GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD

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GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
Der Öffentliche Dienst aktuell                                  Ausgabe 7 / November 2018   7 4,50

                                                                                                                                      INFORMATION AUS ERSTER HAND
◆ Österreichische Post AG – MZ 03Z035300 M – GÖD, Teinfaltstraße 7, 1010 Wien ◆ nicht retournieren

                                                                                                      ^

                                                                                                                               Spitzenleistungen im Öffentlichen Dienst

                                                                                                                           +++ GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET +++
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
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                                                  Dam
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GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
EDITORIAL

GESCHÄTZTE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN!

Österreich steht gut da. Und das kann man nicht oft genug betonen. Im weltweiten Standortranking
des World Economic Forum liegen wir aktuell bei der makroökonomischen Stabilität auf dem Spit-
zenplatz 1, Bestwerte gibt es hier für unser Land auch bei den Arbeitnehmerrechten. Was die Lebens-
qualität betrifft, stellt uns die Boston Consulting Group im internationalen „Sustainable Economic
Development Assessment“ (SEDA) ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Österreich liegt hier unter 162
Ländern auf dem hervorragenden 4. Platz hinter Norwegen, der Schweiz und den Niederlanden. Die
Korruption ist gering, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung hoch. Besonderes Lob bekommt
Österreich von Boston Consulting aber auch dafür, weil es uns gelungen ist, das schwache Wirtschafts-
wachstum der vergangenen Jahre in Zugewinne bei der Lebensqualität umzuwandeln. Das Bera-
tungsunternehmen Mercer wiederum hat unsere Bundeshauptstadt heuer zum neunten Mal in Folge
zur Metropole mit der höchsten Lebensqualität gekürt. Und überhaupt: Sozialer Friede, politische
Stabilität und rechtliche Sicherheit machen Österreich zu einem Land, in dem es sich zu leben lohnt.

 TOP-LEISTUNGEN All das wäre ohne einen hervorragend funktionierenden Öffentlichen Dienst, also
ohne Ihren großen Einsatz, Ihre Kompetenz, Ihre Innovationsbereitschaft, nicht denkbar. In allen Berei-
chen werden Tag für Tag herausragende Leistungen erbracht, sodass man der gesamten österreichi-
schen öffentlichen Verwaltung Bestnoten geben kann! Dass Österreich nun schon das zweite Jahr in
Folge eine sehr gute wirtschaftliche Entwicklung aufweist, ist auch das Verdienst aller Kolleginnen und
Kollegen im Öffentlichen Dienst. Hohe Lebensqualität, Rechtsstaatlichkeit, ein hohes Sicherheits­niveau,
ein hervorragendes Schulsystem und eine sehr gute Gesundheitsversorgung sowie demokratische Mit-
bestimmung auf allen Ebenen sind die Basis für die gute Entwicklung einer Gesellschaft. Österreich
ist in all diesen Bereichen im internationalen Vergleich im Spitzenfeld zu finden.
Das ist auch ein klarer Standortvorteil für die Wirtschaft.

JETZT WIRD VERHANDELT! Diese herausragenden Leistungen müssen
sich in einer ordentlichen Gehaltserhöhung für alle Kolleginnen und Kolle-
gen niederschlagen, das haben wir wiederholt gefordert. Zudem wirkt sich
eine dauerhafte Kaufkraftsteigerung positiv auf Wachstum, Beschäftigung
und Stabilität aus. In der ersten Verhandlungsrunde konnten die wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen als Basis für die Verhandlungen
außer Streit gestellt werden – am 12. November geht es weiter.

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NORBERT SCHNEDL
Vorsitzender

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GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
KURZ NOTIERT��������������������������������������������� 6

                                                                  INHALT
 GÖD-CARD ��������������������������������������������������� 26
 KOLUMNE����������������������������������������������������� 27
 STARK. WEIBLICH��������������������������������������� 41
 BVA ����������������������������������������������������������������� 42
 BV 22 PENSIONISTEN������������������������������� 43
 GÖD-HOTELS����������������������������������������������� 46
 BV 2 WIRTSCHAFTSVERWALTUNG . . 48
 PANORAMA��������������������������������������������������� 49
 IMPRESSUM �������������������������������������������������51

                                                                                            10
                                                                                            Top-Qualität des
                                                                                            Öffentlichen Dienstes

                                                                                            Spitzenleistungen
                                                                                            Der Wirtschaftsmotor brummt, wir
                                                                                            haben die Finanz- und Wirtschafts­
                                                                                            krise gut überstanden. Und obwohl die
                        NEU: Newsletter!                                                    Rahmen­bedingungen beinahe überall
            Mit dem GÖD-Newsletter bist Du                                                  deutlich schwieriger geworden sind,
             stets über unsere Aktionen und                                                 tragen die öffentlich Bediensteten
                     Kampagnen infomiert.                                                   unseres Landes entscheidend dazu bei,
                               Jetzt anmelden!                                              Österreich zu einem der lebenswer­
                                                                                            testen Plätze der Welt zu machen.
                                  www.goed.at                                               Wir haben, stellvertretend für alle Berei-
                                                                                            che, drei Sektoren – Bildung, Gesund-
                                                                                            heit und Sicherheit – unter die Lupe
                                                                                            genommen.
                 Haben sich Name oder
                     Adresse geändert?
    In diesen Fällen bitte die E
                               ­ videnz der
     GÖD rufen (Tel.: 01/534 54-139) oder
E-Mail senden an: goed.evidenz@goed.at
    Auf der GÖD-Website www.goed.at
können die Daten per Online-Formular
                       geändert werden.

                                                                                                                             20
        COVERFOTO: PHOTOTECHNO/ISTOCK/GETTY IMAGES

                                                                             4 · GÖD 7-18
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GEHÄLTER 2019                            8
                    Verhandlungen gestartet
                    Am 22. Oktober 2018 wurden im
                    Rahmen der ersten Gehaltsrunde die
                    Wirtschaftsdaten außer Streit gestellt.

                    VERANSTALTUNG24
                    Gegen Gewalt
                    Was tun, wenn der Staat und seine Funk-
                    tionsträger zum Ziel von Aggression
                    werden? Diese und viele andere Fragen
                    wurden beim GÖD-OÖ-Forum unter dem
                    Titel „Zielscheibe Öffentlicher Dienst“
                    diskutiert.

                    #GÖDSTÄRKT28
                    Das große Plus
                    Der Familienbonus Plus bringt eine
                    deutliche Entlastung für die Familien.

                    GÖD-ONLINE30
                    Immer auf dem Laufenden
                    Die neue GÖD-Website www.goed.at ist
                    online und bietet erweiterte Funktio-
                    nen und aktuelle Infos rund um den
                    Öffentlichen Dienst.

                    REPORTAGE32
                    Wissenschaft auf Augenhöhe
                    Wir stellen vor: Die Höhere Bundeslehr-
                    und Forschungsanstalt Raumberg-

12
                    Gumpenstein arbeitet im Dienste der
                    Landwirtschaft und Österreichs Konsu-
                    menten.

                    PERSONALVERTRETUNG36
                    Behandlung von Anträgen
                    Die Personalvertretung hat nicht
                    nur von sich aus die Interessen der
                    Bediensteten zu wahren und zu fördern,
                    sondern muss sich auch mit Anträgen
                    einzelner ­Beschäftigter auseinander-
                    setzen.

        16
                    BETRIEBSRAT38
                    Kündigung durch den
                    Arbeitgeber
                    Alles über den formalen Ablauf der
                    ­Einbindung des Betriebsrates bei der
                     Kündigung des Arbeitsverhältnisses
                     durch den Arbeitgeber.

     5 · GÖD 7-18
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
KURZ
                                           NOTIERT

                                                                 MIGRATIONSPOLITIK
                                                                 Bundeskanzler drängt auf
                                                                 ­europäische Einigung
                                                                 Bundeskanzler Sebastian Kurz macht
                                                                 Druck, was die europäische Migrati-
                                                                 onspolitik betrifft. Beim EU-Gipfel in
                                                                 Salzburg fordert er erneut die Schaffung
                                                                 von Anlandezentren außerhalb Europas
                                                                 und die anschließende Verteilung von
                                                                 Flüchtlingen auf Drittstaaten.
                                                                 „Wenn wir uns auf ‚Anlandeplattfor-
                                                                 men‘ außerhalb Europas einigen, wird
                                                                 das dazu führen, dass Menschen nach
                                                                 der Rettung nicht automatisch nach
                                                                 Europa gebracht werden, sondern in
                                                                 Drittstaaten“, betonte Bundeskanz-
                                                                 ler Sebastian Kurz im Rahmen des
                                                                 ­EU-Gipfels, der im September in Salz-
                                                                  burg stattfand. Mit dieser Maßnahme
                                                                  will er den Schleppern die Geschäfts-
                                                                  grundlage entziehen und die Zahl der
BÜRGERNAHER                                                       nach Europa kommenden Migranten
EU-ENTSCHEID                                                      auf ein vertretbares Maß reduzieren.

