Forum - Vision Zero Beispiele der gesetzlichen Unfallversicherung - DGUV forum
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80168 Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Forum Vision Zero Beispiele der gesetzlichen Unfallversicherung Digitaler Wandel – Arbeitswelt der Zukunft Risikobeobachtungsstelle – Quo vadis Prävention?
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, das Konzept der Vision Zero – einer Welt ohne schwerwiegende oder tödliche Arbeitsunfälle – be- gleitet unsere Arbeit seit vielen Jahren. Bereits 2008 haben wir in unserer Präventionsstrategie das Ziel verankert, Arbeits- und Lebenswelten so zu gestal- Foto: DGUV/Stephan Floss Fotografie ten, dass möglichst niemand mehr getötet oder so schwer verletzt wird, dass ein lebenslanger Scha- den entsteht. Damit die Vision Zero aber eines Tages Wirklichkeit wird, müssen wir unsere Präven- tionsarbeit immer wieder neu auf dieses Ziel aus- richten. Wie das gelingen kann, zeigt zum Beispiel die neue Präventionsstrategie der Berufsgenossen- schaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeiten!“ (S. 10). Sie will die traditionelle Präventions- „Seit dem XX. Welt- arbeit überprüfen und sie so zukunftsfähig machen. kongress für Sicherheit und Gesundheit bei Die Strategie der Vision Zero hat in den letzten Jahren aber der Arbeit in Frankfurt nicht nur national an Dynamik gewonnen. Seit dem XX. Welt- im letzten Jahr ist die kongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in Vision Zero auch inter- Frankfurt im letzten Jahr ist die Vision Zero auch international zu einem Topthema geworden. Bestes Beispiel dafür ist der national zu einem jüngste Beschluss der G7-Staaten, einen „Vision Zero Fund“ zu Topthema geworden.“ schaffen – einen Fonds für mehr Sicherheit und Gesundheits- schutz bei der Arbeit weltweit. An diesem Fonds haben wir maßgeblich mitgewirkt und ich freue mich, dass unsere Idee der Vision Zero zu kon- kreten politischen Beschlüssen führt. Damit wird uns auch von Seiten der Politik bestätigt, dass unser Ansatz richtig ist und dass wir auch international dazu beitra- gen können, Arbeit sicherer und gesünder zu machen. Die gesetzliche Unfallversicherung setzt sich bereits seit Jahrzehnten für bessere Ar- beitsbedingungen weltweit ein. Wir beraten Länder wie China, Indien und seit kurzem auch Bangladesch beim Aufbau von Institutionen, die Menschen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichern und die Unterneh- men im Arbeitsschutz unterstützen. Denn nur wenn wir es schaffen, Maßnahmen zur Unfallverhütung überall auf der Welt zu etablieren, können wir aus unserer Vi- sion Realität werden lassen. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Joachim Breuer Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 2 DGUV Forum 6/2015
Inhalt > Editorial/Inhalt >>> 2–3 > Aktuelles >>> 4–7 > Titelthema >>> 8–21 Interview mit Dr. Walter Eichendorf Die Vision Zero ist national und international angekommen8 Null Unfälle – gesund arbeiten! Vision Zero als Strategie der Prävention 10 Miriam Becker Kampagne in Saskatchewan „Mission: Zero“ – Aufruf zum Handeln 14 22 Peter Federko Vision Zero in New York „Die sicherste Großstadt der Welt“ 18 Franz Roiderer > Prävention >>> 22–39 Gespräch mit Jochen Lau, Welf Stankowitz, Christian Kellner „Der Mensch muss in der Verantwortung bleiben.“ 22 Autonomes Fahren Sind die juristischen Herausforderungen größer als die technischen? 26 Lennart S. Lutz Digitaler Wandel Arbeitswelt der Zukunft 31 26 Kai Schweppe Veränderungen der Arbeitswelt Industrie 4.0 und ihre Bedeutung für den betrieblichen Gesundheitsschutz 34 Detlef Gerst Aus der Forschung Risikobeobachtungsstelle – Quo vadis Prävention? 37 Ruth Klüser, Ina Neitzner > Aus der Rechtsprechung >>> 40 > Personalia >>> 41 > Medien/Impressum >>> 42 34 DGUV Forum 6/2015 3
Aktuelles ▸ Beim „Tag ohne Grenzen“ eine der vielen Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Sportarten: Rollstuhlfechten ▸ Andrea Naumann und Jean-Marc Clement beim Rollstuhltanz, in dem die beiden zehnfache Deutsche Meister sind. Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Wheelchair-Skater David Lebuser gab einen Workshop für alle abenteuerlustigen Besucherinnen und Besucher. ▸ Der DGUV Vorstandvorsitzende Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting sprach beim Senats- empfang im Hamburger Rathaus. 4 DGUV Forum 6/2015
Aktuelles Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Die Zeltlandschaft auf dem Hamburger Rathausmarkt war gut besucht. Viel Spaß und Inklusion beim „Tag ohne Grenzen“ Energiegeladene Wettkämpfe, waghalsige Besuch ab. Er begrüßte die Läufer und de, was wir Skatedemonstrationen, anmutiger Roll- Läuferinnen der Inklusionsfackel und ver- gemeinsam stuhltanz, überraschende Mitmach-Erleb- sprach, die Barrierefreiheit in seiner Stadt erlebt haben.“, nisse – der „Tag ohne Grenzen“ präsentier- weiter voranzutreiben. Fest im Blick hat erklärte der DGUV-Vorstandsvorsitzende te sich bunt und vielfältig. Sportler und er dabei die Hamburger Bewerbung um Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting. Sportlerinnen mit und ohne Behinderung die Olympischen und Paralympischen „Der ‚Tag ohne Grenzen‘ ist Teil einer Ket- begeisterten am 5. und 6. Juni auf dem Spiele 2024. te von Aktivitäten, mit der wir Rehabili- Hamburger Rathausmarkt das Publikum. tation und Inklusion unterstützen. In die- Bei strahlendem Sonnenschein kamen an „Toll“, „überwältigend“- die Resonanz der ser Kette ist der ‚Tag ohne Grenzen‘ ein beiden Tagen viele Tausende Interessierte. Sportlerinnen und Sportler auf den „Tag besonders leuchtendes Stück“, sagte Dr. Die Besucherinnen und Besucher schauten ohne Grenzen“ spiegelte die gute Stim- Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer zu, kamen ins Gespräch mit den Aktiven mung auf dem Rathausmarkt. Auch die der Deutschen Gesetzlichen Unfallversi- und nutzten die Gelegenheit, sich selbst erste Bilanz der Veranstalter fiel positiv cherung (DGUV). Zusammen mit den Be- auszuprobieren. Inklusion braucht Begeg- aus: „Beim ‚Tag ohne Grenzen‘ ist es in rufsgenossenschaften, Unfallkassen und nung und dazu bot der „Tag ohne Grenzen“ hervorragender Weise gelungen, deutlich dem Klinikverbund der gesetzlichen Un- eine Vielzahl von Möglichkeiten. zu machen, dass Sport Gemeinschaft für fall-versicherung (KUV) hat die DGUV den Menschen mit und ohne Behinderung „Tag ohne Grenzen“ initiiert. Organisiert Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf schafft. Viele sind heute neugierig gewor- wurde er vom Deutschen Rollstuhl-Sport- Scholz stattete der Veranstaltung einen den durch das, was hier alles gezeigt wur- verband. Foto: MSSP – michael schwartz sportphoto Paralympics-Sieger Heinrich Popow durfte natürlich nicht fehlen. DGUV Forum 6/2015 5
