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vm Ve r b a nd s M a g a z i n Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen #4 2020 32 50. TREFFPUNKT SOZIALARBEIT WOHNUNGSLOSIGKEIT 14 SONDERSEITEN: GEMEINSAM BEKÄMPFEN! DAS CORONAVIRUS UND UND DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4 SCHWERPUNKT – SELBSTHILFE, SELBST- VERANTWORTUNG UND SELBSTVERWALTUNG Genossenschaftliche Werte in heutiger Zeit
IMPRESSUM Herausgeber: Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V. Goltsteinstr. 29, 40211 Düsseldorf, Tel.: +49 (211) 16998-0, Fax: +49 (211) 16998-50 E-Mail: info@vdw-rw.de, http://www.vdw-rw.de Verantwortlich für den Inhalt: Alexander Rychter Redaktion: Katrin Stamm (KS, Leitung) Finn Dresen (FD), Fabian Engel (FE), Jürgen Gnewuch (JG), Christina Göbel (CG), Cindy Merz (CM), Lisa Metzger (LM), Alexander Meyer (AM), Oliver Niermann (ON), Hans-Joachim Palm (HP), Dr. Daniel Ranker (DR), Jennifer Rüberg (JRÜ), Wolfgang Schäfer (WS), Roswitha Sinz (RS), Eva Stelzner (ES), Angelos Tsiokas (AT) Layout & Gestaltung: Statement GmbH – Agentur für Marketing- und Designlösungen, Saarbrücken, Köln, Berlin http://www.agentur-statement.de Druck: Krüger Druck und Verlag Erscheinungsweise: 10 x jährlich Auflage: ca. 1.500 – 2.000 Exemplare Anzeigen: Statement GmbH – Agentur für Marketing- und Designlösungen, Saarbrücken, Julia Kaiser, Tel.: +49 (681) 99281-37 Der Bezugspreis ist für die Mitglieder der Verbände im Mitgliedsbeitrag enthalten.
EDITORIAL 1 Unternehmerische Orientierung und gesellschaftliche Wirkungen D ie Corona-Krise sorgt für turbulente Die genossenschaftliche Strategie ist darauf Foto: IfG Münster Zeiten, die wir erleben und die uns ausgerichtet, einen Mitgliederwert zu schaf- dazu führen, vieles zu überdenken fen, der sich nicht an externen Investoren und neu zu planen. Die Unsicherheit für Un- und auch nicht an staatlich-gemeinnützigen ternehmen und die Menschen steigt. Umso Vorgaben orientiert. Über Wohn- und Ser- wichtiger ist es, Orientierung zu geben und viceleistungen sowie über die Möglichkeiten nachhaltig zu agieren. Genau dieses leisten zur Partizipation und ggf. die Verzinsung von Genossenschaften seit Jahrzehnten. Sie ge- Anteilen wird der Wert der Genossenschaft ben ihren Mitgliedern die Sicherheit, die für für ihre Mitglieder sofort spürbar. Doch dazu viele gerade jetzt so wichtig ist. kommt durch die inhärente Nachhaltigkeit des genossenschaftlichen Geschäftsmodells Wohnungsgenossenschaften bieten konse- die Option auf Leistungen in der Zukunft. quente Antworten auf die aktuellen Heraus- forderungen, seien sie dauerhafter Natur Genossenschaften wirken jedoch über ihre oder Ergebnis akuter Entwicklungen auf dem Mitglieder hinaus. Sie erhalten Infrastruk- Wohnungsmarkt und der Wohnungspolitik. turen, ermöglichen gesellschaftliche Teil- Es sind Phasen der Veränderung in Wirt- habe, stabilisieren Quartiere und Stadtteile schaft und Gesellschaft, in denen die genos- und werten Wirtschafts- und Lebensräume senschaftlichen Besonderheiten nicht nur auf. Das passt zur Forderung einer stärke- „Genossenschaften der Politik, sondern auch vielen Menschen ren Berücksichtigung der gesellschaftli- bieten konsequente bewusst werden. Ganz wie zu der Zeit, als sich Genossenschaften herausbildeten und chen Wirkungen unternehmerischen Tuns. Dies können Genossenschaften seit jeher Antworten auf die in eigener Initiative innovative Lösungen bieten. aktuellen Heraus fanden und Verantwortung übernahmen. forderungen“ Unternehmerisches Denken ließ Menschen ein arbeitsteilig organisiertes Kooperations- modell erfinden, das Subsidiarität mit den Prof. Dr. Theresia Theurl Effizienzvorteilen gemeinsamer Leistungen kombinierte, was gleichzeitig Solidarität Professorin für Volkswirtschaftslehre innerhalb und Identifikation mit der Genos- Geschäftsführende Direktorin des Instituts senschaft ermöglichte. für Genossenschaftswesen 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
2 INHALT 4 14 Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung – Corona Genossenschaftliche Werte in heutiger Zeit Foto: Romolo Tavani – stock.adobe.com SCHWERPUNKT CORONA 4 Selbsthilfe, Selbstverantwortung 11 „Die genossenschaftlichen Prinzi- 14 Vorwort und Selbstverwaltung pien haben auch heute nichts von Alexander Rychter und Genossenschaftliche Werte in ihrer Notwendigkeit verloren“ Dr. Daniel Ranker heutiger Zeit Interview mit Udo Bartsch, Vorstand Eisenbahner Bauverein eG 16 Das Gesetz zur Abmilderung der 7 „Der Zusammenschluss von Düsseldorf (EBV), Vorstandsmitglied Folgen der Covid-19-Pandemie im Einzelnen zu Gemeinschaften“ Zivil-, Insolvenz- und Strafverfah- Arbeitsgemeinschaft der Interview mit Dr. Ingo rensrecht Eisenbahner-Wohnungsbau- Köhler, Wirtschafts- und Zahlreiche gesetzliche Änderungen genossenschaften Unternehmenshistoriker an der in Kraft Humboldt-Universität zu Berlin 12 „Auch als Genossenschaft müssen 17 Umfrage von VdW Rheinland die Maßnahmen für uns zu einer 8 Die Marke Genossenschaften Wirtschaftlichkeit führen“ Westfalen und NRW.BANK zur konsequent präsentieren Branchenlage Interview mit Christoph Rehrmann, Die Marketinginitiative der Corona-Barometer Geschäftsführender Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V. Gemeinnützigen Wohnstätten- 18 Auswirkungen des Coronavirus auf genossenschaft Hagen eG (GWG), die Wohnungswirtschaft Sprecher Arbeitsgemeinschaft Gastbeitrag von Prof. Dr. Günter 9 „Die Kampagne leitet sich direkt Hagener Wohnungsgenossenschaften Vornholz, Professor für Immobilien- aus der genossenschaftlichen Idee und ihren Vorteilen ab“ ökonomie an der EBZ Business School Interview mit Olaf Rabsilber, 13 „Durch die Beteiligung unserer in Bochum Mitglieder haben wir das Ohr Vorsitzender der Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften direkt am Kunden“ 19 Welche Hilfen gibt es für Mieter von Interview mit Kai Schwartz, Land und Bund? Deutschland e. V. Vorstandsvorsitzender der Unterstützung vonseiten der Politik Baugenossenschaft Freie Scholle eG 10 Von der Grundlagenliteratur bis 20 Reaktionen der Wohnungswirtschaft hin zu Best-Practice-Beispielen auf die Corona-Krise Interview mit Franz-Bernd Große- Mieten, Mitarbeiter, Baustellen Wilde, Vorstandsvorsitzender Verein Wohnen in Genossenschaften e. V., 22 #zusammenhaltimwesten Vorstandsvorsitzender Spar- und Gemeinsam allein – Bauverein eG, Dortmund Beispiele gelebter Solidarität 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
