Herzliche Einladung zum Heimatkreistreffen am 01. September 2018 in Nienburg - HKG-Bartenstein
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Heimatblatt für den ehem. Kreis Bartenstein/Ostpr. mit den Städten Bartenstein Domnau Friedland Schippenbeil Jahrgang 69 Juli 2018 Sommerausgabe 2/2018 Fotos: Manfred Morwinsky Gut Liesken Herzliche Einladung zum Heimatkreistreffen am 01. September 2018 in Nienburg.
Aus dem Inhalt: Kreis Bartenstein - Heimatkreistreffen am 01.09.18 in Nienburg S. 26 Heimatkreistreffen am - Maireise 2018 nach Sonnabend, 01. September 2018 Ostpreußen S. 27-29 in Nienburg - Impressionen aus Friedland S. 30 - Die Wiederentdeckung Nachdem wir im letzten des Ostens S. 31-32 Jahr zwei Kreistreffen - Highlights der Ostpreußen- (in Bartenstein/Württem- fahrt im Mai 2018 S. 33 berg und Nienburg) mit - Eisen- und Stahlwarenhändler guter Beteiligung anbie- in Bartenstein/Ostpr. S. 34-35 ten konnten, hoffen wir auch in diesem Jahr auf - Kindheitserinnerungen auf einem Bauernhof in Ostpr. S. 35-37 fröhliche Begegnungen mit fruchtbaren Gesprä- - Karausche S. 37 chen und interessanten - Kartoffeldämpfer S. 38 Vorträgen. - Schompel S. 38 - Die Schriftleitung bittet Geplanter Ablauf: um Mithilfe S. 38 09:30 Uhr: Kranzniederlegung an den - Fremd im eigenen Haus S. 39 Gedenksteinen der Berufsbildenden Schulen (Berliner Ring). - Deutsch-Russiches Haus S. 39 10:00 – 12:00 Uhr: Heimatstube (Verdener Straße 24) - Pressemitteilung des Ostpr. geöffnet Landesmuseums Lüneburg S. 40 ab 10:00 Uhr: Saalöffnung „Hotel zur Krone“, - Holzwurm S. 40 Verdener Landstr. 245, - Der Dahlkopp S. 40 31582 Nienburg, Tel: 05021-64333 - Am Pfortenberg S. 40 ab 12:00 Uhr: Mittagessen (Buffet) - Sommerliches Königsberg S. 41-42 ab 13:30 Uhr: Berichte der Vorstandschaft - Ursula Kluges 90. Geburtstag S. 46 ab 14:00 Uhr: Vortrag von Viktor Haupt: - Mit einer Stimme gesprochen S. 47 „Ein Streifzug durch die Geschichte der Stadt Schippenbeil mit familien- - Verwendung der historischen kundlichen Anmerkungen.“ deutschen Städtenamen S. 47-48 ab 15:00 Uhr: Kaffee- und Kuchenbuffet - Hilfe für Ostpreußen eingestellt S. 48 Grußworte der örtlichen - Abschnitte S. 49 Repräsentanten und Freunde - Pater Marian, der Manager S. 50-51 ab 16:00 Uhr Filmvorführung Manfred Eckert - letzte Busreise nach Ostpreußen - Gut Liesken S. 52 anschließend Ausklang Familiennachrichten S. 43-45 Die örtlichen Repräsentanten sind - wie immer - natürlich Impressum S. 52 herzlich eingeladen! 26
Ostpreußen Maireise 2018 nach Ostpreußen Ostpreußen ist immer wieder eine Reise wert! Unter diesem Motto planten Karlheinz Hupfer und Manfred Eckert die Reise vom 01. bis 11. Mai 2018. Nach mehreren Aufrufen in UB hatten sich doch noch 27 Teilnehmer angemeldet. Erstmals unter den Heimatfreunden war Gerda Freude, die ihre persönlichen Eindrücke in nachfolgendem Bericht schildert: Ein Wiedersehen mit Ostpreußen nach 24 Jahren Durch „Unser Bartenstein“ erfuhr ich, dass Herr Hupfer vom 1. - 11.5. eine Reise nach Ostpreußen plante. Darauf haben mein Mann und ich uns spontan entschieden, diese Reise mitzumachen, zumal es Die geneigte Ebene bei Canthen. die letzte sein kann, denn inzwischen bin ich 83 Jahre alt. Noch einmal an meinen Geburtsort zurückzukehren, den ich im Januar 1945 mit meiner Mutter und meinen Großeltern verlassen habe. Mein Vater war 1943 an der Ostfront gefallen. Bis Oktober 1945 hausten wir in der Nähe von Lauenburg. Hier starben meine Großeltern. Keiner weiß, wo genau sie begraben sind. All diese Ge- danken gingen mir durch den Kopf, als wir ganz in der Nähe dieses Ortes in Köslin unsere erste Übernachtung hatten. In Bartenstein waren drei Übernachtungen geplant. Bei einem Stadt- rundgang am nächsten Tag erklärte uns Manfred Eckert, was sich hier alles verändert hat. Bei unseren Ausflügen besuchten wir das schön restaurierte Schloss in Heilsberg und den Oberländer Kanal. Hier wurde gerade ein Ausflugsschiff auf Schienen hochgezogen. Das hatten wir noch nie gesehen. Auch die Fahrt auf den Masurischen Seen bei herrlichem Sonnenschein hat uns sehr gefallen. Beeindruckend war auch der Besuch der Gedenkstätte in Maxkeim. Hier hat im Jahr 2009 die Heimatkreisgemeinschaft zusammen mit Der Marktplatz in Bartenstein im Mai 2018. der Deutschen Minderheit einen Gedenkstein errichtet; eine würdige Gedenkstätte für die mehr als 600 meist namenlosen Toten, die hier starben, als das ehemalige Gutshaus als Krankenhaus genutzt wurde. Bei einer Rundreise steuerten wir zum Abendessen in Zondern (Sa- dry) nahe Sensburg das „Pensionat Christel“ an, eine schöne Anlage mit einem Museum und einem Hotel. Es gab Königsberger Klopse. Die Formalitäten beim Grenzübergang in den russischen Teil dau- erten zwei Stunden. Als erstes besuchten wir Domnau, einen Ort in bedauernswertem Zustand. Als ich den Ort 1994 das letzte Mal sah, damals noch mit Herrn Schlifski, sah alles noch besser aus. Auf dem Weg nach Königsberg fiel mir auf, dass auf der ganzen Strecke von ca. 50 km nur ganz wenige Felder bestellt waren. Die Natur hat sich die ehemaligen Ackerflächen zurückgeholt. Für Na- turliebhaber schön, aber einem Bauern tränen die Augen, wie hier In Heilsberg ziehen dunkle Wolken auf. nach dem Zusammenbruch der Kolchosen mit fruchtbarem Ackerland umgegangen wird. In Königsberg wohnten wir vier Nächte im Hotel „Radisson Blu“, einem schönen Hotel im Zentrum. Wir erlebten zwei Stadtrundfahrten, den Besuch des Kant-Denkmals mit Professor Gilmanov und weitere Führungen, ein Orgelkonzert im Dom und den Auftritt einer Gesangsgruppe, und abends ging es ins „Zötler“, ein bayerisches Lokal. Seit dem letzten Besuch 1994 hat sich hier vieles zum Positiven verändert. Viele Straßen, Brücken und Wohngebiete sind neu entstanden, weil jährlich ca. 40.000 Russen, insbesondere aus Moskau, hierher umsiedeln. Um die Stadt für die Fußballweltmeisterschaft vorzubereiten, steht sehr viel Geld aus Moskau zur Verfügung. Für meinen Mann und mich begann dann der Höhepunkt der Reise, der Besuch meines Geburtsortes Korwlak, unmittelbar an der rus- Ein Teil des Grundstücks der Pension „Christel“. sisch-polnischen Grenze. Unser Taxifahrer sprach sehr gut Deutsch, er hatte mit seinen Eltern in unserer Kreisstadt Parchim gewohnt. Beim Rundgang im Dorf begegneten wir einer jungen Frau. Wie sich herausstellte, war sie das zehnjährige Mädchen, das wir vor 24 Jahren getroffen hatten, heute eine Frau mit drei Kindern. Ihre Familie lebt in unserer Wohnung, auch eine Flüchtlingsfamilie aus Armenien. Man bat uns ins Haus zu Kaffee und Kuchen. Unser Taxifahrer übersetzte unsere Gespräche. Die Familie hält zwei Kühe und mehrere Kälber, die sie verkaufen. Die Milch verarbeitet die Frau selber zu Butter und Käse. Außerdem halten sie viel Kleinvieh, also reine Selbstversor- gung. Es gab viele Fragen von beiden Seiten. Zum Abschluss gab es noch ein gemeinsames Foto mit allen Familienmitgliedern. Ich war überglücklich, noch einmal meinen Heimatort gesehen zu haben, und wir waren überrascht von der Gastfreundlichkeit der Familie, die verglichen mit uns doch in recht ärmlichen Verhältnissen lebt. Die evangelische Probsteikirche in Königsberg. 27
Ostpreußen Was noch außergewöhnlich war, hier in Korwlak waren die Felder bestellt, von einem dänischen Landwirt. Am nächsten Tag führte eine Rundfahrt über Pillau und Rauschen zur Kurischen Nehrung. Beeindruckend war der Besuch des Soldaten- friedhofs in Pillau, auf den 35.000 in Ostpreußen gefallene deutsche Soldaten umgebettet wurden. Ihre Namen stehen auf Granitstelen. Die Anlage wird von der deutschen Kriegsgräberfürsorge gepflegt. Beim Rundgang über das Dünengelände, auf dem der Friedhof an- gelegt ist, wird einem bewusst, wie wichtig der Frieden ist, und dass sich so etwas nie wiederholen darf. Am letzten Tag unserer Reise besuchten wir Trakehnen, das heute nur ein Museum ist. Das Gestüt Georgenburg durften wir nur vom Ein- gang aus bewundern, eine wunderschöne Hofanlage mit Vorführring und Tribüne. Alle Gebäude in sehr gutem Zustand. Nach Auskunft gehört sie einem reichen Russen. In Gumbinnen wurden wir im „Haus Salzburg“ vom Priester empfangen, bekamen ein reichhaltiges Mit- Der Königsberger Dom einmal aus anderer Perspektive. tagessen und einen Einblick in die Arbeit dieser Einrichtung, die sich über die Kinderbetreuung bis zur Altenpflege erstreckt. Gegenwärtig erhalten 50 Kinder eine warme Mahlzeit, die 65 Rubel, ca. 1 €, kostet. Die Einrichtung finanziert sich überwiegend aus Spenden. Hut ab vor diesen Leistungen! Bei den Fahrten durch den nördlichen Teil Ostpreußens haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich in den Städten gegenüber unserer letzten Reise 1994 vieles zum Guten verändert hat, in den Dörfern dagegen ist wenig passiert, und es ist eher schlechter geworden. Auch bettelnde Kinder und Obdachlose sind uns in den Städten, die wir besuchten, nicht aufgefallen, im Gegensatz zu 1994. Am nächsten Tag verließen wir den russischen Teil Ostpreußens. Es ging an Heiligenbeil vorbei, einem Ort, der mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Damals war die ganze Wiese voller Sachen, die von den Pferdewagen entladen werden mussten, bevor es auf das Eis des Frischen Haffes ging, das wir erst nach drei Tagen verlassen sollten. Über Frauenburg und Elbing ging es nach Danzig. In beiden Pillau, Ruhestätte für 35.000 Soldaten, hier wird man nachdenklich! wunderschön restaurierten Städten hatten wir eine Stadtführung. Mit Übernachtungen in Danzig und Stettin kehrten wir mit vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen heim. Bedanken möchten wir uns bei den Organisatoren dieser Reise, ganz besonders bei Herrn Hupfer. Gerda Freude, Unter den Eichen 1, 19374 Domstihl Ergänzende Reisebeschreibungen nun von den Organisatoren Manfred Eckert (für den polnischen Teil) und Karlheinz Hupfer (für den russischen Teil): Reise nach Ostpreußen mit vielen Eindrücken. Es war regnerisch und kühl, als wir am 1. Mai im Busbahnhof in Ham- burg auf unseren Reisebus warten. Mit etwas Verspätung können wir in den komfortablen Bus einsteigen und die Stimmung und das Wetter hellen sich auf. Die Oder mit ihren Nebenarmen überqueren wir am späten Nach- mittag und hoffen, schon bald in Köslin, unserem ersten Ziel, an- Die Kurische Nehrung. zukommen. Aber die nächsten 100 Kilometer bestehen nur aus Baustellen. Mit Macht wird die E28 zu einer vierspurigen Straße ausgebaut. Endlich, im modernen Hotel Gromada in Köslin können wir uns einrichten und an dem reichlichen Büfett bedienen. Für einen Stadtrundgang ist es jetzt schon zu spät, die Baustellen haben uns zu lange aufgehalten. Auf der Weiterfahrt auf der E28 geht`s an Stolp vorbei in Richtung Danzig. Aus der Ferne grüßen die Berghänge der Kaschubischen Schweiz, sicherlich auch ein lohnendes Reiseziel. Hinter Danzig beginnen wieder die Baustellen. Im Programm war vorgesehen, über Allenstein zu fahren, aber angesichts der vielen Staus wären wir dann erst nachts in Bartenstein angekommen. Stattdessen leiten wir den Bus in der Nähe von Pr. Holland zum Oberländischen Kanal um. In Katy, dem früheren Kanthen, wird uns signalisiert, dass schon in Kürze ein Schiff erwartet wird. Das Warten hat sich gelohnt, ein Passagierschiff wird auf dem ca. 450 m langen In Insterburg die Burgruine. und 20 m hohen Rollberg hochgezogen. Das Ganze passiert nun schon seit 160 Jahren ausschließlich mit Wasserkraft. Insgesamt gibt es auf dieser Strecke fünf dieser Anlagen und überwindet damit ca. 100 m Höhenunterschied. Ursprünglich zum Transport landwirtschaft- licher Güter geplant, heute befördert man hier nur noch Touristen. In Bartenstein ist die Innenstadt eine einzige Baustelle. Der Busfahrer hatte große Mühe, eine Einfahrt zum Hotel „Bartis“ zu finden. Die Räume in diesem alten Hotel am Markt sind modernisiert, der Service und die Restauration lassen aber noch Wünsche offen. Unser Spaziergang beginnt am Markt, dessen Grünanlagen und Pflasterungen entfernt sind. Archäologen forschen offensichtlich nach Grundmauern der alten Bebauung und des ersten Rathauses. Bis zum Stadtbrand 1850 bestand der hintere Teil aus Fachwerkhäu- 28 In Tapiau ist das Geburtshaus von Louis Corinth eine nicht zugängliche Ruine.
