Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk

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Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
Herausgegeben vom Steirischen Volksliedwerk Š
                                                                      Sporgasse 23/ III, 8010 Graz, Austria Š
                                                                                                             www.steirisches-volksliedwerk.at Š
                                                                                                                                               EUR 4,00

           1 / 2019
39. JAHRGANG

                                           Zeitschrift für Musik, Kultur & Volksleben

                    So groß åls wia a Zechnnågl,
               wånnst einischnaufst, pfeift's wiar a Vogl.
                 Man mecht går sågn: „Sakarament –
                   so kloan, und scho a Instrument!“

                                                                                                Kleine
                                                                                             Instrumente
                                                                                               ganz groß
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
INHALT                                                                                  TIPP

         Der Vierzeiler – Heft 1 / 2019                                                                                    CD Edler-Trio
                                                                                                                   Das Edler-Trio aus Langenwang im
LEITARTIKEL von Christian Hartl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 03                                             Mürztal bestand aus Franz Edler (Har-
NOTIERT von Gunther Hasewend . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04                                                monika), Hermann Sommer (Klarinette)
                                                                                           und Josef Haim (Armeeposaune). Der Stellenwert, den sich
                                                                                           das Trio in den Jahren zwischen 1945 und 1960 erarbeitete,
                          ZUM THEMA                                                        ist so groß, dass der Gruppenname zum Synonym für die
                                                                                           Besetzung wurde. Musiziert wurde oft und überall – im
                                                                                           Wirtshaus, bei Almkirtagen, Bräuchen, Festen, Bällen und
MUSIK IM HANDGEPÄCK
von Stefan Höfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06        Hochzeiten. Überregionale Bekanntheit erlangte das Edler-Trio
                                                                                           durch Rundfunksendungen und Auftritte bei Bunten Abenden
DAS ZAUBEREISEN                                                                            in vielen österreichischen Städten.
von Wolf Janscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
DIE OKARINA                                                                                Unvergesslich geblieben sind auch die Tonaufnahmen des
von Anton Hirschmugl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14            Edler-Trios. 24 Originalaufnahmen aus dem Archiv des ORF
                                                                                           Steiermark werden mit dieser CD der Reihe Steirische Tonspuren
VERKLUNGENE KINDERINSTRUMENTE
                                                                                           wieder einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Zu
von Titus J. Lantos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
                                                                                           hören sind u. a. die Volksweisen „Kirtags-Landler“, „Gruß
LITERATURHINWEISE ZUM THEMA . . . . . . . . . . . . 20                                     aus den Bergen“ (Polka franzé), „Mürztaler Marsch“, „’s Mai-
SUPPENKASPARS MUSIKALISCHE ESKAPADEN                                                       glöckerl“ (Mazurka) und „Almfrieden“ (Steirer) sowie „Früh-
von Wolfgang Krainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22        lingszauber“ (Walzer), „Steffi-Polka“ und „Die lustigen Buam“
                                                                                           (Schnellpolka) von Franz Edler.
INTERVIEW
mit Andreas Safer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24       CD Edler Trio (= Steirische Tonspuren 10)
                                                                                           Hg. vom Steirischen Volksliedwerk
AUS DER WERKSTATT GEPLAUDERT
mit der Maultrommel- & Harmonikamanufaktur Schwarz . . 26                                  Graz 2018, 24 Titel, € 19,– / für Mitglieder € 1,–
                                                                                           Erhältlich im Büro des Steirischen Volksliedwerks
VERANSTALTUNGSKALENDER
                                                                                           und in unserem Online-Shop
Zeitschriftenmitte – Zum Heraustrennen
                                                                                            www.steirisches-volksliedwerk.at/shop
LIEDERGESCHICHTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28                    ( mit Hörbeispielen )
EINFACH SELBST GEMACHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
BEFREUNDETE INSTITUTIONEN
„G’schichtn aus der Steirer Land“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
LEBENSBILDER
                                                                                           IMPRESSUM:
Nasenflötenbauer & -sammler Heinrich Handler . . . . . . . 34                               MEDIENINHABER (VERLEGER) & HERAUSGEBER:
                                                                                           Verein Steirisches Volksliedwerk, Sporgasse 23/III, A-8010 Graz.
KURZNACHRICHTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36                     VORSTAND: HR DI Gunther Hasewend (Vorsitzender), Graz; OSR Franz Wolf,
                                                                                           Markt Hartmannsdorf und Claudia Pronegg-Uhl, Leutschach (dessen Stellvertreter) sowie
REZENSIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39             weitere Vorstandsmitglieder: Prof. Dietmar Bresnig, Graz; LAbg. Anton Gangl, Tieschen;
                                                                                           Robert Hafner, BA, Graz; Prof. Siegfried Greimler, Rottenmann; Bernd Prettenthaler,
AUS DER OBERSTN LÅD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42                     Stiwoll; Dr. Zuzana Ronck, Graz; Mag. (FH) Joseph Schnedlitz, Krakauebene
                                                                                           GESCHÄFTSFÜHRUNG: Mag. Christian Hartl, MA, Eisenerz
MUSIK BEIM WIRT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44                 ANSCHRIFT DER REDAKTION: Steirisches Volksliedwerk, Sporg. 23/III, 8010 Graz
NEUES AUS DEM HARMONIKAZENTRUM . . . . . . . . 46                                          T: +43 (0)316 908635, F: +43 (0)316 90863555, www.steirisches-volksliedwerk.at
                                                                                           (ZVR-Nr. 668410172)
AUS DEN REGIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48                    REDAKTEURE: Mag. Christian Hartl, MA – M: vierzeiler@steirisches-volksliedwerk.at
                                                                                           Johanna Trummer, BA – M: johanna.trummer@steirisches-volksliedwerk.at
FLOHMARKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49             MMag. Daniel Fuchsberger – M: daniel.fuchsberger@steirisches-volksliedwerk.at
                                                                                           Florian Wimmer, MA – in Karenz
UNSERE VERANSTALTUNGEN, VORSCHAU . . . . . . 0                                            BANKVERBINDUNGEN: HYPO Steiermark, IBAN: AT34 5600 0205 4101 7250
                                                                                           BIC: HYSTAT2G PREIS: Einzelpreis € 4,– (zzgl. Versandkosten)

                                                                                           FOTOS: Steirisches Volksliedwerk, wenn nicht anders angegeben.
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‡ www.fb.com/steirischesvolksliedwerk                                                     DRUCK: Medienfabrik, Graz. Mitglied im Österreichischen Zeitschriftenverband (ÖZV).

Titelbild: Johanna Trummer                                                                 Im Sinne der Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich der Sprache
                                                                                           wurde weitgehend versucht, geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden.
                                                                                           In die Beiträge externer Autorinnen und Autoren wurde nicht eingegriffen.

                                                                                           Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Medieninhabers
                                                                                           in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
                                                                                           gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
LEITARTIKEL

            ls praktizierender Sänger und      mente oft fälschlicherweise als Spielzeug
            Musikant kann ich sozusagen        oder Kinderinstrumente gesehen werden,
            ein Lied davon singen, wie be-     ist es erstaunlich, wie schön bzw. oft auch
            schwerlich es manchmal sein        virtuos bei richtiger Handhabe und dem-
kann, meine Musikinstrumente zum Auf-          entsprechender Beherrschung der Instru-                             von Christian
trittsort zu schaffen. Da die Spielstätten      mente darauf gespielt werden kann. In den                               Hartl
oft nicht nur einen Steinwurf vom Park-        letzten Jahren bauen wieder viele Musik-
platz entfernt sind, stellt es durchaus eine   gruppen vermehrt Hosensackinstrumente
körperliche, manchmal sogar eine sehr          in ihr musikalisches Repertoire ein, denn
schweißtreibende Herausforderung dar,          durch ihre charakteristischen Klangfarben                       Geschäftsführer des
mit der Basstuba auf dem Rücken und je-        bieten sie eine willkommene Abwechslung                      Steirischen Volksliedwerks
weils einem Koffer mit einer Steirischen        für MusikerInnen und Publikum.
Harmonika in beiden Händen, diese zu
erreichen. Aber wie                            Eine Anekdote noch zur Maultrommel:
heißt es so schön:                                            Die Maultrommel kam
                                                                                                … GANZ GROSS PORTRÄTIERT
„Augen auf bei der                                               im 14. Jahrhundert
Instrumentenwahl“.                                                 nach Europa und
Natürlich will ich nicht                                              ist ein Instru-        Zu Beginn verrät uns Mag. Stefan Hö-
jammern, denn es hätte                                                                       fel aus der Ö1-Musikredaktion in Wien
beispielsweise mit Kontra-                                                                          interessante Details über portab-
bass, Harfe oder Klavier noch                                                                        le Musikinstrumente und warum
schlimmer kommen können.                                                                              für die Familie Mozart ein „Cla-
                                                                                                       vierl“ (= ein tragbares Tastenin-
                                                                                                       strument) für große Reisen quer
                                                                                                       durch Europa sehr hilfreich war.

