Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...

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Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Dial   g                                                                     Ausgabe

Magazin der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
                                                                             39
                                                                             Dezember 2018

                                               Spchwer       Standortfaktor
                                                   unkt      Verwaltung
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Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
IMPRESSUM                                        Inhalt
Dialog                                           Editorial
Magazin der Hochschule für öffentliche
                                                 des Rektors                                                                       2
Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg
Ausgabe 39 – Dezember 2018
                                                 der Redaktion                                                                     3

Herausgeber                                      Schwerpunkt: Standortfaktor Verwaltung
                                                 Sp
Hochschule für öffentliche Verwaltung und             Gründungsfreundlichkeit als wichtiger Standortfaktor                         4
Finanzen Ludwigsburg (HVF) in Verbindung mit     Sp
                                                      Eine Reform der Unternehmensbesteuerung ist erforderlich                     6
dem Verein der Freunde der Hochschule            Sp
                                                      Hebesätze als zentrales Instrument der Standortpolitik                       8
                                                 Sp
                                                      Potenziale der Digitalisierung besser nutzen                                10
Redaktion
Prof. Dr. Volkmar Kese (verantw.),
Eva Baum M. A., Karin Franz,                     Fachforum
Dr. Daniel Zimmermann                            Unsere Kolleginnen und Kollegen auf dem Büchermarkt ...                          12

Anschrift der Redaktion                          Studium
Hochschule für öffentliche Verwaltung
                                                 Fachprojekt „NKHR – Wir stellen um“ feiert 10-jähriges Jubiläum im Schwarzwald   14
und Finanzen Ludwigsburg
                                                 Einblicke in die Vermögensrechnung des Landes                                    16
Reuteallee 36; 71634 Ludwigsburg
Telefon 07141/140-541                            Steuerstudierende erhalten Einblicke in Technologiefabrik                        17
www.hs-ludwigsburg.de                            Bachelor-Feier der Steuerverwaltung                                              18
dialog@hs-ludwigsburg.de                         Bachelor-Feier der Allgemeinen Finanzverwaltung und Rentenversicherung           19
                                                 MEPA-Studierende knüpfen schon im Studium Berufsnetzwerke                        20
Verein der Freunde                               Persönliche Weiterentwicklung durch das Auslandspraktikum im MEPA                21
Bürgermeister Klaus Warthon,
                                                 Große Karriereschritte schon während des Master-Studiums                         22
Ulla Gottwald
                                                 Erfolgreicher Start des neuen MPM-Jahrgangs                                      23
Fotos                                            Wahl des neuen Ausbildungspersonalrats                                           24
HVF Ludwigsburg, VdF, Privatbesitz, Ministeri-
um für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau        Hochschule
BW (S. 5), Richard Boorberg Verlag GmbH &        Hauptsache Steuern gespart – Der dritte Tax Slam an der HVF                      25
Co. KG (S. 12, 13), Springer Verlag GmbH         Start des neuen Kontaktstudiums „Kommunaler Steuerexperte“                       26
(S. 12), WILEY VCH Verlag GmbH (S. 12),
                                                 Kongressreihe zu Arbeits- und Führungswelten der Zukunft                         28
W. Kohlhammer GmbH (S. 13), HUSS-MEDIEN
GmbH (S. 13), Ministerium für Finanzen BW
(S. 16), Andreas Dalferth (S. 22 unten),         Verein der Freunde
Benjamin Stollenberg, (S. 22 oben), Integrati-   Bewerbungstraining für künftige Absolventinnen und Absolventen                   29
onsnetzwerk Hohenlohe-Main-Tauber (S. 31),       Preisverleihung bei der Bachelor-Abschlussfeier                                  29
Gemeinde Empfingen (S. 32, 33). Wir danken       Wiedersehen macht Freu(n)de                                                      29
HOFFMANN FOTOGRAFIE (73240 Wendlingen)
                                                 Führungserkenntnisse beim fachwissenschaftlichen Tag                             30
für die Fotos der Bachelor-Feiern und für das
Foto auf S. 47 oben.
                                                 Praxis im Dialog
Verlag                                           Die Europäische Finanzkontrolle Strukturförderung                                30
Staatsanzeiger für                               Das Integrationsnetzwerk – ein innovatives Projekt                               31
Baden-Württemberg GmbH & Co. KG                  Zukunftsfähigkeit: Mit Charme, Humor und fundiertem Wissen                       32
Breitscheidstraße 69, 70176 Stuttgart            Interdisziplinäre Vertiefung und Beratung „von der Praxis für die Praxis“        34
Projektmanagement: Meike Habicht M. A.,
                                                 Wie Landkreise ihre Europafähigkeit verbessern können                            36
Layout: Sonja Krämer

Druck                                            HVF International
Offizin Scheufele,                               Interviews mit internationalen Gastdozierenden an der HVF                        38
Druck & Medien, Stuttgart                        International Summer School in Ludwigsburg                                       39
                                                 Zusammenarbeit der Steuerverwaltung mit Frankreich                               40
Erscheint zweimal jährlich/Auflage 5.000

                                                 Der Amtsschimmel wiehert . . . 
Die Redaktion bedankt sich bei Frau
Dr. Petra Pfisterer für das Erstellen
                                                 Über die Schwierigkeiten, eine Dienstreise korrekt abzurechnen                   41
der Seiten „Ludwigsburger Autoren“.
                                                 Personalia                                                                       42

                                                 Kurz berichtet                                                                   45

                                                 Ludwigsburger Autoren
                                                 Aktuelle Veröffentlichungen unserer Kolleginnen und Kollegen                     48
            Unterstützt durch:

                                                                                                     Dialog 39 | Dezember 2018     1
Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Editorial des Rektors

                                             Liebe Leserinnen und Leser,

                                             die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen durchlebt aktuell eine
                                             spannende Zeit.

                                             Henrik Becker ist zum neuen Kanzler der Hochschule gewählt worden. Wir stellen
                                             Ihnen den Verwaltungsjuristen im nächsten Heft ausführlich vor. Zuvor verabschieden
                                             wir die bisherige Kanzlerin Ingrid Dunkel mit einer Würdigung. In ihrer Ära wurde der
                                             HVF 2017 das Zertifikat „Audit Familiengerechte Hochschule“ verliehen. Daran schließt
                                             sich eine weitere Auszeichnung an: Die HVF wurde vom Verlagshaus Gruner + Jahr
                                             als einer der „Besten Arbeitgeber für Frauen“ prämiert und gehört damit zu den 91
                                             Institutionen, die bei der Auswertung Spitzenwerte erhalten haben.

Prof. Dr. Wolfgang Ernst,                    In Abstimmung mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst startet
Rektor der HVF Ludwigsburg
                                             die HVF eine Qualitätsoffensive. Geplant sind die Durchführung einer institutionellen
Evaluation der Hochschule sowie ein internes Kommunikationsprojekt, um die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschule zu beleuchten
und zu verbessern. Um dies erfolgreich voranzutreiben, müssen sowohl die Prozesse in der Hochschule als auch das Commitment
der Beschäftigten zur Hochschule in einer gesamtheitlichen Betrachtung zu einem modernen Leitbild weiterentwickelt werden. Für
dieses Projekt läuft derzeit die Suche nach einem geeigneten professionellen Beratungsteam.

Schwerpunkt „Standortfaktor Verwaltung“
Wie sich Spitzen-Führungskräfte in Baden-Württemberg optimal auf die Verwaltung 4.0 vorbereiten können, soll in der Reihe
„Arbeits- und Führungswelten der Zukunft“ diskutiert werden. Im April kommenden Jahres beschäftigt sich der Kongress auch mit
dem Thema „Technologische Trends und New Work – Potenziale für die öffentliche Verwaltung“.

Veranstaltungen im Frühjahr
Das neue Jahr an der Hochschule startet mit einer Reihe hochkarätiger Vorlesungen und Tagungen. Unserem neuen
Honorarprofessor Dr. Albrecht Rittmann ist es gelungen, Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft für die Lehre im
Vertiefungsschwerpunkt Führung zu gewinnen. Wir erwarten Ministerpräsident a. D. Stefan Mappus und Justizminister Guido
Wolf sowie die Führungskräfte einiger kommunaler Spitzenverbände an der HVF. Aktuelle Themen aus dem Alltag sind für eine
Beamtenhochschule wichtig. Ich möchte daher auf zwei besondere Tagungen aufmerksam machen: Gemeinsam mit dem Zentrum
für Islamische Theologie der Eberhard Karls Universität Tübingen richtet die HVF die Fachtagung „Islam in Recht, Gesellschaft und
Verwaltung“ aus. Im Februar folgt eine weitere Fachtagung zum Thema „Herausforderungen der direkten Demokratie“. Auch unser
Programm zum Studium Generale behandelt Themen, die unseren Studierenden eine interessante Pflichtveranstaltung bieten. Dass
daraus eine Zusatzqualifizierung wie das Ethikum entstehen kann, hat uns bei den Bachelor-Feiern im Herbst besonders gefreut.