Ostpreußen sern und Stallungen, die restlos niederbrannten. Das mittelalterliche alte Rathaus stand mitten im vorderen Teil, es wurde wegen Baufällig- keit bereits 1819 abgerissen und an anderer Stelle wiederaufgebaut. Wegen der nun erkannten Brandgefahr unterblieb an dieser Stel- le ein Wiederaufbau. So kam es in Bartenstein zum zweitgrößten Marktplatz in Ostpreußen. Wie er künftig aussehen wird, ist noch nicht zu erkennen. In der Stadtkirche beginnt gerade ein Gottesdienst, denn der 3. Mai ist in Polen ein Feiertag. An diesem Tag wurde 1791 die Verfassung verabschiedet. Der Weg entlang der Alle zum Herzteich ist immer noch reizvoll. Vom Podest des ehemaligen Ehrenmals der gewohnte Blick auf die Altstadt und die Anlagen, die in den Elisabethpark übergehen. Über die Bahnbrücke führt der Weg wieder zurück in die Stadt. Die zahlreichen Gleise lassen noch erkennen, welcher Betrieb hier einst In Tilsit steht der Elch wieder auf seinem alten Platz. herrschte. Bartenstein war ein Kreuzungspunkt zweier Bahnlinien und hatte auch regen Güterverkehr und viele Viehtransporte. Über die Rastenburger Straße, die sich zu einem Einkaufszentrum entwickelt hat, kehren wir zum Hotel zurück. Für den Nachmittag ist eine Fahrt in den Nachbarkreis Heilsberg angesagt, er liegt bereits im Ermland. Ewa Pyszniak, die Vorsitzende der Deutschen Minderheit in Bartenstein, hat alles arrangiert. Wir bleiben im Ermland und fahren zum Kloster Springborn, dem heutigen Stoczek. Eine Anlage aus dem 17. Jh. mit einer Rundkirche, die von einem Kreuzgang umgeben ist. Mönche leben hier heute nicht mehr. Einzelne Zimmer sind für Urlaubsgäste eingerichtet, im Speiseraum ist gerade der Tisch für sie gedeckt. In kommunistischer Zeit hatte man den Primas von Polen, Kardinal Wyszynski, für ein Jahr in den oberen Räumen interniert. In Gallingen ist für uns ein Tisch zum Abendessen reserviert. Etwas In Elbing wurde viel wieder aufgebaut. erschöpft, aber wohl gestimmt, lassen wir den Tag in dem rustikal eingerichteten Restaurant ausklingen. Die zweite Rundreise beginnt in Schippenbeil, wo uns Jadwiga Piluk erwartet. In der Kirche ist noch vieles aus deutscher Zeit zu entdecken. Das Taufbecken trägt eine deutsche Beschriftung. Eine Mitreisende wurde hier getauft. Eine kurze Stadtrundfahrt schließt sich an. Zwei Mitreisende hätten noch gerne den Nachbarort Romsdorf besucht. Unserem Bus ist die Zufahrt aber versperrt, die Straßen und Brücken sind für sein Gewicht nicht zugelassen. Schade, wir stehen kurz davor. Rastenburg durchqueren wir, die Strecke nach Lötzen führt nun abwechslungsreich durch Waldgebiete und an Seen vorbei. Am Hafen von Lötzen steigen wir aus. Nach einem kleinen Imbiss folgt eine Bootsfahrt über den Löwentin-See in Richtung Nikolaiken. In Schimonken, auf halber Strecke, nimmt uns der Bus wieder auf zur Weiterfahrt nach Zondern. Dort befindet sich ein sehenswertes Bauernmuseum, daneben ein typisches masurisches Bauerhaus mit In Frauenburg am Gedenkstein für die ostpreußischen Flüchtlinge. alter Möblierung und ein Garten dazu. Das ganze Anwesen ist privat und gehört der Familie Dickti. Sie führen eine Pension mit 49 Betten und bieten Essen im Restaurant an. Uns serviert man Königsberger Klopse nach altem Rezept. Dazu den passenden Schnaps und reich- lich Nachspeise. Die Chefin des Hauses, Christel, erzählt uns sehr eindrucksvoll die Entwicklung ihres Betriebes, die in kleinen Stufen begann. Ihre Schilderung würzt sie mit manch deftigem Witz, so dass es auch viel zu lachen gibt. Am Sonnabend, den 5. Mai fahren wir ins nördliche Ostpreußen, nachdem wir auf der polnischen Seite im Kantor Euro in Rubel gewechselt haben. Da wir uns in Domnau länger als geplant aufge- halten hatten, konnten wir nicht mehr bis Friedland fahren, denn in Königsberg erwartete uns Eugen Snegowski – unser Reiseführer für die nächsten drei Tage – im „Radisson Blu“, dann ging es gleich zur Stadtrundfahrt mit Prof. Gilmanov von der Kant-Universität, den wir von unseren früheren Reisen schon kannten. Sein Vortrag wurde Danzig. natürlich von vielen Kant-Thesen angereichert: „Nur der Frieden kann die Menschheit retten.“ dig und ausführlich über „Land und Leute“, wofür wir ausgesprochen Am Sonntag besuchten wir die Redaktion des „Königsberger Ex- dankbar waren. press“ – vor 4 Jahren hatten wir trotz Anmeldung nur die Putzfrau Die Rückfahrt am Mittwoch, 09. Mai (russ. Feiertag „Tag des Sieges“) angetroffen! - , wo uns die Redakteurin Elena Lebedewa Herstellung erfolgte bei wenig Verkehr über Heiligenbeil nach Frauenburg – dort und weltweiten Vertrieb der Zeitschrift darstellte. Weitere Stationen würdigten wir am Strand den Gedenkstein zur Erinnerung an die waren das neue WM-Fußballstadion, ein Besuch der evgl. Propstei- Flucht der ostpreußischen Zivilbevölkerung; dann ging es weiter kirche mit anschl. Mittagessen, Dom mit Orgelkonzert und der Auftritt nach Elbing und Danzig. Bei den für Anfang Mai nicht erwarteten des Frauenchors „Legende vokalensemble“ im Königstor, wo wir hohen Temperaturen mussten wir das Programm der Stadtführungen mit „Ännchen von Tharau“ begrüßt und mit dem Ostpreußenlied anpassen und erreichten am 10. Mai abends das „Radisson Blu“ in verabschiedet wurden. Stettin, um diese Reise mit einem gemeinsamen Abendessen in Über die Ausflüge am Montag und Dienstag hat Frau Freude (s. o.) fröhlicher Runde zu beenden. berichtet; zu ergänzen wäre noch der Abstecher zur Königin-Luise- Dank gilt allen, die zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben. Brücke in Tilsit, wo auf der anderen Seite Litauen und die EU liegt; Beim Kreistreffen in Nienburg am 01. Sept. wird Manfred Eckert in dann das Geburtshaus des Malers Lovis Corinth in Tapiau und die seinem Film diese Reiseerlebnisse noch einmal Revue passieren Burgruine in Insterburg. Unser Begleiter Eugen informierte uns stän- lassen! 29
