DÜSSELDORF ANGRIFF AUF UNSERE NAHRUNG GENTECHNIK LEBENSRAUM FÜR BUCHE & CO FFH-GEBIETE BUND FÜRS LEBEN BIOTOPVERBUNDSYSTEME - GRÜNSTIFT ...

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Heft 51 / Mai - September 2004

                Das Umwelt- und Fahrradmagazin

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DÜSSELDORF
ANGRIFf Auf unsere nahrung Gentechnik
LEBENSRAUM FÜR buche & CO FFH-Gebiete
BUND FÜRS LEBEN Biotopverbundsysteme
3

Trägervereine des
                                                 Liebe Freundinnen
                                                 und Freunde!
                                                                                            Inhalt
GRÜNSTIFT
           Bund für Umwelt und Naturschutz       Landschaft erhalten, natürliche und        Stadt und Land
           Deutschland                           naturnah kultivierte Landschaftstypen      4    Verkehrsplanung Heerdt:
           Landesverband NRW e.V.                bewahren - damit beschäftigen sich
                                                                                                 Grünes Gegenkonzept
           Kreisgruppe Düsseldorf                mehrere Artikel in dieser GRÜN-
                                                 STIFT-Ausgabe 51.                          4    Worringer Platz: Düssel­­-
           Naturschutzbund Deutschland              Gerade im Frühjahr genießt es wohl           dorfer ,Grün'
           Stadtverband Düsseldorf e.V.          jeder, spazieren zu gehen. Besonders       5    U-Bahnbau: Wehrhahnlinie
                                                 schön ist es der in Urdenbacher Käm-       6    Hochhausrahmenplan: Hoch
           Niemandsland e.V.                     pe oder im Himmelgeister Rheinbo-
                                                 gen. Die abwechslungsreiche, blühen-            hinaus
           Verkehrsclub Deutschland e.V.         de Auenlandschaft mit ihren Wiesen         7    Kiesabbau Elbsee: Schüler-
           Landesverband NRW                     und Weiden, mitten drauf Kopfweiden             protest
           Kreisverband Düsseldorf/Mett-         und Obstbäume und drum herum Hec-
           mann/Neuss                            ken, mit Pappelreihen entlang der We-
                                                 ge und kleinen Waldflecken zwischen-       Umwelt und Natur
           Waldkindergarten                      drin tut uns einfach gut. Dieses Gefühl    9    FFH-Gebiete: Naturschätze
           Düsseldorf e.V.                       will sich nicht so recht einstellen beim
                                                                                                 bewahren
                                                 Anblick der benachbarten großflächi-
                                                 gen und leeren Ackerfluren, auf denen      10   FFH-Beispiele: Buchenwald
                                                 intensiv gewirtschaftet wird.                   und Glatthaferwiese
                                                    Nun, die Urdenbacher Kämpe und          11   Buchtipp: Niederrhein
                                                 Himmelgeist sind Reste alten Bauern-
                                                 landes. Vielseitige Fruchtfolgen, Ver-
                                                                                            12   Biotopverbundsysteme:
                                                 zicht auf Unkrautvernichtungs- und              Grün verbinden
                                                 Schädlingsbekämpfungsmittel, dafür         15   Im Nationalpark Eifel: Wild-
                                                 Anlage von Ackerrainen und Hecken,              katzen
                                                 die Nützlingen Unterschlupf geben –
                                                 solche Methoden werden aber auch
                                                                                            16   In Düsseldorfer Teichen:
                                                 heute noch angewandt: im Bio-Land-              Erdkröten
                                                 bau. (Da wird übrigens auch kein gen-      16   Im Eller Forst: Wespen-
                                                 technisch verändertes Saatgut einge-            spinnen
                                                 setzt, ein weiteres Thema im Heft.)
                                                    Wenn wir solche Landschaften mit        16   Nachgedacht: Stadt- und
                                                 all ihrer Vielfalt an Pflanzen und Tie-         Landleben
                                                 ren und ihrem Reichtum an Formen
                                                 weiter haben wollen, müssen wir aber
                                                 auch die Produkte dieser Landschaft        Verschiedenes
                                                 wollen, d.h. kaufen. Auch wenn sie         18   Gentechnik: Gegenwehr von
Impressum                                        nicht so billig sind wie die Produkte           Landwirten und Verbrauchern
Herausgeber: Spendenkonto: Redaktion: Kon-       der Agrarindustrie. Da sind nicht nur      20   Veranstaltungstipps: Aus-
takt: Anzeigen: Druckvorstufe: Druck: Auflage:   die Landwirte, sondern auch wir als
Erscheinungsdaten:Redaktionsschluss Zu den       Konsumenten in der Verantwortung.               flüge aufs Land, Fahrradsaison,
Artikeln: Nachdruck Titelbild: Allen
                            Au-                  Da müssen wir unsere Schnäppchen-               Ausstellung...
toren und Fotografen gilt ein                    jäger-Instinkte überwinden und unser       8    GRÜNSTIFT
                                                 Kaufverhalten von unserem Wissen
herzlicher Dank für ihre Beiträ-                 und unseren Sinnen leiten lassen – ja,
ge!                                              auch von unserer Genussfähigkeit.          Neues aus den Vereinen
                                                 Denn: diese Landschaft schmeckt!           22   BUND
                                                    Die Themen Landwirtschaft und           23   VCD
                                                 Ernährung sollen einen festen Platz im
                                                 GRÜNSTIFT bekommen. Da passt es            24   NABU, NAJU
                                                 gut, dass wir ein neues Mitglied in der    26   Niemandsland
                                                 Redaktionsgemeinschaft haben: Das          27   Waldkindergarten
                                                 Niemandsland, das uns Städtern das         28   Umwelt-Zentrum,
                                                 Land wieder nahe bringen will. Neu
                                                 ab dieser Ausgabe ist auch eine Seite           Umweltforum
                                                 der Biologischen Station Urdenbacher       29   Biologische Station UK
                                                 Kämpe, die ja mit der Pflege nicht nur
                                                 von Natur-, sondern auch von Kultur-
                                                 landschaft betraut ist. Der GRÜN-          30 Termine
                                                 STIFT wird also noch vielseitiger in-
                                                 formieren können, meint
                                                                          die Redaktion    31 Adressen
4   STADT UND LAND

    ,Grüne Mitte‘ statt                                                                                 lose Erschließungskosten für die neuen
                                                                                                        Anlieger würden eingespart. Der gesamte
                                                                                                        Umraum erführe eine Verbesserung und

