in Schach. So sind etwa Atemwegs- und BZB: Was wünschen Sie sich von der
Magen-Darm-Erkrankungen stark rück- Politik?
läufig – mehr Positives fällt mir allerdings Rottner: Die politisch Verantwort-
nicht dazu ein. lichen sollten den Druck auf die Kran-
kenkassen erhöhen, damit diese sich an
BZB: Worauf sollten Zahnärzte zum den deutlich gestiegenen Kosten für das
Beispiel bei der Hygiene besonders Hygienemanagement stärker beteiligen.
achten? Die Forderung nach breiterer Unterstüt-
Rottner: Grundlage ist die konsequente Dr. Michael Rottner ist Referent Praxis- zung, um die wirtschaftlichen Folgen der
Umsetzung der Basishygiene einschließlich führung und Medizinprodukte der BLZK. Pandemie besser abzufedern, ist nach wie
der Händehygiene. Bei gesichtsnahen Tä- vor ein Kernthema.
tigkeiten helfen Masken mit einer Schutz-
klasse ab FFP2, die Infektionsgefahr durch einen Raum konzipiert wurde und Fakto- BZB: Welches persönliche Fazit ziehen
Aerosole zu minimieren. ren wie Fläche, Türen, Fenster und Perso- Sie aus der Corona-Pandemie?
Ein weiterer zentraler Baustein ist nenzahl berücksichtigt. Rottner: Mein Resümee ist eher ein
das richtige Lüften – gekippte Fenster Unabhängig von unserer Verantwor- philosophisches: Das Leben ist nicht
reichen nicht aus. Erst das regelmäßige tung als Zahnärzte würde ich mir noch planbar. Vor gut einem Jahr hätte kaum
Stoß- und Durchlüften erzeugt ein Kälte- mehr Aufklärungsarbeit in der Bevöl- jemand erwartet, dass uns Covid-19 so
Wärme-Gefälle und so einen effektiven kerung wünschen: Wie trage ich meine einschneidend und so lange beschäftigt –
Luftaustausch. Versäumnisse lassen sich Maske wirklich korrekt? Wie geht umfas- wodurch sich auch eine gewisse Hilflosig-
übrigens durch handelsübliche mobile sende Händedesinfektion? Und warum keit in der Politik erklärt.
Luftreinigungsgeräte nicht wettmachen: ist es so entscheidend, bei der Hygiene Ich freue mich sehr, dass sich unsere
Sie suggerieren vielmehr eine falsche keine Fehler zu machen? Dafür sollten die Schutz- und Hygienemaßnahmen so gut
Sicherheit. Evidenzbasiert ist eine Lüf- Medien intensiver eingebunden werden, bewährt haben und das Infektionsgesche-
tungsanlage nur, wenn sie individuell für zum Beispiel durch Fernsehspots. hen in den bayerischen Zahnarztpraxen
verschwindend gering ist. Corona macht
keinen Spaß, und an manches gewöhnt
man sich, an anderes nicht.
AKTUELLE CORONA-INFOS IM NETZ Nichtsdestotrotz bin ich nach wie vor
zuversichtlich, dass die Krise in dieser
Die Publikationen und Webseiten der Bayerischen Landeszahnärztekammer Form ein Ende finden wird – hoffentlich
und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns bieten aktuelle Informatio- schneller, als wir heute denken. Und dass
nen und das erforderliche Rüstzeug für die Herausforderungen durch Covid-19. uns in absehbarer Zeit neben der Impfung
auch Medikamente zur Verfügung stehen
blzk.de/coronavirus kzvb.de/coronavirus werden.
BZB: Vielen Dank für das Gespräch,
Herr Dr. Rottner.
Das Interview führte Ingrid Krieger,
Geschäftsbereich Kommunikation der BLZK.
BZB April 2021 9
politik BLZK
Positives Schlusslicht
Kaum Verdachtsfälle auf Covid-19 als Berufskrankheit
Zahnärzte können Hygiene – und – obwohl Zahnärzte und Praxispersonal Das Fazit: Während der zweiten
setzen sie tagtäglich erfolgreich um. fast durchgehend mit weniger Abstand Corona-Welle erhöhten sich auch in der
Auch aktuelle Zahlen der Berufsge- am Patienten arbeiten als andere ärztliche Zahnmedizin die gemeldeten Versiche-
nossenschaft für Gesundheitsdienst Berufsgruppen. rungsfälle. Der Anstieg war jedoch nicht
und Wohlfahrtspflege (BGW) bestäti- Die BGW merkt an, dass die Ver- signifikant und bildete nicht die Pandemie-
gen diese Kompetenz eindrucksvoll. dachtsmeldungen im Herbst deutlicher Entwicklung in der Gesamtbevölkerung ab.
hinter den Fallzahlen in der Allgemeinbe-
Ingrid Krieger
Im Jahr 2020 wurden der BGW knapp völkerung zurückgeblieben sind als wäh- Geschäftsbereich Kommunikation der BLZK
20000 Verdachtsfälle auf Covid-19 als rend der ersten Welle im Frühjahr – und
Berufskrankheit gemeldet. Gut 78 Pro- wertet diese Entwicklung als Hinweis, dass
zent davon wurden anerkannt (12 312 der sich das Risiko im Berufsleben durch ge-
15 666 entschiedenen meldepflichtigen eignete Schutzmaßnahmen reduzieren
DIE BGW-STATISTIK IM NETZ
Verdachtsanzeigen). Die meisten Men- lässt.