Friedland Liebe Friedlandfreunde, wir wollen auf diesem Wege Wladimir Goussev danken, indem er uns an sei- nen Aufnahmen in Friedland, meist in der Natur, teilhaben lässt.. Er ist auch unser „Wettermann“, denn wenn wir eine Mail von ihm bekommen, dann darf meist der Wetterbericht nicht fehlen. Derzeit ist es also auch sehr sommerlich in Friedland, und die Bademöglichkeiten im Mühlenteich sowie im Stausee wer- den gern genutzt. Das Bild vom Kirchturm stammt aus dem Jahr 2011. Party am Markt mit der Fontäne - Leute sitzen dort gerne (wir mit Enkel auch). 30
Berichte - Impressionen - Erzähltes - Verschiedenes ten im Rotary Magazin hat Kornelia und Memel, in der über Jahrhunderte Die Wiederentdeckung Kurowska als Vorsitzende der Stiftung unterschiedliche Kulturen, Völker und „Borussia“ in Allenstein in ihrem Beitrag Religionen aufeinandergetroffen wa- des Osten beschrieben, wie die heutige polnische ren, und dokumentierten diese mühsam Bevölkerung mit der Geschichte alter und sorgfältig. So entstanden damals preußischer Provinzen umgeht: die ersten Fotodokumentationen und Titelthema im Rotary Magazin vom Publikationen zu den Besonderheiten Februar 2018 ist „der lange Weg nach Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das der regionalen Architektur und Kultur- Osten“. Mehrere Beiträge befassen alte Ostpreußen dreigeteilt: Der südlichs- landschaft: zu Landschlössern und sich mit der historischen Legende über te Teil davon wurde Polen zugewiesen Gutshäusern, masurischen Dörfern, Preußen als Hort autoritärer Traditionen und heißt heute Ermland und Masuren. evangelischen Kirchen, ermländischen und einer verkannten großen Kulturland- Die alte deutsche Bevölkerung wurde Straßenkapellen, malerischen Alleen. schaft. Antipreußische Ressentiments nach 1945 durch Grenzverschiebungen, In der Zeitschrift Borussia. Kultur. Ge- gab es in Sachsen kaum weniger als Flucht und Zwangsumsiedlungen fast schichte. Literatur erschienen literari- in Bayern oder Württemberg. So blie- komplett ausgetauscht. In deutschen sche Texte und historische Essays von ben die Mauern in den Köpfen. Seinen Häusern aus rotem Backstein ließen Autoren aus Deutschland, dem Kalinin- Beitrag überschreibt der Chefredakteur sich Familien aus den polnischen Ost- grader Gebiet und Litauen sowie von des Rotary Magazins René Nehring – er gebieten und Zentralpolen nieder. 1947 polnischen Wissenschaftlern. Die Zeit- hat ostpreußische Wurzen – mit „Ostel- kamen große Gruppen von Ukrainern, schrift entwickelte sich nach und nach bische Schlaglichter“, wobei dem Osten die im Rahmen der Aktion Weichsel aus zu einem überregionalen Forum, um des alten Preußen immer wieder be- dem Süden Polens zwangsumgesiedelt Geschichte und Gegenwart der histo- scheinigt wird, rückständig und reakti- worden waren, hinzu. rischen deutsch-polnischen Grenzge- onär zu sein. Aber das Gegenteil ist der Die Vergangenheit der Region und biete zu erörtern sowie literarische und Fall! Während jahrzehntelang von allen Geschichte(n) ihrer Bewohner wurden kulturellen Phänomene darzustellen. führenden Repräsentanten und Medien in den Nachkriegsjahren tabuisiert, ver- die Westbindung Nachkriegsdeutsch- drängt und verschwiegen. Die offizielle Historische Dokumentationen lands als Grundlage des wirtschaftli- Propaganda des polnischen Staates Schnell hat sich die „Borussia“ weit chen und politischen Erfolgs gepriesen suchte die Urrechte Polens an diesen über die Grenzen Olsztyns/Allensteins wurde, integrierten sie die Bundesre- Gebieten zu legitimieren. Diese wur- einen Namen gemacht; nicht nur durch publik in die außen-, sicherheits- und den als sogenannte „Wiedergewonnene die Zeitschrift (deren Herausgabe nach wirtschaftspolitischen Strukturen von Gebiete“ bezeichnet – die Spuren der dem 60. Heft leider im Dezember 2017 NATO und EWG/EU. Der Historiker deutschen Kultur wurden verwischt und eingestellt wurde) sondern auch ihre Heinrich August Winkler – stammt aus nicht selten planmäßig zerstört. verlegerische Tätigkeit. Im Verlag der einer Königsberger Gelehrtenfamilie – „Borussia“ sind (nicht selten zum ers- überschrieb seine Gesamtdarstellung Entdeckung fremder Geschichte ten Mal in polnischer Sprache) Bücher der deutschen Geschichte mit „Der Erst die Wendezeit in Polen 1989/1990 solch namhafter Autoren wie Max Toep- lange Weg nach Westen“ oder in den machte es möglich, sich mit der Ge- pen („Geschichte Masurens“), Marion 80er Jahren warnt Hans-Ulrich Wehler schichte der Gebiete zwischen Weichsel Gräfin Döhnhoff („Namen, die keiner in seinem Buch davor, dass Preußen und Memel auseinanderzusetzen. Die mehr nennt“), Siegfried Lenz („Heimat- „wieder chic“ werde. Wer allerdings demokratischen Veränderungen mo- museum“, „So