Bedanken möchte ich mich beim Redaktionsteam, dem Staatsanzeiger und allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge zur
vorliegenden Ausgabe. Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und mit uns eine spannende Zeit!

Ihr

Rektor Prof. Dr. Wolfgang Ernst

2       Dialog 39 | Dezember 2018
Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Editorial der Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

was wird Ihnen dieses Heft an fachlichen Artikeln bieten?

Fachartikel zum Schwerpunkt
Der Schwerpunkt dieses Hefts „Standortfaktor Verwaltung“ wurde erneut durch ein partizipatives Verfahren durch die
Professorinnen und Professoren bestimmt und aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet. Den Aufschlag
macht dabei Prof. Dr. Frank Kupferschmidt, Professor für Volkswirtschaftslehre und Prodekan der Fakultät I, mit der Frage, wie
Gründerinnen und Gründer von den Kommunen besser unterstützt und Bürokratiehürden abgebaut werden können. Als Best-
Practice-Beispiel für Gründungsfreundlichkeit stellt er die Gemeinde Niedereschach im Schwarzwald vor, die für ihr spezielles
Existenzgründungskonzept schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Prof. Dr. Angelika Dölker, Professorin mit Lehrschwerpunkten
Besteuerung von Gesellschaften und Internationales Steuerrecht, untersucht die Finanzverwaltung als eigenständigen
Standortfaktor und fordert hier nicht nur den Abbau von Bürokratie, sondern auch eine stärkere Digitalisierung. Weiterhin
vergleicht sie die Steuerbelastung am Standort Deutschland mit anderen Staaten und zieht den Schluss, dass eine Modernisierung
des Besteuerungsverfahrens für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland dringend nötig ist. Mit dem Thema
„Steuern“ setzt sich auch Prof. Dr. Oliver Sievering, Professor für Volkswirtschaftslehre und öffentliche Finanzwirtschaften,
auseinander. Er beschäftigt sich mit den kommunalen Hebesätzen als Instrument der Standortpolitik, indem er untersucht, ob
und inwiefern Kommunen von der Senkung eines solchen Hebesatzes profitieren können. Prof. Dr. Birgit Schenk, Professorin
für Verwaltungsinformatik und Organisation, weist auf die fundamentale Bedeutung der Digitalisierung für den Erfolg einer
Kommune hin. Da es hierzulande aber an einer einheitlichen Strategie mangele, blieben viele Potenziale derzeit ungenutzt. Für
eine notwendige Strategiebildung stellt sie deshalb ein Reifegradmodell vor, das den Kommunen bei der Standortbestimmung
des Status quo hilft.

Fachartikel von der Praxis für die Praxis
Das Thema „Zukunftsfähigkeit der Kommunalverwaltung“ ist Gegenstand des Interviews mit dem Bürgermeister der Gemeinde
Empfingen, Ferdinand Truffner. Er zeigt anhand seiner Bürgermeistererfahrung praxisnah auf, wie es einer kleineren Kommune
gelingen kann, die eigene Verwaltung durch eine erfolgreiche Strategiearbeit zu modernisieren. Der Beitrag „Wie Landkreise ihre
Europafähigkeit verbessern können“ von nebenberuflichen Studierenden des Master-Studiengangs Public Management (MPM)
enthält Aspekte, inwiefern sich die Europakompetenz der Verwaltung erfolgreich auf den kommunalen Standort auswirken kann.
Potenziale ergeben sich hier insbesondere durch die Möglichkeit der Akquise von europäischen Fördermitteln sowie der sich daraus
auch ergebenden Möglichkeiten der Vernetzung mit anderen Landkreisen oder mit kreisangehörigen Städten und Gemeinden.
Auch in dieser Ausgabe gratulieren wir wieder Kolleginnen und Kollegen zu ihren Buchveröffentlichungen (siehe S. 13).

In eigener Sache
Wir freuen uns, in unserem Redaktionsteam als neues Mitglied Rektoratsassistentin Karin Franz und als Stellvertreterin Stefanie
Hohe, zuständig für Kommunikation und Marketing, begrüßen zu dürfen. An dieser Stelle möchten wir uns auch bei dem
ehemaligen Redaktionsmitglied Matthias Riede für seine Mitarbeit herzlichen bedanken.

Ihr Redaktionsteam

 Die Redaktion achtet in Abstimmung mit der Hochschulleitung im Dialog auf eine
 gendergerechte Sprache gemäß des Leitfadens der HVF vom Juni 2015. Abweichun-
 gen davon sind auf ausdrücklichen Wunsch einer Autorin oder eines Autors erfolgt.

                                                                                                Dialog 39 | Dezember 2018         3
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Standortfaktor
 Standortfaktor Verwaltung
                Verwaltung

Gründungsfreundlichkeit als wichtiger
Standortfaktor

                                               triebsbezogene     Wirtschaftsförderung      Verwaltungsprozesse, wie beispielwei-
                 Prof. Dr.                     darstellen.                                  se von Gewerbemeldungen, Genehmi-
                 Frank Kupferschmidt                                                        gungsverfahren oder dem Ausstellen
                                               Die Hoffnung, dass sich der nächste          von Gesundheitszeugnissen. Stimmige
                 Professor für VWL und         Global Player in der eigenen Kommune         Konzepte können im Idealfall nachhaltige
                 Prodekan der Fakultät I       gründet, wird in Baden-Württemberg           Gründungen fokussieren, relevante Fel-
                                               von der Statistik gedämpft. Das Ländle ist   der aus der Branchenvielfalt von Industrie
                                               strukturell bedingt ein schwieriges Land     und Dienstleistungen über das Handwerk
                                               für Existenzgründungen und schneidet         bis zu den freien Berufen identifizieren
                                               in der Gründungsstatistik unter dem          und vergessen nicht die Moderation von
                                               Bundesdurchschnitt ab. In der Landes-        Unternehmensnachfolgen.
Fünf junge Gründer basteln 1972 in Bü-         wirtschaftspolitik arbeiten sich daher in
roräumen der örtlichen Sparkasse einer         schöner Regelmäßigkeit die wechselnden       Vernetzen und ansprechbar sein,
30.000-Einwohner-Kommune an einer              Oppositionspolitikerinnen und -politiker     Geschäftsidee nicht bewerten
Software. Aus der Gründung entsteht            an dem in ihren Augen unzureichenden
innerhalb von wenigen Jahrzehnten ein          Förderinstrumentarium der wechseln-          Für den hohen Beratungsbedarf junger
Softwarekonzern mit globaler Bedeu-            den Landesregierungen ab. Vor allem          Unternehmen sind das Vernetzen der
tung und hochwertigen Arbeitsplätzen           im Vergleich zu Bayern wird der Einsatz      lokalen Gründerszene und das Fördern
vor Ort. Allerdings aus kommunaler Sicht       von Risikokapital (Venture Capital) in Ba-   von Mentoren- oder Lotsensystemen
mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass         den-Württemberg oftmals als zu gering        ebenso simple wie effektive Maßnah-
das erste eigene Firmengebäude nicht           erachtet.                                    men, um Gründungswillige und Grün-
am Ort der Gründung, sondern in einer                                                       dungserfahrene zusammenbringen. Die
nahen, aber kleineren Nachbargemeinde          Gründungsfreundlichkeit ist keine            Effektivität solcher Netzwerke ist daran
entsteht – in der das Unternehmen heute        Frage der Gemeindegröße                      messbar, ob sie den Zugang zu einem
noch die Konzernzentrale betreibt. Die                                                      möglichst lückenlosen Beratungsange-
Unternehmensgeschichte der SAP AG,             Kommunen kommt bei der Gründungs-            bot bieten können. Bei der Vernetzung
gegründet in Weinheim und heute be-            förderung als „local player“ und als po-     reicht die Palette vom niedrigschwelligen
kanntlich mit Sitz in Walldorf, illu­striert   tenzieller Standort junger Unternehmen       Gründerstammtisch bis zu aufwändige-
sehr anschaulich die Fragestellung, wa-        eine ganz besondere Rolle zu. Sie können     ren, branchenspezifischen Formaten bei-
rum der Gründungsfreundlichkeit ein            und müssen deutlich näher und kreativer      spielsweise für die Kreativwirtschaft oder
Platz auf der kommunalpolitischen Agen-        mit jungen Unternehmen arbeiten als EU,      trendigen Hackathons für die IT-Szene.
da gebührt.                                    Bund und Länder, um ihre Gründungs-
                                               freundlichkeit unter Beweis zu stellen.      Funktionierende Netzwerke entlasten aus
Existenzgründerinnen und -gründer                                                           Verwaltungssicht gerade kleine Kommu-
als Zielgruppe der Wirtschaftsförde-           Dabei erfordert Gründungsfreundlich-         nen davon, selbst umfangreiches Know-
rung                                           keit nicht zwingend einen aufwändigen        how zur Gründungsberatung vorhalten
                                               Inkubator für Neugründungen und jun-         zu müssen. Jedoch bietet es sich an, zen-
Dabei dürfte der Satz „Die Kommune,            ge Unternehmen. Für die Entwicklung          trale Anlaufstellen für Gründungswillige
ob groß, ob klein, hat nur wenig Einfluss-     kreativer Konzepte bedarf es zum einen       zu definieren. Darin können hinreichend
möglichkeit auf die Standortentscheidun-       einer mitunter durch aktuelle Erhebun-       betriebswirtschaftlich sensibilisierte Ver-
gen von etablierten Unternehmen“ die           gen gewonnenen Einschätzung von Art          waltungsbeschäftigte bereits mit der
Grenzen der kommunalen Wirtschafts-            und Größe der Zielgruppe vor Ort. Zum        entsprechenden Kommunikation dazu
förderung gut widerspiegeln. Neugrün-          anderen ist eine kritische Sicht auf die     beitragen, die – aus Verwaltungssicht
dungen gelten hingegen – sofern sie sich       von Gründerinnen und Gründern am             mitunter zu pauschal kritisierten – Büro-
erfolgreich am Markt behaupten können          häufigsten beanspruchten und vor Ort         kratiehürden zumindest „gefühlt“ zu re-
– als Mittelstand von morgen und soll-         angebotenen Verwaltungsleistungen er-        duzieren. Der Tipp aus der Gründerszene,
ten eine interessante Zielgruppe für die       forderlich. Möglich ist beispielsweise ein   dass sich Verwaltungen nicht die Bewer-
kommunale und interkommunale, be-              interner Fitness-Check der wichtigsten       tung der Gründungsidee anmaßen soll-