    Verkehrsachse
                                                                                                        würde der geplanten Wohnbebauung auf
                                                                                                        dem Allianz-Gelände erst eine angemesse-
                                                                                                        ne Qualität geben.
                                                                                                           Dieses Konzept nutzt allen unmittelbar
                                                                                                        Beteiligten und hat mittlerweile die Zu-
    Linksrheinische Bürger setzen sich für einen                                                        stimmung und Unterstützung der linksrhei-
    Grüngürtel ein als Alternative zu weiteren                                                          nischen Initiativen und Bürgervereine ge-
                                                                                                        funden. Beteiligt sind neben der Interes-
    Stadtautobahnen in ihrem Viertel                                                                    sengemeinschaft Viersener Straße/Neu-
                                                                                                        werker Straße und der Bürgerinitiative für
                                                                                                        die Grüne Mitte die Architektengruppe des
                                                                                                        Verkehrs- und Verschönerungsvereins
                                                                                                        linksrheinisch, die Bürgervereine Heerdt
                                                                                                        und Lörick und das Ökotop Heerdt. Auch
                                                                                                        die Ratsfraktionen von SPD und B‘90/Grü-
                                                                                                        ne haben sich mittlerweile dieser Planung
                                                                                                        angeschlossen.
                                                                                                           Es gilt jetzt, die städtischen Planungs-
                                                                                                        gremien von ihrer Befangenheit in die
                                                                                                        selbstprognostizierten Zahlen zu befreien
                                                                                                        und gemeinsam eine Lösung zu finden, die
                                                                                                        Anwohnern, Beschäftigten und Investoren
                                                                                                        der neuen Bürostandorte einen optimalen
                                                                                                        Lebens- und Arbeitsraum bietet.
                                                                           Grafiken: B.I. Grüne Mitte      Weitere Infos über die ,Grüne Mitte’ im
                                                                                                        Internet unter www.gruenemitte.org
    In der Ausschreibung zum Werkstattver-          bahn von der Luegallee bis zum Neusser                                        Clemens Stupperich
    fahren für das ehemalige Gatzweiler Ge-         Willy-Brandt-Ring die Verkehrsströme
    lände und angrenzender Flächen in Düssel-       leiten. Auf einer Breite von 350 m würden
    dorf Heerdt / Oberkassel war noch aus dem       dann 18 (!) Spuren für eine ungehinderte
    Munde von OB Erwin von der Rücksicht            und autobahnschnelle Zufahrt nach Ober-
    auf die „nachbarschaftlichen Belange der
    Viersener und Neuwerker Straße“ und vom
                                                    kassel sorgen.
                                                       Die Neuplanungen werden mit den Neu-             Es grünt so
    Schutz vor den „unhaltbaren Lärm­
    emissionen“ die Rede. Später bei der Vor-
    stellung des Verkehrskonzepts war das al-
                                                    ansiedlungen von Büros auf dem Gatzwei-
                                                    ler-Gelände, dem Allianz-Grundstück an
                                                    der Hansa Allee und dem Gelände hinter
                                                                                                        grün...
    les vergessen. Nur mühsam und in Bruch-         dem ehemaligen Oberkasseler Bahnhof be-             z.B. auf dem Worringer Platz
    stücken ließ sich bei dem Termin der Bür-       gründet. Alle neuen Standorte sind aber mit
    gerbeteiligung so etwas wie ein Konzept         den bestehenden Ressourcen oder mit kur-
    aus den Planern des Amts für Verkehrsma-        zen Stichstraßen anzubinden. Die Neupla-            Düsseldorfer Realsatire: Der Worringer
    nagement herausziehen.                          nung bringt dagegen für fast alle Verkehrs-         Platz soll grün werden. Und das sind die
                                                    teilnehmer erheblich größere Entfernun-             Ideen des beauftragten Planungsbüros: Der
    Leben wie auf einer                             gen mit sich.                                       Platz bekommt eine grüne Betonoberfläche
    Verkehrsinsel                                                                                       und mitten drauf einen Pylon, der nachts
                                                    Aufwertung durch einen Grün-                        mit grünem Licht angestrahlt wird! Dazu
    Es geht um das Heerdter Dreieck, ein von        gürtel                                              gibt es noch Bilder einer grünenWiese mit
    allen ungeliebtes Verkehrsfossil am westli-                                                         Hirschen drauf, als Lichtspiele an eine
    chen Eingang von Düsseldorf. Das wird           Die Interessengemeinschaft Viersener                Hauswand projeziert.
    nun zu einem riesigen Verkehrsmonstrum          Straße/Neuwerker Straße hat ein Konzept               Das erinnert doch fatal an den Science
    aufgeblasen: durch die Planung einer vier-      entwickelt, dass eine sinnvolle und zu-             Fiction Film ,Soylent Green‘. In einer un-
    spurigen Basisstraße mit Anbindung über         kunftsorientierte Verkehrsführung vor-              wirtlichen Zukunft – das letzte Stückchen
    den Heerdter Lohweg an den noch zu              sieht. Kern dieser Planung ist eine ,Grüne          Natur ist schon längst verschwunden – ist
    schaffenden Vollanschluss an die B7.            Mitte‘, ein bepflanzter Streifen zwischen           auch für die über 70jährigen kein Platz und
       Quasi-Autobahnen werden die Viersener        Viersener Straße und Prinzenpark. Er wür-           keine Nahrung mehr da. Als letzte Gunst
    und Neuwerker Straße vollständig isolie-        de ein wichtiges Glied in der Kette von             vor seinem verordneten Tod darf sich Ed-
    ren – beides Straßen, die in Stil und Bauge-    Grünflächen bilden, die als (einzige!) öko-         ward G. Robinson einen Naturfilm anse-
    schichte vergleichbar mit den Jugendstil-       logische Achse transversal durch die Ober-          hen, der die Erde zeigt, wie sie in seiner
    Straßen Oberkassels sind und ein außerge-       kasseler Halbinsel verläuft. Um so wichti-          Jugend noch war. Zu schwelgerischen Auf-
    wöhnliches Sozial- und Vereinsleben ha-         ger, als das linksrheinische Düsseldorf im          nahmen von Wäldern, Wiesen und Rehen
    ben. Die Bewohner finden sich in einem          Hinblick auf Park- und Grünflächen unbe-            erklingt die Pastorale von Beethoven.
    allseitigen Verkehrstumult wieder, auf dem      stritten unterversorgt ist.                           Ja, das wäre doch auch noch eine Idee für
    der größte Teil des linksrheinischen Ver-          Diese Konzeption bietet eine wirkliche           den Worringer Platz: Musik gegen den
    kehrs im Kreise fährt.                          städtebauliche Komponente, da alle                  Straßenlärm. Vielleicht treibt‘s den Pas-
       Mittelfristig soll die Basisstraße weiter-   Grundstücke – auch die der neuen Büro-              santen dann – wie im Film Charlton Heston
    geführt werden und als zweite Stadtauto-        parkprojekte – aufgewertet würden. Sinn-            – auch Tränen in die Augen. LW
STADT UND LAND             5

Wehrhahnlinie vor                                                                              Bahn-Bau: Der Unterhalt für Tunnel und
                                                                                               Bahnhöfe ist teuer, größere Bahnen können
                                                                                               nicht eingesetzt werden, und Wendemög-