zärtlich war Suleyken“), vorurteilsfrei auf das alte Preußen und bilisierten auch eine Gruppe von pol- Ernst Wiechert („Jahre und Zeiten“) er- seine ostelbischen Provinzen blickt, nischen Historikern, Kunsthistorikern, schienen, um nur einige Beispiele von wird feststellen müssen, dass für Ge- Literaten und Lehrern, in Olsztyn/Allen- mehreren Dutzend Titeln zu nennen. So samtdeutschland ein einzigartiges Kul- stein, die Kulturgemeinschaft „Borussia“ konnten für die Region wichtige histori- turland verlorenging. Beispielhaft seien zu gründen. Der Verein war eine der sche und literarische Werke einem inte- nur genannt: Nikolaus Kopernikus, der ersten freien und unabhängigen Nicht- ressierten Lesepublikum zur Verfügung 1543 in Frauenburg am Frischen Haff regierungsorganisationen, die damals gestellt werden. unser heutiges Weltbild begründete; in Ermland-Masuren ähnlich wie in an- Die individuelle Erinnerung der Men- Albrecht von Brandenburg-Ansbach, deren Teilen Polens wie Pilze aus dem schen, die sich in Gesprächen mit Zeit- der 1544 die „Alma mater Albertina“ in Boden geschossen sind. zeugen und ihren Berichten äußert, war Königsberg gründete; Immanuel Kant, Doch die „Borussia“ war von Anfang für uns nicht minder wichtig als wissen- der der deutschen Aufklärung 1784 den an eine Initiative, die aus dem Rahmen schaftliche Studien. Bei „Borussia“ Leitspruch „Habe den Mut, dich deines fiel. Allein der Name der Organisation erschienen zweisprachige Bände wie eigenen Verstandes zu bedienen“ gab; rief Verwunderung oder Unverständnis „Vertreibung aus dem Osten. Deutsche eine Vielzahl weiterer herausragender hervor, noch mehr das Leitbild und die und Polen erinnern sich“ (2001), „Nach- Persönlichkeiten wären ohne wertende Zielsetzung der Bürgerinitiative: Die kriegsalltag in Ostpreußen. Erinnerun- Reihenfolge zu nennen – z. B. Johann „Borussia“ stieß eine intensive Ausei- gen von Deutschen, Polen und Ukrai- Jacoby, Eduard v. Simson, Hannah Ah- nandersetzung mit dem multikulturel- nern“. Sie enthielten autobiographische rendt, Karl-Hermann Flach, Theodor len, vor allem deutschen Kulturerbe Berichte, gesammelt in speziellen Aus- v. Schön, Frhr. v. u. zu Stein, Kanzler der Region an und suchte dabei auch schreibungen der Borussia und des Hardenberg, Joseph v. Eichendorff, den Kontakt mit alten und neuen Nach- Zentrums KARTA. Es wäre allerdings Caspar David Friedrich, Alfred Döblin, barn. Die in den 50er, 60er und 70er irreführend, die Borussia nur mit der Er- Hans Fallada, Otto v. Bismarck, Paul v. Jahren geborenen „Borussen“ nannten kundung des reichhaltigen Kulturerbes Hindenburg, Erich Ludendorff, Arthur die Region „ihre Heimat“ – dieses Zu- der Region zu assoziieren. Der Ansatz Schopenhauer, Gerhard Hauptmann, gehörigkeits- und Identifikationsgefühl der Allensteiner Vereinigung, die schon Günter Grass, August Borsig, Adolph v. war in der Generation ihrer Eltern und nach den ersten Jahren Mitglieder in Menzel, Dietrich Bonhoeffer, Ferdinand Großeltern noch lange nicht vorhanden. Deutschland, Russland und Litauen Lassalle, Paul Löbe, Karl Schiller, Hein- Die „Borussen“ wollten für die Zukunft gefunden hat, war von Anfang an viel rich Albertz, Hans-Ulrich Klose, und vie- der Region Verantwortung übernehmen. anspruchsvoller. le andere mehr. Wie kommt man also Stolz und selbstbewusst betonten sie, Professor Robert Traba, Mitbegründer dazu, den historischen deutschen Osten dass Ermland und Masuren eine euro- und langjähriger Vorsitzender der Orga- immer wieder als reaktionär zu diffa- päische Region ist. nisation, formulierte Anfang der 1990er mieren, obwohl diese Provinzen derart Inspiriert von dem „Genius Loci“ und Jahre das Postulat des „offenen Re- viele progressive Köpfe und kulturelle den Schicksalen der Menschen bega- gionalismus“, das seitdem konsequent Leistungen hervorgebracht haben? ben wir uns auf die Suche nach Spuren und kontinuierlich von den „Borussen“ des materiellen und immateriellen Kul- umgesetzt wird: Durch authentische Be- Im Zusammenhang mit diesen Berich- turerbes der Region zwischen Weichsel ziehungen und Kontakte zwischen Men- 31
Berichte - Impressionen - Erzähltes - Verschiedenes schen aus verschiedenen Kulturkreisen ven Austausches zwischen Menschen suren sind gerade auf dem Weg dahin. nehmen wir Bezug auf unsere eigenen verschiedener Nationen und mit unter- Erfahrungen und lernen die Verschie- schiedlichen kulturellen und religiösen Heimatliche Bekenntnisse denheit anderer durch Wertschätzung Hintergründen. Neben der Borussia sind Auszüge aus dem „Borussia“-Manifest zu verstehen. in der Region Ermland-Masuren inzwi- von 1990 schen unzählige kleine Vereine tätig, Ermland und Masuren, Teile des alten Gemeinsam Geschichte entdecken die sich mit der Aufarbeitung der loka- Ostpreußens, die heute unsere Heimat Eine zentrale Rolle in der Tätigkeit die- len Geschichte beschäftigen. Auch viele sind, haben eine wechselhafte und ab- ses Vereins und der Stiftung „Borussia“ Lehrer/-innen sehen darin eine Chance wechslungsreiche Geschichte, die sich (die 2006 zur Unterstützung der Kultur- für die Schüler, Jugendarbeit mit histo- schon allein in der Vielfalt seiner Namen gemeinschaft gegründet wurde), spielen rischem Lernen vor Ort zu verbinden. widerspiegelt – es war einmal der