Ganz groß Kleine Instrumente - Steirisches Volksliedwerk
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Herausgegeben vom Steirischen Volksliedwerk Sporgasse 23/ III, 8010 Graz, Austria www.steirisches-volksliedwerk.at EUR 4,00 1 / 2019 39. JAHRGANG Zeitschrift für Musik, Kultur & Volksleben So groß åls wia a Zechnnågl, wånnst einischnaufst, pfeift's wiar a Vogl. Man mecht går sågn: „Sakarament – so kloan, und scho a Instrument!“ Kleine Instrumente ganz groß
INHALT TIPP Der Vierzeiler – Heft 1 / 2019 CD Edler-Trio Das Edler-Trio aus Langenwang im LEITARTIKEL von Christian Hartl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 03 Mürztal bestand aus Franz Edler (Har- NOTIERT von Gunther Hasewend . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04 monika), Hermann Sommer (Klarinette) und Josef Haim (Armeeposaune). Der Stellenwert, den sich das Trio in den Jahren zwischen 1945 und 1960 erarbeitete, ZUM THEMA ist so groß, dass der Gruppenname zum Synonym für die Besetzung wurde. Musiziert wurde oft und überall – im Wirtshaus, bei Almkirtagen, Bräuchen, Festen, Bällen und MUSIK IM HANDGEPÄCK von Stefan Höfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06 Hochzeiten. Überregionale Bekanntheit erlangte das Edler-Trio durch Rundfunksendungen und Auftritte bei Bunten Abenden DAS ZAUBEREISEN in vielen österreichischen Städten. von Wolf Janscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 DIE OKARINA Unvergesslich geblieben sind auch die Tonaufnahmen des von Anton Hirschmugl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Edler-Trios. 24 Originalaufnahmen aus dem Archiv des ORF Steiermark werden mit dieser CD der Reihe Steirische Tonspuren VERKLUNGENE KINDERINSTRUMENTE wieder einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Zu von Titus J. Lantos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 hören sind u. a. die Volksweisen „Kirtags-Landler“, „Gruß LITERATURHINWEISE ZUM THEMA . . . . . . . . . . . . 20 aus den Bergen“ (Polka franzé), „Mürztaler Marsch“, „’s Mai- SUPPENKASPARS MUSIKALISCHE ESKAPADEN glöckerl“ (Mazurka) und „Almfrieden“ (Steirer) sowie „Früh- von Wolfgang Krainer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 lingszauber“ (Walzer), „Steffi-Polka“ und „Die lustigen Buam“ (Schnellpolka) von Franz Edler. INTERVIEW mit Andreas Safer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 CD Edler Trio (= Steirische Tonspuren 10) Hg. vom Steirischen Volksliedwerk AUS DER WERKSTATT GEPLAUDERT mit der Maultrommel- & Harmonikamanufaktur Schwarz . . 26 Graz 2018, 24 Titel, € 19,– / für Mitglieder € 1,– Erhältlich im Büro des Steirischen Volksliedwerks VERANSTALTUNGSKALENDER und in unserem Online-Shop Zeitschriftenmitte – Zum Heraustrennen www.steirisches-volksliedwerk.at/shop LIEDERGESCHICHTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 ( mit Hörbeispielen ) EINFACH SELBST GEMACHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 BEFREUNDETE INSTITUTIONEN „G’schichtn aus der Steirer Land“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 LEBENSBILDER IMPRESSUM: Nasenflötenbauer & -sammler Heinrich Handler . . . . . . . 34 MEDIENINHABER (VERLEGER) & HERAUSGEBER: Verein Steirisches Volksliedwerk, Sporgasse 23/III, A-8010 Graz. KURZNACHRICHTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 VORSTAND: HR DI Gunther Hasewend (Vorsitzender), Graz; OSR Franz Wolf, Markt Hartmannsdorf und Claudia Pronegg-Uhl, Leutschach (dessen Stellvertreter) sowie REZENSIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 weitere Vorstandsmitglieder: Prof. Dietmar Bresnig, Graz; LAbg. Anton Gangl, Tieschen; Robert Hafner, BA, Graz; Prof. Siegfried Greimler, Rottenmann; Bernd Prettenthaler, AUS DER OBERSTN LÅD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Stiwoll; Dr. Zuzana Ronck, Graz; Mag. (FH) Joseph Schnedlitz, Krakauebene GESCHÄFTSFÜHRUNG: Mag. Christian Hartl, MA, Eisenerz MUSIK BEIM WIRT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 ANSCHRIFT DER REDAKTION: Steirisches Volksliedwerk, Sporg. 23/III, 8010 Graz NEUES AUS DEM HARMONIKAZENTRUM . . . . . . . . 46 T: +43 (0)316 908635, F: +43 (0)316 90863555, www.steirisches-volksliedwerk.at (ZVR-Nr. 668410172) AUS DEN REGIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 REDAKTEURE: Mag. Christian Hartl, MA – M: vierzeiler@steirisches-volksliedwerk.at Johanna Trummer, BA – M: johanna.trummer@steirisches-volksliedwerk.at FLOHMARKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 MMag. Daniel Fuchsberger – M: daniel.fuchsberger@steirisches-volksliedwerk.at Florian Wimmer, MA – in Karenz UNSERE VERANSTALTUNGEN, VORSCHAU . . . . . . 0 BANKVERBINDUNGEN: HYPO Steiermark, IBAN: AT34 5600 0205 4101 7250 BIC: HYSTAT2G PREIS: Einzelpreis € 4,– (zzgl. Versandkosten) FOTOS: Steirisches Volksliedwerk, wenn nicht anders angegeben. Besuchen Sie uns auf Facebook DESIGNKONZEPT, LAYOUT & SATZ: LGBF – M: mail@lgbf.at, www.lgbf.at, Wien. www.fb.com/steirischesvolksliedwerk DRUCK: Medienfabrik, Graz. Mitglied im Österreichischen Zeitschriftenverband (ÖZV). Titelbild: Johanna Trummer Im Sinne der Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich der Sprache wurde weitgehend versucht, geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden. In die Beiträge externer Autorinnen und Autoren wurde nicht eingegriffen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Medieninhabers in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
LEITARTIKEL ls praktizierender Sänger und mente oft fälschlicherweise als Spielzeug Musikant kann ich sozusagen oder Kinderinstrumente gesehen werden, ein Lied davon singen, wie be- ist es erstaunlich, wie schön bzw. oft auch schwerlich es manchmal sein virtuos bei richtiger Handhabe und dem- kann, meine Musikinstrumente zum Auf- entsprechender Beherrschung der Instru- von Christian trittsort zu schaffen. Da die Spielstätten mente darauf gespielt werden kann. In den Hartl oft nicht nur einen Steinwurf vom Park- letzten Jahren bauen wieder viele Musik- platz entfernt sind, stellt es durchaus eine gruppen vermehrt Hosensackinstrumente körperliche, manchmal sogar eine sehr in ihr musikalisches Repertoire ein, denn schweißtreibende Herausforderung dar, durch ihre charakteristischen Klangfarben Geschäftsführer des mit der Basstuba auf dem Rücken und je- bieten sie eine willkommene Abwechslung Steirischen Volksliedwerks weils einem Koffer mit einer Steirischen für MusikerInnen und Publikum. Harmonika in beiden Händen, diese zu erreichen. Aber wie Eine Anekdote noch zur Maultrommel: heißt es so schön: Die Maultrommel kam … GANZ GROSS PORTRÄTIERT „Augen auf bei der im 14. Jahrhundert Instrumentenwahl“. nach Europa und Natürlich will ich nicht ist ein Instru- Zu Beginn verrät uns Mag. Stefan Hö- jammern, denn es hätte fel aus der Ö1-Musikredaktion in Wien beispielsweise mit Kontra- interessante