Weitere Informationen finden Sie auf
schen, die sich mutmaßlich am Arbeits- Das Diagramm von Dr. Michael Rott-
der Website der BGW:
platz ansteckten, hatten längeren und ner (siehe Abbildung) schlüsselt die
www.bgw-online.de/DE/Medien-
intensiven Kontakt zu Corona-Patienten: Zahlen für die Angestellten im Sektor
Service/Kundenmagazin/2021-1/
Sie waren in Kliniken tätig (9005 ge- Zahnmedizin in Deutschland weiter auf
Gemeinsam-die-Pandemie-
meldete Verdachtsfälle bei gut 770000 und veranschaulicht sie im Zeitverlauf. Bis
bewältigen.html
Vollbeschäftigten), gefolgt von Pflegeein- Januar 2021 waren der BGW insgesamt
richtungen (6819 von über 1 Million). Am 140 Verdachtsfälle gemeldet worden, 99
unteren Ende der Skala steht die Zahnme- davon erwiesen sich als meldepflichtig.
dizin als durchaus positives Schlusslicht Bei 41 Personen wurde das positive Er-
(85 bei über 240000 Vollbeschäftigten) gebnis des Corona-Tests bestätigt.
Quelle: Dr. Michael Rottner
BGW Statistik - Coronavirus - Gemeldete Versicherungsfälle
160
140
140
120
107
99
100
78
80 72
60 52
40 43 41
40
39
23
20
20
0
Jul 20 Okt 20 Nov 20 Jan 21
Gemeldete Fälle Meldepflichtige Fälle Fälle mit positivem Ergebnis
10 BZB April 2021politik BLZK
Illustration: SimplLine/stock.adobe.com
Nachrichten aus Brüssel
EU will Virusvarianten eindämmen Krebserkrankungen bei Kindern verstärkt ins Blickfeld ge-
rückt werden. Weitere Kernpunkte sind Initiativen zur Stär-
Angesichts der anhaltenden Kritik an der europäischen kung von Forschung und Innovation in der EU wie zum Bei-
Beschaffung von Corona-Impfstoffen hat die EU-Kommis- spiel die Gründung eines neuen Wissenszentrums für Krebs.
sion neue Maßnahmen gegen die Ausbreitung der hoch Dies soll auf EU-Ebene zur Koordinierung wissenschaftlicher
ansteckenden Virusvarianten vorgestellt. So will die Brüs- und technischer Initiativen gegen Krebs beitragen, etwa
seler Behörde den EU-Mitgliedsstaaten 75 Millionen Euro bei der bildgebenden Diagnostik und der personalisierten
zur Verfügung stellen, um die Genom-Sequenzierung zu Medizin. Zur Umsetzung des Krebsbekämpfungsplans sieht
verbessern. Darüber hinaus sind 150 Millionen Euro für die Kommission Mittel in Höhe von insgesamt vier Milliarden
Forschung an Virusvarianten vorgesehen, um bestehende Euro über sieben Jahre vor.
Impfstoffe anpassen zu können. Zudem sollen die Regu-
larien geändert werden, um bei der Europäischen Arznei-
Prävention: Deutschland im oberen Bereich
mittel-Agentur (EMA) die Marktzulassung für verbesserte
Impfstoffe zu beschleunigen. Zeitgleich gab die Kommission Wie viel Geld geben die EU-Mitgliedsstaaten für die präven-
bekannt, zusätzliche Verträge mit den Impfstoffherstellern tive Versorgung aus? Um diese Frage zu beantworten, hat
Moderna und BioNTech/Pfizer geschlossen zu haben, die das Europäische Statistikamt Eurostat jetzt Zahlen vorge-
den EU-Mitgliedsstaaten das Recht zum Kauf von insgesamt legt. Laut Eurostat machten die öffentlichen und privaten
bis zu 600 Millionen weiteren Impfstoffdosen garantieren. Ausgaben für präventive Versorgung 2018 im EU-Durch-
schnitt 2,8 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben
aus, wobei die höchsten Anteile in Italien (4,4 Prozent) und
Europäischer Krebsbekämpfungsplan
Finnland (4,0 Prozent) verzeichnet wurden. Deutschland
Die EU-Kommission hat den neuen europäischen Krebsbe- liegt mit einem Anteil von 3,2 Prozent im oberen Bereich.