Der Hosensack ist
                                                                                                       Wolf Janscha, Obmann des ös-
                                                                                                   terreichischen      Maultrommelver-
                                                                                             eins, gewährt uns einen Einblick in die

          voller Musik …
                                                                                             Entstehungsgeschichte der Maultrommel
                                                                                             und deren trance-induzierende Wirkung
                                                                                             beim Spielen. Von der Gefäßflöte über
                                                                                             die Entstehung der Okarina in ihrer heu-
                                                                                             tigen Form bis hin zur Verwendung in der
                                                                                             alpenländischen Volksmusik berichtet
       KLEINE, TRAGBARE,
                                               ment, das in verschiedensten Kulturen,        Anton Hirschmugl, Klarinettist der Grazer
  BEZAUBERNDE INSTRUMENTE …
                                               auf allen Kontinenten und in vielen Mu-       Philharmoniker und Volksmusikant aus
                                               sikstilen eingesetzt wird. Unter anderem      Hatzendorf. Schließlich erzählt Titus J.
Eine schöne Alternative zu den eben er-        war sie allerdings auch ein beliebtes Ins-    Lantos, Museumsgründer und -leiter des
wähnten großen Instrumenten bieten de-         trument beim „Fensterln“. Der Ton bzw.        Kulm-Keltendorfs in Pischelsdorf, von ver-
ren kleine Verwandte – die sogenannten         der Klang der Maultrommel ist scheinbar       klungenen Kinderinstrumenten wie dem
Hosensackinstrumente. Denn Okarina,            so betörend gewesen, dass die Kirche das      „Steirischen Guggatz-Pfeiferl“.
Maultrommel, Schwegel, Mundharmoni-            kleine Instrument ab dem Jahr 1856 aus
ka oder Nasenflöte finden ohne Probleme          moralischen Gründen für mehrere Jahre         In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß mit
Platz in jeder Rock- bzw. Hosentasche,         verboten hat.                                 der vorliegenden Ausgabe des Vierzeilers
sind somit leicht zu transportieren und                                                      und hoffe, dass die Reise in die Welt der
können ohne viel Aufwand, wenn es ge-          Wenn das kein Grund ist, das Spiel auf der    Hosensackinstrumente eine spannende
mütlich wird und einem der Sinn nach           Maultrommel oder einem anderen Hosen-         ist, und vielleicht sogar die eine oder den
Musik steht, ausgepackt und gespielt           sackinstrument zu erlernen, dann weiß ich     anderen zum Erlernen eines dieser kleinen
werden. Auch wenn die kleinen Instru-          auch nicht!                                   Musikinstrumente anregt. 

                                                                                                       Der Vierzeiler 1 / 2019           3
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
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                                                                            NOTIERT
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                                                  Hosentaschen-
                   von Gunther
                    Hasewend                     Instrumente …
                                                         und noch 3 dazua!
            Vorsitzender des
       Steirischen Volksliedwerks
                                                 in verschiedenen Größen und Formen          von Musik-Gruppen, die „unterwegs“ sind,
                                                 erfolgreich – hauptsächlich im Südsteiri-   bei uns war das dann eine „Ziaga-Musi“ zu
                                                 schen – vertrieben und von verschiedenen    bestimmten Feiertags-Gruppierungen im
     n unserem heurigen Jahresprogramm           Musik-Gruppen in variablen Takt-Formen      Jahr!
     2019 haben wir im Rückwärts-Teil            angewendet.
     „Brauchbares suchen & finden“ die letzte
                                                                                                    8. DIE RASCHPL-KELCHE
     Seite den dortigen fünf Hosentaschen-
 Instrumenten wie folgt gewidmet:
 1. Musiklöffel  2. Nasenflöte,                                                               Diesmal in der Mehrzahl angeführt, weil
 3. Mundharmonika  4. Maultrommel                                                           die fein ausgehöhlten Hartholz-Kelche
 5. Schwegelpfeifen                                                                          zumeist zwei- bis dreifach auf einer ge-
                                                                                             mütlichen Holz-Halterung tonfördernd
 Solche „Instrumenterln“ hab‘ ich bei                                                        zart befestigt sind und mit Kugerl-Schlag-
 meinem Teufelsgeigen immer gern zur                                                         stöckerl zum Klingen gebracht werden
 abwechselnden Unterbrechung des Teu-                                                        – und das noch erweitert um das RASCH-
 felsgeigen-Spiels aus meiner Hosentasche                                                    PELN auf der gerillten Außenhaut der
                                                            7. DIE RATSCHN
 gezogen und damit zur Freude der ande-                                                      ausgehöhlten Kelche! Alles zusammen
 ren Mitspieler beigetragen – obwohl die-                                                    in einer weitaus milderen Tonstärke als
 se oft auch lauter als die Teufelsgeige sein    Diese kommt dem Vernehmen nach              obiges Klatschn+Ratschn!
 konnten. Und so habe ich vor dem Schrei-        aus dem Slawischen, für uns Südstei-
 ben dieses NOTIERT im Weinregal neben           rer demnach aus Slowenien. Sie kann in
 meinem Teufelsgeigen-Ständer drei wei-          verschiedenen Größen und bestimmten
 tere „HosenTaschler“, wie nachfolgend in        Holzarten gefertigt sein, sodass, wie bei
 der Reihenfolge ihrer Einsatzhäufigkeit          der Klatsch-Harmonie, auch verschiedene
 beschrieben, gefunden:                          Lautstärken und Tonstufen entstehen.

         6. DIE KLATSCH-HARMONIE

 Zu dieser habe ich eine besondere Be-                                                       Alle drei zusätzlichen „HosenTaschler“
 ziehung, da ich sie aus meinem Heimat-                                                      sind aus Hartholz mit seinen verschie-
 ort ARNFELS kenne, wo sie mein Freund                                                       denen Klängen! Das entspricht sehr dem
 Robert EMIG – unser Friseur-Meister in                                                      Steirerland mit seinem Holz-Reichtum
 dritter Generation – nach früherem Ken-                                                     und seiner vielfältigen Verwendung in Ver-
 nenlernen in Urform vor 15 Jahren in                                                        gangenheit, Gegenwart und Zukunft!
 Südtirol weiterentwickelt hat. Deshalb          Ratschn werden selten als Begleit-Inst-     Deshalb folgende Einladung: Wer kann
 ist die Bezeichnung „Arnfelser Klatsch-         rument, sondern eher als Einleitung oder    uns noch weitere solche „Instrumenterln
 harmonika“ auch berechtigt und sie wird         Überleitung verwendet und das meistens      der Volksmusik“ bekanntgeben? 

 4                     Der Vierzeiler 1 / 2019
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
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                        UNSERE MITARBEITERINNEN & MITARBEITER

1 – MAG. CHRISTIAN HARTL, MA                                                4 – MMAG. DANIEL FUCHSBERGER
Geschäftsführung, Redaktion »Der Vierzeiler«, Publikationen                 Redaktion »Der Vierzeiler«,
 +43 (0)316 908635 51                                                      Publikationen, Jahresprogramm
 christian.hartl@steirisches-volksliedwerk.at                               +43 (0)316 908 635 53
                                                                             daniel.fuchsberger@steirisches-volksliedwerk.at
2 – DR. EVA MARIA HOIS
Archiv, Forschung, Publikationen, Liederdienst                              5 – MICHAEL REITER, BA
 +43 (0)316 908635 5                                                      Musik beim Wirt, Lust auf Singen, Interkultureller Musikstammtisch
 evamaria.hois@steirisches-volksliedwerk.at                                 +43 (0)316 908635 54
                                                                             michael.reiter@steirisches-volksliedwerk.at
3 – ELISABETH STEINBERGER
Finanzen, Verwaltung, Mitglieder,                                           6 – JOHANNA TRUMMER, BA
Kurse & Seminare, Website, Presse                                           Redaktion »Der Vierzeiler«, Jahresprogramm
 +43 (0)316 908635 50                                                       +43 (0)316 908 635 53
 elisabeth.steinberger@steirisches-volksliedwerk.at                         johanna.trummer@steirisches-volksliedwerk.at

                                   GASTAUTORINNEN & -AUTOREN

    MAG. STEFAN HÖFEL                        WOLF JANSCHA                     MAG. ANTON HIRSCHMUGL                  SR TITUS J. LANTOS,
   Ö1-Musikredaktion, Wien               Referent nationaler und                 Klarinettist der Grazer          Museumsgründer und -leiter
                                      internationaler Maultrommel-                Philharmoniker und                  des Kulm-Keltendorfs
    Musik im Handgepäck –               kurse, Maultrommelspieler              Volksmusikant, Hatzendorf          in Pischelsdorf, Gesellschaft
  Portable Musikinstrumente         (solistisch sowie bei „SuperSonus“                                            für Vor- und Frühgeschichte
         — S. 06 —                        und „Salon Euphonie“),                        Die Okarina               Kulm, Pischelsdorf am Kulm
                                      Obmann des österreichischen                       — S. 14 —
                                        Maultrommelvereins, Wien                                                 Verklungene Kinderinstrumente.
                                                                                                                   – Das steirische „Guggatz-
                                          Das Zaubereisen. –                                                     Pfeiferl“ und seine weltweiten
                                        Mythos und Aktualität                                                           Entsprechungen
                                        des Maultrommelspiels                                                              — S. 18 —
                                             — S. 10 —

