DIGITALTRENDS LFM - MOBILE MEDIA VERMESSUNG DER ZUKUNFT SOCIAL LOCAL MOBILE AUGMENTED - LANDESANSTALT FÜR MEDIEN ...
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DIGITALTRENDS LfM Mobile Media Vermessung der Zukunft Social Local Mobile Augmented Reality Ausgabe 2 | 2011
EDITORIAL Es ist gerade einmal zwanzig Jahre her, dass das Internet nachhaltig in unser Leben drang. Inzwischen ist es mobil geworden und dabei, unseren Alltag nochmals grundlegend zu verändern. Inhalt 2011 war schon jedes dritte verkaufte Handy ein Smartphone. Wir können damit heute fast alles erledigen: Natürlich telefonieren, aber AUFBLENDE auch Musik oder Radio hören und Videos sowie Die Vermessung der Zukunft 4 TV-Inhalte anschauen. Wir verschicken E-Mails, surfen im Internet und rufen personalisierte Informationen ab. Der entscheidende Punkt THEMA aber ist, alle früher getrennten Nutzungsarten und Inhalte im Internet sind damit fast unbe- Social, Local, Mobile – grenzt verfügbar – und das nicht nur stationär, der neue Hoffnungsträger auf sondern mobil, dabei zeitlich nicht vorstrukturiert, sondern jederzeit, dem mobilen Internetmarkt 8 zudem lokal nicht festgelegt, sondern überall. Was wir heute mit dem Begriff „mobiles Internet“ verbinden, ist erst der TREND Anfang der Entwicklung, denn die Verknüpfung von mobilen Endgeräten, sozialen Netzwerken und lokalen Informationen bietet eine Fülle neuer Mobile soziale Netzwerke – digitaler Möglichkeiten. Einige stellen wir in der zweiten Ausgabe unseres Experimentelle Communities Magazins Digitaltrends LfM vor. im globalen Dorf 12 So fragen wir, welchen Stellenwert denn die häufig erwähnten ortsbewuss- Upgrade für Bluetooth: Die mobile Welt ten Internetdienste (Location Based Services) in unserem Alltag schon wird durch NFC erst richtig erlebbar 16 haben, wann wir mittels der Technologien NFC und RFID das Handy zum Öffnen unseres Autos oder für das Bezahlen am Ticketautomaten nutzen Aufbruch in die Augmented Reality 20 können und welchen Mehrwert uns ganz neue Trends wie die „Augmented 2 Reality“ (erweiterte Realität) bieten. Und natürlich blicken wir auch auf das Handy der Zukunft, wie es aussehen könnte, wo es doch heute schon PERSPEKTIVEN so vieles möglich macht. Smartphone-Entwicklung bis 2016 – Bei allem steht der Nutzer im Mittelpunkt. Web 2.0 und mobiles Internet Die Zukunft für die Hosentasche? 24 bieten ihm viele neue Anwendungen, bei denen er selbst Inhalte erstellen und unterschiedliche Medien kombinieren kann. Das reicht hin bis zu kol- Twitter – Kommunikation außer Kontrolle? 28 laborativen Projekten, bei denen Menschen via Internet zusammenarbeiten, die sich zwar nicht kennen, aber ein gemeinsames Ziel haben. Das Crowd- PANORAMA sourcing hält Einzug in die Arbeitswelt. Die neue digitale Wertschöpfung. Und die Medienpolitik? Sie steht vor ganz neuen Herausforderungen, damit Wie das Crowdsourcing die Kreativ-Arbeit der durch die Digitalisierung ausgelöste Medienwandel transparent bleibt revolutioniert 30 und sich im Sinne der Öffentlichkeit vollzieht. Ein Artikel unseres Heftes zielt in besonderem Maße auf diese Diskussion. Brauchen Netzwerke, die Informationen viral und mit hohem Tempo unmoderiert verbreiten, etwa INNOVATOREN einer besonderen Aufmerksamkeit? Der Spiegel-Redakteur Konrad Lischka stellt am Beispiel Twitter seine ganz persönliche Sicht dar und zeigt damit, Innovatoren im Bereich Crowdsourcing 34 wie viel wir als Gesellschaft noch im Umgang mit den neuen Kommunika- tionswerkzeugen zu lernen haben. ABBLENDE Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Digitaltrends LfM jetzt auch als „App“ für Smartphones und Tablets zur Verfügung steht, optimiert Unstete User: für Apples iOS und Android. Gehen Sie dazu einfach auf unsere Website, Das überraschende Ende von Myspace 36 in den Apple-Store oder den Android-Market und abonnieren Sie die kosten- freie neue App der „Digitaltrends LfM“. KALENDER 40 Dr. Jürgen Brautmeier, Direktor der LfM
INHALT DAS INTERNET – DANK NEUER DIENSTE IMMER UND ÜBERALL VERFÜGBAR [Seite 8] Die Verknüpfung von sozialen Netzwerken, mobilen Endgeräten ermöglicht völlig neue Dienste im neuen, ortsbewussten Web. Das mobile Internet birgt ein erhebliches Ver- änderungspotenzial für die Medienlandschaft. Entfallen nun die letzten räumlichen Nischen, in denen sich Internetverweigerer und Kleingewerbe noch der „New Economy“ entziehen konnten? STÄDTE UND FUSSGÄNGERZONEN HABEN EINEN DIGITALEN SCHATTEN [Seite 12] Foursquare, Gowalla oder Friendster – diese Location Based Services kennen bislang vor allem die Digital Natives und nutzen die neuen Webdienste auf mobilen Geräten. Sie funktionieren ähnlich wie andere soziale Netzwerke. Aber wozu brauchen Menschen solche Check-In-Dienste? Spielerei oder ernstzunehmende Entwicklung? SMARTPHONES WERDEN ZUM UNIVERSALEN, ORTSBEWUSSTEN LEXIKON [Seite 20] Die Lokalisierung von Informationen wird nirgendwo sichtbarer als bei Anwendungen, die auf Augmented Reality setzen. Statt am Computer nutzen Anwender über ihr Handy mitten in der Stadt neue virtuelle Welten. Mit dem Smartphone vor Augen wird die Realität um viele zusätzliche Informationen bereichert. Virtualität und Realität ver- schwimmen. 3 WARUM NIEMAND WEISS, WIE EIN HANDY IN FÜNF JAHREN AUSSEHEN WIRD [Seite 24] „Digitale Gesetze“ stehen für Entwicklungssprünge in vergleichsweise kurzer Zeit. Alle 12 bis 18 Monate verändern sich die technologischen Bedingungen für Geräte-Hersteller grundlegend. Welche Quantensprünge kann man bis 2016 erwarten? Werden wir in Zu- kunft noch telefonieren wollen? Was wissen die Hersteller schon heute über ihre Pro- duktreihen der Zukunft? PHÄNOMEN TWITTER – WAS IST DAS MEDIUM, WAS IST DIE BOTSCHAFT? [Seite 28] Was genau ist Twitter? Jeder Tweet kann das digitale Pendant zu einem Kneipengespräch, zu einer Podiumsdiskussion, zu einer Straßen-Pöbelei oder zu einer Schlagzeile sein. Eine übergreifende Kategorie für die vielseitigen Kommunikationsformen, die Twitter ermöglicht, gibt es nicht. Aber welche Grenzen sollte es vernünftigerweise für solche Micro-Blogging-Dienste geben? Ein Kommentar von Spiegel-Autor Konrad Lischka. CROWDSOURCING – WERTSCHÖPFUNG, FREI NACH WIKIPEDIA [Seite 30] Crowdsourcing bezeichnet die Auslagerung von Arbeitsprozessen an viele verschiedene Internetnutzer. Das Crowdsourcing gibt es mittlerweile in diversen Bereichen, etwa zur Ideengenerierung, für Werbung und Marketing und auch bei Finanzierungen, als sogenanntes Crowdfunding. Alles zielt in eine Richtung: Vernetzung von Menschen und Ressourcen, die gemeinsam etwas bewegen möchten.