kämpfungsplan vorgestellt. Er ist eine der zentralen gesund- Den geringsten Anteil an Ausgaben für die Prävention hatten
heitspolitischen Initiativen der amtierenden EU-Kommission die Slowakei (0,8 Prozent), gefolgt von Griechenland, Zypern
unter Ursula von der Leyen. Jährlich erkranken 2,7 Millio- und Malta (alle 1,3 Prozent) sowie Rumänien (1,4 Prozent).
nen Menschen in der EU an Krebs. 1,3 Millionen Patienten Bezogen auf die Bevölkerungsgröße waren die Ausgaben
erliegen der Krankheit. Unter dem Titel „Europas Plan gegen für die Gesundheitsvorsorge 2018 in Schweden (165 Euro
den Krebs“ präsentiert die Kommission ein umfassendes je Einwohner), Finnland (152 Euro), Deutschland (148 Euro)
Konzept von der Krebsprävention über die Behandlung bis und den Niederlanden (146 Euro) am höchsten, während sie
zur Förderung der Lebensqualität von Krebskranken und in Rumänien und der Slowakei (jeweils 8 Euro je Einwohner)
-überlebenden. Für diese Bereiche werden zahlreiche legis- am niedrigsten waren. Zur präventiven Versorgung zäh-
lative und nicht-legislative Maßnahmen seitens der Kom- len Maßnahmen, die darauf abzielen, die Anzahl oder den
mission angekündigt, die in den nächsten Jahren vorgelegt Schweregrad von Verletzungen und Krankheiten zu vermei-
und umgesetzt werden sollen. Dazu gehören Reformen der den oder zu reduzieren.
EU-Gesetzgebung zu Lebens- und Genussmitteln wie Tabak- Dr. Alfred Büttner
Leiter des Brüsseler Büros der BZÄK
produkten und Alkohol sowie verschärfte Grenzwerte zur
Verringerung von Umweltverschmutzung, Schadstoff- und
Strahlenbelastung. Hinzu kommen weitere Vorschläge zur
Verbesserung der Behandlung von Krebserkrankungen und
Initiativen zur Stärkung von Forschung und Innovation in der
EU. Eine weitere Maßnahme ist der Aufbau eines EU-Netz-
werks onkologischer Spitzenzentren. Darüber hinaus sollen
BZB April 2021 11politik KZVB
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Corona und Luca – die Apps sind wie ein
zweieiiges Zwillingspärchen: Viele Ge-
Mit Luca schneller meinsamkeiten bei vielen Unterschieden.
aus dem Lockdown?
Private Tracing-App kann mehr als Spahns Vorzeigeprojekt
Videosprechstunden, elektronische 26 Millionen Downloads ist sie seit ihrem erhöhen, die der Anwendung vertrauen“,
Patientenakte, Gesundheits-Apps auf Rollout Mitte Juni 2020 eine der am wei- sagt Cas Cremers vom CISPA Helmholtz-
Rezept: Eigentlich sollte die Digitali- test verbreiteten Warn-Apps weltweit. Zentrum für Informationssicherheit, der
sierung des deutschen Gesundheits- Mit den regelmäßigen Updates kommen an der konzeptionellen Entwicklung der
wesens Fortschritte machen – doch immer wieder neue Funktionen hinzu. zugrundeliegenden digitalen Kontaktver-
bei den meisten Projekten läuft es Inzwischen wurde die Risikoüberprüfung folgung beteiligt war. Weshalb es offen-
gar nicht rund. verfeinert und erfolgt mehrmals täglich. bar am Vertrauen hapert, ist schwierig
Es gibt ein Kontakttagebuch, Push-Nach- zu sagen.
Ende vergangenen Jahres gab es bereits richten zur Erinnerung, sein Testergebnis An Zweifeln an der Datensicherheit
erste Hochrechnungen, wer zu den Ge- mit anderen zu teilen, die Möglichkeit zur liegt es wohl eher nicht. Die Corona-
winnern und Verlierern der Corona-Krise Datenspende, und auch Besitzer älterer Warn-App unterliegt sehr strengen Da-
zählt. Neben dem Online-Handel und den Smartphones können sie mittlerweile tenschutzbestimmungen, gerade was
Paketauslieferern haben zweifelsfrei digi- einsetzen. Darüber hinaus ist sie mehr- das Contact-tracking, also die Kontakt-
tale Technologien und Geschäftsmodelle sprachig und kann ihre Daten mit den verfolgung angeht. Dies war eine der
einen Anschub bekommen. Nie waren Corona-Apps vieler europäischer Staaten Grundvoraussetzungen bei ihrer Konzep-
digitale Helfer so nachgefragt und nie austauschen. tion. Mittlerweile mehren sich allerdings
wurden sie mancherorts auch bei der Stimmen, die eine Ineffektivität der App
Krisenbewältigung so sehr benötigt. Auch eben aufgrund ihrer hohen Datenschutz-
Maue Durchschlagskraft
für Patienten gibt es nun digitale Gesund- auflagen beklagen. Das räumt inzwischen
heitsanwendungen auf Rezept, Haus- und Dennoch ist ihre Durchschlagskraft nach auch das RKI auf seiner Website ein. Nur
Zahnärzte können Videosprechstunden wie vor eher mau. Vom Start der App die Nutzer selbst erfahren, ob sie gege-
anbieten. Doch obschon die Akzeptanz an bis Anfang März sind laut dem Ro- benenfalls ein Ansteckungsrisiko darstel-
digitaler Lösungen zunimmt, hakt es an bert Koch-Institut (RKI) mehr als 9,6 Millio- len – nicht jedoch die für die Kontaktver-
manchen Stellen noch gewaltig. Zwei nen Testergebnisse übermittelt worden. folgung zuständigen Gesundheitsämter.