                                             Die Beiträge der Autoren bringen deren persönliche Meinung
                                            zum Ausdruck und sind von der Redaktion (völlig) unabhängig.
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
ZUM THEMA
                                           Das Bibelregal ist eine kleine tragbare Orgel.
                                           Die beiden Bälge, in denen die Luft erzeugt wird,
                                           haben die Form dicker, zusammenklappbarer
                                           Bücher (Bibel). Man führte das Instrument gerne
                                           auf Reisen mit sich. Quelle © Friedemann Otterbach:
                                           Schönee Musikinstrumente, München 1979, S 40.

                von
           Stefan Höfel

     Ö1 Musikredaktion, Wien

                                             Musik
                                           im Handgepäck
                                                          Portable Musikinstrumente

                                           D
                                                      as Konzert ist vorbei, der Flötist
                                                                                                         „EIN ARTIGES CLAVIERL“
                                                      packt sein Instrument ein und
                                                      diskutiert mit dem Sänger und
                                                      der Akkordeonistin darüber, was            Bei der Entwicklung von Musikinstrumen-
                                           heute hätte besser laufen können. Mitleidig           ten im Vordergrund stand stets das Finden
                                           schauen alle drei zur Schlagzeugerin, zur             neuer, und die Vergrößerung der Vielfalt be-
                                           Tubistin und zum Harfenisten. So oder so              reits verfügbarer Instrumente. Doch schon
                                           ähnlich hat es sich wohl schon des Öfteren            am Beispiel der Familie Mozart zeigt sich,
                                           zugetragen, denn spätestens auf dem Nach-             wie unpraktisch große Tasteninstrumente
                                           hauseweg, da hätte jeder lieber Okarina ge-           für Konzerttourneen waren.
                                           lernt ...

                                           Dieses „Problem“ gibt es natürlich nicht erst            „Ich habe ein artiges
                                           heute. Seit jeher wollten Musikerinnen und
                                           Musiker ihr Instrument mitnehmen, um zu
                                                                                                   Clavierl vom H. Stein
                                           spielen, unterwegs zu üben und zu kom-                   in Augspurg gekauft,
                                           ponieren. Viele Instrumente sind portabel,
                                           einige von ihnen soll der folgende Beitrag
                                                                                                     welches uns wegen
                                           vorstellen. Doch wo ist die Grenze zwischen             dem Exercitio auf der
                                           – im wahrsten Sinne des Wortes – noch
1   Zitiert nach: Bauer, W.A.
    – Deutsch, O.E.: Mozart.
                                           „er-träglich“ oder bereits nicht mehr prak-           Reise grosse Dienste thut“1
    Briefe und Aufzeichnungen,             tisch und transportabel? Die Einschätzung
    Kassel 1962, S. 63.                    obliegt wohl dem Musikanten und der Musi-
                                           kantin selbst, denn für das eigene Instrument         Diese Zeilen schrieb Leopold Mozart am
                                           nimmt gewiss jeder und jede einiges in Kauf.          20. August 1763. Bei diesem „Clavierl“ han-

6                Der Vierzeiler 1 / 2019
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente          ZUM THEMA

 Orphica, Glinka Museum, Moskau. Bild © Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

delte es sich um ein Reiseklavichord. Ein
                                                                        MUSIKALISCH
tragbares Tasteninstrument, das auf den
                                                                    DIE NATUR ERKUNDEN
beschwerlichen Reisen, die die Familie Mo-
zart durch ganz Europa unternahm, zum
Üben und Komponieren sehr hilfreich war.                In der frühen Biedermeierzeit änderte sich
Ein Reiseklavichord besaßen zu dieser Zeit              das Sozialverhalten der Menschen stark.
viele Komponisten, weil es eben einfach                 Das Erkunden der Natur wurde ein wichti-
mitgenommen werden konnte und wenig                     ger Aspekt des Lebens und natürlich wollte
Platz brauchte. Diese Instrumente waren ein             man die Musik „mitnehmen“. Problemlos ist
perfektes „Komponiersystem“ für den rei-                da das Singen, denn die Stimme ist ja immer
senden Musiker, denn sie hatten im Inneren              „dabei“. Bei anderen Instrumenten ist das na-
auch Aussparungen, um ein Tintenfässchen,               türlich nicht derart einfach. Folglich erlebte
eine Feder und
Streusand
zu verankern und
mitzunehmen.
Im Deckel be-
fand sich ein
                   npapier eingelegt werden
Fach, in dem Notenpapier
                   zeugung erfolgte mittels
konnte. Die Tonerzeugung
eines Tastenhebels.. Am Ende dieses Tasten-             Orphica, Museu
hebels befand sich ein kleines abgeflachtes              de la Música de Barcelona.
Messingstäbchen, das die Saite abteilte und             Bild © Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
                   hwingen brachte.
gleichzeitig zum Schwingen

Eine Verwandte des Klavichords ist die                  im frühen Biedermeier das Gitarrenspiel ei-
                                                                                                         2   Vgl.: Palmieri, R.: The Piano:
Orphica. Dieses ist eine „Wiener Erfindung“,             nen Aufschwung, denn dieses Instrument               An Encyclopedia, Routledge/
die 1795 vom Klavierbauer Joseph Dohnal                 vereinte alles, was gewünscht war: geringes          New York 2003, S. 253.
und vom Beamten der Wiener Hofbiblio-                   Gewicht, nicht zu kompliziert zu erlernen,       3   Vgl.: Hackl, S.: Die Gitarre in
thek Karl Leopold Röllig entwickelt wurde.              zum Solospiel und als Begleitinstrument              Österreich, Studienverlag,
Diese Miniaturform eines Klaviers kann                  geeignet. Die Biedermeier-Gitarren sind klei-        Innsbruck 2011.
umgehängt oder auf den Schoß gelegt und                 ner als heutige Gitarren und der Klang ist et-
gespielt werden.2                                       was schlanker.3

                                                                                                         Der Vierzeiler 1 / 2019               7
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ZUM THEMA                             Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente

                                                                                              Amann aus Alt St.-Johann im Toggenburger
                                                       MULTIFUNKTIONAL
                                                                                              Land (Schweiz) wurde bekannt „... durch sei-
                                                                                              ne kunstvoll geschnitzten, als Spazier- und
                                            Ebenfalls eine Blütezeit erlebten im Bieder-      Bergstock verwendbaren Flötenstöcke, de-
                                            meier Instrumente mit einer Doppelfunk-           ren an die Hunderte in mannigfachen Vari-
                                            tion: Die sogenannten „Spazierstockinst-          ationen in die Welt hinausgingen. Sie trugen
                                            rumente“. Dieses „sentimentale“ Zeitalter         den Namen ihres Verfertigers nach Italien
                                            schreibt der deutsche Musikwissenschafter         und England, nach Russland und selbst nach
                                            Herbert Moeck „... scheint jenen Musikin-         Amerika. Sie waren sehr gesucht und wurden
                                            strumenten sehr zugetan gewesen zu sein,          teuer bezahlt.“6 Amann hat seine Stockflöten
                                            die es dem romantischen Wanderer ermög-           zudem noch mit Fernrohren oder Tabakpfei-
                                            lichten, auf Natureindrücke wie das Erlebnis      fen ausgestattet.
                                            eines schönen Sonnenunterganges oder das
                                            nächtliche Flüstern der Bäume und den Ge-         Stockflöten werden auch „Csakan“, nach dem
                                            sang der Nachtigallen unmittelbar zu reagie-      ungarischen Wort Csákány genannt, was auf
                                            ren und seinen Gefühlen in musikalischer          Deutsch „Spitzhacke“ bedeutet. Ab ca. 1800
                                            Form Ausdruck zu verleihen.“4                     verbreitete sich dieses Instrument von Wien
                                                                                              aus in der gesamten Donaumonarchie. Auf-
                                            Ein Spazierstockinstrument, das Eingang in        gebaut wie eine Blockflöte und später mit
                                            ein Gedicht gefunden hat, ist die Stockflö-        Klappen ausgestattet, erlebte der Csakan im
                                            te. Von ihr schreibt Ludwig Uhland in „Das        19. Jahrhundert durchaus große Rezeption.
                                            Schifflein“ im Jahr 1810:                           Über 400 Kompositionen für dieses Inst-
                                                                                              rument aus den Jahren 1806–1849 sind im
                                                                                              Druck erschienen. Ab 1820 wurde jedoch
                                                   „Von seinem                                die Bauweise als Spazierstock immer mehr
4   Zitiert nach: Moeck, H.:
    Spazierstockinstrumente.                  Wanderstabe / Schraubt                          vernachlässigt. Dennoch war die Intention
                                                                                              bei der Erfindung des Csakans ursprünglich
    Czakane, Englische und Wiener
    Flageolette. Sonderdruck                  Jener Stift und Habe /                          die Kombination von Musikinstrument und
                                                                                              Gehhilfe bzw. Hacke.7
    aus Studia Instrumentorum
    musicae popularis III,                        Und mischt mit
    Stockholm 1974, S. 149.
    Zitiert nach: Gedichte von
                                               Flötentönen / Sich in                          Eine Flöte hat ja bereits eine Form, die einer
5                                                                                             solchen zweifachen Verwendung entgegen-
    Ludwig Uhland, Gotta’scher
    Verlag, Stuttgart 1854, S. 243.
                                              des Hornes Dröhnen.“                   5
                                                                                              kommt, wesentlich komplizierter war hinge-
                                                                                              gen die Erarbeitung von Streichinstrumen-
6   ebenda
                                                                                              ten als Spazierstockinstrument. Doch auch
7   Vgl.: Thalheimer S.:                    Stockflöten sind jedoch keine Erfindung des         das gab es – eine Spazierstockgeige ist etwa
    Csakan-Musik – eine Nische im           Biedermeiers, Quellen belegen deren Exis-         in der Sammlung alter Musikinstrumente
    heutigen Blockflötenrepertoire,
    in: Tibia 04/2000, Moeck Verlag,
                                            tenz bis zurück ins 16. Jahrhundert. Wie be-      des Kunsthistorischen Museums in Wien zu
    Gelle S. 288.                           liebt sie aber zu Beginn des 19. Jahrhundert      finden. Der Korpus musste natürlich läng-
                                            waren, zeigt die Biographie eines Stockin-        lich und schmaler werden und somit ist der
                                            strumentenmachers aus jener Zeit. Ulrich          Klang dieses Instruments eher dünn.