Ende der Zeitumstellung könnte
2019 kommen
Die EU-BürgerInnen haben entschieden
– und zwar mit 84 Prozent für ein Ende
der Zeitumstellung. Die EU-Kommis-
sion will dem nun nachgehen und den
Beschluss bereits im nächsten Jahr
umsetzen. Seit 1996 stellen alle EU-Bür-
gerInnen zweimal pro Jahr ihre Uhren
um. Damit könnte nun tatsächlich
Schluss sein. Die EU-Kommission unter
Jean-Claude Juncker hat einen Geset-
zesvorschlag vorgelegt, der vorsieht,
dass bereits im März 2019 zum letzten
Mal die Uhren gedreht werden. Jetzt
müssen noch das Europaparlament
und die EU-Staaten dem Vorschlag
zustimmen – dann kann das Ende der
Zeitumstellung 2019 Realität werden.
                                           KURZMELDUNGEN TEXT:
                                               CARINA WURZ

                                           6 · GÖD 7-18
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
BREXIT­
                          Endet die Arbeitnehmerfrei­                                                                                                        Times“ hat die britische Regierung
                          zügigkeit bald an den Grenzen                                                                                                      angekündigt, sich nach einem Austritt
                          Groß­britanniens?                                                                                                                  auf die Zuwanderung von hoch qua-
                          Unsicherheit dominiert die BREXIT-                                                                                                 lifizierten Arbeitskräften zu konzent-
                          Verhandlungen auf allen Ebenen. Auch,                                                                                              rieren. Als Zugeständnis an die Unter-
                          was europäische ArbeitnehmerInnen                                                                                                  nehmen, die den drohenden Mangel
                          in Großbritannien und britische Arbeit-                                                                                            an Arbeitskräften im Niedriglohnsektor
                          nehmerInnen in EU-Staaten erwartet,                                                                                                beklagen, soll aber zumindest eine
                          liegt noch im Dunkeln. Derzeit ist eine                                                                                            begrenzte Zuwanderung von geringer
                          Bevorzugung von EU-BürgerInnen am                                                                                                  qualifizierten Personen möglich sein.
                          britischen Arbeitsmarkt nach einem                                                                                                 Dass dabei ArbeitnehmerInnen aus der
                          Austritt aus der EU aber nicht vorgese-                                                                                            EU bevorzugt werden, sei in den Plä-
                          hen. Laut einem Bericht der „Financial                                                                                             nen derzeit nicht vorgesehen. Gelingt
                                                                                                                                                             es, ein Handelsabkommen zwischen
                                                                                                                                                             Großbritannien und der europäischen
                                                                                                                                                             Union zu schließen, könnte sich das
                                                                                                                                                             freilich noch ändern.
EUROBAROMETER
                                                                    FOTOS: JFK / EXPA / PICTUREDESK.COM • LISEYKINA, TITOONZ, WILDPIXEL/ISTOCK/GETTYIMAGES

                                                                                                                                                             Unklar sind auch die Folgen für Arbeit-
EU-Zustimmung auf Rekordniveau                                                                                                                               nehmerInnen aus EU-Ländern, die
Die aktuelle Eurobarometer-Umfrage bringt die höchste                                                                                                        derzeit in Großbritannien beschäftigt
Zustimmung zur Europäischen Union seit 25 Jahren. Paradox                                                                                                    sind. Mit der derzeit geltenden EU-
daran ist: Grund dafür könnte gerade der BREXIT sein.                                                                                                        Arbeitnehmerfreizügigkeit wird keine
62 Prozent der Befragten sehen die EU-Mitgliedschaft ihres                                                                                                   eigene Arbeitserlaubnis benötigt. Zuge-
Landes positiv, in Österreich ist knapp die Hälfte (48 Prozent)                                                                                              sichert wurde bisher zumindest, dass
dieser Meinung. Auch die Zustimmung zu einzelnen EU-Poli-                                                                                                    bereits in Großbritannien beschäftigte
tikfeldern ist in Österreich gegenüber 2016 deutlich gestie-                                                                                                 ArbeitnehmerInnen im Land bleiben
gen: 44 Prozent gaben beispielsweise an, dass die EU-Politik                                                                                                 dürften. Für alle, die sich künftig in
in Hinblick auf Anti-Terror-Abwehr angemessen sei. Vor zwei                                                                                                  Großbritannien niederlassen und dort
Jahren waren nur rund 25 Prozent dieser Meinung. Ähnliche                                                                                                    arbeiten wollen, wird es im Falle eines
Zahlen zeigen sich beim EU-Außengrenzschutz: 42 Prozent                                                                                                      Austritts vermutlich um einiges schwie-
der Österreicher sehen die EU-Politik hier positiv, 2016 waren                                                                                               riger. Grundsätzlich ist dann auch für
es noch 28 Prozent. In nahezu allen Bereichen des Euroba-                                                                                                    Briten, die innerhalb der EU arbeiten,
rometers lässt sich ein signifikanter Anstieg gegenüber dem                                                                                                  die Arbeitnehmerfreizügigkeit aufge-
Jahr 2016 beobachten – jenem Jahr, in dem auch die Abstim-                                                                                                   hoben, es sei denn, es gelingt noch,
mung über den BREXIT stattfand. Die positiven Zahlen könn-                                                                                                   Sonder­regelungen auszuhandeln.
ten somit zum Teil auch auf ein steigendes Bewusstsein für
die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft zurückzuführen sein.

                                                 7 · GÖD 7-18
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
AKTUELL

              VERHANDLUNGEN
                 GESTARTET
                          In der ersten Gehaltsrunde für das Jahr 2019 ging
                          es um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
                                  Diese wurden außer Streit gestellt.
                                      VON DR. MICHAELA BAUMGARTNER

D
        er traditionelle Start der Gehaltsverhand-         wig Löger auf der anderen Seite – vor Aufnahme
        lungen für unsere Kolleginnen und Kol-             der Verhandlungen Stellungnahmen gegenüber
        legen des Öffentlichen Dienstes in allen           den anwesenden Medienvertretern ab. „Wir wol-
Gebietskörperschaften drehte sich um die volks-            len eine dauerhafte Kaufkraftstärkung für alle
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.                        Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst“,
Vizekanzler Heinz-Christian Strache begann in              erklärte Norbert Schnedl. Er verwies auf die „her-
seiner Funktion als zuständiger Bundesminister             vorragende wirtschaftliche Entwicklung“ und
für den Öffentlichen Dienst seine ersten Gehalts-          meinte, dass sich diese auch „im Geldbörserl“ nie-
verhandlungen. Vorab gaben die Leiter der beiden           derschlagen müsse. Der Finanzminister v­ ersprach
Verhandlungsteams – GÖD-Vorsitzender Dr. Nor-              eine Berücksichtigung der guten Konjunktur
bert Schnedl und Ing. Christian Meidlinger, Vorsit-        und plädierte „für einen guten Abschluss“, der
zender der younion, auf der einen und Vizekanzler          aber auch die budgetären Rahmenbedingungen
Heinz-Christian Strache und Finanzminister Hart-           berücksichtigen müsse. Vizekanzler Strache ver-

                                                 8 · GÖD 7-18
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
Als Basis für die weiteren Verhandlungen außer Streit
                     gestellt: 2,02 % Inflation, 3 % Wirtschaftswachstum.
                          Ziel: Wirksamwerden mit 1. Jänner 2019.