Envisioningg the near AUFBLENDE | DIE VERMESSUNG DER ZUKUNFT ffuture t off tteechnology h l Last updated: 2011-03-29 Wetw (biofee meeting people is easy Optogenetics Die Vermessung Artificial limbs Swarm m Exoskeletons roboticcs UAVs Utility Regenerative fog medicine Domestic robots Stem-cell treatments ROBOTICS Self-driving vehicles Vertic agricul Personalized Interplanetary terp tar medicine internet ter BIOTECH Tele- Smart medicine cities Sm mart art t ys toy MATERIA HAPs Bio- markers Semantic web Smart Liinked data Appliance infrastructure robots N NFC INTERN NET Print on de demand Cerm (CONNECTTIVITY) PGS Social 3D 5G graph printing High-frequency re C Cloud t di trading now w com mputing 20255 + 20155 – 2025 0 2011 – 2 20155 Priv 4 Cyber- w warfare space Sensorss (2011) PAN Tabs & F cells Fuel Pads Multi Virtual 4G touch All media currencies r on demandd Sm mart Virtual meeters property ro Per ervasivve Gesture videeo recognition Inductive uct Boards chargers ch 3D Electtronic Gamification paaper AR of media Pico- projectors ACRONYMS R M Speechh 3D 3D screens sc n andd cam merass recognnition Proced edural sto elling storyte SPIMES 4G Fourthh gen ccellular Fo ula wir wireless ss (WiMAX, WiM X, LTE) E) MEDIA UBICOMP 5G Fifth fth genn cellular u wiireless es (HARDWARE) Haptics AR Augmented m me d Reality allit N NUI (SOFFTWARE) HAP A High ig Altitude tit e PPlatfo foor orm Fabric- embeedded Holography screeens Location-aware NFC C Nearr Field CCommun m ication at media NUI Naturall UUser In Na Interfaac a ace PA AN Personal so AreArea Netw etworks ks Telepresence PGS Personal Per al Genee SSequuencing en Smart clothing SPIME An object bj that ha cann be b tracked ac Machine gh space through ce and tim ime vision UAV Unm nmannedd AAerial VVeehiclee Immersive 3D VASIMR Variable ble Specific fic Im mpulse uls projections Magnetop oplasma RoRoccket Retinal screens Skkin-embedded screens Learn more: mmichell zappa.ccom Contact me: michell m zappa@gmail.com m Infografik von Michell Zappa zur Zukunft der Technologieentwicklung ollow me: @mz Fo
AUFBLENDE | DIE VERMESSUNG DER ZUKUNFT ware edback) Reverrsal of aging der Zukunft Synthetic meat Programm mable matter Nanowires Carbon cal ture nanotubes Molecular assembler Intelligence Amplificationn Bio- materials ALS M Meta- maaterials Machine translation ARTIFICIAL Self-healing materials INTELLIGENCEE Memristor ets Medical Space diiagnostics elevator Natural language interpretation p Software 2011 0 – 2015 agents 20 015 – 2025 2 2025 + vate eflight 5 Space Ultra- Bio-enhannced tourism capacitors fuels SPA ACE Multi-segmented smart grids VASIMR Superconducting p g Um die Breite der Digitalisierungstrends zu interties erkennen, braucht es ein tieferes Verständnis Lunar outpost dessen, wie und wo(hin) sich unsere Umwelt ENERGY Nanostructure battery cathodes und Technik in Zukunft entwickelt. Aber die Zukunft ist nicht leicht vorherzusehen und – natürlich – niemals gesichert. Zudem werden Photo- voltaics Piezo- Prognosen tendenziell immer ungenauer, je electricity Thorium später die Vorhersagen eintreffen sollen. reactors Photvvoltaic Biomechanical 2012 ist leicht zu prognostizieren, 2022 eher glass harvesting Traveling wave reactor ein Vabanquespiel. Dennoch sollte man es Nano- Nuclear cle versuchen. generatorrs Solar thermal Kinetic net Der in Großbritannien lebende Technologie-Ex- perte Michell Zappa hat für dieses Grunddilemma Artificial photosynthesis der Zukunftsforschung ein interessantes Modell Solar olar entwickelt. Er nähert sich der schwierigen Frage nach den Zukunftstrends mit einem Baumkreis- modell: Um die heutige Situation herum grup- piert er auf einer Scheibe mit Jahresringen eine Reihe von aktuell erkennbaren, übergeordneten Megathemen, darunter Internet, Biotechnologie, Energie, Medien, Künstliche Intelligenz (Artifical Intelligence), neue Hard- und Softwarelösungen (Ubiquitous Computing) und andere. BY Y SA
AUFBLENDE | DIE VERMESSUNG DER ZUKUNFT Aus diesen Megathemen leitet er jeweils relevante Auch im Internet verortet Zappa eine Reihe von Subthemen ab und verortet deren vermutliche Entwicklungen. Diese reichen vom nächsten Handy- Realwerdung in der Zukunft. So ist es recht klar, standard 4G/LTE, der ab 2013 spürbar wird, bis dass bereits jetzt die ersten On-Demand-Medien- zu virtuellen Währungen ab 2017. Quelle ist da- angebote entstehen. Mediendienste aber, die sich bei ein eher intuitives Vorgehen, bei der Zappa automatisch auf den jeweiligen Aufenthaltsort Technik- und Business-Nachrichten, Nutzertrends des Nutzers beziehen („Location Aware Media“), und Science Fiction-Modelle munter mischt. Aber sieht Zappa erst ab 2015 an Bedeutung gewinnen. bei allen möglichen wissenschaftlichen Vorbe- Dieser Trend der Location Based Services wird halten zur Methodik liefert Zappa eines: Ein Ver- auch im vorliegenden Magazin aufgegriffen. ständnis über und ein Bild von der digitalen Zu- kunft als großes Ganzes. Über Daten und Details lässt sich dabei trefflich streiten. „Das Internet wird immer personalisierter“ Digitaltrends LfM im Gespräch mit dem Technologie-Experten Michell Zappa, der die Technologietrend-Infografik „Envisioning the near future of technology“ (siehe S. 4-5) entwickelt hat. Dutzend Schlüsseltrends zu gruppieren und dann abzuschätzen, wann jeder einzelne von ihnen zum Massenmarkt wird. Wenn man dabei so unterschiedliche Technologiebereiche abbildet, 6 dann folgt man dem „Großen Ganzen“ – und weniger dem, was derzeit aktuell passiert. Ist es heute überhaupt möglich, Technologie- trends für die kommenden 25 Jahre zu prog- nostizieren? Was war der Grund dafür, so unterschiedliche Ich glaube, es ist durchaus möglich, wohlbegrün- Technologietrends in einer Infografik abzubil- dete Vermutungen über einige Schlüsseltrends den und wie aufwendig war das? anzustellen. Viele Aspekte des menschlichen Ver- Meine Untersuchungen stützen sich zuallererst haltens verändern sich nicht, etwa das Bedürfnis, auf Beobachtungen. Diese speisen sich haupt- einer Gemeinschaft anzugehören, Informationen sächlich aus vier Quellen: Erstens aus Technolo- zu teilen, nach Wissen zu streben oder die Welt gie-News (neue Geräte, Dienste und Produkte), um sich herum verstehen zu wollen. Technologie zweitens aus Wirtschafts-Nachrichten (Geschäfts- spielt bei diesen menschlichen Grundbedürfnissen modelle, strategische Entscheidungen) und eine wichtige Rolle, ganz besonders, wenn es um drittens aus Verbraucher-Trends, um zu verstehen, die Erweiterung unserer Sinne geht oder den In- was die Menschen weltweit denken und erwarten. formationsaustausch. Ich kann mir gut vorstellen, Und viertens braucht es „Science Fiction“ – dass Angebote, die sich an den menschlichen einen etwas verrückten Blick von außen. Ich Grundbedürfnissen ausrichten und deren Befriedi- recherchiere und beobachte fortlaufend, mehrere gung erleichtern, sie schneller und universeller Stunden täglich. machen, erfolgreich sein werden. Meine Absicht war, einen Rahmen für größere Genauer gesagt, ich würde für die nächsten 25 Entwicklungszusammenhänge zu schaffen und so Jahre auf Technologien setzen, welche die Ener- zu zeigen, wo sich bestimmte Technologietrends gieerzeugung und -speicherung effizienter ge- abzeichnen. Ich habe zunächst begonnen, einige stalten. Unser Energiebedarf wächst weiterhin
