Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis

Die Seite wird erstellt Hannelore Kaufmann
 
WEITER LESEN
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
Ausgabe 04-2021

                                              FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST

      Entrepreneurship:
      Lehre, Forschung, Praxis

Campusnotizen         hlb aktuell                   Aus Wissenschaft           Wissenswertes
Corona fordert        Im Gespräch mit               & Politik                  Keine Überschreitung der
Familien heraus       Wissenschaftsminister         Solidarität mit Belarus    Versorgungshöchstgrenze
                      Armin Willingmann

                  7                      20                               33                    34
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
2     Inhalt

    Campusnotizen                                 Titelthema:                                   hlb aktuell
4 Hochschule Koblenz: Vom Hörsaal
                                                  Entrepreneurship:                          20 DNH-Sommerinterview mit
  in den Chefsessel – einmal anders               Lehre, Forschung,                             Wissenschaftsminister Prof.
    Hochschule Kaiserslautern,                    Praxis                                        Dr. Willingmann: Kenner der
                                                                                                Wissenschaft und Minister mit
    Campus Zweibrücken: Emotionen
                                               8 Entwicklung eines regionalen                   Weitblick | Von Karla Neschke
    beeinflussen das Gründungsverhalten
    von Studierenden                             Entrepreneurship Clusters am                21 hlb -Kolumne: Wer ist die Stimme
                                                 Beispiel der Kölner Hochschulen                der Hochschulen? | Von Nicolai
6 Industriedesign: Hochschule
                                                 | Von Prof. Dr. Kai Thürbach                   Müller-Bromley
  Darmstadt startet Human Factors Lab
                                               12 Die Gründergarage – ein
    Hochschule Ansbach/
                                                  hochschulübergreifendes
    Fachhochschule Kiel: Peer-to-
                                                  Entrepreneurship-Format                       Wissenswertes
    Peer-Fachbereichsberatung durch
                                                  entsteht | Von Dr. Cornelia Gretz
    Hochschulforum Digitalisierung
                                                  und Eva Treu
                                                                                             34 Alles, was Recht ist
7 Evangelische Hochschule
                                               16 Von der Idee zum Entrepreneur:
  Dresden: Auswirkungen der Corona-                                                          36 Neue Bücher von Kolleginnen
                                                  das Gründerökosystem der
  Pandemie auf Familien                                                                         und Kollegen
                                                  Hochschule Hof | Von Prof. Dr.-Ing.
                                                  Anke Müller, Prof. Dr.-Ing. Tobias         37 Neuberufene
                                                  Plessing und Prof. Dr. rer. pol. Michael
                                                  Seidel
    Aus Wissenschaft
    & Politik                                                                                   Standards
30 Hochschul-Integrationspreis                    Fachaufsätze                               3 Editorial
   2021: BMBF und DAAD zeichnen
                                                                                             33 Autorinnen und Autoren gesucht
   drei Projekte für herausragendes            22 Habitus und Hochschullehre – ein
                                                                                                & Impressum
   Engagement bei der Integration                 notwendiges Handwerkszeug für
   Geflüchteter an Hochschulen aus                die Praxis | Von Dr. Achim Weiand          38 Stellenanzeigen
31 Soziale Innovationen: Aus der               26 Virtuelle Hürden nehmen –                  40 hlb -Seminartermine 2021
   Hochschule heraus die Gesellschaft             wissenschaftlicher Diskurs im
   verändern                                      Studium | Von Yvonne Behrens,
                                                  Laura Elsenheimer, Marc Wiesener,
    Ausbildungsförderung:
                                                  Prof. Dr. habil. Thomas Kantermann
    HRK-Mitgliederversammlung fordert
    grundlegende BAföG-Reform
32 Nordrhein-Westfalen:
   Landesregierung fördert interdisziplinäre
   Forschung an Hochschulen für
   Angewandte Wissenschaften
    Hochschulrektorenkonferenz:
    Präsenzstudium anstreben – Impfungen
    forcieren – Pandemielage beachten
33 Belarus: Studierende der belarusischen
   Studierendenvertretung zu 2,5 Jahren
   Strafkolonie wegen Engagement in der
   Demokratiebewegung verurteilt

                                                                                                                        04 | 2021 DNH
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
Editorial     3

                          Der Blick,
                          der so vieles verändert
                           Unternehmerisches Denken und Handeln als Studienziel ist nicht einfach
                           nur ein zusätzliches Themenfeld. Es wirkt sich vielmehr an vielen Stellen
                           darauf aus, wie wir in unseren Hochschulen lehren und lernen.

                                                         Regelmäßige „Häutungen“ sind für unsere         Anke Müller, Tobias Plessing und Michael
                                                         Hochschulen vom Typ FH/HAW normal.           Seidel betreiben ebenfalls ein regiona-
                                                         Sich mit unternehmerischem Denken,           les Netzwerk. Aber im ländlichen Raum
                                                         Gründung von Firmen und Übernahme            stellt sich manches dann doch wieder
                                 Foto: Fotoladen Wedel

                                                         der gesellschaftlichen Verantwortung, die    ganz anders dar. Darüber hinaus zeigen
                                                         damit einhergeht, zu beschäftigen, kam       sie am konkreten Beispiel, wie hochschu-
                                                         uns vor, sagen wir, 30 Jahren noch nicht     lisches Wissen über eine Firmengründung
                                                         in den Sinn. Die Beiträge in diesem Heft     seinen Weg in die wirtschaftliche Praxis
                Christoph Maas                           zeigen, dass es zu weitreichenden Verän-     findet (Seite 16).
                Chefredakteur                            derungen unseres Selbstverständnisses
                                                         und unserer Arbeitsweisen führt, wenn          Weitere Beiträge zum Thema in den
                                                         wir dieses Thema in den Blick nehmen.        „Campusnotizen“ zeugen von dem
                                                                                                      großen Interesse, auf das die Ausschrei-
                                                           Kai Thürbach führt uns in eine Metro-      bung des Schwerpunktes dieser Ausgabe
                                                         polregion mit einer vielfältigen Hoch-       der DNH gestoßen ist.
                                                         schullandschaft und einer bei Industrie
                                                         und Dienstleistungen gleichermaßen             Das Einbeziehen unternehmerischer
                                                         hoch entwickelten Wirtschaftsstruktur.       Handlungsfähigkeit in die Zielbeschrei-
                                                         Eine Hochschule, die hier die Spinne im      bung akademischer Ausbildung führt das
                                                         Netz sein will, die die anderen Akteure      als „Bologna-Kritik“ immer wieder auftau-
                                                         koordiniert, muss zunächst für sich selbst   chende Zerrbild ad absurdum, demzufol-
                                                         Klarheit haben, was es für sie bedeu-        ge Employability nur als Antrainieren von
                                                         tet, in die Gesellschaft hineinzuwirken      Fertigkeiten, die am Arbeitsplatz durch
                                                         (Seite 8).                                   Vorgesetzte leicht abgerufen werden
                                                                                                      können, verstanden werden dürfe.
                                                           Cornelia Gretz und Eva Treu zeigen,        Gleichwohl besteht ein Spannungsver-
                                                         wie sich die Lehre notwendigerweise          hältnis auch zwischen einer weit gefass-
                                                         verändert, wenn Entrepreneurship Teil        ten Auslegung von Employability und
                                                         der studentischen Qualifikation werden       den unterschiedlichen Vorstellungen, die
                                                         soll. Grenzen zwischen Hochschulen,          sich mit Bildung verbinden. Der Bezie-
                                                         zwischen Fachgebieten oder zwischen          hung zwischen diesen beiden Begriffen
                                                         Fachwissen und Persönlichkeitsentwick-       würde ich gerne nachspüren und freue
                                                         lung sind dann nicht mehr ohne Weiteres      mich deshalb schon jetzt auf Ihre Manu-
                                                         aufrechtzuerhalten (Seite 12).               skriptangebote (siehe Seite 33).