wies darauf, dass sich die „große Wertschätzung“                                                                        blöcken. Er beharrte auf einer nachhaltigen und
gegenüber den Beamten auch widerspiegeln solle,                                                                         dauerhaften Kaufkraftstärkung, nicht zuletzt, weil
es sei wichtig, dass die gute Konjunktur bei den                                                                        es schon im zweiten aufeinanderfolgenden Jahr
Arbeitnehmern ankomme.                                                                                                  hervorragende Wirtschaftsdaten gebe. Younion-
In der nun folgenden ersten Gehaltsrunde standen                                                                        Vorsitzender Christian Meidlinger erklärte, er wol-
traditionsgemäß die wirtschaftlichen Rahmenbe-                                                                          le auf alle Fälle vermeiden, dass – so wie im Vorjahr
dingungen und die für die Verhandlungen maßgeb-                                                                         Oberösterreich – einzelne Länder wieder aus dem
liche Inflationsrate unter Beiziehung von Experten                                                                      gemeinsamen Abschluss ausscheren. Die anwe-
des Wirtschaftsforschungsinstituts auf der Agenda.                                                                      senden Ländervertreter hätten zugesagt, dass
Im Zuge dessen konnte eine Inflationsrate von 2,02                                                                      man empfehlen werde, das in Landtagsbeschlüs-
Prozent für die weiteren Gespräche außer Streit                                                                         sen umzusetzen. Ausdrücklich gelobt wurde das
gestellt werden. Dieser Wert wurde von Experten                                                                         Gesprächsklima sowohl von Gewerkschafts- als
des Wirtschaftsforschungsinstituts für die Zeit vom                                                                     auch von Regierungsseite. Der Vizekanzler sprach
Oktober des Vorjahres bis September dieses Jahres                                                                       von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt.
errechnet. Außerdem verständigte man sich auf ein                                                                       Auch GÖD-Vorsitzender Norbert Schnedl meinte,
Wirtschaftswachstum für das Jahr 2018 von 3,0 Pro-                                                                      das Zusammentreffen sei sehr sachlich und von
zent als Basis für die kommenden Verhandlungen.                                                                         hoher Wertschätzung den Kollegen gegenüber
Weitere Details wurden in einer spontanen Pres-                                                                         geprägt gewesen. „Das ist ein Zugang, den wir
sekonferenz im Anschluss an die erste Verhand-                                                                          sehr schätzen.“
                                                      FOTOS: ANDREAS SCHERIAU • ROBERT JAEGER / APA / PICTUREDESK.COM

lungsrunde bekanntgegeben. Konkrete Zahlen                                                                              Darüber hinaus setzte man sich zum Ziel, die Ver-
für eine mögliche Lohnerhöhung wurden erwar-                                                                            handlungen so rechtzeitig abzuschließen, dass
tungsgemäß nicht genannt. Auf die Frage, ob                                                                             das neue Gehaltsabkommen mit 1. Jänner 2019 in
der Abschluss zwischen den Metallern und der                                                                            Kraft treten könne. Fortsetzung folgt: Die nächste
Inflation liegen könnte, antwortete der Vizekanz-                                                                       Runde wurde für 12. November angesetzt.            l
ler jedoch für alle überraschend: „Sie haben ein
gutes Naserl.“ Eine Abgeltung für die Flexibili-
sierung der Arbeitszeit, wie das die Metallerge-
werkschaft fordert, sei für die GÖD kein Thema,
betonte Vorsitzender Norbert Schnedl, da die
Arbeitszeit-Flexibilisierung im Öffentlichen Dienst
schon längst umgesetzt sei. Hier gibt es klare
Spiel­regeln, und zwar ein gesetzlich verankertes
Mitwirkungsrecht der Interessenvertretung sowie
Vereinbarungen zur Konsumierung von Freizeit-

                                                                                                                                                    Bild oben: Die Chefverhand-
                                                                                                                                                    ler der Gewerkschaftsseite:
                                                                                                                                                    GÖD-Vorsitzender Norbert
                                                                                                                                                    Schnedl und Christian
                                                                                                                                                    ­Meidlinger (younion).

                                                                                                                                                    Bild links: Schon vor Beginn
                                                                                                                                                    der Verhandlungen stellten
                                                                                                                                                    sich die Hauptakteure den
                                                                                                                                                    Fragen der Medienvertrete-
                                                                                                                                                    rInnen.

                                                 9 · GÖD 7-18
GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
TITEL
                                             GESCHICHTE

Bildung l Gesundheit l Sicherheit

SPITZENLEISTUNGEN
      IM ÖFFENTLICH
                                    Österreichs Öffentlicher Dienst trägt entscheidend
                                    dazu bei, unser Land zu einem der lebenswertesten
                                    Plätze der Welt zu machen. Wir haben, stellvertretend
                                    für alle Bereiche, vorerst drei Sektoren unter die
                                    Lupe genommen. Fortsetzung folgt.

  D
          er Wirtschaftsmotor brummt, Öster-             rungen, die reibungslose Abwicklung der
          reich hat die Finanz- und Wirtschafts-         österreichischen ­EU-Ratspräsidentschaft
          krise gut überstanden. Im aktuellen            und die Auswirkungen der Flüchtlings-
  Ranking des World Economic Forums liegt                und Migrationsbewegung bringen zusätz-
  Österreich im Vergleich von 140 Staaten auf            liche Belastungen mit sich, die nur durch
  Platz eins bei der wirtschaftlichen Stabilität,        großes Engagement zu bewältigen sind.
  so das Ergebnis des Global Competitiveness             Wir haben die folgende Titelgeschichte
  Report 2018.                                           exemplarisch drei Sektoren gewidmet –
  Dass der Öffentliche Dienst als stabiler               eine Fortsetzung mit weiteren Bereichen
  Standortfaktor dabei eine entscheidende                ist übrigens in Planung.
  Rolle spielt, wird wohl niemand in Zweifel             Das Ergebnis ist eindeutig: Auch wenn die
  ziehen. Und das, obwohl die Rahmenbedin-               Arbeitsbedingungen härter geworden
  gungen in beinahe allen Bereichen deutlich             sind, erbringen die Mitarbeiterinnen und
  schwieriger geworden sind. Die Personal-               Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes Tag
  decke ist vielerorts dünn, die Grenze der              für Tag Spitzenleistungen und sorgen
  Belastbarkeit erreicht. Gesellschaftliche              dafür, dass Österreich das bleibt, was es
  Umwälzungen stellen alle am öffentlichen               heute ist: ein schönes Land, auf das wir
  Leben Beteiligten vor große Herausforde-               stolz sein können.                     l

                                              10 · GÖD 7-18
Trotz oft widriger Rahmen-
                            bedingungen erbringen Österreichs
                                  öffentlich Bedienstete Höchst­
                            leistungen. Das muss entsprechend
                                                honoriert werden.

EN DIENST

                                                                    FOTO: BO1982/ ZHANG BO/GETTY IMAGES

            11 · GÖD 7-18
Österreichs Lehrerinnen
und Lehrer schlagen
Alarm: Um die Unter-
richtsqualität erhalten
zu können, brauchen sie
dringend Unterstützung.

                          WAS TUT SICH DA IM
                          KLASSENZIMMER?
                           Bildung gilt als die Schlüsselkompetenz der Zukunft. Doch noch
                           nie war die Situation an den Schulen schwieriger, der Druck auf
                                    die Lehrerinnen und Lehrer größer als heute.
                                                VON PAUL KIMBERGER
TITEL
                                                  GESCHICHTE

V
         orab einige grundsätzliche Bemerkungen.
         Die Schule steht stark im Fokus der öffent-
         lichen Diskussion und ist dabei Kritik aus-
gesetzt, die immer unsachlicher, emotioneller und                                      Paul Kimberger: Der Autor ist Bundesvorsitzender der
heftiger wird. Zwar machen sehr viele Schulen ihre                                     Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer
                                                                                       sowie Vorsitzender der ARGE LehrerInnen in der GÖD.
Arbeit richtig gut. Das ist trotz PISA mehr als erfreu-
lich. Trotzdem sind bedenkliche Entwicklungen
festzustellen. So sind viele Lehrerinnen und Lehrer                                                             anderer wütender Vater droht, mit
überlastet, und so manche leiden unter Burnout-                                                                 dem Anwalt wiederzukommen, und
Symptomen. Es ist erstaunlich, was Lehrer heu-                                                                  will dafür sorgen, dass die Lehrerin
te – neben dem eigentlichen Berufsauftrag, dem                                                                  sofort aus dem Verkehr gezogen
Unterrichten – nebenbei noch alles zu bewältigen                                                                wird – von einer Frau lässt er sich
haben: unzählige Qualitäts- und Projektgruppen,                                                                 sowieso nichts sagen. Ein weiteres
Schulevents, Sitzungen und Absprachen mit diver-                                                                Elternpaar droht mit den Medien.
sen Fachpersonen, Elterngespräche, administrati-                                                                Wie sollen solche Kinder in Ruhe
ve Aufgaben, Umsetzung von Reformen usw. Eine                                                                   lernen können, wenn sie zu Hause
Kompensation dafür hat nicht stattgefunden. Das                                                 hören, wie die Lehrerinnen und Lehrer vom Vater
bedeutet, die Lehrerinnen und Lehrer leisten die-                                               oder von der Mutter als unfähige Idioten bezeich-
se Arbeit immer noch zusätzlich, häufig nach dem                                                net werden? Andere Eltern wiederum sind zu wenig
anstrengenden Unterricht.                                                                       in der Lage, ihre Kinder angemessen zu betreuen,
                                                                                                zu beaufsichtigen und zu unterstützen – sie dele-
Ansprüche sind massiv gestiegen                                                                 gieren die Erziehungs- und Bildungsarbeit an die
Dazu kommen überhöhte Erwartungen: Die An-                                                      Schule. Hier wären wirkungsvolle Unterstützungs-
sprüche an Schule und Lehrer sind massiv gestie-                                                und Entlastungsmaßnahmen für Eltern dringend
gen. Motivieren müssten sie, das Lernen lehren,                                                 angebracht und längst überfällig.
den Unterricht spannend gestalten, auf die Sor-                                                 Zu viele Schülerinnen und Schüler sind zudem nicht
gen aller Kinder eingehen und die Eltern per SMS                                                genügend auf die Anforderungen der Schule vorbe-
informieren. Produzieren sollen sie: eine gerechte-                                             reitet, und sie treten mit teilweise gänzlich falschen
re Gesellschaft und Olympiasieger. Sieht man das                                                Vorstellungen, Überzeugungen und Ansprüchen in
alles aus der Lehrerperspektive, multipliziert man                                              die Schule ein. Viele Kinder weisen eine zu gerin-
es mit der Schülerzahl pro Lehrer, denkt man an                                                 ge Frustrationstoleranz auf, schmeißen die Sache
die extrem unterschiedlichen Erziehungserwar-                                                   hin, wenn es nicht auf Anhieb klappt, verweigern
tungen der Eltern und die großen entwicklungs-                                                  sich bei jeder Anforderung. Ihre Selbststeuerung,
psychologischen Unterschiede zwischen den Kin-                                                  die Selbstkontrolle über ihre Gefühle und ihr Ein-
dern und addiert dann noch Innovationshysterie                                                  fühlungsvermögen sind unterentwickelt. Viele die-
und Dauerbevormundung, wird klar, in welchem                                                    ser Kinder haben zu Hause gelernt, dass sich die
komplizierten Feld gute Pädagoginnen und Päda-                                                  Erwachsenen (zu häufig) an sie angepasst haben
gogen arbeiten.                                                                                 und sie selber kaum eine Anpassungsleistung
                                                                                                vollbringen mussten: Es findet eine fehlgeleitete
Unzufriedene Eltern, überforderte Schüler                                                       Ausrichtung der Eltern auf die Kinder statt – eine
Ein dritter Punkt sind die Eltern, die heute viel-                                              zunehmende Infantilisierung! Hier wäre eine wich-
                                                          FOTO: GOLDFAERY/ISTOCK/GETTY IMAGES

