GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET - Der Öffentliche Dienst aktuell - GÖD
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Der Öffentliche Dienst aktuell Ausgabe 7 / November 2018 7 4,50 INFORMATION AUS ERSTER HAND ◆ Österreichische Post AG – MZ 03Z035300 M – GÖD, Teinfaltstraße 7, 1010 Wien ◆ nicht retournieren ^ Spitzenleistungen im Öffentlichen Dienst +++ GEHALTSVERHANDLUNGEN FÜR DAS JAHR 2019 GESTARTET +++
i t S i e Dam m G r iff alles i h a b e n ! o s t e n frei & K n v e rb indlich u Erstellen Sie mit uns jetzt Ihr persönliches Risikoprofil. > Basis für umfassende Vorsorge und Absicherung für Sie und Ihre Familie > Fragen Sie uns: Tel. 059 808 | www.oebv.com
EDITORIAL GESCHÄTZTE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN! Österreich steht gut da. Und das kann man nicht oft genug betonen. Im weltweiten Standortranking des World Economic Forum liegen wir aktuell bei der makroökonomischen Stabilität auf dem Spit- zenplatz 1, Bestwerte gibt es hier für unser Land auch bei den Arbeitnehmerrechten. Was die Lebens- qualität betrifft, stellt uns die Boston Consulting Group im internationalen „Sustainable Economic Development Assessment“ (SEDA) ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Österreich liegt hier unter 162 Ländern auf dem hervorragenden 4. Platz hinter Norwegen, der Schweiz und den Niederlanden. Die Korruption ist gering, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung hoch. Besonderes Lob bekommt Österreich von Boston Consulting aber auch dafür, weil es uns gelungen ist, das schwache Wirtschafts- wachstum der vergangenen Jahre in Zugewinne bei der Lebensqualität umzuwandeln. Das Bera- tungsunternehmen Mercer wiederum hat unsere Bundeshauptstadt heuer zum neunten Mal in Folge zur Metropole mit der höchsten Lebensqualität gekürt. Und überhaupt: Sozialer Friede, politische Stabilität und rechtliche Sicherheit machen Österreich zu einem Land, in dem es sich zu leben lohnt. TOP-LEISTUNGEN All das wäre ohne einen hervorragend funktionierenden Öffentlichen Dienst, also ohne Ihren großen Einsatz, Ihre Kompetenz, Ihre Innovationsbereitschaft, nicht denkbar. In allen Berei- chen werden Tag für Tag herausragende Leistungen erbracht, sodass man der gesamten österreichi- schen öffentlichen Verwaltung Bestnoten geben kann! Dass Österreich nun schon das zweite Jahr in Folge eine sehr gute wirtschaftliche Entwicklung aufweist, ist auch das Verdienst aller Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst. Hohe Lebensqualität, Rechtsstaatlichkeit, ein hohes Sicherheitsniveau, ein hervorragendes Schulsystem und eine sehr gute Gesundheitsversorgung sowie demokratische Mit- bestimmung auf allen Ebenen sind die Basis für die gute Entwicklung einer Gesellschaft. Österreich ist in all diesen Bereichen im internationalen Vergleich im Spitzenfeld zu finden. Das ist auch ein klarer Standortvorteil für die Wirtschaft. JETZT WIRD VERHANDELT! Diese herausragenden Leistungen müssen sich in einer ordentlichen Gehaltserhöhung für alle Kolleginnen und Kolle- gen niederschlagen, das haben wir wiederholt gefordert. Zudem wirkt sich eine dauerhafte Kaufkraftsteigerung positiv auf Wachstum, Beschäftigung und Stabilität aus. In der ersten Verhandlungsrunde konnten die wirt- schaftlichen Rahmenbedingungen als Basis für die Verhandlungen außer Streit gestellt werden – am 12. November geht es weiter. FOLLOW US! NORBERT SCHNEDL Vorsitzender 3 · GÖD 7-18
KURZ NOTIERT��������������������������������������������� 6 INHALT GÖD-CARD ��������������������������������������������������� 26 KOLUMNE����������������������������������������������������� 27 STARK. WEIBLICH��������������������������������������� 41 BVA ����������������������������������������������������������������� 42 BV 22 PENSIONISTEN������������������������������� 43 GÖD-HOTELS����������������������������������������������� 46 BV 2 WIRTSCHAFTSVERWALTUNG . . 48 PANORAMA��������������������������������������������������� 49 IMPRESSUM �������������������������������������������������51 10 Top-Qualität des Öffentlichen Dienstes Spitzenleistungen Der Wirtschaftsmotor brummt, wir haben die Finanz- und Wirtschafts krise gut überstanden. Und obwohl die NEU: Newsletter! Rahmenbedingungen beinahe überall Mit dem GÖD-Newsletter bist Du deutlich schwieriger geworden sind, stets über unsere Aktionen und tragen die öffentlich Bediensteten Kampagnen infomiert. unseres Landes entscheidend dazu bei, Jetzt anmelden! Österreich zu einem der lebenswer testen Plätze der Welt zu machen. www.goed.at Wir haben, stellvertretend für alle Berei- che, drei Sektoren – Bildung, Gesund- heit und Sicherheit – unter die Lupe genommen. Haben sich Name oder Adresse geändert? In diesen Fällen bitte die E videnz der GÖD rufen (Tel.: 01/534 54-139) oder E-Mail senden an: goed.evidenz@goed.at Auf der GÖD-Website www.goed.at können die Daten per Online-Formular geändert werden. 20 COVERFOTO: PHOTOTECHNO/ISTOCK/GETTY IMAGES 4 · GÖD 7-18
GEHÄLTER 2019 8 Verhandlungen gestartet Am 22. Oktober 2018 wurden im Rahmen der ersten Gehaltsrunde die Wirtschaftsdaten außer Streit gestellt. VERANSTALTUNG24 Gegen Gewalt Was tun, wenn der Staat und seine Funk- tionsträger zum Ziel von Aggression werden? Diese und viele andere Fragen wurden beim GÖD-OÖ-Forum unter dem Titel „Zielscheibe Öffentlicher Dienst“ diskutiert. #GÖDSTÄRKT28 Das große Plus Der Familienbonus Plus bringt eine deutliche Entlastung für die Familien. GÖD-ONLINE30 Immer auf dem Laufenden Die neue GÖD-Website www.goed.at ist online und bietet erweiterte Funktio- nen und aktuelle Infos rund um den Öffentlichen Dienst. REPORTAGE32 Wissenschaft auf Augenhöhe Wir stellen vor: Die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg- 12 Gumpenstein arbeitet im Dienste der Landwirtschaft und Österreichs Konsu- menten. PERSONALVERTRETUNG36 Behandlung von Anträgen Die Personalvertretung hat nicht nur von sich aus die Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern, sondern muss sich auch mit Anträgen einzelner Beschäftigter auseinander- setzen. 16 BETRIEBSRAT38 Kündigung durch den Arbeitgeber Alles über den formalen Ablauf der Einbindung des Betriebsrates bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. 5 · GÖD 7-18