AUFBLENDE | DIE VERMESSUNG DER ZUKUNFT 7 rasant und ich glaube nicht, dass allein die Sen- Wie soll sich der Gesetzgeber auf diese Ent- kung des Verbrauchs unsere Probleme lösen kann. wicklungen vorbereiten und sinnvoll reagieren? Gesetzgeber sollten darauf achten, den Bürgern Welche wichtigen Entwicklungen sehen Sie im nicht die eigene Sichtweise allzu sehr aufzudrü- Bereich der Digitalisierung der Medien in den cken. In einigen Lebensbereichen gibt es derzeit kommenden Jahren? weitreichende Veränderungen, etwa bei der Privat- Das Tempo des Informationsaustausches im Web sphäre, in puncto Sicherheit oder was die Über- 2.0 nimmt weiter zu, das Internet wird immer prüfbarkeit von Informationen angeht. personalisierter. Während man noch vor ein paar Ich selbst kenne auch nicht das Bildungssystem Jahren die Artikel und Medienberichte, die einem der Zukunft. Aber ich glaube fest, dass wir Fähig- seine Freunde geschickt haben, gut überblicken keiten fördern sollten, die in der Zukunft wichtig konnte, benötigen wir heute Instrumente, die für sind. Berufe und Karrieren sind dabei gar nicht uns vorsortieren und vorentscheiden. Die Auswahl so entscheidend, man sollte das Denken und das der Nachrichten auf der Facebook-Startseite ist Anwenden von Wissen fördern. Dem Schutz von schon sehr gut. Aber in naher Zukunft brauchen Kindern ist nicht besonders dienlich, ihre Privat- wir Dienste, die sich auf viele weitere Merkmale sphäre mit allzu strengen Regeln abzuschirmen. stützen, indem sie Angaben von Freunden ver- Unser aller Leben wird in Zukunft mehr und mehr schiedener sozialer Netzwerke aggregieren und öffentlich stattfinden. Das sollten Kinder lernen, herausfinden, was die persönlichen Präferenzen produktiv zu bewältigen. des Nutzers sind. Amazon und Netflix sind da Vorreiter, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Text und Interview: Klaus Goldhammer
THEMA | SOCIAL, LOCAL, MOBILE 8 Social, Local, Mobile - der neue Hoffnungsträger auf dem mobilen Internetmarkt Was wir heute unter dem Begriff mobiles Internet verstehen, ist nur der Anfang. Künftig wird der Griff zum Smartphone oder zum Tablet an beinahe jedem Ort und in beinahe jeder Lebenslage zur festen Gewohnheit werden. Die Alleskönner in der Hosentasche sind immer schlauer und immer komfortabler zu bedienen, wie Apples iPhone 4S mit Sprachsteuerung beweist. In einigen Jahren werden wir uns dann ganz von den Geräten trennen und einfach auf die uns umgebende Datenwolke zugreifen. Was würden Sie tun, wenn Sie vor dem Schau- gleich an Ort und Stelle überprüfen. Denn ein fenster eines Elektronikladens stehen, der Ihnen Smartphone (oder ein Tablet), das fast jeder in einen Flachbildfernseher zu einem sagenhaft der Tasche hat, zeigt über eine App an, welche günstigen Preis verspricht? Der Preis soll nur Preise die anderen Anbieter in der Stadt für das heute gelten und der Laden schließt in zwei gleiche Gerät verlangen, und ob das beste Ange- Stunden. Die meisten Menschen im Jahr 2011 bot vielleicht bei einem Online-Versandhändler würden wohl nach Hause gehen und im Internet zu finden ist. Ein Szenario, das Einzelhändler Preise vergleichen – wenn sie das Angebot bis nicht gerade herbeisehnen. dahin nicht schon wieder vergessen hätten. Die gleiche Szene im Jahr 2013: Ob ein angebliches Auf der anderen Seite gibt es für den Handel be- Sonderangebot wirklich so günstig ist, lässt sich reits heute gute Möglichkeiten, potenzielle Kun-
THEMA | SOCIAL, LOCAL, MOBILE Ich muss nicht wissen, wo ich bin und was ich dort tun könnte. Mein Smartphone findet das für mich heraus und macht mir passende Angebote. Für das Zusammenwachsen von sozialen Netz- werken, ortbasierten Diensten und mobilen End- den mobil auf die eigenen Angebote aufmerksam geräten zu einer situationsbezogenen mobil ver- zu machen. Und für Nutzer umgekehrt, solche fügbaren Datenwolke gibt es mittlerweile ein Angebote für Pizzadienste, Cafés, Kinos oder Schlagwort: SoLoMo (Social Local Mobile), eine auch für Mitfahrgelegenheiten zu finden. Voraus- Wortschöpfung des Risikokapital-Managers John gesetzt, der Nutzer ist zur richtigen Zeit am rich- Doerr von KCPB im Silicon Valley. Auf SoLoMo tigen Ort. Das Smartphone kann potenziell pas- setzen gleich mehrere Branchen große Hoffnun- sende ortsbasierte Angebote im Push-Verfahren gen: Mobilfunk-Netzbetreiber, Gerätehersteller, automatisch mit Rabattcoupon, Entfernungshin- Vermarkter und auch die Medienbranche. Prog- weis und Karte anzeigen, die Einwilligung des nosen zur Verfügbarkeit von Smartphones – ein Nutzers vorausgesetzt. Ob ein Angebot wirklich wichtiger Faktor, denn nur mit GPS-, App- und gut ist, wissen wiederum Freunde und Bekannte, Internet-fähigen Geräten lassen sich ortsbasierte die es bereits genutzt haben. Ihr Urteil liefern Dienste in vollem Umfang nutzen – stimmen die mobile soziale Netzwerke, sie heißen Yelp, Qype, Marktteilnehmer optimistisch. Foursquare oder Facebook. Die US-amerikanische Internet-Analystin Mary Laut einer Studie des auf ortsbasierte Werbung Meeker prognostizierte schon vor einem Jahr, spezialisierten Netzwerks JiWire nutzen in den dass die Zahl der mobilen Internetnutzer die USA zwei Drittel der „Millenials“, die um die Zahl der Web-User am PC im Jahr 2015 weltweit Jahrtausendwende erwachsen geworden sind, übertreffen werde. (siehe Interview S. 11) bereits heute ihr Notebook, Smartphone oder Inzwischen ist dieser Zeitpunkt weiter nach vorn Tablet, um unterwegs ins Internet zu gehen. gerückt, da höhere Datenübertragungsraten, Mehr als ein Viertel klickt auf ortsbasierte Apps, sinkende Hardware-Kosten und attraktivere Daten- 9 um festzustellen, welche Freunde in der Nähe Flatrates den Smartphone-Absatz ankurbeln. Ein sind, welches Kino im Umkreis einen neuen Film weiterer Grund für