4       Dialog 39 | Dezember 2018
Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Standortfaktor Verwaltung

                                                                                                          Start des Wettbewerbs
                                                                                                          mit (v. l. n. r.) Gudrun
                                                                                                          Heute-Bluhm (Städtetag),
                                                                                                          Helmut Kessler (IHK
                                                                                                          Heilbronn-Franken),
                                                                                                          Michael Keck (BWHT),
                                                                                                          Wirtschaftsministerin
                                                                                                          Nicole Hoffmeister-Kraut,
                                                                                                          Roger Kehle (Gemeinde-
                                                                                                          tag) und Alexis von
                                                                                                          Komorowski (Landkreis-
                                                                                                          tag)

ten, kann als eine Mindestanforderung       Telefon- und Internetanbieter. Bei einer    machen, um die Gründungs- und Nach-
an diese Sensibilität verstanden werden.    Veranstaltung des Landeswirtschafts-        folgeunterstützung vor Ort zu intensi-
Die Bandbreite an möglichen Instrumen-      ministeriums berichtete Niedereschachs      vieren. Eine Jury aus der baden-würt-
ten kommunaler Gründungsfreundlich-         Bürgermeister Martin Ragg, wie er selbst    tembergischen Gründungszene wird die
keit ist zweifellos nach oben offen, doch   zum Telefonhörer griff, als ein Gründer     eingereichten Konzepte zur Gründungs-
sollten sich alle Ideen in das zugrunde     Probleme mit dem Anschluss hatte, weil      freundlichkeit bewerten. Ausgezeichnet
liegende Konzept einordnen lassen.          „die Gemeinde da einen anderen Hebel        werden Preisträger in den drei Katego-
                                            hat“.                                       rien Gemeinde, Stadt sowie Landkreis/
Das Gründerdorf Niedereschach im                                                        interkommunale Zusammenarbeit. Er-
Schwarzwald                                 Die Initiative EGON wurde 2014 beim         folgreiche Projektantragsteller können
                                            bundesweiten Wettbewerb „Deutsch-           auf eine zweijährige Förderung von bis
Dass kommunale Konzepte für Grün-           land – Land der Ideen“ ausgezeichnet        zu 100.000 Euro zur Umsetzung ihres
dungsfreundlichkeit keine Frage von         und 2016 von einer Jury des Bundeswirt-     Konzepts einer „gründungsfreundlichen
groß oder klein sind, zeigt das Beispiel    schaftsministeriums für den Europäischen    Kommune“ hoffen. Derzeit läuft die ers-
der 5.900-Einwohner-Gemeinde Nieder-        Unternehmensförderpreis        nominiert.   te Auflage des Wettbewerbs, die Bewer-
eschach im Schwarzwald. Die Gemeinde        Mittlerweile haben sich zwei Nachbarge-     bungsphase endete im April 2018. Alle
hat sich als Gründerdorf mit der Exis-      meinden der Initiative angeschlossen.       zwei Jahre soll es eine weitere Runde des
tenzgründungsoffensive Niedereschach,                                                   Wettbewerbs geben.
kurz EGON, bundesweit einen Namen           Landeswettbewerb gründungs-
gemacht. Seit deren Start im Jahr 2011      freundliche Kommunen
konnten 51 Gründungen in der kleinen
Gemeinde angestoßen werden. Grün-           Das    baden-württembergische     Wirt-
dungsinteressierte haben mit dem Bür-       schaftsministerium, die kommunalen

                                                                                         i
germeister einen zentralen Ansprech-        Spitzenverbände und Kammern des Lan-
partner. Ehrenamtliche Helferinnen und      des haben unter dem Titel „Start-up BW             Weiterführende
Helfer unterstützen als Lotsen Grün-        local“ Anfang 2018 einen Wettbewerb                Quelle
dungswillige bei den ersten Schritten im    für gründungsfreundliche Kommunen
Geschäftsleben, beispielsweise bei der      gestartet. Mit dem Wettbewerb wollen              Mehr zum Landeswettbewerb
Beschaffung von Räumen oder Flächen,        das Ministerium und seine Partner gute       Gründungsfreundliche Kommune un-
bei Finanzierungsgesprächen mit Ban-        Ideen aus der kommunalen und regiona-        ter www.startup-bw.de
ken oder sogar bei Konflikten mit dem       len Gründungsförderung besser sichtbar

                                                                                              Dialog 39 | Dezember 2018          5
Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Standortfaktor Verwaltung