Or- interkulturelle Bildungsprogramme für Gerade in den letzten 15 Jahren er- densstaat, dann das Herzogtum Preu- Erwachsene und Jugendliche sowie die schienen zudem interessante Editi- ßen und das Ermland, später Preußen Vermittlung von Lokal- und Regionalge- onen von Bilddokumentationen und und Ostpreußen. Durch seine Vergan- schichte an junge Menschen im Sinne geschichtlichen Aufarbeitungen, die genheit sehr stark mit der Geschichte und im Geiste des offenen Regiona- sich mit dem Kulturerbe Ostpreußens des Deutschen Ordens und des preußi- lismus. befassen. Auch polnische Dichter und schen Staates verbunden, war es immer Auch wenn die Themen, die wir uns auf- Autoren lassen sich von der Vergangen- und ist bis heute ein Beispiel für eine oktroyiert haben, nicht immer die ein- heit der Region inspirieren und schöp- Koexistenz mehrerer sich ethnisch und fachsten waren und sind (das Schicksal fen für ihre Werke aus der Geschichte. kulturell voneinander unterscheidender der einstigen Einwohner der Region, Dieser Einsatz kleiner Vereine und lokal Volksgruppen, nicht nur der deutschen deutsch-polnische oder polnisch-litau- tätiger Bürgerinitiativen ist nicht zuletzt und polnischen, sondern auch der litau- ische Beziehungen oder der Umgang deshalb wichtig, weil die staatlichen ischen, ukrainischen, weißrussischen mit dem jüdischen Erbe), sind die Be- Museen und sonstigen kulturellen Ein- und russischen. gegnungen und Diskussionen immer richtungen sich dieser Herausforderung „Borussia“ ist eine latinisierte Form ei- bereichernde Erfahrungen für alle Be- bisher nicht angenommen haben. Auch nes der ursprünglichen Namen dieses teiligten. Jedes Jahr organisieren wir das wissenschaftliche und akademische Landes. Im Laufe der Jahrhunderte internationale Workcamps zu histori- Umfeld hat sich bisher schwer damit wurde dieser Landesname auf ver- schen Themen (zum Beispiel 2018 die getan. Nach wie vor gibt es viel zu we- schiedene Art und Weise benutzt, oft Restaurierung verfallener evangelischer nige Forschungsprojekte zu regionalen missbraucht. Der Name „Borussia“, den Friedhöfe in der Johannisburger Heide Themen an der hiesigen Universität zu wir uns zugelegt haben, ist unsere trot- und die Instandsetzung von Friedhofs- Ermland und Masuren. So ist es trotz zige Antwort auf die aus der Geschichte anlagen aus dem I. Weltkrieg), aber einiger Versuche bisher leider nicht ge- herrührenden Klischees. Unsere Eltern auch interkulturelle Theater-, Musik- und lungen, ein gutes Geschichtsbuch zur und Großeltern stammen überwiegend Kunstworkshops. Der gesellschaftliche regionalen Geschichte unserer Region aus den ehemaligen polnischen Ostge- Nutzen solcher Initiativen ist nicht zu zu publizieren. bieten. Nach dem II. Weltkrieg haben überschätzen. sie sich hier niedergelassen. Wir, die Eine neue Regionalidentität? Generation der 50er, 60er, 70er Jahre Ein Haus für die „Borussen“ Ist es trotzdem gelungen, das histori- sind schon fest mit diesem Land ver- Die Verkörperung der Borussia-Ideen sche Bewusstsein der heutigen Bewoh- bunden, das seit 1945 Ermland und und -Programme ist letztlich im Men- ner der Region Ermland und Masuren Masuren heißt. delsohn-Haus eindrucksvoll zu Tage zu verändern? Kann man von einer Bis in die 80er Jahre wurde die Ge- getreten: das ehemalige Bet Tahara, ein regionalen Identität sprechen, die sich schichte dieser multikulturellen und jüdisches Aussegnungshaus, das Erich aus der Geschichte definiert, 28–29 multinationalen Region oft verschwie- Mendelsohn (1887–1953), der bekannte Jahre seit der Wende, als der Prozess gen. Erst seit 1989 kann ganz offen über Architekt der Moderne, in seiner Hei- ihrer Bildung angestoßen worden war? vorher gemiedene Fragen gesprochen matstadt Allenstein gebaut hatte, und Im Jahre 2016 wagte die Borussia den werden, auch über Einflüsse aller Kultu- das nach dem Krieg stark umgebaut Versuch, eine Antwort auf diese Frage ren, die sich hier begegneten. Alle hier wurde, verfiel seit dem Ende der 90er zu finden, indem sie die Bürger dazu vorgefundenen Kulturgüter betrachten Jahre, nachdem der bisherige Nutzer, aufforderte, in einer Online-Abstimmung wir als gemeinsames Erbe, als Ele- das Staatsarchiv, es verlassen hatte. kulturelle Symbole und gemeinsame mente einer historischen Landschaft, Für uns, Mitglieder der Borussia und Bezugspunkte einer regionalen Iden- die uns – die heutigen Bewohner von Einwohner Olsztyns/Allensteins, hatte tität zu nennen, die in den regionalen Ermland und von Masuren – bereichert. dieser Ort aus vielerlei Gründen eine Kanon aufgenommen werden sollten. Wir streben danach, durch ein vollstän- symbolische Bedeutung. Es ist das letz- Die Teilnehmenden hatten die Möglich- diges Kennenlernen der Vergangenheit te erhaltene materielle Zeugnis der Jüdi- keit, zwischen 240 aufgelisteten Vor- unserer Region, ihrer politischen und schen Gemeinde aus dem Allenstein der schlägen in vier Kategorien zu wählen. nationalen Beziehungen, ihrer kulturel- Vorkriegszeit, ein Objekt von großem Das Interesse an der Aktion war sehr len, künstlerischen und materiellen Er- kulturellen und historischen Wert. Sein groß, hochinteressant waren auch die rungenschaften kritisch und kreativ an Schicksal spiegelt die Geschichte der Ergebnisse. einem neuen Wissen und