             Wir sind in unsere neue Heimat umgezogen!

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Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente            ZUM THEMA

Bei einer Spazierstockgeige sollte es nicht      von 1870–1930, als Originalkompositio-
bleiben. Die kreativen Instrumentenbauer         nen für dieses portable Instrument, das aus
erschufen Stockklarinetten, Stockoboen,          verschiedenen Materialien hergestellt wird
Stocktrompeten und sogar eine Stockzither.       (Ton, Porzellan, etc.), entstanden. Der Ton
                                                 einer Okarina lasse „...an Reinheit und Lieb-
                                                 lichkeit nichts zu wünschen übrig“ schreibt
               „GEH, HIASL
                                                 Philipp Fahrbach senior in seiner „Anleitung
            NIMM D’PFEIFFN! 8
                                                 zur Erlernung des neuen musikalischen Ins-
                                                 trumentes Ocarina“11. Dem entgegengesetzt
Zu den portablen Instrumenten zählt auch         sind die Ausführungen von Curt Sachs, der
die Schwegel – hierzulande als Seitlpfeife       die Okarina als Instrument bezeichnet, das
bekannt. Diese zumeist mit sechs Grifflö-          in „niederen Dilletantenkreisen eine ge-
chern ausgestattete Querpfeife ist der heu-                wisse Beliebtheit“ genieße und
tigen Querflöte ähnlich. In den oberen Re-                      de
                                                               deren Klang er als „...flach und
gistern ist der Klang der Schwegel besonders                    s
                                                                stumpf“   charakterisiert.12 Die-
                                                                                                    Stockflöte, gebaut
durchdringend und aufgrund des geringen                           ses heute noch in der alpen-      von Stephan Koch (Wien),
Gewichtes kann sie problemlos mitgenom-                           ländischen Volksmusik sehr        Mitte 19. Jahrhundert,
men werden. Natürlich ist die Auswahl dess                      beliebte Instrument wird in         befindlich im Österreichischen
richtigen Holzes von hoher Wichtigkeit.     t.            dies Vierzeiler-Ausgabe in einem
                                                          dieser                                    Blasmusikmuseum Oberwölz.
Ahorn-, Eiben-, Zwetschken-, Birnen- oder  er             weit
                                                          weiteren  Artikel genauer vorgestellt.    Bild © Rudolf Gstättner
Dirndlbaumholz eignen sich dafür am bes-  s-
ten. Nach dem Schlagen des Baumes sollte te
                                                             „MAULTRUMBLMACHER“
es zumindest drei Jahre trocknen.

Zahlreiche alte Weihnachts- und Alm-      m-           Anfa
                                                       Anfang   des 19. Jahrhunderts wur-
lieder bezeugen die Beliebtheit der       er          den in Molln in Oberösterreich über
Schwegel und das hat mehrere Gründe,    de,           dreiß Meisterbetriebe für Maultrom-
                                                      dreißig
wie der Biografie des berühmten Ins-    ns-           melh
                                                     melherstellung  gezählt. Heute hat sich
trumentenbauers Hausa Schmidl zu                     dies Zahl freilich verringert. Das nach-
                                                     diese
entnehmen ist: „Es gibt kaum ein an-               folge
                                                   folgende   Gstanzl zeigt, dass die Kunst des
deres Musikinstrument, das so billig  lig          Mau
                                                   Maultrommelspiels    auch für das „Fenster-
ist, einen Tonumfang von zweieinhalb alb               z
                                                  ln“ zuträglich war: „Znaxt hab i amol Trum-
Oktaven hat, so unempfindlich in                   mel zupft zwischen die Zähnd, da is glei mei
der Behandlung ist, und doch so viel             Dian zum Fenster her g’rennt.“ Genaueres
                                                 Diandl
Freude bereiten kann, als gerade die             hier
                                                 hierzu   ist in der Liedergeschichte dieser
Schwegel.“9 Schmidl baute bis zum um             Vie
                                                 Vierzeiler-Ausgabe  (ab S. 28) nachzulesen.
zweiten Weltkrieg Schwegeln in
unterschiedlichen Lagen und erst  rst            Vi
                                                 Viele  portable Instrumente gäbe es noch,
mit der steigenden Beliebtheit der               di an dieser Stelle nicht genannt werden
                                                 die
Blockflöte fing sein Geschäft an    n              k
                                                 können.   Darunter Nasenflöte, Teufelsgeige,        8   Text des Weihnachtsliedes:
zu stocken. „Von 1938 an wurdee                  N
                                                 Nagelgeige,   Mundharmonika, Akkordeon,                „Die Himmelslucka“
Österreich dann mit Blockflöten  n                u.v.m. – die Abgrenzung von Instrumenten,
                                                                                                    9   Zitiert nach: Benedikt, E.:
überschwemmt. Von der Hand--                     die leicht mitzutragen sind, zu jenen, die als         Zur Geschichte der alpenländi-
werkskammer Klagenfurt wurde                     zu schwer gelten, ist gar nicht so einfach.            schen volkstümlichen Querpfeife
mir geraten, meine Erzeugung                     Denn die eingangs erwähnte Tuba ist ja ein             und anderer Flöten, in: Tibia
                                                                                                        7/1982, Moeck Verlag, Gelle S.18.
einzustellen, weil mich die deut-                Teil der Marschmusik und somit für das Spiel
sche Konkurrenz doch erdrü-                      in Bewegung vorgesehen. Darüber hinaus ist         10 Ebenda. S. 17f
cken wird.“10 schrieb Hausa                      Musizieren heute generell äußerst portabel         11 Fahrbach, Ph.: Anleitung zur
Schmidl in einem Brief.                          geworden. Auf dem Mobiltelefon ist es dank             Erlernung des neuen italienischen
                                                 unterschiedlicher Apps problemlos möglich,             Musikinstrumentes Ocarina,
                                                                                                        Fiehn o.J., S. 2.
                                                 Kontrabass, einen Bösendorfer-Flügel oder
              „TON AUS TON“                                                                         12 Zitiert nach: Hirschmugl, A.:
                                                 sogar Orgel zu spielen. Doch um die Zunft
                                                                                                        Die Okarina, in: Sätze
                                                 der Instrumentenbauer muss man sich kei-               und Gegensätze. Beiträge
Ein anderes kleines Blasinstrument, das          ne Sorgen machen – der Klang eines Smart-              zur Volkskultur 8/1998,
sogar derart kompakt gebaut werden kann,         phones wird sich im Gasthaus beim „Bradln“             Weishaupt Verlag, S. 9.
dass es „Hosensackinstrument“ genannt            und im Konzerthaus wohl nie gegen seine
wird, ist die Okarina. Ihre Blütezeit war ca.    akustischen Pendants durchsetzen ... 