Details über portab- bass, Harfe oder Klavier noch le Musikinstrumente und warum schlimmer kommen können. für die Familie Mozart ein „Cla- vierl“ (= ein tragbares Tastenin- strument) für große Reisen quer durch Europa sehr hilfreich war. Der Hosensack ist Wolf Janscha, Obmann des ös- terreichischen Maultrommelver- eins, gewährt uns einen Einblick in die voller Musik … Entstehungsgeschichte der Maultrommel und deren trance-induzierende Wirkung beim Spielen. Von der Gefäßflöte über die Entstehung der Okarina in ihrer heu- tigen Form bis hin zur Verwendung in der alpenländischen Volksmusik berichtet KLEINE, TRAGBARE, ment, das in verschiedensten Kulturen, Anton Hirschmugl, Klarinettist der Grazer BEZAUBERNDE INSTRUMENTE … auf allen Kontinenten und in vielen Mu- Philharmoniker und Volksmusikant aus sikstilen eingesetzt wird. Unter anderem Hatzendorf. Schließlich erzählt Titus J. Eine schöne Alternative zu den eben er- war sie allerdings auch ein beliebtes Ins- Lantos, Museumsgründer und -leiter des wähnten großen Instrumenten bieten de- trument beim „Fensterln“. Der Ton bzw. Kulm-Keltendorfs in Pischelsdorf, von ver- ren kleine Verwandte – die sogenannten der Klang der Maultrommel ist scheinbar klungenen Kinderinstrumenten wie dem Hosensackinstrumente. Denn Okarina, so betörend gewesen, dass die Kirche das „Steirischen Guggatz-Pfeiferl“. Maultrommel, Schwegel, Mundharmoni- kleine Instrument ab dem Jahr 1856 aus ka oder Nasenflöte finden ohne Probleme moralischen Gründen für mehrere Jahre In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß mit Platz in jeder Rock- bzw. Hosentasche, verboten hat. der vorliegenden Ausgabe des Vierzeilers sind somit leicht zu transportieren und und hoffe, dass die Reise in die Welt der können ohne viel Aufwand, wenn es ge- Wenn das kein Grund ist, das Spiel auf der Hosensackinstrumente eine spannende mütlich wird und einem der Sinn nach Maultrommel oder einem anderen Hosen- ist, und vielleicht sogar die eine oder den Musik steht, ausgepackt und gespielt sackinstrument zu erlernen, dann weiß ich anderen zum Erlernen eines dieser kleinen werden. Auch wenn die kleinen Instru- auch nicht! Musikinstrumente anregt. Der Vierzeiler 1 / 2019 3
h c NOTIERT au eR rik Ul © to Fo Hosentaschen- von Gunther Hasewend Instrumente … und noch 3 dazua! Vorsitzender des Steirischen Volksliedwerks in verschiedenen Größen und Formen von Musik-Gruppen, die „unterwegs“ sind, erfolgreich – hauptsächlich im Südsteiri- bei uns war das dann eine „Ziaga-Musi“ zu schen – vertrieben und von verschiedenen bestimmten Feiertags-Gruppierungen im n unserem heurigen Jahresprogramm Musik-Gruppen in variablen Takt-Formen Jahr! 2019 haben wir im Rückwärts-Teil angewendet. „Brauchbares suchen & finden“ die letzte 8. DIE RASCHPL-KELCHE Seite den dortigen fünf Hosentaschen- Instrumenten wie folgt gewidmet: 1. Musiklöffel 2. Nasenflöte, Diesmal in der Mehrzahl angeführt, weil 3. Mundharmonika 4. Maultrommel die fein ausgehöhlten Hartholz-Kelche 5. Schwegelpfeifen zumeist zwei- bis dreifach auf einer ge- mütlichen Holz-Halterung tonfördernd Solche „Instrumenterln“ hab‘ ich bei zart befestigt sind und mit Kugerl-Schlag- meinem Teufelsgeigen immer gern zur stöckerl zum Klingen gebracht werden abwechselnden Unterbrechung des Teu- – und das noch erweitert um das RASCH- felsgeigen-Spiels aus meiner Hosentasche PELN auf der gerillten Außenhaut der 7. DIE RATSCHN gezogen und damit zur Freude der ande- ausgehöhlten Kelche! Alles zusammen ren Mitspieler beigetragen – obwohl die- in einer weitaus milderen Tonstärke als se oft auch lauter als die Teufelsgeige sein Diese kommt dem Vernehmen nach obiges Klatschn+Ratschn! konnten. Und so habe ich vor dem Schrei- aus dem Slawischen, für uns Südstei- ben dieses NOTIERT im Weinregal neben rer demnach aus Slowenien. Sie kann in meinem Teufelsgeigen-Ständer drei wei- verschiedenen Größen und bestimmten tere „HosenTaschler“, wie nachfolgend in Holzarten gefertigt sein, sodass, wie bei der Reihenfolge ihrer Einsatzhäufigkeit der Klatsch-Harmonie, auch verschiedene beschrieben, gefunden: Lautstärken und Tonstufen entstehen. 6. DIE KLATSCH-HARMONIE Zu dieser habe ich eine besondere Be- Alle drei zusätzlichen „HosenTaschler“ ziehung, da ich sie aus meinem Heimat- sind aus Hartholz mit seinen verschie- ort ARNFELS kenne, wo sie mein Freund denen Klängen! Das entspricht sehr dem Robert EMIG – unser Friseur-Meister in Steirerland mit seinem Holz-Reichtum dritter Generation – nach früherem Ken- und seiner vielfältigen Verwendung in Ver- nenlernen in Urform vor 15 Jahren in gangenheit, Gegenwart und Zukunft! Südtirol weiterentwickelt hat. Deshalb Ratschn werden selten als Begleit-Inst- Deshalb folgende Einladung: Wer kann ist die Bezeichnung „Arnfelser Klatsch- rument, sondern eher als Einleitung oder uns noch weitere solche „Instrumenterln harmonika“ auch berechtigt und sie wird Überleitung verwendet und das meistens der Volksmusik“ bekanntgeben? 4 Der Vierzeiler 1 / 2019
1 3 2 5 4 6 Foto © Eva Heizmann UNSERE MITARBEITERINNEN & MITARBEITER 1 – MAG. CHRISTIAN HARTL, MA 4 – MMAG. DANIEL FUCHSBERGER Geschäftsführung, Redaktion »Der Vierzeiler«, Publikationen Redaktion »Der Vierzeiler«, +43 (0)316 908635 51 Publikationen, Jahresprogramm christian.hartl@steirisches-volksliedwerk.at +43 (0)316 908 635 53 daniel.fuchsberger@steirisches-volksliedwerk.at 2 – DR. EVA MARIA HOIS Archiv, Forschung, Publikationen, Liederdienst 5 – MICHAEL REITER, BA +43 (0)316 908635 5 Musik beim Wirt, Lust auf Singen, Interkultureller Musikstammtisch evamaria.hois@steirisches-volksliedwerk.at +43 (0)316 908635 54 michael.reiter@steirisches-volksliedwerk.at 3 – ELISABETH STEINBERGER Finanzen, Verwaltung, Mitglieder, 6 – JOHANNA TRUMMER, BA Kurse & Seminare, Website, Presse Redaktion »Der Vierzeiler«, Jahresprogramm +43 (0)316 908635 50 +43 (0)316 908 635 53 elisabeth.steinberger@steirisches-volksliedwerk.at johanna.trummer@steirisches-volksliedwerk.at GASTAUTORINNEN & -AUTOREN MAG. STEFAN HÖFEL WOLF JANSCHA MAG. ANTON HIRSCHMUGL SR TITUS J. LANTOS, Ö1-Musikredaktion, Wien Referent nationaler und Klarinettist der Grazer Museumsgründer und -leiter internationaler Maultrommel- Philharmoniker und des Kulm-Keltendorfs Musik im Handgepäck – kurse, Maultrommelspieler Volksmusikant, Hatzendorf in Pischelsdorf, Gesellschaft Portable Musikinstrumente (solistisch sowie bei „SuperSonus“ für Vor- und Frühgeschichte — S. 06 — und „Salon Euphonie“), Die Okarina Kulm, Pischelsdorf am Kulm Obmann des österreichischen — S. 14 — Maultrommelvereins, Wien Verklungene Kinderinstrumente. – Das steirische „Guggatz- Das Zaubereisen. – Pfeiferl“ und seine weltweiten Mythos und Aktualität Entsprechungen des Maultrommelspiels — S. 18 — — S. 10 — Die Beiträge der Autoren bringen deren persönliche Meinung zum Ausdruck und sind von der Redaktion (völlig) unabhängig.