INHALT 3 28 36 48 5G für den Wohnungsbau in Neugründung von Kleinräumige Wohnungs- Nordrhein-Westfalen „Wohnen in Trier“ (Wit) marktfolgen von plattformbasierten Kurzzeitvermietungen Foto: pikselstock – stock.adobe.com AKTUELLES AUS DEN UNTERNEHMEN 25 Ausgezeichnet für herausragende 35 Wohnungswirtschaft und Industrie 38 „Wir wollen unseren Mietern ein Bau- und Wohnqualität blicken nach vorn sicheres Zuhause geben“ Deutscher Bauherrenpreis 2020 Partnertreffen von EBZ und Bocholter Heimbau eG VdW Rheinland Westfalen Jahresempfang mit über 26 8. Forum Personal 100 Wirtschaftsunternehmen „Arbeitgeberattraktivität und Wohnungswirtschaft und Landtag Employer Branding“ laden gemeinsam ein aus der Region Personalwesen Save the date: Spar- und Bauverein Dortmund eG 19. Parlamentarischer Abend 27 Komplettlösungen für am 24. Juni 2020 NetZero-Standard vorgestellt VdW-ARBEITSKREISE Energiesprong AKTUELLES RLP 39 Praxisbeispiel für ein buntes Miteinander AKTUELLES NRW 36 Intensive Beratung des Arbeits- Arbeitskreis generationengerechtes Wohnen ausschusses der ARGE RP 28 5G für den Wohnungsbau in Soziale Wohnraumförderung 2020 im Nordrhein-Westfalen Entwurf Öffentliche Wohnraumförderung 2020 Neugründung von „Wohnen in Trier“ (Wit) 30 Bielefeld bekommt Renaissance kommunaler 105 Millionen Euro Globalbudget Wohnungsunternehmen Zielvereinbarung unterzeichnet 31 Azubi Branding von A bis Z 37 Frühjahrssitzung der Gesellschafter 40 STEUERN des Bauforums Rheinland-Pfalz Ausbildertag Schuljahr 2019/2020 43 RECHT Treffen bei der ISB Rheinland-Pfalz des EBZ 20. Bauforum 46 TECHNIK UND MULTIMEDIA Jetzt bewerben „Wohnen überwindet Grenzen“ 51 FÜR SIE GELESEN Vorbildliche Bauten NRW 2020 im ZDF Konferenzzentrum 52 SEMINARE 32 Wohnungslosigkeit in Mainz am 7. Mai 2020 gemeinsam bekämpfen! Ankündigung 50. Treffpunkt Sozialarbeit Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbar- 34 Wohnen und Mobilität keit wird die männliche Personenbezeichnung sauber durchdekliniert gewählt. Die Angaben beziehen sich jedoch auf 4. Bochumer Investorenkonferenz beide Geschlechter. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
4 SCHWERPUNKT Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung GENOSSENSCHAFTLICHE WERTE IN HEUTIGER ZEIT >> Auf den ersten Blick sind Genossenschaften ein durch- schlagender Erfolg in Deutschland. In unterschiedlichen Branchen, in der Wohnungswirtschaft, bei Banken oder im Einzelhandel sind die 8.000 deutschen Genossenschaften zentrale Akteure. Über 22 Millionen Deutsche sind Mitglied einer Genossenschaft. Aber neue Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Menschen gar nicht wissen, welche Prinzipien und Werte sich hinter dem Begriff der Genos- senschaft verbergen. Für die Genossenschaften ist vor allem alarmierend, dass gerade die Jugend sich unter genossenschaftlichen Werten nichts mehr vorstellen kann. Wie kommt es zu der Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Erfolg einerseits und gesellschaftlicher Unwissenheit andererseits? Zur Annäherung an die Genossen- schaftsprinzipien Selbsthilfe, Selbstverant- wortung und Selbstverwaltung hilft ein Blick in die Geschichte der Genossenschaftsbe- wegung. Im Allgemeinen wird Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze- Delitzsch zugeschrieben, den modernen Ge- nossenschaftsgedanken vor über 150 Jahren etabliert zu haben – in einer Zeit, die vor allem von zahlreichen sozialen Missständen geprägt war. Im Zuge der Industrialisierung entwickelten sich in den Städten untragbare Wohn- und Lebensverhältnisse und auf dem Land verarmten breite Bevölkerungs- schichten. Unterschiedliche Prinzipien: Foto: EBV Raiffeisen und Schulze-Delitzsch Mit dieser sozialen Frage konfrontiert, ent- wickelten Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch zeitgleich – Ende des Jahres 1899 kam eine Anzahl Bediensteter der „Preußischen Staatseisenbahn- aber unabhängig voneinander und durch- Verwaltung“ in Düsseldorf zu dem Entschluss, auch einen Bauverein auf genossenschaftlicher aus mit unterschiedlichen Prinzipien – den Basis zu gründen, denn in Hagen, Siegen und Elberfeld waren bereits Eisenbahner- Genossenschaftsgedanken. Wohnungsbaugenossenschaften entstanden Für Friedrich Wilhelm Raiffeisen war die eine solidarische Lösung der sozialen Fra- Unterstützung für die Genossenschaftsbe- christliche Nächstenliebe seine zentrale ge im Fokus. Dabei setzte er stark auf die wegung. Motivation. Für ihn stand in erster Linie Selbsthilfe, doch forderte er auch staatliche Diese lehnte der liberale Politiker Hermann Schulze-Delitzsch kategorisch ab, da er hier- Fotos: Wikipedia, gemeinfrei durch eine Einflussnahme des Staates und somit eine Aushebelung der demokratischen Mitbestimmung innerhalb der Genossen- schaften befürchtete. Ein Streitpunkt, der bei den Wohnungsbaugenossenschaften noch heute immer wieder zu Kontroversen im Zu- ge der Wohnraumförderung und der damit einhergehenden Belegungsbindungen führt. Das Zölibat für genossenschaftliche Angestellte Doch nicht alle von Hermann Schulze- Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen geforderten Prinzipien setzten sich tatsäch- Victor Aimé Huber (1800 – 1869) Julius Faucher (1828 – 1878) lich durch. So forderte der sehr fromme 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GENOSSENSCHAFTEN 5 nung von heute, sprich in die Soziale Markt- TABELLE 1: DER GRUNDKANON GENOSSENSCHAFTLICHER WERTE wirtschaft? Beide Systeme basieren auf dem marktwirtschaftlichen Anreizsystem. Da- Förderprinzip Den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder bei geht es bei Wohnungsgenossenschaften kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern nicht darum, eine Gewinnmaximierung zu Identifikationsprinzip Die Genossenschaft vereinigt zwei Funktionen in einer Organisation, die sich erreichen. Die marktwirtschaftlichen Kräfte sonst im Wirtschaftsleben gegenüberstehen, beispielsweise Mieter und Vermieter signalisieren den Genossenschaften, wie sie Regionalitätsprinzip Nach dem Regionalitätsprinzip werden die Aktivitäten lokaler Genossenschaften ihren Förderauftrag, bei dem es nicht nur um auf einen eng begrenzten Wirtschaftsraum beschränkt niedrige Mieten oder hohe Dividenden geht, Subsidiaritätsprinzip Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass bestimmte Aufgaben genau dann von am effizientesten und zielgerichtet umsetzen zentralen Einheiten übernommen werden, wenn die Primärgenossenschaften können. Verlangen die Mitglieder altersge- diese Funktionen nicht mehr effizient erfüllen können oder wollen rechte Wohnungen? Fragen die Mitglieder Selbsthilfe In einer Genossenschaft schließen sich die Mitglieder freiwillig zusammen, nach Mikroapartments oder nach großen um gemeinsam zu wirtschaften. Dabei soll die wirtschaftliche Förderung aller Wohnungen? Denn nur eine wirtschaftlich Mitglieder aus eigener Kraft gelingen gut aufgestellte Wohnungsgenossenschaft Demokratieprinzip Die grundsätzlichen Entscheidungen werden in der Genossenschaft in der mit einem marktfähigen Angebot kann eine Generalversammlung der Mitglieder getroffen. Hier hat jedes Mitglied nachhaltige Geschäftspolitik betreiben, wie es unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung nur eine Stimme unter anderem die GWG Hagen vorlebt (mehr Selbstverantwortung Die Genossenschaft muss marktwirtschaftlich handeln und die Mitglieder