fach unter massivem wirtschaftlichem und psy-                                                   tige Vorbereitungsarbeit schon vor der Schule, ja
chischem Druck stehen, den sie an die Kinder und                                                vor dem Kindergarten durch die Eltern zu leisten.
die Schule weitergeben. Lehrerinnen und Lehrer
werden immer häufiger mit heftigen Angriffen und                                                Gewalt an den Schulen
Respektlosigkeiten konfrontiert. Ein Elternpaar                                                 Dazu kommt ein brisantes gesamtgesellschaftli-
erwartet vom Lehrer für den Sohn in Mathematik                                                  ches Problem: Im Schuljahr 2017/18 gab es insge-
natürlich ein „Sehr gut“, alles andere ist inakzep-                                             samt 857 Polizeieinsätze wegen Gewalttaten an
tabel – schließlich sind sie ja gute Steuerzahler. Ein                                          Österreichs Schulen, in 847 Fällen wurde Anzeige

                                                    13 · GÖD 7-18
TITEL
                                              GESCHICHTE

          „Angesichts der gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzungen sind
         unsere Lehrerinnen und Lehrer die Schlüsselpersonen der Zukunft.“
                         DR. MARTINA LEIBOVICI-MÜHLBERGER, BESTSELLERAUTORIN

erstattet. Der Großteil der Anzeigen betraf Kör-           des ­„pädagogischen Pakets“ – die Leistungsbe-
perverletzungen, aber auch Raub und Diebstahl              urteilung und Adaptierung des Wiederholens von
sowie sexuelle Übergriffe. Wir brauchen mehr               Schul­stufen in der Volksschule und die Weiterent-
Unterstützung durch SozialarbeiterInnen und                wicklung der (Neuen) Mittelschule – in die Begut-
PsychologInnen und auch administrative Hilfe,              achtung geschickt. Es bedarf jetzt einer kritischen
um die Gewalt in den Griff zu bekommen. Darüber            Analyse, ob die geplanten Maßnahmen für unsere
hinaus sind die Zustände in den Klassenräumen              Schulen Schritte in die richtige Richtung darstellen
so, dass ein geregelter Unterricht manchmal gar            – der Teufel liegt ja bekanntlich immer im Detail.
nicht mehr möglich ist. Kurzfristig lassen sich all        Eine entsprechende Stellungnahme wird von uns
diese Probleme nicht lösen. Es braucht ein gan-            nach eingehenden Beratungen jedenfalls bis zum
zes Bündel an Maßnahmen, die Schule darf auf               Ende der Begutachtungsfrist abgegeben, um erfor-
keinen Fall allein gelassen werden.                        derliche Änderungen noch vor der parlamentari-
                                                           schen Beschlussfassung herbeiführen zu können.
Pädagogikpaket: Kein Problemlöser für alles                Aufgrund des Fehlens von Lehrplänen und Beur-
Noch eine Anmerkung zu einem aktuellen poli-               teilungsrastern wird aber eine endgültige Gesamt-
tischen Thema: Angekündigt war es lange, nun               beurteilung dieses Pakets noch nicht möglich sein.
hat die Regierung die ersten zwei Teilprojekte             Zahlreiche Fragen sind (noch) ungeklärt und den

Die haben nicht gewonnen!                       VON MAG. DR. ECKEHARD QUIN

D
         ie Wiener NMS-Lehrerin Susanne Wiesin-            sich religiöse Fundamentalisten grundsätzlich
         ger sorgt mit ihrem Buch „Kulturkampf             schwer. Umgekehrt kann eine freie, aufgeklärte
         im Klassenzimmer“ für Schlagzeilen.               Gesellschaft manche Wünsche unmöglich erfül-
„Der Islam verändert die Schulen in eine Rich-             len, ohne ihre eigenen Fundamente zum Einsturz
tung, die nicht akzeptiert werden darf“, schreibt          zu bringen.
Mag. Lisa Nimmervoll in einem „Standard“-                  Obwohl der aufgeklärte, liberale Staat einst gegen
Kommentar.1 Wie viel Multikulturalität, wie viel           den Widerstand der Kirche erkämpft werden
Kulturrelativismus verträgt unsere Gesellschaft?           musste, hat er christliche Wurzeln – die Beto-
Laut Immanuel Kant sagte der von ihm als „Herr“            nung des freien Willens des Individuums und des
titulierte König Friedrich II. von Preußen: „Räson-        Gewissens des Einzelnen. Und genau das kann
nirt, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur        ein fundamentalistischer Islam uns vorwerfen.
gehorcht!“2 Freilich impliziert diese Aussage              Unser Staat ist nicht weltanschaulich neutral und
ein Bild des Bürgers3 als Untertan, aber im Kern           kann es auch nicht sein. Und zu dieser Art von Par-
wird hier, auch wenn es überraschend klingt, die           teilichkeit sollten wir uns auch bekennen. „Denn
Grundlage des liberalen Staates formuliert. Die            diese Parteilichkeit ist keine unzumutbare, sie tritt
Staatsbürger können glauben, was sie wollen,               nur angesichts seiner Feinde [Anm.: die des Staa-
solange sie die Gesetze des Staates respektie-             tes] in Erscheinung, diesen gegenüber aber glei-
ren. Das bedeutet andererseits aber auch die               chermaßen. Sie bevorzugt weder Christen noch
Akzeptanz einer von den eigenen Vorstellungen              Muslime, noch kämpferische Atheisten. Sie kürzt
abweichenden Lebensweise, und damit tun                    nur allen gemeinsam den Anspruch, der Gesell-