ZUM THEMA Das Bibelregal ist eine kleine tragbare Orgel. Die beiden Bälge, in denen die Luft erzeugt wird, haben die Form dicker, zusammenklappbarer Bücher (Bibel). Man führte das Instrument gerne auf Reisen mit sich. Quelle © Friedemann Otterbach: Schönee Musikinstrumente, München 1979, S 40. von Stefan Höfel Ö1 Musikredaktion, Wien Musik im Handgepäck Portable Musikinstrumente D as Konzert ist vorbei, der Flötist „EIN ARTIGES CLAVIERL“ packt sein Instrument ein und diskutiert mit dem Sänger und der Akkordeonistin darüber, was Bei der Entwicklung von Musikinstrumen- heute hätte besser laufen können. Mitleidig ten im Vordergrund stand stets das Finden schauen alle drei zur Schlagzeugerin, zur neuer, und die Vergrößerung der Vielfalt be- Tubistin und zum Harfenisten. So oder so reits verfügbarer Instrumente. Doch schon ähnlich hat es sich wohl schon des Öfteren am Beispiel der Familie Mozart zeigt sich, zugetragen, denn spätestens auf dem Nach- wie unpraktisch große Tasteninstrumente hauseweg, da hätte jeder lieber Okarina ge- für Konzerttourneen waren. lernt ... Dieses „Problem“ gibt es natürlich nicht erst „Ich habe ein artiges heute. Seit jeher wollten Musikerinnen und Musiker ihr Instrument mitnehmen, um zu Clavierl vom H. Stein spielen, unterwegs zu üben und zu kom- in Augspurg gekauft, ponieren. Viele Instrumente sind portabel, einige von ihnen soll der folgende Beitrag welches uns wegen vorstellen. Doch wo ist die Grenze zwischen dem Exercitio auf der – im wahrsten Sinne des Wortes – noch 1 Zitiert nach: Bauer, W.A. – Deutsch, O.E.: Mozart. „er-träglich“ oder bereits nicht mehr prak- Reise grosse Dienste thut“1 Briefe und Aufzeichnungen, tisch und transportabel? Die Einschätzung Kassel 1962, S. 63. obliegt wohl dem Musikanten und der Musi- kantin selbst, denn für das eigene Instrument Diese Zeilen schrieb Leopold Mozart am nimmt gewiss jeder und jede einiges in Kauf. 20. August 1763. Bei diesem „Clavierl“ han- 6 Der Vierzeiler 1 / 2019
Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente ZUM THEMA Orphica, Glinka Museum, Moskau. Bild © Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0) delte es sich um ein Reiseklavichord. Ein MUSIKALISCH tragbares Tasteninstrument, das auf den DIE NATUR ERKUNDEN beschwerlichen Reisen, die die Familie Mo- zart durch ganz Europa unternahm, zum Üben und Komponieren sehr hilfreich war. In der frühen Biedermeierzeit änderte sich Ein Reiseklavichord besaßen zu dieser Zeit das Sozialverhalten der Menschen stark. viele Komponisten, weil es eben einfach Das Erkunden der Natur wurde ein wichti- mitgenommen werden konnte und wenig ger Aspekt des Lebens und natürlich wollte Platz brauchte. Diese Instrumente waren ein man die Musik „mitnehmen“. Problemlos ist perfektes „Komponiersystem“ für den rei- da das Singen, denn die Stimme ist ja immer senden Musiker, denn sie hatten im Inneren „dabei“. Bei anderen Instrumenten ist das na- auch Aussparungen, um ein Tintenfässchen, türlich nicht derart einfach. Folglich erlebte eine Feder und Streusand zu verankern und mitzunehmen. Im Deckel be- fand sich ein npapier eingelegt werden Fach, in dem Notenpapier zeugung erfolgte mittels konnte. Die Tonerzeugung eines Tastenhebels.. Am Ende dieses Tasten- Orphica, Museu hebels befand sich ein kleines abgeflachtes de la Música de Barcelona. Messingstäbchen, das die Saite abteilte und Bild © Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0) hwingen brachte. gleichzeitig zum Schwingen Eine Verwandte des Klavichords ist die im frühen Biedermeier das Gitarrenspiel ei- 2 Vgl.: Palmieri, R.: The Piano: Orphica. Dieses ist eine „Wiener Erfindung“, nen Aufschwung, denn dieses Instrument An Encyclopedia, Routledge/ die 1795 vom Klavierbauer Joseph Dohnal vereinte alles, was gewünscht war: geringes New York 2003, S. 253. und vom Beamten der Wiener Hofbiblio- Gewicht, nicht zu kompliziert zu erlernen, 3 Vgl.: Hackl, S.: Die Gitarre in thek Karl Leopold Röllig entwickelt wurde. zum Solospiel und als Begleitinstrument Österreich, Studienverlag, Diese Miniaturform eines Klaviers kann geeignet. Die Biedermeier-Gitarren sind klei- Innsbruck 2011. umgehängt oder auf den Schoß gelegt und ner als heutige Gitarren und der Klang ist et- gespielt werden.2 was schlanker.3 Der Vierzeiler 1 / 2019 7
ZUM THEMA Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente Amann aus Alt St.-Johann im Toggenburger MULTIFUNKTIONAL Land (Schweiz) wurde bekannt „... durch sei- ne kunstvoll geschnitzten, als Spazier- und Ebenfalls eine Blütezeit erlebten im Bieder- Bergstock verwendbaren Flötenstöcke, de- meier Instrumente mit einer Doppelfunk- ren an die Hunderte in mannigfachen Vari- tion: Die sogenannten „Spazierstockinst- ationen in die Welt hinausgingen. Sie trugen rumente“. Dieses „sentimentale“ Zeitalter den Namen ihres Verfertigers nach Italien schreibt der deutsche Musikwissenschafter und England, nach Russland und selbst nach Herbert Moeck „... scheint jenen Musikin- Amerika. Sie waren sehr gesucht und wurden strumenten sehr zugetan gewesen zu sein, teuer bezahlt.“6 Amann hat seine Stockflöten die es dem romantischen Wanderer ermög- zudem noch mit Fernrohren oder Tabakpfei- lichten, auf Natureindrücke wie das Erlebnis fen ausgestattet. eines schönen Sonnenunterganges oder das nächtliche Flüstern der Bäume und den Ge- Stockflöten werden auch „Csakan“, nach dem sang der Nachtigallen unmittelbar zu reagie- ungarischen Wort Csákány genannt, was auf ren und seinen Gefühlen in musikalischer Deutsch „Spitzhacke“ bedeutet. Ab ca. 1800 Form Ausdruck zu verleihen.“4 verbreitete sich dieses Instrument von Wien aus in der gesamten Donaumonarchie. Auf- Ein Spazierstockinstrument, das Eingang in gebaut wie eine Blockflöte und später mit ein Gedicht gefunden hat, ist die Stockflö- Klappen ausgestattet, erlebte der Csakan im te. Von ihr schreibt Ludwig Uhland in „Das 19. Jahrhundert durchaus große Rezeption. Schifflein“ im Jahr 1810: Über 400 Kompositionen für dieses Inst- rument aus den Jahren 1806–1849 sind im Druck erschienen. Ab 1820 wurde jedoch „Von seinem die Bauweise als Spazierstock immer mehr 4 Zitiert nach: Moeck, H.: Spazierstockinstrumente. Wanderstabe / Schraubt vernachlässigt. Dennoch war die Intention bei der Erfindung des Csakans ursprünglich Czakane, Englische und Wiener Flageolette. Sonderdruck Jener Stift und Habe / die Kombination von Musikinstrument und Gehhilfe bzw. Hacke.7 aus Studia Instrumentorum musicae popularis III, Und mischt mit Stockholm 1974, S. 149. Zitiert nach: Gedichte von Flötentönen / Sich in Eine Flöte hat ja bereits eine Form, die einer 5 solchen zweifachen Verwendung entgegen- Ludwig Uhland, Gotta’scher Verlag, Stuttgart 1854, S. 243. des Hornes Dröhnen.