Aktuelles Fusion: BG Kliniken gründen Holding Nach vier Jahren intensiver Planung hat mehr als 12.500 Mitarbeitern, jährlich per, Geschäftsführer der neuen Dachge- die komplexeste Krankenhausfusion über 550.000 Patienten und einem Jah- sellschaft. „Mit der gestrigen Entschei- Deutschlands einen Meilenstein erreicht: resumsatz von rund 1,21 Milliarden Euro dung unserer Träger steht nun in der 13 bislang rechtlich unabhängige Klini- wird über eine im deutschen Gesund- zweiten Jahreshälfte ein Fusionsprozess ken, darunter die neun größten Unfall- heitswesen einzigartige strategische Aus- vor seiner Vollendung, den viele nicht für krankenhäuser der Bundesrepublik, richtung verfügen: Die enge Verzahnung möglich gehalten hätten und der in dieser haben am 11. Juni 2015 ihre zukünftige von Akutversorgung und Rehabilitation Dimension einmalig ist.“ Die Kernkompe- Dachgesellschaft gegründet. Mit der in sämtlichen Behandlungsphasen. tenz des neuen Konzerns liegt vor allem einstimmigen Entscheidung durch die in chirurgischen Fachbereichen wie der Verantwortungsträger soll damit bis 2016 „Die BG-Kliniken begleiten ihre Patienten Therapie von schwersten Hand-, Brand- eines der größten Gesundheitsunterneh- mit allen geeigneten Mitteln und über die und Rückenmarksverletzungen, der Ver- men im Bundesgebiet entstehen. Entlassung hinaus zurück in den Lebens- sorgung von Schädel-Hirn- und Mehrfach- alltag. Das unterscheidet uns von jeder Verletzungen sowie der Behandlung von Der neue Klinikkonzern mit insgesamt anderen Klinikgruppe“, so Reinhard Nie- Berufskrankheiten. Nach Arbeitsunfällen mit Blutkontakt: Analysebogen ausfüllen Wer bei einem Unfall mit Fremdblut in in Berührung kommen: durch Stich-, Instrument, Schutzausrüstung, Ursache Kontakt kommt, kann sich schwerwiegen- Schnitt- oder Kratzverletzungen der Haut und Umgang mit der Verletzung. Sie kön- de Infektionen zuziehen. Die Berufsgenos- (NSV) oder wenn Fremdblut ins Auge, auf nen die Daten ausdrucken und archivie- senschaft für Gesundheitsdienst und Schleimhäute oder in offene Wunden ge- ren. Entsprechend angepasst lässt sich Wohlfahrtspflege (BGW) bittet deshalb Be- langt. Selbst beim Einsatz sogenannter si- der ausgefüllte Fragebogen zusätzlich im schäftigte im Gesundheitsdienst und in cherer Instrumente bleibt immer ein Rest- Betrieb für die interne Dokumentation Kosmetikstudios, jegliche Arbeitsunfälle risiko, sich zu verletzen. von Stich- und Schnittverletzungen nach mit Blutkontakt in einem Online-Analyse- der TRBA 250 nutzen. Die BGW wiederum bogen zu erfassen. Sie benötigt die anony- Die BGW untersucht deshalb in einem verwendet die anonymen, digital übermit- men Daten für die Ursachenforschung und Forschungsprojekt die Umstände entspre- telten Daten für ihre Forschungsarbeit. Präventionsarbeit. Für die verletzte Person chender Arbeitsunfälle, um die Präventi- und den Betrieb lässt sich der ausgefüllte Fragebogen zur Dokumentation nutzen. onsmöglichkeiten weiter zu verbessern. In ihrem Online-Analysebogen zum Thema ! Zu finden ist der Bogen unter: Viele Beschäftigte im Gesundheitsdienst können Betroffene ihren eigenen Vorfall www.bgw-online.de/goto/ und in Kosmetikstudios können bei ihrer anonym beschreiben: Tätigkeit und Ar- blutkontakt Arbeit mit infektiösen Körperflüssigkeiten beitsdauer vor der Verletzung, genutztes Zahl des Monats: 30 Millionen Zwei Jahre nach dem Fabrikeinsturz in Berufsgenossenschaften und Unfallkassen Bangladesch hat der Entschädigungsfonds begrüßten den Beschluss der G7, einen Visi- für die Opfer von Rana Plaza die erforder- on Zero Fund aufzubauen. „Auf dem Welt- lichen 30 Millionen US-Dollar (rund 27 kongress für Sicherheit und Gesundheit bei Millionen Euro) erreicht. Die fehlenden 2,5 der Arbeit im vergangenen Jahr haben wir Millionen US-Dollar wurden durch eine an- zusammen mit der Internationalen Arbeits- onyme Einzahlung in den letzten Tagen organisation und der Internationalen Verei- des G7-Gipfels bereitgestellt, berichtete die nigung für Soziale Sicherheit die Vision ei- Bundesregierung am Rande des Gipfeltref- ner Welt ohne tödliche Arbeitsunfälle vor- fens. Während des Gipfeltreffens haben die gestellt“, sagt Dr. Joachim Breuer, Hauptge- Regierungschefs der G7-Staaten auch be- schäftsführer der Deutschen Gesetzlichen schlossen, einen Fonds für mehr Sicherheit Unfallversicherung (DGUV). „Es freut uns und Gesundheitsschutz bei der Arbeit welt- sehr, dass diese Vision Zero nun zu konkre- weit zu schaffen. Der Vision Zero Fund soll ten politischen Maßnahmen führt.“ An der dazu beitragen, Arbeitsbedingungen welt- Entwicklung des Vision Zero Fund habe sich weit zu verbessern und Menschen gegen die gesetzliche Unfallversicherung mit kon- Arbeitsunfälle abzusichern. kreten Vorschlägen und Ideen beteiligt. 6 DGUV Forum 6/2015
EU-Kommission sucht Wege zur Stärkung der EU-Sozialpolitik Wie jedes Jahr wird die EU-Kommissi- die gesetzliche Unfall- on auch in diesem Herbst ihr Arbeits- versicherung wachsam programm für das kommende Jahr sein. Während im Be- vorlegen. Darin verständigen sich die reich des Arbeitsschut- Kommissare auf konkrete Maßnahm- zes europäische Vor- en, mit denen sie die vorrangigen poli- schriften harmonisiert tischen Ziele auf europäischer Ebene sind und diese Harmo- verwirk-lichen möchten. Die amtieren- nisierung auf Mindest- de Kommissarin für Beschäftigung und standards basiert, kann Soziales, Marianne Thyssen, hat schon im Bereich der sozialen jetzt ihre Prioritäten deutlich gemacht. Sicherheit jeder Mit- So sollen unter anderem die Sozial- gliedstaat selbst darü- schutzsysteme der Mitgliedstaaten ber entscheiden, wie auch in der Zukunft tragfähig bleiben er sein System der sozi- Foto: Europäische Kommission und sich im Sinne einer „nach oben ge- alen Sicherung ausge- richteten Konvergenz“ weiterentwi- staltet. Bei der Einfüh- ckeln. Ein Schlüssel könnte nach Auf- rung von Mindeststand- fassung von Thyssen das Aufstel len ards könnte dieser Ge- von Mindeststandards durch die staltungsspielraum in EU-Kommission sein, die in einer Art Frage stehen. Darüber „benchmark“ ausgedrückt werden hinaus sollte es weiter- könnten. Diese könnten dann die hin den Mitgliedstaat- Marianne Thyssen, EU-Kommissarin für Beschäftigung, Mindesthöhe von Arbeitslosenleist- en vorbehalten bleiben, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit ungen oder auch von Mindesteinkom- zu entscheiden, welche men festlegen. Sozialversicherungsleistungen zu wel- und welche Beiträge zu zahlen sind. chen Bedingungen gezahlt werden, Dieses Recht sollte auch in Zukunft un- In diesem Zusammenhang sollte auch wie diese Leistungen berechnet werden angetastet bleiben. Zwei Jahre Gespräche zu TTIP Die Verhandlungen über eine transat- Nachdem der Handelsausschuss des einem Kursschwenk haben sie jedoch lantische Handelspartnerschaft zwi- EU-Parlaments Forderungen zum Frei- deutlich gemacht, dass sie keinerlei schen der EU und den USA (TTIP) kön- handelspakt zwischen der EU und den private Schiedsgerichte akzeptieren nen im Juni bereits ein kleines Jubiläum USA formuliert hatte, schien zunächst werden. Es bleibt abzuwarten, welche feiern. Denn vor zwei Jahren wurden eine Entscheidung des Plenums in Entscheidung das Plenum des Europä- die Gespräche zu TTIP aufgenommen. Form einer Resolution wahrscheinlich ischen Parlaments trifft. Auch die ge- Die Europäische Kommission hat insbe- zu sein. Die Abstimmung wurde jedoch setzliche Unfallversicherung hat sich sondere in den vergangenen Monaten kurzfristig verschoben, da die Sozialde- positioniert und ihre Befürchtungen zu versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten, mokraten aus dem zuvor ausgehandel- Schiedsverfahren deutlich gemacht. um der Zivilgesellschaft „die Angst“ ten Kompromiss ausgestiegen sind. Demnach dürften unter anderem Vorga- und die „Befürchtungen“ vor TTIP zu Streitpunkt sind die Schiedsverfahren. ben zum Investitionsschutz nicht die nehmen. Bislang scheint ihr das jedoch Im Handelsausschuss konnten sie sich Freiheit einschränken, neue Regelungen nicht gelungen zu sein, denn die Debat- noch mit der Einführung eines „refor- zu Sicherheit und Gesundheit bei der te wird keinesfalls ruhiger. mierten Konzepts“ anfreunden, nach Arbeit zu treffen.