                                                                                                                            Ihr Christoph Maas

DNH 04 | 2021
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
4    Campusnotizen

  Hochschule Koblenz

Vom Hörsaal in den Chefsessel –
einmal anders
Mit einem besonderen Weiterbildungsange-      Diskurs um die geeignete Nachfolge immer       Befragungsergebnisse, dass ungefähr zehn
bot wird die Hochschule Koblenz ab 2022       mehr in die Öffentlichkeit. Der demogra-       Prozent der Studierenden in ihrem Berufs-
das nötige Rüstzeug für leichtere Unterneh-   fische Wandel stellt Unternehmerinnen          leben die Leitung eines Familienbetriebs
mensübergaben in Familienunternehmen          und Unternehmer immer öfter vor die            übernehmen werden.
bereitstellen: In einem wettbewerblichen      Herausforderung, frühzeitig zu planen,
Verfahren hat die Hochschule den Zuschlag     um eine geeignete Nachfolge zu sichern.           Der Fokus des im April 2021 gestarte-
des Bundeswirtschaftsministeriums für das     Dabei müssen sich Unternehmer unter            ten Projekts liegt auf einem interdiszip-
Projekt „SUCCESSOR Qualifizieren – Vernet-    anderem mit den Fragen beschäftigen, ob        linären Angebot, das die Kompetenzen
zen – Nachfolge sichern“ erhalten.            sie das Unternehmen intern oder extern         potenzieller Übernehmer an der Hoch-
                                              weitergeben möchten, wie ein geeigneter        schule fördert und insbesondere Studie-
                                              Nachfolger gefunden werden kann oder           rende der MINT- Fächer an Hochschulen
                                              wann der geeignete Zeitpunkt zur Überga-       einbezieht. Mit der Qualifizierung in der
                                              be ist. Durch den zeitintensiven Prozess ist   SUCCESSOR-Academy wird ein Zertifi-
                                              die Regelung der Nachfolge essenziell für      katsprogramm für potenzielle Nachfol-
                                              eine weitere strategische Planung.             gerinnen und Nachfolger entwickelt und
Mit dem neuen Zertifizierungsprogramm                                                        umgesetzt. Geplant ist insbesondere die
„SUCCESSOR“ entwickelt die Hochschu-            Mit Ihrem Ansatz, ein Qualifizierungs-       Anerkennung der Module in existierenden
le Koblenz zusammen mit regionalen            programm für Nachfolgerinnen und Nach-         Studiengängen. Das Programm zielt auf die
Partnern ein einzigartiges und innovati-      folger anzubieten, schließt die Hoch-          Vermittlung von breiten, anwendungs-
ves Unterstützungsangebot, um Studie-         schule Koblenz einen Bedarf, dem bisher        orientierten Kompetenzen, die im Nach-
rende für die Unternehmensnachfolge in        nur wenig Beachtung geschenkt wurde.           folgeprozess konkret eingesetzt werden
Familienbetrieben zu sensibilisieren, zu      Während zur Qualifizierung von Start-          können. Neben der Einbettung eines Lehr-
qualifizieren und zu vernetzen. Damit ist     up-Gründern an Hochschulen eine Viel-          plans, der den Bedarf der Studierenden
die Hochschule Teil der vom Bundeswirt-       zahl von Angeboten zur Verfügung stehen,       trifft, ist ein weiteres Ziel, die Nachfolge-
schaftsministerium geförderten Initiative     werden potenzielle Nachfolgerinnen und         rinnen und Nachfolger aus der Hochschule
„Unternehmensnachfolge – aus der Praxis       Nachfolger aus Hochschulen eher vernach-       zu vernetzen. Dies soll über den SUCCES-
für die Praxis“, die bundesweit 30 Projek-    lässigt. Nach ersten Schätzungen liegt das     SOR-Club erfolgen, in dem ein Netzwerk
te einschließt. Die Förderung richtet sich    Potenzial von Nachfolgerinnen und Nach-        von Studierenden mit Alumnis etabliert
an Modellprojekte, die innovative Unter-      folgern an Hochschulen derzeit bei etwa        werden soll, die eine Nachfolge bereits
stützungsangebote bei regionalen Unter-       630.000 Studierenden, die über einen           angetreten haben.
nehmensnachfolgen erproben und damit          unternehmerischen Familienhintergrund
neue kreative Impulse zur Thematik der        verfügen. In den kommenden fünf Jahren                                    Muad Khemiri
Unternehmensnachfolge setzen. Gerade          werden mindestens 17.000 Akademikerin-                      Prof. Dr. Holger Reinemann
vor dem Hintergrund, dass 1,5 Millionen       nen und Akademiker im Nachfolgepro-                           successor@hs-koblenz.de
Inhaberinnen und Inhaber von Unterneh-        zess die Unternehmensleitung überneh-                             Tel.: 0261/9528 1757
men 55 Jahre oder älter sind, rückt der       men. Für die Hochschule Koblenz zeigen

  Hochschule Kaiserslautern, Campus Zweibrücken

Emotionen beeinflussen das Grün-
dungsverhalten von Studierenden
Gründungslehre ist ein wichtiger Faktor       und kombiniert erstmals die Gründungs-          	die durchgeführte Lehrmethode (tradi-
zur Steigerung der Unternehmensgründun-       neigung mit Emotionen wie Inspiration             tionelle Vorlesung und interaktiver
gen. Insbesondere Hochschulen legen den       und Leidenschaft. Darüber hinaus wurden           Workshop).
Grundstein für potenzielle unternehme-        spezifische kontextuelle Umstände in Bezug
rische Aktivitäten bei jungen Menschen;       auf ihren Einfluss auf Gründungsemotio-          Die Datenerhebung begann Ende 2018
sie erhöhen nachweislich die studentische     nen und -neigungen untersucht:                 an den drei Standorten der Hochschu-
Gründungsneigung (Ruda, W., Ascúa, R.,          	die Studierendengruppe (betriebswirt-      le Kaiserslautern. Die Umfragen wurden
Danko, B., & Martin, Th. A. 2015). Die            schaftlicher und technischer Back-         sowohl vor als auch nach 17 organisier-
Messung der Gründungsneigung ist zen-             ground),                                   ten dreistündigen Seminaren an die Teil-
traler Bestandteil der Gründungslehrefor-       	die von Studierenden wahrgenomme-          nehmer verteilt. Fünf Seminare basier-
schung. Unsere Studie folgt diesem Trend          ne Authentizität des Dozenten,             ten auf einer klassischen Vorlesung über

                                                                                                                             04 | 2021 DNH
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
5

Entrepreneurship, zwölf auf einem inter-    Emotionen effektiv zu sein scheinen, was          Die Ergebnisse unserer Studie liefern
aktiven Workshop, in dem Studierende        sich den Ergebnissen folgend wiederum          somit praktische Empfehlungen für Hoch-
aus einer Geschäftsidee eine Blaupause      positiv auf die Gründungsneigung der           schulen, wie sie Gründungslehre in Bezug
eines Geschäftsmodells entwickelten. 323    Studierenden auswirkte.                        auf die Effektivität und Effizienz verbes-
gültige Befragungen wurden vor und nach                                                    sern und somit das studentische Interesse,
dem Seminar in nicht betriebswirtschaft-      Neben diesen Ergebnissen wurden              zu gründen, erhöhen können. Praktische
lichen Studiengängen wie Informatik und     in Bezug auf die oben beschriebenen            Übungen, wie die Ableitung einer eige-
Ingenieurwesen (sieben Seminare) sowie      kontextuellen Faktoren die folgenden           nen Geschäftsidee in ein Geschäftsmo-
in BWL-Studiengängen (zehn Seminare)        Erkenntnisse gewonnen:                         dell mithilfe des Business Model Canvas,
erhoben. Die Ergebnisse der Befragung         	Die interaktive Lehrmethode hat im         empfehlen sich auch in nicht betriebswirt-
wurden mit einer Kontrollgruppe von 239         Vergleich zur traditionellen Vorlesung     schaftlichen Studiengängen im Gegensatz
Studierenden aus den gleichen Fachrich-         bessere Ergebnisse erzielt (höhere posi-   zu klassischen Vorträgen eher. Ein authen-
tungen verglichen.                              tive Emotionen, niedrigere negative        tisches Auftreten, bspw. durch einen erfah-
                                                Emotionen und höhere Gründungs-            renen Gründer als Gastredner, verstärkt
  Unsere Ergebnisse zeigen, dass von            neigungen nach dem Seminar).               hierbei die Effekte des Seminars.
Studierenden wahrgenommene unter-             	Der disziplinäre Hintergrund der
nehmerische Emotionen die Grün-                 Studierenden spielt hinsichtlich der                         Prof. Dr. Walter Ruda
dungsneigung beeinflussen. Eine durch           Wirkung der Seminare keine Rolle.                               Dr. Pierre G. Keller
die Seminare bewirkte Steigerung der          	Tendenziell zeigt sich ein positiver                     Hochschule Kaiserslautern
positiven Emotionen sowie die Verrin-           Effekt von hoher wahrgenommener
gerung negativer Emotionen bewirkten            Authentizität der Dozenten auf die
jeweils eine Steigerung der studentischen       Verringerung der mit der Unterneh-         Literatur
Gründungsneigungen. Generell hilft die          mensgründung verbundenen negati-
Kombination von Gründungsemotio-                ven Emotionen. Authentizität erhöht        Ruda, Walter; Ascúa, Rubén; Danko, Benja-
nen und -neigungen, Vorhersagen über            somit die Effektivität der Lehre, auch     min; Martin, Thomas A. (Hrsg., 2015):
das spätere unternehmerische Verhalten          bei einer kurzen Intervention von drei     Gründung und Entrepreneurship von
präziser zu treffen. Darüber hinaus wurde       Stunden, wie sie im Rahmen dieser          Studierenden – GESt-Studie: Empirische
deutlich, dass die Seminare speziell im         Studie gewählt wurde.                      Analyse in Europa und Lateinamerika,
Hinblick auf die Verringerung negativer                                                    Ediciones UNL, Santa Fe, Argentinien.