haften dazu auf Seite 12). für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft Selbstverwaltung Die Genossenschaft und ihr Vermögen steht ausschließlich im Eigentum ihrer Diese nachhaltige Geschäftspolitik versetzt Mitglieder. Diese führen und kontrollieren die Organisation. Ausschließlich die Wohnungsbaugenossenschaften in die Mitglieder besetzen die Organe Lage, breiten Bevölkerungsschichten gesell- schaftliche Teilhabe, gerade in den boomen- den Großstädten, zu ermöglichen. Durch Raiffeisen unter anderem, dass alle genos- Grundlage für die heutigen Wohnungsbau- diese aktive, solidarische und selbstbewusste senschaftlich Angestellten das Zölibat ab- genossenschaften. Teilhabe von wirtschaftlich nicht so starken legen sollten, damit sie sich ganz auf ihre Personenkreisen tragen Genossenschaften genossenschaftlichen Aufgaben konzentrie- Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus den erheblich zum sozialen Ausgleich, ganz im ren konnten. An dieser Stelle sei aber auch verschiedenen Ansätzen ein Grundkanon Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, bei. Oft- erwähnt, dass Raiffeisen und Schulze-De- an genossenschaftlichen Werten (vgl. Ta- mals dienen den Genossenschaften hierbei litzsch zwar die großen Theoretiker der Ge- belle 1). die eigenen Traditionslinien als Orientie- nossenschaftsbewegung waren, doch die rungs- und Wertekompass, wie der Eisenbah- wirklichen Vordenker der Wohnungsbau- Wie für die Soziale ner-Bauverein eG Düsseldorf eindrucksvoll genossenschaften waren Victor Aimé Huber Marktwirtschaft gemacht zeigt (mehr dazu auf Seite 11). und Julius Faucher. Heute gibt es in Deutschland mehr als 2.000 Wohnungsbaugenossenschaften mit mehr Neben marktwirtschaftlichen Anreizsyste- Diese verbanden ihre Erfahrungen von den als zwei Millionen Wohnungen und drei men, solidarischer Selbsthilfe und selbstver- frühen englischen building societies mit Millionen Mitgliedern. Doch wie passen die antwortlichem Handeln bauen sowohl die dem aufkommenden deutschen Genossen- Genossenschaften mit ihren Prinzipien in Soziale Marktwirtschaft als auch Genossen- schaftsgedanken und schufen hierdurch die die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ord- schaften auf demokratischen Entscheidungs- >> Fotos: EBV Vor fünf Jahren komplett kernsaniert und nun wieder fast wie neu: Traditionsquartiere wie die im Besitz der Eisenbahner Bauverein eG Düssel- dorf befindliche „Dianastraße“ in Düsseldorf-Bilk prägen heute noch die Bestände vieler Genossenschaften und beherbergen begehrte Wohnungen 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
6 SCHWERPUNKT Foto: GWG Neuss Viele Genossenschaften entwickeln ihre Bestände zeitgemäß und zukunftsfähig weiter – auch durch bestandsersetzenden Neubau wie beispielsweise die GWG Neuss im Quartier „Stauffenbergpark“ – hier entstanden von 2013 bis 2018 84 Wohnungen (davon 16 öffentlich gefördert), dazu kam die energetische Sanierung von weiteren 32 Wohnungen prozessen auf. Dabei beschränken sich die Genossenschaften nicht nur darauf, ihre ge- TABELLE 2: WISSEN SIE, WELCHE PRINZIPIEN UND WERTE setzlich vorgegebenen Mitgliederversamm- HINTER DEM BEGRIFF GENOSSENSCHAFT STEHEN? lungen durchzuführen. Viele Genossenschaf- Jahrgänge Ja Nein ten, wie zum Beispiel die Freie Scholle eG Bielefeld, versuchen weitreichende, moderne vor 1945 85 15 partizipative Prozesse zu implementieren, 1945 – 1964 72 28 um hierdurch eine enge Bindung zu ihren 1965 – 1980 66 34 Mitgliedern und somit auch zu ihren Kunden herzustellen (mehr dazu auf Seite 13). 1980 – 1995 51 49 1995 – 2010 44 56 Die Betrachtung zeigte, dass die Genossen- schaften wie für die Soziale Marktwirtschaft Nach Senta Breuning, Wahrnehmung, Reputation und Image von Genossenschaften aus Sicht gemacht sind. Hieraus lässt sich die Unwis- der deutschen Bevölkerung, in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Band 69, senheit in der Öffentlichkeit nicht ableiten, Heft 4, Seite 249 – 270, S. 261 vielmehr zeigt sich, dass die Genossenschafts- werte ein unschätzbarer Marketingfaktor ge- rade gegenüber den jüngeren Generationen mit Werten zu füllen. Die Wohnungsbauge- mit den damit verbundenen Werten deutsch- sind, da sich mit den Genossenschaftswerten nossenschaften müssen noch aktiver Ver- landweit bekannter zu machen. Dabei werden wie selbstverständlich neuere gesellschaft- knüpfungen zwischen ihrem Tun und den auch neue Ansätze verfolgt, den Fördergedan- liche Trends von Regionalität, Partizipation erklärenden Werten hinter ihrem Handeln ken zeitgenössisch zu übersetzen, zum Bei- und Nachhaltigkeit vereinen lassen. herstellen. spiel durch einen Gästewohnungspool (mehr hierzu auf Seite 8 und 9). Auch der Verein Ein Aspekt für die Unkenntnis der Öffentlich- Mit dem Subsidiaritätsprinzip Wohnen in Genossenschaften verfolgt den keit und insbesondere der jüngeren Gene- in die Moderne Ansatz, den Genossenschaftsgedanken an die rationen (vgl. Tabelle 2) ist darin zu suchen, Genau an dieser Stelle griffen einige Woh- modernen Gegebenheiten anzupassen. Hier- dass die Wohnungsbaugenossenschaften nungsbaugenossenschaften auf das Subsidi- zu setzt der Verein vor allem auf ein breites mit ihren einzigartigen Werten viel zu passiv aritätsprinzip zurück und schlossen sich zur Netzwerk aus Partnern, um auf genossen- umgehen. Zwar bewerben viele Wohnungs- Marketinginitiative der Wohnungsbaugenos- schaftliche Fragestellungen mithilfe von pra- baugenossenschaften die Selbsthilfe, Selbst- senschaften Deutschland e.V. und zum Verein xisorientierter Forschung Lösungen zu finden verantwortung und die Selbstverwaltung, Wohnen in Genossenschaften e.V. zusam- (siehe hierzu Seite 10). FE aber es schaffen noch zu wenige Genossen- men. Das erklärte Ziel der Marketinginitiative schaften, diese Schlagworte auch transparent ist die Marke „Wohnungsbaugenossenschaft“ 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GENOSSENSCHAFTEN 7 INTERVIEW MIT >> Dr. Ingo Köhler, Wirtschafts- und Unternehmenshistoriker an der Humboldt-Universität zu Berlin „Der Zusammenschluss von Foto: Gerrit Mumme Einzelnen zu Gemeinschaften“ Dr. Ingo Köhlers Forschungsschwerpunkte liegen in der Wirt- schafts- und Unternehmensgeschichte. Neben der Entwicklung der ökonomischen Theorie beschäftigte er sich vor allem mit der Geschichte des Marketing und der Unternehmens- kommunikation. Dabei analysiert er, wie Marktausrichtung, Organisationsform oder individuelle Leistung zum Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen führen. VM: Der Genossenschaftsgedanke ist und Dienstleistungen führten. Der Zusam- zeigt nicht zuletzt der Sharing Econo- über 150 Jahre alt. In welchem gesell- menschluss von Einzelnen zu Gemeinschaf- my-Boom, dass genossenschaftsähnliche schaftlichen Umfeld entstand der ten, so das Grundprinzip, sollte deren Markt- Wirtschaftsformen eine Revitalisierung Genossenschaftsgedanke? position stärken und die Versorgung