KURZ NOTIERT MIGRATIONSPOLITIK Bundeskanzler drängt auf europäische Einigung Bundeskanzler Sebastian Kurz macht Druck, was die europäische Migrati- onspolitik betrifft. Beim EU-Gipfel in Salzburg fordert er erneut die Schaffung von Anlandezentren außerhalb Europas und die anschließende Verteilung von Flüchtlingen auf Drittstaaten. „Wenn wir uns auf ‚Anlandeplattfor- men‘ außerhalb Europas einigen, wird das dazu führen, dass Menschen nach der Rettung nicht automatisch nach Europa gebracht werden, sondern in Drittstaaten“, betonte Bundeskanz- ler Sebastian Kurz im Rahmen des EU-Gipfels, der im September in Salz- burg stattfand. Mit dieser Maßnahme will er den Schleppern die Geschäfts- grundlage entziehen und die Zahl der BÜRGERNAHER nach Europa kommenden Migranten EU-ENTSCHEID auf ein vertretbares Maß reduzieren. Ende der Zeitumstellung könnte 2019 kommen Die EU-BürgerInnen haben entschieden – und zwar mit 84 Prozent für ein Ende der Zeitumstellung. Die EU-Kommis- sion will dem nun nachgehen und den Beschluss bereits im nächsten Jahr umsetzen. Seit 1996 stellen alle EU-Bür- gerInnen zweimal pro Jahr ihre Uhren um. Damit könnte nun tatsächlich Schluss sein. Die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker hat einen Geset- zesvorschlag vorgelegt, der vorsieht, dass bereits im März 2019 zum letzten Mal die Uhren gedreht werden. Jetzt müssen noch das Europaparlament und die EU-Staaten dem Vorschlag zustimmen – dann kann das Ende der Zeitumstellung 2019 Realität werden. KURZMELDUNGEN TEXT: CARINA WURZ 6 · GÖD 7-18
BREXIT Endet die Arbeitnehmerfrei Times“ hat die britische Regierung zügigkeit bald an den Grenzen angekündigt, sich nach einem Austritt Großbritanniens? auf die Zuwanderung von hoch qua- Unsicherheit dominiert die BREXIT- lifizierten Arbeitskräften zu konzent- Verhandlungen auf allen Ebenen. Auch, rieren. Als Zugeständnis an die Unter- was europäische ArbeitnehmerInnen nehmen, die den drohenden Mangel in Großbritannien und britische Arbeit- an Arbeitskräften im Niedriglohnsektor nehmerInnen in EU-Staaten erwartet, beklagen, soll aber zumindest eine liegt noch im Dunkeln. Derzeit ist eine begrenzte Zuwanderung von geringer Bevorzugung von EU-BürgerInnen am qualifizierten Personen möglich sein. britischen Arbeitsmarkt nach einem Dass dabei ArbeitnehmerInnen aus der Austritt aus der EU aber nicht vorgese- EU bevorzugt werden, sei in den Plä- hen. Laut einem Bericht der „Financial nen derzeit nicht vorgesehen. Gelingt es, ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der europäischen Union zu schließen, könnte sich das freilich noch ändern. EUROBAROMETER FOTOS: JFK / EXPA / PICTUREDESK.COM • LISEYKINA, TITOONZ, WILDPIXEL/ISTOCK/GETTYIMAGES Unklar sind auch die Folgen für Arbeit- EU-Zustimmung auf Rekordniveau nehmerInnen aus EU-Ländern, die Die aktuelle Eurobarometer-Umfrage bringt die höchste derzeit in Großbritannien beschäftigt Zustimmung zur Europäischen Union seit 25 Jahren. Paradox sind. Mit der derzeit geltenden EU- daran ist: Grund dafür könnte gerade der BREXIT sein. Arbeitnehmerfreizügigkeit wird keine 62 Prozent der Befragten sehen die EU-Mitgliedschaft ihres eigene Arbeitserlaubnis benötigt. Zuge- Landes positiv, in Österreich ist knapp die Hälfte (48 Prozent) sichert wurde bisher zumindest, dass dieser Meinung. Auch die Zustimmung zu einzelnen EU-Poli- bereits in Großbritannien beschäftigte tikfeldern ist in Österreich gegenüber 2016 deutlich gestie- ArbeitnehmerInnen im Land bleiben gen: 44 Prozent gaben beispielsweise an, dass die EU-Politik dürften. Für alle, die sich künftig in in Hinblick auf Anti-Terror-Abwehr angemessen sei. Vor zwei Großbritannien niederlassen und dort Jahren waren nur rund 25 Prozent dieser Meinung. Ähnliche arbeiten wollen, wird es im Falle eines Zahlen zeigen sich beim EU-Außengrenzschutz: 42 Prozent Austritts vermutlich um einiges schwie- der Österreicher sehen die EU-Politik hier positiv, 2016 waren riger. Grundsätzlich ist dann auch für es noch 28 Prozent. In nahezu allen Bereichen des Euroba- Briten, die innerhalb der EU arbeiten, rometers lässt sich ein signifikanter Anstieg gegenüber dem die Arbeitnehmerfreizügigkeit aufge- Jahr 2016 beobachten – jenem Jahr, in dem auch die Abstim- hoben, es sei denn, es gelingt noch, mung über den BREXIT stattfand. Die positiven Zahlen könn- Sonderregelungen auszuhandeln. ten somit zum Teil auch auf ein steigendes Bewusstsein für die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft zurückzuführen sein. 7 · GÖD 7-18
AKTUELL VERHANDLUNGEN GESTARTET In der ersten Gehaltsrunde für das Jahr 2019 ging es um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese wurden außer Streit gestellt. VON DR. MICHAELA BAUMGARTNER D er traditionelle Start der Gehaltsverhand- wig Löger auf der anderen Seite – vor Aufnahme lungen für unsere Kolleginnen und Kol- der Verhandlungen Stellungnahmen gegenüber legen des Öffentlichen Dienstes in allen den anwesenden Medienvertretern ab. „Wir wol- Gebietskörperschaften drehte sich um die volks- len eine dauerhafte Kaufkraftstärkung für alle wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst“, Vizekanzler Heinz-Christian Strache begann in erklärte Norbert Schnedl. Er verwies auf die „her- seiner Funktion als zuständiger Bundesminister vorragende wirtschaftliche Entwicklung“ und für den Öffentlichen Dienst seine ersten Gehalts- meinte, dass sich diese auch „im Geldbörserl“ nie- verhandlungen. Vorab gaben die Leiter der beiden derschlagen müsse. Der Finanzminister v ersprach Verhandlungsteams – GÖD-Vorsitzender Dr. Nor- eine Berücksichtigung der guten Konjunktur bert Schnedl und Ing. Christian Meidlinger, Vorsit- und plädierte „für einen guten Abschluss“, der zender der younion, auf der einen und Vizekanzler aber auch die budgetären Rahmenbedingungen Heinz-Christian Strache und Finanzminister Hart- berücksichtigen müsse. Vizekanzler Strache ver- 8 · GÖD 7-18
Als Basis für die weiteren Verhandlungen außer Streit gestellt: 2,02 % Inflation, 3 % Wirtschaftswachstum. Ziel: Wirksamwerden mit 1. Jänner 2019. wies darauf, dass sich die „große Wertschätzung“ blöcken. Er beharrte auf einer nachhaltigen und gegenüber den Beamten auch widerspiegeln solle, dauerhaften Kaufkraftstärkung, nicht zuletzt, weil es sei wichtig, dass die gute Konjunktur bei den es schon im zweiten aufeinanderfolgenden Jahr Arbeitnehmern ankomme. hervorragende Wirtschaftsdaten gebe. Younion- In der nun folgenden ersten Gehaltsrunde standen Vorsitzender Christian Meidlinger erklärte, er wol- traditionsgemäß die wirtschaftlichen Rahmenbe- le auf alle Fälle vermeiden, dass – so wie im Vorjahr dingungen und die für die Verhandlungen maßgeb- Oberösterreich – einzelne Länder wieder aus dem liche Inflationsrate unter Beiziehung von Experten gemeinsamen Abschluss ausscheren. Die anwe- des Wirtschaftsforschungsinstituts auf der Agenda. senden Ländervertreter hätten zugesagt, dass Im Zuge dessen konnte eine Inflationsrate von 2,02 man empfehlen werde, das in Landtagsbeschlüs- Prozent für die weiteren Gespräche außer Streit sen umzusetzen. Ausdrücklich gelobt wurde das gestellt werden. Dieser Wert wurde von Experten Gesprächsklima sowohl von Gewerkschafts- als des Wirtschaftsforschungsinstituts für die Zeit vom auch von Regierungsseite. Der Vizekanzler sprach Oktober des Vorjahres bis September dieses Jahres von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt. errechnet. Außerdem verständigte man sich auf ein Auch GÖD-Vorsitzender Norbert Schnedl meinte, Wirtschaftswachstum für das Jahr 2018 von 3,0 Pro- das Zusammentreffen sei sehr sachlich und von zent als Basis für die kommenden Verhandlungen. hoher Wertschätzung den Kollegen gegenüber Weitere Details wurden in einer spontanen Pres- geprägt gewesen. „Das ist ein Zugang, den wir sekonferenz im Anschluss an die erste Verhand- sehr schätzen.