dem Aus!?
                                                                                               lichkeiten wird es im Tunnel nicht geben,
                                                                                               während heute die Straßenbahnen noch am
                                                                                               Jan-Wellem-Platz, an der Benrather Straße,
                                                                                               am Graf-Adolf-Platz und am Kirchplatz
                                                                                               drehen können.
Teuer in Bau und Unterhalt, nachteilig für die                                                    Um tatsächlich Zuschüsse zu erhalten,
Fahrgäste – nichts spricht für diese U-Bahn                                                    muss die Stadt Düsseldorf nachweisen,
                                                                                               dass das Projekt volkswirtschaftlich sinn-
                                                                                               voll ist – durch Vorlage einer sogenannten
Recht konkrete Planungen, die Straßen-                                                         „Standardisierten Bewertung“. Ein solches
bahnen auf der sogenannten Wehrhahnlinie                                                       Gutachten wird zur Zeit im Auftrag der
in einen U-Bahn-Tunnel zu legen, gab es in                                                     Stadt erarbeitet und soll bis zum Sommer
Düsseldorf bereits in den 1970er und 80er                                                      wohl vorliegen – leider aber wahrschein-
Jahren. Die damals und auch aktuell noch                                                       lich nicht veröffentlicht werden. Aufgrund
vorgesehene Trasse verläuft entlang der                                                        der oben dargestellten Argumente ist aber
heutigen Linienwege der Linien 703, 712                                                        davon auszugehen, dass dann die U-Bahn-
und 713 von der Grafenberger Allee über                                                        Planungen für die Wehrhahnlinie endgültig
den Jan-Wellem-Platz bis nach Bilk, wobei                                                      beerdigt werden müssen.
die Tunnelenden, an denen die Bahnen                                                              Für das ÖPNV-System in Düsseldorf
über Rampen an die Oberfläche fahren sol-                                                      wäre das sicher positiv, nicht nur weil die
len, ursprünglich in Höhe des Arbeitsamt-                                                      U-Bahn mehr Nachteile als Vorteile für die
Neubaus und der Uni-Kliniken geplant          Breite Straße: Genug Platz für die Straßen-      Fahrgäste mit sich bringen würde, sondern
waren.                                        bahn                           Foto: I.Tönjes   auch, weil hoffentlich effektive Möglich-
   Nachdem zunächst aber – auch auf                                                            keiten zur Verbesserung des öffentlichen
Druck der Zuschussgeber Land und Bund                                                          Personennahverkehrs wieder stärkeres Ge-
– die Nord-Süd-Strecke in mehreren Ab-                                                         wicht bekommen. Vorschläge des VCD
schnitten als U-Bahn-Tunnel gebaut wur-                                                        dazu gibt es*. Bedauerlich bleibt, dass
de, schien es in den 1990er Jahren so, als                                                     zweistellige Millionenbeträge bereits für
wären die Planungen für die Wehrhahnlinie                                                      die U-Bahn-Planungen verschwendet wur-
in der untersten Schublade verschwunden.                                                       den. Sinnvolle andere Maßnahmen wurden
Das Geld in den öffentlichen Kassen wurde                                                      wegen deshalb zurückgestellt, beispiels-
knapper, und SPD und Grüne waren sich                                                          weise Beschleunigungsmaßnahmen und
einig, dass zumindest auf absehbare Zeit                                                       qualitative Verbesserungen an weiteren
weiterer U-Bahn-Bau nicht sinnvoll sei.       Strasbourg: Moderne Stadtbahn mitten in der      Haltestellen durch behindertengerechten
   Eine überraschende Wende gab es 1999:      City                          Foto: I.Tönjes    Ausbau und Ausstattung mit elektroni-
Eine breite Mehrheit im Stadtrat – beste-                                                      schen Abfahrtsanzeigen.
hend aus CDU, FDP und auch der SPD –          und in der Lage seien, eine derartige Erhö-         *Der VCD Düsseldorf/Mettmann/Neuss
beschloss, die Planungen wieder aufzuneh-     hung des ursprünglich vorgesehenen Ko-           schickt sein Nahverkehrskonzept auf An-
men. Der Versuch von VCD, Umweltfo-           stenrahmens mit zu tragen, beschloss der         frage gerne zu. Weiterführende Informatio-
rum und Grünen, über ein Bürgerbegehren       Stadtrat, den Tunnel nur noch zwischen           nen sind auch im Internet zu finden.
das Projekt zu Fall zu bringen, scheiterte.   den S-Bahnhöfen Bilk und Wehrhahn wei-           (Adressen s. S. 23)            Jost Schmiedel
Auf Antrag der Stadt Düsseldorf nahmen        ter zu planen – unter Verzicht auf ca. 20 %
Bund und Land die Wehrhahnlinie in ihre       der Tunnelstrecke und auf drei von zuvor           Unsere Alternative
jeweiligen ÖPNV-Förderprogramme auf –         neun vorgesehenen U-Bahnhöfen. Für
mit einem vorgesehenen Kostenrahmen für       rund 380 Mio.Euro soll dieses Stück nach           zur Wehrhahnlinie
den U-Bahn-Bau von rund 350 Mio.Euro.         Aussagen der städtischen Planer zu reali-          • Flächendeckende Verbesserungen
   Obwohl die Stadt nur gut 10 % der Ko-      sieren sein – also 40-50 % weniger als für         im        Netz statt 350 Mio. Euro für
sten selbst übernehmen will, plante man in    die längere Strecke kalkuliert.                    die 		              Wehrhahnlinie:
Düsseldorf unter dem Oberbürgermeister           Nach den aktuellen Plänen würde sich            • bessere Ampelschaltungen,
Joachim Erwin und mit Zustimmung einer        die Fahrzeit zur Haltestelle Heinrich-Hei-         • behindertengerechte und komforta-
klaren Mehrheit im Stadtrat weitaus groß-     ne-Allee / Altstadt aus anderen Teilen der           blere Haltestellen,
zügiger. Im März 2003 wurden die damals       Stadt um höchstens drei Minuten verkür-            • Abfahrtsanzeigen an allen wichti-
aktuellen Pläne der Öffentlichkeit vorge-     zen. Um tatsächlich zur Altstadt zu gelan-         gen       Haltestellen; auch spezielle
stellt: Für den Bau einer Tunnelstrecke       gen, müssten die Fahrgäste sich aber noch          Verbes-		           serungen auf der
vom Hennekamp bis zur Uhlandstraße /          vom U-Bahnsteig im dritten Untergeschoss           Wehrhahnstrecke, 		          z.B.:
S-Bahnhof Wehrhahn kalkulierte die Ver-       nach oben bewegen – womit auch für                 • Umwandlung der Schadowstraße
waltung Kosten von rund 750 Mio.Euro –        Nicht-Mobilitätsbehinderte der Zeitge-             zur       Fußgängerzone plus Stra-
also weit mehr als das Doppelte dessen,       winn schon wieder ausgeglichen würde.              ßenbahn 		          mit zusätzlicher
was die Zuschussgeber einkalkuliert hat-      Für andere Fahrgäste, die bisher mit den           Haltestelle Bleich-		        straße für
ten. Die Verwaltung schätzte gleichzeitig,    Linien 706 oder 715 zur Altstadt fahren,           kurze Wege,
dass man über verschiedene Einsparungs-       sähe die Bilanz wesentlich schlechter aus,         • Ausbau der Haltestelle Jacobistraße
möglichkeiten die Kosten auf etwa 650         da diese Bahnen in Zukunft gar nicht mehr            zu einer Premium-Haltestelle,
Mio.Euro drücken könnte.                      zur Altstadt fahren sollen.                        • eigene Fahrspur auf der Friedrichstr.,
   Nachdem Bund und Land deutlich ge-            Auch betriebliche Gründe bei der Rhein-         • Umbau der Haltestelle Karolinger
macht hatten, dass sie keinesfalls bereit     bahn sprechen sicher nicht für den U-
6   STADT UND LAND

    Hoch
    hinaus
    (Nicht) überall
    neue Hochhäuser -
    das Hochhauskonzept
    der Stadt Düsseldorf