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Kampfplatz Schule? Manchmal ist ein geregelter
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„pädagogischen Stresstest“ müssen Ziele und
Maßnahmen dieses Pakets erst absolvieren. Eines
geht aber aus meiner Sicht tatsächlich in eine rich-
tige Richtung: Der von vielen Schulen geäußerte
Wunsch nach autonomen Standortentscheidun-
gen bezüglich Differenzierung und Leistungsbeur-
teilung wurde erfüllt und kann Lehrerinnen und
Lehrer sowohl in ihrer pädagogischen Freiheit als
auch in ihrer organisatorischen Flexibilität stär-
ken – wohlgemerkt jedoch nur dann, wenn die
notwendigen Ressourcen ausreichend und nach-
haltig jeder Schule zur Verfügung gestellt werden.
Für den Fall, dass manche wieder glauben,
dieses Paket sei ein „Problemlöser für alles“:
Nein, für die tagtäglichen pädagogischen,
sozialen, religiösen, familiären, sprachlichen,
menschlichen und gesellschaftlichen Heraus-
forderungen wäre ein deutliches Mehr an vor-
schulischen Maßnahmen, Sprachförderungen,
Integrationshilfen, Unterstützungssystemen,
Sonderpädagogik sowie die längst überfällige
Doppelbesetzung in der Volksschule dringend
erforderlich.                                    l

schaft ihren Willen aufzuzwingen.“4 Karl Popper                                                         privater Religiosität oder Herkunft. Dies ist kein
hat bereits 1945 das sogenannte Toleranzpara-                                                           Kampf Muslime gegen Nichtmuslime. Dies ist der
doxon beschrieben. „Uneingeschränkte Toleranz                                                           Kampf der Vernünftigen und Aufgeklärten für
führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden                                                                Freiheit und Demokratie und gegen die Feinde
der Toleranz. […] Wir sollten […] im Namen                                                              der offenen Gesellschaft.“6 Denn ich weigere
der Toleranz das Recht in Anspruch nehmen,                                                              mich, das, was die „Presse“ als „Bilanz“ Susanne
die Intoleranten nicht zu tolerieren. Wir sollten                                                       Wiesingers bezeichnet, zu akzeptieren:
geltend machen, dass sich jede Bewegung, die                                                            „Wir sind ohnmächtig. Und oft denke ich: Die
Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt,                                                      haben gewonnen und wir haben verloren.“7
                                                       FOTO: HANS KLAUS TECHT / APA / PICTUREDESK.COM

und wir sollten eine Aufforderung zur Intole-
ranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch
                                                                                                        1 Lisa Nimmervoll: Kampf der Vernünftigen. In: Standard online vom 10. September 2018.
behandeln wie eine Aufforderung zum Mord,                                                               2 Immanuel Kant: „Was ist Aufklärung?“ (1784).
zu Entführung oder zur Wiedereinführung des                                                             3 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen gleichermaßen Personen männlichen und
                                                                                                        weiblichen Geschlechts.
Sklaven­handels.“5                                                                                      4 Jens Jessen: Die Tücken der Toleranz. In: Die Zeit online vom 18. November 2004.
                                                                                                        5 „Unlimited tolerance must lead to the disappearance of tolerance. […] We should […]
Wir müssen stärker als in der Vergangenheit die                                                         claim, in the name of tolerance, the right not to tolerate the intolerant. We should claim
Fundamente unseres Staates verteidigen und die                                                          that any movement preaching intolerance places itself outside the law, and we should
                                                                                                        consider incitement to intolerance and persecution as criminal, in the same way as we
Beachtung unserer Spielregeln ohne Wenn und                                                             should consider incitement to murder, or to kidnapping, or to the revival of the slave
                                                                                                        trade, as criminal“ (Karl Popper: „The Open Society and Its Enemies“, 1945, Band 1,
Aber einfordern. „Wir? Ja, es gibt Situationen, in                                                      ­Anmerkung 4 zu Kapitel 7).
denen die Unterscheidung zwischen ‚wir‘ und                                                              6 Nimmervoll: Kampf der Vernünftigen.
                                                                                                         7 Anne-Catherine Simon: Islam in der Schule: „Oft denke ich, wir haben verloren“.
‚ihr‘ wichtig ist. Die Trennlinie verläuft jenseits                                                      In: Presse online vom 9. September 2018.

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TITEL
                                                     GESCHICHTE

                                                              GESUNDHEIT
                                                             UNTER DRUCK

W
              ie in vielen Branchen ist auch der                  fünfjährigen Ausbildung gehen“, bestärkt er eine
              Gesundheitsbereich von einem Per-                   langjährige F­ orderung des Betriebsrates.
              sonalmangel betroffen: „Wenn man
vor einigen Jahren im nördlichen Waldviertel, wo                  Fachkräftemangel
Arbeitsplätze nicht so dicht gesät sind, eine Stelle              Ganz generell seien Änderungen in der Ausbildung
in der Pflege ausgeschrieben hat, gab es binnen                   ein Schlüssel, der viele Probleme lösen würde. „Bei
kürzester Zeit zig Bewerber dafür. Heute dauert es                der letzten Novelle des Gesundheits- und Kranken-
oft Wochen, bis wir eine Nachbesetzung finden“,                   pflegegesetzes kam es zu einer typisch österreichi-
beschreibt Peter Maschat, Vorsitzender des Zent-                  schen Lösung. Die Ausbildung zum diplomierten
ralbetriebsrats der niederösterreichischen Landes-                Gesundheits- und Krankenpfleger wurde durch die
kliniken und Landespflege- und Betreuungszentren                  Verlegung an Fachhochschulen zwar aufgewertet,
die Lage am Arbeitsmarkt. Die Gründe dafür sieht er               doch zugleich gingen über 50 Prozent der Ausbil-
nicht nur darin, dass das Berufsfeld zu wenig attrak-             dungsplätze verloren. Die zentralen Ausbildungs-
tiv ist. „Das ist vielleicht ein Mosaikstein. Ein Teil des        orte halten viele ab, und darüber hinaus wurde
Problems ist politisch hausgemacht: Es ist uns bis                auch die Entlohnung bisher nicht an die der schon
heute nicht gelungen, die Lücke zwischen dem Ende                 länger akademischen Berufe von Hebammen und
der Schulpflicht und dem möglichen Beginn einer                   Physiotherapeuten angepasst“, hält Maschat fest.
Ausbildung in der Pflege zu schließen. Das macht                  Auch Reinhard Waldhör, der Vorsitzende der GÖD-
es schwer, junge Menschen dafür zu begeistern“,                   Gesundheitsgewerkschaft, sieht in den zentralen
erklärt Maschat. Denn die Arbeit am Patienten und                 Ausbildungsstätten ein Problem: „Einige Bun-
damit auch die praktische Ausbildung dürfen von                   desländer leben die dezentrale Ausbildung durch
gesetzes wegen erst 17-Jährige durchführen. „Das                  Kooperationen vor. Dort zeigt sich, dass die Bewer-
ist gut und richtig so. Doch vor dem Hintergrund                  berzahlen deutlich höher sind.“ Zusätzlich brauche
sehe ich auch die neue Idee der ‚Pflegelehre‘ skep-               es aber auch in den Bereichen Pflege(fach)assistenz
tisch. Wir müssen hier in Richtung einer vier- bis                Veränderung. „Eine Ausbildung, die sofort nach dem

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Über 30 Berufsgruppen sind in Österreich dafür
verantwortlich, dass Patienten in den öffentlichen
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen optimal
betreut werden. Ein Lagebericht aus dem öffent­
lichen Gesundheitswesen. VON CARINA WURZ

    Regelschulalter in Form eines schulischen Stufen-                                            fallen derzeit praktisch bei jeder Abwesenheit vom
    modells beginnt, das entweder durch eine BHS oder                                            Dienst Überstunden für die KollegInnen an. Dadurch
    durch die bestehenden Gesundheits- und Kranken-                                              kommt es aber wiederum vermehrt zu Krankenstän-
    pflegeschulen angeboten werden kann, ist unbe-                                               den aus Erschöpfung, und die sich bereits drehende
    dingt nötig“, führt Waldhör aus. „Die modulhafte                                             Spirale verschärft sich weiter“, nennt Waldhör das
    Ausgestaltung sollte für die AbsolventInnen auch                                             Problem beim Namen. Generell sind Überlastung
    das Angebot des Studienzugangs enthalten. Dann                                               und Zeitmangel ein Problem: „Die Pflegekräfte
    wäre die vielfach kolportierte Durchlässigkeit in der                                        sind die Drehscheibe, die Patientenmanager. Wenn
    Pflegeausbildung wirklich gegeben!“ Und letztend-                                            rundherum die Zeit knapp und die Aufgaben viele
    lich dürfe man nicht nur bei den Jungen ansetzen.                                            sind, prallt das in der Pflege massiv zusammen“,
    Auch im Bereich der Erwachsenenausbildung soll-                                              so Maschat.
    ten TeilnehmerInnen gezielt angesprochen wer-
    den und über verschiedene Instrumente, wie zum                                               Zeitgemäße ­Personalbedarfsplanung
    Beispiel ein Fachkräftestipendium, entsprechend                                              Außerdem sei die Personalbedarfsplanung, die
    gefördert werden.                                                                            heute in den meisten Einrichtungen zur Anwen-
                                                                                                 dung kommt, längst nicht mehr zeitgemäß. Das
    Belastungen, die vermeidbar wären                                                            unterstreicht auch eine aktuelle Studie der Arbei-
                                                            FOTO: MEGAFLOPP/ISTOCK/GETTYIMAGES