Interview mit Dr. Walter Eichendorf Die Vision Zero ist national und international angekommen Über die Vision Zero als weltweite Strategie zur Vermeidung tödlicher und schwerer Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten wurde im DGUV Forum schon häufiger berichtet. Dr. Walter Eichendorf, stv. Hauptge- schäftsführer der DGUV, spricht im Interview über die weltweite Adaption und aktuelle Entwicklungen der Strategie. Herr Dr. Eichendorf, warum brauchen le und Maßnahmen zur Umsetzung fest- wir eine Vision Zero? Warum machen gelegt. Beide haben die Messlatte noch wir nicht weiter wie bisher? Wir sind höher gelegt und nutzen den Claim „Null doch erfolgreich! Unfälle und gesund arbeiten“. Die Strategie der Vision Zero startet mit einem fundamentalen Statement: Wir ak- Sehr hilfreich dafür ist die Schaffung ei- zeptieren keine schweren oder gar tödli- ner Kultur der Prävention. Wenn Präven- chen Arbeitsunfälle und Berufskrankhei- tion ein wichtiger Bestandteil unserer ten. Arbeitsplätze und Straßen müssen Kultur, unseres Alltagshandelns wird, so weiterentwickelt werden, dass sie Le- kommen wir dem Ziel der Vision Zero nä- ben und Gesundheit schützen und nicht her. Das ist nur gemeinsam mit allen Be- gefährden. teiligten und Betroffenen zu erreichen. Bei der Arbeit und im Straßenverkehr Das klingt ambitioniert. werden Menschen unvermeidlich immer Ist die Vision Zero nur etwas für mal wieder Fehler machen – aber die dür- hochentwickelte Länder? fen nicht mit dem Tod oder schweren Ver- Die Vision Zero beschreibt ein Menschen- letzungen bestraft werden. Wir reden mit- recht und gilt für alle Menschen auf der hin nicht darüber, wie wir in zehn Jahren Welt. Gleichwohl ist der Standard von Si- die Zahlen der Todesfälle um zwanzig cherheit und Gesundheit bei der Arbeit Prozent senken können, sondern wir ori- ebenso wie im Straßenverkehr unter- entieren unsere Präventionsstrategien schiedlich. Während wir uns in hochent- klar an der Vision Zero. Viele Unterneh- wickelten Ländern oft stärker um unsere men haben das erfolgreich umgesetzt und psychische Gesundheit sorgen, geht es in viele weitere werden folgen. Gute Vorbil- manchen Ländern um die nackte Exis- der erzeugen Nachfolger. tenz. Denken Sie an den Einsturz des Ra- na Plaza-Gebäudekomplexes in Bangla- Was tut die DGUV, um diesem Ziel desch, ein mit Textilfabriken überfülltes näher zu kommen? Gebäude, in dem im April 2013 1.138 Men- Ein entscheidender Schritt war die ein- schen in den Trümmern umkamen und DGUV/Frank Homann stimmige Verabschiedung des Positions- 2.400 Menschen mit teilweise schweren papiers „Prävention lohnt sich“ mit der Verletzungen die Tragödie knapp über- Integration der Vision Zero als Paradig- lebten. menwechsel in der Prävention durch die Mitgliederversammlung der DGUV. Und Wer möchte den Überlebenden sagen, Dr. Walter Eichendorf, stellvertretender die Fortentwicklung der Strategie läuft. So dass die Vision Zero auch zukünftig für Hauptgeschäftsführer der DGUV und haben beispielsweise die BG RCI und die sie keine Gültigkeit hat? Nein, wir enga- Präsident des Deutschen Verkehrssicher- BGHW die Vision Zero als Präventions- gieren uns für die weltweite Etablierung heitsrats e. V. (DVR) strategie verabschiedet und messbare Zie- der Vision Zero. Und gerade auch in Asien 8 DGUV Forum 6/2015
Interview gibt es jetzt erste Länder wie Singapur, heit in Betrieben und Bildungseinrich- wenn wir uns global stärker vernetzen, die offiziell die Vision Zero zur Leitschnur tungen zu besseren Betriebsabläufen, werden wir unserem Ziel der Vision Zero ihres Handelns gemacht haben. verbesserten Arbeitsbedingungen und weltweit näher kommen. Das von der größerer Motivation führt. Wir stehen am Internationalen Vereinigung für Soziale Was haben die Menschen in Anfang eines langen Weges, in dem Un- Sicherheit (IVSS) am 3. Juni 2015 in Seoul Bangladesch davon? ternehmen, Unfallversicherungsträger, beschlossene Flaggschiffprogramm zur Die Tragödie von Bangladesch hat die Sozialpartner und alle Beteiligten zusam- Vision Zero ist ein wichtiger Schritt in Verantwortung für die Arbeitsbedingung- menarbeiten müssen. diese Richtung. • en von Menschen in globalen Lieferket- ten schmerzhaft ins Bewusstsein ge- Doch nicht nur auf nationaler Ebene ist Das Interview führte Sabine Herbst, Stabs- bracht. Zum ersten Mal war der Arbeits- die Zusammenarbeit erforderlich. Nur bereich Prävention der DGUV. schutz Gegenstand des Treffens der G7-Staaten im Juni 2015 auf Schloss El- mau. Als konkretes Ziel wurde die Ein- richtung eines „Vision-Zero-Fonds“ in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) beschlossen. Er soll dazu beizutragen, Todesfälle und schwere Arbeitsunfälle zu vermeiden und die dafür erforderlichen Arbeits- schutzstrukturen zu schaffen. Das ist wirklich ein großer Schritt vor- wärts. Wie sieht es denn darüber hin- aus mit der Verbreitung der Vision Zero weltweit aus? Wer den Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014 in Frank- furt besuchte, erlebte wie stark die Stra- tegie der Vision Zero die aktuelle Diskus- sion weltweit bestimmt. Nicht nur wid- mete sich eines der Hauptthemen der Strategie der Vision Zero, es gab kaum ei- ne Rednerin oder einen Redner, der sich nicht darauf bezog. Allen voran Bundesarbeitsministerin An- drea Nahles, die die Vision Zero als Stra- tegie für eine Welt ohne schwere oder gar tödliche Arbeitsunfälle und Berufskrank- heiten ausdrücklich begrüßte. Sie wies nachdrücklich auf die notwendige Ko- operation von Wissenschaft, Politik, So- zialpartnern und Unternehmen hin, um dieses Ziel zu erreichen. Die Schaffung einer Präventionskultur, in der Sicher- heits- und Gesundheitsaspekte mitge- dacht werden, sah sie als notwendigen Bestandteil. ILO Generaldirektor Guy Ry- der argumentierte fast wortgleich, eben- so der Präsident der IVSS. DGUV/Frank Homann Hier sind wir mit dem einstimmigen Be- schluss des DGUV-Vorstandes von An- fang Juni 2015 zur Durchführung einer zehnjährigen Präventionskampagne zur „Kultur der Prävention“ ab 2017 weiter gekommen. Wir wollen zeigen, dass die „Die Tragödie von Bangladesch hat die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen Etablierung von Sicherheit und Gesund- in globalen Lieferketten schmerzhaft ins Bewusstsein gebracht.“ DGUV Forum 6/2015 9