    Düsseldorf wird in den nächsten Jahren
    wieder einen deutlichen Hochhaus-Boom
    erleben. Im Hafen, am Handelszentrum, an
    den Einfallsstraßen werden derzeit Hoch-
    häuser geplant und gebaut. Die Stadt will
    den Bau neuer Hochhäuser durch einen
    Rahmenplan steuern. Welche Auswirkun-
    gen wird dieses Hochhauskonzept haben?
       In den Jahren 1922 bis 1924 entstand in
    Düsseldorf das erste Hochhaus Deutsch-
    lands – das Wilhelm-Marx-Haus. Mit sei-
    nen 57 m Höhe wirkt es heutzutage klein
    und bescheiden, verglichen mit den später
    gebauten ,Wolkenkratzern’.
       Das derzeit höchste Haus in Düsseldorf
    ist das Gebäude der ARAG-Hauptverwal-
    tung mit 125 m. Nur der Rheinturm ist
    noch deutlich höher.
       Hochhäuser entstanden meist dann in
    großer Zahl, wenn die wirtschaftliche Lage
    schlecht war. Hochhäuser als Krisenbaro-
    meter: In der Inflationszeit der frühen 20er
    Jahre des vergangenen Jahrhunderts gras-
    sierte in Deutschland das Hochhausfieber.
       Offensichtlich schlägt sich die derzeitige
    wirtschaftliche Schwäche in Europa wie-
    der in einem starken Wunsch nach Hoch-
    häusern nieder. Wien, Zürich, München,
    Köln und jetzt auch Düsseldorf verlangen
    nach einem Hochhauskonzept. In der Hoff-
    nung, die Investoren würden Schlange ste-
    hen, werden Rahmenbedingungen für den
    Bau neuer Hochhäuser definiert. Ganz of-
    fensichtlich verspricht das Hochhaus – an-
    ders als man es vielleicht nach dem 11.
    September vermuten würde – Hoffnung             Städtebaulicher ,Akzent’                                             Foto: Lika Weingarten
    auf die Zukunft, auf Aufschwung und
    Trost.                                          oder in Zonen mit überwiegender Büronut-      schen und stadtplanerischen Einbindung
       Der Ausschuss für Planung und Stadt-         zung die uneingeschränkte Hochhausent-        im Umfeld.
    entwicklung der Stadt Düsseldorf hat im         wicklung ermöglicht werden                       Hochhäuser können ganz unterschiedli-
    Januar 2004 den Entwurf des Rahmenplans            Das Düsseldorfer Hochhauskonzept soll      che Auswirkungen auf das städtische Um-
    ,Hochhausentwicklung in Düsseldorf' be-         „einen Ausgleich zwischen Investorenin-       feld und die Umwelt haben. Durch ihre
    schlossen. Dieser Rahmenplan definiert          teressen und den Zielsetzungen einer die      Höhe werfen sie lange Schatten, die zu
    Gebiete, die von Hochhausbebauung frei          Lebensqualität sichernden sowie von mög-      starken Beeinträchtigungen von angren-
    zu halten sind, Flächen, auf denen Hoch-        lichst breiter Akzeptanz geprägten Stadt-     zenden Häusern führen, während sich die
    häuser mit Einschränkungen gebaut wer-          entwicklung herstellen”. Zu diesem Zweck      stadtklimatischen Bedingungen durch eine
    den können und Bereiche, in denen unein-        wurde ein Prüfkatalog aufgestellt, der als    Beeinflussung der Windverhältnisse ver-
    geschränkt gebaut werden kann.                  Entscheidungsgrundlage für Verwaltung         schlechtern können.
       Der historische Stadtkern, die Rhein-        und Politik dienen soll. Neben einer Be-         Keinesfalls zu vernachlässigen ist das
    fronten, Bereiche mit Denkmalschutzsat-         schreibung des Projekts verlangt dieser       deutlich erhöhte Verkehrsaufkommen, das
    zungen oder Wohngebiete scheiden als            Prüfkatalog Angaben zu Standortvoraus-        durch die starke Konzentration von Gewer-
    Standorte für Hochhäuser aus. Dagegen           setzungen, eine Darstellung der gestalteri-   be- oder Wohnraum ausgelöst wird. Und
    soll im Umfeld von ÖPNV-Schwerpunkten
STADT UND LAND                7
nicht zuletzt erfordern Hochhäuser große
Abstandsflächen, was das gerne genannte
Argument der Flächen schonenden Bebau-
ung wieder relativiert. Wie gehen andere
Städte mit diesen potenziellen Beeinträch-
tigungen um?
   Nachdem in Wien in den 90er Jahren na-
hezu ohne Konzept Hochhäuser gebaut
wurden, erarbeitete auch dort die Stadtver-
waltung im Jahr 2002 ein Hochhauskon-
zept. Investoren müssen durch ein Gutach-
ten die Erfüllung eines zehn Punkte umfas-                                   Foto: Lika Weingarten                          Foto: Zerrin Aydin-Herwegh
senden Kriterienkatalogs nachweisen.
   Hierunter fällt z.B. die Vorgabe, dass der
motorisierte Individualverkehr maximal
25 % des gesamten Zubringerverkehrs be-
tragen darf – notfalls muss dies über eine
                                                   Bio-Unterricht am
Stellplatzregulierung erfüllt werden. Für
die Beschattung angrenzender Flächen
sind klare Grenzen gesetzt: bei mittlerem
                                                   Dreiecksweiher
Sonnenstand (21. März) dürfen Fenster be-
nachbarter Gebäude nicht länger als
                                                   Für den 12er Bio-Grundkurs der Gesamtschule
2 Stunden beschattet sein. Außerdem ist es         Kikweg fand der Unterricht draußen statt:
erklärtes Ziel, die deutliche Verbesserung
des umgebenden Freiraums durch das Pro-            Thema war das gefährdete Naturschutzgebiet
jekt mitfinanzieren zu lassen.
   Viele weitere Kriterien sind aber ausge-
sprochen schwammig formuliert, wie ”po-            Die Elbsee Kieswerk Düsseldorf GmbH               tikerin mal gesagt haben soll: „In höch-
sitive Beziehung zum Umfeld” oder ”stadt-          plant, zusammen mit der Stadt Düsseldorf,         stens zehn Jahren kommen die Tiere doch
strukturelle Verträglichkeit”. Anforderun-         eine 600x200 Meter große Waldfläche des           wieder“. Da ging Gelächter durch die Run-
gen an ein Hochhaus bleiben ohne konkre-           Naturschutzgebiets abzuholzen, um Kies            de der Schüler.
te     Maßzahlen        und      Grenzwerte        abzubauen. Der Kieswert wird auf etwa 25             Für jeden ist klar geworden, dass ein Na-
Interpretationssache. Aus diesem Grund             Millionen Euro geschätzt. Ab 2012 soll            turschutzgebiet nicht nur ein Wald ist. Hier
stößt das Wiener Hochhauskonzept auch              dann ein Biotop mit Flachwasserzonen und          muss man der Ökologie den Vorrang vor
auf deutliche Kritik.                              Inseln geschaffen werden (Infos aus               der Ökonomie geben. Aktionen (u.a. Pro-
   Der Düsseldorfer Rahmenplan bleibt              GRÜNSTIFT Heft 46).                               testbrief an Oberbürgermeister Erwin, In-
selbst hinter den Wiener Vorgaben weit zu-            Der Fall Elbsee kam dem Bio-Kurs wie           formationen an die Parteien) gegen die
rück: hier vermisst man Maßzahlen und              gerufen. Die aktuellen Unterrichtsthemen          Abholzung sind in Planung bzw. wurden
Grenzwerte gänzlich. Einzig die Zonierung          befassten sich gerade mit der Frage ,Öko-         schon durchgeführt.
für die Hochhausbebauung ist klar abge-            logie oder Ökonomie?’                                             Daniel Wittke (Schüler GE Kikweg)
grenzt.                                               Am 5.Februar trafen sich dann die 22
   Mögliche Auswirkungen auf das Umfeld            Schüler und Schülerinnen und Lehrer M.
der künftigen Hochhäuser, Beschattung,             Wilfert mit den Naturschützern E.Steller,             Aus dem offenen Brief
klimatische Auswirkungen, Verkehrser-              A.Leisten, G.Steinert und R.Kremer und
schließung, soziale Auswirkungen – all             einigen Herren der lokalen Presse. Herr               an Oberbürgermeister
dies bleibt der Interpretation und Abwä-           Steller schilderte das Vorhaben der Kies-             J.Erwin:
gung von Politik und Stadtplanung über-            werk Düsseldorf GmbH in Kooperation
lassen.                                            mit der Stadt, die Situation aus der wirt-            ...(Informationen und der Besuch des
   Das Düsseldorfer Hochhauskonzept                schaftlichen Sicht und schließlich auch die           Gebietes) führten bei uns übereinstim-
kann sich leicht als Selbstbedienungsladen         Sicht der Naturschützer. Er berichtete, dass          mend zu der Ansicht, dass der Verlust
für Investoren herausstellen, zu Lasten ei-        das Kieswerk und auch die Stadt vom Erlös             des geschützten Areals zugunsten eines
ner die Lebensqualität sichernden Stadt-           profitiere. Es würden auch einige Arbeits-            – sicher profitablen – Kiesabbaus nicht
entwicklung.                                       plätze neu geschaffen. Außerdem würde                 hinnehmbar ist. Wir protestieren ent-
   Am Graf-Adolf-Platz wird bereits kräf-          nach Beendigung der Ausbaggerungen ein                schieden gegen dieses Vorhaben, das
tig in die Höhe gebaut, für 15 Hoch-               neuer Biotop entstehen. Aus wirtschaftli-             offenbar zum erstenmal in NRW dazu
hausprojekte besteht Baurecht und das              cher Sicht wird der Naturschutz „nur mal              führen würde, dass ein anerkanntes Na-
ARAG-Hochhaus wird bald vom Interna-               kurz aufgehoben“. Dass das Gebiet aber                turschutzgebiet aufgegeben wird.
tionalen Handelszentrum übertrumpft wer-           ein Lebensraum vieler Vögel und Pflanzen                 (Wir haben) sehr sorgfältig alle uns
den. Durch das neue Hochhauskonzept ist            ist, schilderte Herr Steller sehr deutlich.           bekannten Aspekte des Vorhabens an-
das Ende der Hochhausentwicklung in                   „Dieses Gebiet soll es bald nicht mehr             gesprochen und diskutiert. ...Nach un-
Düsseldorf nicht in Sicht.                         geben“, so die Worte der Schützer. Es sei             serem jetzigen Kenntnisstand müssen
   Um das hohe Ziel der Erhaltung der Le-          nicht nur das vorläufige Endes des Natur-             wir aber mit aller Deutlichkeit formu-
bensqualität, wie sie im Rahmenplan for-           schutzgebiets selbst, sondern auch eine               lieren: Die Aufgabe des Naturschutz-
muliert ist, zu erfüllen, sind klare Rahmen-       Bedrohung für den angrenzenden Wald.                  gebietes Dreiecksweiher und der dort
bedingungen festzulegen, die keinen inter-         Viele Bodenpflanzen seien nicht mehr vom              geplante Kiesabbau sind für uns kata-
pretatorischen Spielraum lassen. Dann              Wald geschützt. Die Unruhe würde auch                 strophale Fehler, die auch uns und un-
können Hochhäuser neue Chancen für die             Tiere, die sich eingelebt haben, verjagen.            sere Zukunft negativ betreffen.
Stadtentwicklung bieten.          Michael Süßer   Ein Naturschützer erklärte, dass eine Poli-
8
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                                GRÜNSTIFT
                           Annahme von Artikeln
                              und Anzeigen
                           Annahmeschluss ist der 15.07.2004

              Wir machen darauf aufmerksam, dass der Redaktionsschluss
              lediglich der letzte Abgabetermin ist, Artikel usw. können auch
              viel früher eingereicht werden.
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              ren.
                                   GRÜNSTIFT-Redaktion
                                    im Umwelt-Zentrum
                                    Merowingerstraße 88
                                       40255 Düsseldorf

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UMWELT UND NATUR                 9

Naturschätze in Düsseldorf
Auch die Landeshauptstadt besitzt Gebiete mit FFH-Status. Für diese
wertvollen Lebensräume tragen wir eine europaweite Verantwortung.