         Von der Projektidee bis zum
         Einreichen des Forschungsantrages
         Nutzen Sie unsere langjährige Expertise im Bereich der
         Forschungsstrategie und Forschungsförderung

         Seminare-Lektorate-Antragscoaching-Moderation

         www.plan-wissenschaft.de
         office@plan-wissenschaft.de
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
6     Campusnotizen

  Industriedesign

Hochschule Darmstadt startet
Human Factors Lab
                                                                                                                                 „Die positive Wirkung von gezielt
                                                                                                                               gestalteten Arbeits- und Lebensräumen
                                                                                                                               von morgen entsteht mit der Akzep-
                                                                                                                               tanz der Menschen, die sie nutzen“,
                                                                                                                               sagt Tino Melzer, Professor für Entwurf
                                                                                                                               und Ergonomie. „Ein wesentliches Anlie-
                                                                                                                               gen der Human Factors ist die ergono-
                                                                                                                               mische Arbeitsplatzgestaltung. Sie trägt
                                                                                                                               dazu bei, die physische und psychische
                                                                                                                               Arbeitsbelastung zu mindern, und stei-

                                                                                    Foto: Hochschule Darmstadt/Ursula Raapke
                                                                                                                               gert die Zufriedenheit und Leistungsfä-
                                                                                                                               higkeit der Beschäftigten.“ Im Human
                                                                                                                               Factors Lab ließe sich zum Beispiel die
                                                                                                                               Platzierung von Piloten in Cockpits oder
                                                                                                                               die Positionierung von Bedienelementen
                                                                                                                               in virtuellen Umgebungen simulieren
                                                                                                                               und erforschen, sodass die Erkenntnisse
                                                                                                                               im Designprozess berücksichtigt werden
                                                                                                                               können. Unternehmen aus Industrie und
Roboterarm-Studie zur Konditionierung der Maschine auf menschliche
                                                                                                                               Mittelstand können das Human Factors
Bewegungsabfolgen mit dem Ziel einer intuitiven Bedienung
                                                                                                                               Lab der h_da künftig für gemeinsame
                                                                                                                               Forschungsprojekte nutzen, um bei
Neue Produkte oder Anwendungen schei-             Fehlentwicklungen zu vermeiden. Im                                           der Entwicklung von Produkten oder
tern, wenn die Menschen sie nicht akzep-          Human Factors Lab stehen hierfür zahl-                                       Anwendungen das gewonnene Wissen
tieren. Gerade bei digitalen und techni-          reiche Test- und Simulationsgeräte zur                                       über „menschliche Faktoren“ einzube-
schen Produkten liegt es oft daran, dass          Verfügung. Mit virtuellen und datenge-                                       ziehen. „Damit bietet die Hochschule
sie nicht intuitiv genug oder schlecht zu         stützten Ergonomie- und Bewegungsana-                                        Darmstadt ein anwendungsorientiertes
bedienen sind. Im neuen Human Factors             lysen werden menschliche Haltungs- und                                       Forschungslabor, das in der deutschen
Lab am Fachbereich Gestaltung der                 Bewegungsdaten ermittelt, die Anhalts-                                       Hochschullandschaft derzeit ziemlich
Hochschule Darmstadt (h_da) analysie-             punkte liefern für die ergonomische                                          einmalig ist“, sagt Prof. Dr. Nicole Saen-
ren Prof. Philipp Thesen und Prof. Tino           Optimierung von Produkten, aber auch                                         ger, Vizepräsidentin für Forschung und
Melzer mit ihrem Team bereits vor dem             von Arbeitsplätzen in der Industrie, im                                      Nachhaltigkeit. „Von den Projekten
Prototyp-Stadium, wie sich menschli-              Handwerk, im Gesundheits- und Pflege-                                        profitieren auch unsere Studierenden,
che Faktoren auf die Nutzung auswir-              wesen oder in öffentlichen Einrichtun-                                       die lernen, wie wichtig der frühe Einbe-
ken, insbesondere physiologische und              gen. Eingesetzt werden neben Virtual-Re-                                     zug von Design für die Entwicklung von
kognitive Fähigkeiten. Diese Designana-           ality-Werkzeugen unter anderem auch                                          Produkten sowie Alltags- und Arbeitsum-
lyse im Produktentwicklungsprozess, die           Motion-Tracking-Anzüge, die mit Senso-                                       gebungen ist.“
eine verbesserte Nutzbarkeit (Usability)          ren ausgestattet sind und Bewegungsab-
zum Ziel hat, kann dazu beitragen, teure          läufe erfassen.                                                                                                  h_da

  Hochschule Ansbach/Fachhochschule Kiel

Peer-to-Peer-Fachbereichsberatung
durch Hochschulforum Digitalisierung
Erstmalig bietet das Hochschulforum Digi-         Auseinandersetzung mit einer passenden                                       neues Beratungsprogramm mit einem jähr-
talisierung eine Strategieberatung für Fach-      Strategie für das digitale Zeitalter erfolgt                                 lich wechselnden Fach an. In einer Jury-
bereiche an. Für den ersten Durchgang             nicht nur seitens der Hochschulleitun-                                       sitzung wurden für den Pilotdurchgang
konnten sich bundesweit betriebswirt-             gen, sondern zunehmend auch auf Ebene                                        der Peer-to-Peer-Fachbereichsberatung
schaftliche Fachbereiche bewerben. Eine           der Fachbereiche. Um diese Zielgruppe zu                                     die Hochschule für angewandte Wissen-
Jury hat nun die entsprechenden Fach-             unterstützen, bietet das Hochschulforum                                      schaften Ansbach mit der Fakultät Wirt-
bereiche der Hochschule Ansbach und               Digitalisierung (HFD) ab sofort mit der                                      schaft und die Fachhochschule Kiel mit
der Fachhochschule Kiel ausgewählt. Die           Peer-to-Peer-Fachbereichsberatung ein                                        dem Fachbereich Wirtschaft ausgewählt.

                                                                                                                                                            04 | 2021 DNH
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
7

   „Das Thema Digitalisierung und             nutzen können.“ Für beide Fachberei-          ausgewählten Expertinnen und Experten
Kompetenzentwicklung steht bei den            che startet im Sommer 2021 ein inten-         aus der deutschen Hochschullandschaft,
wirtschaftswissenschaftlichen Fachberei-      siver, einjähriger Begleitprozess zur Digi-   die nun auch Fachbereiche auf Augenhö-
chen ganz oben. Die beiden ausgewähl-         talisierung von Studium und Lehre, bei        he beraten. Hinzu kommen Austausch-
ten Fachbereiche zeichnen sich durch ein      dem insbesondere die Weiterentwick-           formate zwischen den teilnehmenden
stimmiges Gesamtkonzept aus“, ordnet          lung ihrer strategischen Konzepte und die     Fachbereichen. Der Prozess schließt mit
Dr. Jannica Budde, Projektmanagerin im        Übersetzung in entsprechende Maßnah-          Transferangeboten für das gesamte Fach
CHE Centrum für Hochschulentwicklung          men thematisiert werden. Dabei sollen         ab. In den kommenden vier Jahren wird
für das Hochschulforum Digitalisierung,       die fachspezifischen Herausforderun-          die Beratung mit jährlich wechselnden
die Entscheidung der Jury ein. Sie wird       gen der BWL/Wirtschaftswissenschaf-           Fachschwerpunkten angeboten.
das neue Programm federführend koordi-        ten strukturiert angegangen werden,
nieren. „Der einjährige Prozess wird mit      ohne dabei hochschulweite Ziele aus                                              CHE
konkreten und auf die jeweiligen Fach-        dem Blick zu verlieren. Der Ablauf orien-
bereiche zugeschnittenen Empfehlun-           tiert sich an dem erprobten Konzept der       Weitere Informationen unter
gen abschließen. Darüber hinaus erhof-        Peer-to-Peer-Strategieberatung, die dieses      h
                                                                                               ttps://hochschulforumdigitalisie-
fen wir uns aussagekräftige Ergebnisse, die   Jahr bereits zum fünften Mal angeboten          rung.de/de/peer-peer-fachbereichs-
im Anschluss auch andere Fachbereiche         wird. Herzstück beider Beratungspro-            beratung-zur-digitalisierung-studi-
für ihre strategische Weiterentwicklung       gramme ist die Einbindung von „Peers“,          um-und-lehre