                                                                                                    Der Vierzeiler 1 / 2019                 9
Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
ZUM THEMA

           von Wolf
           Janscha

      Referent nationaler und
internationaler Maultrommelkurse,
  Maultrommelspieler (solistisch
      sowie bei „SuperSonus“
      und „Salon Euphonie“),
                                        Das Zaubereisen
                                        Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels
  Obmann des österreichischen
       Maultrommelvereins

                                        Wer gab Ihm dieses Zaubereisen?               Dieses Gedicht wurde für Franz de Paula
                                        Wer weihet seinen ird‘schen Mund?             Koch (1761–1831), einen österreichischen
                                        Horcht! Das sind ja des Himmels Weisen!       Maultrommelvirtuosen aus Mittersill/Salz-
                                                                                      burg geschrieben. Was hat den deutschen
                                        Mit Geistern steht der Mensch im Bund.
                                                                                      Dichter bewegt, dass er in so faszinieren-
                                        Seht Ihr sie nicht in lichten Kreisen,        der Weise von seinem Spiel berichtet? Was
                                                                                      ist dieser Zauber im Eisen? Was könnte des
                                        rührt er sein Spiel zur ernsten Stund‘?
                                                                                      Mundes Weihe bedeuten? Was haben Geis-
                                        Ja, solche Töne wohl hört klingen,            ter und Töne, wie von Engelsschwingen, mit
                                        der Sterbende, der leise spricht:             Maultrommelspielen zu tun? Zuletzt ver-
                                                                                      klärt der Klang beim Hören sogar im Ange-
                                        „Ihr Freunde, hört Ihr auch dies Singen?“     sicht des Todes ...?
                                        Die Freunde aber hören‘s nicht.
                                        Er spricht: „Es tönt wie Engels Schwingen“,   Für mich ist Kerners Gedicht nicht nur Poe-
                                        und stirbt, Verklärung im Gesicht.            sie, sondern auch inhaltlich eine treffende,
                                                                                      tiefgründige Beschreibung der Maultrom-
                                        — Gedicht von Justinus Kerner, 1826
                                                                                      mel. Um die vielfältigen Bedeutungen em-
                                                                                      por zu holen, müssen wir in der Geschichte
                                                                                      noch viel weiter zurückgehen:
                                                ZUM KLINGENDEN KREISEL
                                                 WERKSTATT FÜR RESONANZ- UND          Die Maultrommel ist eines der ältesten Inst-
                                                      ROTATIONSKÖRPER                 rumente der Menschheit, reicht sie in ihren
                                                                                      Anfängen doch bis zur Jungsteinzeit zurück.
                                                                                      Damals, wie auch heute noch in Südostasien,
Kontakt & Websites:                                    Jakob & Susanne Schaff         wurden Maultrommeln aus Knochen, Bam-
 wolfsonium@gmail.com                                 Triebendorf 11, 8850 Murau     bus oder anderen elastischen Hölzern ge-
                                                       +43 664 738 256 80
 www.wolfsonium.com                                   RIͤFH#NOLQJHQGHUNUHLVHODW
                                                                                      schnitzt. Die Maultrommel so wie wir sie
 www.fb.com/SUPERSONUS                                                               kennen wurde um 800 v.Chr. in Zentralasien
 www.facebook.com/                                                                   entwickelt. Sie ist das einzige Instrument,
  maultrommelverein                                                                   welches aus Eisen geschmiedet wird, und bis
                                                                                      heute blieb das Bauprinzip gleich: Es besteht
                                                                                      aus einem Bügel, der zum Halten dient, und

10            Der Vierzeiler 1 / 2019
Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels         ZUM THEMA

einer schwingenden Lamelle, die den Ton er-
zeugt. Damals war das Schmieden ein alche-
mistischer Akt, der geheimnisumwoben und
ebenso mit strengen moralischen Pflichten
                                                        2.     Der Rhythmus: Wie bei al-
                                                               len Rhythmusinstrumenten
                                                        erweckt ein steter Puls archaische
versehen war. Schmiede waren stets auch                 Körpersensationen und Trancen.
Schamanen – hoch angesehene, aber oft                   Rhythmos (altgriechisch) bedeutet
auch gefürchtete Mitglieder der Gemein-                 „das Fließen“ und bringt den Spie-
schaft. Man schrieb Ihnen Zauberkräfte zu               ler in eine Erfahrung von konzen-
und glaubte, dass sie ihr Wissen um die Me-             trierter, ausgerichteter Aufmerk-
tallverarbeitung von den Göttern und Geis-              samkeit auf das Hören und Fühlen
tern erhalten haben mussten!                            von Bewegungen. Die damit einher-
                                                        gehende sensorische Deprivation
Unter diesem Aspekt erscheint es umso logi-             anderer Sinneskanäle ermöglicht
scher, dass seit jeher die Maultrommel eine             ein Eintauchen in die Trance.
magische Aura umgab.

   Sie ist das Instrument                               3.     Die Atmung: Die Maultrom-
                                                               mel ist eines der wenigen
                                                        Aerophone, bei dem man beim
       mit der Stimme                                   Spielen sowohl ein- als auch aus-
                                                        atmet. Diese Atmung hat eine in-
  der Anderswelt, geboren                               tensive Wirkung auf Körper und
                                                        Geist, ähnlich den indischen Atem-
    aus der Alchemie des                                übungen beim Yoga (pranayamas).
  Feuers und des Wassers,
behaucht durch den Spieler,                             4.     Die Obertöne: Die Maul-
                                                              trommel ist das Instrument,
                                                        auf dem die meisten Obertöne
   der ihr Töne entlockt,                               gespielt werden können (später
 die zu eben jener „anderen                             dazu noch mehr). Das Lauschen
                                                        dieser markanten Töne schafft ei-
   Welt“ eine Verbindung                                nen inneren Raum, der eine starke
                                                        Trance durch Bewusstseinserwei-
      schaffen können:                                   terung verursachen kann.
     ein Zaubereisen …
In diesem schamanischen/rituellen Kon-
                                                        5.     Die Intention: Durch die
                                                               innere Achtsamkeit und das
                                                        Fokussieren auf das Erleben kann,
text wird die Maultrommel auch heute noch               je nach Qualität des Spielens, eine
gespielt: in Zentralasien (Republik Sacha-              breite Palette an Trancen einge-
Jakutien, Mongolei, Tuva, Kirgistan etc.),              leitet werden – von ekstatischem
Indien (Rajasthan, Kerala) und Südostasien              Körpererleben über eine Art luzi-
(Indonesien, Bali, Vietnam).                            den Bewusstseinszustand bis zu
                                                        einer tiefen Meditation. Die Ab-
Dies liegt vor allem an der Trance-induzie-             sicht ermöglicht es dem Spieler
renden Wirkung beim Spielen, die aber auch              auch, die Tiefe der Trance zu
abseits indigener kultureller Prägung erlebt            bestimmen.
werden kann. Es sind folgende Elemente, die
diese verursachen:
                                                  Die Verbindung dieser fünf Elemente –

     1.     Der Bordun: Durch das
            gleichmäßige, wiederholte
     Anschlagen der Feder entsteht ein
                                                  zusätzlich zu seiner mythisch-symboli-
                                                  schen Herkunft – ist der Grund, warum die
                                                  Maultrommel als rituelles Werkzeug (Instru-
     Dauerton (Bordun). Dieser wirkt              ment) eingesetzt wird.
     stark fokussierend auf den Spieler
     und nach längerer Zeit „einlullend“.         Ich möchte nun näher auf den vierten Punkt
                                                  eingehen, da die Maultrommel ein typisches
                                                  Obertoninstrument ist.

                                                                                                      Der Vierzeiler 1 / 2019   11
ZUM THEMA                    Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels

                                  Grundton und mitschwingende Obertöne bilden die Teiltonreihe

                                                                                      nur verstärkt werden können, wenn durch
                                            SPIEL MIT OBERTÖNEN
                                                                                      die Maultrommel geatmet wird – und andere
                                                                                      wiederum werden unbehaucht gespielt. Dies
                                  Wenn weißes Licht durch ein Prisma fällt,           setzt ein hohes Maß an Kenntnis der Ober-
                                  werden die Spektralfarben für uns sichtbar          tonreihe voraus. Zur Veranschaulichung soll
                                  – ebenso existiert auch in einem einzelnen          das nachstehende Diagramm dienen:
                                  Ton eine Vielzahl an Obertönen. Diese sind
                                  für die charakteristische Klangfarbe von In-        Je nach Größe der Maultrommel kann vom
                                  strumenten und der menschlichen Stimme              3. bis zum 32. Teilton (manchmal sogar dar-
                                  verantwortlich. Normalerweise kann man              über hinaus) jeder einzelne exakt angespielt
                                  Obertöne nicht kontrolliert anspielen: au-          werden. Der 1. Teilton (also der Grundton)
                                  ßer mit Obertoninstrumenten wie dem Did-            und der 2. (die erste Oktave darüber) können
                                  geridoo, dem Alphorn, dem Mundbogen,                nicht gespielt werden, da der Resonanzraum
                                  der Maultrommel und dem Obertonsingen               größer sein müsste, als die anatomischen
                                  sowie einiger spezifischer Instrumentalmu-           Gegebenheiten des Mund- und Rachenrau-
                                  siktechniken (wie z.B. dem Flageolette bei          mes. Das bedeutet auch, dass der Klang der
                                  Saiteninstrumenten).                                Maultrommel ausschließlich aus Obertö-
                                                                                      nen besteht. Durch das psycho-akustische
                                  Wie entstehen nun die Obertöne? Technisch           Phänomen des Residuums (auch Residualton
                                  betrachtet fungiert beim Maultrommelspie-           genannt) vermag das Ohr aufgrund der ge-
                                  len der Mund- und Rachenraum als Prisma.            hörten Obertöne den jeweiligen dazu pas-
                                  Obertöne werden in diesem Sinne nicht               senden Grundton im Ohr „dazuzurechnen“!
                                  „produziert“, sondern vom Spieler bloß ver-         Das heißt, wir hören bloß Obertöne, erken-
                                  stärkt. Sie sind naturgegeben immer schon           nen aber dennoch einen Grundton, obwohl
                                  im Ton vorhanden und bekommen nur den               dieser gar nicht erklingt.
                                  Resonanzraum, den sie benötigen, um zu er-
                                  klingen – ähnlich wie beim Formen von Vo-           Dieses Phänomen ist für die sogenannte
                                  kalen. Dies denke ich, wäre im Gedicht mit          Wechseltechnik von entscheidender Bedeu-
                                  der „Weihe des ird‘schen Mundes“ gemeint:           tung, da erst dadurch ein funktionsharmoni-
                                                                                      sches Spiel im Sinne von Akkorden möglich
                                                                                      wird. Diese Technik entstand im 18. Jhdt. in
                                         Der Mund wird                                Österreich und ist durch die vier klassischen
                                                                                      Konzerte für Maultrommel und kleines Or-
                                        durch das Spielen                             chester von Johann Georg Albrechtsberger
                                      ein geweihtes Gefäß                             belegt. Diese wurden für Bruno Glatzl, einen
                                                                                      Benediktinerpater im Stift Melk, der offen-
                                    für überirdische Klänge!                          sichtlich die Wechseltechnik meisterhaft
                                                                                      beherrschte, komponiert. Die Einzigartigkeit
                                                                                      dieses Maultrommelstils und seiner Technik
                                  Natürlich ist es dann in der Praxis doch et-        bezeugt auch die Aufnahme in die Liste des
                                  was komplizierter, als die soeben dargelegte        immateriellen Kulturerbes der UNESCO im
                                  Metapher. Wenn man exakte Melodien auf              Jahre 2012.
                                  einer Maultrommel intonieren möchte, be-
                                  nötigt man nicht nur ein ausgesprochen fei-         Auch Franz de Paula Koch, so wird überlie-
                                  nes (trainiertes) Gehör, sondern muss zudem         fert, spielte mit der Wechseltechnik und fas-
                                  genau wissen, mit welcher Spieltechnik die          zinierte mit seinem Spiel nicht nur Dichter
                                  Obertöne angespielt werden. Denn manche             und Adelige in ganz Europa. Man kann sich
                                  davon werden behaucht – das heißt, dass sie         die Technik so vorstellen:

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Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels         ZUM THEMA

                                               mit im Stil der österreichischen Volksmusik
                                               bzw. klassischen Musik spielen.

                                                          ERFOLGSGESCHICHTE
                                                            MAULTROMMEL

                                               Es ist mir wichtig, dass man hier nicht zu fal-
                                               schen Schlüssen kommt: Der österreichische
                                               Maultrommelstil ist keineswegs der „besse-
                                               re“ oder gar virtuosere, höher entwickelte
                                               Spielstil, im Vergleich zu anderen! Jede Kul-
                                               tur hat ihre eigenen Techniken und speziel-
                                               len Maultrommeln entwickelt, um in dem
                                               jeweiligen Stil musizieren zu können. Ob
                                               z.B. der norwegische, sehr melodische Bor-
                                               dunstil, der hoch diffizile rhythmische Stil
                                               der Inder oder der jakutische Stil, der klang-
                                               malerisch und tief in schamanischen Kon-
                                               texten verwurzelt ist – sie alle zeugen von
                                               einer hoch entwickelten Musikalität und
                                               Kreativität. Spätestens wenn man versucht,
                                               Stücke aus indigenen Kulturen nachzuspie-
                                               len, wird einem bewusst, dass man mit einer
 „Wechseltechnik“                              sehr schwierigen Aufgabe konfrontiert ist.
                                               Allen voran ist es die kulturelle Prägung, wie
Der Spieler schraubt mittels Holzklammern      wir Musik hören und verstehen, die es fast
exakt gestimmte Maultrommeln übereinan-        unmöglich macht, in anderen traditionellen
der, sodass er mehrere Instrumente in einer    Stilen zu musizieren. Im besten Fall imitie-
Hand halten kann. Virtuosen spielen – dann     ren wir und verwenden Spieltechniken in ei-
mit Maultrommeln in beiden Händen – bis        nem eklektischen Sinn. Dies ist mittlerweile
zu zehn oder mehr Instrumente, wenn die        zu einem eigenständigen musikalischem Idi-
Musik es erfordert! Und genau das ist der      om der Maultrommelkunst geworden. Für
entscheidende Punkt:                           mich ist das ein positiver Einfluss der Globa-
                                               lisierung, da dadurch – frei von bestehenden
Die Wechseltechnik wurde nicht entwickelt,     Traditionen – völlig neue Herangehenswei-
um es dem Spieler schwerer zu machen und       sen zum Instrument entstehen können. Die
ihn besonders virtuos erscheinen zu las-       Maultrommelzunft ist lebendiger denn je: Es
sen, sondern um im musikalischen Kontext       gibst neben traditionellen Schmieden zahl-
der Stufenharmonik mitspielen zu können.       reiche neue, die mit Hi-Tech-Methoden un-
Erinnern wir uns: Die Maultrommel ist ein      glaublich gute Maultrommeln produzieren,
Borduninstrument und die Obertöne fol-         ebenso gibt es zahlreiche, fantastische Spie-
gen einer ganz eigenwilligen Struktur. Ei-     ler, die die Maultrommel in unterschiedli-
nige der Töne sind ekmelisch, was bedeutet,    chen Genres einsetzen: von Pop/Rock, Tech-
dass sie außerhalb unseres gebräuchlichem      no, über Jazz und Country, Welt-Musik bis
Stimmsystems liegen – wenn diese Töne zu       hin zu Klassik und zeitgenössischer Musik.
wohltemperierten Instrumenten dazu ge-
spielt werden, klingen sie oftmals nicht in-   Die Faszination der Maultrommel bleibt
toniert (was durch Spieltechnik auch nicht     seit der Steinzeit ungebrochen, vielleicht,
verändert werden kann). Um dies auszu-         weil man sie im Hosensack mitführen kann,
gleichen, verwendet man die Wechseltech-       wahrscheinlich auch, weil sie ein lebendiges
nik, denn sie ermöglicht eine Imitation der    Musikfossil ist und uns an unsere archai-
temperierten Stimmung, da die Grundtöne        schen Wurzeln erinnert ...
(eigentlich Oberton-Oktaven) der verschie-
denen Maultrommeln zueinander wohltem-         ... vor allem aber, weil sie Spielende wie auch
periert gestimmt werden. Zusammen lässt        Zuhörende mit ihrem Klang verzaubern
sich dann problemlos zu Akkorden und da-       kann! 