“ FOTOS: ANDREAS SCHERIAU • ROBERT JAEGER / APA / PICTUREDESK.COM lungsrunde bekanntgegeben. Konkrete Zahlen Darüber hinaus setzte man sich zum Ziel, die Ver- für eine mögliche Lohnerhöhung wurden erwar- handlungen so rechtzeitig abzuschließen, dass tungsgemäß nicht genannt. Auf die Frage, ob das neue Gehaltsabkommen mit 1. Jänner 2019 in der Abschluss zwischen den Metallern und der Kraft treten könne. Fortsetzung folgt: Die nächste Inflation liegen könnte, antwortete der Vizekanz- Runde wurde für 12. November angesetzt. l ler jedoch für alle überraschend: „Sie haben ein gutes Naserl.“ Eine Abgeltung für die Flexibili- sierung der Arbeitszeit, wie das die Metallerge- werkschaft fordert, sei für die GÖD kein Thema, betonte Vorsitzender Norbert Schnedl, da die Arbeitszeit-Flexibilisierung im Öffentlichen Dienst schon längst umgesetzt sei. Hier gibt es klare Spielregeln, und zwar ein gesetzlich verankertes Mitwirkungsrecht der Interessenvertretung sowie Vereinbarungen zur Konsumierung von Freizeit- Bild oben: Die Chefverhand- ler der Gewerkschaftsseite: GÖD-Vorsitzender Norbert Schnedl und Christian Meidlinger (younion). Bild links: Schon vor Beginn der Verhandlungen stellten sich die Hauptakteure den Fragen der Medienvertrete- rInnen. 9 · GÖD 7-18
TITEL GESCHICHTE Bildung l Gesundheit l Sicherheit SPITZENLEISTUNGEN IM ÖFFENTLICH Österreichs Öffentlicher Dienst trägt entscheidend dazu bei, unser Land zu einem der lebenswertesten Plätze der Welt zu machen. Wir haben, stellvertretend für alle Bereiche, vorerst drei Sektoren unter die Lupe genommen. Fortsetzung folgt. D er Wirtschaftsmotor brummt, Öster- rungen, die reibungslose Abwicklung der reich hat die Finanz- und Wirtschafts- österreichischen EU-Ratspräsidentschaft krise gut überstanden. Im aktuellen und die Auswirkungen der Flüchtlings- Ranking des World Economic Forums liegt und Migrationsbewegung bringen zusätz- Österreich im Vergleich von 140 Staaten auf liche Belastungen mit sich, die nur durch Platz eins bei der wirtschaftlichen Stabilität, großes Engagement zu bewältigen sind. so das Ergebnis des Global Competitiveness Wir haben die folgende Titelgeschichte Report 2018. exemplarisch drei Sektoren gewidmet – Dass der Öffentliche Dienst als stabiler eine Fortsetzung mit weiteren Bereichen Standortfaktor dabei eine entscheidende ist übrigens in Planung. Rolle spielt, wird wohl niemand in Zweifel Das Ergebnis ist eindeutig: Auch wenn die ziehen. Und das, obwohl die Rahmenbedin- Arbeitsbedingungen härter geworden gungen in beinahe allen Bereichen deutlich sind, erbringen die Mitarbeiterinnen und schwieriger geworden sind. Die Personal- Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes Tag decke ist vielerorts dünn, die Grenze der für Tag Spitzenleistungen und sorgen Belastbarkeit erreicht. Gesellschaftliche dafür, dass Österreich das bleibt, was es Umwälzungen stellen alle am öffentlichen heute ist: ein schönes Land, auf das wir Leben Beteiligten vor große Herausforde- stolz sein können. l 10 · GÖD 7-18
Trotz oft widriger Rahmen- bedingungen erbringen Österreichs öffentlich Bedienstete Höchst leistungen. Das muss entsprechend honoriert werden. EN DIENST FOTO: BO1982/ ZHANG BO/GETTY IMAGES 11 · GÖD 7-18
Österreichs Lehrerinnen und Lehrer schlagen Alarm: Um die Unter- richtsqualität erhalten zu können, brauchen sie dringend Unterstützung. WAS TUT SICH DA IM KLASSENZIMMER? Bildung gilt als die Schlüsselkompetenz der Zukunft. Doch noch nie war die Situation an den Schulen schwieriger, der Druck auf die Lehrerinnen und Lehrer größer als heute. VON PAUL KIMBERGER
TITEL GESCHICHTE V orab einige grundsätzliche Bemerkungen. Die Schule steht stark im Fokus der öffent- lichen Diskussion und ist dabei Kritik aus- gesetzt, die immer unsachlicher, emotioneller und Paul Kimberger: Der Autor ist Bundesvorsitzender der heftiger wird. Zwar machen sehr viele Schulen ihre Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer sowie Vorsitzender der ARGE LehrerInnen in der GÖD. Arbeit richtig gut. Das ist trotz PISA mehr als erfreu- lich. Trotzdem sind bedenkliche Entwicklungen festzustellen. So sind viele Lehrerinnen und Lehrer anderer wütender Vater droht, mit überlastet, und so manche leiden unter Burnout- dem Anwalt wiederzukommen, und Symptomen. Es ist erstaunlich, was Lehrer heu- will dafür sorgen, dass die Lehrerin te – neben dem eigentlichen Berufsauftrag, dem sofort aus dem Verkehr gezogen Unterrichten – nebenbei noch alles zu bewältigen wird – von einer Frau lässt er sich haben: unzählige Qualitäts- und Projektgruppen, sowieso nichts sagen. Ein weiteres Schulevents, Sitzungen und Absprachen mit diver- Elternpaar droht mit den Medien. sen Fachpersonen, Elterngespräche, administrati- Wie sollen solche Kinder in Ruhe ve Aufgaben, Umsetzung von Reformen usw. Eine lernen können, wenn sie zu Hause Kompensation dafür hat nicht stattgefunden. Das hören, wie die Lehrerinnen und Lehrer vom Vater bedeutet, die Lehrerinnen und Lehrer leisten die- oder von der Mutter als unfähige Idioten bezeich- se Arbeit immer noch zusätzlich, häufig nach dem net werden? Andere Eltern wiederum sind zu wenig anstrengenden Unterricht. in der Lage, ihre Kinder angemessen zu betreuen, zu beaufsichtigen und zu unterstützen – sie dele- Ansprüche sind massiv gestiegen gieren die Erziehungs- und Bildungsarbeit an die Dazu kommen überhöhte Erwartungen: Die An- Schule. Hier wären wirkungsvolle Unterstützungs- sprüche an Schule und Lehrer sind massiv gestie- und Entlastungsmaßnahmen für Eltern dringend gen. Motivieren müssten sie, das Lernen lehren, angebracht und längst überfällig. den Unterricht spannend gestalten, auf die Sor- Zu viele Schülerinnen und Schüler sind zudem nicht gen aller Kinder eingehen und die Eltern per SMS genügend auf die Anforderungen der Schule