  Evangelische Hochschule Dresden

Auswirkungen der Corona-Pandemie
auf Familien
Seit Beginn der Corona-Krise sind Fami-       zu erarbeiten bzw. umzusetzen. Das            einerseits systemischen Betrachtung von
lien vor gänzlich neue Herausforderun-        Forschungsprojekt KonFa (Untersuchung         Familien und andererseits in der Berück-
gen gestellt. Die Phasen des Lockdowns,       von Konflikten in Familien) hat das Ziel,     sichtigung individueller Interessens-
aber auch Quarantäneperioden führen           für das Bundesland Sachsen einen Beitrag      und Entwicklungslagen der einzelnen
zu einem räumlichen und organisatio-          zum Schließen dieser Lücke zu leisten.        Familienmitglieder. Neben den Eltern
nalen Zusammenrücken aller Familien-          Das multimethodische Projektvorha-            sollen also auch ganz bewusst Kinder
mitglieder. Die Vereinbarkeit von Beruf       ben ist angesiedelt an der Evangelischen      und Jugendliche die Gelegenheit bekom-
und familiärer Sorgearbeit wird durch die     Hochschule Dresden und wird dort von          men, sich in speziellen Fragebögen zu
Coronakrise auf den Prüfstand gestellt.       Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig gelei-          ihrem Konflikterleben zu äußern. Zen-
Hinzu kamen (und kommen?) lange               tet. Adressatinnen und Adressaten sind        trale Erkenntnisinteressen der Fachkräf-
Phasen des Homeschoolings. Diese verän-       dabei einerseits die in Sachsen leben-        tebefragung liegen in der Gewinnung
derten Rahmenbedingungen sorgen nach          den Familien in ihren unterschiedlichs-       von Einblicken in die (möglicherwei-
Auskunft der Beratungsstellen aber auch       ten Konstellationen (Schwerpunkt 1),          se) veränderten Strukturen der Arbeit
in der Darstellung der Medien zu einer        andererseits aber auch diejenigen Fach-       mit Familien, etwaigen Verschlechterun-
Zunahme familiärer Konflikte. Die Insti-      kräfte, die im Bereich der Kinder- und        gen der Arbeitsbedingungen oder aber in
tutionen der Kinder- und Jugendhilfe          Jugendhilfe schwerpunktmäßig mit der          der Erprobung neuer Herangehenswei-
verweisen zurecht auf die Zunahme von         Zusammenarbeit von Familien betraut           sen und Veränderungspotenziale in der
Problemlagen und damit einhergehen-           sind (Schwerpunkt 2). Die quantitati-         Ausgestaltung der Arbeit. Darüber hinaus
den Konfliktintensitäten in bereits vor       ve Familienbefragung soll Erkenntnisse        soll die Passung der Kompetenzprofile
Corona belasteten und benachteiligten         liefern zur Konfliktsituation in sächsi-      der Fachkräfte in diesen Arbeitsfeldern
familiären Settings. Valide empirische        schen Familien seit Beginn der Coro-          vor dem Hintergrund sich verändernder
Ergebnisse hinsichtlich der Entwick-          na-Krise, zu Belastungsfaktoren, die fami-    Arbeitsanforderungen sowie die Zusam-
lung familiärer Konflikte fehlen bislang      liäre Konflikte befördern, sowie auch zu      menarbeit unterschiedlicher Einrichtun-
jedoch. Dies erschwert es sowohl Wissen-      Resilienzfaktoren, die Familien derzeit       gen hinterfragt werden.
schaft, Politik als auch den Fachkräften,     nutzen, um mit entstehenden Konflikten
entsprechende Handlungsstrategien             umzugehen. Die Besonderheit liegt in der              Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig

Anzeige

  Führungs-, Karriere- und Persönlichkeits-
  coaching                                                                                  Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit
  in Wissenschaft, Forschung und Lehre                                                         sie nicht namentlich gekennzeichnet
                                                                                              sind, basieren auf Pressemitteilungen
  Team Römer       www.team-roemer.de/res
                                                                                                der jeweils genannten Institutionen.

DNH 04 | 2021
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
8   Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis

Entwicklung eines regionalen
Entrepreneurship Clusters am Beispiel
der Kölner Hochschulen
Die Strategie „Entrepreneurship Education und Existenzgründungen“ der Technischen
Hochschule Köln und die gemeinsamen Aktivitäten der Kölner Hochschulen zeigen, wie das
Thema Entrepreneurship Education und Gründungsunterstützung ganzheitlich und nachhaltig
vorangetrieben werden kann. | Von Prof. Dr. Kai Thürbach

                                                  Hochschulen können, im Sinne von             auch in Deutschland eine wichtige Rolle
                                                  „Innovations- und Entrepreneur-              spielen (vgl. Delgado, Porter, Stern 2010,
                                                  ship-Hubs“, eine wichtige Rolle bei der      Thürbach 2020).
                 Foto: T H Köln/ Silviu Guiman

                                                  Entwicklung regionaler Entrepreneur-
                                                  ship Cluster spielen (vgl. Pinkwart 2012).      Am Beispiel der Technischen Hoch-
                                                  Dabei ist die Vernetzung der Akteure im      schule (TH) Köln lässt sich zeigen, wie
                                                  Cluster entscheidend. Eine diesbezüglich     das Thema Entrepreneurship in der Stra-
                                                  gute Zusammenarbeit von Hochschulen          tegieentwicklung aufgegriffen, weiterent-
                                                  und Wissenschaftseinrichtungen sowie         wickelt und schließlich in konkrete Initia-
                   Prof. Dr. Kai Thürbach         anderen relevanten Akteuren ist nicht        tiven zusammen mit den anderen Kölner
    Professur für Unternehmensführung und         selbstverständlich. Sie kann aber gelin-     Hochschulen überführt wurde, um damit
                           Entrepreneurship       gen, wenn Hochschulen sich mit dem           zu einer langfristig orientierten und nach-
                 Technische Hochschule Köln       Thema im Rahmen ihres Strategie-Pro-         haltigen Entwicklung eines erfolgreichen
                 Gustav-Heinemann-Ufer 54         zesses auseinandersetzen und das Thema       regionalen Kölner Entrepreneurship Clus-
                                50968 Köln        anschlussfähig und abgestimmt gemein-        ters beizutragen.
                                                  sam mit ihren Partnern aus Wissenschaft,
                kai.thuerbach@th-koeln.de         Wirtschaft, Gesellschaft und Politik im
                          www.th-koeln.de         Sinne der regionalen Entwicklung voran-      Strategie „Entrepreneurship Education
                        www.fitforinvest.de       treiben.                                     und Existenzgründungen“

                                                                                               Im Rahmen eines umfassenden Strategie-
                                                  Entrepreneurship Cluster bilden sich         prozesses wurde 2017 zunächst die neue
                                                  häufig um Hochschulen herum                  Transferstrategie „Wissen gesellschaft-
                                                                                               lich wirksam machen“ verabschiedet.
                                                  Bei erfolgreichen Entrepreneurship           Zusammen mit den anderen Strategie-
                                                  Clustern denken wir an Silicon Valley,       papieren der TH Köln wie Forschungs-
                                                  Boston oder Israel. Diese Erfolgsgeschich-   strategie, Lehrstrategie und Hochschul-
                                                  ten haben sich im Laufe der Zeit um ihre     entwicklungsplan, die sukzessive in der
                                                  Hochschulen herum entwickelt. Nach wie       letzten Zeit neu konzipiert bzw. grundle-
                                                  vor sind die Hochschulen dort wesentli-      gend überarbeitet worden sind, ist sie ein
                                                  che Treiber in der Entwicklung. Ihre Kern-   wesentlicher Bestandteil der langfristigen
                                                  aufgabe ist Innovation durch Wissen-         Strategieentwicklung der Hochschule. Mit
                                                  schaft, aber auch die Ausbildung von         der Transferstrategie klärt die Hochschule
                                                  Talenten. Hochschulen können zudem           ihr Verständnis von Transfer und erläutert
                                                  Aufgaben in der Moderation und Vernet-       unterschiedliche Transferformen auf Basis
                                                  zung von für das Gründungsgeschehen          von Forschung, Lehre und Weiterbildung.
                                                  relevanten Akteuren übernehmen. Auch         In einem interdisziplinären und parti-
                                                  machen sie sich Gedanken über gesell-        zipativen Prozess innerhalb der Hoch-
                                                  schaftliche Implikationen und bereiten       schule wurden die Grundlagen für das
                                                  so die Grundlage für „Soziale Innovati-      weitere Vorgehen im Bereich Entrepre-
                                                  on“. Sie können also bei der Entwick-        neurship gelegt. Es wurde beschlossen,
                                                  lung regionaler Entrepreneurship Cluster     dazu eine eigene Strategie in Ergänzung