    „Ein gutes Arbeitsklima ist ein Wettbewerbsfak-                                              terkammer Oberösterreich. Demnach gehen die
    tor“, sagt Peter Maschat. Gerade, weil die Arbeit im                                         angewendeten Planungsinstrumente von 1600
    Gesundheitsbereich gemeinschaftlich organisiert                                              Pflegestunden pro Vollzeitpflegekraft und Jahr aus.
    ist, sind gut organisierte Abläufe grundlegend.                                              Die Realität sieht aber anders aus: „Der Anstieg von
    Doch das gestaltet sich immer schwerer. „Mangels                                             Krankenständen und Urlaubstagen aufgrund des
    notwendiger Personalreserven – durch ständige                                                höheren Durchschnittsalters der Beschäftigten ist
    Arbeitsverdichtung ist die eigentliche Personalre-                                           da zum Beispiel gar nicht berücksichtigt. Die Netto-
    serve fix in den Regelbetrieb integriert worden –                                            arbeitszeit liegt deutlich unter d
                                                                                                                                  ­ en Annahmen“, so

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                                                       Maschat. Die Studie der AK kommt auf 1400 Stunden
                                                       pro Jahr. Ob die Lücke tatsächlich so groß ist, will
                                                       Maschat nicht beurteilen, doch Fakt ist: Die fehlen-
                                                       den Stunden gehen zu Lasten der Dienstnehmer, die
                                                       viele Überstunden leisten, unter vielen kurzfristigen
                                                       Dienstverschiebungen leiden und vielfach mit Pool-
                                                       diensten und Leihpersonal zusammenarbeiten,
                                                       was mitunter aufgrund der nötigen Einschulungen
                                                       für Mehrarbeit sorgt. Der Mangel an Zeit birgt die
                                                       Gefahr, dass der Umgang und die Kommunikation
                                                       mit Patienten und Angehörigen leidet – ein Nachteil
                                                       für beide Seiten: „Die Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                                       beiter haben Sehnsucht danach, einfach ihre Arbeit
                                                       gut zu machen, in der Zeit, die vertraglich verein-
                                                       bart ist. Wir brauchen dringend österreichweit eine
                                                       zeitgemäße Personalbedarfsberechnung. Da ist
                                                       das Ministerium gefordert, um endlich die Dienst-
                                                       postenplanung mit der Realität in Einklang zu brin-
                                                       gen“, formuliert Maschat eine zentrale Forderung
                                                       der Gewerkschaft und des Betriebsrats.

                                                       Unklare Jobprofile
                                                       Wenn es um die Dienstpostenplanung geht, gibt es
                                                       noch eine weitere Herausforderung: Während sich
                                                       die Politik von der Einführung des „Pflegefachassis-
                                                       tenten“ budgetäre Einsparungen erhoffte, sorgt das
                                                       zusätzliche Qualifikationsprofil in der Praxis vielfach

NÖ Landeskliniken                                      physische Verletzungen behandelt werden.
Plakat-Aktion gegen Gewalt                             „Die GÖD Gesundheitsgewerkschaft hat im Jahr
                                                       2018 das Problem ,Gewalt gegen Bedienstete in
Unter dem Titel „Stop – Keine Gewalt!!!“ will          den Kliniken und Pflegeeinrichtungen‘ zu einem
die Landeskliniken-Holding in Niederösterreich         Schwerpunktthema gemacht. Daher begrüßen
mit einer Plakataktion eine Sensibilisierung           wir ausdrücklich jede Maßnahme, die zur Sensi-
gegenüber Gewalt erreichen. Wie der „Kurier“           bilisierung beiträgt“, erklärt dazu der Bereichs-
berichtete, wurden nach Angaben der Kliniken-          leiter Gesundheit und Umwelt in der GÖD, Peter
Holding zwischen Oktober 2017 und März 2018            Maschat, Zentralbetriebsrat der NÖ Landeskli-
insgesamt 1109 Übergriffe dokumentiert, am             niken und Landespflegeheime. „Plakataktionen
häufigsten betroffen sind Pflegekräfte. Die            sind ein guter Beitrag, um die Problematik in
Gewalt – von Handgreiflichkeiten über Bedro-           der Öffentlichkeit anzusprechen. Darüber hin-
hungen bis hin zu Beschimpfungen – ging fast           aus bedarf es aber weiterer umfassender Maß-
ausschließlich von Patienten aus, die meisten          nahmen, um Bedienstete zu schützen. Neben
Übergriffe fanden in Patientenzimmern statt.           entsprechender Notfalls- und Sicherheitskon-
55 Prozent der Betroffenen sprachen von einem          zepte für die einzelnen Einrichtungen wie Alar-
bleibenden Bedrohungsgefühl, elf Prozent               mierungspläne und Verhaltensregeln im Akut-/
von Angst und Schock als Folgeerscheinung.             Eskalationsfall sind entsprechende Schulungen
In neun Prozent der Fälle mussten sichtbare            für Mitarbeiter anzubieten.“

                                            18 · GÖD 7-18
für Verwirrung. Denn schon heute ist die Abgrenzung
                zwischen den Aufgaben, die ein Pflegeassistent
                übernehmen darf, und jenen, die einer diplomierten
                Pflegekraft vorbehalten sind, schwierig einzuhalten
                – und damit auch die Bedarfsplanung komplex: „Es
                gibt da keine Formel, die für ganz Österreich stimmt.
                Die Aufteilung zwischen diplomiertem Personal und
                Pflegeassistenten muss sich nach den angebotenen
                Leistungen richten. Gerade in Organisationen, die
                                 effizient organisiert sind, kann ich
                                 kaum arbeitsteilig unterwegs sein.
„Wenn rundherum                  Denn wo nur eine Pflegekraft zuge-
die Zeit knapp und die teilt ist, muss es immer eine diplo-               IN KÜRZE
Aufgaben viele sind,             mierte sein, Spezialfächer sind ihnen
                                                                           ADVENTWOCHEN
                                 ohnehin ganz vorbehalten. Da bleibt
prallt das in der Pflege nicht viel Einsparungspotenzial“, kri-            MIT AUSFLUG NACH SOPRON,
                                                                           ENSPANNUNGSMASSAGE,
massiv zusammen.“                tisiert Maschat. Zusätzlich besteht       KABARETT U.V.M.
                                                                           TERMINE FINDEN SIE ONLINE
PETER MASCHAT                    im Berufsfeld der Pflegeassistenten
                                 Unsicherheit: Laut Gesetz wird bis
                                 2022 evaluiert, ob diese Berufsgrup-

„Es braucht dringend
                                 pe in den Krankenhäusern überhaupt
                                 weiter benötigt wird. Waldhör ärgert       DAS WENIGE
                                 dabei ein wichtiges Detail: „Entgegen    DA S M I C H W I R K L I C H B E W EGT
Veränderung in der
                                 unserer Vereinbarung mit der dama-
Pflege. Durch den Sta- ligen Bundesministerin Oberhauser
                                                                            Die Zeit anhalten. Ballast abwerfen. Den
tus Quo verschärft sich werden in die Evaluierung derzeit die              Blick auf´ s Wesentliche richten. Auf mich.
die drehende Spirale             Sozialpartner nicht eingebunden.“         Auf uns. Mobilisieren und entspannen als
                                 Der neu geschaffene PflegeFACHas-           Wechselspiel. Bewegende Momente in
kontinuierlich.“                 sistent nimmt hingegen erst lang-                     relaxter Atmosphäre.
REINHARD WALDHÖR                 sam Fahrt auf: In Niederösterreich
                                 haben jetzt die ersten Mitarbeiter die     T R A U M H A F T E T H E R M E N TA G E
                Ausbildung abgeschlossen. „Es ist ein spannendes
                                                                                2 Nächte inkl. aller REDUCE PLUS
                Detail am Rande, dass die Ausbildung zwar gesetz-
                                                                             Inklusivleistungen: Thermengenuss in
                lich festgeschrieben ist, aber im Dienstpostenplan des
                                                                             der hoteleigenen Thermen-, Sauna- &
                Landes Niederösterreich kein einziger Dienstposten
                                                                               Sinneswelt, REDUCE HP „PLUS“ mit
                für Pflegefachassistenten ausgewiesen ist“, berichtet
                                                                            regionalen und veganen Köstlichkeiten,
                er. Außerdem sei die schlechtere Bezahlung nicht
                                                                                 REDUCE Aktivprogramm u.v.m.
                wirklich nachvollziehbar: „Die theoretische Ausbil-
                dung ist für den Pflegefachassistenten gleich lang              bereits ab EUR 256,– p. P. im DZ
                wie beim Diplom, die praktische Erfahrung erwirbt                    zzgl. Kurtaxe EUR 2,50 p. P./ÜN
                                                                                      Buchbar nach Verfügbarkeit.
                man dann bei der Arbeit. Das Ergebnis: Der Fachas-
                sistent erbringt beinahe die gleiche Leistung, nur für
               FOTO: SUDOK1/ISTOCK/GETTYIMAGES

                weniger Geld“, merkt der Zentralbetriebsrat kritisch
                an. Ähnliches gilt für medizinische Assistenzberufe:
                Die Mitarbeiter sind schlecht bezahlt, obwohl sie mit
                entsprechender Erfahrung in der Praxis sehr oft Tätig-
                keiten verrichten, die über das gesetzlich verankerte
                Jobprofil hinausgehen. Auch hier brauche es Rah-
                menbedingungen und Regelungen, die dem realen
                Spitalsalltag entsprechen.                           l