mit erfahren, wenn sie Identifikation ermög- Konsum- und Investitionsgütern, Wohnraum lichen. Dr. Ingo Köhler: Die Genossenschafts- oder Krediten sicherstellen. Man rief also idee war eine Reaktion auf die Verelen- weder nach dem Staat noch nach der Revo- VM: Wohnen ist die neue soziale Frage dung breiter Bevölkerungsteile in der lution, sondern nach der Selbstorganisation. unserer Zeit. Inwieweit sind die Genos- frühen Phase der Industrialisierung. Viele senschaftsprinzipien aus Ihrer Sicht Kleinbauern konnten nun erstmals frei VM: Was zeichnet die Unternehmensform heute noch aktuell und können zur agieren, litten aber unter hoher Verschul- Genossenschaft Ihrer Meinung nach be- Lösung beitragen? dung und Kreditmangel. sonders aus? Dr. Ingo Köhler: Nun, der Wohnungsbau Ebenso erging es Handwerks- und Kauf- Dr. Ingo Köhler: Für mich als Historiker ist sicherlich eines der Wirtschaftsfelder, mannsbetrieben, die im Wettbewerb mit ist auffällig, dass es die Genossenschaften in denen die Folgen falscher oder fehlen- der wachsenden Industrie an die Wand mit ihrem alternativen „Member-Value“- der Investitionsanreize am deutlichsten gedrückt zu werden drohten. Prinzip geschafft haben, sich über 150 Jahre sichtbar sind. Wie schon vor 70 oder 150 in ganz verschiedenen Aktionsfeldern zu Jahren mangelt es an erschwinglichem Parallel litt das neue Heer von Fabrik- behaupten. Die Stärken sind sicherlich wei- Wohnraum, nicht weniger aber an alters- arbeitern im noch ungezügelten Kapi- terhin, den Weg zur Selbsthilfe zu ebnen und und umweltgerechten Wohnkonzepten. talismus unter niedrigen Löhnen und dort kooperative Lösungen zu finden, wo katastrophalen Wohn- und Versorgungs- rein profitorientierte Einzelstrategien eine Hier kann das genossenschaftliche Woh- bedingungen. Die soziale Frage wurde geringere Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz nen als ein Hybrid zwischen Miete und zur latenten Gefahr für die bestehende und Versorgungssicherheit mit Gütern und Eigentum sicherlich langfristig helfen, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Dienstleistungen aufweisen. die Probleme abzufedern. Dies haben die Genossenschaften historisch schon Die Protagonisten des Genossenschafts- Heute wie damals ist die Bereitschaft zur bewiesen. Hierzu notwendig sind aller- gedankens waren keine politischen Um- Selbstverantwortung eine tragende Säu- dings hohe Investitionen, die auch den stürzler, sondern Sozialreformer. Her- le, um eine Orientierung am Gemeinwohl Wohngenossenschaften einiges abver- mann Schulze-Delitzsch und Friedrich auf der Grundlage marktwirtschaftlicher langen und Transparenz in den Finanzie- Wilhelm Raiffeisen wollten das System von Anreize zu ermöglichen. Es gilt, die ökono- rungs- und Haftungsfragen erfordern, um innen heraus mittels institutioneller Inno- mischen Synergieeffekte zu nutzen und die ausreichend Mitglieder gerade für kleinere vationen modernisieren. Orientierung ga- demokratische Partizipation hochzuhalten. Genossenschaften und Neubauprojekte ben ihnen die Ideale des bürgerlichen Li- Denn hier liegen die Alleinstellungsmerk- zu werben. beralismus. Die Genossenschaften sollten male, die nach innen und nach außen Sinn in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe bieten. stiften. Auch hier gilt es, auf alte Prinzipien zu- rückzugreifen, aber zugleich innovativ zu Es galt Unzulänglichkeiten des Marktes In Zeiten der Hyperindividualisierung der bleiben und neue Wege der Zusammenar- ausgleichen, wo Angebotsmonopole und Gesellschaft sind es gerade diese Werte, beit zwischen den Genossenschaften, den mangelndes privatwirtschaftliches Enga- die eine Kooperation ermöglichen und vor Kommunen und der öffentlichen Hand gement zu Fehlallokationen von Gütern Zerrissenheit schützen. In den letzten Jahren einzuschlagen. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
8 SCHWERPUNKT DIE MARKETINGINITIATIVE DER WOHNUNGSBAUGENOSSENSCHAFTEN DEUTSCHLAND E. V. Die Marke Genossenschaften konsequent präsentieren Der Verein „Die Marketinginitiative Die Mitglieder sind sich einig, dass Genos- 232 Wohnungsbaugenossenschaften haben der Wohnungsbaugenossenschaften senschaften durch die regionale Orientie- die Kampagne bereits übernommen und Deutschland“ ist ein Zusammenschluss rung im Prinzip nicht im Wettbewerb zuein- setzen sie ein. von 420 Genossenschaften mit 820.000 anderstehen und dass durch den Austausch Wohnungen und über einer Million Mit- von Wissen und Ideen alle profitieren. Es Auch in Zukunft volles Programm gliedern. Und alle haben ein gemeinsa- gibt keine Berührungsängste. Es gelingt im- Pläne für die Zukunft gibt es auch: Der Gäste- mes Ziel: die genossenschaftliche Idee mer besser, die Marke Genossenschaft mit wohnungspool soll fortentwickelt, der aktuel- („Was einer allein nicht schafft, das schaf- ihren zentralen Eigenschaften konsequent le Gästewohnungskatalog produziert und ein fen viele“) bekannter machen und die und übergreifend zu präsentieren. Gera- genossenschaftlicher Reiseführer mit Marco Marke Wohnungsbaugenossenschaften de in Zeiten, in denen über Mietendeckel Polo aufgesetzt werden. Am sog. „Gäste- stärken. oder sogar Enteignungen diskutiert wird, wohnungsservice“ beteiligen sich derzeit 96 ist es notwendig, deutlich zu machen, dass Genossenschaften (Tendenz steigend), sie Gute Ideen werden geteilt Wohnungsgenossenschaften für eine zu- stellen 142 Wohnungen in 47 Regionen für Es besteht Konsens bei den Mitgliedern: verlässige, serviceorientierte, langlebige Mitglieder der teilnehmenden Genossen- Wer eine gute Marketingidee entwickelt, und wirtschaftlich gesunde Versorgung mit schaften bereit. Insgesamt ist der Netzwerk- stellt diese und das Grundkonzept i. d. R. bezahlbaren und guten Wohnungen stehen. gedanke ein wichtiger Aspekt der Marketing- kostenfrei für die Mitglieder des Vereins initiative: Veranstaltungen sind die beste zur Verfügung. Bei der Umsetzung einer Ein Motto als Programm Gelegenheit, sich auszutauschen und mit Kampagne fallen dann in den anderen Re- „Wir sind Deutschlands größte Wohn- neuen Ideen in den Alltag zurückzukehren. gionen lediglich die Handlings- und An- gemeinschaft – und das soll jeder wissen Dafür steht neben dem jährlich wiederkeh- passungskosten an, aber eben nicht alles, …“. Mit diesem Grundgedanken will die renden Best-Practice-Tag, der zusammen mit was mit dem Kreativprozess zu tun hat und Marketinginitiative bundesweit Flagge drei Erfahrungsaustauschen (Social Media, was für gewöhnlich kostenintensiv ist. V. a. zeigen. Plakat- und Printwerbung, Kino- Gästewohnungen, Digitalisierung) stattfin- für die kleinen regionalen Verbünde mit und Radiospots und Aktivitäten im Digi- det, auch das gut eingeführte Symposium im Genossenschaften, die manchmal nur we- talbereich mit gleichen Kernaussagen November eines jeden Jahres. nige hundert Wohnungen haben, ist das ein kommen landauf landab zum Einsatz. Olaf Rabsilber/KS großer Vorteil. 