                                                                                                                             04 | 2021 DNH
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
9

                                                                                                 „Hochschulen können eine
                                                                                                 wichtige Rolle bei der Entwick-
                                                                                                 lung regionaler Entrepreneurship

                                                                Foto: dmitryguzhanin/123rf.com
                                                                                                 Cluster spielen. Dabei ist die
                                                                                                 Vernetzung der Akteure im
                                                                                                 Cluster entscheidend.“

der Transferstrategie zu formulieren. Als Strategie        Aus den strategischen Zielen ergeben sich folgen-
„Entrepreneurship Education und Existenzgründun-         de Maßnahmen:
gen“ wurde sie 2018 durch die Gremien verabschie-         	Vernetzung von Forschung, Lehre und Grün-
det (TH Köln 2018).                                         dungsservice innerhalb der TH Köln und inner-
                                                            halb des regionalen Wissenschaftsnetzwerks,
  Die TH Köln versteht sich als „University of Tech-      	Vernetzung von Studierenden innerhalb der TH
nology, Arts and Sciences“. Es sind vielfältige Kompe-      Köln (fakultätsübergreifend), zwischen den Kölner
tenzen zu Entrepreneurship Education und Exis-              Hochschulen und in der Region mit der Praxis,
tenzgründungen vorhanden. Das breite fachliche            	Ressourcen und eigene Infrastruktur aufbauen
Spektrum und ihre Größe und Diversität bieten               und dazu Partnerschaften im regionalen Netz-
Potenzial für interdisziplinäre und innovative (Grün-       werk eingehen, z. B. „Räume für Ideen“ schaffen
dungs-)Projekte aus unterschiedlichen Bereichen.            (Inkubatoren), Personal bereitstellen.
Die Strategie „Entrepreneurship Education und Exis-
tenzgründungen“ knüpft hier an. Dem Leitbild der            Konkrete Maßnahmen gliedern sich nach den vier
Hochschule entsprechend nimmt die Entrepreneur-          Phasen „Sensibilisierung und Mobilisierung“, „Quali-
ship Education an der TH Köln neben den ökono-           fizierung“, „Beratung“ und „Unterstützung“. Daraus
mischen auch die gesellschaftlichen Implikationen        ergeben sich zudem Ansatzpunkte für ein vielfältiges
von Innovation und Entrepreneurship in den Blick.        Forschungsprogramm.
Themen wie Nachhaltigkeit im ökonomischen, sozia-
len, ökologischen und auch ethischen Sinne werden
sowohl in einzelnen Entrepreneurship-Modulen als         Das „Rheinland Valley“
auch in Pflichtveranstaltungen (z. B. Führung und
Ethik) thematisiert. Hiermit auch Impulse für die        An den Kölner Hochschulen sind etwa 100.000
Praxis und den gesellschaftlichen Diskurs zu liefern,    Studierende eingeschrieben. Damit nimmt die Regi-
reflektiert das Selbstverständnis der TH Köln. Vor       on einen Spitzenplatz in Deutschland ein. Die TH
allem aber soll durch ein Selbstverständnis als „grün-   Köln ist Mitglied in verschiedenen Hochschul- und
dungsfreundliche Hochschule“ Gründergeist geschaf-       Wissenschaftsnetzwerken und auch regional gut
fen und die für erfolgreiche Gründungen relevanten       vernetzt. Sie ist u. a. Mitglied der Kölner Wissen-
Kompetenzen in der Entrepreneurship Education und        schaftsrunde, in der regionale Hochschulen und
Gründungsunterstützung vermittelt werden.                Wissenschaftseinrichtungen sowie Kammern und
                                                         Stadt beteiligt sind. Zusammen mit der Universi-
  Die TH Köln möchte relevante Akteurin im regi-         tät zu Köln, der Deutschen Sporthochschule Köln,
onalen Gründungsgeschehen sein und das „Entre-           Fachhochschulen wie Cologne Business School,
preneurship-Ökosystem“ maßgeblich mit prägen. Sie        Rheinische Fachhochschule und anderen sowie
möchte mehr Gründergeist und gründungsfreundli-          Forschungseinrichtungen wie dem Deutschen Zen-
che Strukturen in der Region fördern und, im Sinne       trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Max-Plank-
von Transfer, zur Entwicklung eines regionalen Entre-    und Leibniz-Instituten besteht in der Region damit
preneurship Clusters beitragen. So ist die Strategie     ein starkes Wissenschaftsumfeld. Das hochschul-
„Entrepreneurship Education und Existenzgründun-         gründernetz cologne e. V. (hgnc) ist ein Netzwerk
gen“ explizit als komplementär und anschlussfähig        zur Förderung von Gründungen aus der Wissen-
an weitere Entrepreneurship-Aktivitäten in der Regi-     schaft. Es wurde ursprünglich von den drei staatli-
on konzipiert.                                           chen Hochschulen gegründet und hat heute über 20

DNH 04 | 2021
Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis
10 Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis

Mitglieder. Die beteiligten Hochschulen sehen das             arbeitet zusammen mit dem Gründungsservice daran,
hgnc als gemeinsame Basis für die Entwicklung eines           Entrepreneurship Education und wissenschaftlichen
regionalen Entrepreneurship Clusters.                         Gründergeist an der TH Köln zu stärken. Ein wichti-
                                                              ger Fokus liegt auf dem Ausbau von Infrastruktur wie
  Köln und das Rheinland sind ein Zentrum für Wirt-           Co-Working-, Maker-Spaces und Inkubatoren inner-
schaft, Wissenschaft und Innovation. Wirtschaftsmi-           halb der Hochschule.
nister Pinkwart spricht gern vom „Rheinland Valley“
und möchte, dass sich NRW zu den Top 10 der euro-               Durch das vom MWIDE geförderte „GATEWAY
päischen Start-up-Regionen entwickelt (Bundesver-             Exzellenz Startup Center“ stärkt die Universität zu
band Deutsche Startups 2020, S. 4). Kölns Oberbür-            Köln Hochschulausgründungen. Das Angebot bein-
germeisterin Reker weiß, dass Gründerinnen und                haltet Gründungsberatung und themenspezifische
Gründer „wichtige Akteure der digitalen Transforma-           Veranstaltungen und richtet sich besonders an tech-
tion und aktive Gestalter der Wirtschaft von morgen           nologie- und wissensbasierte Gründerteams.
sind“ (TH Köln 2021). All das sind gute Vorausset-
zungen für die Entwicklung eines Entrepreneurship               Die enge Zusammenarbeit der Kölner Hochschulen
Clusters in der Region.                                       im Bereich Entrepreneurship soll in Zukunft durch
                                                              den Auftritt unter einer gemeinsamen Marke „Gate-
                                                              way“ für die beteiligten Gründungsservices auch in
Umsetzung der Strategie im Verbund der Kölner                 der Außendarstellung noch deutlicher werden.
Hochschulen