vorbe- informieren. Produzieren sollen sie: eine gerechte- reitet, und sie treten mit teilweise gänzlich falschen re Gesellschaft und Olympiasieger. Sieht man das Vorstellungen, Überzeugungen und Ansprüchen in alles aus der Lehrerperspektive, multipliziert man die Schule ein. Viele Kinder weisen eine zu gerin- es mit der Schülerzahl pro Lehrer, denkt man an ge Frustrationstoleranz auf, schmeißen die Sache die extrem unterschiedlichen Erziehungserwar- hin, wenn es nicht auf Anhieb klappt, verweigern tungen der Eltern und die großen entwicklungs- sich bei jeder Anforderung. Ihre Selbststeuerung, psychologischen Unterschiede zwischen den Kin- die Selbstkontrolle über ihre Gefühle und ihr Ein- dern und addiert dann noch Innovationshysterie fühlungsvermögen sind unterentwickelt. Viele die- und Dauerbevormundung, wird klar, in welchem ser Kinder haben zu Hause gelernt, dass sich die komplizierten Feld gute Pädagoginnen und Päda- Erwachsenen (zu häufig) an sie angepasst haben gogen arbeiten. und sie selber kaum eine Anpassungsleistung vollbringen mussten: Es findet eine fehlgeleitete Unzufriedene Eltern, überforderte Schüler Ausrichtung der Eltern auf die Kinder statt – eine Ein dritter Punkt sind die Eltern, die heute viel- zunehmende Infantilisierung! Hier wäre eine wich- FOTO: GOLDFAERY/ISTOCK/GETTY IMAGES fach unter massivem wirtschaftlichem und psy- tige Vorbereitungsarbeit schon vor der Schule, ja chischem Druck stehen, den sie an die Kinder und vor dem Kindergarten durch die Eltern zu leisten. die Schule weitergeben. Lehrerinnen und Lehrer werden immer häufiger mit heftigen Angriffen und Gewalt an den Schulen Respektlosigkeiten konfrontiert. Ein Elternpaar Dazu kommt ein brisantes gesamtgesellschaftli- erwartet vom Lehrer für den Sohn in Mathematik ches Problem: Im Schuljahr 2017/18 gab es insge- natürlich ein „Sehr gut“, alles andere ist inakzep- samt 857 Polizeieinsätze wegen Gewalttaten an tabel – schließlich sind sie ja gute Steuerzahler. Ein Österreichs Schulen, in 847 Fällen wurde Anzeige 13 · GÖD 7-18
TITEL GESCHICHTE „Angesichts der gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzungen sind unsere Lehrerinnen und Lehrer die Schlüsselpersonen der Zukunft.“ DR. MARTINA LEIBOVICI-MÜHLBERGER, BESTSELLERAUTORIN erstattet. Der Großteil der Anzeigen betraf Kör- des „pädagogischen Pakets“ – die Leistungsbe- perverletzungen, aber auch Raub und Diebstahl urteilung und Adaptierung des Wiederholens von sowie sexuelle Übergriffe. Wir brauchen mehr Schulstufen in der Volksschule und die Weiterent- Unterstützung durch SozialarbeiterInnen und wicklung der (Neuen) Mittelschule – in die Begut- PsychologInnen und auch administrative Hilfe, achtung geschickt. Es bedarf jetzt einer kritischen um die Gewalt in den Griff zu bekommen. Darüber Analyse, ob die geplanten Maßnahmen für unsere hinaus sind die Zustände in den Klassenräumen Schulen Schritte in die richtige Richtung darstellen so, dass ein geregelter Unterricht manchmal gar – der Teufel liegt ja bekanntlich immer im Detail. nicht mehr möglich ist. Kurzfristig lassen sich all Eine entsprechende Stellungnahme wird von uns diese Probleme nicht lösen. Es braucht ein gan- nach eingehenden Beratungen jedenfalls bis zum zes Bündel an Maßnahmen, die Schule darf auf Ende der Begutachtungsfrist abgegeben, um erfor- keinen Fall allein gelassen werden. derliche Änderungen noch vor der parlamentari- schen Beschlussfassung herbeiführen zu können. Pädagogikpaket: Kein Problemlöser für alles Aufgrund des Fehlens von Lehrplänen und Beur- Noch eine Anmerkung zu einem aktuellen poli- teilungsrastern wird aber eine endgültige Gesamt- tischen Thema: Angekündigt war es lange, nun beurteilung dieses Pakets noch nicht möglich sein. hat die Regierung die ersten zwei Teilprojekte Zahlreiche Fragen sind (noch) ungeklärt und den Die haben nicht gewonnen! VON MAG. DR. ECKEHARD QUIN D ie Wiener NMS-Lehrerin Susanne Wiesin- sich religiöse Fundamentalisten grundsätzlich ger sorgt mit ihrem Buch „Kulturkampf schwer. Umgekehrt kann eine freie, aufgeklärte im Klassenzimmer“ für Schlagzeilen. Gesellschaft manche Wünsche unmöglich erfül- „Der Islam verändert die Schulen in eine Rich- len, ohne ihre eigenen Fundamente zum Einsturz tung, die nicht akzeptiert werden darf“, schreibt zu bringen. Mag. Lisa Nimmervoll in einem „Standard“- Obwohl der aufgeklärte, liberale Staat einst gegen Kommentar.1 Wie viel Multikulturalität, wie viel den Widerstand der Kirche erkämpft werden Kulturrelativismus verträgt unsere Gesellschaft? musste, hat er christliche Wurzeln – die Beto- Laut Immanuel Kant sagte der von ihm als „Herr“ nung des freien Willens des Individuums und des titulierte König Friedrich II. von Preußen: „Räson- Gewissens des Einzelnen. Und genau das kann nirt, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur ein fundamentalistischer Islam uns vorwerfen. gehorcht!“2 Freilich impliziert diese Aussage Unser Staat ist nicht weltanschaulich neutral und ein Bild des Bürgers3 als Untertan, aber im Kern kann es auch nicht sein. Und zu dieser Art von Par- wird hier, auch wenn es überraschend klingt, die teilichkeit sollten wir uns auch bekennen. „Denn Grundlage des liberalen Staates formuliert. Die diese Parteilichkeit ist keine unzumutbare, sie tritt Staatsbürger können glauben, was sie wollen, nur angesichts seiner Feinde [Anm.: die des Staa- solange sie die Gesetze des Staates respektie- tes] in Erscheinung, diesen gegenüber aber glei- ren. Das bedeutet andererseits aber auch die chermaßen. Sie bevorzugt weder Christen noch Akzeptanz einer von den eigenen Vorstellungen Muslime, noch kämpferische Atheisten. Sie kürzt abweichenden Lebensweise, und damit tun nur allen gemeinsam den Anspruch, der Gesell- 14 · GÖD 7-18 4-18