“ 5 kommt, wesentlich komplizierter war hinge- gen die Erarbeitung von Streichinstrumen- 6 ebenda ten als Spazierstockinstrument. Doch auch 7 Vgl.: Thalheimer S.: Stockflöten sind jedoch keine Erfindung des das gab es – eine Spazierstockgeige ist etwa Csakan-Musik – eine Nische im Biedermeiers, Quellen belegen deren Exis- in der Sammlung alter Musikinstrumente heutigen Blockflötenrepertoire, in: Tibia 04/2000, Moeck Verlag, tenz bis zurück ins 16. Jahrhundert. Wie be- des Kunsthistorischen Museums in Wien zu Gelle S. 288. liebt sie aber zu Beginn des 19. Jahrhundert finden. Der Korpus musste natürlich läng- waren, zeigt die Biographie eines Stockin- lich und schmaler werden und somit ist der strumentenmachers aus jener Zeit. Ulrich Klang dieses Instruments eher dünn. Wir sind in unsere neue Heimat umgezogen! • Neue & gebrauchte Harmonikas • Reparaturen. NEU: • Musikschule • Workshops • Führungen www.steirische-harmonika.at 8 Der Vierzeiler 1 / 2019
Musik im Handgepäck –Portable Musikinstrumente ZUM THEMA Bei einer Spazierstockgeige sollte es nicht von 1870–1930, als Originalkompositio- bleiben. Die kreativen Instrumentenbauer nen für dieses portable Instrument, das aus erschufen Stockklarinetten, Stockoboen, verschiedenen Materialien hergestellt wird Stocktrompeten und sogar eine Stockzither. (Ton, Porzellan, etc.), entstanden. Der Ton einer Okarina lasse „...an Reinheit und Lieb- lichkeit nichts zu wünschen übrig“ schreibt „GEH, HIASL Philipp Fahrbach senior in seiner „Anleitung NIMM D’PFEIFFN! 8 zur Erlernung des neuen musikalischen Ins- trumentes Ocarina“11. Dem entgegengesetzt Zu den portablen Instrumenten zählt auch sind die Ausführungen von Curt Sachs, der die Schwegel – hierzulande als Seitlpfeife die Okarina als Instrument bezeichnet, das bekannt. Diese zumeist mit sechs Grifflö- in „niederen Dilletantenkreisen eine ge- chern ausgestattete Querpfeife ist der heu- wisse Beliebtheit“ genieße und tigen Querflöte ähnlich. In den oberen Re- de deren Klang er als „...flach und gistern ist der Klang der Schwegel besonders s stumpf“ charakterisiert.12 Die- Stockflöte, gebaut durchdringend und aufgrund des geringen ses heute noch in der alpen- von Stephan Koch (Wien), Gewichtes kann sie problemlos mitgenom- ländischen Volksmusik sehr Mitte 19. Jahrhundert, men werden. Natürlich ist die Auswahl dess beliebte Instrument wird in befindlich im Österreichischen richtigen Holzes von hoher Wichtigkeit. t. dies Vierzeiler-Ausgabe in einem dieser Blasmusikmuseum Oberwölz. Ahorn-, Eiben-, Zwetschken-, Birnen- oder er weit weiteren Artikel genauer vorgestellt. Bild © Rudolf Gstättner Dirndlbaumholz eignen sich dafür am bes- s- ten. Nach dem Schlagen des Baumes sollte te „MAULTRUMBLMACHER“ es zumindest drei Jahre trocknen. Zahlreiche alte Weihnachts- und Alm- m- Anfa Anfang des 19. Jahrhunderts wur- lieder bezeugen die Beliebtheit der er den in Molln in Oberösterreich über Schwegel und das hat mehrere Gründe, de, dreiß Meisterbetriebe für Maultrom- dreißig wie der Biografie des berühmten Ins- ns- melh melherstellung gezählt. Heute hat sich trumentenbauers Hausa Schmidl zu dies Zahl freilich verringert. Das nach- diese entnehmen ist: „Es gibt kaum ein an- folge folgende Gstanzl zeigt, dass die Kunst des deres Musikinstrument, das so billig lig Mau Maultrommelspiels auch für das „Fenster- ist, einen Tonumfang von zweieinhalb alb z ln“ zuträglich war: „Znaxt hab i amol Trum- Oktaven hat, so unempfindlich in mel zupft zwischen die Zähnd, da is glei mei der Behandlung ist, und doch so viel Dian zum Fenster her g’rennt.“ Genaueres Diandl Freude bereiten kann, als gerade die hier hierzu ist in der Liedergeschichte dieser Schwegel.“9 Schmidl baute bis zum um Vie Vierzeiler-Ausgabe (ab S. 28) nachzulesen. zweiten Weltkrieg Schwegeln in unterschiedlichen Lagen und erst rst Vi Viele portable Instrumente gäbe es noch, mit der steigenden Beliebtheit der di an dieser Stelle nicht genannt werden die Blockflöte fing sein Geschäft an n k können. Darunter Nasenflöte, Teufelsgeige, 8 Text des Weihnachtsliedes: zu stocken. „Von 1938 an wurdee N Nagelgeige, Mundharmonika, Akkordeon, „Die Himmelslucka“ Österreich dann mit Blockflöten n u.v.m. – die Abgrenzung von Instrumenten, 9 Zitiert nach: Benedikt, E.: überschwemmt. Von der Hand-- die leicht mitzutragen sind, zu jenen, die als Zur Geschichte der alpenländi- werkskammer Klagenfurt wurde zu schwer gelten, ist gar nicht so einfach. schen volkstümlichen Querpfeife mir geraten, meine Erzeugung Denn die eingangs erwähnte Tuba ist ja ein und anderer Flöten, in: Tibia 7/1982, Moeck Verlag, Gelle S.18. einzustellen, weil mich die deut- Teil der Marschmusik und somit für das Spiel sche Konkurrenz doch erdrü- in Bewegung vorgesehen. Darüber hinaus ist 10 Ebenda. S. 17f cken wird.“10 schrieb Hausa Musizieren heute generell äußerst portabel 11 Fahrbach, Ph.: Anleitung zur Schmidl in einem Brief. geworden. Auf dem Mobiltelefon ist es dank Erlernung des neuen italienischen unterschiedlicher Apps problemlos möglich, Musikinstrumentes Ocarina, Fiehn o.J., S. 2. Kontrabass, einen Bösendorfer-Flügel oder „TON AUS TON“ 12 Zitiert nach: Hirschmugl, A.: sogar Orgel zu spielen. Doch um die Zunft Die Okarina, in: Sätze der Instrumentenbauer muss man sich kei- und Gegensätze. Beiträge Ein anderes kleines Blasinstrument, das ne Sorgen machen – der Klang eines Smart- zur Volkskultur 8/1998, sogar derart kompakt gebaut werden kann, phones wird sich im Gasthaus beim „Bradln“ Weishaupt Verlag, S. 9. dass es „Hosensackinstrument“ genannt und im Konzerthaus wohl nie gegen seine wird, ist die Okarina. Ihre Blütezeit war ca. akustischen Pendants durchsetzen ... Der Vierzeiler 1 / 2019 9