Eine Reform der Unternehmensbesteuerung
ist erforderlich

                                              jedoch nach Meinung der Wirtschaft            beigetragen. Das ist ein großer Erfolg. In
                 Prof. Dr.                    dringend weiter vorangetrieben wer-           Zukunft müssen wir aber auch die Folge-
                 Angelika Dölker              den. Dies ist insbesondere erforderlich,      kosten europäischer Vorgaben stärker in
                                              um die personellen Ressourcen der Un-         den Blick nehmen und insofern zu einer
                 Professorin mit Schwer-      ternehmen und der Finanzverwaltung in         wirksamen Begrenzung kommen. Im Mit-
                 punkten auf Besteue-         Zukunft möglichst effizient einzusetzen.      telpunkt der Politik der Bundesregierung
                 rung der Gesellschaften      Die steuerrechtlichen Vorschriften der        wird zudem ein drittes Bürokratieabbau-
                 und Int. Steuerrecht         Abgabenordnung wurden zuletzt mit             gesetz stehen.“ (Das Zweite Bürokratie-
                                              dem Gesetz zur Modernisierung des Be-         abbaugesetz aus dem Jahr 2017 zielte
                                              steuerungsverfahrens umfänglich über-         auf kleine Unternehmen, insbesondere
                                              arbeitet.                                     Handwerksbetriebe, mit zwei bis drei Be-
                                                                                            schäftigten. Die Entlastungen sollten sich
Die Komplexität des deutschen Steuer-         Das materielle Steuerrecht und die Zu-        auf ein Volumen von knapp 363 Millionen
rechts stellt Verwaltung, Unternehmen         nahme grenzüberschreitender Sachver-          Euro belaufen. Themen waren beispiels-
und Bürger vor große Herausforderun-          halte aufgrund des internationalen Aus-       weise die Erhöhung des Schwellenwerts
gen. Für die Steuerverwaltung wird es         tauschs von Waren und Dienstleitungen         für umsatzsteuerliche Kleinbetragsrech-
angesichts begrenzter Ressourcen immer        stellen sowohl Finanzverwaltung als auch      nungen von 150 auf 250 Euro oder die Er-
schwieriger, dem gesetzlichen Auftrag         Unternehmen vor große Herausforderun-         leichterung bei den Aufzeichnungspflich-
gerecht zu werden, die Steuereinnahmen        gen.                                          ten für sofort abgeschriebene GWG).
sicherzustellen und einen gleichmäßigen
Vollzug zu garantieren. Bevölkerung und       Bei einem 2017 erstmals veranstalteten        Trotzdem drohen teilweise neue Rege-
Unternehmen kritisieren zunehmend den         Tax Future Forum des Bundesverbands           lungen zu entstehen, die hohen Verwal-
hohen Aufwand, der ihnen zur Erfüllung        der Deutschen Industrie e. V. stellten die    tungsaufwand bergen, wie die im Ent-
ihrer steuerlichen Pflichten entsteht. Vor    teilnehmenden Personen aus Wirtschaft,        wurf des Bundesfinanzministeriums für
diesem Hintergrund sind die Moderni-          Finanzverwaltung, Politik, Steuerberatung     ein Jahressteuergesetz 2018 enthaltene
sierung des Besteuerungsverfahrens, der       sowie Softwareanbieter fest, dass heute       Regelung zur Haftung beim Handel auf
Bürokratieabbau und der Ausbau des Bür-       nicht die technischen Rahmenbedingun-         einem elektronischen Marktplatz, § 25e
gerservice wichtige Anliegen.                 gen die Digitalisierung begrenzen. Das        UStG-E.
                                              materielle Steuerecht verhindert eine brei-
Umgesetzt sind insbesondere die Verein-       te Anwendung der technisch längst mög-        Steuerbelastung am Standort
heitlichung der Steuersoftware in allen       lichen Digitalisierung.                       Deutschland
Bundesländern (KONSENS = Koordinier-
te neue Software-Entwicklung der Steu-        Abbau bürokratischer Belastungen              In der abgebildeten Tabelle ist eine in-
erverwaltung,      Verwaltungsabkommen                                                      vestierende Person unterstellt, die einem
vom 1. Januar 2007), die Einführung der       Der Koordinator der Bundesregierung für       persönlichen Einkommensteuersatz von
elektronischen Steuererklärung (mit Aus-      Bürokratieabbau und bessere Rechtset-         40 % unterliegt. Ferner ist für den Fall
nahmen), der Einsatz von maschinellen         zung erklärte in der Pressemitteilung vom     einer Gewinnausschüttung aus der Kapi-
Risikomanagementsystemen oder das             15. Mai 2018: „Ziel der Bundesregierung       talgesellschaft unterstellt, dass die Abgel-
Angebot steuerlicher Informationen im         ist es, bürokratische Belastungen für Un-     tungssteuer mit 25 % ESt zur Anwendung
Internet. Die elektronische Übermittlung      ternehmen in Deutschland systematisch         kommt, dies ist in den Fällen von § 32d
der Bilanzdaten nach § 5b EStG erleichtert    zu reduzieren. Mit der 2015 eingeführten      Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht zwingend. Es be-
dem Finanzamt Plausibilitätskontrollen        Bürokratiebremse haben wir bei nationa-       steht die Antragsmöglichkeit zur Regelbe-
und ermöglicht den automatisierten Da-        len Vorhaben ein deutliches Umdenken          steuerung bei entweder mindestens 25 %
tenabgleich, hierfür werden vom Bundes-       bei den Folgekosten gesetzlicher Rege-        Beteiligung an der Kapitalgesellschaft
finanzministerium fortlaufend aktualisier-    lungen erreicht. Von 2015 bis 2017 hat        oder 1 % Beteiligung und beruflicher Tä-
te Taxonomien veröffentlicht (zuletzt am      die Bürokratiebremse damit zu einer Ent-      tigkeit mit maßgeblichem unternehme-
6. Juni 2018 für das Wirtschaftsjahr 2019).   lastung der Wirtschaft um insgesamt 1,9       rischem Einfluss auf die wirtschaftliche
Die Digitalisierung des Steuerrechts muss     Milliarden Euro an jährlichem Aufwand         Tätigkeit. Dies ermöglicht den Abzug vor

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Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Standortfaktor Verwaltung

allem von Finanzierungskosten nach Maß-         Exporten auf einen auf bis zu 13 % ge-       die Steuer ist von der Körperschaftsteu-
gabe des Teileinkünfteverfahrens. Dies ist      senkten Steuersatz kommen können.            er abziehbar.
natürlich eine rein nationale Betrachtung     • China: Für deutsche Unternehmen ist        •
und blendet Investitionen im Ausland zu-        vor allem die landesweite Förderung        Damit Unternehmen am Standort
nächst aus.                                     qualifizierter High-Tech-Firmen inter-     Deutschland festhalten können, ist eine
                                                essant. Wer als solche anerkannt wird,     Reform der Unternehmensbesteuerung
Deutsche Unternehmen müssen mit die-            kann den Körperschaftsteuersatz von        hinsichtlich der Höhe der Ertragssteuer-
ser Steuerbelastung zum einen in Konkur-        25 auf 15 % senken. Sonderregelungen       belastung – zumindest ein rasches Ab-
renz zu ausländischen Unternehmen tre-          gibt es für bestimmte Regionen wie z. B.   schmelzen des Solidaritätszuschlags ab
ten, zum anderen müssen sie eventuelle          Xinjiang. Ab 2020 wird für ausländische    2020 für alle – erforderlich. Dies wäre
Standortentscheidungen unter anderem            Unternehmen eine „urban maintenance        eine Entlastung für alle Rechtsformen von
von diesen steuerlichen Rahmenbedin-            and construction tax“ sowie ein            Unternehmen.
gungen abhängig machen.                         „education surcharge“ erhoben.
                                              • Reformbemühungen in Frankreich: Der
Andere Länder im Vergleich                      Körperschaftsteuersatz sinkt ab 2018
                                                für bestimmte, ab 2020 für alle Unter-
Andere Länder arbeiten intensiv an der          nehmen auf 28 %. Eine durch die Ge-
Reform der Besteuerung von Unterneh-            meinden erhobene Gewerbesteuer, die
men, wie folgende Beispiele zeigen:             sich teils auf das Anlagevermögen, teils
                                                auf die Wertschöpfung bezieht, über-
• USA: Steuerreform mit einer Absen-            steigt nicht 3 % der Wertschöpfung.

                                                                                            i
  kung des Körperschaftsteuersatzes             Die Steuer ist von der Körperschaftsteu-
  von 35 % auf 21 % (Bundesebene, die           er abziehbar.                                     Quellen:
  Bundesstaaten erheben teils zusätzlich      • Reformbemühungen in Ungarn: Der                   Vgl. auch Angelika Dölker, Fami-
  Steuern zwischen 0 und 12 %, eben-            Körperschaftsteuersatz beträgt seit               lienunternehmen: Betrachtung
  so manche Gemeinden). Zudem gibt es           1. Januar 2017 nur 9 %. Der Höchstsatz            des Standortes Deutschland aus
  den Foreign-Derived Intangible Income         der Gewerbesteuer der Gemeinden ist         steuerlicher Sicht, BB 2018, S. 1495
  Abzug, durch den die Unternehmen bei          2 % der definierten Wertschöpfung,

  GewSt‐ Hebesatz 400 %                                                              Thesaurierungs‐
                                                                                     satz 28,25

                                                             PersG ohne              PersG mit                Kapital‐
                                                             Thesaurierung           Thesaurierung            gesellschaft
  Stpfl. Gewinn (vor Freibetr. § 11 I GewStG)                100.000 €               100.000 €                100.000 €
  Gewerbesteuer                                              10.570                  10.570                   14.000
  Begünstigter Betrag nach § 34a EStG                                                89.430

  ESt/KSt                                                    40.000                  25.264                   15.000
  ESt auf GewSt                                                                      4.228 (reg. Satz)
  Anrechn. GewSt auf ESt § 35 EStG                           ./. 10.043              ./. 10.043               0
  Soli                                                       1.648                   1.070                    825
  Steuerbelast. vorl.                                        42.175                  31.089                   29.825
  Nachverst.pfl. Betrag (=begünst.Betrag ./. ESt                                     62.776
  und Soli hierauf, (25.264 x 1,055))
  ESt 25 % auf nachverst.pfl. Betrag                                                 15.694
  ESt auf Dividende 25 %                                                                                      17.544
  Soli                                                                               863                      965
  Gesamtsteuerbelastung                                      42.175 €                47.646 €                 48.334 €

Steuerbelastung einer investierenden Person

                                                                                                 Dialog 39 | Dezember 2018           7
Dial g 39 Standortfaktor Verwaltung - Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen ...
Standortfaktor Verwaltung