                                                 19 · GÖD 7-18
                                                                                        W W W. R E D U C E . AT
                                                                                     TEL.: +43 3353 8200 60
IMMER
              IM DIENST
  Die Polizei ist der Garant für Stabilität und Sicherheit im Land.
 Wo dennoch dringend Handlungsbedarf besteht, was verbessert
werden muss und weshalb der Beruf trotz mancher Unbill sehr erfül-
   lend sein kann, schildert der Bundesvorsitzende der Polizei-
               gewerkschaft, Reinhard Zimmermann.
                   INTERVIEW: CORDULA PUCHWEIN

                          20 · GÖD 7-18
TITEL
                                                GESCHICHTE

Österreich ist eines der lebenswertesten und                                                          Gebrauch ist. Bis zu einer gewissen Grenze sind sie
sichersten Länder der Welt. Welchen Beitrag                                                           ja geschult, wenn dich Menschen aber mit Dingen
leistet die Polizei?                                                                                  bewerfen oder anspucken, dann ist das für unsere
Zimmermann: Einen immensen. Wir haben 30.000                                                          Kolleginnen und Kollegen, die lediglich ihren Job
Polizistinnen und Polizisten im exekutiven Außen­                                                     machen, eine Gratwanderung. Da taucht dann
dienst im Einsatz. Die Zahl spricht für sich. Den­                                                    schon mal die Frage auf: Muss man sich das wirk­
noch stellen wir fest, dass die Bevölkerung das                                                       lich gefallen lassen – bei dem Salär und der Verant­
Thema Sicherheit anders empfindet. Nicht selten                                                       wortung? Auf der anderen Seite darf man sich als
klaffen objektive und subjektive Wahrnehmung                                                          Beamter nicht den kleinsten Fehler erlauben. Da
auseinander, und das ist zu einem erheblichen                                                         wird die Polizei sehr schnell pauschal negativ beur­
Maß medial bedingt. Durch die Berichterstattung                                                       teilt und in die Ecke der Prügelpolizei gestellt. Der
entsteht vielfach der Eindruck, als ob es bei uns                                                     GÖD-Rechtsschutz ist uns in diesen Fällen sehr oft
schlimm zugeht. Fragt man gezielt nach, sind die                                                      eine wertvolle Unterstützung. Alles in allem kann
Wenigsten betroffen. Die mediale Verfügbarkeit                                                        man sagen: Einfacher ist der Polizeidienst nicht
krimineller Schauergeschichten spielt eine große                                                      geworden.
Rolle. Egal, was passiert, jeder ist dabei – beim
Tsunami, beim Erdbeben, beim Tropensturm                                                              Wie zufrieden sind die Kolleginnen und
und eben auch bei Überfall, Mord und Totschlag.                                                       Kollegen mit der Gewerkschaft?
Grundsätzlich gilt aber: Wir sind ein sehr sicheres                                                   Zimmermann: Stetig steigende Mitgliederzahlen
Land mit einer Polizei, die auf einem sehr hohen                                                      zeigen und zeugen von einer hohen Zufrieden­
Level ausgebildet und ausgestattet ist.                                                               heit. Wir als Personalvertretung versuchen Tag für
                                                                                                      Tag für die Kolleginnen und Kollegen da zu sein.
Die Kolleginnen und Kollegen erbringen bei ihren                                                      Und: Wir können auf einer guten Basis aufbauen,
Einsätzen jeden Tag Spitzenleistungen. Welche                                                         denn unter Innenministerinnen wie Liese Prokop,
sind besonders erwähnenswert?                                                                         Johanna Mikl-Leitner und Innenminister Wolfgang
Zimmermann: Ich möchte keine explizit hervor­                                                         Sobotka konnten wir viel erreichen. Ich verweise
heben, aus dem einfachen Grund, weil ich glaube,                                                      auf die Nachtzeit-Gutschrift, die E2-Zulage, aber
dass jede einzelne Tätigkeit wertvoll ist, und sei es                                                 auch auf so lebenswichtige Dinge wie schusssi­
die kleinste, die dem einzelnen Bürger hilft. Natür­                                                  chere Überwurf-Gilets, die in Österreich jeder Poli­
lich haben wir unsere Spezialisten wie die Cobra                                                      zist, jede Polizistin bekommt. In anderen Ländern
und ähnliche Teams. Im Gesamten sage ich: Jeder                                                       ist das keine Selbstverständlichkeit.
ist wichtig, abgesehen davon hat jeder Bürger das
Recht auf eine gute, ordentliche Amtshandlung.                                                        Was sind die Anliegen der Polizeigewerkschaft?
Das gilt im Übrigen vice versa. Auch die Beam­                                                        Zimmermann: Natürlich müssen wir dranbleiben
tinnen und Beamten haben ein Recht auf ordent­                                                        und uns weiter verbessern. Kuschelkurs wird es
liche Behandlung von Seiten der Bürgerinnen und                                                       mit uns jedenfalls nicht geben. So manches Unter­
Bürger.                                                                                               fangen, wie aktuell die berittene Polizei, sehen wir
                                                        FOTO: BARBARA GINDL / APA / PICTUREDESK.COM

                                                                                                      mehr als kritisch. Meiner Meinung nach ist das eine
Dazu gleich die nächste Frage: Wie hat sich der                                                       reine Selfie-Polizei für die japanischen Touristen
Polizeialltag in den letzten Jahren verändert?                                                        in Wien. In dem Zusammenhang darf die Frage
Zimmermann: Der Ton ist leider rauer, respekt­                                                        erlaubt sein: Dafür ist Geld da? Gleichzeitig wird
loser geworden. Ein Extrembild sind sicherlich                                                        diskutiert, ob in manchen Polizeiinspektionen neu
die Reichsbürger, die nichts und niemanden, auch                                                      ausgemalt werden kann.
keine Gesetze, somit auch keine Gesetzesvertre­
ter anerkennen. Da brauchen unsere Kolleginnen                                                        Österreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz. Was
und Kollegen schon außerordentlich gute Nerven.                                                       bedeuten diese Monate für die Polizei, was sind
Deeskalieren ist ein Wort, das bei uns täglich im                                                     die Herausforderungen?

                                                  21 · GÖD 7-18
TITEL
                                               GESCHICHTE

Zimmermann: Es bedeutet viele, viele Überstun­                                                  Gibt es dadurch Sicherheitsprobleme?
den vor und während dieser Monate. Vor allem                                                    Zimmermann: Meiner Meinung nach nicht, und
die Planung im Vorfeld war enorm. Die sicher­                                                   das ­zeigen auch die objektiven Zahlen. Wir haben
heitstechnischen Maßnahmen sind genauso eine                                                    definitiv kein Sicherheitsproblem.
Herausforderung wie die gesamte Diensteintei­
lung. Der Ratsvorsitz ist zweifellos eine enorme                                                Werden die Aufnahmekriterien beziehungs­
Aufgabe für uns. Die Welt ist in Österreich zu Gast,                                            weise das Aufnahmeverfahren geändert?
da muss in Sachen Sicherheit alles tipptopp sein.                                               Zimmermann: Wir sind sehr daran interessiert,
Daneben läuft aber das Tagesgeschäft, also der                                                  das Aufnahmeverfahren zu beschleunigen. Künf­
Polizeialltag ganz normal weiter. Das bringt die                                                tig soll binnen weniger Wochen mit nur zwei, drei
Polizei in diesen Tagen an den Rand ihrer per­                                                  Terminen klar sein, ob sich jemand für den Dienst
sonellen Grenzen. Und auch danach werden wir                                                    eignet. Wir hinterfragen auch die Notwendigkeit
noch viele Stunden in die Analyse und Reflexion                                                 des einen oder anderen Sport- beziehungsweise
dieses komplexen Einsatzes stecken. Das zahlt                                                   Fitnesstests, weil der Check am Ergometer ohne­
sich aber aus, weil wir dadurch für künftige ein­                                               hin sehr aufschlussreich ist.
satztaktische Trainings eine Menge lernen können.
                                                                                                In Wien gibt es seit sechs Jahren eine spezielle
Zum Thema Personal: Wo gibt es da Handlungs-                                                    Bereitschaftseinheit. Hat sich das bewährt?
bedarf?                                                                                         Zimmermann: Sehr sogar. In Wien funktioniert das
Zimmermann: Unser größtes Problem sind die                                                      tadellos. Diese Bereitschaftseinheit patrouilliert
großen Fehlstände. Ursache dafür sind jene Schul­                                               an neuralgischen Punkten in der Bundeshaupt­
planstellen, die man einst sehr unbedacht gestri­                                               stadt, in Parkanlagen, in der U-Bahn. Das macht
chen hat. Dadurch entstehen enorme personelle                                                   Sinn und gibt der Bevölkerung ein gutes Gefühl.
Löcher. Wir als Personalvertreter haben das immer                                               Das Feedback ist durchgehend positiv. Zuerst war
angeprangert und immer gesagt, dass sich das                                                    angedacht, diese Einheit in allen größeren Städ­
später schlimm rächen wird. Da sind wir jetzt. Noch                                             ten Österreichs zu installieren, das macht außer in
dazu werden dann auch noch die starken Geburts­                                                 Wien aber wenig Sinn. Wir haben ein Jahr gekämpft,
                                                       FOTO: UWE LEIN / DPA / PICTUREDESK.COM