ZUM THEMA von Wolf Janscha Referent nationaler und internationaler Maultrommelkurse, Maultrommelspieler (solistisch sowie bei „SuperSonus“ und „Salon Euphonie“), Das Zaubereisen Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels Obmann des österreichischen Maultrommelvereins Wer gab Ihm dieses Zaubereisen? Dieses Gedicht wurde für Franz de Paula Wer weihet seinen ird‘schen Mund? Koch (1761–1831), einen österreichischen Horcht! Das sind ja des Himmels Weisen! Maultrommelvirtuosen aus Mittersill/Salz- burg geschrieben. Was hat den deutschen Mit Geistern steht der Mensch im Bund. Dichter bewegt, dass er in so faszinieren- Seht Ihr sie nicht in lichten Kreisen, der Weise von seinem Spiel berichtet? Was ist dieser Zauber im Eisen? Was könnte des rührt er sein Spiel zur ernsten Stund‘? Mundes Weihe bedeuten? Was haben Geis- Ja, solche Töne wohl hört klingen, ter und Töne, wie von Engelsschwingen, mit der Sterbende, der leise spricht: Maultrommelspielen zu tun? Zuletzt ver- klärt der Klang beim Hören sogar im Ange- „Ihr Freunde, hört Ihr auch dies Singen?“ sicht des Todes ...? Die Freunde aber hören‘s nicht. Er spricht: „Es tönt wie Engels Schwingen“, Für mich ist Kerners Gedicht nicht nur Poe- und stirbt, Verklärung im Gesicht. sie, sondern auch inhaltlich eine treffende, tiefgründige Beschreibung der Maultrom- — Gedicht von Justinus Kerner, 1826 mel. Um die vielfältigen Bedeutungen em- por zu holen, müssen wir in der Geschichte noch viel weiter zurückgehen: ZUM KLINGENDEN KREISEL WERKSTATT FÜR RESONANZ- UND Die Maultrommel ist eines der ältesten Inst- ROTATIONSKÖRPER rumente der Menschheit, reicht sie in ihren Anfängen doch bis zur Jungsteinzeit zurück. Damals, wie auch heute noch in Südostasien, Kontakt & Websites: Jakob & Susanne Schaff wurden Maultrommeln aus Knochen, Bam- wolfsonium@gmail.com Triebendorf 11, 8850 Murau bus oder anderen elastischen Hölzern ge- +43 664 738 256 80 www.wolfsonium.com RIͤFH#NOLQJHQGHUNUHLVHODW schnitzt. Die Maultrommel so wie wir sie www.fb.com/SUPERSONUS kennen wurde um 800 v.Chr. in Zentralasien www.facebook.com/ entwickelt. Sie ist das einzige Instrument, maultrommelverein welches aus Eisen geschmiedet wird, und bis heute blieb das Bauprinzip gleich: Es besteht aus einem Bügel, der zum Halten dient, und 10 Der Vierzeiler 1 / 2019
Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels ZUM THEMA einer schwingenden Lamelle, die den Ton er- zeugt. Damals war das Schmieden ein alche- mistischer Akt, der geheimnisumwoben und ebenso mit strengen moralischen Pflichten 2. Der Rhythmus: Wie bei al- len Rhythmusinstrumenten erweckt ein steter Puls archaische versehen war. Schmiede waren stets auch Körpersensationen und Trancen. Schamanen – hoch angesehene, aber oft Rhythmos (altgriechisch) bedeutet auch gefürchtete Mitglieder der Gemein- „das Fließen“ und bringt den Spie- schaft. Man schrieb Ihnen Zauberkräfte zu ler in eine Erfahrung von konzen- und glaubte, dass sie ihr Wissen um die Me- trierter, ausgerichteter Aufmerk- tallverarbeitung von den Göttern und Geis- samkeit auf das Hören und Fühlen tern erhalten haben mussten! von Bewegungen. Die damit einher- gehende sensorische Deprivation Unter diesem Aspekt erscheint es umso logi- anderer Sinneskanäle ermöglicht scher, dass seit jeher die Maultrommel eine ein Eintauchen in die Trance. magische Aura umgab. Sie ist das Instrument 3. Die Atmung: Die Maultrom- mel ist eines der wenigen Aerophone, bei dem man beim mit der Stimme Spielen sowohl ein- als auch aus- atmet. Diese Atmung hat eine in- der Anderswelt, geboren tensive Wirkung auf Körper und Geist, ähnlich den indischen Atem- aus der Alchemie des übungen beim Yoga (pranayamas). Feuers und des Wassers, behaucht durch den Spieler, 4. Die Obertöne: Die Maul- trommel ist das Instrument, auf dem die meisten Obertöne der ihr Töne entlockt, gespielt werden können (später die zu eben jener „anderen dazu noch mehr). Das Lauschen dieser markanten Töne schafft ei- Welt“ eine Verbindung nen inneren Raum, der eine starke Trance durch Bewusstseinserwei- schaffen können: terung verursachen kann. ein Zaubereisen … In diesem schamanischen/rituellen Kon- 5. Die Intention: Durch die innere Achtsamkeit und das Fokussieren auf das Erleben kann, text wird die Maultrommel auch heute noch je nach Qualität des Spielens, eine gespielt: in Zentralasien (Republik Sacha- breite Palette an Trancen einge- Jakutien, Mongolei, Tuva, Kirgistan etc.), leitet werden – von ekstatischem Indien (Rajasthan, Kerala) und Südostasien Körpererleben über eine Art luzi- (Indonesien, Bali, Vietnam). den Bewusstseinszustand bis zu einer tiefen Meditation. Die Ab- Dies liegt vor allem an der Trance-induzie- sicht ermöglicht es dem Spieler renden Wirkung beim Spielen, die aber auch auch, die Tiefe der Trance zu abseits indigener kultureller Prägung erlebt bestimmen. werden kann. Es sind folgende Elemente, die diese verursachen: Die Verbindung dieser fünf Elemente – 1. Der Bordun: Durch das gleichmäßige, wiederholte Anschlagen der Feder entsteht ein zusätzlich zu seiner mythisch-symboli- schen Herkunft – ist der Grund, warum die Maultrommel als rituelles Werkzeug (Instru- Dauerton (Bordun). Dieser wirkt ment) eingesetzt wird. stark fokussierend auf den Spieler und nach längerer Zeit „einlullend“. Ich möchte nun näher auf den vierten Punkt eingehen, da die Maultrommel ein typisches Obertoninstrument ist. Der Vierzeiler 1 / 2019 11
ZUM THEMA Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels Grundton und mitschwingende Obertöne bilden die Teiltonreihe nur verstärkt werden können, wenn durch SPIEL MIT OBERTÖNEN die Maultrommel geatmet wird – und andere wiederum werden unbehaucht gespielt. Dies Wenn weißes Licht durch ein Prisma fällt, setzt ein hohes Maß an Kenntnis der Ober- werden die Spektralfarben für uns sichtbar tonreihe voraus. Zur Veranschaulichung soll – ebenso existiert auch in einem einzelnen das nachstehende Diagramm dienen: Ton eine Vielzahl an Obertönen. Diese sind für die charakteristische Klangfarbe von In- Je nach Größe der Maultrommel kann vom strumenten und der menschlichen Stimme 3. bis zum 32. Teilton (manchmal sogar dar- verantwortlich. Normalerweise kann man über hinaus) jeder einzelne exakt angespielt Obertöne nicht kontrolliert anspielen: au- werden. Der 1. Teilton (also der Grundton) ßer mit Obertoninstrumenten wie dem Did- und der 2. (die erste Oktave darüber) können geridoo, dem Alphorn, dem Mundbogen, nicht gespielt werden, da der Resonanzraum der Maultrommel und dem Obertonsingen größer sein müsste, als die anatomischen sowie einiger spezifischer Instrumentalmu- Gegebenheiten des Mund- und Rachenrau- siktechniken (wie z.B. dem Flageolette bei mes. Das bedeutet auch, dass der Klang der Saiteninstrumenten). Maultrommel