Titelthema Null Unfälle – gesund arbeiten! Vision Zero als Strategie der Prävention Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) hat die Vision Zero zur Grundlage ihrer Präventionsarbeit erklärt und sieben ambitionierte Ziele und zehn Maßnahmenpakete definiert, um ihre neue Präventionsstrategie umzusetzen. Die neue Strategie, die mittelfristig über ist davon überzeugt, dass durch geeignete Verantwortung und senden die zentrale einen Zeitraum von zehn Jahren verfolgt präventive Maßnahmen alle Unfälle und Botschaft, dass wir uns nicht mit einem werden soll, startet zeitgleich mit einer arbeitsbedingten Erkrankungen verhin- scheinbar niedrigen Unfallstand zufrie- Restrukturierung der organisatorischen dert werden können. dengeben wollen. Wir sind davon über- Aufstellung der gesamten BG RCI, die ih- zeugt, dass sich im Ergebnis jeder Unfall ren Ursprung in der Fusion von ursprüng- Die BG RCI kann in ihren Mitgliedsbetrie- verhindern lässt, und das sagen wir jetzt lich sechs eigenständigen Berufsge- ben auf rückläufige Unfallquoten blicken auch laut. Dabei werden wir die Präventi- nossenschaften zur BG RCI hat und als und belegt unter den Berufsgenossen- on nicht komplett neu erfinden, aber al- Zielmodell bezeichnet wird. In diesem schaften den dritten Rang – obgleich bei les, was wir traditionell tun, auf den Prüf- Zusammenhang stand auch auf der Agen- ihr einige Branchen mit hohem Gefähr- stand stellen. Bewährtes werden wir bei- da, das Organisationsmodell der Präven- dungspotenzial versichert sind. Aber kann behalten, aber sicher auch einiges über tion anzupassen. Die beiden Hauptsäulen man sich damit zufriedengeben? Dagegen Bord werfen“, sagt er mit Verweis auf den zur Erbringung der Präventionsdienst- steht das Credo der Prävention: Jeder Un- demografischen Wandel, die Informa- leistungen bei der BG RCI sind zum einen fall ist einer zu viel. Nachdem Erfolge im tions- und Arbeitsverdichtung sowie die die Betriebsbetreuung in jetzt drei Spar- Arbeitsschutz vor allem durch technische neuen Gefährdungen, die durch moderne ten statt bisher sechs Branchen, mit wel- und später durch organisatorische Maß- Technologien aufkommen. chen die unterschiedlichen fachlichen nahmen erzielt worden sind, steht jetzt der Schwerpunkte der Mitgliedsunternehm- Mensch im Fokus, wobei Verhaltensprä- Vision von null Unfällen bereits en berücksichtigt werden sollen, und vention für Führungskräfte und Beschäf- gelebte Realität zweitens die Fachexpertise, die in den tigte bereits seit Längerem der Hebel ist, Was Vision Zero so faszinierend macht, neu strukturierten Kompetenzzentren zu an dem die BG RCI strategisch ansetzt. sind die damit verbundenen Ambitionen. finden ist. Den Anspruch, dass in seinem Betrieb „Null Unfälle – gesund arbeiten!“: niemand zu Tode kommen oder so schwer Die BG RCI hat diese organisatorische die neue Präventionsstrategie verletzt werden solle, dass er sein Leben Neuaufstellung genutzt, um auch inhalt- Auf die Frage, wie vor diesem Hintergrund lang gehandicapt wäre, hatte sich schon lich mit den Selbstverwaltungsgremien die Präventionsarbeit der Zukunft ausse- Eleuthère Irénée DuPont auf die Fahnen und den hauptamtlichen Präventions- hen sollte, fand die BG RCI die passende fachleuten eine intensive Diskussion zu Antwort in einer neuen Präventionsstra- führen, wie die zukünftige Präventionsar- tegie, die auf der Vision Zero gründet. BG „Die sieben Erfolgsfaktoren sind beit ausgerichtet werden soll. Letztendlich RCI-Präventionsleiter Helmut Ehnes er- unabdingbar, um das Ziel Vision hat man sich jetzt durch Vorstandsbe- klärt, warum die Berufsgenossenschaft Zero im Betrieb zu erreichen.“ schluss dafür entschieden, die Vision Ze- das Ziel „Null Unfälle – gesund arbeiten!“ ro-Strategie als Grundlage für alle Maß- ins Visier genommen hat. „Erstmals be- nahmen für verbindlich zu erklären, und kennen wir uns zu unserem Anteil der geschrieben. Der Industrielle setzte nach einem großen Unfall in einer seiner Schwarzpulverfabriken 1818 einen über- Autorin aus konsequenten Arbeitsschutz durch. Das war die Geburtsstunde der Vision Miriam Becker Zero. Einer Vision, die seither vielfach zur Verlagsleiterin, Universum Verlag, Realität wurde. „Immer wieder gibt es Be- Wiesbaden triebe, die im Unternehmen oder in einzel- E-Mail: miriam.becker@universum.de nen Produktionseinheiten lange Zeit un- Foto: Universum Verlag fallfrei arbeiten“, macht Ehnes deutlich und verweist auf eine Vielzahl von solch erfolgreichen Mitgliedsbetrieben. „Überall dort, wo unfallfrei gearbeitet wird, kön- nen wir im Sinne der Vision Zero lernen.“ 10 6/2015
Vision Zero der BG RCI 1. Halbjahr 2013 Anfang 2015 Überlegungen mit Jahrestagung der Selbstverwaltung der Prävention 2014 Strategietagung der Prävention Abschließende Beratung und Beschluss- Oktober 2013 fassung der Februar 2015 Selbstverwaltung Gernsbacher protecT „Vision Zero“ Workshop der 700 Teilnehmende aus Präventions- Mitgliedsunternehmen ausschüsse 2024 5 201 Quelle: BG RCI Laufzeit 10 Jahre Abbildung 1: Bis zum Jahr 2024 will die BG RCI die Ziele ihrer Präventionsstrategie Vision Zero umsetzen. Ist die Vision Zero trotzdem zu abgeho- schieht unter anderem traditionell beim Unfälle – gesund arbeiten!“ überhaupt er- ben, um als Präventionsstrategie zu tau- Forum protecT, einer jährlichen Großver- reicht werden? Viele Praktikerinnen und gen? Die Frage lässt sich am besten mit anstaltung zu aktuellen Themen der Prä- Praktiker in den Betrieben beschäftigen einer Gegenfrage beantworten: Wie viele vention, die sich an Unternehmerinnen, diese Fragen, die im Fokus der beiden Tote und Verletzte sind denn tolerabel? Unternehmer, Führungskräfte, Expertin- protecT-Veranstaltungen zum Jahreswech- Wie öffentliche Reaktionen auf beispiels- nen und Experten richtet. Zur Einführung sel 2014/2015 standen. Insgesamt 700 weise unmenschliche Arbeitsbedingun- der Präventionsstrategie nutzte die BG Teilnehmende nutzten die Möglichkeit, gen beim Bau von Fußballstadien oder RCI die Veranstaltungsreihe, um über die ihre Fragen zu diskutieren und ihre per- folgenschwere Bergwerksunglücke der sönlichen Vorstellungen, Ideen und Er- jüngeren Vergangenheit zeigen, werden wartungen zur Umsetzung der Vision-Ze- bei Arbeitsunfällen Getötete zu oft noch „Eine starke Vision hat die Aufga- ro-Strategie in den Unternehmen bei den immer als unvermeidbar angesehen und be, das Recht aller auf Gesundheit Workshops einzubringen. in Kauf genommen. Eine klare Strategie zu thematisieren und mit kon- aber hat die Aufgabe, dem entgegenzu- kreten Beispielen zu verknüpfen.