jahrgänge sukzessive in Pension gehen. Dann gibt                                                dass diese Regelung nicht kommt. Jetzt gibt es die
es erst recht Personallöcher. Wir bekommen zwar                                                 Vereinbarung, dass es nur jene Länder machen, die
2000 Schulplanstellen dazu, doch bis sich das Sys­                                              genügend Personalressourcen haben. Denn auch
tem wirklich erfängt, gibt es noch eine beachtliche                                             hier stoßen wir auf das leidige Personaldilemma.
Durststrecke. Im Grunde bräuchten wir jetzt sofort                                              Denn jede Bereitschaftseinheit zieht Personal ab,
mehr Personal. Gleichzeitig haben wir das Pro­                                                  was für chronisch unterbesetzte Inspektionen eine
blem, dass viele Kandidatinnen und Kandidaten,                                                  zusätzliche Verschärfung bedeuten würde.
die sich für den Polizeidienst interessieren, nicht
geeignet sind.                                                                                  Wie könnte man den Polizeiberuf wieder
                                                                                                attraktiver machen?
                                                                                                Zimmermann: Ganz sicher durch bessere Ein­
                                                                                                stiegsgehälter. Angesichts der Leistungen, die
                                                                                                unsere Kolleginnen und Kollegen zu allen mög­
                                                                                                lichen und unmöglichen Tages- und Nachtzeiten,
   „Deeskalieren ist ein                                                                        bei jedem Wetter, zu den für andere üblichen
                                                                                                Urlaubszeiten erbringen, sowie der enormen Ver­
 Wort, das bei uns täglich                                                                      antwortung wäre es mehr als angemessen, ent­
       im Gebrauch ist.“                                                                        sprechend bezahlt zu werden. Darüber könnte die
         REINHARD ZIMMERMANN
                                                                                                Politik, die ständig nach mehr Sicherheit schreit,
                                                                                                auch mal nachdenken. Dass Sicherheit ihren Preis
                                                                                                hat, muss aber auch allen klar sein.

                                                 22 · GÖD 7-18
Drei Jahre danach
                                                           Die Migrationsfrage nimmt spätestens seit der
                                                           großen Flüchtlingsbewegung 2015 in der öffent­
                 „An der Grenze.
          Wie Polizistinnen und
                                                           lichen Diskussion eine zentrale Rolle ein, sie
      Polizisten die Flüchtlings-                          zählt in ganz Europa zu den größten sozialen
            bewegung erleben“.                             und politischen Herausforderungen unserer
      Hg. von Christine Dobrets-                           Zeit. Während die Politik am Verhandlungstisch
       berger, ÖGB Verlag 2018,                            nach Lösungen ringt, haben Polizistinnen und
       ISBN 978-3-99046-295-9.                             Polizisten täglich von Angesicht zu Angesicht mit
                                                           AsylwerberInnen und MigrantInnen zu tun. Men­
                                                           schen in Extremsituationen zu erleben, gehört
                                                           zum Berufsalltag der Polizei, doch wie gehen
                                                           Polizistinnen und Polizisten mit dieser ganz spe­
                                                           ziellen Thematik um? In diesem Buch erzählen
                                                           zwanzig österreichische Polizistinnen und Polizis­
                                                           ten, wie sie die Flüchtlingsthematik im Rahmen
                                                           ihrer Arbeit erleben. Geschichten rund um das
                                                           Thema Migration, in allen seinen Facetten – von
                                                           geglückter bis hin zu weniger geglückter Inte­
                                                           gration, von tragischen Einzelschicksalen und
Warum sollten junge Menschen zur Polizei                   kriminellen Mitläufern. Die aktuelle Situation an
gehen?                                                     den Staatsgrenzen wird ebenso beleuchtet wie
Zimmermann: Weil es trotz allem ein super schö­            nähere Hintergründe zu der größten Schlepper­
ner Beruf ist. Es gibt ja auch sehr bereichernde           tragödie, die jemals auf österreichischem Boden
Amtshandlungen, bei denen viel Positives retour            stattgefunden hat, als im August 2015 71 tote
kommt. Vor allem aber ist es ein Beruf, der niemals        Flüchtlinge in einem Lkw auf der A4-Autobahn
fad wird, weil jeder Tag anders und herausfor­             bei Parndorf aufgefunden wurden. Dieses Buch
dernd ist. Das macht ihn sehr interessant. Inspira­        bietet Informationen aus erster Hand. Es zeigt,
tion könnte da übrigens das neue Buch von Chri­            welch wichtigen Beitrag die Polizei Tag für Tag
stine Dobretsberger sein. Ein Buch ganz nah an der         auch in diesem Bereich leistet und wie sehr diese
­Realität und am Polizeiberuf.                             Herausforderungen Polizistinnen und Polizisten
                                                           mitunter an ihre persönlichen Grenzen bringt.
Danke für das Gespräch!                         l

                                                23 · GÖD 7-18
VERANSTALTUNG

             AM WEG ZUR ANARCHIE?
           Mehr als 200 interessierte Gäste kamen zum
           GÖD-OÖ-Forum „Zielscheibe Öffentlicher
           Dienst“ mit hochkarätigen Referenten zu
           diesen Frage­stellungen.

           D
                     as Gewaltmonopol des Staates ist ein
                     Kern­element jeder entwickelten Demo-
                     kratie. Was aber, wenn der Staat und sei-
             ne Funktionsträger selbst zum Ziel von Aggression
             werden? Welche Ansätze für strukturelle Gewalt-
             prävention gibt es? ­Und welche individuellen Kon-
             sequenzen braucht es für die Opfer von Aggression
             und Gewalt am Arbeitsplatz? Diese und viele ande-
             re Fragen wurden beim kürzlich stattgefundenen                                                     griffe auf Strafvollzugsbeamtinnen und Straf-
             GÖD-OÖ-Forum unter dem Titel „Zielscheibe                                                          vollzugsbeamte in den letzten drei Jahren ver-
             Öffentlicher Dienst“ gestellt.                                                                     dreifacht, jene auf Polizistinnen und Polizisten
                     Bei Polizei, Bundesheer und Justizwache                                                    verdoppelt. Insgesamt haben bei der Exekutive
                     gibt es zweifelsfrei ein berufsbedingtes                                                   im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2017
                     Risiko, in Extremsituationen zum Ziel                                                      nicht weniger als 16.000 Kolleginnen und Kollegen
                     von Aggression und Gewalt zu werden.                                                       Verletzungen während ihrer Amtshandlungen im
                                                                   FOTOS: GÖD OÖ • EGOMET/ISTOCK/GETTY IMAGES

                     Man kann gar nicht genug Respekt davor                                                     Dienst erlitten. In unzähligen Prozessen begleitet
                     haben, dass hier unsere Kolleginnen und                                                    die GÖD Jahr für Jahr die Betroffenen mit ihrem
                     Kollegen den Kopf hinhalten, wenn der                                                      Rechtsschutz.
                     Rest der Gesellschaft ihn einzieht. Aggres-
                     sives Verhalten gegenüber staatlichen                                                      Fallzahlen nehmen rapid zu
                     Organen scheint aber längst nicht mehr                                                     Doch Gewalt im Öffentlichen Dienst ist kein Phä-
                     die Ausnahme, sondern oftmals schon die                                                    nomen, das sich auf die bereits genannten Berufs-
„Gewalt darf kein Regel geworden zu sein.                                                                       gruppen beschränkt. Leider fehlt es andernorts an
Berufsrisiko sein.“ Dort, wo es valide Zahlen gibt, sprechen                                                    Dokumentationen und somit an nachvollziehba-
   MAG. ROMANA diese eine klare Sprache. So haben sich                                                          ren Zahlen. Nichtsdestotrotz nehmen die Fallzah-
 DECKENBACHER etwa die dokumentierten tätlichen Über-                                                           len tätlicher Übergriffe oder grober Verbalattacken

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