Beispiele: Rund 260000 davon waren positiv. Be-
zogen auf die Gesamtzahl der Infektio-
Konkurrenz bereits am Start
nen waren dies nur gute zehn Prozent.
Corona-Apps
„Die Effektivität einer solchen App hängt Angesichts einer möglichen dritten Pande-
Ein hohes technologisches Niveau, hohe zunächst einmal davon ab, wie groß der miewelle kann sich dies bald ändern. Die
Datensicherheit, dafür jedoch Entwick- Teil der Bevölkerung ist, der sie nutzt. Die Konkurrenz im eigenen Land steht jeden-
lungs- und Wartungskosten von bislang höchste Priorität dabei, eine solche App falls schon bereit. Die App mit der höchs-
um die 70 Millionen Euro – an der Corona- besonders effektiv zu machen, sollte also ten Durchschlagskraft heißt Luca. Seit der
Warn-App scheiden sich die Geister. Mit darin liegen, die Anzahl der Menschen zu Präsentation der App Ende Februar bei
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„Anne Will“ durch einen ihrer Initiatoren, phezeite Bundeskanzlerin Angela Merkel Bayern wie auch Bremen sind Vor-
den Rapper Smudo von der Band Die Fan- laut dem „SPIEGEL“. „Das Ganze wird reiter. Im kleinsten wie im flächenmäßig
tastischen Vier, ist das mediale Interesse mit den Gesundheitsämtern verbunden, größten deutschen Bundesland ist SOR-
riesig. „Es muss ja nicht immer alles der sodass wir bundeseinheitlich eine elek- MAS inzwischen aktiv im Einsatz. Bun-
Staat machen“, räumte Kanzleramtsminis- tronische Kontaktnachverfolgung in der desweit liegt aber manches noch im Ar-
ter Helge Braun in der Talkshow ein. Denn Länderkompetenz durchsetzen können.“ gen. Zwar waren rund zwei Drittel aller
Luca kann offenbar das, was die offizielle Dass aber genau dieses noch einige Zeit Gesundheitsämter Anfang März daran
deutsche Corona-Warn-App auch können in Anspruch nehmen wird, liegt laut dem angeschlossen, so das „Ärzteblatt“. Die
sollte – nämlich dazu beitragen, im Falle Nachrichtenmagazin daran, dass die Um- „FAZ“ berichtete sogar von mehr als
eines positiven Testergebnisses Kontakte stellung auf digitale Schnittstellen nur 70 Prozent. Angeschlossen sein bedeu-
und Cluster schneller und zielführender schleppend vorangeht. tet jedoch nicht, dass die Plattform auch
zu recherchieren und die Betroffenen zu genutzt wird. Selbst nach einem Jahr Co-
informieren. rona erfolgt der behördliche Datenaus-
Meilenstein SORMAS?
tausch noch häufig über E-Mail und Fax-
Die browserbasierte Plattform SORMAS, Listen. Dabei hätten laut Beschluss der
Kooperation mit
über die die Gesundheitsämter Corona- Ministerpräsidentenkonferenz bis Ende
Gesundheitsämtern
Infizierte aufstöbern und Infektionsket- des Jahres 2020 schon 90 Prozent der
Luca kooperiert hierfür mit den Gesund- ten durchbrechen sollen, ist ebenfalls Behörden mit dem vom Helmholtz-Zen-
heitsbehörden. Die Entwickler der App, ein solches Beispiel. Ende Februar ver- trum für Infektionsforschung (HZI) ent-
das Berliner Start-up NeXenio GmbH, eine kündete Bayerns Gesundheitsminister wickelten System arbeiten sollen. Ziel war
ehemalige Ausgründung des Potsdamer Klaus Holetschek das Erreichen eines es, Labore, Ämter und das Robert Koch-
Hasso Plattner-Instituts, setzen hier – mit „Meilensteins“ – nämlich, dass endlich Institut besser zu vernetzen und so die
Zustimmung des jeweiligen Nutzers – sämtliche Gesundheitsbehörden in Bay- Kontaktnachverfolgung zu vereinfachen.