das rasante Wachstum: Googles zeigt, wo der nächste freie WLAN-Hotspot ist Betriebssystem Android hat nach schleppendem oder welche Läden Sonderangebote bieten. Und Start kräftig aufgeholt und kommt laut Nielsen 58 Prozent der Millenials, aber auch 44 Prozent in Deutschland nun auf einen Marktanteil von der Babyboomer über 55 sind laut JiWire bereit, 30 Prozent, vor Apple mit 23 Prozent. Nach im Gegenzug für relevantere Webinhalte ihren Schätzungen des Branchen-Verbandes Bitkom momentanen Aufenthaltsort preiszugeben. Für werden 2011 in Deutschland insgesamt etwa Deutschland ermittelte die Allensbacher Compu- zehn Millionen Smartphones verkauft, was einer ter- und Technik-Analyse (ACTA 2011), dass jeder Marktpenetration von etwa einem Drittel ent- fünfte Internetnutzer zwischen 14 und 69 Jahren spricht. Vor einem Jahr lag die Prognose für das Internet auch mobil per Smartphone, Tablet- 2011 erst bei einem Viertel. PC, MP3Player oder E-Reader nutzt. Beim Kauf eines Mobiltelefons legen inzwischen 78 Prozent Das iPhone 4S mit dem Spracherkennungsdienst großen Wert darauf, dass das Gerät internetfähig Siri hebt SoLoMo zudem auf eine neue Komfort- ist (2010 erst 60 Prozent). Allerdings gibt es Ebene. Wer das neueste iPhone besitzt – Apple laut ACTA große Unterschiede je nach Alter. Zwei verkaufte in sieben Startmärkten bereits in den Drittel aller Teenager will mobil ins Netz, aber ersten drei Tagen mehr als doppelt so viele Geräte nur ein Drittel der 40- bis 54-Jährigen. wie beim iPhone 4 im gleichen Zeitraum – kann Siri per Spracheingabe fragen, wo der nächste Inzwischen ist eine neue Generation von orts- Geldautomat oder der nächste Supermarkt ist. basierten Diensten (Location Based Services) Siri zeigt eine Karte an oder spricht die Antwort – herangereift, die Nutzer über den spielerischen und kann damit mobile Navigationsgeräte erset- Charakter des „Eincheckens“ (sich an einem Ort zen. Noch sind allerdings die vollen Funktionen anmelden) hinaus Mehrwert bieten. (zu Foursquare, von Siri nicht überall nutzbar, weil manche Ant- GetGlue u.a. siehe Seite 12-15) worten auf Diensten beruhen, die nur in den USA
THEMA | SOCIAL, LOCAL, MOBILE Sprachgesteuerte Module wie Siri auf dem iPhone 4S werden die ortsbasierte Suche noch komfortabler machen. funktionieren, wie beispielsweise das mobile Be- Was mein Handy nicht findet, das existiert auch wertungsportal Yelp. nicht. Auch Google setzt auf mobile Dienste und rechnet Eine weitere Entwicklung steht SoLoMo noch be- für 2011 in diesem Segment mit einem Jahres- vor: die Integration von Augmented Reality (an- umsatz von über einer Milliarde Dollar – das sind gereicherte Realität oder kurz AR) in ortsbasierte im Vergleich zu den Umsätzen des Konzerns mit Dienste auf dem Handy oder anderen mobilen Displaywerbung im stationären Netz immerhin Geräten. (siehe Seite 20-23) Noch stecken AR- schon 40 Prozent. Noch ist die werbefinanzierte Anwendungen in den Kinderschuhen, wobei der Einsatz in Werbung und Marketing am weitesten fortgeschritten ist. So lässt Lego schon seit zwei Jahren in seinen Flagship-Stores Modelle in 3D zum Leben erwecken, wenn Kunden im Laden die Verpackung vor ein Terminal mit AR-Reader halten. Der Science-Fiction-Sender SyFy startete zum Jahresanfang 2011 eine Kampagne, bei der ein schleimiges Monster aus Gullis kroch, eine Pla- katwand ein Raumschiff vor fremden Galaxien zeigte und eine Litfaßsäule sich in ein Reagenz- glas verwandelte, in dem Aliens ausgebrütet wurden. Sehen konnte man die Bedrohung aus dem All allerdings nur durch den Kamerasucher eines Handys mit AR-Browser. 10 So verblüffend solche Inszenierungen derzeit wirken mögen – richtig zur Geltung kommen wird AR erst, wenn die Rechenleistung der mobilen Prozessoren und die mobilen Bandbreiten aus- mobile Suche über die Google-Eingabemaske der reichen, um die Wirklichkeit auch losgelöst von größte Umsatzbringer, aber der Internetgigant treibt auch ortsbasierte mobile Lösungen weiter In einigen Jahren wird der Begriff voran. Mit seinem Dienst AdWord Express, der „mobiles Internet“ obsolet werden. nach USA und Frankreich Mitte Oktober auch in Das Internet wird dann immer und Deutschland und Großbritannien startete, richtet überall verfügbar sein. sich Google gezielt an Unternehmen, die Kunden in ihrer Nähe ansprechen wollen. Google Adwords, festen Einsatzorten und aus der Bewegung mit bei denen Werbekunden dafür bezahlen, dass ihre virtuellen Daten anzureichern. Was SoLoMo plus Anzeige erscheint, wenn Nutzer nach bestimm- AR vielleicht in fünf oder zehn Jahren leisten ten Stichworten suchen, werden dazu mit dem kann, darauf bietet eine Studie des MIT Media Dienst Google Places kombiniert. Lab („Sixth Sense“) einen Vorgeschmack. Mittels Minikamera lassen sich Daten überall hin proji- Google hofft dadurch, auch Firmen, die stark auf zieren. Auf Folien, oder Wände, oder auf die Laufkundschaft setzen und denen Internetwer- nackte Haut. Spätestens dann, wenn die Daten- bung bisher zu ineffizient erschien, im unkom- wolke losgelöst von Mobilgeräten allgegenwärtig plizierten Selbstbuchungsverfahren an sich zu ist, wird auch der Begriff „mobiles Internet“ binden. Absehbar ist, dass es Unternehmen, die verschwinden. Das Internet ist dann einfach da, sich aus der mobilen lokalen Suche weiterhin he- immer und überall. raushalten, bald schwer fallen dürfte, ihr volles Ulrike Langer Kundenpotenzial auszuschöpfen. Denn SoLoMo schafft Gewohnheitsmuster bei Verbrauchern:
THEMA | SOCIAL, LOCAL, MOBILE „Schon in wenigen Jahren greifen mehr Menschen mit mobilen Geräten auf das Internet zu als mit einem PC“ Mary Meeker, Finanzexpertin, Web-Analystin und Partnerin beim Venture-Capital-Unternehmen Kleiner Perkins Caulfield & Byers, über Trends im mobilen Internet Wie schnell wächst das mobile Internet? Schneller als jede andere Technologie zuvor. Auf dem PC brauchte das Internet zehn Jahre, um die gleiche Nutzerzahl zu erreichen wie das mobile Internet in fünf Jahren. Und die Entwicklung beschleunigt sich weiter. Schon in wenigen Jahren werden mehr Menschen mit mobilen Geräten auf das Internet zugreifen als mit einem PC. Welche Rolle spielt dabei Bewegtbild? Das ist eine der größten Überraschungen: Die Nutzung von Videos auf Smartphones und Tablets übertrifft alle Erwartungen: Mama liegt im Bett und schaut einen Spielfilm, Papa liegt 11 im Bett und sieht Sport, der Sohn guckt Fuß- ball in seinem Zimmer, die Tochter surft im Wie reagiert der Werbemarkt auf das Wachs- Internet – und alles mit Mobilgeräten. Jeder tum des mobilen Internets? schaut, was