19 regionale Arbeitsgemeinschaften mit 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GENOSSENSCHAFTEN 9 INTERVIEW MIT >> Olaf Rabsilber, Vorsitzender der Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V. „Die Kampagne leitet sich direkt aus der genossenschaftlichen Idee und ihren Vorteilen ab“ Olaf Rabsilber ist Vorsitzender der Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V. und Vorstand der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Oberhausen- Sterkrade eG. Im Interview erklärt er, wie es zur Kampagne der Marketinginitiative kam, welche Ziele im Mittelpunkt stehen und welches Potenzial für Genossenschaften darin steckt. VM: Wie beeinflusst die aktuelle gne für Genossenschaften? Welche Ziele aus der genossenschaftlichen Idee und wohnungspolitische Diskussion die sollten erreicht werden? Und welche Ziel- ihren Vorteilen ab, besetzt Wohnungsbau- Arbeit der Marketinginitiative? gruppen? genossenschaften mit positiven Werten und basiert auf einer klaren und spitzen Olaf Rabsilber: Aus den Regionen und Olaf Rabsilber: Die Zeit ist reif, gemeinsam konzeptionellen Leitidee. Die Kampagne den Genossenschaften, die bisher eher in aktiv zu werden. Gemeinsam wollen wir ist so konzipiert, dass sie langfristig tragfä- der Betrachtungsrolle oder aufgrund der überregional einheitlich auftreten, die Mar- hig und gleichzeitig variabel einsetzbar ist. guten Wohnungsmärkte zurückhaltend ke „Wohnungsbaugenossenschaften“ klar Neben der positiven Außenwirkung kann waren, steigt das Interesse. Aber auch die am Markt positionieren und deren Profil die Kampagne als kommunikative Klam- Wahrnehmung einer Kampagne unter inhaltlich schärfen. mer für unsere über 400 Mitglieder fun- dem Dach eines Markenzeichens („Wer- gieren. Denn als einheitlich auftretende te“) zeigt Wirkung. Ziel der in Berlin entwickelten Kampagne Marketinginitiative bringen wir die Werte, ist es, die genossenschaftliche Idee zu be- für die Wohnungsbaugenossenschaften VM: Was waren die Beweggründe für werben und deren Bekanntheit weiter zu stehen, kreativ, öffentlichkeitsstark und die Entwicklung einer eigenen Kampa- steigern. Die Kampagne leitet sich direkt gemeinsam auf den Punkt. Zielgruppen? Alle. Gleichwohl wollen wir insbesondere auch die jungen Men- schen erreichen. Denn wir sind nicht nur Vermieter, sondern auch Ausbilder und Arbeitgeber. VM: Wenn Sie einmal zehn Jahre in die Zukunft denken: Was ist Ihr Wunsch für die Wahrnehmung von Genossenschaf- ten? Wofür sollten Genossenschaften stehen? Olaf Rabsilber: Kurz gesagt: dass Genos- senschaften modern, serviceorientiert und sozial engagiert und der Inbegriff für leistungsstarkes, attraktives und bezahl- bares Wohnen sind. Und darüber hinaus als attraktive Arbeitgeber und Ausbilder v. a. auch bei jungen Menschen bekannt sind. Fotos: Marketinginitiative Wir sind überzeugt: Die Menschen wer- den unsere „Bauklötzchen“ und Genos- senschaften gerade angesichts der all- gemeinen Entwicklungen rund um das Thema Wohnen mehr denn je zu schätzen wissen. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT >> Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender Verein Wohnen in Genossenschaften e.V., Vorstandsvorsitzender Spar- und Bauverein eG, Dortmund Von Grundlagenliteratur bis zu Best Practice-Beispielen D er Verein „Wohnen in Genos- von Immobilien, sondern insbesondere die Mitglied werden kann jede Wohnungsge- senschaften“ engagiert sich für nachhaltige Substanz-, Wert- und Ergeb- nossenschaft in Deutschland. Zudem kön- die Förderung der Forschung auf nisstabilisierung des Gesamtportfolios im nen auch private und juristische Personen dem Gebiet des genossenschaftlichen Zusammenspiel mit den sozialen Bedürf- als Mitglied einen Beitrag zur Forschung Wohnens. Dazu bildet er eine Schnittstelle nissen der Mitglieder. Das generationen- im Genossenschaftswesen leisten. Einzige zwischen der Forschung und wohnungs- übergreifende Gedankengut in Strategie und Beitrittsvoraussetzung ist ein jährlicher wirtschaftlicher Praxis. Denn genauso wie Projektmanagement sowie die ganzheitlich Mindestbeitrag von 130 Euro. die Wissenschaft auf das Wissen der ge- angelegten Handlungskonzepte bieten viel nossenschaftlichen Praxis angewiesen ist, Gestaltungsspielraum für die verantwortli- Sofern es sich bei dem Mitglied um eine stellen die daraus gewonnenen Erkennt- chen Akteure. Wohnungsgenossenschaft handelt, wer- nisse Grundpfeiler und Innovationsmög- den 0,26 Euro pro eigene Wohnung pro lichkeiten für die Genossenschaften dar. Da eine Genossenschaft von ehrenamtli- Jahr erhoben; auf eigenen Wunsch der In Kooperation mit dem EBZ in Bochum chem Engagement und der Partizipation Genossenschaft könnte der sich daraus baute der Verein ein Archiv zur genossen- der Mitglieder lebt, spielt die Pflege der per- ergebende Mindestjahresbeitrag freiwil- schaftlichen Literatur auf. Zudem arbeitet sönlichen Nähe zu den Genossenschaftsmit- lig weiter aufgestockt werden. Sämtliche er mit verschiedenen wissenschaftlichen gliedern eine wichtige Rolle. Die Mitglieder Beiträge dienen der Finanzierung unserer Einrichtungen zusammen, die mit Publi- zu motivieren, sich ohne finanzielle Reize wissenschaftlichen Projekte. kationen das Thema „Wohnen in Genos- einzubringen, ist wohl die größte Heraus- senschaften“ aufgreifen und beleuchten. forderung. VM: Wie versucht der Verein konkret den Gedanken des genossenschaft- VM: Was zeichnet für Sie die VM: Was waren die Beweggründe für die lichen Wohnens zu fördern? Wohnungsgenossenschaften aus und Gründung des Vereins Wohnen in Genos- wie unterscheiden sich diese von senschaften? Was sind die Ziele des Ver- Franz-Bernd Große-Wilde: Die Mitglie- anderen Wohnungsunternehmen? eins und wer kann Mitglied werden? der werden aktiv animiert, sich in Auswahl und inhaltliche Gestaltung von Projektstu- Franz-Bernd Große-Wilde: In einer Franz-Bernd Große-Wilde: Genossen- dien einzubringen. Die Vorstandsmitglie- Genossenschaft spielt die Balance aus schaften haben aufgrund ihrer Unterneh- der erarbeiten dazu das Grundgerüst, wäh- wirtschaftlicher und sozialer Betrach- mensgröße selten eine eigene Forschungs- len Themenfelder aus, setzen die Agenda tungsweise bei jeder Entscheidung ei- abteilung. Dadurch fehlt an vielen Stellen und Methodik der Bearbeitung, verhan- ne bedeutsame Rolle. Entscheidend ist die Chance, zeitgemäße Herausforderungen deln mit wissenschaftlichen Partnern. also nicht allein die Wirtschaftlichkeit grundsätzlich wissenschaftlich zu durch- leuchten. Unser Verein bietet den Mitglie- Wichtige Synergieeffekte ergeben sich für dern eine gemeinsame Plattform, relevante den Verein aus der engen Kooperation Themen mit entsprechender Fachexpertise mit dem VdW Rheinland Westfalen: Dies Foto: Roland Baege zu hinterfragen und für die praktische Arbeit betrifft sowohl die Ablauforganisation aufzubereiten. Auf diese Art und Weise soll als auch die Zusammenarbeit mit Netz- eine breite wissenschaftliche Basis für das werkspartnern bis hin zur Akquise von Genossenschaftswesen geschaffen werden – möglichen Fördergeldern. von der Grundlagenrecherche bis hin zu Best Practice-Beispielen. Zu detaillierteren Informationen ver- weise ich auf unseren Webauftritt unter Ein wesentlicher Baustein ist es, wissen- www.wohnen-in-genossenschaften.de. schaftliche Studien durch Praxiserfahrun- Dort finden Sie eine Übersicht zu den gen anzureichern und greifbarer zu machen; Publikationen der letzten Jahre sowie ein aus diesen können dann Ausstrahleffekte für Antragsformular, sollten Sie sich für eine die jeweils eigene Arbeit und Handlungs- Mitgliedschaft im Verein entscheiden. Wir empfehlungen für alle Mitglieder abgeleitet würden uns sehr über Ihre Mitwirkung werden. freuen! 