auf den direkten Datenaustausch: „Nur ern mit SORMAS ausgestattet seien. „So „Mein Eindruck ist, dass die bisherige Um-
Gesundheitsämter können die in Luca vermeiden wir künftig über die Landes- setzung nur schleppend verläuft“, sagte
gesicherten Daten wieder entschlüsseln grenzen hinweg doppelte Arbeit bei der auch die Patientenbeauftragte der Bun-
und Infektionsketten schnell und lückenlos Erfassung von Kontaktpersonen und desregierung, Prof. Dr. Claudia Schmidtke,
nachverfolgen“, heißt es auf der Website. beschleunigen den Datenfluss an über- im „Ärzteblatt“.
Zwar sind bislang erst um die zehn Prozent geordnete Meldestellen.“ Sukzessive und Inzwischen gibt einen neuen Be-
der rund 400 deutschen Gesundheits- zügig würden nun auch weitere Schnitt- schluss: Am 3. März verständigte sich die
ämter angebunden, weiß der „SPIEGEL“. stellen für die in den Gesundheitsämtern Ministerpräsidentenrunde auf ein bundes-
Doch Luca steht ja noch am Anfang. verwendeten Programme zur Verfügung weit einheitliches, verpflichtendes System
Zu den wesentlichen Anwendungs- gestellt. für die Dokumentation und Digitalisierung
unterschieden zur Corona-App des Bun-
des zählt aber auch: Während dort auf
volle Datenanonymität gesetzt wird, muss
man sich, um Luca überhaupt nutzen zu
können, hier mit seinen korrekten persön-
lichen Kontaktdaten anmelden. Im Grund-
satz wurde die App zur vereinfachten Da-
tenregistrierung bei Veranstaltungen oder
Restaurantbesuchen in der gegenwärtigen
Pandemiephase entwickelt. Das hat nun
den Vorteil, dass keine falschen Namen
oder Telefonnummern vorliegen und sich
im Falle eines positiven Testergebnisses
Kontakte und Cluster schneller und ein-
deutiger nachrecherchieren lassen. Ebenso
wie auch die Corona-Warn-App verspricht
Luca hier eine verschlüsselte und daten-
schutzkonforme Kontaktdatenaufnahme.
„Die Länder werden sich kurzfristig
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für ein solches System entscheiden“, pro-
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der Kontaktverfolgung. Ob per App oder tern, werden die Defizite schonungslos bereits den Finger gehoben haben, ist Eile
anderweitig, lässt der Beschluss offen. offengelegt. Dazu zählen die Nachverfol- geboten. In der Start-up-Initiative „Wir
Doch Voraussetzung hierfür sei eine gung von Infektionsketten, die Informa- für Digitalisierung“ haben sich eine ganze
„hinreichend präzise“ Dokumentation tion potenziell Infizierter oder jetzt die Reihe alternativer Lösungen zusammen-
von Zeit, Ort sowie die Erreichbarkeit Terminvergabe bei der Schutzimpfung. geschlossen, die für eine gemeinsame,
der Kontaktperson. Die Daten sollen dann Zettelwirtschaft, analoge Prozesse und offene Schnittstelle bei den Systemen
per SORMAS von den Gesundheitsämtern hohe Datenschutzhürden sorgen noch der Gesundheitsämter plädieren. An
weiterverarbeitet werden. immer für Verzögerungen, unnötigen diese sollten sich alle existierenden Apps
Mehraufwand und Informationsdefizite.“ und Kontaktdatenerfassungssysteme
Insgesamt zögen die Ärzte rund ein Jahr anschließen können, um ihre Daten zur
Defizite werden offengelegt
nach dem Ausbruch des Coronavirus in Prüfung zu übermitteln.
Deutschlands Ärzteschaft bleibt hinsicht- Deutschland jedoch eine überwiegend Einzelne Bundesländer und Regionen
lich des Einsatzes digitaler Technologien positive Bilanz: Für drei Viertel (74 Pro- gehen mittlerweile einen eigenen Kurs.