er will und wann er will. Diese Wenn ich den mobilen Werbemarkt 2011 mit Wahlfreiheit führt zu einem explosionsartigen dem klassischen Internet-Werbemarkt von 1997 Nutzungsanstieg. vergleiche – also dem Zeitpunkt zwei Jahre nach dem Start des Netscape-Browsers, dann steigen Inwiefern führt der Anstieg der mobilen die Werbetreibenden in den mobilen Markt im Web-Nutzung zu neuen Chancen für Spiele- Vergleich viel schneller ein. Entwickler? Auf neuen Plattformen sind es typischerweise Was ist Ihre Lieblings-App? Spiele, die als erstes genutzt werden. Und Eine ist ZipCar (Car-Sharing-Unternehmen, zwar im Normalfall immer die ganz einfachen Red.), weil man mit dem Smartphone ein Auto Spiele wie etwa „Angry Birds“. Die kumulierte finden und aufschließen kann. Darüber staune „Angry Birds“-Spielzeit aller Nutzer beträgt ich immer wieder. Eine andere ist die Priceline- übrigens ziemlich erschreckende 125 Jahre – App. Damit kann man das Mobiltelefon schüt- und das pro Tag! teln und bekommt ein preiswertes Hotel in der Nähe angezeigt. Das sind zwar schon ältere Apps, aber sie sind besonders innovativ. Das Interview führte die Mobil-Ads-Unit von Google im Rahmen des ThinkMobile- Konferenz 2011 in New York. Übersetzung: Ulrike Langer
TREND | MOBILE SOZIALE NETZWERKE Mobile soziale Netzwerke – Experimentelle Communities im globalen Dorf Das Internet als virtuelle Realität? Von wegen. Vom Einkaufen über das Spielen bis zur Restau- rantsuche haben sich ortsbewusste Internetdienste, sogenannte Location Based Services, längst in unseren Alltag eingeschlichen und die Realität mit einer neuen Datenebene angereichert. 12
TREND | MOBILE SOZIALE NETZWERKE Unsere physische Realität ist längst in der digitalen Welt abgebildet. Gehen wir einmal in die Fußgängerzone einer an welchem Ort der Nutzer sich befindet, und mit deutschen Großstadt. Auf den ersten einem Klick kann er sich dann dort einchecken Blick scheint sich gar nicht und erscheint so bei seinen Kontakten auf der so viel verändert zu ha- Karte. Zwischen beidem besteht ein bezeichnen- ben. Die Menschen fla- der Unterschied: Die körperliche Anwesenheit an nieren nach wie vor einem Ort bekommen nur diejenigen Personen vor den Schaufens- mit, die in Realpräsenz dort sind. Die virtuelle tern, betreten das Präsenz dagegen kann der gesamte Social Circle, eine oder andere also Freundeskreis im Web, beobachten. Geschäft oder set- zen sich in Cafés und Unsere Städte und Fußgängerzonen haben also verfolgen die anderen einen digitalen Schatten bekommen, ein Netz- Shopper durch die Fens- werk aus Specials, Coupons und Tipps, terscheibe. Aber wenn man das man nur sieht, wenn man die näher hinsieht, hat sich doch eine entsprechenden ortsbewussten In- Kleinigkeit in den letzten 10 Jahren deutlich ternet-Dienste auf seinem Smart- verändert. Der US-amerikanische Autor William phone installiert hat und mithilfe Gibson beschreibt diese Beobachtung in seinem des eingebauten GPS-Moduls die Roman Zero History: „Was früher die Zigaretten- Umgebung scannt. Specials sind raucher im Straßenbild waren, sind jetzt die zum Beispiel der kostenlose Kaffee Smartphone-Nutzer.“ Auf den ersten Blick würde für den Foursquare-Mayor – also die man meinen, dass es hier vor allem um ein Flucht- Person, die am häufigsten an einem Ort phänomen geht, um das Sich-Herausnehmen aus eingecheckt ist. Coupons kann es für User ge- einer Situation. Aber – weit gefehlt. Immer häufi- ben, die eingecheckt in einem Geschäft einkau- ger werden die Smartphones genutzt, um tiefer in fen, und selbstverständlich sieht man dort auch 13 den Ort einzutauchen, oder wie es heute heißt: die Tipps, die der eigene Freundeskreis auf dem „einzuchecken“. Weg durch die Stadt hinterlassen hat. Der gesamte Social Circle sieht, wo ich mich Ortsbezogene Internetdienste sind längst gerade aufhalte kein Nischenphänomen mehr Mittlerweile ist unsere physische Realität längst Mittlerweile sprechen wir hier nicht mehr über in der digitalen Welt abgebildet. Ob Hundefriseur, eine Nische: Universal McCann hat 2011 ermit- Fastfood-Restaurant oder öffentliche Parks und telt, dass 69 Prozent der User in Deutschland, Gärten – auf Foursquare, Gowalla, Google Places, die Apps auf ihren Smartphones verwenden, auch Facebook Places und zahlreichen anderen ortsbe- die darin angebotenen Location Based Services wussten Internet-Diensten (Location Based Ser- nutzen. Die hierzulande am weitesten verbreite- vices) finden sich diese Orte wieder, so dass sich ten Dienste sind Facebook Places (32%) und die Nutzer nicht nur physisch, sondern zugleich Google Places (28%), Foursquare hat nur einen auch virtuell dort aufhalten können. Marktanteil von 4 Prozent. Was sind die wich- Das Smartphone erkennt tigsten Motive, Geodienste zu nutzen? Einer ak- mittels GPS, tuellen JiWire-Studie zufolge ist das Finden von Geschäften die wichtigste Anwen- dung des Geo-Internets. An zweiter Stelle kommt das Identifizieren von Sehens- würdigkeiten, schon an dritter Stelle folgen die Ein- check-Dienste (JiWire 2011).
TREND | MOBILE SOZIALE NETZWERKE 14 Unsere Städte und Fußgänger zonen haben einen digitalen Schatten bekommen – ein umfangreiches Netzwerk aus Specials, Coupons und Tipps. Aber mittlerweile gehen die Anwendungsmöglich- Aber nicht nur Shopping ist eine wichtige An- keiten der Location Based Services weit darüber wendung für Location Based Services, sondern hinaus. Virtual Popup Stores etwa sind virtuelle auch Spiele. Auf die Verbindung von GPS-Sensor, Ladengeschäfte, vor allem in der Modebranche, Internet-Zugang und Social Circle setzen Mehr- die nur über Smartphones oder Tablets besucht Personen-Online-Rollenspiele (MMORPGs) wie werden können. Dabei genügt es nicht, die An- Shadow Cities, Life of Crime oder Parallel Kingdom wendung aufzurufen, sondern das durch Augmen- auf, in denen sich die Avatare der Rollenspieler ted Reality-Software projizierte Geschäft kann nur nicht wie gewöhnlich in einem rein virtuellen an einem ganz bestimmten Ort besucht werden Raum bewegen, sondern ihre Aufgaben in den (siehe Artikel Seite 20-23). Dort können dann, Straßen der Großstadt lösen und zum Beispiel wie in einem ganz normalen Geschäft, zum Bei- die eigene Wohngegend von Zombies säubern spiel Turnschuhe ausgewählt oder gekauft werden. müssen (Please Stay Calm). Ein wichtiger Vorläufer des Urban Gamings ist das sogenannte Geocaching, die moderne Version der Schnitzeljagd bzw. Schatz- suche, in der man mit Hilfe von GPS-Geräten oder immer häufiger auch GPS-fähigen Smartphones nach versteckten Dosen (Caches) sucht.