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GENOSSENSCHAFTEN 11 INTERVIEW MIT >> UDO BARTSCH, VORSTAND EISENBAHNER BAUVEREIN EG DÜSSELDORF (EBV), VORSTANDSMITGLIED ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EISENBAHNER-WOHNUNGSBAUGENOSSENSCHAFTEN „Die genossenschaftlichen Prinzipien haben auch heute nichts von ihrer Notwendigkeit verloren“ Udo Bartsch ist seit 2001 hauptamtliches und seit 2005 geschäftsführendes haupt- amtliches Vorstandsmitglied der Eisen- bahner-Bauverein eG Düsseldorf (EBV). Zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn verantwortete der waschechte „Bahner“ u. a. die Grundstücks- und Liegenschafts- verwaltung für den Bezirk Düsseldorf. Heute liegen seine Arbeitsschwerpunk- te in der (energetischen) Sanierung des EBV-Wohnungsbestandes, im bestands- ersetzenden Neubau und dem Ankauf der Erbbaugrundstücke des Bundeseisen- bahnvermögens. VM: Die EBV wurde 1900 von Eisenbah- Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Udo Bartsch: In einer boomenden Großstadt nern gegründet. Inwiefern prägt diese Eigenvorsorge durch Selbsthilfe waren das wie Düsseldorf und dem damit verbundenen Vergangenheit auch heute noch die Fundament. Mangel an preiswertem Wohnraum hat die Genossenschaft? EBV ihren Platz nicht nur für Eisenbahner, Diese genossenschaftlichen Prinzipien ha- die es nicht leicht haben, sich mit preiswer- Udo Bartsch: Zukunft braucht Herkunft. Aus ben auch heute nichts von ihrer Notwen- tem Wohnraum zu versorgen, sondern für diesem Grund stehen wir auch weiterhin digkeit verloren, wenn man die Situation alle wohnungssuchenden Menschen. in der Tradition als eine von Eisenbahnern auf den Wohnungsmärkten, gerade in den gegründete Wohnungsbaugenossenschaft. Großstädten, betrachtet. Sie sind eigentlich Bereits 1975 hat sich die EBV für alle Woh- Noch heute sind wir eine anerkannte be- moderner und notwendiger denn je. Bei nungssuchenden geöffnet und muss sich am triebliche Sozialeinrichtung der Bahn und allen Veränderungen im Wirkungskreis der Markt wie jedes andere Wohnungsunterneh- des Bundeseisenbahnvermögens, die auch Genossenschaft, im Staat, der Wirtschaft men behaupten. Unsere Rolle wird es in weiterhin ein Belegungsrecht an unseren und der Gesellschaft konnte die EBV sich Zukunft sein, weiterhin als Partner der Bahn Wohnungen haben. vieles von den Überzeugungen ihrer Gründer und des Bundeseisenbahnvermögens für bewahren. wohnungssuchende Eisenbahner zur Verfü- In den letzten Jahren wurde diese Belegung gung zu stehen und uns weiter aktiv am auch wieder stärker genutzt, sodass durch- Gerade dies ist das eigentliche Erfolgsmo- Düsseldorfer Wohnungsmarkt als Unterneh- schnittlich ein Viertel aller zur Vermietung dell, nicht nur von Eisenbahner-Wohnungs- men einzubringen – bei weiterhin hohen zur Verfügung stehenden Wohnungen im baugenossenschaften. Heute hat die EBV Bestandsinvestitionen, bestandsersetzenden Jahr wieder mit Eisenbahnern belegt werden. einen Bestand von 2.185 Wohnungen bei Neubaumaßnahmen und einer guten, kun- Noch heute gibt es einen Zusammenschluss 2.900 Mitgliedern in Düsseldorf mit Nut- denorientierten Qualität unserer Arbeit. von 35 Eisenbahner-Wohnungsbaugenos- zungsgebühren, die sich deutlich unterhalb senschaften aus ganz Deutschland mit einer der Mietrichtwerttabelle für Düsseldorf be- sehr regen und aktiven Zusammenarbeit. finden. Die Genossenschaft steht auf einem Fotos: EBV gesunden wirtschaftlichen Fundament. Die- VM: In den letzten 120 Jahren hat sich se positive wirtschaftliche und soziale Be- die Welt komplett verändert. Sind für deutung verdankt sie nicht zuletzt dem Enga- Sie die genossenschaftlichen Prinzi- gement ihrer Mitglieder, sondern auch den pien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und genossenschaftlichen Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverantwortung überhaupt noch Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. zeitgemäß? VM: Düsseldorf boomt wie andere Udo Bartsch: Schon vor 120 Jahren war der Großstädte in NRW auch. In welcher Einzelne i. d. R. nicht in der Lage, Wohnei- Rolle sieht sich die EBV in diesem gentum und damit ein Stück soziale Sicher- angespannten Wohnungsmarkt – auch heit zu erwerben. Nicht der Forderungsge- in Abgrenzung zu anderen Wohnungs- danke oder der Ruf nach dem Staat, sondern unternehmen und -genossenschaften? 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12 SCHWERPUNKT INTERVIEW MIT >> CHRISTOPH REHRMANN, GESCHÄFTSFÜHRENDER VORSTAND DER GEMEINNÜTZIGEN WOHNSTÄTTEN- GENOSSENSCHAFT HAGEN EG (GWG), SPRECHER ARBEITSGEMEINSCHAFT HAGENER WOHNUNGSGENOSSENSCHAFTEN „Auch als Genossenschaft müssen die Maßnahmen für uns zu einer Wirtschaftlichkeit führen“ S eit dem 1. Januar 2008 ist Christoph Außerdem müssen die Bestände unserer Ge- Rehrmann geschäftsführender Vor- nossenschaft energetisch und optisch so auf- stand der Gemeinnützige Wohnstät- bereitet werden, dass sie entsprechend nach- tengenossenschaft Hagen eG (GWG). Sein gefragt werden. Zudem widmen wir uns der aktuelles Tagesgeschäft am Standort Hagen individuellen Beratung und der Betreuung in ist dominiert von der Sanierung der genos- technischer, sozialer und gesellschaftlicher senschaftseigenen Bestände, dem Abriss und Hinsicht. Dazu gehört u. a. die Anpassung Neubau von Wohnungen, der Planung einer der Wohnungen an die sich wandelnden dreizügigen Grundschule mit Schwimmhalle Bedürfnisse unserer Mieterschaft. Auch die und Sporthalle und einer achtzügigen Kita – Nachfrage nach altersgerechten Wohnungen und das an einem Standort jenseits der boo- steigt stetig an. menden Metropolen. VM: Mit welchen konkreten Strategien, Mit diesen Maßnahmen erreichen wir, dass VM: Leerstand, Bevölkerungsrückgang Instrumenten und Maßnahmen begegnen unsere Objekte i. d. R. zu einer marktge- und demografischer Wandel: Hagen Sie diesen Herausforderungen in Neubau rechten Miete vermietet werden können. gehört zu den Städten in NRW mit großen und Bestand? Sicherlich steht nicht die Gewinnmaximie- wohnungswirtschaftlichen Herausfor- rung durch Erzielung von