Trotz der hohen Bevölkerungsdichte gibt                                                                         geführten Maßnahmen in ei-
es in Nordrhein-Westfalen europaweit                                                                            nem regel­mäßigen Abstand
bedeu­tende Rückzugsgebiete gefährdeter                                                                         von sechs Jahren vor. Dazu
Pflanzen und Tiere. Beispiele für diese na-                                                                     wurde ein Biomonitoring
türlichen, naturnahen oder kulturgeprägten                                                                      einge­führt, mit dem die Ent-
Lebensräume gibt es auch im Düsseldorfer                                                                        wicklung und der Erhal-
Raum.                                                                                                           tungszustand der Lebensräu-
                                                                                                                me und der Arten dokumen-
Die Fauna-Flora-Habitat-                                                                                        tiert werden und – soweit
Richtlinie                                                                                                      notwendig – Verbesserungs­­
                                                                                                                maß-­nahmen für die Zukunft
Um solche Gebiete europaweit zu schüt-                                                                          vorge­schlagen werden.
zen, wurde 1992 von der EU die Fauna-                                                                              Die fachliche Koordi­
Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie beschlos-                                                                        nation obliegt der Landesan-
sen. Bis zum Jahr 2004 soll ein zusammen-                                                                       stalt für Ökologie, Boden
hängendes Netzwerk aus FFH-Gebieten                                                                             und Forsten (LÖBF). Am
und EG-Vogelschutz­gebieten unter dem                                                                           Biomonitoring sind insbe-
Namen NATURA 2000 eingerichtet wer-                                                                             sondere die Unteren Land-
den. Dadurch soll ein grenzübergreifender                                                                       schaftsbehörden, die Forst-
Biotopverbund entstehen, der europaweit                                                                         behörden und die Biologi-
gefährdete Arten und Lebensräume schüt-                                                                         schen Stationen beteiligt.
zen soll – und das auf einheitlicher Geset-
zesgrundlage und dauerhaft.                                                                                     FFH-Gebiete in
  Bereits 2001 wurden dafür aus NRW 490                                                                         Düsseldorf
FFH-Gebiete und 15 EG-Vogelschutzge-
biete an die Europäische Kommission                                                                           Auf dem Gebiet der Stadt
gemel­det. Es handelt sich überwiegend um                                                                     Düsseldorf gibt es vier FFH-
bestehende Naturschutzgebiete, aber auch                                                                      Gebiete: Im Norden das
um bislang nicht geschützte Gebiete.                                                                          Waldgebiet Überanger Mark,
  Damit die Schutzziele der NATURA            Im Rotthäuser Bachtal                    Foto: Norbert Richarz im Osten Rott­     häuser und
2000 bei allen vorgesehenen Eingriffen                                                                        Morper Bachtal, im Süden
und potentiellen Beeinträch­tigungen be-      ischen Naturschutzes übereinstimmen. Sie                        Urdenbach - Kirberger Loch
rücksichtigt werden können, müssen die        werden in einer speziellen FFH-Umwelt- – Zonser Grind und im Westen Rhein-
Gebiete bis zum Jahr 2004 als Naturschutz-    verträglichkeitsprüfung (UVP) abge- Fischschutzzonen zwischen Emmerich
gebiet ausgewiesen werden.                    schätzt. Im Vergleich zu UVPs bei Planun- und Bad Honnef. Die Flächen reichen alle
  Ergänzt werden diese Festsetzungen          gen, die sonstige, ,normale‘ Naturschutz- über den Stadtbezirk hinaus, denn die Aus-
durch Pflege- und Entwicklungsmaßnah-         gebiete betreffen, darf im Fall der FFH- weisung von FFH-Gebieten erfolgte unab-
men (PEPL) und durch besondere Förder-        UVP kein Abwägen aller Belange hängig von Stadt- oder Kreisgrenzen.
projekte. Ebenfalls wichtig sind vertragli-   untereinander erfolgen. Vorhaben, die              Die Überanger Mark muss noch als Na-
che Vereinbarungen mit den Flächennut-        abseh­bar negative Auswirkungen auf die turschutzgebiet ausgewiesen werden. Das
zern. Sie sollen zu einer FFH-gerechten       zu schützenden Arten oder Lebensräume Rotthäuser Bachtal und die Urdenbacher
Bewirtschaftung verpflichtet werden.          haben, sind nicht zuzulassen.                   Kämpe sind bereits als Naturschutzgebiet
                                                 Nun können aber z.B. für ein Straßen- geschützt; dort müssen in vielen Fällen die
Verschlechterungsverbot                       bauprojekt Gründe des überwie­genden öf- Schutzziele und Maßnahmen den FFH-
                                              fentlichen Interesses oder fehlender Alter- Richtlinien angepasst werden. Dafür zu-
Für die Lebensräume mit ihren Pflanzen-       nativen angeführt werden. Wird das Vorha- ständig ist die Untere Landschaftsbehörde;
und Tierarten, die zur Ausweisung eines       ben als unerläss­lich angesehen, wird auch sie wird unterstützt von der Biologischen
NATURA 2000-Gebietes geführt haben,           gebaut. Allerdings müssen dann alle not- Station.
gilt ein Verschlechterungsverbot: Alles,      wendigen Aus­gleichsmaßnahmen ergriffen            Nun schätzt und schützt man ja nur, was
was einen negativen Einfluss haben könn-      werden, um den Funktionsverlust auszu- man auch kennt. Die Düsseldorfer können
te, wird nicht zugelassen. Rechtmäßig         gleichen. Gegebenenfalls muss ein gleich- ihre Naturschätze kennenlernen, indem sie
beste­hende Nutzungen können dabei in der     wertiges Schutzgebiet neu in das ökologi- an Exkursionen und Vorträgen teilnehmen
Regel fortgeführt werden.                     sche Netz eingebunden werden.                   (Anregungen dazu im Terminteil S. 30).
   Projekte und Vorhaben, zum Beispiel der                                                    Weitere Informationen zu NATURA 2000
Bau neuer Straßen, aber auch Ge­werbe-        Biomonitoring                                   gibt es außerdem auf einer Ausstellung
und Wohngebiete, müssen künf­tig inner-                                                       im Museum für Naturkunde Schloss Ben-
halb und auch gegebenenfalls am Rande         Die FFH-Richtlinie sieht eine Berichts­ rath (ab 4. Juli) und im Internet unter:
dieses Gebietsnetzes darauf­ hin geprüft      pflicht über die Entwicklung der Le­ www.natura2000.munlv.nrw.de
werden, ob sie mit den Zielen des europä-     bensräume und Arten sowie der durch­                               Stefanie Egeling, Holger Pieren
10   UMWELT UND NATUR