Als besonders fruchtbar hat sich die enge Zusammen-           Entwicklung eines regionalen Entrepreneurship
arbeit der Kölner Hochschulen TH Köln, Universität            Clusters
zu Köln, Deutsche Sporthochschule und Rheinische
Fachhochschule zusammen mit dem hochschul-                    „Mit ‚Fit for Invest‘ by hgnc bündeln die vier größ-
gründernetz cologne e. V. erwiesen. So wurde über             ten Kölner Hochschulen ihre Stärken und verzahnen
die letzten Jahre eine intensive Zusammenarbeit im            sich enger mit dem regionalen Start-up-Ökosystem,
Bereich Entrepreneurship begonnen, die durch das              um die Region Köln zu einer der attraktivsten und
EXIST-Projekt „Fit for Invest“ eine neue Qualität             erfolgreichsten Start-up-Regionen in Deutschland zu
erreicht hat. Hierbei wird die teilweise abgestimmte          entwickeln. Es entsteht ein Entrepreneurship Cluster
hochschulstrategische Ausrichtung der vier großen             mit überregionaler Strahlkraft für wachstumsstarke
Kölner Hochschulen im Bereich Entrepreneurship                Gründungen und erfolgreiche Investments in Köln.
durch eine intensive und vertrauensvolle Zusam-               Bewährte Maßnahmen werden in den Gründungs-
menarbeit auf den drei Ebenen Hochschulleitungen,             services der Hochschulen sowie über den gemeinsam
den mit Entrepreneurship befassten Professorinnen             getragenen Verein hgnc dauerhaft fortgeführt“, so
und Professoren sowie den Gründungsservices der               die Zusammenfassung des Förderantrages („Fit for
Institutionen ergänzt. Das schafft belastbare Voraus-         Invest“ 2019).
setzungen für die weitere Entwicklung des Themas.
                                                                 Die Kölner Hochschulen möchten dazu beitragen,
  Gemeinsame Aktivitäten in Entrepreneurship                  dass in der Region mehr und qualitativ bessere Grün-
Education, Veranstaltungen und Gründungsbera-                 dungen mit einer gesicherten Wachstumsfinanzie-
tung, aber auch Forschung, z. B. durch Zusammen-              rung („Investment Readiness“) entstehen. Um das zu
arbeit bei der Beantragung und Bearbeitung von                erreichen, wird eine engere Zusammenarbeit unter-
Forschungsprojekten, schaffen Synergien und posi-             einander und darüber hinaus eine Verzahnung mit
tive Netzwerkeffekte. Zielgerichtet wurde sich auf            der bundesweiten und internationalen Gründersze-
verschiedene Fördermaßnahmen beworben und die                 ne angestrebt („Netzwerk“). Insbesondere wird die
Hochschulen sind gleich bei mehreren wichtigen                Zusammenarbeit mit regional relevanten Akteuren
Initiativen zum Zuge gekommen. Dadurch konnten                aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik
erhebliche Drittmittelsummen nach Köln gezogen                vorangetrieben. Die beteiligten Hochschulen haben
werden. Die enge und abgestimmte Zusammenar-                  jeweils einen speziellen Fokus im Projekt: So befasst
beit hat dabei eine wichtige Rolle gespielt.                  sich die TH Köln mit dem Thema Finanzierung und
                                                              baut Partnerschaften mit Investoren wie Business-An-
  Zusammen mit den anderen Kölner Hochschulen                 gel-Netzwerken, Venture-Capital-Firmen, aber auch
und dem hgnc koordiniert die TH Köln das vom BMWi             Privatpersonen, Banken, Sparkassen und anderen
geförderte EXIST-Projekt „Fit for Invest“. Ziel ist es, mit   institutionellen Investoren auf. Das „Booster“-Pro-
Partnern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Köln        gramm unterstützt Gründungsteams bei der Finan-
und das „Rheinland Valley“ zu einer der Top-Regio-            zierungssuche. Die Universität zu Köln kümmert sich
nen für Start-ups und Gründung zu machen.                     mit „Gateway goes international“ um internationa-
                                                              le Zusammenarbeit im Gründungsbereich. Die Deut-
  Mit dem BMBF-geförderten Vorhaben StartUpLab@               sche Sporthochschule unterstützt mit „StarS-Kader“
TH Köln schärft die TH Köln ihr Profil als gründungs-         sportwissenschaftliche Gründungen und baut ein
freundliche Hochschule. Ein interdisziplinäres Team           Netzwerk im Sport auf. Die Rheinische FH führt mit

                                                                                                                      04 | 2021 DNH
11
                                                                                      T          AT T R A
                                                                                VES                               KT
                                                                           IN                                          IV
                                                                   R                                                         IT
                                                          FO                                                                      Ä
                                                                                                                                      T
                                                  IT

                                                                                                                                          F
                                              F

                                                                                                                                          Ü
                                                                                                                                          R
                                          S

                                                                                                                                              DI
                                                                            en                                    Idea

                                     ES
                                                                         ng                                           le
                                                                       gu                                                B

                                                                                                                                               E R
                                  IN

                                                                    in
                                                                             m                                     W

                                                                                                                    ed
                                                                                             Region
                                                                          stu

                                                                 Bed

                                                                                                                      ing
                               ENT READ
                                                                                              Köln

                                                                                                                                                   EG
                                                                                                                        ac
                                                                h
                                                          Ideale

                                                            Wac

                                                                                                                          unge
                                                                                                                          hstu

                                                                                                                                                   ION
                                                                                                                              m

                                                                                                                               n

                                                                                                                                                             Quelle: TH Köln, „Fit for Invest“ der Kölner Hochschulen
                                                                            Start-ups             Investoren
                                                                           Gründungen           Business Angels

                                                                                                                                                   FIT
                                STM

                                                                                      Po t

                                                                                                                                               FO
                                       E

                                                                                             e n zial e
                                    NV

                                                                                                                                               R
                                                                                  U nt
                                                                                          erst ütz u n g
                                          I

                                                                                                                                              IN
                                                                                                                                          V
                                              T

                                                                                                                                          E
                                                  S                                                                                   S
                                                      E                                                                           T
                                                          V
                                                              IN                                                       NE
                                                                       R                                          TZ
                                                                           FO                         WER
                                                                                 FIT              K

Die Region als eines der führenden deutschen Entrepreneurship Cluster profilieren: „Fit for Invest“ der Kölner Hochschulen (www.fitforinvest.de)

„project cologne“ sogenannte Challenges für Studie-                                                       Unit der Wirtschaftsförderung KölnBusiness, aber
rende mit Praxispartnern aus der Wirtschaft durch.                                                        auch den anderen Wirtschaftsförderungen, Kammern
                                                                                                          und Förderinstitutionen zusammengearbeitet.
  Die Aktivitäten stehen jeweils allen Angehörigen
der Kölner Hochschulen und des hgnc offen. Es erge-
ben sich viele Schnittpunkte zu anderen Aktivitäten                                                       Fazit
in der Region. Z.B. beschäftigt sich „project cologne“
mit Themen wie „Altern“, „5G und Digitalisierung“                                                         Hochschulen können eine wichtige Rolle bei der
oder „Greentech“, wo regionale Synergien genutzt                                                          Entwicklung regionaler Entrepreneurship Cluster
werden. Ein weiteres Beispiel ist das mit Unterstüt-                                                      spielen. Dabei ist die Vernetzung der Akteure mit
zung der Telekom aufgebaute 5G Co:Creation Lab,                                                           dem Ziel, Synergien und Netzwerkeffekte zu schaffen,
wo mit Praxispartnern wie dem 1. FC Köln Anwen-                                                           entscheidend. Eine diesbezüglich gute Zusammenar-
dungen auf Basis der 5G-Technologie in Gründungs-                                                         beit von Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen
projekten entwickelt werden können, z. B. im Studi-                                                       und anderen relevanten Akteuren ist nicht selbstver-
engang Code & Context und mit dem Cologne Game                                                            ständlich. Die strategisch angelegte Zusammenarbeit
Lab. Abschließend sei stellvertretend für weitere Akti-                                                   der Kölner Hochschulen kann als Beispiel dienen, wie
vitäten der Wettbewerb „Chemtelligence“ erwähnt,                                                          sich Hochschulen mit dem Thema ganzheitlich und
wo Gründungsthemen im Bereich Chemie bearbei-                                                             zukunftsgerichtet mit entsprechender Priorität ausei-
tet werden. Bei ihren Aktivitäten berücksichtigen die                                                     nandersetzen. Ein gemeinsames Verbundprojekt wie
Hochschulen bereits bestehende Angebote anderer                                                           „Fit for Invest“ der Kölner Hochschulen kann dabei
regionaler Akteure. Es wird eng z. B. mit der Start-up-                                                   ein Katalysator sein.

  Literatur
  Bundesverband Deutsche Startups e.V. (Hrsg.): Nordrhein-Westfalen Startup Monitor 2020.
  Delgado, M.; Porter, M.; Stern, M.: Clusters and Entrepreneurship. Journal of Economic Geography, Volume 10 (2010), No. 4, S. 495–518.
  Fit for Invest: EXIST-Verbundvorhaben der Kölner Hochschulen „Fit for Invest“ by hgnc, Förderantrag. Köln 2019.
  Pinkwart, A.: The new role of universities in the twenty-first century – Universities as engines of innovation and entrepreneurial hubs.
     Washington 2012.
  TH Köln – Präsidium (Hrsg.): Strategie Entrepreneurship Education und Existenzgründungen der TH Köln. Köln 2018.
  TH Köln: Oberbürgermeisterin unterstützt das Exist-Vorhaben „Fit for Invest“ der Kölner Hochschulen. http://www.fitforinvest.de.
     Abruf am 19.06.2021.
  Thürbach, K.: Die Rolle von Hochschulen und Entrepreneurship Education bei der Entwicklung regionaler Entrepreneurship Cluster.
     In: Hölzle, K.; Tiberius, V.; Surrey, H. (Hrsg.): Perspektiven des Entrepreneurships. Stuttgart 2020, S. 507–516.