Spitzenmieten, derungen. Was bedeutet das für Sie als Christoph Rehrmann: Zum einen gilt es, sondern die Förderung der Gemeinschaft im Wohnungsgenossenschaft? die traditionsbewusste Genossenschaftsidee Vordergrund unserer Geschäftspolitik. Aber bei gleichzeitiger innovativer Gestaltung nur die marktgerechte Miete ermöglicht uns, Christoph Rehrmann: Natürlich machen von Wohnraum auf den aktuellen Stand auch weiterhin auf dem hohen Niveau zu sich der Bevölkerungsrückgang und der de- der Technik zu bringen. So legen wir bereits arbeiten. Auch als Genossenschaft müssen mografische Wandel auch auf dem Hagener seit 2006 unser Augenmerk auf die vollum- die Maßnahmen für uns zu einer Wirtschaft- Wohnungsmarkt durch eine hohe Anzahl an fängliche Modernisierung ganzer Quartiere, lichkeit führen und besondere Projekte auch leer stehenden Wohnungen bemerkbar. Dies einschließlich Grundrissänderungen und mal im oberen Mietsegment liegen, um tat- stellt eine große Herausforderung für uns Wohnumfeldverbesserungen. Zum anderen sächlich die ganze Breite einer Bevölkerung dar. Denn neben der Besinnung auf die tra- sind Verkäufe von allein stehenden Häusern mit Wohnraum zu versorgen. dierten Werte unserer Genossenschaft gilt es oder auch der Abriss ganzer Quartiere für gleichzeitig, sich den Herausforderungen der uns Mittel zur zukunftsträchtigen Bestands- VM: Welche Rolle spielen die genos- Gegenwart und der Zukunft zuzuwenden. verwaltung. senschaftlichen Werte Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwor- tung in Ihrer täglichen Arbeit und den Mitgliedern gegenüber? Christoph Rehrmann: Es gilt die zukünfti- gen Maßnahmen den aktuellen Gegebenhei- ten anzupassen und sowohl die Mitglieder als auch die Mieterschaft im Rahmen der Möglichkeiten einzubeziehen. So stehen wir nicht nur im Dialog mit den Vertretern in unseren regelmäßig stattfindenden Wahlbe- zirksversammlungen, in denen uns aus den Quartieren berichtet wird. Auch führen wir Mieterversammlungen und Mieterbefragun- gen durch, an deren Ende Handlungsmaß- Fotos: GWG Hagen nahmen aus den Befragungsergebnissen generiert werden. Dieses Vorgehen ermög- licht uns den Bezug zu den konkreten Be- dürfnissen unserer Mieterschaft, die dann eben bei den zukünftigen Maßnahmen be- Neubauvorhaben Beethovenstraße: 33 frei finanzierte Wohnungen rücksichtigt werden können. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GENOSSENSCHAFTEN 13 INTERVIEW MIT >> Kai Schwartz, Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Freie Scholle eG „Durch die Beteiligung unserer Mitglieder haben wir das Ohr direkt am Kunden“ Kai Schwartz, 56 Jahre, ist gelernter Elektriker und Diplom-Wirtschaftsmathematiker. Seit 25 Jahren arbeitet er bei der Baugenossenschaft Freie Scholle eG und ist zurzeit Vorstandsvorsitzender. VM: Selbstverwaltung gilt als eines der umgesetzt. Was beinhaltet es und was Fotos: Freie Scholle Bielefeld eG zentralen Genossenschaftsprinzipien. war Ihre Motivation? Welchen Stellenwert hat die Selbstver- waltung für Sie? Kai Schwartz: Das neue Beteiligungskon- zept stellt die Einbindung der Mitglieder Kai Schwartz: Die Selbstverwaltung hat auf eine breitere Basis als vorher. Jeder Be- für die Freie Scholle einen sehr hohen wohner hat die Möglichkeit, direkt Einfluss Stellenwert. Sie ist das Herzstück un- darauf zu nehmen, wie das Wohnen in der serer Genossenschaft, denn Mitglieder Freien Scholle gestaltet werden soll. sind nicht nur Kunden, sondern auch gemeinschaftliche Eigentümer der Genos- Gesteuert wird dieser Prozess durch den Be- senschaft. Ihre Einbindung in Entschei- teiligungsmanager, einer Stabsstelle, die di- dungsprozesse und deren Teilhabe an der rekt dem Vorstand unterstellt ist und Zugriff Gestaltung der Geschäftspolitik ist für uns auf alle Ressourcen der Verwaltung hat. Er ein wichtiger Erfolgsfaktor. ist erster Ansprechpartner für die Mitglieder, stellt die organisatorische Umsetzung ange- Wir gehen mit ihr weit über die Vorga- schobener Themen sicher und steuert die ben des Genossenschaftsgesetzes und Kommunikation zwischen den Bewohnern Satzung hinaus und ermöglichen so eine und der Verwaltung. Mit Siedlungsratssit- oder das Engagement von Eltern, sich für stärkere Selbstverwaltung. Ganz konkret zungen, Workshops, Arbeitsgruppen und einen neuen Spielplatz einzusetzen. Weil und hautnah erleben das unsere Vertrete- Hausversammlungen verfügt er über genau wir die Beteiligung ganz bewusst nieder- rinnen und Vertreter alljährlich auf einer definierte Beteiligungsinstrumente, die je schwellig aufgebaut haben, können wir zweitägigen Genossenschaftskonferenz. nach Anlass eingesetzt werden können. mehr Menschen als vorher motivieren, Hier werden gemeinschaftlich aktuelle sich zu engagieren. Themen wie z. B. Erarbeitung einer neuen Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Hausordnung, das neue Beteiligungsmo- die Menschen gerne einbringen, wenn es um VM: Kritiker sagen, dass Beteiligung dell oder Satzungsänderungen diskutiert. ihre unmittelbaren Interessen geht. Mit dem v. a. Geld kostet und Entscheidungswe- Oder wie im letzten Jahr: Wie soll die Freie neuen Beteiligungskonzept ermöglichen wir ge verlangsamt. Was antworten Sie? Scholle mit den Auswirkungen des Klima- unseren Bewohnerinnen und Bewohnern, wandels umgehen? sich für einzelne, zeitlich begrenzte Projek- Kai Schwartz: Das sehe ich nicht so. te zu engagieren, die sie direkt betreffen. Durch unser Beteiligungsmodell binden VM: Sie haben vor drei Jahren ein neu- Das kann zum Beispiel das Anlegen eines wir aktiv viele Mitglieder ein und geben es Beteiligungskonzept erarbeitet und Innenhofes vor der eigenen Haustür sein jedem die Möglichkeit, das Wohnen selbst mitzugestalten. Das führt eindeutig zu einer größeren Wohnzufriedenheit und Akzeptanz. Die Beteiligung rechnet sich aber nicht nur deshalb, denn wir kennen dadurch die Bedürfnisse und Wünsche unserer Mitglieder besser und vermeiden unnötige Fehlinvestitionen. Durch die Be- teiligung unserer Mitglieder haben wir das Ohr direkt am Kunden und können mit ihnen gemeinsam unsere Genossenschaft weiterentwickeln und zukunftsfähig aus- bauen. Letztendlich ist Beteiligung aktive Siedlungsworkshop – Garagenwandgestaltung im Siekerfeld Vorsorge und somit definitiv besser als Gestaltung der Grünfläche aufwendige Nachsorge. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