     Glatter Hafer und
     graue Rinde
     Auch unsere Buchenwälder und Glatthaferwiesen
     genießen den Schutz der FFH-Richtlinien
                                                                                                                            Foto: Norbert Richarz
     Der Typ des Buchenwaldes erscheint hier-      in der Unterschicht des Bu-
     zulande geradezu unspektakulär. Aus euro-     chenwaldes bis auf die genüg-
     päischer Sicht jedoch ist er jedoch ebenso    same Hainsimse und vereinzel-
     einzigartig wie die Steineichenwälder auf     tem Adlerfarn kaum ein Kraut.
     Korsika. Auch Glatthaferwiesen sind wirk-         Die Buche gibt aber auch
     lich nicht unbekannt: Glatthafer ist eines    reichlich: Im Herbst kommen
     unserer häufigsten Wiesengräser.              auf 1 ha Buchenwald rund 4
                                                   Millionen Bucheckern – sie
     Buchenland NRW                                werden von 300 erwachsenen
                                                   Bäumen produziert. Das freut
     Würde der Mensch die natürliche Waldent-      Buchfink, Specht und Eichelhä-
     wicklung nicht durch seine schon Jahrhun-     her, Eichhörnchen, Wald- und
     derte währenden Eingriffe verhindern –        Haselmaus.
     durch Landbewirtschaftung, Anbau von            Früher profitierten auch
     ertragreicheren Fichtenforsten, Bau von       Schweine von den dreikantigen
     Industrieanlagen, Siedlungen und Ver-         Nussfrüchten; sie wurden zur
     kehrswegen – dann würden Buchenwälder         Mast in den Wald getrieben.
     Nordrhein-West­falen großflächig bedec-       Außerdem gewann man aus
     ken. Deshalb hat NRW, wie Hessen und          den Bucheckern durch Pressen
     Thürin­gen, eine besondere Verantwortung      ein wertvolles Speiseöl. Zu
     für den Erhalt und die Entwicklung dieser     Pott-asche wird die Rotbuche
     Lebensräume. Denn nur im Zentrum ihrer        zwar nicht mehr verbrannt, aber
     Verbrei­tung lassen sich die Buchenwälder     das rötliche Holz – daher der
     in ihrer ganzen Vielfalt sichern.             Name – verarbeitet man noch
       In Düsseldorf werden die Buchenwälder       immer zu Treppen und Sitzmö-
     vor allem im FFH-Gebiet Rotthäuser            beln. So kommt es, dass kaum
     Bachtal geschützt. Dort wächst vor allem      ein Baum sein natürliches Alter
     die Rotbuche (Fagus silvatica). Sie liebt     von 300 Jahren erreicht.
     einen tiefgründigen, nährstoffreichen                                                       Wiesenbocksbart         Foto: Biolog. Station UK
     Lehmboden, mag gerne feuchtes Wetter, ist     Die Hain- oder Weißbuche
     aber empfindlich gegen Staunässe.
                                                   Die Hainbuche (Carpinus betulus) wird         Innerhalb des nordrhein-westfälischen
     Rotbuche - Königin des Waldes                 nicht ganz so hoch wie die Rotbuche; sie      Flachlandes haben Glatthaferwiesen in den
                                                   hat große, hängende Fruchtstände und der      Urdenbacher Kämpen ihr Hauptvorkom-
     Ihre Rinde ist dünn und glatt und schim-      Stamm hat eine Netzzeichnung. Typisch         men. Diese Rheinaue im Düsseldorfer Sü-
     mert silbergrau. Das – zusammen mit dem       sind auch die gesägten, knickfaltigen Blät-   den ist aus ökologischer und kultur-
     in Jugendjahren schlanken Wuchs – gibt        ter. Hainbuchen findet man in vielen Gär-     geschichtli­cher Sicht wegen ihrer Lebens-
     der Buche ein elegantes Aussehen, macht       ten zu Hecken geschnitten.                    raumvielfalt beeindruckend. Sie ist ge­prägt
     sie aber auch empfindlich gegen Sonnen-          Die Hainbuche kommt im FFH-Gebiet          von der Geschichte ihrer Nutzung und den
     strahlen. Die muss der Baum aber kaum         Überanger Mark vor; dort ist sie vergesell-   regelmäßigen Überschwem­mungen durch
     fürchten. Steht er allein, wird seine Krone   schaftet mit der Eiche. Im niederrheini-      den Rhein, die dem Boden Nährstoffe ein-
     breit und reicht bis zum Boden herab. Im      schen Tiefland war dieser Waldtyp des         tragen.
     Waldverband streben die Buchen schnell in     Eichen-Hainbuchen­waldes früher auf vom          Der Glatthafer (Arrhenaterum elatus) ist
     die Höhe; sie werden bis zu 30 Metern         Grundwasser beeinflussten Böden weit          die Leitpflanze der daraus entstandenen
     hoch. Der Buchenwald gleicht so einer rie-    verbreitet.                                   Fettwiesen. Die Blüten seiner Rispen sind
     sigen Halle, durch deren dichtes, blattrei-      In dem großen, zusammenhängenden           von Spelzen umhüllt, die an der Spitze
     ches Kronendach nur wenig Licht nach          Laubwaldgebiet zwischen Düsseldorf und        kleine Grannen haben. Er kommt mit
     unten durchdringt.                            Duisburg ist dieser naturnahe Waldtyp noch    feuchten oder trockenen Standorten klar. In
        Im Reich der Buche haben andere auf-       in überwiegend gutem Erhaltungszustand        seiner Gesellschaft blühen auf den trocken-
     strebende Bäume und Sträucher kaum eine       vorhanden und daher von besonders reprä-      sten Flächen Flockenblume und Knolliger
     Chance: Sie können im Schatten nicht          sentativem Wert. Daneben gibt es dort klei-   Hahnenfuß. Der früher häufigere Wiesen-
     wachsen. Auch durch die Triebkraft ihrer      ne Teilflächen von naturnahen, bodensau-      salbei fehlt in den letzten Jahren in der Ur-
     Flachwurzeln sichern sich die Buchen die      ren Buchen­wäldern und vereinzelt ausgebil­   denbacher Kämpe. In regelmäßig über-
     Vorherrschaft. Kräuter am Boden müssen        deten Erlenbruchwäldern.                      schwemmten und damit feuchten Lagen
     früh im Jahr blühen, um die Kahlheit der      Glatthaferwiesen                              wachsen Beinwell, Herbstzeitlose und als
     Kronen auszunutzen. Ist der Boden aber                                                      Doldengewächs die seltene Wiesensilge.
     sauer, wie im Rotthäuser Bachtal, wächst
UMWELT UND NATUR     11
                                                                                                                 Anzeige
  Als Spaziergänger erfreuen wir uns an                Buchtipp
den Farben, Düften und dem Gebrumm ei-
ner üppig in Blüte stehenden Wiese. Für
unzählige Tiere ist sie aber Lebens- und
                                                       Faszination
Nahrungsgrundlage. Vielfältig sind dabei
die gegenseitigen Abhängigkeiten.
                                                       Niederrhein
  Bienen und Schmetterlinge holen sich
den Nektar der Blüten und sorgen dabei für             Naturführer zu 20 ausge-
ihre Bestäubung. Käfer, Raupen, Schnec-                wählten Gebieten unserer
ken bedienen sich an den Blättern. Regen-
würmer und Ameisen leben im Untergrund.                Region
Spinnen jagen Heuschrecken und andere
Insekten. Vögel wie der seltene Steinkauz
oder der Graureiher suchen nach der Mahd               "Wenn die Herbststürme über das Land
Mäuse und Käfer, der Grünspecht pickt da-              brausen und die jagenden Wolken feuchte
gegen die Ameisen heraus.                              Meeresluft aus dem Westen ins Bergische
                                                       Land hineintragen... dann lockt der Nie-
Vom Menschen gestaltet                                 derrhein jeden, der ihn liebt und mit ihm
                                                       und der Natur verbunden ist, hinaus in sei-
Der Lebensraum Wiese wäre ohne die Ein-                ne weite Ebene mit den anmutigen Pappel-
wirkungen des Menschen gar nicht erst                  reihen und den malerischen Weidengrup-
entstanden. Zweimal im Jahr – im Mai/Juni              pen. Auf den sattgrün leuchtenden Wiesen
und im August/September - muss hier re-                blühen die ersten Herbstzeitlosen..."
gelmäßig        gemäht     werden.      Das            (Käthe Kümmel, 1936)
Verschlechte­rungsverbot der FFH-Richtli-
nie bedeutet also in diesem Fall, die exten-
sive Mahd beizubehalten. ,Schutz durch
Nutzung‘ heißt das Prinzip.
  Erfreulich ist, dass viele Reiterhöfe und
andere Landwirte die Wiesen mähen und
für das Heu Verwendung haben. Wegen des
besonderen FFH-Schutzes soll die Mahd
erst nach der Blüte der Kräuter erfolgen;
auf Dünger muss verzichtet werden. Die
Landwirte zahlen als Ausgleich zu dieser
vertraglich festgelegten Nutzungsein-
schränkung nur eine geringe Pacht.
  Zum Erhalt des Lebensraums können
weitere Pflegemaßnahmen nötig werden.
In besonnter Lage bieten Glatthaferwiesen
bis zu 30 verschiedenen Pflanzenarten ei-
nen Lebensraum. In Teilen der Urdenba-
cher Kämpe werden sie durch alte Hybrid-
pappeln beschattet und kommen so nur                      Auf den Fußspuren von Käthe Kümmel
noch auf bis zu 10 Arten.                              beschreibt das Buch 20 ausgewählte Ge-
  Um nun die Artenvielfalt der Glatthafer-             biete von Düsseldorf Urdenbach über die
wiesen durch eine bessere Besonnung zu                 Ilvericher Rheinschlinge, den Knechtste-
erhöhen, wird auf diesen Flächen ein Teil              dener Wald bis nach Kleve. Die traditionell
der Hybridpappeln nach und nach gefällt.               bäuerliche Kulturlandschaft mit ihren lo-
Dies ist auch deshalb nötig, weil sie mit              kalen Besonderheiten wird vorgestellt. Je-
ihren mehr als 50 Jahren ,hiebreif‘ sind –             des Kapitel beginnt mit einer detaillierten
üblich ist, sie im Alter von etwa 30 Jahren            Landkarte, auf der die abwechslungsreich-
zu fällen. Überalterte Pappeln brechen aus-            sten Ausflugsrouten und Einkehrtipps ein-
einander und erschweren dann die Wiesen-               getragen sind. Das Buch richtet sich so-
mahd. So käme es zu einer weiteren Ver-                wohl an Fachleute und bietet naturwissen-
schlechterung der Wiesenqualität.                      schaftliche Hintergrundinformation als
  Die charakteristische Landschaftsglie-               auch an interessierte Laien.
derung durch Baumreihen, die ja auch den                  Im Mittelpunkt steht die Vermittlung der
Reiz dieser Kulturlandschaft ausmacht,                 Vielfalt, Eigenart und Schönheit der typi-
soll aber beibehalten werden. Und als Er-              schen Pflanzen, Tiere und Lebensräume
satz für einen Teil der entnommenen Pap-               dieser Landschaft. 300 prachtvolle Farbfo-
peln werden an anderer Stelle Eschen, Ei-              tos und ansprechende Beschreibungen la-
chen und die heimischen Schwarzpappeln                 den ein, bei einem Spaziergang dem Lied
neu gepflanzt.                                         der Landschaft zu lauschen.
  In einem FFH-Gebiet muss also behut-                    Georg Verbücheln / Klaus van der Wey-
sam vorgegangen werden.                                er: Faszination Niederrhein, Mit allen Sin-
      Stefanie Egeling/Holger Pieren/LikaWeingarten   nen Natur erleben. 240 Seiten, 300 Farbfo-
                                                       tos, 19,80 Euro.                 Elke Löpke
12   UMWELT UND NATUR