ausschließlich aus Obertö- nen besteht. Durch das psycho-akustische Wie entstehen nun die Obertöne? Technisch Phänomen des Residuums (auch Residualton betrachtet fungiert beim Maultrommelspie- genannt) vermag das Ohr aufgrund der ge- len der Mund- und Rachenraum als Prisma. hörten Obertöne den jeweiligen dazu pas- Obertöne werden in diesem Sinne nicht senden Grundton im Ohr „dazuzurechnen“! „produziert“, sondern vom Spieler bloß ver- Das heißt, wir hören bloß Obertöne, erken- stärkt. Sie sind naturgegeben immer schon nen aber dennoch einen Grundton, obwohl im Ton vorhanden und bekommen nur den dieser gar nicht erklingt. Resonanzraum, den sie benötigen, um zu er- klingen – ähnlich wie beim Formen von Vo- Dieses Phänomen ist für die sogenannte kalen. Dies denke ich, wäre im Gedicht mit Wechseltechnik von entscheidender Bedeu- der „Weihe des ird‘schen Mundes“ gemeint: tung, da erst dadurch ein funktionsharmoni- sches Spiel im Sinne von Akkorden möglich wird. Diese Technik entstand im 18. Jhdt. in Der Mund wird Österreich und ist durch die vier klassischen Konzerte für Maultrommel und kleines Or- durch das Spielen chester von Johann Georg Albrechtsberger ein geweihtes Gefäß belegt. Diese wurden für Bruno Glatzl, einen Benediktinerpater im Stift Melk, der offen- für überirdische Klänge! sichtlich die Wechseltechnik meisterhaft beherrschte, komponiert. Die Einzigartigkeit dieses Maultrommelstils und seiner Technik Natürlich ist es dann in der Praxis doch et- bezeugt auch die Aufnahme in die Liste des was komplizierter, als die soeben dargelegte immateriellen Kulturerbes der UNESCO im Metapher. Wenn man exakte Melodien auf Jahre 2012. einer Maultrommel intonieren möchte, be- nötigt man nicht nur ein ausgesprochen fei- Auch Franz de Paula Koch, so wird überlie- nes (trainiertes) Gehör, sondern muss zudem fert, spielte mit der Wechseltechnik und fas- genau wissen, mit welcher Spieltechnik die zinierte mit seinem Spiel nicht nur Dichter Obertöne angespielt werden. Denn manche und Adelige in ganz Europa. Man kann sich davon werden behaucht – das heißt, dass sie die Technik so vorstellen: 12 Der Vierzeiler 1 / 2019
Das Zaubereisen – Mythos und Aktualität des Maultrommelspiels ZUM THEMA mit im Stil der österreichischen Volksmusik bzw. klassischen Musik spielen. ERFOLGSGESCHICHTE MAULTROMMEL Es ist mir wichtig, dass man hier nicht zu fal- schen Schlüssen kommt: Der österreichische Maultrommelstil ist keineswegs der „besse- re“ oder gar virtuosere, höher entwickelte Spielstil, im Vergleich zu anderen! Jede Kul- tur hat ihre eigenen Techniken und speziel- len Maultrommeln entwickelt, um in dem jeweiligen Stil musizieren zu können. Ob z.B. der norwegische, sehr melodische Bor- dunstil, der hoch diffizile rhythmische Stil der Inder oder der jakutische Stil, der klang- malerisch und tief in schamanischen Kon- texten verwurzelt ist – sie alle zeugen von einer hoch entwickelten Musikalität und Kreativität. Spätestens wenn man versucht, Stücke aus indigenen Kulturen nachzuspie- len, wird einem bewusst, dass man mit einer „Wechseltechnik“ sehr schwierigen Aufgabe konfrontiert ist. Allen voran ist es die kulturelle Prägung, wie Der Spieler schraubt mittels Holzklammern wir Musik hören und verstehen, die es fast exakt gestimmte Maultrommeln übereinan- unmöglich macht, in anderen traditionellen der, sodass er mehrere Instrumente in einer Stilen zu musizieren. Im besten Fall imitie- Hand halten kann. Virtuosen spielen – dann ren wir und verwenden Spieltechniken in ei- mit Maultrommeln in beiden Händen – bis nem eklektischen Sinn. Dies ist mittlerweile zu zehn oder mehr Instrumente, wenn die zu einem eigenständigen musikalischem Idi- Musik es erfordert! Und genau das ist der om der Maultrommelkunst geworden. Für entscheidende Punkt: mich ist das ein positiver Einfluss der Globa- lisierung, da dadurch – frei von bestehenden Die Wechseltechnik wurde nicht entwickelt, Traditionen – völlig neue Herangehenswei- um es dem Spieler schwerer zu machen und sen zum Instrument entstehen können. Die ihn besonders virtuos erscheinen zu las- Maultrommelzunft ist lebendiger denn je: Es sen, sondern um im musikalischen Kontext gibst neben traditionellen Schmieden zahl- der Stufenharmonik mitspielen zu können. reiche neue, die mit Hi-Tech-Methoden un- Erinnern wir uns: Die Maultrommel ist ein glaublich gute Maultrommeln produzieren, Borduninstrument und die Obertöne fol- ebenso gibt es zahlreiche, fantastische Spie- gen einer ganz eigenwilligen Struktur. Ei- ler, die die Maultrommel in unterschiedli- nige der Töne sind ekmelisch, was bedeutet, chen Genres einsetzen: von Pop/Rock, Tech- dass sie außerhalb unseres gebräuchlichem no, über Jazz und Country, Welt-Musik bis Stimmsystems liegen – wenn diese Töne zu hin zu Klassik und zeitgenössischer Musik. wohltemperierten Instrumenten dazu ge- spielt werden, klingen sie oftmals nicht in- Die Faszination der Maultrommel bleibt toniert (was durch Spieltechnik auch nicht seit der Steinzeit ungebrochen, vielleicht, verändert werden kann). Um dies auszu- weil man sie im Hosensack mitführen kann, gleichen, verwendet man die Wechseltech- wahrscheinlich auch, weil sie ein lebendiges nik, denn sie ermöglicht eine Imitation der Musikfossil ist und uns an unsere archai- temperierten Stimmung, da die Grundtöne schen Wurzeln erinnert ... (eigentlich Oberton-Oktaven) der verschie- denen Maultrommeln zueinander wohltem- ... vor allem aber, weil sie Spielende wie auch periert gestimmt werden. Zusammen lässt Zuhörende mit ihrem Klang verzaubern sich dann problemlos zu Akkorden und da- kann! Der Vierzeiler 1 / 2019 13