Kampfplatz Schule? Manchmal ist ein geregelter Unterricht kaum mehr möglich. „pädagogischen Stresstest“ müssen Ziele und Maßnahmen dieses Pakets erst absolvieren. Eines geht aber aus meiner Sicht tatsächlich in eine rich- tige Richtung: Der von vielen Schulen geäußerte Wunsch nach autonomen Standortentscheidun- gen bezüglich Differenzierung und Leistungsbeur- teilung wurde erfüllt und kann Lehrerinnen und Lehrer sowohl in ihrer pädagogischen Freiheit als auch in ihrer organisatorischen Flexibilität stär- ken – wohlgemerkt jedoch nur dann, wenn die notwendigen Ressourcen ausreichend und nach- haltig jeder Schule zur Verfügung gestellt werden. Für den Fall, dass manche wieder glauben, dieses Paket sei ein „Problemlöser für alles“: Nein, für die tagtäglichen pädagogischen, sozialen, religiösen, familiären, sprachlichen, menschlichen und gesellschaftlichen Heraus- forderungen wäre ein deutliches Mehr an vor- schulischen Maßnahmen, Sprachförderungen, Integrationshilfen, Unterstützungssystemen, Sonderpädagogik sowie die längst überfällige Doppelbesetzung in der Volksschule dringend erforderlich. l schaft ihren Willen aufzuzwingen.“4 Karl Popper privater Religiosität oder Herkunft. Dies ist kein hat bereits 1945 das sogenannte Toleranzpara- Kampf Muslime gegen Nichtmuslime. Dies ist der doxon beschrieben. „Uneingeschränkte Toleranz Kampf der Vernünftigen und Aufgeklärten für führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden Freiheit und Demokratie und gegen die Feinde der Toleranz. […] Wir sollten […] im Namen der offenen Gesellschaft.“6 Denn ich weigere der Toleranz das Recht in Anspruch nehmen, mich, das, was die „Presse“ als „Bilanz“ Susanne die Intoleranten nicht zu tolerieren. Wir sollten Wiesingers bezeichnet, zu akzeptieren: geltend machen, dass sich jede Bewegung, die „Wir sind ohnmächtig. Und oft denke ich: Die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, haben gewonnen und wir haben verloren.“7 FOTO: HANS KLAUS TECHT / APA / PICTUREDESK.COM und wir sollten eine Aufforderung zur Intole- ranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch 1 Lisa Nimmervoll: Kampf der Vernünftigen. In: Standard online vom 10. September 2018. behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, 2 Immanuel Kant: „Was ist Aufklärung?“ (1784). zu Entführung oder zur Wiedereinführung des 3 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen gleichermaßen Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. Sklavenhandels.“5 4 Jens Jessen: Die Tücken der Toleranz. In: Die Zeit online vom 18. November 2004. 5 „Unlimited tolerance must lead to the disappearance of tolerance. […] We should […] Wir müssen stärker als in der Vergangenheit die claim, in the name of tolerance, the right not to tolerate the intolerant. We should claim Fundamente unseres Staates verteidigen und die that any movement preaching intolerance places itself outside the law, and we should consider incitement to intolerance and persecution as criminal, in the same way as we Beachtung unserer Spielregeln ohne Wenn und should consider incitement to murder, or to kidnapping, or to the revival of the slave trade, as criminal“ (Karl Popper: „The Open Society and Its Enemies“, 1945, Band 1, Aber einfordern. „Wir? Ja, es gibt Situationen, in Anmerkung 4 zu Kapitel 7). denen die Unterscheidung zwischen ‚wir‘ und 6 Nimmervoll: Kampf der Vernünftigen. 7 Anne-Catherine Simon: Islam in der Schule: „Oft denke ich, wir haben verloren“. ‚ihr‘ wichtig ist. Die Trennlinie verläuft jenseits In: Presse online vom 9. September 2018. 15 · GÖD 7-18 4-18
TITEL GESCHICHTE GESUNDHEIT UNTER DRUCK W ie in vielen Branchen ist auch der fünfjährigen Ausbildung gehen“, bestärkt er eine Gesundheitsbereich von einem Per- langjährige F orderung des Betriebsrates. sonalmangel betroffen: „Wenn man vor einigen Jahren im nördlichen Waldviertel, wo Fachkräftemangel Arbeitsplätze nicht so dicht gesät sind, eine Stelle Ganz generell seien Änderungen in der Ausbildung in der Pflege ausgeschrieben hat, gab es binnen ein Schlüssel, der viele Probleme lösen würde. „Bei kürzester Zeit zig Bewerber dafür. Heute dauert es der letzten Novelle des Gesundheits- und Kranken- oft Wochen, bis wir eine Nachbesetzung finden“, pflegegesetzes kam es zu einer typisch österreichi- beschreibt Peter Maschat, Vorsitzender des Zent- schen Lösung. Die Ausbildung zum diplomierten ralbetriebsrats der niederösterreichischen Landes- Gesundheits- und Krankenpfleger wurde durch die kliniken und Landespflege- und Betreuungszentren Verlegung an Fachhochschulen zwar aufgewertet, die Lage am Arbeitsmarkt. Die Gründe dafür sieht er doch zugleich gingen über 50 Prozent der Ausbil- nicht nur darin, dass das Berufsfeld zu wenig attrak- dungsplätze verloren. Die zentralen Ausbildungs- tiv ist. „Das ist vielleicht ein Mosaikstein. Ein Teil des orte halten viele ab, und darüber hinaus wurde Problems ist politisch hausgemacht: Es ist uns bis auch die Entlohnung bisher nicht an die der schon heute nicht gelungen, die Lücke zwischen dem Ende länger akademischen Berufe von Hebammen und der Schulpflicht und dem möglichen Beginn einer Physiotherapeuten angepasst“, hält Maschat fest. Ausbildung in der Pflege zu schließen. Das macht Auch Reinhard Waldhör, der Vorsitzende der GÖD- es schwer, junge Menschen dafür zu begeistern“, Gesundheitsgewerkschaft, sieht in den zentralen erklärt Maschat. Denn die Arbeit am Patienten und Ausbildungsstätten ein Problem: „Einige Bun- damit auch die praktische Ausbildung dürfen von desländer leben die dezentrale Ausbildung durch gesetzes wegen erst 17-Jährige durchführen. „Das Kooperationen vor. Dort zeigt sich, dass die Bewer- ist gut und richtig so. Doch vor dem Hintergrund berzahlen deutlich höher sind.“ Zusätzlich brauche sehe ich auch die neue Idee der ‚Pflegelehre‘ skep- es aber auch in den Bereichen Pflege(fach)assistenz tisch. Wir müssen hier in Richtung einer vier- bis Veränderung. „Eine Ausbildung, die sofort nach dem 16 · GÖD 7-18
Über 30 Berufsgruppen sind in Österreich dafür verantwortlich, dass Patienten in den öffentlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen optimal betreut werden. Ein Lagebericht aus dem öffent lichen Gesundheitswesen. VON CARINA WURZ Regelschulalter in Form eines schulischen Stufen- fallen derzeit praktisch bei jeder Abwesenheit vom modells beginnt, das entweder durch eine BHS oder Dienst Überstunden für die KollegInnen an. Dadurch durch die bestehenden Gesundheits- und Kranken- kommt es aber wiederum vermehrt zu Krankenstän- pflegeschulen angeboten werden kann, ist unbe- den aus Erschöpfung, und die sich bereits drehende dingt nötig“, führt Waldhör aus. „Die modulhafte Spirale verschärft sich weiter“, nennt Waldhör das Ausgestaltung sollte für die AbsolventInnen auch Problem beim Namen. Generell sind Überlastung das Angebot des Studienzugangs enthalten. Dann und Zeitmangel ein Problem: „Die Pflegekräfte wäre die vielfach kolportierte Durchlässigkeit in der sind die Drehscheibe, die Patientenmanager. Wenn Pflegeausbildung wirklich gegeben!