TREND | MOBILE SOZIALE NETZWERKE Mit dem Smartphone die Welt durch die Augen der Freunde wahrnehmen Mit den ent- sprechenden Aber das Geoweb hat auch andere Inter- Smartphone- netdienste oder -aktivitäten verändert. Apps können Fotos zum Beispiel werden immer häufi- wir mehr wahr- ger, mit ihren Ortskoordinaten versehen, nehmen als mit auf Plattformen wie Instagram, Path, picplz unseren Augen. oder Mobli hochgeladen und mit den Freundes- Die Geodienste der kreisen geteilt. Auf diese Weise erfahren die Gegenwart konzentrieren eigenen Kontakte nicht nur, wo man sich gerade sich bisher noch stark darauf, nur aufhält, sondern auch, wie es an diesem Ort eine Daten-Schicht auf die physikalische Realität aussieht. Insbesondere für Restaurants spielen zu legen. Die nächste Generation der Location Plattformen wie Foodspotting mittlerweile eine Based Services wird wahrscheinlich noch viel große Rolle, da die User hier nicht nur bekannt- mehr Möglichkeiten bieten, mit diesen Daten geben können, in welchem Restaurant sie gerade auch zu interagieren. sitzen, sondern auch, wie die Speisen dort aus- sehen. Das Geoweb wird hier zur sozialen Speise- Wer weiß, vielleicht wird unser Smartphone in karte. Zukunft selbständig herausfinden, wen wir aus unserem Freundeskreis in der Nähe einmal wieder treffen sollten und dann direkt mit dem Smart- Mit den entsprechenden phone dieses Bekannten einen Treffpunkt und eine Uhrzeit vereinbaren. Smartphone-Apps können wir mehr wahrnehmen als Benedikt Köhler mit unseren Augen. 15
TREND | UPGRADE FÜR BLUETOOTH: 16 Upgrade für Bluetooth: Die mobile Welt wird durch NFC erst richtig erlebbar Haben Sie schon einmal versucht, mit einem Smartphone Ihr Auto zu öffnen oder zu starten? Was scheinbar nach einem Filmszenario klingt, ist längst Realität und in der Erprobung. Near Field Communication (NFC) heißt das Schlagwort der mobilen Zukunft, bei der das Smartphone mittels der Funktechnologie RFID (Radio Frequency Identification) noch flexiblere und ganz neue Nutzungserlebnisse ermöglicht.
TREND | UPGRADE FÜR BLUETOOTH Nach dem Roll-out ist vor dem Roll-out – von RFID zu NFC Die Schlüsseltechnologie RFID steht für die au- tomatische Identifikation von Objekten mittels Funktechnik: Das System besteht aus Transpon- dern, auch Tags oder RFID-Chips genannt, auf denen Informationen wie etwa eine eindeutige Identifikationsnummer oder weitere Daten ge- speichert werden. Unterschieden wird zwischen aktiven und passiven Transpondern. Während erstere über eine eigene Energieversorgung ver- fügen (Batterie oder Stromnetz) und dabei über größere Reichweiten funken können, erhalten letztere ihre Energie aus den Funkwellen des Lese- geräts, sind dafür aber leichter und günstiger in der Herstellung. Eine Welt ohne RFID ist heute kaum noch denk- bar, so stark ist die Durchdringung in fast allen Eine Welt ohne RFID ist heute kaum noch Lebens- und Wirtschaftsbereichen – häufig völlig denkbar, so stark ist die Durchdringung in unbewusst. Marktforscher prognostizieren für 2011 fast allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen – einen weltweiten Gesamtumsatz mit RFID-Pro- häufig völlig unbewusst. dukten von mehr als sechs Milliarden US-Dollar – eine Steigerung von elf Prozent gegenüber 2010 (ABI Research, Juli 2011). Technische Vorläufer Während hier RFID-Etiketten zum Einsatz kom- gab es zwar bereits in den 1960er Jahren, aber men, die die Weitergabe von Informationen per 17 erst in der letzten Zeit wurde RFID umfassend er- Funk über größere Distanzen ermöglichen, wird probt, zur Marktreife gebracht und Unternehmen bei der im Jahr 2002 standardisierten NFC-Tech- dadurch eine branchenübergreifende Optimierung nik auf RFID-Chips gesetzt, die einen Datenaus- von wirtschaftlichen Prozessen ermöglicht. Die tausch auf einer Distanz von wenigen Zentime- Einsatzbereiche sind vielfältig: Vom Plagiatschutz tern gestatten und dabei Informationen sowohl im Handel und der Zugangskontrolle bei Großver- aktiv senden als auch empfangen können (Peer- anstaltungen über die Nachverfolgung von Con- to-Peer). Aufgrund dieser Eigenschaften wird die tainern bis hin zum Ausleihen von Büchern. NFC-Technik vorrangig im Bereich der mobilen Kommunikation (z.B. in Smartphones) verwendet. So setzen beispielsweise zahlreiche nordrhein- westfälische Stadtbibliotheken wie in Münster, Bisheriger Nachteil: die geringe Verbreitung. Bochum oder Herten auf die RFID-Technologie Während jedes moderne Handy über eine Blue- und ermöglichen ihren Kunden eine flexible Aus- tooth-Funktion verfügt, ist die Anzahl von NFC- leihe und Rückgabe der Medien. Dazu wurden fähigen Endgeräten noch überschaubar (derzeit Bücher, CDs oder DVDs mit einem passiven 13 Modelle). Dabei kann die Nahfeldkommunika- RFID-Etikett (bestehend aus Antenne und Chip) tion als sinnvolle Erweiterung zur Bluetooth-Tech- versehen und die Ausleihtheke durch Selbstver- nik gesehen werden. Zwar bietet der nach dem dä- buchungsautomaten ersetzt. Mittels der RFID- nischen Wikingerkönig Harald Blauzahn benannte Technik können hierbei mehrere Bücher gleich- Übertragungsstandard eine höhere Datenrate und zeitig und automatisiert per Funksignal eingele- Reichweite, aber eine NFC-Verbindung kann we- sen und verbucht werden. niger umständlich und sehr schnell hergestellt werden: Einfaches Aneinanderhalten der beiden Geräte, und schon ist der Kontakt hergestellt.
TREND | UPGRADE FÜR BLUETOOTH: Smarte Datenübermittlung und Flexibilität sind die großen Pluspunkte von NFC. Aber erst, wenn es genug Anwendungen gibt, wird sich auch dieser Markt etablieren. Smarte Datenübermittlung und Flexibilität sind die großen Pluspunkte von NFC. Allerdings spielt auch das Thema Sicherheit eine Rolle. Während ein „Abgreifen“ der verschlüsselten Daten bei NFC aufgrund der geringen Übertragungsdistanz und der Sicherheitsvorkehrungen der Dienstleis- ter eher eingeschränkt ist, besteht ein gewisses Risiko bei Verlust des mobilen Endgeräts – trotz Sperrmöglichkeit. Minimieren lässt sich dieses Risiko durch einen passiven NFC-Chip, der nur auf das Handy geklebt wird und keinen Zugriff auf das eigentliche Endgerät bietet. Von eID bis Touch & Travel Einen ganz praktischen „NFC-Showcase“ haben bereits viele Bundesbürger in ihrer Brieftasche: Den neuen Personalausweis mit elektronischer Identifizierungsfunktion (eID). Der kontaktlose Chip in der Karte ermöglicht eine Kommunikati- on und Weitergabe der persönlichen gespeicher- ten Daten an zertifizierte Lesegeräte, so bei Be- 18 hördengängen oder beim Einkauf im Internet. Als Pilotprojekt bereits 2006 gestartet, ermög- licht die Deutsche Bahn seit November nun allen Kunden von Vodafone, O2 und Telekom die Nut- zung der Nahfunktechnik. Dabei wird nach einer vorherigen Registrierung über ein Webportal das mobile und NFC-fähige Endgerät vor der Fahrt und am Zielort an einen so genannten „Touch & Travel Point“ gehalten. Das System errechnet dann selbständig den Tarif für die Fahrt. Ein weiteres NFC-Alltagszenario ist der digitale Autoschlüssel. Auf dem diesjährigen Mobile World Congress in Barcelona haben der nieder- ländische Chiphersteller NXP und der Automobil- zulieferer Continental aus Hannover eine ent- sprechende Lösung vorgestellt. Dabei wird auf der SIM-Karte des mobilen Endgeräts ein Daten- paket gespeichert, das als Zugangsberechtigung zum Fahrzeug dient. Hält der Inhaber des Autos sein Handy vor ein NFC-Lesegerät, beispielsweise an den Türen und im Armaturenbrett verbaut, kann das Fahrzeug geöffnet und gestartet wer- den. Erst wenn der Auto-Besitzer aber auf einer