im medizinischen Alltag gespalten. Je jün- zent) habe die Pandemie gezeigt, dass das Das Land Mecklenburg-Vorpommern
ger die Ärzte sind, desto aufgeschlossener hiesige Gesundheitssystem insgesamt gut hat beispielweise Luca seit Mitte März im
und optimistischer sind sie, so der Bran- aufgestellt ist. Einsatz. Im Landkreis Osnabrück beste-
chenverband Bitcom. Laut einer Umfrage hen ebenfalls konkrete Pläne und auch in
unter mehr als 500 Ärzten sehen 88 Pro- Thüringen steht man der App sehr positiv
Die Zeit drängt
zent der unter 45-Jährigen die Digitalisie- gegenüber. Wie die „Süddeutsche Zei-
rung als Chance. Dies gilt jedoch nur für Klar ist: Mit Luca kam ein gewisser Druck, tung“ berichtet, prüft inzwischen auch
gut jeden zweiten Arzt (55 Prozent) ab digitale Systeme realen Gegebenheiten der Landkreis München den Einsatz einer
45 Jahren. anzupassen. Auch die Macher der eigenen Corona-Web-App.
Bitkom-Präsident Achim Berg: „Die Bundes-Corona-App, SAP und Telekom, „Ziehen in der deutschen Pandemie-
Corona-Pandemie hat den Gesundheits- suchen bereits nach Möglichkeiten, Bekämpfung Bund, Länder und Unterneh-
sektor vor riesige Herausforderungen eine Kontaktverfolgung zu integrieren – men am selben Strang?“, hieß es hierzu in
gestellt. Während Ärzte und Pflegende ob dies gelingt, ohne die bestehenden einem Kommentar der „Süddeutschen
Höchstleistungen für ihre Patienten er- Datenschutzbestimmungen auszuhebeln, Zeitung“. Antwort: Eher nein.
bringen und immense Belastungen schul- muss sich erst zeigen. Da auch andere Ingrid Scholz
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US-Wissenschaftler führen den Anstieg
der Bruxismus-Fälle auf Corona-bedingten
Stress zurück.
Stressfaktor Corona
Wie sich die Pandemie auf die Zahngesundheit auswirkt
Der Pandemie-Stress hinterlässt „Unsere Umfragen dienen als Baro- ersten Corona-Welle die bayerischen
deutliche Spuren im Gebiss. Das meter für Pandemie-Stress”, sagt Marko Zahnärzte gewarnt. Der Präsident der
haben Wissenschaftler im Auftrag Vujicic, Ph.D., Chefökonom und Vizepräsi- Bayerischen Landeszahnärztekammer
der American Dental Association dent des ADA-Forschungsinstituts Health und Vorsitzende des Vorstands der Kas-
(ADA) herausgefunden. Policy Institute. „Der Anstieg im Laufe der senärztlichen Vereinigung Bayerns, Chris-
Zeit deutet darauf hin, dass stressbedingte tian Berger, geht inzwischen davon aus,
Je länger die Corona-Krise andauert, Symptome seit dem Beginn von Covid-19 dass manche Patienten länger als ein Jahr
desto häufiger treten stressbedingte wesentlich häufiger geworden sind.“ Im nicht beim Zahnarzt waren.
Symptome wie Abrasionen, frakturierte Herbst 2020 hatten knapp 60 Prozent der In einer Presseinformation der KZVB
Zähne, Kiefer- und Kopfschmerzen bei Pa- von der ADA befragten Zahnärzte eine zum „Tag des Zahnschmerzes“ betonte
tienten auf, so das Ergebnis einer Umfrage Zunahme beobachtet. er: „Karies macht keine Pause. Wir ra-
des „Health Policy Institute“ der ADA. An Dieses Phänomen deckt sich mit ten allen Patientinnen und Patienten, die
der Studie beteiligten sich etwa 2 500 US- Erkenntnissen der Bundeszahnärzte- regelmäßige Vorsorgeuntersuchung beim
Zahnärzte. kammer. „Klinische Beobachtungen Zahnarzt durchführen zu lassen. Es wäre
zahlreicher Kolleginnen und Kollegen bedauerlich, wenn sich die Mundgesund-
in Deutschland weisen ebenfalls auf die heit der bayerischen Bevölkerung aufgrund
Bruxismus an der Spitze
deutliche Zunahme von Symptomen der Pandemie dauerhaft verschlechtert.
Den höchsten Anstieg sehen die ame- und Folgen von Bruxismus hin. Es ist Aufgrund des hohen Niveaus unserer
rikanischen Zahnmediziner bei der Prä- zu vermuten und kausal erklärbar, dass Schutz- und Hygienemaßnahmen besteht
valenz von Bruxismus. 71,0 Prozent der der pandemiebedingte Stress der letz- beim Zahnarztbesuch kein erhöhtes In-
Umfrageteilnehmer berichten von einer ten Monate Bruxismus ausgelöst oder fektionsrisiko. Es gibt also keinen Grund,
Zunahme gegenüber der Vor-Corona-Zeit. verstärkt hat – und auch Auswirkungen einen Zahnarztbesuch aufzuschieben.