     Nördlicher Zubringer     Fotos: Norbert Richarz   Ständehauspark im Häusermeer                  Bahngeleise Stadtmitte

                                                                                                       Feld- und Waldwege, Trassen der Stark-
                                                                                                       stromleitungen und anderer Energieversor-

     Biotopverbundsysteme                                                                              gungsarten, Kanäle für die Schifffahrt,
                                                                                                       Mauern und Bordsteine usw.
                                                                                                          Am dichtesten ist das von Straßen und
                                                                                                       Wegen gebildete Netz geknüpft. Rund 2,1
     Naturschutz und Erhalt der Artenvielfalt sind nur                                                 km überörtliche Verkehrswege durchzie-
                                                                                                       hen im statistischen Mittel jeden Quadrat-
     erfolgreich, wenn Lebensräume vernetzt werden                                                     kilometer Fläche in den alten Ländern der
                                                                                                       Bundesrepublik. Das hat nicht nur die Ver-
                                                                                                       kleinerung der Biotope, sondern auch ihre
     In Deutschland sind in den letzten 100 Jah-           Die Bilanz fasst der Landschaftsschützer    Verinselung zu Folge: Barrieren isolieren
     ren 30 % von einst 2.600 Arten an Farn-            Professeor Stichmann wie folgt zusam-          die Lebensräume von Pflanzen und Tieren
     und Blütenpflanzen ausgestorben. Ähnlich           men: „20 bis 30 Jahre haben ausgereicht,       voneinander.
     sieht es in der heimischen Tierwelt aus. Die       um manche agrare Landschaft zu einem              Es fällt sicher nicht schwer, sich vorzu-
     Roten Listen dokumentieren das wachsen-            größeren ökologischen Problemgebiet zu         stellen, dass ein solchermaßen zerschnitte-
     de Tempo des Artensterbens. Bemühun-               machen, als es der benachbarte städtisch-      nes Naturschutzgebiet von ein paar Qua-
     gen, dieses Artensterben zu bremsen und            industrielle Bereich ist.“                     dratkilometern Fläche Fauna und Flora
     zum Stillstand zu bringen und die Natur zu            In Düsseldorf – als Beispiel der städti-    keinen Schutz mehr bieten kann. Beson-
     schützen, konzentrierten sich zunächst nur         schen Entwicklung – hat sich der Anteil der    ders ersichtlich ist die Barriere-Wirkung
     auf die einzelne Art.                              Freiflächen für Nutzungen wie Wald, Ac-        von Straßen auf unmittelbar an der Boden-
        Tiere und Pflanzen benötigen aber als           ker, Wiese, Weide, Heide, Brachland usw.       oberfläche lebende Arten, z.B. Amphibien,
     eine wichtige Existenzvoraussetzung die            von 68 % im Jahre 1977 auf 53 % der Ge-        Kleinsäuger, Laufkäfer, Schnecken.
     Gemeinschaft mit anderen Lebewesen.                samtfläche im Jahre 1995 verringert. Durch        Deren Populationen können nahezu
     Solche Lebensgemeinschaften in einem               Siedlungspolitik, die Ausbreitung der In-      vollständig voneinander isoliert werden.
     gegebenen Lebensraum bezeichnet man                dustrie- und Gewerbeflächen sowie beson-       Das verhindert den genetischen Austausch,
     als Biozönose und der räumlich abge-               ders die Errichtung großer Verkehrsanla-       kann Inzuchteffekte zur Folge haben und
     grenzte Lebensraum einer bestimmten                gen und anderer Landschaftsbauwerke            längerfristig zum Aussterben führen. Eine
     Biozönose wird Biotop genannt.                     (Flughafen, Messe, Freileitungs-, Bahn-,       andere Konsequenz kann sein, dass bei der
        Aber auch die Anstrengungen zu Schutz           Autobahn- und Straßentrassen, Golfplätze       Verkleinerung von Biotopen artspezifische
     und Erhaltung des einzelnen Biotops und            usw.) hat die Stadt immer mehr Landschaft      Minimalräume unterschritten werden und
     die Ausweisung von Naturschutzgebieten             in Anspruch genommen.                          es zum lokalen Verschwinden einer Tierart
     waren, wie man weiß, nicht erfolgreich.               Die Übersichtskarte ,Arten- und Biotop-     kommt.
     Heute sehen Experten Biotopverbundsy-              schutz’ des Freiraum-Informations-Sy-             Die Zusammenhänge der Störwirkungen
     steme als den entscheidenden Schlüssel,            stems (FIS) des Umweltamtes der Stadt          von Straßen und aller anderen Landschafts-
     dem Naturschutz endlich flächendeckend             Düsseldorf vermittelt einen guten Über-        barrieren sind komplex und bisher noch
     zu wirklichen Erfolgen zu verhelfen.               blick über die desaströse Situation. Bei an-   kaum erforscht.
                                                        haltender Geschwindigkeit des Freiflä-
     Besiedelung und Landwirtschaft                     chenverbrauchs würden in ca. 60 Jahren         Modell Bauernlandschaft
                                                        mit Ausnahme des Rheines keine Flächen
     Eine Hauptursache des Artensterbens und            mehr für die oben genannten Nutzungen          Der Naturschutz heute zielt darauf ab, ei-
     der Bestandsrückgänge von Pflanzen- und            zur Verfügung stehen.                          nen möglichst großen Anteil der Tier- und
     Tierarten ist die Zerstörung ihrer Lebens-                                                        Pflanzenarten zu erhalten, die in der vielge-
     räume z.B. durch Nutzungsänderung oder             Biotop-Verinselung                             staltigen, kleinräumig parzellierten Kultur-
     Nutzungsaufgabe, Forstwirtschaft und                                                              landschaft um 1850 in Mitteleuropa hei-
     Jagd, Bebauung und Versiegelung der Bö-            Die Folgen dieser Entwicklung sind eine        misch waren. Sie hatte sich aus der ur-
     den und weitere Eingriffe des Menschen in          immer stärkere Versiegelung der Böden,         sprünglichen Waldlandschaft entwickelt
     die Natur.                                         Strukturverarmung, Biotopverlust und           und ein Mosaik von Siedlungen und Ein-
       Aus einer über Jahrhunderte entstande-           Zerschneidung der Landschaft. Viele vom        zelhöfen, Gärten, Wegen und Triften, Hec-
     nen artenreichen bäuerlichen Kulturland-           Menschen geschaffene Trennlinien zerle-        ken, Gehölzen und Einzelbäumen, Obst-
     schaft hat sich eine industrielle Agrarland-       gen heute die Ökosysteme in immer kleine-      wiesen, Kleingewässern, Heiden und Troc-
     schaft entwickelt, die ausgeräumt, struk-          re Teilflächen: Straßen jeder Größenord-       kenrasen, Hoch- und Niederwäldern ge-
     turarm, erodiert und schwer mit Chemie             nung von innerörtlichen Verbindungen bis       schaffen. In diesen vielfältigen Biotopen
     belastet ist.                                      zu den Autobahnen, Eisenbahntrassen,           hatte sich die Anzahl der Pflanzen- und
UMWELT UND NATUR                     13
Tierarten stark vermehrt.
   Diese Landschaftsstruktur als Grundlage
der damaligen Artenvielfalt ist heute zer-
stört oder bestenfalls noch in Fragmenten
übrig. Es ist einzusehen, dass ein Zurück zu
den früheren Bedingungen aus vielfältigen
Gründen nicht möglich ist. Gleichwohl
muss und kann diese Struktur wichtige
Vorbilder für Konzepte des Naturschutzes
liefern.
   Damals funktionierte ein intensiver Bio-
topverbund als Rückgrat der Artenvielfalt.
Lebensräume gleicher bzw. ähnlicher Qua-
lität standen in engem räumlichem Kon-
takt. Prägnantes Beispiel: Hecken umga-
ben in einem dichten Netz viele kleinflä-
chige Einzelparzellen und waren unterein-
ander höchstens über geringe Distanzen
unterbrochen. An die Hecken schlossen
lückenlos Feldgehölze, Baumreihen, mehr
oder weniger große Waldparzellen und
Wälder an. Hecken erfüllten eine Funktion
als ,Linienbiotope‘ oder Ökotone.
   Auf diese Weise war den heckenleben-
den Tierarten ein ungehinderte Wanderung
in einem großen Lebensraum möglich.
Zwischen individuenreichen Populationen
war auf relativ zusammenhängenden Flä-
chen ein Austausch von Einzelindividuen
möglich.