“ Einfache Empfehlungen und Hand- wirken, das Recht aller auf Gesundheit zu lungshilfen für Betriebe thematisieren und mit konkreten Beispie- Für eine strukturierte Diskussion hatten len zu verknüpfen. Denn eine Zukunft neue Strategie „Vision Zero. Null Unfälle Fachleute der BG RCI sieben Erfolgsfakto- ohne Arbeitsunfälle und Erkrankungen – gesund arbeiten!“ zu diskutieren. „Das ren vorgeschlagen, die unabdingbar sind, durch Arbeit ist Verpflichtung für alle Forum protecT dient schon immer dem um das Ziel Vision Zero im Betrieb zu er- Entscheidungsträger. Austausch mit den Mitgliedern“, erklärt reichen. Sie luden die Teilnehmenden des Ulrich Meesmann, Mitglied der BG RCI- Forums protecT ein, diese sieben Erfolgs- Im Dialog mit den Mitgliedern Geschäftsführung. Ist die neue Präventi- faktoren zu diskutieren und aus ihrem Regelmäßig sucht die BG RCI den Dialog onsstrategie Vision Zero zu abgehoben für Fundus mit eigenen Erfahrungen aus den mit ihren Mitgliedsbetrieben. Dies ge- die Betriebe? Und wie soll das Ziel „Null Betrieben zu ergänzen. Viele Mitglieder ▸ DGUV Forum 6/2015 11
Titelthema Ziele der „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeiten!“ in der Präventionsstrategie der BG RCI Mit der neuen Präventionsstrategie „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeiten!“ werden Ziele definiert, die bis zum Jahr 2024 erreicht werden sollen. Die Festlegung quantitativer Ziele ist ein geeignetes Instrument, um alle betrieblichen Akteurinnen und Akteure sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren von der Notwendigkeit weiterer Anstrengungen auf dem Gebiet der Prävention zu überzeugen und um weitere Erfolge zu erreichen. Auf dem Weg, die anspruchsvollen quantitativen und qualitativen Ziele zu erreichen, werden Meilensteine festgelegt. Mithilfe eines regelmäßigen Reportings wird über die aktuelle Entwicklung berichtet und das Erreichen der Meilensteine überprüft. Die Wirksamkeit aller Präventionsmaßnahmen, auch die Wahrnehmung und Akzeptanz durch die Kundinnen und Kunden, sollen regelmäßig und systematisch hinterfragt und evaluiert werden. 1 Senkung des Arbeitsunfallrisikos in Mitgliedsunternehmen der BG RCI Durch geeignete Präventionsmaßnahmen soll das Risiko, einen meldepflichtigen Arbeitsunfall zu erleiden (1.000 Vollarbeiter-Quote), bis 2024 um 30 Prozent gesenkt werden. 2 Halbierung der Anzahl der neuen Rentenfälle durch Arbeitsunfälle Durch geeignete Präventionsmaßnahmen soll insbesondere die Anzahl der schweren Arbeitsunfälle, die zeitweise oder auf Dauer zu Körperschäden führen (neue Arbeitsunfall-Rentenfälle), bis 2024 um 50 Prozent gesenkt werden. 3 Halbierung der Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle Durch geeignete Präventionsmaßnahmen soll insbesondere die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle bis 2024 um 50 Prozent gesenkt werden. Abbildung 2: Sieben Ziele der Präventionsstrategie der BG RCI würdigten den vielseitigen Austausch ‚Vision Zero-Leitfaden‘‚ damit ein gemein- erfolgreich eingeführt. Die internationale und die Möglichkeit, eigene Vorstellun- sames Produkt von 1.000 Autorinnen und Resonanz auf diese klare Strategie und gen einzubringen. „Das ist das Salz in der Autoren und eben nicht wie üblich von die einfachen Regeln, die ein Unterneh- Suppe“, betont Helmut Ehnes. „Über die- einem kleinen Kreis von Fachleuten. Das men beachten muss, um Erfolg zu haben, se Veranstaltungen fließt die Meinung gu- ist gelebte Vision Zero“, fasst Ehnes den ter Betriebe ein, denn deren Erfahrung ist Diskussionsprozess zusammen. dort versammelt.“ Demzufolge sollen die „Durch geeignete Präventions- Ergebnisse der beiden Veranstaltungen Vision Zero auch international maßnahmen soll das Risiko, einen jetzt mit denen aus der Jahrestagung der auf dem Vormarsch meldepflichtigen Arbeitsunfall zu Aufsichtspersonen und Präventionsfach- Auch im internationalen Umfeld wird seit erleiden, bis 2024 um 30 Prozent leuten der BG RCI zusammengeführt wer- Langem nach klaren einfachen Botschaf- gesenkt werden.“ den und die Basis für einen „Vision Zero- ten und einer einheitlichen Strategie Leitfaden“ für Betriebe bilden. „Mit 700 gesucht. Vor diesem Hintergrund hat die Unternehmerinnen, Unternehmern, Füh- Sektion Bergbau der Internationalen Ver- sind dabei auf überaus positive Resonanz rungskräften, betrieblichen Expertinnen einigung für Soziale Sicherheit mit Sitz in gestoßen. Erfreulich ist, dass jetzt alle 13 und Experten sowie 300 Präventionsfach- Genf die Vision Zero-Strategie für einen Sektionen der Internationalen Vereini- leuten aus unseren eigenen Reihen ist der sicheren weltweiten Bergbau inzwischen gung für Soziale Sicherheit (IVSS) für die 12 DGUV Forum 6/2015
Vision Zero der BG RCI 4 Verringerung der Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten Durch geeignete Präventionsmaßnahmen soll die Anzahl der anerkannten und erstmals entschädigten Berufs- krankheiten, die nicht aufgrund langer Latenzzeiten auf frühere Expositionen am Arbeitsplatz zurückzuführen sind, weiter gesenkt werden. 5 Steigerung der Anzahl unfallfreier Betriebe Die Anzahl der Betriebe, die über einen definierten Zeitraum keine meldepflichtigen Arbeitsunfälle aufweisen, soll gesteigert werden. 6 Bedarfsgerechte Präventionsangebote und Präventionsmaßnahmen Alle Präventionsangebote und -maßnahmen der BG RCI, wie die Beratung der Unternehmen, Aus- und Weiter- bildungsangebote, Präventionskampagnen, Veranstaltungen, Präventionsmedien, Angebote für besondere Zielgruppen, sind • kundenorientiert und richten sich am Bedarf der Unternehmen aus, • zeitgemäß und berücksichtigen aktuelle Entwicklungen, • auf Wirksamkeit geprüft und evaluiert, • klar strukturiert und praxisnah, • insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen umsetzbar. 