62,6 Prozent der US-Zahnärzte geben an, auf die Mundgesundheit besitzt“, erklärt Zahnerkrankungen sind nicht nur schmerz-
dass sie im Laufe der Corona-Krise mehr der Vizepräsident der Bundeszahnärzte- haft, sie können auch teuer werden. Wenn
frakturierte Zähne behandeln mussten. kammer, Prof. Dr. Dietmar Oesterreich. Karies und Parodontitis nicht rechtzeitig
63,7 Prozent beobachten einen Anstieg erkannt und behandelt werden, können sie
bei extrahierten Zähnen. Und 62,3 Prozent zu Zahnverlusten führen. Und Zahnersatz
Frühzeitige Warnung
schildern mehr schmerzhafte Beschwer- ist meistens mit einer finanziellen Eigen-
aus Bayern
den der Kaumuskulatur und Kiefergelenke beteiligung des Patienten verbunden.“
sowie Kopfschmerzen bei ihren Patienten Vor den negativen Folgen abgesagter
(„Temporomandibular disorders“). Kontrolltermine hatten bereits nach der Thomas A. Seehuber
BZB April 2021 15politik KZVB
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Abbildung: Wolfilser/stock.adobe.com
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Kommt die Frauenquote
in der Selbstverwaltung?
KZBV spricht sich für eine Frau in den Vorständen aus
Die sogenannte Feminisierung der 43 Prozent der bayerischen Vertrags- Zwar werden drei von acht zahn-
Medizin schreitet voran. Längst zahnärzte waren 2020 Frauen. Spätes- ärztlichen Bezirksverbänden von Frauen
stellen Frauen die Mehrheit unter tens 2025 werden die Männer in der geleitet, der weibliche Anteil in der Voll-
den Studierenden in den Fächern Minderheit sein. Die Weichen dafür sind versammlung der BLZK sowie der Ver-
Human-, Zahn- und Tiermedizin. In bereits gestellt. So waren im Winter- treterversammlung der KZVB ist aber
wenigen Jahren dürften sie auch die semester 2019/2020 zwei Drittel der Stu- gering.
Mehrheit in den Praxen übernehmen. dierenden im Fach Zahnmedizin weib- Im Oktober 2020 hat die AG Frauen-
Ganz anders sieht es dagegen in lich. Und laut einer apoBank-Erhebung förderung der Bundes-KZV ein Gesamt-
den Gremien der Selbstverwaltung haben sich zuletzt zum ersten Mal mehr konzept zur Erhöhung des Frauenanteils
aus. Die Bundes-KZV will das nun Zahnärztinnen als Zahnärzte mit eigener in der Selbstverwaltung vorgelegt. „Nur
ändern – auch weil der Druck aus der Praxis niedergelassen. Doch wo sind die eine Selbstverwaltung, in deren Gremien
Politik wächst. Frauen in der Standespolitik? sich die Vielfalt der Mitglieder widerspie-
Foto: KZVB
BLZK und KZVB tun viel, um Frauen den Weg in die Standespolitik zu ebnen. Ein Beispiel dafür ist die Seminarreihe für den standes-
politischen Nachwuchs. Unser Bild zeigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Tagung in Volkach.
16 BZB April 2021politik KZVB
gelt, kann den Anspruch erheben, für den soll mehr Klarheit über die berufliche Bund, Länder und Kommunen müs-
gesamten Berufsstand zu sprechen“, Situation von Frauen in der Zahnmedi- sen ihren Beitrag dazu leisten, dass
heißt es in der Einleitung des Konzepts, zin bringen. „Es wird immer wieder be- die Vereinbarkeit von Familie und
das von Dr. Ute Maier, Leiterin der AG und hauptet, dass Frauen sich in der Stan- Beruf auch für Zahnärztinnen und
zudem Vorstandsvorsitzende der KZV Ba- despolitik nicht einbringen möchten, Zahnärzte möglich wird.
den-Württemberg, bei der Vertreterver- dass sie sich nicht niederlassen oder nur Christian Berger
sammlung (VV) der Bundes-KZV im ver- bestimmte Fachgebiete wählen“, sagte
gangenen Herbst vorgestellt wurde. Das sie in einem „ZM online“-Interview. Man Frauenanteils in der Selbstverwaltung.