14 CORONA Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitglieder des VdW Rheinland Westfalen, unser gewohntes Leben hat sich verändert in den vergangenen Tagen und Wochen. Das soziale und Wirtschaftsleben ganzer Länder und Kontinente wurden wegen der COVID-19-Pandemie in wenigen Tagen auf Null gefahren, die Zahl infizierter Menschen steigt stündlich weiter an, in Deutschland liegt bei uns in Nordrhein-Westfalen leider unverändert ein Schwerpunkt der ge- meldeten Infektionsfälle. Um insbesondere die Menschen schützen zu können, die aufgrund ihres Alters oder relevanter Vorerkrankungen einer besonders gefährdeten Risikogruppe angehören, und unser Gesund- heitssystem für die Behandlung gerade dieser Menschen arbeitsfähig zu halten, wurden in den vergangenen Wochen viele Veranstaltungen in allen Bereichen des öffentlichen und wirtschaftli- chen Lebens abgesagt – auch von uns als VdW Rheinland Westfalen. Nun begegnen wir uns in unserem Arbeitsalltag digital und virtuell, in Telefonkonferenzen oder über Bildschirme. Die Art und Weise, wo, wie und in welcher Geschwindigkeit wir unsere Arbeit machen, hat sich in nur wenigen Tagen spürbar gewandelt und wird sich in den kommenden Wochen, vielleicht Monaten, noch weiter wandeln müssen. Wir werden flexibler, digitaler und innovativer und wundern uns, wie wir gegenwärtig Dinge verändern, die noch vor Kurzem schwer vorstellbar schienen. Wenn in dieser Krise etwas Gutes stecken mag, dann der Impuls und Anstoß für uns alle, im Verband, aber auch in vielen Mitgliedsunternehmen und -genossen- schaften, neue Wege zu finden und zu gehen. Die digitale und virtuelle Kommunikation wird auch künftig die persönliche Kommunikation im Kontakt zu Kunden, Mietern und Mitgliedern weiter ergänzen. Der Gesetzgeber hat bei- spielsweise schon jetzt umfangreiche Möglichkeiten eröffnet, gesellschaftsrechtlich notwendige Versammlungen im virtuellen Raum durchzuführen. Wo diese neuen Möglichkeiten eine ech- te Lösung bieten, sollten wir sie auch mutig nutzen. In einigen Fällen mag es besser sein, aus Gründen der Partizipation und sozialen Teilhabe aller Interessensgruppen abzuwarten – und dann zu gegebener Zeit wieder persönlich zusammenzukommen. Um in den anstehenden Abschlussprüfungen trotz aller Widrigkeiten einen verhältnismäßig reibungslosen Arbeitsablauf gewährleisten zu können, werden digitale Kommunikationsinstru- mente, die in den letzten Jahren vorbereitet wurden, nun in Breite angewendet. Der unmittel- bare Austausch bleibt auch dabei unverzichtbar, auch wenn er im Wesentlichen im virtuellen Raum stattfindet. Aufgrund der von Bund und Ländern beschlossenen einschneidenden Maßnahmen machen sich viele unserer Mieter angesichts der notwendigen Schließungen von Geschäften, Restau- rants und vielen kleinen und mittleren Betrieben Sorgen um ihren Arbeitsplatz, befürchten spürbare finanzielle Einbußen und damit in die Situation zu geraten, nicht wie gewohnt ihren Mietzahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Als Wohnungswirtschaft sind wir uns unserer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden als ehemals ge- meinnützige, als gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft für die Menschen, die aufgrund dieser Situation unverschuldet in finanzielle Notlagen geraten, partnerschaftlich und im Mitei- nander Lösungen finden – mit staatlicher Unterstützung, durch Verzicht auf Mieterhöhungen, unbürokratische Ratenzahlungen oder Mietstundungen. Um Sie als unsere Verbandsmitglieder in der gegenwärtigen Situationsdynamik zu allen rele- vanten Fragen rund um die Themen Infektionsschutz und Seuchenrecht, Arbeits- und Miet- recht, betriebliche Pandemiemaßnahmen, über Einschränkungen im öffentlichen und nicht- öffentlichen Raum sowie über neue Fördermöglichkeiten zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen dieser Krise und allen weiteren wichtigen Informationen auf dem Laufenden zu halten, ist unser VerbandsMagazin bei aller Beliebtheit und wohnungswirtschaftlichen Aktualität nur ein unzureichendes Medium. 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
CORONA 15 Daher haben wir für Sie neben unseren regelmäßigen Rundschreiben auf unserer Internetseite unter https://share.vdw-rw.de/corona eine Sonderseite eingerichtet, auf der Sie alle entschei- denden Informationen finden und die von uns kontinuierlich, oft mehrfach am Tag, aktualisiert wird. Über alle Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise informieren wir auch tagesaktuell über unser www.netzwerkwohnungswirtschaft.de in der Gruppe Erfahrungsaus- tausch Corona-Virus VdW-RW. Falls Sie noch keinen Zugang zum Netzwerkwohnungswirtschaft haben, können Sie sich einfach und unkompliziert unter https://netzwerkwohnungswirt- schaft.de/users/sign_up anmelden. Mehr als ein Drittel unserer Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften ist dort bereits aktiv, stellt Fragen und Informationen ein, bekommt zügige Rückmeldungen und das aus unserem gesamten Netzwerk, aus allen Bundesländern und Regi- onalverbänden und von vielen anderen Verbandsmitgliedern des GdW. Neben diesem kontinuierlichen Informationsangebot und dem fachlichen und kollegialen Austausch stehen aber auch viele andere Fragen im Raum: Was macht diese Krise aus uns? Wie verändert sie den Alltag von Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften? Wie reagieren wir auf einschneidende Veränderungen wie das sogenannte COVID-19-Gesetz, mit weitreichenden Änderungen zum Kündigungsschutz? Wie reagieren wir auf ausbleibende Mieten, stillgelegte Baustellen und ausbleibende Handwerker? Was passiert in unseren Wohn- und Stadtquartieren und mit den Menschen, die bei uns wohnen und leben? Und wie kommen wir aus dieser Krise hinaus, wenn viele Themen wie bezahlbares Wohnen oder Klimawandel und Dekarbonisierung wieder auf uns warten? Mit dieser und den kommenden Ausgaben des VerbandsMagazins möchten wir Ihnen auf extra erstellten Sonderseiten zur Coronakrise ein Stück weit darüber berichten. Jetzt, in diesen Zeiten, in denen Leben und Alltag eben nicht mehr wie gewohnt verlaufen können, werden wir Men- schen aus unseren Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften zu Wort kommen lassen, die zeigen, wie sie Ältere nun in der eigenen Häuslichkeit, oft alleine, isoliert und auf Hilfe angewie- sen, Hilfestellung beim Einkaufen geben, Familien mit Betreuungsangeboten unterstützen und nachbarschaftliche Netzwerke, Kommunikation oder auch das kleine Konzert von Nachbarn für Nachbarn im abendlichen Innenhof organisieren. Denn viele Verbandsmitglieder tun genau das und noch vieles mehr und zeigen damit Gemein- sinn, Nachbarschaft und Füreinanderdasein. Unter dem Hashtag #zusammenhaltimwesten veröffentlichen wir auf unserem Twitter-Kanal https://twitter.com/VdWRW regelmäßig Bei- spiele, auf die wir als gesamte Branche stolz sein können. Keiner von uns weiß, wie sich die Situation weiter entwickeln und wie lange sie andauern wird, lassen Sie uns daher bitte auch weiter im engen Dialog bleiben, hier im VerbandsMagazin, aber auch in allen unseren anderen Netzwerken. Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung in diesen außergewöhnlichen Zeiten und wünschen Ihnen, Ihren Familien und allen Menschen, die Ihnen persönlich nahestehen, dass sie gesund bleiben. Alexander Rychter Dr. Daniel Ranker Verbandsdirektor Prüfungsdirektor 04/2020 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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