“ Und letztend- rundherum die Zeit knapp und die Aufgaben viele lich dürfe man nicht nur bei den Jungen ansetzen. sind, prallt das in der Pflege massiv zusammen“, Auch im Bereich der Erwachsenenausbildung soll- so Maschat. ten TeilnehmerInnen gezielt angesprochen wer- den und über verschiedene Instrumente, wie zum Zeitgemäße Personalbedarfsplanung Beispiel ein Fachkräftestipendium, entsprechend Außerdem sei die Personalbedarfsplanung, die gefördert werden. heute in den meisten Einrichtungen zur Anwen- dung kommt, längst nicht mehr zeitgemäß. Das Belastungen, die vermeidbar wären unterstreicht auch eine aktuelle Studie der Arbei- FOTO: MEGAFLOPP/ISTOCK/GETTYIMAGES „Ein gutes Arbeitsklima ist ein Wettbewerbsfak- terkammer Oberösterreich. Demnach gehen die tor“, sagt Peter Maschat. Gerade, weil die Arbeit im angewendeten Planungsinstrumente von 1600 Gesundheitsbereich gemeinschaftlich organisiert Pflegestunden pro Vollzeitpflegekraft und Jahr aus. ist, sind gut organisierte Abläufe grundlegend. Die Realität sieht aber anders aus: „Der Anstieg von Doch das gestaltet sich immer schwerer. „Mangels Krankenständen und Urlaubstagen aufgrund des notwendiger Personalreserven – durch ständige höheren Durchschnittsalters der Beschäftigten ist Arbeitsverdichtung ist die eigentliche Personalre- da zum Beispiel gar nicht berücksichtigt. Die Netto- serve fix in den Regelbetrieb integriert worden – arbeitszeit liegt deutlich unter d en Annahmen“, so 17 · GÖD 7-18
TITEL GESCHICHTE Maschat. Die Studie der AK kommt auf 1400 Stunden pro Jahr. Ob die Lücke tatsächlich so groß ist, will Maschat nicht beurteilen, doch Fakt ist: Die fehlen- den Stunden gehen zu Lasten der Dienstnehmer, die viele Überstunden leisten, unter vielen kurzfristigen Dienstverschiebungen leiden und vielfach mit Pool- diensten und Leihpersonal zusammenarbeiten, was mitunter aufgrund der nötigen Einschulungen für Mehrarbeit sorgt. Der Mangel an Zeit birgt die Gefahr, dass der Umgang und die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen leidet – ein Nachteil für beide Seiten: „Die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter haben Sehnsucht danach, einfach ihre Arbeit gut zu machen, in der Zeit, die vertraglich verein- bart ist. Wir brauchen dringend österreichweit eine zeitgemäße Personalbedarfsberechnung. Da ist das Ministerium gefordert, um endlich die Dienst- postenplanung mit der Realität in Einklang zu brin- gen“, formuliert Maschat eine zentrale Forderung der Gewerkschaft und des Betriebsrats. Unklare Jobprofile Wenn es um die Dienstpostenplanung geht, gibt es noch eine weitere Herausforderung: Während sich die Politik von der Einführung des „Pflegefachassis- tenten“ budgetäre Einsparungen erhoffte, sorgt das zusätzliche Qualifikationsprofil in der Praxis vielfach NÖ Landeskliniken physische Verletzungen behandelt werden. Plakat-Aktion gegen Gewalt „Die GÖD Gesundheitsgewerkschaft hat im Jahr 2018 das Problem ,Gewalt gegen Bedienstete in Unter dem Titel „Stop – Keine Gewalt!!!“ will den Kliniken und Pflegeeinrichtungen‘ zu einem die Landeskliniken-Holding in Niederösterreich Schwerpunktthema gemacht. Daher begrüßen mit einer Plakataktion eine Sensibilisierung wir ausdrücklich jede Maßnahme, die zur Sensi- gegenüber Gewalt erreichen. Wie der „Kurier“ bilisierung beiträgt“, erklärt dazu der Bereichs- berichtete, wurden nach Angaben der Kliniken- leiter Gesundheit und Umwelt in der GÖD, Peter Holding zwischen Oktober 2017 und März 2018 Maschat, Zentralbetriebsrat der NÖ Landeskli- insgesamt 1109 Übergriffe dokumentiert, am niken und Landespflegeheime. „Plakataktionen häufigsten betroffen sind Pflegekräfte. Die sind ein guter Beitrag, um die Problematik in Gewalt – von Handgreiflichkeiten über Bedro- der Öffentlichkeit anzusprechen. Darüber hin- hungen bis hin zu Beschimpfungen – ging fast aus bedarf es aber weiterer umfassender Maß- ausschließlich von Patienten aus, die meisten nahmen, um Bedienstete zu schützen. Neben Übergriffe fanden in Patientenzimmern statt. entsprechender Notfalls- und Sicherheitskon- 55 Prozent der Betroffenen sprachen von einem zepte für die einzelnen Einrichtungen wie Alar- bleibenden Bedrohungsgefühl, elf Prozent mierungspläne und Verhaltensregeln im Akut-/ von Angst und Schock als Folgeerscheinung. Eskalationsfall sind entsprechende Schulungen In neun Prozent der Fälle mussten sichtbare für Mitarbeiter anzubieten.“ 18 · GÖD 7-18
für Verwirrung. Denn schon heute ist die Abgrenzung zwischen den Aufgaben, die ein Pflegeassistent übernehmen darf, und jenen, die einer diplomierten Pflegekraft vorbehalten sind, schwierig einzuhalten – und damit auch die Bedarfsplanung komplex: „Es gibt da keine Formel, die für ganz Österreich stimmt. Die Aufteilung zwischen diplomiertem Personal und Pflegeassistenten muss sich nach den angebotenen Leistungen richten. Gerade in Organisationen, die effizient organisiert sind, kann ich kaum arbeitsteilig unterwegs sein. „Wenn rundherum Denn wo nur eine Pflegekraft zuge- die Zeit knapp und die teilt ist, muss es immer eine diplo- IN KÜRZE Aufgaben viele sind, mierte sein, Spezialfächer sind ihnen ADVENTWOCHEN ohnehin ganz vorbehalten. Da bleibt prallt das in der Pflege nicht viel Einsparungspotenzial“, kri- MIT AUSFLUG NACH SOPRON, ENSPANNUNGSMASSAGE, massiv zusammen.“ tisiert Maschat. Zusätzlich besteht KABARETT U.V.M. TERMINE FINDEN SIE ONLINE PETER MASCHAT im Berufsfeld der Pflegeassistenten Unsicherheit: Laut Gesetz wird bis 2022 evaluiert, ob diese Berufsgrup- „Es braucht dringend pe in den Krankenhäusern überhaupt weiter benötigt wird. Waldhör ärgert DAS WENIGE dabei ein wichtiges Detail: „Entgegen DA S M I C H W I R K L I C H B E W EGT Veränderung in der unserer Vereinbarung mit der dama- Pflege. Durch den Sta- ligen Bundesministerin Oberhauser Die Zeit anhalten. Ballast abwerfen. Den tus Quo verschärft sich werden in die Evaluierung derzeit die Blick auf´ s Wesentliche richten. Auf mich. die drehende Spirale Sozialpartner nicht eingebunden.“ Auf uns. Mobilisieren und entspannen als Der neu geschaffene PflegeFACHas- Wechselspiel. Bewegende Momente in kontinuierlich.“ sistent nimmt hingegen erst lang- relaxter Atmosphäre. REINHARD WALDHÖR sam Fahrt auf: In Niederösterreich haben jetzt die ersten Mitarbeiter die T R A U M H A F T E T H E R M E N TA G E Ausbildung abgeschlossen. „Es ist ein spannendes 2 Nächte inkl. aller REDUCE PLUS Detail am Rande, dass die Ausbildung zwar gesetz- Inklusivleistungen: Thermengenuss in lich festgeschrieben ist, aber im Dienstpostenplan des der hoteleigenen Thermen-, Sauna- & Landes Niederösterreich kein einziger Dienstposten Sinneswelt, REDUCE HP „PLUS“ mit für Pflegefachassistenten ausgewiesen ist“, berichtet regionalen und veganen Köstlichkeiten, er. Außerdem sei die schlechtere Bezahlung nicht REDUCE Aktivprogramm u.v.m. wirklich nachvollziehbar: „Die theoretische Ausbil- dung ist für den Pflegefachassistenten gleich lang bereits ab EUR 256,– p. P. im DZ wie beim Diplom, die praktische Erfahrung erwirbt zzgl. Kurtaxe EUR 2,50 p. P./ÜN Buchbar nach Verfügbarkeit. man dann bei der Arbeit. Das Ergebnis: Der Fachas- sistent erbringt beinahe die gleiche Leistung, nur für FOTO: SUDOK1/ISTOCK/GETTYIMAGES weniger Geld“, merkt der Zentralbetriebsrat kritisch an. Ähnliches gilt für medizinische Assistenzberufe: Die Mitarbeiter sind schlecht bezahlt, obwohl sie mit entsprechender Erfahrung in der Praxis sehr oft Tätig- keiten verrichten, die über das gesetzlich verankerte Jobprofil hinausgehen. Auch hier brauche es Rah- menbedingungen und Regelungen, die dem realen Spitalsalltag entsprechen. l 19 · GÖD 7-18 W W W. R E D U C E . AT TEL.: +43 3353 8200 60