DNH 04 | 2021
12 Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis

Die Gründergarage – ein
hochschulübergreifendes
Entrepreneurship-Format entsteht
Studien belegen, dass Unternehmertum erlernbar ist. Welche Kompetenzen sind
dazu notwendig und wie kann ein entsprechendes Lehrangebot aussehen? Mit der
Gründergarage wurde ein hochschulübergreifendes Experiment gestartet, das erste
Antworten liefert. | Von Dr. Cornelia Gretz und Eva Treu

                                               Warum braucht es sie überhaupt, die soge-      Hochschule eine erhebliche Kraftan-
                                               nannten Entrepreneure? Angesichts zahl-        strengung darstellt, warum wurde dann
                                               reicher globaler und lokaler gesellschaftli-   das Lehrformat „Gründergarage“ hoch-
                                               cher Herausforderungen sind alternative        schulübergreifend konzipiert? In diesem
                                               Herangehensweisen gefragt. Wirtschaftli-       speziellen Fall blicken die beteiligten
                                               che Lösungen, die innovativ sind; Lösun-       Hochschulen (Hochschule Biberach,
                 Foto: privat

                                               gen, die Antworten bieten, auf komplexe        Technischen Hochschule Ulm und der
                                               ökologische und soziale Schieflagen. Aus       Universität Ulm) auf einen allmählich
                                               diesem Grund rücken Menschen, die als          gewachsenen, engeren Austausch und
                       Dr. Cornelia Gretz      Problemlöser fungieren können, in den          das Zusammenwirken in verschiedenen
   Vertretungsprofessorin Entrepreneurship     Mittelpunkt. Menschen, die Chancen             Projekten zurück. Dies erleichtert zum
         Leiterin Gründerinitiative Biberach   erkennen, Ideen umsetzen, mit anderen          einen die Zusammenarbeit im Vorha-
                   gretz@hochschule-bc.de      – auch räumlich getrennt – zusammenar-         ben der Gründergarage und eröffnet
                                               beiten. Menschen, die eine Zukunft gestal-     zum anderen die Chance, die potenziel-
                                               ten können, die „enkeltauglich“ ist.           le Reichweite unter den Studierenden zu
                                                                                              erhöhen; von rund 2.500 Studierenden
                                                  Aus dieser gesellschaftlichen Notwendig-    etwa an der Hochschule Biberach (HBC)
                                               keit heraus kann eine Anforderung an das       auf rund 16.000 Studierende im Verbund.
                                               Lehrangebot der Hochschulen abgeleitet
                                               werden, unter interdisziplinären Rahmen-         Finanziert wurde der Aufbau einer
                                               bedingungen Entrepreneurship-Kompe-            hochschulübergreifenden Gründergara-
                 Foto: HBC

                                               tenz auszubilden. Diese Anforderung            ge im Rahmen des MWK-Programms zur
                                               erhebt nicht den Anspruch, alle Studie-        Förderung von Gründungskultur in Studi-
                                               renden zu Unternehmern zu machen.              um und Lehre des Landes Baden-Würt-
                                  Eva Treu
                                               Vielmehr können Gelegenheiten gestal-          temberg.
            Wissenschaftliche Mitarbeiterin
                                               tet werden, welche diese Karriereoption
                 Gründerinitiative Biberach
                                               überhaupt erlebbar machen. Im Studi-             Angelehnt an den Europäischen Entre-
                   treu@hochschule-bc.de       um konkurriert aber häufig der Trend zur       preneurship Kompetenz-Rahmen (Entre-
                                   beide:      fachbezogenen Spezialisierung mit dem          Comp) wird im Folgenden zunächst
                    Hochschule Biberach        Ansatz, den Blick über den Tellerrand zu       darauf eingegangen, wie diese zentra-
                                               weiten. Obwohl Angebote wie ein Studium        len Elemente zur Gestaltung von Entre-
                            Karlstraße 11
                                               Generale oder die Möglichkeit des Besuchs      preneurship-Lehrformaten in der Grün-
               88400 Biberach an der Riss
                                               fachfremder Lehrveranstaltungen ande-          dergarage umgesetzt wurden und welche
            www.hochschule-biberach.de/        rer Studiengänge an vielen Hochschulen         Kompetenzen dabei vermittelt werden
                      gruenderinitiative       vorhanden sind, bleibt es organisatorisch      können. Anschließend wird dargestellt,
                                               herausfordernd, die Grenzen des Spezia-        welche Herausforderungen im Projekt
                                               listentums aufzuweichen und interdiszi-        auftraten, sei es in der hochschulüber-
                                               plinäre Lehrformate zu gestalten.              greifenden Arbeit oder bedingt durch die
                                                                                              allseits bekannte unvermittelte Umstel-
                                                 Wenn also schon die Gestaltung               lung eines Präsenzformats in eine Digi-
                                               interdisziplinärer Lehre an nur einer          tal-Version.

                                                                                                                          04 | 2021 DNH
13

    Zeitlicher und inhaltlicher Ablauf der Gründergarage

    Der erste Durchgang erfolgte im Wintersemester 2019
    in Präsenz. Seit Sommersemester 2020 werden alle                             „Gerade in den aktuellen Zeiten von
    Veranstaltungen komplett im virtuellen Raum belas-
    sen. Abbildung 1 zeigt den zeitlichen und inhaltli-                          Globalisierung, Corona und Klimawandel
    chen Ablauf der Gründergarage.                                               gelingt es manchen nur schwer, mit
       Mit der Umstrukturierung auf das Blended-Lear-                            Hoffnung in die Zukunft zu blicken.
    ning-Format wurde eine Vorbereitungsphase vorge-
    schaltet. Die Studierenden erhalten hierbei wöchent-                         Genau deshalb rücken Menschen, die als
    lich grafisch ansprechende Mails (sog. Teaser-Mails),
    welche an die wichtigsten Inhalte von Geschäftsmodel-
                                                                                 Problemlöser fungieren, in den Fokus.
    len, Mission und Vision, Business Model Canvas und                           Menschen, die eine Zukunft gestalten,
    Value Proposition Canvas etc. heranführen.
                                                                                 die ‚enkeltauglich‘ ist.“
    Einordnung der Gründergarage in das Kompetenz-
    schema „EntreComp” und erste Evaluation
                                                                                    Die in der Gründergarage vermittelten Kompetenzen
    Der Europäische Entrepreneurship Kompetenz-Rah-                              wurden in drei quantitativen und qualitativen Befra-
    men EntreComp (Bacigalupo, García, Mansoori,                                 gungen ausgewertet. Hervor stachen dabei vor allem die
    & O‘Keeffe, 2020) identifiziert 15 unternehmeri-                             Dimensionen „Zusammenarbeit mit anderen“, „Lernen
    sche Kompetenzen, in den drei Kategorien „Ideen                              durch Erfahrung“, „Ideen evaluieren“ und „Motivati-
    und Möglichkeiten“, „Ressourcen“ und „In Aktion                              on und Durchhaltevermögen“. Im Originalton erwi-
    treten“. Das Schema erhebt zwar keinen Anspruch                              derte ein Teilnehmer die Frage „Was nehmen Sie mit?“
    auf Vollständigkeit, bietet aber einen guten Über-                           folgendermaßen: „Arbeiten im Team ist nicht so einfach,
    blick über die Kompetenzen, die Studierende benö-                            da jeder eine andere Vorstellung hat und andere Ideen
    tigen, um Chancen zu erkennen und ein Unterneh-                              mitbringt“, ein anderer: „Gruppenarbeit und Feedback
    men zu gestalten.                                                            ist wichtig. Man muss rausgehen und andere Perspek-
                                                                                 tiven/Feedback holen. Testen ist wichtig“. Als weitere
      EntreComp stellt überdies folgende neun Prinzi-                            Reflektion war schließlich auch zu lesen: „[…] andere
    pien auf, die dazu dienen, entsprechende Lehrfor-                            Denkweisen entwickeln: Über den Tellerrand hinaus-
    mate zu entwickeln. Sie wurden bei der Konzeption                            denken, andere Perspektiven einnehmen, fünf Meter
    der Gründergarage berücksichtigt (siehe Tabelle 1).                          weiter Denken als bisher.“ Weitere Evaluationen folgen.

                 Zeitlicher Ablauf
Semesterstart

                      3-4 Wochen                     2-3 Wochen                   4 Wochen                     3 Wochen                         1 W.