7 Steigerung der Nutzung von Präventionsangeboten der BG RCI Die Anzahl der Mitgliedsunternehmen, die Präventionsangebote der BG RCI aktiv in Anspruch nehmen und für ihre betriebliche Präventionsarbeit nutzen, zum Beispiel Aus- und Weiterbildungsangebote, Demonstra- Quelle: BG RCI tions- und Praxismodelle oder Kampagnenmodule, soll erhöht werden. Außerdem soll die Anzahl der Betriebe mit Gütesiegel der BG RCI gesteigert werden. unterschiedlichsten Branchen festgestellt he Abbildung 2) fokussiert, die anhand haben, dass die Vision Zero-Strategie kei- von Kennzahlen überprüfbar sind. Mit be- nesfalls nur im Bergbau anwendbar, son- reits definierten Maßnahmen sollen tödli- dern übergreifend geeignet ist, um die che und schwere Unfälle sowie Berufs- Präventionsarbeit erfolgreich auszurich- krankheiten nach und nach weiter redu- ten. Folgerichtig wurde anlässlich der ziert werden. Ehnes verweist auf die Kräf- „Wir werden letzten Sitzung des Besonderen Aus- schusses für Prävention am 3. Juni 2015 in te, die eine Vision entfalten kann: „Im Ge- gensatz zu dem Begriff Arbeitsschutz hat bewährte Instrumente Seoul einstimmig der Beschluss gefasst, die Vorstellung von null Unfällen eine po- beibehalten, die Vision Zero-Strategie mit den sieben sitive Strahlkraft. Das kommt auch bei den Erfolgsfaktoren als gemeinsame Präven- Menschen in den Betrieben an. Und am aber sicher auch einiges tionsstrategie für Betriebe für verbindlich Horizont des Weges, den wir jetzt gemein- über Bord werfen.“ zu erklären. sam gehen, wollen wir mit unserer Vision Zero-Strategie dem großen Ziel einer Prä- Vision mit Strahlkraft ventionskultur, bei dem es normal wird, Wie geht es weiter? Die BG RCI hat ihre der Sicherheit immer Vorrang einzuräu- Präventionsstrategie auf sieben Ziele (sie- men, ein Stück näher kommen.“ • DGUV Forum 6/2015 13
Titelthema Kampagne in Saskatchewan „Mission: Zero“ – Aufruf zum Handeln Um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, wurde in der kanadischen Provinz Saskatchewan 2008 die „Mission: Zero“ ins Leben gerufen. Was hat die Kampagne mit einem markanten roten Knopf als Logo seitdem bewirkt? Hintergrund Ureinwohner Kanadas (First Nations) ein. Saskatchewan ist eine von zehn kanadi- Von 2007 bis 2013 hatte Saskatchewan schen Provinzen und befindet sich im nach der Provinz Alberta das zweithöchs- Zentrum von Kanada. Die Landfläche be- te Bevölkerungswachstum in Kanada. trägt 651.900 Quadratkilometer (mehr als eine Viertelmillion Quadratmeilen). Die Im letzten Jahrzehnt florierte die Wirtschaft Hälfte der Provinz ist von Wald bedeckt, und Saskatchewan feierte eine der höchs- Foto: iStock/CraigWWalker / Logo: WorkSafe Saskatchewan ein Drittel durch Ackerland und ein Ach- ten Beschäftigungsquoten in Kanada mit tel durch Süßwasser – die Provinz verfügt einer Arbeitslosenquote von 3,0 bis 5,0 Pro- über mehr als 100.000 Süßwasserseen. zent. Beim gegenwärtigen Beschäftigungs- wachstum ist Saskatchewan auf dem Weg, Saskatchewan hat eine auf Ressourcen ba- noch mehr als 60.000 Arbeitnehmerinnen sierte Wirtschaft. Etwa 95 Prozent aller in und Arbeitnehmern eine Erwerbsbeschäf- Saskatchewan produzierten Waren hängen tigung bis 2020 zu vermitteln. Die Geschichte der Verletzungen „Bis heute haben Führungskräf- Die traurige Realität aber ist: Obwohl die te von 382 Organisationen die Provinz Saskatchewan über eine blühen- Health and Safety Leadership de Wirtschaft verfügt, weist sie in Kanada Charter unterzeichnet.“ die zweithöchste Rate an Verletzungen am Arbeitsplatz auf. Diese zweifelhafte Ehre genießt Saskatchewan seit 2002, lange vor unmittelbar von den Grundressourcen ab: dem Beginn des Aufschwungs. Getreide, Vieh, Öl und Gas, Kali, Uran und Die WCB in Saskatchewan ist in den ihr Holz sowie deren Raffinerieerzeugnisse. 2002 betrug die Time Loss Injury Rate (An- unterstellten Wirtschaftszweigen durch zahl der Arbeitsunfälle mit Ausfalltagen) Gesetz bevollmächtigt, Entschädigungs- Die Provinz ist die Heimat von 1.132.640 in der Provinz 4,95 Prozent. Arbeitsunfäl- leistungen und Versicherungsschutz für Menschen (Stand: Januar 2015), von de- le belasteten deutlich die Beitragssätze Beschäftigte, Arbeitgeberinnen und Ar- nen etwa 570.000 die erwerbstätige Bevöl- der Worker’s Compensation Board (WCB) beitgeber anzubieten. Sie ist nicht für Ar- kerung darstellen. Die Bevölkerung von (Berufsgenossenschaft) und waren eine beitsschutz-, Inspektions- und Durchset- Saskatchewan schließt 70 Nationen der Belastung für die Wirtschaft der Provinz. zungsbestimmungen zuständig. Dies wird durch die Occupational Health and Safety Division (OHS) (Abteilung für Sicherheit Autor und Gesundheit am Arbeitsplatz) des Mi- nistry of Labour Relations and Workplace Peter Federko Safety (LRWS) (Ministerium für Arbeitsbe- CEO „Saskatchewan Workers“ Compensation Board, ziehungen und Sicherheit am Arbeits- Vorsitzender des Ausschusses für Disability Management platz) der Provinz geregelt. und Return to Work der International Association of Industrial Accident Boards and Commissions (IAIABC) Im Jahr 2002 entwickelten das LRWS und E-Mail: pfederko@wcbsask.com die WCB eine formelle Partnerschaft, ge- nannt WorkSafe Saskatchewan, um die Foto: Privat Zahl der Arbeitsunfälle in der Provinz möglichst sofort zu verringern. 14 DGUV Forum 6/2015
Mission Zero in Saskatchewan Saskatchewan (hier die Hauptstadt Regina) weist eine florierende Wirtschaft auf, aber auch eine sehr hohe Zahl an Arbeitsunfällen. Das Ziel der Zusammenarbeit war zudem, sichtigten Verletzungen im ganzen Land • verletzten sich 100 Personen einen Plan zu erstellen, wie die vorhande- aufwiesen. Unbeabsichtigte Verletzungen während der Arbeitszeit, nen Ressourcen besser genutzt werden sind alle Verletzungen – egal ob sie bei der • mussten 26 Personen ins können. Die Partner entwickelten Kampa- Arbeit, zu Hause oder beim Spielen gesche- Krankenhaus, gnen, stellten mehr Ressourcen zur Verfü- hen –, bei denen nicht beabsichtigt war, • erlitten 10 Personen eine bleibende gung und stockten ihre Unterstützung für einen Schaden zu verursachen. Behinderung, die OHS und die Sicherheitsverbände auf. • starb eine Person. Wer in Saskatchewan wohnte und arbei- tete, hatte Saskatchewan hatte nicht nur ein Prob- „An einem durchschnittlichen • ein doppelt so hohes Risiko, lem mit der Sicherheit am Arbeitsplatz, Tag in Saskatchewan verletzten verletzt zu werden, sondern auch ein gesellschaftliches und sich 435 Personen außerhalb • ein viermal höheres Risiko, kulturelles. Risikobereitschaft gehörte und 100 Personen während der eine Behinderung infolge einer zum Leben. Die Bürgerinnen und Bürger Verletzung zu erleiden, von Saskatchewan schienen es im Durch- Arbeitszeit.“ • ein fünfmal höheres Risiko, schnitt hinzunehmen, verletzt zu werden. an einer Verletzung zu sterben. Ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlichte Saskatchewan hatte (und hat immer noch) eine nationale Organisation namens An einem durchschnittlichen Tag in Sas- • die höchste Anzahl an Todesopfern bei SMARTRISK einen Forschungsbericht, aus katchewan Autounfällen im ganzen Land dem hervorging, dass die Menschen in Sas- • verletzten sich 435 Personen (bezogen auf Autofahrerinnen und katchewan die größte Anzahl von unbeab- außerhalb der Arbeitszeit, Autofahrer mit Führerschein), ▸ DGUV Forum 6/2015 15