ZUM THEMA Foto © Martina Unterrainer von Anton Die Okarina Hirschmugl Klarinettist der Grazer Philharmoniker & E Volksmusikant, Hatzendorf ines gleich vorweg: Die Okarina der Name Okarina ab, denn das italienische wird zwar den Hosensackinstru- Wort „oca“ bedeutet Gans. menten zugerechnet, aber nie- mand, der sein Instrument liebt, Auch wenn es Gefäßflöten aus Ton schon wird eine Okarina ungeschützt in die Ho- sehr lange gibt, kann man den Italiener Giu- sentasche stecken, es sei denn, sie ist aus seppe Donati aus Budrio, einer kleinen Stadt Plastik, Metall oder Holz. Zumal die meis- in der Nähe von Bologna, mit Recht als Er- ten, und vor allem die gut klingenden Oka- finder der Okarina bezeichnen. Er war der rinen, aus Ton gefertigt sind, ist es dringend erste, der der Okarina eine feste Tonhöhe zu empfehlen, sie entweder mit einem Band und Form gab, der erste, der sie in der noch zu versehen und um den Hals zu hängen, heute hauptsächlich gebräuchlichen Art oder sie in einer schützenden Box zu trans- und Weise baute: Rübenförmig, waagrecht portieren. gehalten und unter Verwendung aller zehn Finger. 1863 gab es bereits das erste Kon- Aber wo kommt die- zert eines Okarinaensembles, bestehend ses süße Pfeiferl nun aus mehreren unterschiedlich großen eigentlich her? Die Okarinen in zwei abwechselnden Okarina ist eine Gefäß- Stimmungen (vergleichbar Okarina flöte, das Prinzip der To- mit einem Saxophonor- von Kurt Posch nerzeugung ist ein sehr chester). Wenn man Foto © Anton Hirschmugl einfaches und es genügt bedenkt, dass zu die- dafür, salopp formu- sem Zeitpunkt bereits liert, ein Hohlraum mit 2 verschieden große, nahe beieinander liegenden gut gestimmte Instru- Löchern. Dementsprechend mente existierten, muss gab es erste, der Okarina die Erfindung einige Jahre Okarina ähnliche Instrumente in zuvor stattgefunden haben. aus der Zwischenkriegszeit, China bereits vor un- Firma EWA aus Wien gefähr 5000 Jahren, Ab 1863 verbreitete sich die Foto © Anton Hirschmugl gemacht meist aus Okarina wie ein Lauffeuer, schon Tierknochen, später nach kurzer Zeit gab es in Italien dann auch aus Ton. Ir- mehrere Erzeuger und als das Oka- dene Gefäßflöten in Tierform, sei es als rinaensemble aus Budrio Konzertrei- Lockinstrument für Vögel oder als Spiel- sen durch ganz Europa machte, löste es zeug, waren auf diversen Jahrmärkten des mit seinem Auftritt bei der Weltausstellung Mittelalters vor allem in Italien zu finden. 1873 auch in Wien einen regelrechten Boom Von diesen tönernen Tieren leitet sich auch aus. Innerhalb kurzer Zeit gab es mehrere 14 Der Vierzeiler 1 / 2019
Die Okarina ZUM THEMA Okarinabauer in der Kaiserstadt, der erfolg- einer Okarina nicht dynamisch spielen kann, reichste von ihnen war Heinrich Fiehn, der das heißt, man kann die Lautstärke nicht än- in Zusammenarbeit mit dem Kapellmeister dern, ohne dass sich auch die Tonhöhe än- Philipp Fahrbach sen. die erste österreichi- dert. Je lauter man hineinbläst, desto höher sche Okarinaschule herausgab. Der Okarina- wird sie, und dadurch klingt ein Okarinaen- boom hatte seinen Höhepunkt Ende des 19. semble ähnlich wie eine Drehorgel, weil in- Jahrhunderts, als das Instrument weltweit tonationsbedingt Beginn und Ende der To- verbreitet war, und ebbte bis zum Ende des nerzeugung nur abrupt möglich sind. Diese Zweiten Weltkriegs fast vollständig wieder Nachteile wiegen in der Volksmusik nicht ab. Einen letzten Popularitätsschub gab es so schwer und umso verwunderlicher ist es, 1939 in den USA durch den Entertainer Bing dass es so lange gedauert hat, bis der lieb- Crosby, der die in Amerika auch gerne „sweet liche Okarinaklang die Welt der alpenländi- potatoe“ genannte Flöte in seinem gleichna- schen Volksmusik erobert hat. migen Song „When the sweet potatoe piper plays“ verwendete, und als Folge davon war Budrio ist der einzige Ort, an dem die Oka- die Okarina ein beliebtes Instrument bei den rina seit ungefähr 160 Jahren eine durch- Soldaten der US-Army. gehende Tradition hat. Seit der Erfindung durch Donati gibt es hier so gut wie unun- terbrochen Hersteller, Spieler und Ensemb- KLEINES INSTRUMENT les. Der aktuelle Okarinabauer der Stadt ist IN GROSSEN WERKEN Fabio Menaglio und es gibt mehrere aktive Ensembles mit bis zu acht OkarinaspielerIn- Einige wenige große Komponisten haben nen, die auf seinen Instrumenten spielen. die Okarina in ihren Werken verwendet, so Dieser nie erloschenen Glut der Okarinalie- etwa Leos Janacek in seinen Kinderreimen be in Oberitalien ist es zu verdanken, dass (ein Indiz dafür, dass in der Zwischenkriegs- der Funke schließlich doch auf die Volksmu- zeit die Okarina als Kinderinstrument im sik des Alpenraums übergesprungen ist. tschechischen Raum verbreitet war), George Gershwin für acht Takte im Musical „Crazy for You“ (geschuldet vermutlich dem kurzen, von Bing Crosby ausgelösten Okarinahype in den USA vor dem Zweiten Weltkrieg) oder 9Z6KZKX,XKOKTYZKOT György Ligeti in seinem 1986 uraufgeführten Konzert für Klavier und Orchester. Originalton Ligeti: :(/70(,67(56&+$)7 gVWHUUHLFKLVFKH „Ich liebe Okarinen, weil 6WDDWVPHLVWHUVFKDIW sie so schlecht stimmen“ IU6WHLULVFKH+DUPRQLND XQG(ULFK0RVHU*HGHQNZHWWEHZHUE 0DL±-XQL Insgesamt ist das eine sehr überschaubare „Ausbeute“ bei der Vielzahl an Kompositio- nen, die es gibt, daher stellt sich die Frage: Warum konnte sich die Okarina in der erns- LQ6W3HWHU)UHLHQVWHLQ6WHLHUPDUN ten Musik nicht durchsetzen, obwohl sie einen süßen, lieblichen Klang hat und auch 5DKPHQSURJUDPP *UHQ]ODQGFKRU$UQROGVWHLQ in großen Höhen nicht schrill klingt? Zum 6RQGHUJDVWVSLHO 'LH,QQVEUXFNHU%|KPLVFKH einen liegt das sicher am begrenzten To- numfang. Ein Überblasen ist auf der Okarina sehr schwer bis gar nicht möglich und daher ,QIR ist der Umfang, bedingt durch die mensch- *RWWIULHG+XEPDQQ liche Fingeranzahl, auf eine Undezime be- 7HO schränkt. Der zweite, noch gravierendere 0DLOJRWWIULHGKXEPDQQ#DRQDW Grund, weshalb sie nicht E-Musik-tauglich ist, dürfte der Umstand sein, dass man auf Der Vierzeiler 1 / 2019 15
ZUM THEMA Die Okarina OKARINA UNTERS VOLK GEBRACHT Als Pionier der Okarina in der Volksmusik gilt der Musikant Franz Kofler aus Kloben- stein in Südtirol. 1954 lernte er im Alter von zwölf Jahren beim Lengmooser Pfarrer Jo- hannes Spitaler Gitarre und Blockflöte und entdeckte dabei in dessen Schublade eine Okarina. Spitaler schenkte sie ihm und be- reits in seiner ersten Volksmusikformation, den „Rittner Buam“, spielte er neben Kla- rinette, Steirischer Harmonika, Saxophon und Kontrabass immer wieder die Okarina. 