TREND | UPGRADE FÜR BLUETOOTH Ob Fahrkarte, Autoschlüssel oder Kreditkarte: Das Smartphone kann mittels der NFC-Technik zum tatsächlichen Allrounder werden und die Nutzung der Schlüsseltechnologie RFID für je- dermann ermöglichen. Internetseite seinen Wagen und sein Smartphone registriert hat, wird auch sein digitaler Schlüssel aktiviert. Mobilitätskonzepte wie das Carsharing könnten mittels NFC einen neuen Schub erhalten. Weitere hoch interessante und lukrative Einsatz- bereiche sind Werbung und Marketing. Erste Werbe- plakate, die MP3- und Videodateien zum Down- load bereitstellen, eine Direktbuchung von Kon- zertkarten ermöglichen oder Informationssäulen, über die sich Touristen Informationen und Ein- trittskarten auf das mobile Endgerät übertragen lassen können, sind in der Erprobung. 19 2004 gegründeten unabhängigen NFC-Forum (www.nfc-forum.org) organisieren. Sie alle werden in naher Zukunft NFC-fähige Endgeräte, Applika- tionen und Angebote für Endkunden bereitstellen. Beispiel: Die gerade veröffentlichte Android-Ver- sion (4.0) – das Betriebssystem für mobile End- geräte von Google – hat bereits NFC-Funktionen an Bord. Die technische Basis steht also. Jetzt folgt der weltweite praxisnahe Roll-out und damit die Nutzung der Schlüsseltechnologie RFID für jedermann. Die Welt spricht NFC Karsten Höft Die Einsatzszenarien für Near Field Communicati- on sind mit diesen Szenarien längst nicht ausge- schöpft. Ob Fahrkarte, Autoschlüssel oder Kredit- karte: Das Smartphone wird mittels NFC zum tat- sächlichen Allrounder. Dies haben auch weltweit Hersteller, Anwendungsentwickler und Finanz- institute erkannt, von denen sich rund 130 im
TREND | AUGMENTED REALITY Aufbruch in die Augmented Reality „Im Jahr 2014 wird Augmented Reality (AR) auf jedem Smartphone verfügbar sein“. Diese mutige Prognose machte Thomas Alt, CEO eines der führenden AR-Marktplayer metaio, erst kürzlich auf der Augmented Reality-Konferenz insideAR 2011 in München. Die Technologie, die ihre Anfänge in der Industrie genommen hat, könnte schon bald als neues Massenmedium die Displays der Smartphones erobern und unseren Alltag künftig erheblich verändern und erleichtern. 20
TREND | AUGMENTED REALITY Im Jahr 2014 wird Augmented Reality auf jedem Smartphone verfügbar sein. „Augmented Reality“ bedeutet auf Englisch so Die Flugzeugindustrie war Vorreiter viel wie „erweiterte Realität“. Die Wahrnehmung des menschlichen Auges wird durch technische Seinen Ursprung fand AR in der Industrie. 1990 Hilfsmittel in Form von Informationen oder entwickelten die Ingenieure Tom Caudell und Grafiken ergänzt, die über ein Helmdisplay, David Mizell für Boeing ein Verfahren, um das eine spezielle Brille oder das Display eines Verlegen von Kabelbäumen in Flugzeugrümpfen Smartphones bzw. Tablets realisiert werden. zu erleichtern. Durch Videoüberlagerung wurde den Arbeitern über ein Headmounted Display mit Viele Anwendungsbeispiele existieren bereits. Kamera die Position der Kabelbäume angezeigt. 21 Diese zeigen, dass AR besonders interessant ist Wegen der hohen Hard- und Software-Anforde- für die Werbeindustrie, für die Computerbranche rungen erschien der Einsatz von AR im Massen- oder für den Tourismus-Sektor. So entwickelte markt damals aber noch utopisch. etwa das Unternehmen HOPPALA! einen virtuel- len Nachbau der Berliner Mauer – das Projekt Das ist heute anders. Durch die massive Verbrei- „Berliner Mauer 3 D“: Steht man an der ehema- tung von Smartphones gibt es neue Rahmenbe- ligen Grenze von Ost und West und filmt diese dingungen für den Einsatz von AR für jedermann. mit der Handy-Kamera, so erscheint auf dem Die Geräte bieten die nötigen Grundvoraussetzun- Display eine 3D-Nachbildung der Mauer. gen, wie etwa gute Kameras und Displays, gepaart mit hoher Prozessorleistung. Zusätzlich haben Das AR auch für die werbetreibende Industrie ein Entwickler die Möglichkeit, Software als Apps zu interessantes Medium ist, zeigen die Aktivitäten entwickeln, die über offene Schnittstellen auf von Google: Der Internet-Riese ließ sich 2010 Kamera und Display des Smartphones zugreifen ein Verfahren patentieren, mit dem Reklame- können. tafeln aus Google Street View durch virtuelle Werbebanner ersetzt werden können. Wie funktioniert AR Und auch dies gibt es: Anlässlich des 125. Todes- Noch mutet so manches Anwendungsszenario tages von König Ludwig II. brachte die Bayerische unrealistisch an, und der Durchschnittsnutzer Staatsbibliothek die iPhone-App „Ludwig II. – bleibt skeptisch bei dem, was die Fachwelt alles Auf den Spuren des Märchenkönigs“ heraus. Die prognostiziert. Dennoch: AR-Anwendungen sind App ermöglicht es, über AR Informationen wie die einzigen, die nahezu alle Features moderner Texte, Videos und 3D-Animationen an histori- Smartphones gleichzeitig nutzen und aus der schen Orten über das iPhone aufzurufen. sinnvollen Verknüpfung von Kamera, Standort- Bestimmung, Datenübertragung, Grafik-Rendering, Prozessorleistung und Touch-Eingaben ihren Mehrwert generieren.
TREND | AUGMENTED REALITY iPhone-App der Bayerischen Staatsbibliothek „Ludwig II – Auf den Spuren des Märchenkönigs“ Die Technologie, die ihre Anfänge in der Industrie genommen hat, könnte schon bald als neues Massenmedium die Displays der Smartphones erobern und unseren Alltag künftig erheblich verändern und erleichtern. 22 Die Kamera des Smartphones übernimmt die Auf- Doch woher weiß das Gerät, wo und welche Da- gabe der Augen. Digitale Informationen werden ten eingespielt werden sollen? AR kann hierfür im Videobild auf dem Display eingeblendet. sogenannte Marker nutzen, kleine Logos mit di- gitalen Informationen, die von der Kameralinse und entsprechender Software eingelesen werden. Bei aufwendigeren Projekten kommen optische Tracking-Technologien zum Einsatz, die eine größere Vielfalt an Objekten erkennen können. Gebäude oder Gesichter werden mit winzigen Hotspots in Form von Punkten, die mit einem Standort versehen werden können, markiert. Die Kamera gleicht diese Punktmuster mit dem Bild ab und erkennt das Objekt, virtuelle Zusatzinfor- mationen können präzise eingespielt werden. AR ist inzwischen auch ohne Marker möglich. Dank GPS können Smartphones ihren Standort bestimmen, über den eingebauten Kompass weiß das Gerät zudem, in welche Richtung es gerade blickt. (Markerless Tracking). Das funktioniert allerdings nur zuverlässig im Freien und ist zu- dem für einige Anwendungen auch zu ungenau, da per GPS Positionen nur auf etwa drei Meter genau bestimmt werden können.