IMMER IM DIENST Die Polizei ist der Garant für Stabilität und Sicherheit im Land. Wo dennoch dringend Handlungsbedarf besteht, was verbessert werden muss und weshalb der Beruf trotz mancher Unbill sehr erfül- lend sein kann, schildert der Bundesvorsitzende der Polizei- gewerkschaft, Reinhard Zimmermann. INTERVIEW: CORDULA PUCHWEIN 20 · GÖD 7-18
TITEL GESCHICHTE Österreich ist eines der lebenswertesten und Gebrauch ist. Bis zu einer gewissen Grenze sind sie sichersten Länder der Welt. Welchen Beitrag ja geschult, wenn dich Menschen aber mit Dingen leistet die Polizei? bewerfen oder anspucken, dann ist das für unsere Zimmermann: Einen immensen. Wir haben 30.000 Kolleginnen und Kollegen, die lediglich ihren Job Polizistinnen und Polizisten im exekutiven Außen machen, eine Gratwanderung. Da taucht dann dienst im Einsatz. Die Zahl spricht für sich. Den schon mal die Frage auf: Muss man sich das wirk noch stellen wir fest, dass die Bevölkerung das lich gefallen lassen – bei dem Salär und der Verant Thema Sicherheit anders empfindet. Nicht selten wortung? Auf der anderen Seite darf man sich als klaffen objektive und subjektive Wahrnehmung Beamter nicht den kleinsten Fehler erlauben. Da auseinander, und das ist zu einem erheblichen wird die Polizei sehr schnell pauschal negativ beur Maß medial bedingt. Durch die Berichterstattung teilt und in die Ecke der Prügelpolizei gestellt. Der entsteht vielfach der Eindruck, als ob es bei uns GÖD-Rechtsschutz ist uns in diesen Fällen sehr oft schlimm zugeht. Fragt man gezielt nach, sind die eine wertvolle Unterstützung. Alles in allem kann Wenigsten betroffen. Die mediale Verfügbarkeit man sagen: Einfacher ist der Polizeidienst nicht krimineller Schauergeschichten spielt eine große geworden. Rolle. Egal, was passiert, jeder ist dabei – beim Tsunami, beim Erdbeben, beim Tropensturm Wie zufrieden sind die Kolleginnen und und eben auch bei Überfall, Mord und Totschlag. Kollegen mit der Gewerkschaft? Grundsätzlich gilt aber: Wir sind ein sehr sicheres Zimmermann: Stetig steigende Mitgliederzahlen Land mit einer Polizei, die auf einem sehr hohen zeigen und zeugen von einer hohen Zufrieden Level ausgebildet und ausgestattet ist. heit. Wir als Personalvertretung versuchen Tag für Tag für die Kolleginnen und Kollegen da zu sein. Die Kolleginnen und Kollegen erbringen bei ihren Und: Wir können auf einer guten Basis aufbauen, Einsätzen jeden Tag Spitzenleistungen. Welche denn unter Innenministerinnen wie Liese Prokop, sind besonders erwähnenswert? Johanna Mikl-Leitner und Innenminister Wolfgang Zimmermann: Ich möchte keine explizit hervor Sobotka konnten wir viel erreichen. Ich verweise heben, aus dem einfachen Grund, weil ich glaube, auf die Nachtzeit-Gutschrift, die E2-Zulage, aber dass jede einzelne Tätigkeit wertvoll ist, und sei es auch auf so lebenswichtige Dinge wie schusssi die kleinste, die dem einzelnen Bürger hilft. Natür chere Überwurf-Gilets, die in Österreich jeder Poli lich haben wir unsere Spezialisten wie die Cobra zist, jede Polizistin bekommt. In anderen Ländern und ähnliche Teams. Im Gesamten sage ich: Jeder ist das keine Selbstverständlichkeit. ist wichtig, abgesehen davon hat jeder Bürger das Recht auf eine gute, ordentliche Amtshandlung. Was sind die Anliegen der Polizeigewerkschaft? Das gilt im Übrigen vice versa. Auch die Beam Zimmermann: Natürlich müssen wir dranbleiben tinnen und Beamten haben ein Recht auf ordent und uns weiter verbessern. Kuschelkurs wird es liche Behandlung von Seiten der Bürgerinnen und mit uns jedenfalls nicht geben. So manches Unter Bürger. fangen, wie aktuell die berittene Polizei, sehen wir FOTO: BARBARA GINDL / APA / PICTUREDESK.COM mehr als kritisch. Meiner Meinung nach ist das eine Dazu gleich die nächste Frage: Wie hat sich der reine Selfie-Polizei für die japanischen Touristen Polizeialltag in den letzten Jahren verändert? in Wien. In dem Zusammenhang darf die Frage Zimmermann: Der Ton ist leider rauer, respekt erlaubt sein: Dafür ist Geld da? Gleichzeitig wird loser geworden. Ein Extrembild sind sicherlich diskutiert, ob in manchen Polizeiinspektionen neu die Reichsbürger, die nichts und niemanden, auch ausgemalt werden kann. keine Gesetze, somit auch keine Gesetzesvertre ter anerkennen. Da brauchen unsere Kolleginnen Österreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz. Was und Kollegen schon außerordentlich gute Nerven. bedeuten diese Monate für die Polizei, was sind Deeskalieren ist ein Wort, das bei uns täglich im die Herausforderungen? 21 · GÖD 7-18
TITEL GESCHICHTE Zimmermann: Es bedeutet viele, viele Überstun Gibt es dadurch Sicherheitsprobleme? den vor und während dieser Monate. Vor allem Zimmermann: Meiner Meinung nach nicht, und die Planung im Vorfeld war enorm. Die sicher das zeigen auch die objektiven Zahlen. Wir haben heitstechnischen Maßnahmen sind genauso eine definitiv kein Sicherheitsproblem. Herausforderung wie die gesamte Diensteintei lung. Der Ratsvorsitz ist zweifellos eine enorme Werden die Aufnahmekriterien beziehungs Aufgabe für uns. Die Welt ist in Österreich zu Gast, weise das Aufnahmeverfahren geändert? da muss in Sachen Sicherheit alles tipptopp sein. Zimmermann: Wir sind sehr daran interessiert, Daneben läuft aber das Tagesgeschäft, also der das Aufnahmeverfahren zu beschleunigen. Künf Polizeialltag ganz normal weiter. Das bringt die tig soll binnen weniger Wochen mit nur zwei, drei Polizei in diesen Tagen an den Rand ihrer per Terminen klar sein, ob sich jemand für den Dienst sonellen Grenzen. Und auch danach werden wir eignet. Wir hinterfragen auch die Notwendigkeit noch viele Stunden in die Analyse und Reflexion des einen oder anderen Sport- beziehungsweise dieses komplexen Einsatzes stecken. Das zahlt Fitnesstests, weil der Check am Ergometer ohne sich aber aus, weil wir dadurch für künftige ein hin sehr aufschlussreich ist. satztaktische Trainings eine Menge lernen können. In Wien gibt es seit sechs Jahren eine spezielle Zum Thema Personal: Wo gibt es da Handlungs- Bereitschaftseinheit. Hat sich das bewährt? bedarf? Zimmermann: Sehr sogar. In Wien funktioniert das Zimmermann: Unser größtes Problem sind die tadellos. Diese Bereitschaftseinheit patrouilliert großen Fehlstände. Ursache dafür sind jene Schul an neuralgischen Punkten in der Bundeshaupt planstellen, die man einst sehr unbedacht gestri stadt, in Parkanlagen, in der U-Bahn. Das macht chen hat. Dadurch entstehen enorme personelle Sinn und gibt der Bevölkerung ein gutes Gefühl. Löcher. Wir als Personalvertreter haben das immer Das Feedback ist durchgehend positiv. Zuerst war angeprangert und immer gesagt, dass sich das angedacht, diese Einheit in allen größeren Städ später schlimm rächen wird. Da sind wir jetzt. Noch ten Österreichs zu installieren, das macht außer in dazu werden dann auch noch die starken Geburts Wien aber wenig Sinn. Wir haben ein Jahr gekämpft, FOTO: UWE LEIN / DPA / PICTUREDESK.COM jahrgänge sukzessive in Pension gehen. Dann gibt dass diese Regelung nicht kommt. Jetzt gibt es die es erst recht Personallöcher. Wir bekommen zwar Vereinbarung, dass es nur jene Länder machen, die 2000 Schulplanstellen dazu, doch bis sich das Sys genügend Personalressourcen haben. Denn auch tem wirklich erfängt, gibt es noch eine beachtliche hier stoßen wir auf das leidige Personaldilemma. Durststrecke. Im Grunde bräuchten wir jetzt sofort Denn jede Bereitschaftseinheit zieht Personal ab, mehr Personal. Gleichzeitig haben wir das Pro was für chronisch unterbesetzte Inspektionen eine blem, dass viele Kandidatinnen und Kandidaten, zusätzliche Verschärfung bedeuten würde. die sich für den Polizeidienst interessieren, nicht geeignet sind. Wie könnte man den Polizeiberuf wieder attraktiver machen? Zimmermann: Ganz sicher durch bessere Ein stiegsgehälter. Angesichts der Leistungen, die unsere Kolleginnen und Kollegen zu allen mög lichen und unmöglichen Tages- und Nachtzeiten, „Deeskalieren ist ein bei jedem Wetter, zu den für andere üblichen Urlaubszeiten erbringen, sowie der enormen Ver Wort, das bei uns täglich antwortung wäre es mehr als angemessen, ent im Gebrauch ist.“ sprechend bezahlt zu werden. Darüber könnte die REINHARD ZIMMERMANN Politik, die ständig nach mehr Sicherheit schreit, auch mal nachdenken. Dass Sicherheit ihren Preis hat, muss aber auch allen klar sein. 22 · GÖD 7-18
Drei Jahre danach Die Migrationsfrage nimmt spätestens seit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 in der öffent „An der Grenze. Wie Polizistinnen und lichen Diskussion eine zentrale Rolle ein, sie Polizisten die Flüchtlings- zählt in ganz Europa zu den größten sozialen bewegung erleben“. und politischen Herausforderungen unserer Hg. von Christine Dobrets- Zeit. Während die Politik am Verhandlungstisch berger, ÖGB Verlag 2018, nach Lösungen ringt, haben Polizistinnen und ISBN 978-3-99046-295-9. Polizisten täglich von Angesicht zu Angesicht mit AsylwerberInnen und MigrantInnen zu tun. Men schen in Extremsituationen zu erleben, gehört zum Berufsalltag der Polizei, doch wie gehen Polizistinnen und Polizisten mit dieser ganz spe ziellen Thematik um? In diesem Buch erzählen zwanzig österreichische Polizistinnen und Polizis ten, wie sie die Flüchtlingsthematik im Rahmen ihrer Arbeit erleben. Geschichten rund um das Thema Migration, in allen seinen Facetten – von geglückter bis hin zu weniger geglückter Inte gration, von tragischen Einzelschicksalen und Warum sollten junge Menschen zur Polizei kriminellen Mitläufern. Die aktuelle Situation an gehen? den Staatsgrenzen wird ebenso beleuchtet wie Zimmermann: Weil es trotz allem ein super schö nähere Hintergründe zu der größten Schlepper ner Beruf ist. Es gibt ja auch sehr bereichernde tragödie, die jemals auf österreichischem Boden Amtshandlungen, bei denen viel Positives retour stattgefunden hat, als im August 2015 71 tote kommt. Vor allem aber ist es ein Beruf, der niemals Flüchtlinge in einem Lkw auf der A4-Autobahn fad wird, weil jeder Tag anders und herausfor bei Parndorf aufgefunden wurden. Dieses Buch dernd ist. Das macht ihn sehr interessant. Inspira bietet Informationen aus erster Hand. Es zeigt, tion könnte da übrigens das neue Buch von Chri welch wichtigen Beitrag die Polizei Tag für Tag stine Dobretsberger sein. Ein Buch ganz nah an der auch in diesem Bereich leistet und wie sehr diese Realität und am Polizeiberuf. Herausforderungen Polizistinnen und Polizisten mitunter an ihre persönlichen Grenzen bringt. Danke für das Gespräch! l 23 · GÖD 7-18
VERANSTALTUNG AM WEG ZUR ANARCHIE? Mehr als 200 interessierte Gäste kamen zum GÖD-OÖ-Forum „Zielscheibe Öffentlicher Dienst“ mit hochkarätigen Referenten zu diesen Fragestellungen. D as Gewaltmonopol des Staates ist ein Kernelement jeder entwickelten Demo- kratie. Was aber, wenn der Staat und sei- ne Funktionsträger selbst zum Ziel von Aggression werden? Welche Ansätze für strukturelle Gewalt- prävention gibt es? Und welche individuellen Kon- sequenzen braucht es für die Opfer von Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz? Diese und viele ande- re Fragen wurden beim kürzlich stattgefundenen griffe auf Strafvollzugsbeamtinnen und Straf- GÖD-OÖ-Forum unter dem Titel „Zielscheibe vollzugsbeamte in den letzten drei Jahren ver- Öffentlicher Dienst“ gestellt. dreifacht, jene auf Polizistinnen und Polizisten Bei Polizei, Bundesheer und Justizwache verdoppelt. Insgesamt haben bei der Exekutive gibt es zweifelsfrei ein berufsbedingtes im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2017 Risiko, in Extremsituationen zum Ziel nicht weniger als 16.000 Kolleginnen und Kollegen von Aggression und Gewalt zu werden. Verletzungen während ihrer Amtshandlungen im FOTOS: GÖD OÖ • EGOMET/ISTOCK/GETTY IMAGES Man kann gar nicht genug Respekt davor Dienst erlitten. In unzähligen Prozessen begleitet haben, dass hier unsere Kolleginnen und die GÖD Jahr für Jahr die Betroffenen mit ihrem Kollegen den Kopf hinhalten, wenn der Rechtsschutz. Rest der Gesellschaft ihn einzieht. Aggres- sives Verhalten gegenüber staatlichen Fallzahlen nehmen rapid zu Organen scheint aber längst nicht mehr Doch Gewalt im Öffentlichen Dienst ist kein Phä- die Ausnahme, sondern oftmals schon die nomen, das sich auf die bereits genannten Berufs- „Gewalt darf kein Regel geworden zu sein. gruppen beschränkt. Leider fehlt es andernorts an Berufsrisiko sein.“ Dort, wo es valide Zahlen gibt, sprechen Dokumentationen und somit an nachvollziehba- MAG. ROMANA diese eine klare Sprache. So haben sich ren Zahlen. Nichtsdestotrotz nehmen die Fallzah- DECKENBACHER etwa die dokumentierten tätlichen Über- len tätlicher Übergriffe oder grober Verbalattacken 24 · GÖD 7-18
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