Ziel: Im Vorstand jeder Länder-KZV sowie wolle genauer wissen, wie Zahnärztinnen Der KZVB-Vorsitzende Christian Berger
der Bundes-KZV soll ab der kommenden arbeiten und was sie sich wünschen und sieht darin aber auch eine gesamtgesell-
Legislaturperiode eine Frau vertreten könne dabei auch von anderen Ländern schaftliche Aufgabe. „Wenn Zahnärztin-
sein. Nach der Verabschiedung durch mit einem hohen Frauenanteil lernen. nen in München ein Kita-Platz für ihre
die VV der KZBV ging das „Gesamtkon- Befragt nach ihrer Ansicht zur gefor- Kinder verwehrt wird, weil sie angeblich
zept zur Erhöhung des Frauenanteils in derten Frauenquote in Vorständen (Das zu den Besserverdienern gehören, ist
den Gremien der vertragszahnärztlichen Zweite Führungspositionen-Gesetz ist das schlicht inakzeptabel. Bund, Länder
Selbstverwaltung“ weiter an diverse poli- Anfang Januar 2021 vom Bundeskabinett und Kommunen müssen ihren Beitrag
tische Entscheidungsträger. beschlossen worden.): „Es gibt Länder, dazu leisten, dass die Vereinbarkeit von
Neben Familienfreundlichkeit setzen in denen Quoten nicht notwendig sind, Familie und Beruf auch für Zahnärztin-
Maier und ihre Arbeitsgruppe auf Men- wie zum Beispiel in Estland. In anderen nen und Zahnärzte möglich wird. Das ist
toring-Programme. Erfahrene Standes- Ländern funktionieren die Systeme eine fundamentale Voraussetzung da-
politiker und -politikerinnen würden hier generell anders, dort gibt es teilweise für, dass Frauen in der Lage sind, sich
eine Art Vorbildfunktion wahrnehmen keine Pflichtmitgliedschaften in den neben der Arbeit in der Praxis auch
und könnten motivierend dazu beitra- Standesorganisationen.“ Quoten seien noch standespolitisch zu engagieren“.
gen, „dass Zahnärztinnen ihr Potenzial immer ein schwieriges Thema und die BLZK und KZVB unternehmen viel, um
entwickeln und sich auf die unterschied- Tatsache, dass dies von oben auferlegt Frauen den Weg in die Standespolitik zu
lichsten Aufgaben in der zahnärztlichen werden muss, sei ein Zeichen, dass in ebnen. Netzwerken, Informations- und
Selbstverwaltung vorbereiten.“ der standespolitischen Landschaft Fortbildungsveranstaltungen, eine Se-
Dass dies alles beileibe kein speziell noch nicht angekommen ist, was in den minarreihe für den standespolitischen
deutsches Anliegen ist, weiß auch Dr. Ju- Praxen Realität ist. „Wir sollten Politik Nachwuchs, Coachings, die Berück-
liane von Hoyningen-Huene, Präsiden- authentisch machen für diejenigen, für sichtigung spezifischer Interessen von
tin der Women Dentists Worldwide bei die sie gedacht ist.“ Zahnärztinnen – das findet in Bayern seit
der Féderation Dentaire Internationale Auch in Bayern steht man hinter der Langem statt.
(FDI). Eine weltweit angelegte Umfrage Forderung nach einer Erhöhung des Ingrid Scholz
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Umfrage bestätigt:
Zahnärzte sind Hygiene-Experten
Hohes Hygienebewusstsein – hohe Hygieneerwartungen
Vor dem Hintergrund der Corona-
Quelle: Bundeszahnärztekammer
Pandemie ist das Hygienebewusst-
sein in der Bevölkerung sehr
hoch – und Patienten vertrauen der
Hygiene-Expertise der Zahnärztinnen
und Zahnärzte. Zu diesem Ergebnis
kommt eine aktuelle Umfrage im Auf-
trag der Bundeszahnärztekammer.
Die Umfrage wurde im Zeitraum vom
28. Januar bis zum 4. Februar 2021
unter insgesamt 1 006 Bürgerinnen
und Bürgern ab 18 Jahren in Deutsch-
land über das Online-Panel forsa
Ominet durchgeführt.
Kompetenz und Hygiene-
standards an oberster Stelle
Für 89 Prozent der Befragten ist die
Kompetenz des (zahn-)medizinischen
Personals sehr wichtig. Direkt darauf fol- Am meisten vertrauen die Befragten auf die Hygienemaßnahmen beim Zahnarzt.
gen hohe Hygienestandards: Bei Zahnarzt-
praxen stufen 77 Prozent der Befragten
sie als „sehr wichtig“ ein – mehr als bei Zahnarztpraxen besondere Hygiene- 65 Prozent von besonderen Hygiene-Vor-
Arztpraxen (65 Prozent). maßnahmen getroffen werden (bei Allge- kehrungen aus.
Dieser Trend setzt sich fort: 88 Pro- meinmedizinern sind es 84 Prozent). Bei
zent der Befragten glauben, dass in Krankenhäusern hingegen gehen lediglich
Gemischte Gefühle
beim Zahnarztbesuch
Knapp 90 Prozent der Befrag-
ten geben an, regelmäßig zum
Zahnarzt zu gehen. Dennoch
kommt für 45 Prozent aktuell der
Zahnarztbesuch nur in dringen-
den Fällen infrage. Einen Termin
tatsächlich abgesagt oder ver-
schoben haben aktuell allerdings
nur 16 Prozent. Ebenso wie die
bayerischen Zahnärzte rät auch
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel
davon ab, Zahnarzttermine zu
verschieben.
Der Großteil der Patienten kennt die Hygienevorkehrungen in Zahnarztpraxen. Regina Levenshtein
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