Hebesätze als zentrales Instrument
der Standortpolitik

                                            den ostdeutschen Flächenländern. Zwi-        der Westküste Schleswig-Holsteins, jah-
                Prof. Dr.                   schen einzelnen Gemeinden in unmittel-       relang einen Hebesatz in Höhe von null
                Oliver Sievering            barer Nähe können ebenfalls signifikante     erhoben. Aufgrund dessen siedelten sich
                                            Unterschiede bestehen. Die kreisfreien       seit den 1990er-Jahren dort immer mehr
                Professor für VWL           Städte Düsseldorf und Duisburg in Nord-      bedeutende Tochterunternehmen an, un-
                und öffentliche             rhein-Westfalen grenzen direkt anein-        ter anderem von Deutsche Bank, E.ON,
                Finanzwirtschaft            ander, dennoch weist die strukturstarke      Commerzbank, Lufthansa, Siemens oder
                                            Stadt Düsseldorf mit ca. 1.361 Euro je       Lidl.
                                            Einwohner fast dreimal so hohe Gewer-
                                            besteuer-pro-Kopf-Einnahmen auf als          Wirtschaftlicher Erfolg durch
                                            Duisburg mit ca. 457 Euro pro Einwohner.     Senkung des Hebesatzes
                                            Zu bedenken gilt ferner, dass die Gewer-
Die Gewerbesteuer zählt zu den wichtigs-    besteuer sehr konjunkturabhängig und         Oftmals sind die Hebesätze von Groß-
ten Gemeindesteuern und ist ein wichti-     damit volatil ist.                           städten höher als die im Umland. So be-
ger Bestandteil der Gemeindefinanzie-                                                    trägt der Hebesatz in München 490 %,
rung. Der Gewerbesteuer unterliegt nach     In Folge der weltweiten Wirtschaftskri-      während der Hebesatz der angrenzenden
§ 2 Abs.1 GewStG jeder stehende Gewer-      se brachen die Gewerbesteuereinnah-          Gemeinde Grünwald 240 % beträgt. So
bebetrieb, soweit er im Inland betrieben    men 2009 bundesweit um rund 20 % im          müsste eine GmbH mit einem Gewerbeer-
wird. Freiberufler unterliegen nicht der    Vergleich zum Vorjahr ein, erholten sich     trag in Höhe von 1 Millionen Euro in Mün-
Gewerbesteuer, was durchaus Anlass zu       dann aber rasch. Auch unabhängig von         chen 171.500 Euro an Gewerbesteuer
Kritik gibt.                                globalen Entwicklungen können Schwan-        entrichten, in Grünwald lediglich 84.000
                                            kungen auf Gemeindeebene drastisch           Euro. Hier setzen viele Umlandgemeinden
Ausgangspunkt für die Berechnung der        ausfallen. In vielen Gemeinden hängt         darauf, große Unternehmen anzulocken,
Gewerbesteuer bildet der Gewinn des Un-     das Aufkommen maßgeblich vom Erfolg          gleichzeitig profitieren die dort ansässi-
ternehmens. Dieser wird um einige Hinzu-    (oder auch der Steuergestaltung) weniger     gen Unternehmen von der angrenzenden
rechnungen und Kürzungen korrigiert.        oder gar nur eines Großunternehmens ab,      städtischen Infrastruktur und von der na-
Natürlichen Personen und Personengesell-    weshalb das jährliche Gewerbesteuerauf-      hen Großstadt.
schaften wird ein Freibetrag in Höhe von    kommen für eine Kommune nur bedingt
24.500 Euro eingeräumt. Für Vereine und     planbar ist.                                 Für (große) Kapitalgesellschaften spielt die
ähnliche Rechtsformen wird ein Freibetrag                                                Gewerbesteuer oftmals eine erhebliche
in Höhe von 5.000 Euro gewährt. Der sich    Hebesätze als Instrument zur                 Rolle, bei Personengesellschaften hinge-
daraus ergebende Gewerbeertrag wird         Beeinflussung von Gewerbesteuer-             gen eher nicht, denn für diese erfolgt eine
mit einer einheitlichen Steuermesszahl in   einnahmen                                    Kompensation der Gewerbesteuer durch
Höhe von 3,5 % multipliziert. Nachdem                                                    die Anrechnung des 3,8-fachen Gewerbe-
dadurch der Steuermessbetrag ermittelt      Der Hebesatz ist ein Instrument, mit dem     steuermessbetrages auf die Einkommen-
worden ist, wird dieser mit dem Hebesatz    die Gemeinden die Höhe der ihnen zu-         steuer. Unter Berücksichtigung des Soli-
der jeweiligen Gemeinde multipliziert.      stehenden Gewerbesteuer beeinflussen         daritätszuschlages ergibt sich bei einem
                                            können. Dieses Recht ist Teil der verfas-    Gewerbesteuersatz in Höhe von 400 %
Schwankungen bei den                        sungsrechtlich abgesicherten Selbstver-      eine vollständige Kompensation, das heißt
Gewerbesteuereinnahmen                      waltungsgarantie der Kommunen (Art.          die Gewerbesteuer wird vollständig auf
                                            28 Abs. 2 Grundgesetz). Seit 2004 sind       die Einkommensteuer angerechnet. Nur
Zwischen den einzelnen Bundesländern        die Gemeinden allerdings verpflichtet, bei   bei Hebesätzen über 400 % erfolgt somit
bestehen erhebliche Aufkommensun-           der Gewerbesteuer einen Hebesatz von         eine zusätzliche Belastung für Personen-
terschiede, die sich in einem starken       mindestens 200 % anzuwenden (§ 16            unternehmen. Dabei ist zu beachten, dass
Ost-West-Gefälle ausdrücken. So ist das     Abs. 4 Satz 2 GewStG). Damit sollen soge-    eine Anrechnung nur dann erfolgen kann,
Brutto-pro-Kopf-Aufkommen der Ge-           nannte Gewerbesteueroasen verhindert         wenn beim Unternehmer eine positive
werbesteuer in den westdeutschen Flä-       werden. So hatte Norderfriedrichskoog,       Einkommensteuerschuld aus Einkünften
chenländern fast doppelt so hoch wie in     eine Gemeinde mit ca. 50 Einwohnern an       aus Gewerbebetrieb besteht.