Titelthema • die höchste Anzahl an neuen der null Unfälle für die Saskatchewan branchen oder demografische Gruppen HIV-Infektionen, WCB, dass die Öffentlichkeit und die Me- wie junge und erfahrene Führungskräfte • die höchste Anzahl an rauchenden dien mehr wissen wollten. Ein Interviewer zu erreichen. Teenagern. fragte: „Was ist, wenn etwas vom Himmel fällt und mich am Kopf trifft? Wie ist das Die WCB hat auch Beziehungen zwischen Obwohl die Landschaft in Saskatchewan vermeidbar?“ Der aufgeweckte WCB-Inter- Führungskräften in der Wirtschaft und in überwiegend flach ist, ist der Weg der Prä- viewte antwortete: „Wenn etwas vom Him- der Provinz gefördert, die zu Hunderten vention von Verletzungen lang und holp- mel fällt und Sie am Kopf trifft, kommt es die „Mission: Zero“ übernommen, unter- rig, mit vielen Wendungen. von einem Flugzeug. Das bedeutet, dass stützt und gefördert haben. jemand die Vorflugkontrolle nicht korrekt Vorhersehbar – daher vermeidbar durchgeführt hat. Sie haben eine Schrau- Im Jahr 2010 organisierten WorkSafe Sas- Die WorkSafe Strategie zur Prävention von be nicht angezogen oder ein Werkzeug auf katchewan und Safe Saskatchewan eine Verletzungen beruht auf der Philosophie, einem Flügel liegengelassen. Sie hätten Veranstaltung, die zu einem Wendepunkt dass alle Arbeitsunfälle vorhersehbar und das nicht vermeiden können, aber jemand in der Provinz führte. In Anerkennung daher vermeidbar sind und dass die ein- anders schon.“ der Tatsache, dass die Sicherheitskultur zig richtige anzustrebende Zahl im Be- mit der Menschenführung anfängt, rich- reich der Unfallprävention die Null ist. Heutzutage befürworten die Medien „Mis- teten die beiden Organisationen zusam- sion: Zero“, indem sie selten das Wort men eine Veranstaltung aus, bei der erst- Das Hindernis war, dass die meisten Be- „Unfall“ in Berichten verwenden, Kultur mals die Saskatchewan Health and Safety schäftigten im Jahr 2002 nicht glaubten, beeinflussen, Sicherheitsberichte verfol- Leadership Charter (Führungscharta für dass Verletzungen vorhersehbar und ver- gen und an den „Mission: Zero“-Aufruf Gesundheit und Sicherheit) von Füh- meidbar wären. Die notwendige Kultur- zum Handeln glauben. rungskräften aus Wirtschaft und Gemein- veränderung verlangte die Entwicklung de unterschrieben wurde. Zugleich ver- eines Bewusstseins, dass Verletzungen Im Juni 2007 gaben 57 Prozent der Öffent- pflichteten sie sich zur Einhaltung von vermieden werden könnten. Es war also lichkeit an, sich zu erinnern, dass sie Wer- sieben Gesundheits- und Sicherheits- erforderlich, dass Arbeitgeberinnen, Ar- bung zum Thema Sicherheit gesehen hat- grundsätzen und dazu, Botschafter für beitgeber und Beschäftigte ihre Überzeu- ten. Als man im Dezember 2014 2.008 Sicherheit in ihren Unternehmen und in gungen und Handlungen sowie ihr Ver- Personen fragte: „Haben Sie Werbung der Gesellschaft zu werden. halten änderten. über Sicherheit am Arbeitsplatz gese- hen?“ bejahten 80 Prozent, und 36 Pro- Zweihundert Führungskräfte als Vertrete- Von 2002 bis 2008 fiel die Time Loss Inju- zent davon nannten WorkSafe Saskatche- rinnen und Vertreter von 127 Unterneh- ry Rate in Saskatchewan von 4,95 Prozent wan oder eine seiner Botschaften als men nahmen an der ersten jährlichen auf 3,70 Prozent. Dies war eine positive diejenige, an die sie sich direkt erinner- Veranstaltung teil. Bis heute haben Füh- Entwicklung, aber 2008 wurden der WCB ten. Die Sicherheitskultur wächst. rungskräfte von 382 Organisationen die immer noch 43.303 Versicherungsfälle ge- Charta unterzeichnet. Diese Führungs- meldet. Mehr Menschen, als die dritt- Partner bei der Prävention kräfte sprechen sich für die Sicherheit in größte Stadt der Provinz Einwohnerinnen Die WCB existiert gemäß den Gesetzen der der Provinz aus. und Einwohner hat, erlitten Verletzungen Provinz. Sie wird vollständig von den Ar- am Arbeitsplatz. In einer Provinz mit ei- beitgeberinnen und Arbeitgebern finan- „Mission: Zero“ wurde in der Provinz von ner Million Menschen war dies nicht hin- ziert, von denen über 90 Prozent die In- vielen der über 380 Charta-Unterzeich- nehmbar. vestitionen der WCB in Maßnahmen zur nenden aufgenommen. Viele haben ihre Prävention von Verletzungen unterstüt- Geräte und Fahrzeuge mit dem roten Bei der Jahreshauptversammlung im Mai zen. Jedoch konnte die WCB allein die Pro- Knopf von „Mission: Zero“ versehen, ein- 2008 verkündete die WCB ein neues Ziel: vinz nicht verändern. schließlich die Regierung von Saskatche- null Verletzungen, null Todesfälle, null wan, bundesstaatliche Gesellschaften, die Leiden. Die neue Mission würde null sein. Seit der Gründung von WorkSafe Saskat- Hauptstadt Regina sowie viele andere Or- Die WCB kündigte eine Kampagne na- chewan im Jahr 2002 begann die WCB, ganisationen des privaten Sektors. mens „Mission: Zero“ (Mission: Null) an Partnerschaften strategisch zu entwickeln mit einem markanten roten Knopf als Lo- und darin zu investieren. 2005 war sie ei- Auch die Profifußballmannschaft der Pro- go. Dieser Knopf würde bald für Arbeitge- ne Gründungspartnerin von Safe Saskat- vinz, die Saskatchewan Roughriders, un- berinnen, Arbeitgeber und Beschäftigte in chewan, einer Non-Profit-Organisation, terstützt „Mission: Zero“. Die Mannschaft, der ganzen Provinz ein Aufruf zum Han- die sich die Prävention aller Verletzungen die Spieler und der Geschäftsführer fun- deln werden. zum Ziel gesetzt hatte. gieren in der Gesellschaft als Fürsprecher für Sicherheit. Ähnlich wie die Erfahrung von Eleuthère Heute hat WorkSafe Saskatchewan 37 for- Irénée du Pont in den 1800ern und die Er- melle Partnerschaften mit Organisatio- Das größte Privatunternehmen der Pro- fahrung in Deutschland mit der Einfüh- nen, deren Ziel die Prävention von Verlet- vinz, Brandt Industries, schreibt der WCB rung von Vision Zero (Vision Null) bedeu- zungen ist, oder mit solchen, die die und dem Charta-Programm die Verringe- tete der Vorschlag des ehrgeizigen Ziels einzigartige Fähigkeit haben, die Ziel- rung der verlorenen Zeit durch Ausfallta- 16 DGUV Forum 6/2015