1962 erwarb er von Emilio Cesari, einem Okarinabauer aus San Remo, der aus Alters- gründen die Produktion einstellte, elf Inst- rumente und von da an traten die „Rittner Buam“ auch als Okarinaquartett auf. Wirk- lich durchzusetzen begann sich die Okarina ab 1984, als Kofler erstmals bei einem Se- minar Okarina unterrichtete und ab diesem Zeitpunkt dauerte es nur wenige Jahre, bis die Okarina bei keinem Volksmusikseminar mehr fehlen durfte. Franz Kofler ist übrigens mit der „Rittner Klarinettenmusig“ bis zum heutigen Tag musikalisch aktiv. Okarinabaukurs des Steirischen Volksliedwerks Bald war die Okarina weit verbreitet und es Selbstbaukursen eng mit ihm zusammen. gab nicht nur Spielseminare sondern auch Weitere Okarinabauer sind der pensionierte Selbstbaukurse, als Pionier in dieser Hin- Musikschullehrer Hans Maier aus der Stei- sicht gilt der Vorarlberger Volksmusikant ermark, der bei einem Okarinabaukurs mit und Okarinabauer Kurt Posch. Für einiger- Kurt Posch dazu inspiriert wurde, und der maßen handwerklich Begabte, die ein Ge- Südtiroler Georg Plaschke, der bereits in fühl für den Umgang mit Ton haben, ist es zweiter Generation Okarinen herstellt, sein keine große Schwierigkeit sich eine Okari- Vater Josef Plaschke begann in Zusammen- na selbst zu bauen, sofern man nicht allzu arbeit mit Franz Kofler 1963 mit der Produk- große Ansprüche an die Qualität stellt. Für tion. Instrumente, die auch bei den höchsten Tö- nen gut klingen und vor allem gut stimmen Eine Vielzahl von VolksmusikantInnen hat braucht man sehr viel Fingerspitzengefühl. mittlerweile Stücke für die Okarina adaptiert Kurt Posch hat eine Selbstbauanleitung auf oder auch dem Instrument auf den „Leib“ ge- seiner Homepage veröffentlicht. Die von ihm schrieben. Dazu gehören, unter vielen ande- gebauten Instrumente sind sehr hochwertig ren, Elke Margetich und Sewi Krammer aus und innovativ. So baut er zum Beispiel auch der Steiermark, Gernot Niederfriniger aus Instrumente, bei denen er den höchsten Ton Südtirol, Brigitte Dumfart und Franz Mein- durch den Leitton unterhalb des Grundtons gassner aus Oberösterreich oder Sigi Ram- ersetzt, ein kleiner (Halbton-)schritt mit stötter aus Bayern. großer Wirkung, ist man doch melodisch da- durch um einiges wendiger. Abseits der Volksmusikszene ist der Oberös- terreicher Hans Rotter ein sehr umtriebiger Die Steirerin Simone Prein, Geigerin und Okarinabauer. Von ihm gibt es Instrumente Volksmusikantin, hat in Zusammenarbeit in allen erdenklichen Stimmungen und auch mit dem Okarinabauer Kurt Posch unter an- Doppel-, Tripel- und Quadrupelokarinen, auf derem eine moderne Okarinaschule heraus- diese Weise werden bis zu vier verschiedene gebracht und arbeitet auch bei den diversen Stimmungen in einem Instrument verpackt. 16 Der Vierzeiler 1 / 2019
Die Okarina D ZUM THEMA Fazit ist, die Okarina Instrumente t aus K Karton t von David D id Liggins Li i sorgt immer wieder für fü (cardocs) Foto © Anton Hirschmugl positive Überraschungen, Ein sehr erfolgreiches Projekt mit dem Ziel, wenn sie spontan aus die Okarina in den elementaren Schulun- dem Hosensack terricht zu integrieren, betreibt gemeinsam (gut verpackt, wie gesagt …), mit seiner Familie schon seit über 30 Jah- der Jackentasche oder ren der Engländer David Liggins. Mit einer vom englischen Okarinabauer John Taylor dem Instrumentenkoffer 1963 entwickelten, eiförmigen Okarina mit gezaubert wird. Vierlochsystem, die eine ganze Oktave an Tonumfang abdeckt macht er Workshops an War sie in den Jahren 1870 bis 1945 das In- Schulen und bringt die Kinder in kürzester strument der bürgerlich-städtischen Laien- Zeit dazu, gemeinsam zu musizieren. Er ver- musiker, so ist mit Franz Kofler um 1960 die wendet dabei vor allem für die unteren Klas- große Zeit der Okarina in der alpenländi- sen Instrumente aus Plastik und hat auch schen Volksmusik angebrochen. Sie ist eine eine Okarina aus Karton zum Selbstbasteln echte Bereicherung und sorgt gemeinsam entwickelt, die erstaunlich gute Klangergeb- mit den anderen Hosensackinstrumenten nisse bringt. Der aktuelle Erzeuger der engli- für die Würze auf jeder Volksmusikveran- schen eiförmigen Okarina ist John Langley. staltung! Der Vierzeiler 1 / 2019 17
ZUM THEMA von Titus J. Lantos Museumsgründer und -leiter Verklungene des Kulm-Keltendorfs in Pischelsdorf, Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte Kulm, Pischelsdorf am Kulm Kinderinstrumente Das steirische „Guggatz-Pfeiferl“ und seine weltweiten Entsprechungen D ass in unserer techniküberfrach- waren. Dass die 1760 entstandene „Kinder- teten Welt alte Handwerke von symphonie“ Leopold Mozarts neben Kinder- der Bildfläche verschwunden trompeten, Ratschen und Trommeln auch sind, müssen wir als negativen Kuckucks- und Wachtelrufe verwendet, ist „Zug der Zeit“ zur Kenntnis nehmen. So ist kein Zufall, waren die tönernen Pfeiftiere als auch durch den Materialwechsel vom irde- Spielzeug bereits in Indien und Mesopota- nen Gebrauchsgeschirr zum Edelstahl- und mien vor 3000 Jahren gebräuchlich und in Plastik-Küchengerät der ehrsame Beruf des Deutschland seit dem 16. Jahrhundert be- Töpfers ins Kunsthandwerk abgedrängt wor- legt. Eine zeitgenössische Kopie der Partitur den. Dass aber die Hafner jahrhundertelang L. Mozarts bezeichnet das Werk auch als als Nebenprodukt auch keramische Pfeiffi- „Sinfonia Berchtoldsgadensis“, da Berchtes- guren als Kinderspielzeug hergestellt und gaden damals als Hochburg der südeuropä- bei Wallfahrtsorten oder Jahrmärkten ange- ischen Spielzeugmanufaktur galt. boten haben, gerät dabei genauso in Verges- senheit wie die damit verbundene musikali- VERKÜNDER sche Früherziehung der Kinder. DES FRÜHLINGS EIN BLICK Dass Pfeiffiguren, besonders Tonvögel, im IN DIE VERGANGENHEIT Brauchtum des Jahres integriert waren, muss erwähnt werden. Und da der Kuckuck Und wenn heute tönerne Gefäßflöten auch als Verkünder des Frühlings galt, war das 1 Gerd J. Grein, Eleonore Jüngling, Albert Jüngling: Pfeiffiguren aus in Tier- und Menschenform nur mehr in Me- Kuckuckspfeiferl in der europäischen Volks- Europa (= Sammlungen zur Volks- xiko, Peru oder sporadisch auf balkanischen kultur weit verbreitet. Dass man dabei den kunde in Hessen 21), Museumska- und südeuropäischen Märkten angeboten Namen des tönernen Instruments entwe- talog, Otzberg-Lengfeld 1981, S. 2. werden, ist die Beschäftigung mit diesen ur- der vom Kuckucksruf oder lautmalend vom 2 Dieselben: S. 8. tümlichen Tongeräten lediglich ein Blick in Pfeifton ableitet, leuchtet ein. So nannte 3 Brief des Steirischen Volkskunde- die Vergangenheit. Gelegentlich finden wir man die kleine Vogelpfeife in der Schweiz museums, Graz, vom 10.10.1978. Gefäßflöten oder Wasserpfeiferl als Orches- „Pfingstgugger“, im Elsaß „cocou“, in Nor- terinstrumente, vor allem im Rokoko, wo wegen „Gauck“ (mhd. „gouch“ = Kuckuck), naturnachahmende Tonerzeuger in Mode die Ungarn hießen das Pfeiferl „sip“, die 18 Der Vierzeiler 1 / 2019
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