                                      BootCamp                    ThrillCamp                  Zwischen-                           FinalPitch             Abgabe
                                      2 Tage Fr+Sa                2 Tage Fr+Sa               präsentation                         1 Nachmittag         Businessplan
                                                                                              1 Nachmittag
                  Inhalte

                Vorbereitung    Zusammen-      Befragung      Erstellung      Gruppen-       Präsentieren    Finale Aus-       Pitchen vor
                durch Teaser    finden der     potenieller    von mind. 2     arbeitsphase   des Pitches     arbeitung         externer Jury
                Mails in den    Teams und      Nutzer durch   Prototypen,     mit der        + Präsen-       des Pitches       aus regiona-
                Themen          Heraus-        Teams, wei-    eines ersten    Möglichkeit    tation des      und des           ler Wirtschaft
                Mission und     arbeiten der   tere eigen-    Pitches sowie   jederzeit      „fertigen“      Business-         und Start-Up
                Vision, Busi-   Themen.        ständige       die Kosten-     strukturelle   Geschäfts-      plans.            Szene.
                ness Model      Erarbeitung    Bearbeitung    und Erlös-      und orga-      modells inkl.
                Canvas          der Vision,    von BMC,       rechnung        nisatorische   Finanz-
                (BMC), Value    erstes Aus-    VPC, Perso-    passend zum     Hilfe bei      planung,            Legende
                Proposition     füllen des     nas. Weitere   potentiellen    Coaches        Feedback
                Canvas +        BMC und-       inhaltliche    Geschäfts-      einzuholen,    durch Coa-                Termine mit Anwesenheitspflicht
                Einreichung     möglichen      Vorbereitung   modell.         bzw. Besuch    ches, sodass
                einer Chal-     Personas.      anhand                         der frei-      dieses noch                   Mails mit Lehrinhalt (Teaser Mails)
                lenge pro       Einführung     Teaser Mail.                   willigen Q+A   eingearbei-                   freiw. Question and Answer Sessions
                Studierende     in die Vali-                                  Session.       tet werden
                                dierung.                                                     kann.

     A bbildung 1: Zeitlicher und inhaltlicher Ablauf der Gründergarage

    DNH 04 | 2021
14 Entrepreneurship: Lehre, Forschung, Praxis

Prinzip             Erläuterung                                    Umsetzung in der                              Vermittelte Kompetenzen
                    für Lehrende                                   Gründergarage                                 lt. EntreComp

1. Experience      Aktionsorientierte und praxisnahe Lehre,       Viel Zeit für Teamarbeit, wenig direkte       Lernen durch Erfahrung, Ideen evalu-
    (Erlebnis)      Lernen durch Erfahrung                         „Frontalbeschallung“, Zeit für Umfragen       ieren, ergreifen der Initiative, Chancen
                                                                   bei realen Nutzern                            sehen

2. Novelty         Zeit einplanen, um neue Werte, egal ob         Input zum Thema Nachhaltigkeit,               Chancen sehen, Kreativität, Vision,
    (Neuheit)       persönlicher oder allgemeiner Art, schaffen    Zeit für mehrere Iterationsprozesse           Ethisches und nachhaltiges Denken,
                    zu können                                                                                    Motivation und Durchhaltevermögen

3. Triggers        Gelegenheiten planen, bei denen die Lernen-    Zeitdruck während und zwischen den            Umgang mit Ambiguität, Unsicherheit
    (Auslöser)      den aus Ereignissen und Prozessen lernen,      Präsenzphasen. Arbeit mit unbekannten         und Risiko Zusammenarbeit mit ande-
                    mit Mehrdeutigkeit, Ungewissheit und Risiko    Teammitgliedern. Aufforderung, mit realen     ren, Motivation und Durchhaltever-
                    umzugehen                                      Nutzern ins Gespräch zu kommen.               mögen, Ideen evaluieren

4. Reflection      Einbauen von Selbstreflexionsübungen           Eigene Reflexion findet am Ende eines         Selbsterkenntnis und
    (Reflexion)     während der Lehrveranstaltung                  jeden Veranstaltungsblocks statt.             Selbstwirksamkeit

5. Ecosystem       Vorhandenes Ökosystem in die Lehre mitein-     Bezug zur regionalen Wirtschaft und Start-    Lernen durch Erfahrung, Zusammen-
   (Ökosystem)      beziehen und somit authentische Lernumge-      up-Szene durch Kooperation mit IHK und        arbeit mit anderen, Mobilisierung von
                    bung schaffen                                  Jurymitgliedern für die Final Pitches.        Ressourcen, finanzielle und wirtschaft-
                                                                                                                 liche Kompetenz, Ideen evaluieren

6. Collaboration   Zusammenarbeit, insbesondere Teamarbeit,        Komplette Durchmischung der Teams über       Zusammenarbeit mit anderen, andere
    (Zusammen-      fördern und fordern; Entrepreneurship als indi- verschiedene Disziplinen hinweg. Außer-      mobilisieren, Planung und Management,
    arbeit)         viduelle und kollektive Kompetenz betrachten dem: Big-Five-Persönlichkeitstest.              Motivation und Durchhaltevermögen

7. Others          Lernende dazu anleiten, sich auf andere ein-   Validierung der Geschäftsmodelle durch        Zusammenarbeit mit anderen, Ideen-
    (Andere)        zulassen und deren Sichtweise zu verstehen     reale Nutzerbefragungen                       Evaluierung, Kreativität, Vision

8. Mentoring       Gelegenheiten schaffen, um selbstständiges     Teams werden von einem fixen Coach über       Selbsterkenntnis und Selbstwirksamkeit,
    (Betreuung)     Lernen zu ermöglichen, als Mentor und nicht    das komplette Semester hinweg begleitet.      Umgang mit Ambiguität, Unsicherheit
                    als Lehrender agieren und betreuen             Ein Coaching Codex unterstützt dabei, nicht   und Risiko, Lernen durch Erfahrung
                                                                   als „Lehrende“ einzugreifen.

 9. Progression Möglichkeit schaffen, zu beurteilen, ob die       Bei den Pitches und in der Zwischen-          Lernen durch Erfahrung
     (Fortschritt) Lernintervention erreicht wurde, gegenseitige   Präsentation geben Coaches strukturiertes
                   Bewertung der Lernenden ermöglichen, sodass     Feedback. Alle Team-Mitglieder sind
                   wertvolle Kritik angenommen und konstruk-       aufgefordert, Feedback zu geben.
                   tives Feedback abgegeben werden kann

Tabelle 1: EntreComp-Prinzipien und ihre Ausgestaltung in der Gründergarage

Herausforderungen und deren Lösungsansätze                                       2. Anrechnung ECTS
                                                                                 Mitunter die schwerste Herausforderung war und ist
Die größten Herausforderungen bei der Konzeption                                 die ECTS-Anrechnung, sowohl hochschulintern als
des Lehrformats zeigten sich zunächst in der hoch-                               auch insbesondere hochschulübergreifend: Studie-
schulübergreifenden Zusammenarbeit und dann                                      rende erreichen bei der Teilnahme an der Gründerga-
zusätzlich in der ungeplanten digitalen Neuerfindung                             rage je nach Studiengang und Hochschule zwischen
des Formats (siehe Abbildung 2).                                                 zwei und sechs ECTS. Dies ließ sich auch bisher noch
                                                                                 nicht vereinheitlichen. Eine offene Kommunikation
  Abschließend folgt eine Aufstellung der wesentli-                              mit den Studierenden ab der Anmeldephase kann das
chen Stolpersteine und ihre aktuellen Lösungsversuche.                           Verständnis für die Schieflage erhöhen.

                                                                                 3. Interdisziplinäre und kulturelle Vielfalt
Herausforderungen und Lösungsansätze in der                                      Das teilweise sehr unterschiedliche Herangehen an
hochschulübergreifenden Zusammenarbeit                                           die Bearbeitung der Challenges – bedingt durch diver-
                                                                                 gierende fachliche Hintergründe und Vorkenntnisse –
1. Terminplanung an unterschiedlichen Institutionen                              stellte eine exorbitante Herausforderung für Studieren-
Besonders die unterschiedlichen Semesterstarts an                                de und Coaches gleichermaßen dar; insbesondere zu
Hochschulen und Universität erschwerten die Vorle-                               Beginn der Teamarbeit. Dieser Effekt war durchaus beab-
sungsplanung. Dank eines Kompromisses, dass Studie-                              sichtigt, bedurfte aber besonderer Aufmerksamkeit und
rende der Universität sich bereits zum Ende der Semes-                           Hinwendung. Coaches mit guten Moderationsfähigkei-
terferien anhand der Teaser Mails vorbereiten und sofort                         ten und passendem thematischen Hintergrundwissen
in ihrer ersten Vorlesungswoche das BootCamp absol-                              unterstützen dabei, diese Klippe zu nehmen. So können
vieren, dann jedoch den Businessplans vor ihrer Haupt-                           einzelne Teammitglieder inhaltlich entsprechend abge-
prüfungszeit abgeben, ermöglicht die gemeinsamen,                                holt werden und die Teamarbeit ins Rollen kommen.
hochschulübergreifenden Präsenzblöcke.                                           Als hilfreich erweist sich überdies ein Coaching Codex.

                                                                                                                                                            04 | 2021 DNH
Sie können auch lesen