Ein neues Netz knüpfen
Heute also kommt es darauf an, die verblie-
benen voneinander isolierten kleinen Teil-
populationen in die Lage zu versetzen, sich
untereinander genetisch auszutauschen.
Dazu muss man versuchen, den unterbro-
chenen Kontakt zwischen verwandten Bio-
topen wiederherzustellen. Elemente eines
solchen Netzes naturnaher Lebensräume
für Pflanzen und Tiere sind die Kernzo-
nen, Verbundkorridore und -achsen und
die Trittsteinbiotope.                                                                             Grafik: Untere Landschaftsbehörde Düsseldorf
   Kernzonen verfügen in der Regel über
eine vielfältige Artenausstattung und wir-     Bedeutung zu. Folgt man der Fachliteratur,   gen sind die stadtweite, flächendeckende
ken wegen ihrer Naturnähe als Regenerati-      so mangelt es aber daran bundesweit noch     Biotopkartierung, floristische Bestands-
ons- und Ausgleichspool, wobei die räum-       sehr. Ein Hauptproblem besteht sicher dar-   aufnahmen in Teilräumen und der Land-
liche Größe ein entscheidender Faktor der      in, Landwirtschaft und Naturschutz unter     schaftsplan. Die Vernetzung von Land-
ökologischen Wirksamkeit ist. Flächenhaf-      einen Hut zu bringen!                        schaftsraum und Wohnquartieren ist Be-
te Verbundkorridore und lineare Verbund-                                                    standteil der Grünordnungsrahmenpläne
achsen stellen den direkten Kontakt zwi-       Biotopverbund in Düsseldorf                  (GOP). Bei deren Erstellung und Umset-
schen ihnen her. Trittsteinbiotope dagegen                                                  zung gibt es erhebliche Defizite, außerdem
sind Inseln ohne direkten Kontakt zum          Die verbliebenen Biotopfragmente im          sind sie informelle Pläne ohne eigene
Netz, sie haben aber für die Wanderung         Düsseldorfer Stadtgebiet wieder miteinan-    Rechtsverbindlichkeit.
flugfähiger Arten Bedeutung.                   der zu einem wirkungsvollen Biotopver-         Kernzonen des Biotopverbundes sind
   Voraussetzung für den Biotopverbund         bundsystem zu verknüpfen und dieses zu       die 11 Naturschutzgebiete, von denen nur
sind unbebaute Flächen, Freiräume, die         einem funktionierenden Element des re-       drei größer als 100 ha sind: Urdenbacher
durch Planungen wie den Flächennut-            gionalen und landesweiten Biotopverbun-      Kämpe (316 ha), Himmelgeister Rheinbo-
zungs- und den Landschaftsplan zu erhal-       des zu machen, ist ein schwieriges, kaum     gen (214 ha), Rotthäuser Bachtal (108 ha).
ten und zu schützen sind.                      lösbares Unterfangen.                          Verbundflächen sind die besonders im
   Das ,Biotopschutzprogramm Nordrhein-           Bereits im Zusammenhang mit dem           Osten der Stadt verbliebenen Waldgebiete.
Westfalen‘ gibt als Grundlagen eines den       Ökologischen Beitrag zum Gebietsent-         Diese Gebiete sind vielfältig irreparabel
Biotopverbund forcierenden Programms           wicklungsplan 1996 wurde das Konzept         durch Landschaftsbarrieren zerschnitten
umfassende Bestandserfassungen vor. Da-        für ein Düsseldorfer Biotopverbundsystem     und durch Zersiedelung beeinträchtigt.
neben kommt aber einer umfassenden Ana-        entwickelt. Zusätzlichen Antrieb zur Wei-    Wie stark unterrepräsentiert Wald in Düs-
lyse und den daraus zu ziehenden Schluss­      terentwicklung und Umsetzung gaben ein       seldorf und damit in seiner Bedeutung für
folgerungen für die Praxis entscheidende       Projekt der Lokalen Agenda 1999 und das      das Gesamtnetz des Biotopverbundes her-
                                               Programm der EUROGA 2002+. Grundla-
14   UMWELT UND NATUR

     abgemindert ist, zeigt die Statistik: pro    heimischen Bäumen als Einzelbäume und         dorf auf der Stelle und ist mehr Anspruch
     Einwohner gibt es bundesweit 1.500 qm        in Baumreihen, eines Auewaldstreifens         als Realität. Das hat verschiedene Gründe.
     Waldfläche, pro Einwohner in NRW 500         und von Hecken; Aufwertung eines Wald-        Zum einen: Geht es um die verschiedenen
     qm, und pro Düsseldorfer sind es 42 qm.      randes; Umgestaltung eines Ackers in          flächenwirksamen Planungen in unserer
        Verbundachsen sind bandartige Grün-       Hanglage in eine naturnah bewirtschaftete     wirtschaftsgeprägten und wirtschaftshöri-
     strukturen im Siedlungskontakt sowie         Wiese; naturnahe Umgestaltung von Fisch-      gen Stadt, hat die Ökologie bei fast allen
     landwirtschaftlich geprägte Bereiche, de-    teichen; Ankauf von Flächen für den Na-       relevanten Abwägungen der Belange das
     nen noch ein gewisser Strukturreichtum       turschutz; Aufstellung von Tafeln mit In-     Nachsehen.
     verblieben ist. Besondere Bedeutung für      formationen zu Ökologie und Schutzwür-           Ein weiterer wichtiger Grund ist das Ei-
     die Einfügung in den überregionalen Bio-     digkeit des Gebietes. Im NSG Pillebachtal     gentum an Grund und Boden. Die Koope-
     topverbund haben die Rheinaue, der des-      wurde die Renaturierung des Baches be-        rationsbereitschaft der landwirtschaftli-
     halb auch als Entwicklungsschwerpunkt        gonnen und wird abschnittweise fortge-        chen und anderen Grundbesitzer in Düssel-
     besondere Aufmerksamkeit zuteil wird,        führt.                                        dorf ist nicht von Gemeinsinn geprägt.
     sowie die damit verknüpften Bachtäler.          Finanzmittel für die Durchführung von      Davon, dass Landwirtschaft und Natur-
     Der Rhein als überregionale Schifffahrt-     Maßnahmen für den Biotopverbund stehen        schutz einmal einträchtig unter einem Hut
     straße besitzt einen eigenen Rechtsstatus,   aus verschiedenen Quellen zur Verfügung;      nachhaltige zukunftsfähige Biotoppflege
     der die Planungen und Maßnahmen in der       oft kommen bis zu 80 % des Bedarfs aus        betreiben, kann man heute nur träumen.
     Aue auf Düsseldorfer Gebiet oftmals be-      Landesmitteln.                                   Aber auch die Verantwortlichen unserer
     hindern kann.                                                                              Stadtpolitik beweisen bisher, dass sie
                                                  Noch viel zu tun                              nichts von der dringlichen Notwendigkeit
     Ausgeführte Maßnahmen                                                                      flächendeckenden Naturschutzes begriffen
                                                   Dem amtlichen Kartenwerk kann man ent-       haben: im NSG Dreiecksweiher wollen sie
     Im Rahmen der EUROGA wurden folgen-          nehmen, wie umfangreich gerade im Au-         eine Kernzone des Biotopverbundsystems
     de Maßnahmen umgesetzt: In Biotopver-        ßenbereich die als Entwicklungsschwer-        durch Kiesabbau (Elbsee) zerstören. Das
     bundkorridoren wurden floristische Be-       punkte dargestellten Flächen noch sind.       ist nicht nur auf den Einzelfall bezogen un-
     standsaufnahmen durchgeführt. Vorrangig      Bei diesen handelt es sich überwiegend um     verantwortlich, sondern damit wird wohl
     in Kernzonen, nämlich den NSG Urdenba-       Verbundkorridore, deren ökologische Ein-      auch der Rückbau des bisschen Biotopver-
     cher Kämpe, Himmelgeister Rheinbogen         bindung erst das Gesamtverbundsystem          bund, das wir heute haben, eingeläutet.
     und Rotthäuser Bachtal wurden Einzel-        funktionstüchtig macht. Hier ist die Haupt-                                    Ernst Steller
     maßnahmen durchgeführt wie: Erstellung       arbeit erst noch zu leisten.
     eines geo-hydrologischen Gutachtens; An-       Trotz Engagements bei den Planern im
     lage und Pflege neuer Obstwiesen; Einrich-   Amt tritt das Biotopverbundsystem und
     tung von Ackerrainen; Anpflanzung von        damit wirksamer Naturschutz in Düssel-
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