8      Dialog 39 | Dezember 2018
Standortfaktor Verwaltung

Steuerwettbewerb ist zwar allgemein er-       Millionen Euro Steuern nachzahlen, der        Jahr 2014. Sie stiegen danach aber wieder
wünscht, wird aber oftmals kritisch be-       Haushalt der Stadt war auf einen Schlag       an auf 84,9 Millionen Euro. Als Reaktion
trachtet. So senkte die Stadt Monheim         ausgeglichen. Dies ermöglichte der Stadt,     auf den Einbruch der Gewerbesteuerein-
in Nordrhein-Westfalen mit rund 43.000        nun frei über ihre Hebesätze entscheiden      nahmen erhöhte Leverkusen seinen Ge-
Einwohnern, gelegen zwischen den Groß-        zu dürfen. Mit der erheblichen Reduzie-       werbesteuerhebesatz für das Jahr 2014
städten Leverkusen, Köln und Düsseldorf,      rung des Hebesatzes wurden viele Un-          um 15 Prozentpunkte auf 475 %.
im Jahr 2012 ihren Gewerbesteuerhebe-         ternehmen angelockt. Berichten zufolge
satz von 435 % bis auf 250 % im Jahr          sind seit 2011 ca. 300 Unternehmen ge-        Auch wenn zu bedenken gilt, dass auf-
2018. Die Gewerbesteuereinnahmen der          kommen, vor allem aus der Pharma- und         grund der guten Konjunktur das Gewer-
Stadt stiegen zwischen 2010 und 2016 von      Chemiebranche, die neben der hohen            besteueraufkommen in den vergangenen
rd. 16 Millionen Euro auf rd. 277 Millionen   Gewerbesteuer auch 2.500 Arbeitsplätze        Jahren allgemein gestiegen ist und mehre-
Euro. Für das Haushaltsjahr 2018 wird ein     mitgebracht haben. Aufgrund der hohen         re Faktoren die Gewerbesteuereinnahmen
Betrag in Höhe von 290 Millionen Euro im      Einnahmen ist Monheim wirtschaftlich          beeinflussen, gilt es als unstrittig, dass
Haushaltsplan angesetzt, der allerdings       betrachtet schuldenfrei, Schulen werden       die Hebesatzpolitik entscheidend zu dem
auch Einmalzahlungen und einige Nach-         umfangreich saniert, Spielplätze errichtet,   exorbitanten Mehraufkommen von Mon-
zahlungen beinhaltet. Obwohl ein Groß-        Kita-Gebühren abgeschafft.                    heim beigetragen hat. Der Bürgermeister
teil der städtischen Gewerbesteuerein-                                                      der Stadt betonte in seiner Haushaltsre-
nahmen durch die Gewerbesteuerumlage,         Reaktionen auf die Monheimer                  de, dass Monheim sich im internationalen
die Kreisumlage oder den kommunalen           Hebesatzsenkung                               und europäischen Vergleich mit der heu-
Finanzausgleich wieder abfließt, hat die                                                    tigen Steuerquote von etwas über 25 %
Stadt von der Hebesatzsenkung profitiert.     Die erhebliche Reduzierung des Hebesat-       lediglich im Mittelfeld des Steuerrankings
Im Jahr 2011 hatte Monheim noch ca. 100       zes stieß aber auch auf Kritik. Die ehema-    befinde; in direkter Konkurrenz zu Ös-
Millionen Euro Schulden und galt damit        lige Ministerpräsidentin des Landes NRW       terreich und den Niederlanden mit einer
als „eine der größten Sorgenkommunen          kritisierte diese Steuerpolitik ebenso wie    Steuerquote von jeweils 25 %. Vor dem
in NRW“. Sie stand unter der Kommunal-        viele Bürgermeister umliegender Kommu-        Hintergrund einer innerhalb Europas herr-
aufsicht. Als notleidende Haushaltskom-       nen, die eine Abwanderung von (lokalen)       schenden Steuersenkungspraxis und der
mune musste die Stadt „alle Steuerquel-       Unternehmen in das benachbarte Mon-           Tatsache, dass nur Städte mit niedrigsten
len ausschöpfen“ – dies bedeutete, sie        heim befürchteten. So sind die Gewerbe-       Hebesätzen eine Chance hätten, sich im
musste sehr hohe Hebesätze verlangen          steuereinnahmen der angrenzenden Stadt        internationalen und europäischen Steuer-
–, die Kommunalaufsicht bestand darauf.       Leverkusen drastisch gesunken. Betrugen       wettbewerb einzuordnen, sei die Annähe-
Mit dem hohen Gewerbesteuerhebesatz           sie in Leverkusen (mit ca. 163.000 Einwoh-    rung an eine Steuerquote von 25 % das
galt sie trotz ihrer guten geopolitischen     nern fast viermal so groß wie Monheim)        Ziel, um den Platz im Mittelfeld der Steu-
Lage als wenig wettbewerbsfähig. Im Jahr      im Jahr 2011 noch 98,2 Millionen Euro, so     ersätze zu halten und im internationalen
2011 mussten einige Unternehmen 40            sanken diese auf 25,4 Millionen Euro im       Wettbewerb weiter mithalten zu können.

                                                                                                              Berechnung der
                                                                                                              Gewerbesteuer

                                                                                                  Dialog 39 | Dezember 2018         9
Standortfaktor Verwaltung

Potenziale der Digitalisierung
besser nutzen

                                                bereits der Herausforderung. Digitali-           Zufriedenheit der Bürgerinnen, Bürger
                  Prof. Dr.                     sierungsaktivitäten werden seit Jahren           und Unternehmen mit raschen Erledigun-
                  Birgit Schenk                 entlang einer Digitalisierungsstrategie          gen und Ergebnissen, … diese Liste der
                                                systematisch umgesetzt. In Deutschland           Schlagworte ließe sich beliebig fortset-
                  Professorin für               schließen sich Kommunen und Behörden             zen. Doch sind dies nicht nur Schlagwor-
                  Verwaltungsinformatik         der Entwicklung allmählich an, doch fol-         te, die den Einzug der Digitalisierung in
                  und Organisation              gen die wenigsten einer kohärenten, in           das Verhältnis von Staat und Gesellschaft
                                                sich schlüssigen Digitalisierungsstrategie.      beschreiben, sondern konkrete Wünsche
                                                So entsteht ein Flickenteppich an Digita-        und Vorstellungen, die damit verbunden
                                                lisierungsprojekten, die nicht ineinander-       sind. Dies belegt beispielsweise eine Be-
                                                greifen und deren Potenziale teilweise           fragung durch die Unternehmensbera-
                                                ungenutzt bleiben. Das muss nicht sein!          tung PwC.2 91 % der befragten Bevölke-
Die Frage, ob Deutschland die Digitalisie-                                                       rung wären bereit, Verwaltungsvorgänge
rung „kann“, wird immer wieder in den           Partizipation als entscheidender Faktor          künftig online zu erledigen. Die meisten
Raum gestellt, egal, um welches Thema                                                            erhoffen sich dadurch eine Zeitersparnis.
der Digitalisierung es geht, beginnend          Sicherlich hat die Digitalisierung in ei-        81 % der befragten Bürgerinnen und
bei dem Stand des Breitbandausbaus              ner Stadt viele Dimensionen: Verwaltung
bis hin zu unserer Haltung in puncto Di-        intern, Verwaltung nach außen, Infra-

                                                                                                  i
gitalisierung. Momentan bewegen sich            struktur, städtische Eigenbetriebe und
unsere Daten vielerorts noch auf der            Gesellschaften, private Akteure usw. Was               Quellen
Kriechspur, obwohl die Industrie und das        wünschen sich die Stakeholder einer Kom-                 1
                                                                                                          ) vgl. www.pwc.de/digitale_stadt,
Gewerbe, die Kommunen und Behör-                mune und wie sollte man also vorgehen,                   S. 15
den so dringend wie noch nie auf das            um hier eine schlüssige und griffige Digita-             2
                                                                                                          ) https://www.pwc.de/de/
schnelle Internet angewiesen sind. Um           lisierungsstrategie zu entwickeln? Um den         offentliche-unternehmen/
im internationalen Wettbewerb mithal-           Weg von heute in die Zukunft gestalten zu         die-vernetzte-verwaltung.html
ten zu können, müssen sie alle auf die          können, braucht es einen Ausgangspunkt            3
                                                                                                   ) http://www.bertelsmann-stiftung.de/
Entwicklungen „4.0“ setzen, die digitale        und einen Endpunkt: Die Bestimmung des            fileadmin/files/BSt/Publikationen/
Transformation und Vernetzung von Un-           Status quo, die vielfach als Reifegradmes-        GrauePublikationen/
ternehmen und Kundschaft, von Produk-           sung bezeichnet wird, und die Entwick-            GP_Standortfaktor_Verwaltung.pdf
tion und Produkten – aber auch von Be-          lung einer Vision, also einem Bild, wie sich      4
                                                                                                   ) Siehe hierzu: Weisbord, Marvin et al.,
hörden – vorantreiben. Aber auch unsere         die eigene Kommune bis zum Jahr 20xx              Future Search – Die Zukunftskonferenz.
Haltung bewegt sich auf der Kriechspur.         entwickelt haben wird. Bei der Visionsent-        Leitfaden für die Praxis, Klett-Cotta,
In einigen Kommunen wird heute noch             wicklung kommt den Anforderungen der              2008.
die Frage gestellt, ob der Erfolg von ei-       Stakeholder eine wichtige Bedeutung zu,           5
                                                                                                   ) Beispiele: http://mycovenant.
ner Digitalisierung abhängt. Dass eine          denn diese entscheiden sich für eine Kom-         eumayors.eu/ docs/seap/
Korrelation zwischen dem Erfolg einer           mune, die nach ihren Vorstellungen ge-            4151_1355468149.pdf,
Kommune und ihrem Digitalisierungs-             staltet ist. So ist Partizipation bei der Ent-    https://www.zukunftsstadt-dresden.de/
grad besteht, wurde auch in internatio-         wicklung der Vision ein wichtiger Faktor.         oder https://www.ludwigsburg.de/,
nalen Ländervergleichsstudien bestätigt.        Wirtschaft und Bürgerschaft haben sehr            Lde/start/stadt_buerger/
Digitalisierung ist zwar nicht der einzige      konkrete Vorstellungen, die vereinbart            Stadtentwicklungskonzept.html
Standortfaktor, mit dem sich Städte und         und berücksichtigt werden wollen.                 6
                                                                                                    ) Siehe hierzu: Fasel, Daniel/Meier,
Landkreise positiv im Städtewettbewerb                                                            Andreas, Big Data. Grundlagen, System
positionieren können, dennoch ist es von        Schnittstelle Verwaltung – Anforde-               und Nutzungspotenziale, Springer Ver-
Nachteil, wenn sie nicht digitalisiert sind.1   rungen und Wünsche der Stakeholder                lag, 2016, S. 323
So stellt sich die Frage, ob Digitalisierung                                                      7
                                                                                                    ) Siehe hierzu: https://aback.iwi.unisg.
ein Standortfaktor ist, im internationalen      Papierlose Verwaltung, Bürgerportale,             ch/fileadmin/projects/aback/web/pdf/
Vergleich nicht mehr. In anderen Ländern        One-Stop-Shop-Lösungen, Kosten- und               best_practice_report.pdf
stellen sich Kommunen und Behörden              Zeitersparnis in Verwaltungsverfahren,