TREND | AUGMENTED REALITY Das Smartphone und das mobile Web kombi- niert mit AR werden zu einem Werkzeug, das 23 in jeder Umgebung wie ein allgegenwärtiges Lexikon passende Informationen liefern kann. Killer-Applikation fehlt noch Alltag künftig vereinfachen wird. Smartphone und mobiles Web kombiniert mit AR wird so zu Die bisherigen AR-Anwendungen für mobile End- einem Werkzeug, das in jeder Umgebung wie ein geräte dienen meistens dazu, den Standort be- allgegenwärtiges Lexikon passende Informatio- stimmter Orte auf dem Kamerabild um Icons zu nen liefern kann. Denkbar wären zum Beispiel erweitern, zum Beispiel das nächstgelegene Res- virtuelle Gebrauchsanweisungen für Geräte, Ein- taurant, den passenden Einkaufsladen oder Zu- kaufshelfer in Supermärkten und Übersetzer für satzinformationen zu historischen Gebäuden. Schilder und Tafeln. AR kann entweder über spezielle Apps oder über bestimmte AR-Browser genutzt werden (Beispiele In Ländern wie Japan oder den USA wird AR für für Browser: Layar, Junaio, Wikitude). Werbekampagnen bereits ganz selbstverständlich genutzt. In zwei bis drei Jahren ist das alles Die meisten AR-Anwendungen sind interessante vielleicht auch schon hierzulande Normalität. Spielereien und haben den Nachteil, dass sie nur Lukasz Konieczny selten zum Einsatz kommen würden. Die Killer- Applikation, die der User täglich nutzen will, fehlt derzeit noch, wie Peter Meier, CTO von metaio, auf der MobileTech Conference 2011 erklärte. Meier glaubt aber fest daran, dass solche Killer- Anwendungen kommen werden und AR unseren
PERSPEKTIVEN | ZUKUNFT DER SMARTPHONES Smartphone-Entwicklung bis 2016 – Die Zukunft in der Hosentasche? Seit 2010 leitet Kun-Pyo Lee das Designzentrum des Elektronikherstellers LG. Der südkoreanische Konzern holte den Design-Experten an Bord, um im umkämpften Smartphone-Markt Boden gut zu 24 machen. Er ist das, was man einen veritablen Experten nennt. Und doch erscheint es merkwürdig, wenn ausgerechnet er feststellt: „Wie ein Handy aussieht, ist mittlerweile egal.“ Sein konzern- interner Gegenpart, Chef-Ingenieur Chul B. Lee, sekundiert: „Wie ein Handy in fünf Jahren aus- sieht, kann niemand sagen.“ Der LG-Konzern ist die Nummer zwei im weltweiten Mobiltelefon- Geschäft, doch Antworten auf die Frage, wie das Handy der Zukunft aussieht, scheint es nicht zu geben. Oder doch? In der Mobiltelefon-Branche gibt es ein systemi- Was sind „digitale Gesetze“? sches Problem, das Ingenieure, Programmierer und Designer nicht weiter als bis zur nächsten Das bekannteste „digitale Gesetz“ wurde bereits und übernächsten Generation mobiler Endgeräte 1965 von Gordon E. Moore, dem Gründer von Intel, blicken lässt. Im Unterschied etwa zur Automobil- formuliert. Danach verdoppelt sich die Zahl an industrie gibt es für die Handyhersteller keine Transistoren (und damit die Rechenleistung) eines mehrjährigen Vorentwicklungsphasen. Der Pro- Computerchips bei gleichem Preis in etwa alle duktlebenszyklus im Mobilfunkmarkt währt kaum 18 Monate. Das „Mooresche Gesetz“ ist der in- länger als sechs bis zwölf Monate. Warum? Auto- offizielle Prognose-Standard der IT-Branche. Seit mobil-Ingenieure müssen bei ihrer Produktent- 40 Jahren hält diese Verdopplungsrate an und wicklung in erster Linie physikalische Gesetz- führt zu exorbitanten Leistungszuwächsen. Fällt mäßigkeiten beachten. Die Grenzen, die durch ein Chip-Hersteller hinter diese Entwicklung zu- die Fahrphysik gesteckt werden, sind bekannt. rück, weiß er, dass ihm die Konkurrenz davonzu- Smartphones dagegen unterliegen weniger phy- eilen droht. sikalischen als vielmehr „digitalen Gesetzen“, die rasant die technischen Möglichkeiten be- Für solch ein exponentielles Wachstum in IT- und schleunigen. Telekommunikationsmärkten lassen sich inzwi- schen viele Beispiele finden. Das „Krydersche
PERSPEKTIVEN | ZUKUNFT DER SMARTPHONES „Digitale Gesetze“ stehen für signifikante Technologiesprünge in vergleichsweise kurzer Zeit. Alle 12 bis 18 Monate werden dadurch die technischen Voraussetzungen für Mobiltelefone praktisch neu definiert. Gesetz“ etwa beschreibt diesen Zusammenhang Trotz des guten Gespürs irrte sich der Apple-CEO für die Speicherdichte, also die Menge an Infor- jedoch bei der Frage nach dem wichtigsten Ein- mationen, die auf einem Quadratmillimeter eines satzgebiet: „Die Killer-App des iPhone ist es, Ge- Speichermediums Platz finden. Der amerikani- spräche damit zu führen“ meinte Jobs. Aus heu- sche Zukunftsforscher George Gilder untersuchte tiger Sicht muss die Antwort wohl eher lauten: die Wachstumsrate für stationäre Bandbreiten Es war die online verfügbare App an sich, die und fand heraus, dass die Menge an weltweit be- das iPhone zum dem ikonischen Smartphone wegten Daten sich sogar alle sechs Monate ver- schlechthin werden ließ. doppelt – also dreimal schneller als beim „Moore- schen Gesetz“. Auch im mobilen Bereich lässt sich beobachten, dass die verfügbaren Bandbreiten Zufriedenheit der Nutzer mit ihrem sich alle 12 Monate verdoppeln: Von GSM zu WAP Smartphone: Bedeutung einzelner zu UMTS bis LTE. Und beim Thema Inhalte gilt die Kategorien für die Gesamtzufriedenheit von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg postulierte Gesetzmäßigkeit, nach der sich die Datenmenge, die Nutzer in soziale Netzwerke einstellen, eben- falls im Jahresrhythmus verdoppelt. Ständig wachsende Prozessor-, Speicher- und Übertragungsleistungen ermöglichen enorme Technologiesprünge und regelmäßig bahnbre- chend neue Dienste. Aber wie sieht das Handy der Zukunft nun konkret aus? Das Handy der Zukunft 25 Die Zukunft des Mobilfunks ist eigentlich schon am 9. Januar 2007 angebrochen. Damals präsen- tierte der kürzlich verstorbene Apple-Firmen- gründer Steve Jobs erstmals das iPhone. Die „Apple-Fans“ waren von dem Lifestyle-Gerät direkt begeistert und teilten die offizielle Kon- zernsichtweise, dass Apple mit dem iPhone das Aktuelle Studien zeigen, dass der Zugang zum Mobiltelefon neu erfunden hätte. Branchenbeob- mobilen Internet inzwischen die wichtigste achter blieben zu dieser Zeit indes skeptisch. nicht-klassische Nutzung von Smartphones ist Das iPhone, als Internet-Kommunikationsgerät (Goldmedia Mobile Monitor 2011). 36 Prozent auf „Desktop-Niveau“ angepriesen, war zu Be- aller Smartphone-Besitzer surfen schon täglich ginn nicht einmal UMTS-tauglich. Dem Erfolg des im mobilen Web. Es folgen klassische Business- neuartigen Geräte-Konzeptes tat dies keinen Ab- Anwendungen wie der Kalender (35 Prozent) und bruch. Auch wenn damals andere mobile Geräte das Schreiben und Empfangen von E-Mails (34 schon schneller surften und schärfere Fotos Prozent). 23 Prozent der Smartphone-Besitzer knipsten – es war das iPhone, das den Markt für besuchen mittlerweile täglich Facebook, Twitter Mobiltelefone nachhaltig veränderte und den und Co. Mehr als die Hälfte von ihnen (56 Pro- Massenmarkt für Smartphones einläutete: Denn zent) nutzt das Smartphone regelmäßig, um so- mit dem iPhone begannen die Grenzen zwischen ziale Netzwerke aufzusuchen. Werden die User simplen Privatanwender-Handys und hochwerti- konkret nach der App-Nutzung gefragt, bestätigt gen Business-PDAs zu verschwimmen. Ein „Öko- sich die enge Verbindung von Smartphone und system“ aus leistungsfähiger Hardware, nutzer- Web 2.0. Die am häufigsten genutzten Apps sind freundlicher Software und einem App-Store, der die der sozialen Netzwerke. alle möglichen Anwender-Wünsche bedient.
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