Mission Zero in Saskatchewan Jedes Unternehmen ge von 2,10 im Jahr 2010 auf 0,31 (ab Au- ist einzigartig. gust 2014) zu. Jeden Tag setzt sich das Unternehmen null als Ziel und stellt Schil- der von „Mission: Zero“ in den Hallen sei- Genauso wie sein Schutz! ner vier Fabriken auf, wo landwirtschaft- liche Geräte produziert werden. Anhand der WCB-Statistiken über Gehalts- Wie können Sie Ihre Belegschaft und Unternehmens- abrechnungen und der durchschnittlichen werte umfassend vor betrieblichen Sicherheitsrisiken Größe einer Familie in Saskatchewan kann schützen? Auf der Weltleitmesse in Düsseldorf man davon ausgehen, dass die Charta und die damit verbundenen „Mission: Zero“- finden Sie Konzepte, die individuell auf Ihr Botschaften 350.000 der über eine Million Unternehmen zugeschnitten werden können: Einwohnerinnen und Einwohner von Sas- von Brand- bis Schallschutz, von Elektro- katchewan jeden Tag erreichen. bis Transportsicherheit und von Maschinen- bis Objektschutz. Erfahren „Mission: Zero“ bewirkt etwas am Arbeits- platz und in der Gesellschaft. Die Time Sie mehr auf der A+A 2015! Loss und Total Injury Rates (Zeitverlust- und die gesamten Verletzungsraten) in den Charta-Unternehmen verringern sich schneller als der Provinzdurchschnitt. Sicherheit erleben: Von 2013 bis 2014 fiel die Time Loss Injury www.aplusa.de/erleben Rate um 5,12 Prozent. Bei den Charta-Un- ternehmen, die zwischen 2010 und 2013 unterzeichnet hatten, sank diese Time Loss Injury Rate um 14,78 Prozent. Von 2013 bis 2014 fiel die Total Injury Rate der Provinz um 10,38 Prozent. Die Total Injury Rate der Charta-Unternehmen ging um 11,18 Prozent zurück. Die Zukunft 27. – 30. Oktober 2015 Saskatchewan wird sicherer – heute und Düsseldorf, Germany auch für die Beschäftigten von morgen. In 2014 lag die Time Loss Injury Rate bei 2,41 Prozent, weit entfernt von den 4,95 Pro- zent im Jahr 2002. Die Total Injury Rate von Saskatchewan betrug 6,99 Prozent. Am 11. Juni 2015 fand die 6. jährliche Un- terzeichnung der Health and Safety Lea- Persönlicher Schutz, betriebliche Sicherheit dership Charter statt. Mehr als hundert und Gesundheit bei der Arbeit weitere Führungskräfte haben um Einla- dungen gebeten, daran teilzunehmen und Internationale Fachmesse mit Kongress die Charta zu unterzeichnen. „Mission: Zero“ ist nicht unmöglich. Im Jahr 2014 ereigneten sich in 87 Prozent der www.AplusA.de Unternehmen, in denen die WCB Versiche- rungsschutz gewährt, keine Arbeitsunfälle. Für die WorkSafe-Partner, die Führungs- kräfte, die die Charta unterzeichnet ha- ben, und für andere aus aller Welt, die je- den Tag null Verletzungen anstreben, geht es um eine kontinuierliche Verbesserung. Spitzenleistungen erreicht man nur, wenn man nach Perfektion strebt. • DGUV Forum 6/2015 17
Titelthema Vision Zero in New York „Die sicherste Großstadt der Welt“ Die Vision Zero-Strategie ist in den Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Vormarsch. Eine Reihe von Städten, unter anderem Boston, Chicago und Seattle, hat bereits eigene Vision Zero-Pläne verabschie- det. Auch New York besitzt seit Anfang 2014 einen solchen und will „die sicherste Großstadt der Welt“ werden. Kürzlich wurde das erste Jahr der Umsetzung evaluiert. Bis einschließlich 2013 verletzten sich je- New Yorker Bürgermeisterwahlen im No- des Jahr durchschnittlich rund 4.000 vember 2013 trat der Demokrat Bill de Bla- Menschen in New York schwer und 250 sio an, der im Wahlkampf forderte, dass starben bei Verkehrsunfällen. Für die un- die Stadt entschieden und nachhaltig ter 14-Jährigen sind Verkehrsunfälle die handeln müsse, um die Zahl der Verkehrs- häufigste verletzungsbedingte Todesursa- toten immer weiter zu senken, bis die Vi- che, bei den Älteren immerhin noch die sion Zero erreicht sei: eine Stadt ohne To- zweithäufigste. Im Durchschnitt wurde in te und Schwerverletzte als Folge von New York alle zwei Stunden ein Mensch Verkehrsunfällen.1 durch Verkehrsunfälle schwer verletzt oder getötet. „Im Durchschnitt wird in New York Dabei hatte sich die Situation in den ver- alle zwei Stunden ein Mensch gangenen 20 Jahren schon deutlich ver- durch Verkehrsunfälle schwer bessert. Noch 1990 verloren auf den Stra- verletzt oder getötet.“ ßen der Stadt 701 Menschen ihr Leben, im Jahr 2000 waren es 381. Der Rückgang be- ruhte nicht zuletzt auf Verbesserungen Keine drei Monate nach seinem Sieg wur- des Straßendesigns an neuralgischen de im Januar 2014 der „Vision Zero Action Punkten, die vom New York City Depart- Plan“ beschlossen, der 63 einzelne Punk- ment of Transportation vorgenommen te umfasst.2 Bereits die einleitenden Sätze worden waren. Dieser Erfolg reichte den des Planes sollen die Entschlossenheit Verantwortlichen nicht, die Zeit für die Vi- vermitteln: „Die grundlegende Botschaft sion Zero war reif. der Vision Zero ist, dass Tod und Verlet- zungen auf den Straßen unserer Stadt in- Der Weg zur Vision Zero akzeptabel sind, und dass wir schwere Die Vision Zero nahm, aus Schweden Unfälle nicht mehr länger als unvermeid- kommend, in den Jahren nach 2000 in bar betrachten. Wir werden solche Unfäl- den USA Fahrt auf. Vorreiter waren die le nicht mehr länger akzeptieren, das ver- malajscy/Fotolia Bundesstaaten Minnesota und Washing- spreche ich Ihnen. Wir werden Leben ton State. Als erste Großstadt verabschie- retten. Und die Arbeit beginnt heute.“ dete Chicago im Mai 2012 einen entspre- Auffällig ist die Wortwahl. Es geht nicht da- chenden Plan. Weitere folgten. Zu den rum, dass man die Ziele erreichen „wolle“, sondern man „wird“ die Ziele erreichen. Man versucht nicht, Unfälle zu vermeiden, Autor sondern man „wird“ sie vermeiden. Man „will“ nicht Leben retten, sondern man Franz Roiderer „wird“ sie retten. Im April 2015 wurde der Universum Verlag, Wiesbaden erste Evaluationsbericht „Vision Zero – One E-Mail: franz.roiderer@universum.de Year Report“ veröffentlicht. 18 DGUV Forum 6/2015
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