10      Dialog 39 | Dezember 2018
Standortfaktor Verwaltung

Bürger könnten sich die Nutzung eines           löst werden kann. So kommen 60 bis 80         in der digitalen Transformation ist. Diese
Bürgerkontos vorstellen. Das sind für sich      Menschen unterschiedlichster Interessen-      Frage ist durch das Ergebnis der Studie be-
sprechende Ergebnisse.                          gruppen zusammen, um gemeinsam im             gründet, in der bei Verwaltungsunterneh-
                                                Konsens ein tragfähiges Zukunftsbild über     men die niedrigsten Reifegrade identifi-
Bei Wirtschaftsunternehmen sieht es             die Integration konträrer Standpunkte zu      ziert wurden. Ähnliche Ergebnisse zeigen
nicht anders aus. Deshalb kommt die Ber-        erarbeiten und Entwicklungsstufen dar-        stark regulierte Branchen mit hierarchi-
telsmann Stiftung in einer Studie zu dem        aus abzuleiten.5 Für das Ausarbeiten der      scher Organisation und Papierzwang auf.
Schluss: Verwaltungsmodernisierung ist          Handlungsschritte für die Entwicklungs-
Wirtschaftsförderung.3 Die Entlastungen         stufen ist der Stand der eigenen Kommu-       Um hier einen Schritt weiterzukommen,
für Unternehmen, die durch die Digitali-        ne ausschlaggebend.                           wurde unter Anleitung von Frau Prof. Dr.
sierung der Verwaltungsvorgänge entste-                                                       Schneider und Frau Prof. Dr. Schenk ein
hen, können bei einem Unternehmen in            Bestimmung des Status quo:                    Reifegradmodell entwickelt, um Kom-
der Größe von 260 Mitarbeiterinnen und          Die Reifegradmessung                          munen bei der Standortbestimmung zu
Mitarbeitern bis zu 36 Personentage pro                                                       unterstützen. Hintergrund ist, dass Maß-
Jahr ausmachen. Das ist viel! Doch diese        Zur Ermittlung des Status quo ist die Be-     nahmen zur Visionsumsetzung sich nur
Einsparung betrifft nicht nur die Stakehol-     trachtung und Beurteilung der Mechanis-       aus dem aktuellen Stand einer Kommune
der, sondern auch die Verwaltung selbst.        men relevant, die bei einer Digitalisierung   treffsicher ableiten und zu einem Mas-
Dies sollte ein zusätzlicher Anreiz in Zeiten   zum Tragen kommen. Gleichzeitig sind          terplan zusammenstellen lassen. Danach
des demografischen Wandels sein, da es          die Bereiche und Aspekte (Dimensionen)        steht der Wille zur Umsetzung im Raum,
schlicht nicht genügend Menschen gibt –         zu identifizieren, auf die die Digitalisie-   der von allen gefordert ist, angefangen
egal, wie gut die Rekrutierungsprozesse         rung wirkt. Viele Studien, die sich mit der   bei Gemeinderäten über die Verwaltungs-
oder auch Angebote sind.                        digitalen Transformation in Unternehmen       spitzen bis hin zu einzelnen Beschäftigten,
                                                beschäftigten, bestätigten, dass Digita-      Bürgerinnen und Bürgern.
Unsere Kommune in der Zukunft:                  lisierung niemals ein-, sondern immer
Die Visions-Entwicklung                         mehrdimensional realisiert werden sollte      Denn die Frage, ob Kommunen die Digi-
                                                und Institutionen dabei grundsätzlich un-     talisierung „können“, kann mit der Erar-
Eine Vision ist eine Idee oder Vorstellung,     terschiedliche Reifegrade durchlaufen.6       beitung der zwei wesentlichen Bausteine
wie etwas in der Zukunft werden könnte.         Wie viele Dimensionen dies sind, hängt        „Status quo“ und „Vision“ beantwortet
Das kann sowohl ganz realistisch als auch       von der Gruppierung und Klassifizierung       werden. Der Wille zur Umsetzung muss je-
utopisch sein. Für die Visionsentwicklung       sowie der Verdichtung der einzelnen As-       doch hinzukommen. Dieser wird gebraucht
ist es wichtig, zu begreifen: Am Anfang         pekte ab. Das St. Gallener Modell unter-      auf dem Weg, die Zukunftsfähigkeit sicher-
von allem steht immer ein Gedanke, der          scheidet neun Dimensionen7 und eine           zustellen. Die Digitalisierung lässt sich nicht
sich in einer Idee verfestigt und weiter-       Studie von CapGemini in Verbindung mit        anhalten oder aufhalten. Wir können nur
entwickelt. Alles was ist, wurde zuvor          dem Kopenhagener MIT identifiziert drei       entsprechend dem Zitat von Aristoteles
gedacht. Das bedeutet, dass wir mit unse-       Dimensionen. Interessant ist, dass die St.    „Wir können den Wind nicht ändern, aber
ren Gedanken und daraus resultierenden          Gallener Studie von 2017 die Frage auf-       wir können die Segel richtig setzen“ mit
Vorstellungen die Welt verändern kön-           wirft, ob die Verwaltung ein Nachzügler       der Digitalisierung umgehen.
nen. Diese Haltung
ist die Grundlage
einer gelingenden
Visionsarbeit und
deren Umsetzung.
Diese kann un-
terstützt werden
durch zahlreiche
Methoden         und
Techniken wie die
Zukunf t sko nfe -
renz nach Marvin
Weisbrod4       oder
die Zukunftswerk-
statt. Die Methode
Zukunftskonferenz
geht davon aus,
dass ein gemein-
sames Thema nur
gemeinsam        ge-

                                                                                                     Dialog 39 | Dezember 2018           11
Fachforum

Unsere Kolleginnen und Kollegen
auf dem Büchermarkt ...

                             Prof. Dr. Arnd Diringer
                             Grundwortschatz BGB

                             Juristen benutzen zur Verständigung untereinander eine Fachsprache. Das ist keine neue Erkenntnis.
                             Für den Jura-Einsteiger, aber auch für den Fortgeschrittenen macht das jedoch häufig Schwierigkei-
                             ten. Das gilt ganz besonders für das Bürgerliche Recht. Zu ähnlich klingen die Worte, zu unbestimmt
                             scheint oft die Bedeutung. Auf der anderen Seite fordern Prüfer und Klausurkorrektoren selbstver-
                             ständlich den sicheren und richtigen Einsatz der Fachsprache. Umso erfreulicher, dass es jetzt ein
                             Wörterbuch gibt, in dem die 1.500 wichtigsten Begriffe des Bürgerlichen Rechts erläutert und vor
                             allem in ihren Verknüpfungen untereinander dargestellt werden. Ob rasch mal zwischendurch oder
                             als gewinnbringendes »word-hopping«, von diesem Buch kann einfach jeder profitieren. (ISBN 978-
                             3-415-04781-5, Preis: 16,80 €)

Baden-Württemberg Stiftung (Hrsg.) mit Beiträgen von Prof. Dr. Robert Müller-Török, Prof.
Dr. Arne Pautsch, Prof. Dr. Birgit Schenk
Beteiligungshaushalt auf Landesebene –
Eine Machbarkeitsstudie am Beispiel von Baden-Württemberg

Bürger- oder Beteiligungshaushalte, durchgeführt auf kommunaler Ebene in Städten und Gemeinden,
haben in den letzten Jahren in Deutschland verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Eine Beteiligung bei
der Aufstellung eines Landeshaushaltes ist jedoch zumindest im mitteleuropäischen Raum demokra-
tiepolitisches Neuland. Auch weltweit gibt es nur sehr wenige Beispiele, in deren Rahmen versucht
wurde, Partizipation in Haushaltsfragen von der kommunalen auf die Ebene eines Bundeslandes oder
Staates zu heben. In diesem Buch wird untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen Bürge-
rinnen und Bürger bei der Aufstellung des Landeshaushaltes beteiligt werden können. Am Beispiel
Baden-Württembergs werden die sozialwissenschaftlichen, technischen und rechtlichen Bedingungen
diskutiert, die für einen erfolgreichen Beteiligungshaushalt gegeben sein müssten. (ISBN 978-3-658-
19647-9, Preis; 49,99 €)

                             Prof. Dr. Peter Eisenbarth und Prof. Michael Grau
                             Sachenrecht für Dummies