                                                                                                   Der Vierzeiler 1 / 2019   13
ZUM THEMA

                                                                                                                                             Foto © Martina Unterrainer
            von Anton

                                            Die Okarina
            Hirschmugl

          Klarinettist der
      Grazer Philharmoniker &

                                            E
     Volksmusikant, Hatzendorf
                                                       ines gleich vorweg: Die Okarina       der Name Okarina ab, denn das italienische
                                                       wird zwar den Hosensackinstru-        Wort „oca“ bedeutet Gans.
                                                       menten zugerechnet, aber nie-
                                                       mand, der sein Instrument liebt,      Auch wenn es Gefäßflöten aus Ton schon
                                            wird eine Okarina ungeschützt in die Ho-         sehr lange gibt, kann man den Italiener Giu-
                                            sentasche stecken, es sei denn, sie ist aus      seppe Donati aus Budrio, einer kleinen Stadt
                                            Plastik, Metall oder Holz. Zumal die meis-       in der Nähe von Bologna, mit Recht als Er-
                                            ten, und vor allem die gut klingenden Oka-       finder der Okarina bezeichnen. Er war der
                                            rinen, aus Ton gefertigt sind, ist es dringend   erste, der der Okarina eine feste Tonhöhe
                                            zu empfehlen, sie entweder mit einem Band        und Form gab, der erste, der sie in der noch
                                            zu versehen und um den Hals zu hängen,           heute hauptsächlich gebräuchlichen Art
                                            oder sie in einer schützenden Box zu trans-      und Weise baute: Rübenförmig, waagrecht
                                            portieren.                                       gehalten und unter Verwendung aller zehn
                                                                                             Finger. 1863 gab es bereits das erste Kon-
                                            Aber wo kommt die-                                zert eines Okarinaensembles, bestehend
                                            ses süße Pfeiferl nun                                   aus mehreren unterschiedlich großen
                                            eigentlich her? Die                                         Okarinen in zwei abwechselnden
                                            Okarina ist eine Gefäß-                                        Stimmungen        (vergleichbar
Okarina                                     flöte, das Prinzip der To-                                           mit einem Saxophonor-
von Kurt Posch                              nerzeugung ist ein sehr                                               chester). Wenn man
Foto © Anton Hirschmugl                     einfaches und es genügt                                                bedenkt, dass zu die-
                                            dafür, salopp formu-                                                    sem Zeitpunkt bereits
                                            liert, ein Hohlraum mit 2                                               verschieden große,
                                            nahe beieinander liegenden                                              gut gestimmte Instru-
                                            Löchern. Dementsprechend                                              mente existierten, muss
                                            gab es erste, der Okarina                                          die Erfindung einige Jahre
Okarina                                     ähnliche Instrumente in                                          zuvor stattgefunden haben.
aus der Zwischenkriegszeit,                 China bereits vor un-
Firma EWA aus Wien                          gefähr 5000 Jahren,                                         Ab 1863 verbreitete sich die
Foto © Anton Hirschmugl
                                            gemacht meist aus                                          Okarina wie ein Lauffeuer, schon
                                            Tierknochen, später                                       nach kurzer Zeit gab es in Italien
                                            dann auch aus Ton. Ir-                                  mehrere Erzeuger und als das Oka-
                                            dene Gefäßflöten in Tierform, sei es als               rinaensemble aus Budrio Konzertrei-
                                            Lockinstrument für Vögel oder als Spiel-         sen durch ganz Europa machte, löste es
                                            zeug, waren auf diversen Jahrmärkten des         mit seinem Auftritt bei der Weltausstellung
                                            Mittelalters vor allem in Italien zu finden.      1873 auch in Wien einen regelrechten Boom
                                            Von diesen tönernen Tieren leitet sich auch      aus. Innerhalb kurzer Zeit gab es mehrere

14                Der Vierzeiler 1 / 2019
Die Okarina         ZUM THEMA

Okarinabauer in der Kaiserstadt, der erfolg-     einer Okarina nicht dynamisch spielen kann,
reichste von ihnen war Heinrich Fiehn, der       das heißt, man kann die Lautstärke nicht än-
in Zusammenarbeit mit dem Kapellmeister          dern, ohne dass sich auch die Tonhöhe än-
Philipp Fahrbach sen. die erste österreichi-     dert. Je lauter man hineinbläst, desto höher
sche Okarinaschule herausgab. Der Okarina-       wird sie, und dadurch klingt ein Okarinaen-
boom hatte seinen Höhepunkt Ende des 19.         semble ähnlich wie eine Drehorgel, weil in-
Jahrhunderts, als das Instrument weltweit        tonationsbedingt Beginn und Ende der To-
verbreitet war, und ebbte bis zum Ende des       nerzeugung nur abrupt möglich sind. Diese
Zweiten Weltkriegs fast vollständig wieder       Nachteile wiegen in der Volksmusik nicht
ab. Einen letzten Popularitätsschub gab es       so schwer und umso verwunderlicher ist es,
1939 in den USA durch den Entertainer Bing       dass es so lange gedauert hat, bis der lieb-
Crosby, der die in Amerika auch gerne „sweet     liche Okarinaklang die Welt der alpenländi-
potatoe“ genannte Flöte in seinem gleichna-      schen Volksmusik erobert hat.
migen Song „When the sweet potatoe piper
plays“ verwendete, und als Folge davon war       Budrio ist der einzige Ort, an dem die Oka-
die Okarina ein beliebtes Instrument bei den     rina seit ungefähr 160 Jahren eine durch-
Soldaten der US-Army.                            gehende Tradition hat. Seit der Erfindung
                                                 durch Donati gibt es hier so gut wie unun-
                                                 terbrochen Hersteller, Spieler und Ensemb-
          KLEINES INSTRUMENT
                                                 les. Der aktuelle Okarinabauer der Stadt ist
          IN GROSSEN WERKEN
                                                 Fabio Menaglio und es gibt mehrere aktive
                                                 Ensembles mit bis zu acht OkarinaspielerIn-
Einige wenige große Komponisten haben            nen, die auf seinen Instrumenten spielen.
die Okarina in ihren Werken verwendet, so        Dieser nie erloschenen Glut der Okarinalie-
etwa Leos Janacek in seinen Kinderreimen         be in Oberitalien ist es zu verdanken, dass
(ein Indiz dafür, dass in der Zwischenkriegs-    der Funke schließlich doch auf die Volksmu-
zeit die Okarina als Kinderinstrument im         sik des Alpenraums übergesprungen ist.
tschechischen Raum verbreitet war), George
Gershwin für acht Takte im Musical „Crazy
for You“ (geschuldet vermutlich dem kurzen,

                                                                          
von Bing Crosby ausgelösten Okarinahype
in den USA vor dem Zweiten Weltkrieg) oder         9Z6KZKX,XKOKTYZKOT
György Ligeti in seinem 1986 uraufgeführten
Konzert für Klavier und Orchester.

Originalton Ligeti:
                                                  :(/70(,67(56&+$)7
                                                  gVWHUUHLFKLVFKH
  „Ich liebe Okarinen, weil                       6WDDWVPHLVWHUVFKDIW
  sie so schlecht stimmen“                        IU6WHLULVFKH+DUPRQLND
                                                  XQG(ULFK0RVHU*HGHQNZHWWEHZHUE

                                                   0DL±-XQL
Insgesamt ist das eine sehr überschaubare
„Ausbeute“ bei der Vielzahl an Kompositio-
nen, die es gibt, daher stellt sich die Frage:
Warum konnte sich die Okarina in der erns-         LQ6W3HWHU)UHLHQVWHLQ6WHLHUPDUN
ten Musik nicht durchsetzen, obwohl sie
einen süßen, lieblichen Klang hat und auch          5DKPHQSURJUDPP *UHQ]ODQGFKRU$UQROGVWHLQ
in großen Höhen nicht schrill klingt? Zum             6RQGHUJDVWVSLHO 'LH,QQVEUXFNHU%|KPLVFKH
einen liegt das sicher am begrenzten To-
numfang. Ein Überblasen ist auf der Okarina
sehr schwer bis gar nicht möglich und daher
                                                  ,QIR
ist der Umfang, bedingt durch die mensch-         *RWWIULHG+XEPDQQ
liche Fingeranzahl, auf eine Undezime be-         7HO  
schränkt. Der zweite, noch gravierendere          0DLOJRWWIULHGKXEPDQQ#DRQDW
Grund, weshalb sie nicht E-Musik-tauglich
ist, dürfte der Umstand sein, dass man auf

                                                                                                Der Vierzeiler 1 / 2019   15
ZUM THEMA                    Die Okarina

                                                OKARINA
                                          UNTERS VOLK GEBRACHT

                                  Als Pionier der Okarina in der Volksmusik
                                  gilt der Musikant Franz Kofler aus Kloben-
                                  stein in Südtirol. 1954 lernte er im Alter von
                                  zwölf Jahren beim Lengmooser Pfarrer Jo-
                                  hannes Spitaler Gitarre und Blockflöte und
                                  entdeckte dabei in dessen Schublade eine
                                  Okarina. Spitaler schenkte sie ihm und be-
                                  reits in seiner ersten Volksmusikformation,
                                  den „Rittner Buam“, spielte er neben Kla-
                                  rinette, Steirischer Harmonika, Saxophon
                                  und Kontrabass immer wieder die Okarina.
                                  1962 erwarb er von Emilio Cesari, einem
                                  Okarinabauer aus San Remo, der aus Alters-
                                  gründen die Produktion einstellte, elf Inst-
                                  rumente und von da an traten die „Rittner
                                  Buam“ auch als Okarinaquartett auf. Wirk-
                                  lich durchzusetzen begann sich die Okarina
                                  ab 1984, als Kofler erstmals bei einem Se-
                                  minar Okarina unterrichtete und ab diesem
                                  Zeitpunkt dauerte es nur wenige Jahre, bis
                                  die Okarina bei keinem Volksmusikseminar
                                  mehr fehlen durfte. Franz Kofler ist übrigens
                                  mit der „Rittner Klarinettenmusig“ bis zum
                                  heutigen Tag musikalisch aktiv.                   Okarinabaukurs des Steirischen Volksliedwerks