                             Was ist der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz? Warum setzt man im Alltag ein Gebäude mit
                             Immobilie gleich, obwohl nach dem Gesetz das Grundstück (bebaut oder unbebaut) die Immobilie
                             verkörpert? Wie wird das Eigentum übertragen? Wussten Sie, dass bewegliche und unbewegliche
                             Sachen ähnliche, im Detail aber andere Rechtsstrukturen haben? Diese und viele andere Themen
                             werden Ihnen von Michael Grau (Mobiliarsachenrecht) und Peter Eisenbarth (Immobiliarsachenrecht)
                             verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Grafiken, die Sie nur in diesem Buch finden, bringen
                             zusätzlich Leben in das Thema Sachenrecht. (ISBN: 978-3-527-71304-2, Preis: 22,99 €)

12     Dialog 39 | Dezember 2018
Fachforum

                              Prof. Dr. Arne Pautsch, Kai-Markus Schenek und Achim Zimmermann
                              Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) – Baden-Württemberg

                              Das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (GKZ) zählt zu den in der Rechtspraxis bedeutsamen
                              Kommunalgesetzen. Das seit 1974 bestehende Gesetz wurde nun im Rahmen der umfassenden No-
                              vellierung des Kommunalrechts in Baden-Württemberg geändert. Die interkommunale Zusammenar-
                              beit wurde dabei unter anderem um die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts erweitert. Damit
                              ergeben sich nun völlig neue Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit. Diese Kurzkom-
                              mentierung erläutert die neue Rechtslage und unterstützt die Gemeinden bei der Realisierung inter-
                              kommunaler Zusammenarbeit. (ISBN: 978-3-17-031426-9, Preis: 49,00 €)

Prof. Dr. Arnd Diringer
#ArbeitsRechtKurios. Heiteres aus deutschen Arbeitsgerichten

Mit #ArbeitsRechtKurios startet eine neue Buchreihe mit amüsanten Fällen aus der Rechtsprechung
deutscher Gerichte – in Zusammenarbeit mit „Justillon“, dem bekanntesten Blog zu kuriosen Rechts-
nachrichten. Im ersten Buch stellt der weit über Fachkreise hinaus bekannte Juraprofessor Arnd Dirin-
ger erheiternde Fälle aus dem Arbeitsrecht vor und kommentiert sie. Er zeigt unter anderem auf, wel-
che rechtlichen Probleme sich für einen Anwalt mit Verdauungsstörungen ergeben können, dass der
Sturz von der Bierbank bei einer Lehrerin ein Dienstunfall sein kann, eine Außenprüferin beim Finanz-
amt besser nicht nebenberuflich als Domina auftreten sollte und vieles mehr. (ISBN: 978-3349011715,
Preis: 9,80 €)

                              Dr. Daniel Zimmermann
                              Europafähigkeit durch strategische Steuerung –
                              Anforderungen an eine effektive und effiziente Implementation

                              Mit der Wachstumsstrategie der EU „Europa 2020“ wurde ein Steuerungsprozess in Gang gesetzt, der
                              eine Ausrichtung zentraler Politikfelder der EU (insbesondere Wirtschafts-, Wettbewerbs-, Industrie-,
                              Beschäftigungs-, Kohäsions- und Forschungspolitik) an strategischen Zielen der EU beinhaltet. Für den
                              Vollzug von Sekundärrecht und für die Umsetzung der Kohäsionspolitik durch nationale Regierun-
                              gen und Verwaltungen bedeutet dies, dass sich diese an Effektivitätsgesichtspunkten messen lassen
                              müssen. Gerade in Deutschland lassen sich aber Effektivitäts- und Effizienzverluste aufgrund der un-
                              terschiedlichen Zuständigkeit von Bund und Ländern beobachten. Vor diesem Hintergrund wird ein
                              neues Begriffsverständnis von Europafähigkeit entwickelt, das darauf abzielt, dass für eine effektive
                              und effiziente Implementation programmatische, organisatorische und personelle Voraussetzungen
                              geschaffen werden müssen. (ISBN 978-3-415-06197-2, Preis: 64,00 €)

                                                                                               Dialog 39 | Dezember 2018        13
Studium

Fachprojekt „NKHR – Wir stellen um“
feiert 10-jähriges Jubiläum im Schwarzwald

                                               Infrastrukturvermögens, der Gebäude,           tiven Umsetzung unseres Projekts nichts
Von Louis Krasniqi, Bachelor-Student           Grundstücke, Schulden oder Kunstge-            mehr im Wege stehen.
Public Management, Jahrgang 2017               genstände. Nach langwieriger Recherche
                                               über die jeweiligen Fachbereiche erarbei-      Vor Ort
                                               teten wir unseren Projektbericht, der uns
                                               auch vor Ort als roter Faden diente. Wir       Am Montag, den 16. Juli 2018, nach
                                               erstellten einen Zeitplan, der uns half, un-   den letzten Klausuren des Grundlagen-
Das Fachprojekt zum Neuen Kommunalen           sere Zwischenziele nicht aus den Augen         studiums, fuhren wir zu unserem neuen
Haushalts- und Rechnungswesen „NKHR            zu verlieren und strukturiert unserer Ar-      Arbeitsplatz. Doch um die Bewertung,
– Wir stellen um“ hat nun schon zum 10.        beit nachzugehen.                              unsere Hauptaufgabe vor Ort, ging es
Mal stattgefunden. Diesmal zogen die                                                          in der ersten Woche nur nebensächlich.
Studierenden in der Schwarzwaldgemein-         Im Mai 2018 besuchte uns Herr Staubitz,        Neben Schulungen für die EDV-Program-
de Waldachtal Bilanz. Als 2009 das Pro-        Kämmerer der Gemeinde Waldachtal, in           me standen auch eine Ortsrundfahrt
jekt erstmalig der Gemeinde Benningen          der Hochschule Ludwigsburg. Wir infor-         auf der Agenda sowie der Bezug unse-
a. N. vorgestellt wurde, waren die Zweifel     mierten uns über die Vorgehensweise vor        rer Unterkünfte. Die darauffolgenden
an solch einem Studentenprojekt noch           Ort und bereiteten uns gemeinsam auf           Wochen fanden im Außendienst in den
groß. Heute, nach zehn Jahren und über         ortsspezifische Besonderheiten vor. Auch       gemeindeeigenen Einrichtungen statt.
20 Projektgemeinden, hat sich das Projekt      sprachen wir uns über die Ausstattung          Da neben der Bewertung des unbeweg-
der Hochschule Ludwigsburg unter der           unserer Arbeitsplätze und unserer Un-          lichen Vermögens auch das bewegliche
Leitung von Herrn Prof. Rieth etabliert. Die   terkünfte ab. Immerhin umfasste unser          Vermögen der Gemeinde einen nicht zu
Nachfrage wurde größer und jetzt, kurz         Projektteam zwölf Personen vor Ort, acht       unterschätzenden Aufwand darstellt,
vor Fristende der Umstellung in die Kom-       von uns benötigten eine Unterkunft in der      kontrollierten wir in Teams das bewegli-
munale Doppik, fand sich die diesjährige       Projektgemeinde. Auch die Arbeitsplätze        che Vermögen in den kommunalen Ein-
Projektgruppe des Jahrgangs 2017 in der        mussten ausgestattet werden, Laptops,          richtungen. Beispielsweise zählten wir
6.000-Einwohner-Gemeinde Waldachtal            Schreibtische etc. mussten beschafft wer-      im Bauhof und bei der Feuerwehr die
im Landkreis Freudenstadt ein. Ziel war es,    den. Anschließend sollte einer produk-         Fahrzeuge und Maschinen und in den
das Vermögen der Gemeinde Waldachtal
zu bewerten und darauf aufbauend eine
Bilanz zu erstellen.

Vorbereitung

„In allen Dingen hängt der Erfolg von
den Vorbereitungen ab“. Dieses Zitat
von Konfuzius beschreibt treffend, wie
wichtig es ist, detaillierte Vorbereitun-
gen für die Umsetzung des Fachprojekts
zu treffen. Dies wurde uns während des
Projekts auch noch öfters bewusst. Um
eine solche Vorbereitung zu garantieren,
trafen wir uns regelmäßig mit Prof. Rieth
in der Hochschule, um uns fachlich auf
die Umstellung vorzubereiten. Neben den
strategischen Überlegungen zur Vorge-
hensweise erfolgte auch die Einteilung in
Zweierteams, welche die Bewertung ihres
Bereichs später vor Ort vornahmen. Bei-
spiele hierfür sind die Bewertungen des        Projektgruppe der Bachelor-Studierenden Public Management, Jahrgang 2017

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