                                  Bald war die Okarina weit verbreitet und es      Selbstbaukursen eng mit ihm zusammen.
                                  gab nicht nur Spielseminare sondern auch         Weitere Okarinabauer sind der pensionierte
                                  Selbstbaukurse, als Pionier in dieser Hin-       Musikschullehrer Hans Maier aus der Stei-
                                  sicht gilt der Vorarlberger Volksmusikant        ermark, der bei einem Okarinabaukurs mit
                                  und Okarinabauer Kurt Posch. Für einiger-        Kurt Posch dazu inspiriert wurde, und der
                                  maßen handwerklich Begabte, die ein Ge-          Südtiroler Georg Plaschke, der bereits in
                                  fühl für den Umgang mit Ton haben, ist es        zweiter Generation Okarinen herstellt, sein
                                  keine große Schwierigkeit sich eine Okari-       Vater Josef Plaschke begann in Zusammen-
                                  na selbst zu bauen, sofern man nicht allzu       arbeit mit Franz Kofler 1963 mit der Produk-
                                  große Ansprüche an die Qualität stellt. Für      tion.
                                  Instrumente, die auch bei den höchsten Tö-
                                  nen gut klingen und vor allem gut stimmen        Eine Vielzahl von VolksmusikantInnen hat
                                  braucht man sehr viel Fingerspitzengefühl.       mittlerweile Stücke für die Okarina adaptiert
                                  Kurt Posch hat eine Selbstbauanleitung auf       oder auch dem Instrument auf den „Leib“ ge-
                                  seiner Homepage veröffentlicht. Die von ihm       schrieben. Dazu gehören, unter vielen ande-
                                  gebauten Instrumente sind sehr hochwertig        ren, Elke Margetich und Sewi Krammer aus
                                  und innovativ. So baut er zum Beispiel auch      der Steiermark, Gernot Niederfriniger aus
                                  Instrumente, bei denen er den höchsten Ton       Südtirol, Brigitte Dumfart und Franz Mein-
                                  durch den Leitton unterhalb des Grundtons        gassner aus Oberösterreich oder Sigi Ram-
                                  ersetzt, ein kleiner (Halbton-)schritt mit       stötter aus Bayern.
                                  großer Wirkung, ist man doch melodisch da-
                                  durch um einiges wendiger.                       Abseits der Volksmusikszene ist der Oberös-
                                                                                   terreicher Hans Rotter ein sehr umtriebiger
                                  Die Steirerin Simone Prein, Geigerin und         Okarinabauer. Von ihm gibt es Instrumente
                                  Volksmusikantin, hat in Zusammenarbeit           in allen erdenklichen Stimmungen und auch
                                  mit dem Okarinabauer Kurt Posch unter an-        Doppel-, Tripel- und Quadrupelokarinen, auf
                                  derem eine moderne Okarinaschule heraus-         diese Weise werden bis zu vier verschiedene
                                  gebracht und arbeitet auch bei den diversen      Stimmungen in einem Instrument verpackt.

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Die Okarina
                                                                                 D                   ZUM THEMA

                                                        Fazit ist, die Okarina
 Instrumente
           t aus K Karton
                      t von David
                                D id Liggins
                                     Li i              sorgt immer wieder für
                                                                            fü
 (cardocs) Foto © Anton Hirschmugl
                                                      positive Überraschungen,
Ein sehr erfolgreiches Projekt mit dem Ziel,
                                                        wenn sie spontan aus
die Okarina in den elementaren Schulun-                    dem Hosensack
terricht zu integrieren, betreibt gemeinsam         (gut verpackt, wie gesagt …),
mit seiner Familie schon seit über 30 Jah-             der Jackentasche oder
ren der Engländer David Liggins. Mit einer
vom englischen Okarinabauer John Taylor
                                                       dem Instrumentenkoffer
1963 entwickelten, eiförmigen Okarina mit                   gezaubert wird.
Vierlochsystem, die eine ganze Oktave an
Tonumfang abdeckt macht er Workshops an          War sie in den Jahren 1870 bis 1945 das In-
Schulen und bringt die Kinder in kürzester       strument der bürgerlich-städtischen Laien-
Zeit dazu, gemeinsam zu musizieren. Er ver-      musiker, so ist mit Franz Kofler um 1960 die
wendet dabei vor allem für die unteren Klas-     große Zeit der Okarina in der alpenländi-
sen Instrumente aus Plastik und hat auch         schen Volksmusik angebrochen. Sie ist eine
eine Okarina aus Karton zum Selbstbasteln        echte Bereicherung und sorgt gemeinsam
entwickelt, die erstaunlich gute Klangergeb-     mit den anderen Hosensackinstrumenten
nisse bringt. Der aktuelle Erzeuger der engli-   für die Würze auf jeder Volksmusikveran-
schen eiförmigen Okarina ist John Langley.       staltung! 

                                                                                               Der Vierzeiler 1 / 2019   17
ZUM THEMA

               von Titus
               J. Lantos

   Museumsgründer und -leiter
                                             Verklungene
        des Kulm-Keltendorfs
    in Pischelsdorf, Gesellschaft
für Vor- und Frühgeschichte Kulm,
        Pischelsdorf am Kulm
                                             Kinderinstrumente
                                                     Das steirische „Guggatz-Pfeiferl“
                                                     und seine weltweiten Entsprechungen

                                             D
                                                         ass in unserer techniküberfrach-   waren. Dass die 1760 entstandene „Kinder-
                                                         teten Welt alte Handwerke von      symphonie“ Leopold Mozarts neben Kinder-
                                                         der Bildfläche verschwunden         trompeten, Ratschen und Trommeln auch
                                                         sind, müssen wir als negativen     Kuckucks- und Wachtelrufe verwendet, ist
                                             „Zug der Zeit“ zur Kenntnis nehmen. So ist     kein Zufall, waren die tönernen Pfeiftiere als
                                             auch durch den Materialwechsel vom irde-       Spielzeug bereits in Indien und Mesopota-
                                             nen Gebrauchsgeschirr zum Edelstahl- und       mien vor 3000 Jahren gebräuchlich und in
                                             Plastik-Küchengerät der ehrsame Beruf des      Deutschland seit dem 16. Jahrhundert be-
                                             Töpfers ins Kunsthandwerk abgedrängt wor-      legt. Eine zeitgenössische Kopie der Partitur
                                             den. Dass aber die Hafner jahrhundertelang     L. Mozarts bezeichnet das Werk auch als
                                             als Nebenprodukt auch keramische Pfeiffi-        „Sinfonia Berchtoldsgadensis“, da Berchtes-
                                             guren als Kinderspielzeug hergestellt und      gaden damals als Hochburg der südeuropä-
                                             bei Wallfahrtsorten oder Jahrmärkten ange-     ischen Spielzeugmanufaktur galt.
                                             boten haben, gerät dabei genauso in Verges-
                                             senheit wie die damit verbundene musikali-
                                                                                                          VERKÜNDER
                                             sche Früherziehung der Kinder.
                                                                                                         DES FRÜHLINGS

                                                            EIN BLICK
                                                                                            Dass Pfeiffiguren, besonders Tonvögel, im
                                                     IN DIE VERGANGENHEIT
                                                                                            Brauchtum des Jahres integriert waren,
                                                                                            muss erwähnt werden. Und da der Kuckuck
                                             Und wenn heute tönerne Gefäßflöten auch         als Verkünder des Frühlings galt, war das
1    Gerd J. Grein, Eleonore Jüngling,
     Albert Jüngling: Pfeiffiguren aus         in Tier- und Menschenform nur mehr in Me-      Kuckuckspfeiferl in der europäischen Volks-
     Europa (= Sammlungen zur Volks-         xiko, Peru oder sporadisch auf balkanischen    kultur weit verbreitet. Dass man dabei den
     kunde in Hessen 21), Museumska-         und südeuropäischen Märkten angeboten          Namen des tönernen Instruments entwe-
     talog, Otzberg-Lengfeld 1981, S. 2.     werden, ist die Beschäftigung mit diesen ur-   der vom Kuckucksruf oder lautmalend vom
2    Dieselben: S. 8.                        tümlichen Tongeräten lediglich ein Blick in    Pfeifton ableitet, leuchtet ein. So nannte
3    Brief des Steirischen Volkskunde-       die Vergangenheit. Gelegentlich finden wir      man die kleine Vogelpfeife in der Schweiz
     museums, Graz, vom 10.10.1978.          Gefäßflöten oder Wasserpfeiferl als Orches-     „Pfingstgugger“, im Elsaß „cocou“, in Nor-
                                             terinstrumente, vor allem im Rokoko, wo        wegen „Gauck“ (mhd. „gouch“ = Kuckuck),
                                             naturnachahmende Tonerzeuger in Mode           die Ungarn hießen das Pfeiferl „sip“, die

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