Kulturgefühl, deutschen Juden wider – einer Gemein- Diese zeugen davon, dass Ermland und einer neuen Lebenseinstellung der hier schaft, die in den 1930er und 1940er Masuren von den heutigen Bewohnern lebenden Menschen zu bauen. Jahre ihre Heimat verlassen musste als ein vielschichtiges geschichtliches Wir möchten ihnen bei ihrer Identitäts- oder aus ihr vertrieben wurde. und kulturelles Konstrukt wahrgenom- suche helfen und dabei, ein neues Ich- Über acht Jahre hat die Borussia ge- men wird. Die Bewohner erkunden den Gefühl zu entwickeln. (…) Die Aufnahme braucht, um Spenden und Zuschüsse Heimatraum, kennen ihn und identifizie- eines Dialogs zwischen denjenigen, die in Polen und Deutschland zu sammeln, ren sich mit konkreten historischen Ob- hier jetzt leben, und den früheren Be- bis das Gebäude 2012 vollständig sa- jekten, Persönlichkeiten und Elementen wohnern von Ermland und Masuren, niert werden konnte. Das Bet Tahara der Kulturlandschaft. Robert Traba, der sowie mit allen jetzt hier lebenden na- – in seiner neuen Funktion „Mendel- Initiator der Umfrage, betonte in einem tionalen Minderheiten soll ebenfalls zu sohn-Haus“ genannt, entworfen von Kommentar zu den Ergebnissen, dass diesem Ziel führen. Nicht nur durch Er- einem deutsch-jüdischen Architekten die Suche nach einem kulturellen Kanon forschung und Vermittlung der jahrhun- im vormals deutschen Allenstein – ist ein notwendig sei, um ein Gleichgewicht dertealten Kultur des Landes wollen wir Symbol der multikulturellen und -kon- zwischen den Leistungen und Traditi- unsere Ziele erreichen, sondern auch fessionellen Tradition und dient heute onen der Vergangenheit sowie der Öff- durch die Absage an alle Neonationa- den Bewohnern der Stadt und Region nung hin zur Gegenwart und Zukunft lismen und Intoleranz. als Ort der Begegnung und des kreati- herzustellen. Wir in Ermland und Ma- 32
Berichte - Impressionen - Erzähltes - Verschiedenes Königsberger Klopse, na, kannten wir ja, jeder erhielt die halbe Portion. Highlights der Ostpreußenfahrt Doch dann wurden noch riesige Wurstteller serviert, vom 1. - 11. Mai 2018 die verschiedensten Sorten waren darauf gut drapiert. Das war eine bayrische Brotzeit, doch das Brot war knapp, dazu aber Bier in großen Krügen, reichlich, alle wurden satt. Eine neue Fahrt wurde angeboten ins ferne Ostpreußenland. Diese hatte Karlheinz Hupfer aus Hamburg zusammen mit Manfred Eckert Draußen hörten wir riesigen Lärm, es gab Sperren und viel Militär. geplant. Sie übten für die Parade, den Sieg zu feiern, aber der ist schon lange her. Wir waren achtundzwanzig Leute im bequemen Reisebus. Ein jeder dachte, nach Ostpreußen fahren, na klar, das ist ein „Muss“! In Königsberg, was war da nur alles zu betrachten! Unser Russlandbegleiter Eugen zeigte, worauf man musste achten. So fuhren wir und fuhren, bis nach Ostpreußen ist es wirklich weit, Bei der Stadtrundfahrt erreichten wir auch den Dom der Stadt, mit Unterbrechungen unterwegs, durch Einsamkeit... wiederaufgebaut, prachtvoll, ein Orgelkonzert fand dort statt. Endlich, am 2. Tag, da staunten wir nicht schlecht. Die Dreifaltigkeitskirche, deren Aufgaben und Betätigungsfeld Man fragte sich, kann das sein? Ist das wirklich echt? erstaunten uns alle, es war dort wie in einer anderen Welt! Denn wir sahen ein Schiff, das schwamm bergan, auf einem Schlitten befestigt kam es heran! Besonders aber gefielen die fünf hübschen Damen, Einzigartig, genial! Denn nur mit Wasserkraft die mit ihrem glockenhellen Gesang ganz in Blau daherkamen. überwindet das Schiff Höhen! - Was Wasser so schafft! Ihre Stimmen waren so lauter und rein, ein echter Hörgenuss! Alte Ostpreußenlieder sangen sie begeisternd aus voller Brust! Am Abend kamen wir endlich in Bartenstein an, für unseren Fahrer jetzt eine echte Herausforderung begann, Nach Pillau, die alte Hafenstadt, ging es jetzt weiter, denn der Zugang zum Hotel war total versperrt. danach Palmnicken, des Bernsteins wegen, immer noch weiter, Doch auf Schleichwegen, engen Gassen, hin und her verkehrt Rauschen, der bekannte Badeort, eine wunderbare Stelle, fand er schließlich einen Platz – es war unglaublich! aber die Zeit war knapp, noch die Nehrung auf die Schnelle. Alle klatschten im Bus, der Fahrer war echt tauglich! Hier bestiegen wir die große Düne am Kurischen Haff, die Aussicht von da oben überwältigend, da war man wirklich baff. Von Bartenstein aus starteten wir zu unterschiedlichen Zielen. Die Ostsee auf der einen Seite, das Haff gegenüber im Osten! Wir sahen Störche auf ihren Nestern, Dörfer, die verfielen, Toll! Sehr müde waren wir zwar, aber das wurde echt genossen. Kloster und Kirchen, Schloss Heilsberg war zu sehen, die Führung darin, die ließen wir uns nicht entgehen. Am nächsten Tag Tapiau, von hier stammte der Maler Corinth, sein Haus ist total verfallen, sehr erschüttert wir darüber sind. Aber auf dem Fußweg dorthin überraschte uns ein Regen, es goss in Strömen, so schlimm hatte man das lange nicht gesehen! Insterburg, Trakehnen, Tilsit, überall stiegen wir aus, Bis auf die Haut durchnässt waren von uns einige, und am Abend waren wir, reich an Eindrücken, erschöpft wieder zu „Haus“. und damit uns ja nicht eine Erkältung peinige, spendierte Herr Hupfer voller Fürsorge eine Runde Von nun an ging´s heimwärts, Königsberg sagten wir „ade“, vom Wodka – eine herrliche Medizin zu dieser Stunde! über die Grenze nach Polen auf der Chaussee Der Wodka wärmte uns alle von innen auf, zunächst bis Frauenburg mit dem gewaltigen Dom, und am nächsten Morgen waren alle munter und wieder gut drauf! hier forschte Kopernikus hoch droben auf dem Turm. Von Lötzen aus stachen wir mit einem Ausflugsboot in See, In Elbing machten wir Halt, dann Danzig mit dem imposanten Markt. riesengroße Weiten, am Ufer chice Hotels, Campingplätze etc... Hier genoss ein jeder den milden Abend auf seine Art. Von Danzig beeindruckt, machten wir noch die Stadtführung mit, Danach in einem Ort, etwas abseits vom Weg, und danach steuerte der Bus Richtung Stettin mit schnellem Schritt. erreichten wir ein Bauernmuseum mit Hotel, sehr ordentlich gepflegt. Alte Gefäße, Möbel und Geräte waren ausgestellt. Am letzten Abend saßen wir zusammen bei Wein und gutem Essen Sie zeigten anschaulich die mühsame Arbeit früher auf dem Feld. und ließen die große Fahrt Revue passieren, sie bleibt unvergessen! Jeder von uns fand hier Hilfsmittel, die auch er benutzte ehedem. Was hatten wir alles gesehen! So weit waren wir weg! Heute haben wir es leichter, aber Erinnerungen sind ja schön! Ostpreußen, das ist geografisch begründet, liegt eben nicht so ums Eck! Wir bekamen noch ein typisch ostpreußisches Gericht serviert: Karlheinz Hupfer und Manfred Eckert, das war ein tolles Gespann! Es waren Königsberger Klopse, mit viel Sauce und Kapern garniert. Sie planten die lange Reise, wie es besser kaum gehen kann. Köstlich schmeckte es, alle hauten rein mit Genuss. Dabei erzählte die Wirtin ihren Werdegang und zum Schluss Drum sagten wir „Dankeschön“ den beiden mit der Erkenntnis zum Schluss: fielen ihr noch viele heikle Witze ein. Die Teilnahme an dieser Fahrt, das war wirklich ein unbedingtes „Muss“! Hierbei durfte man wirklich nicht prüde sein! Die Stimmung war gut, alle hatten ihren Spaß! Heide Ahlgrimm geb. Eckert Wieder ein schöner und erlebnisreicher Tag war das! PS: Ein paar Tage noch nach Königsberg, einst Hauptstadt der Region. Eine Kostprobe der witzbegabten Wirtin fällt mir gerade ein. Professor Gilmanov von der Uni, der wartete schon. Diese reiche ich nach, gereimt zwar, das muss jetzt einfach so sein: Sein Vortrag über die Vernunft, von Kant sehr geprägt, mit schwungvoller Gestik er uns seine Ideen dargelegt. Eine Frau geht ins Krankenhaus, denn sie erwartet ein Kind. Beeindruckend sein Appell, er will zur Einsicht mahnen, Der Arzt hilft ihr bei der Entbindung, es geht alles ganz geschwind. damit sich alle besser verstehen als vormals unsere Ahnen! Doch dann stutzt er: „Ein Kind kommt da noch, sie sind ja zu zweit!“ Verwundert sagt die Frau: „Oh, ist das vom Schwager denn auch schon so weit?“ Das Abendessen war vorbestellt im Bayern-Lokal. Die dirndligen Damen, die servierten das Mahl. Heide Ahlgrimm Doch erstaunlich, nur ein Teller für zwei, eine kleine Ration 33
Berichte - Impressionen - Erzähltes - Verschiedenes ber Fritz Maerkert, 4 Eisen- und Stahlwaren- Schaufenster, Bauar- händler in Bartenstein/ tikel und Baubeschlag, Baumaterial, Borsten- Ostpr. waren, Eisen- und Me- tallkurzwaren, Elekt- In der Mitglieder-Liste des Verbandes ro-Artikel, Feld- und Deutscher Eisenwarenhändler e.V. von Gartengeräte, Glas- 1933 steht auf Seite 5 u.a. unter Barten- und Porzellanwaren, stein i. Ostpr. bei hier ausgeschriebenen Grobeisen, Röhren Abkürzungen hinter den Namen: Os- usw., Haus- und Kü- car Tichauer: Grobeisen/ Eisenwaren/ chengräte, Korbwaren Haus- und Küchengeräte, Luxuswaren und Kinderwagen, Oe- /Öfen und Herde, Gußwaren/ Werkzeu- fen und Herde, Sanitä- ge, Werkzeugmaschinen/ Landwirt- re Artikel, Sportartikel, schaftliche Geräte und Maschinen/ Paul Stahlwaren, Werkzeu- Voullieme Nachf., Inh. Fritz Maerkert: ge, Waffen und Muniti- Grobeisen/ Eisenwaren/ Haus- und Kü- on./ S. 377. chengeräte, Luxuswaren / Öfen und Herde, Gußwaren/ Werkzeuge, Werk- Steinhoff, K., Barten- zeugmaschinen/ Landwirtschaftliche stein, Ostpreußen, Geräte und Maschinen/ Sowohl Oscar Königsberger Straße Tichauer wie auch Fritz Maerkert boten 7, Postfach 11, Fern- das gesamte Warensortiment an. sprecher 425, Ge- In dem Adreßbuch des Eisen- und Stahl- gründet 15.7.1938, waren- Handels, 4. Auflage 1942/43 fin- Handelsgericht einge- det sich auf Seite 160 u.a. folgender tragen, Mitglied einer Eintrag: Bartenstein/ Ostpreußen (E Einkaufsgenossen- 8,7) Jaschinski/ Lehmann, K.-G., Herm., schaft, Inhaber Kurt Markt 42-43/ Maerkert, Fritz, Markt 32 u. Steinhoff, 2 Schau- 33/ Steinhoff, K., Königsberger Straße fenster, Borstenwaren, 7/ Tichauer, Oskar, Markt 42-43. Elektro-Artikel, Glas- Unter den betreffenden Namen ist dort und Porzellanwaren, unter Benutzung von Abkürzungen, wel- Haus- und Küchenge- che hier ausgeschrieben werden, auf räte, Korbwaren und den entsprechenden Seiten aufgeführt: Kinderwagen, Luxus- Jaschinski, Bartenstein, Ostpreußen, waren, Geschenkarti- Fernsprecher 392. Oefen und Herde./ kel, Spielwaren, Stahl- S. 264. waren./ S. 596. Lehmann, Herm., K.-G., Bartenstein, Tichauer, Oskar, Bar- Ostpreußen, Markt 42-43, Postschließ- tenstein, Ostpreußen, fach 1, Fernsprecher 414, Gegründet Markt 42-43./ S. 622. 21.10.1938, Handelsgericht eingetra- Als Hauptgeschäft gen, Mitglied der Fachgruppe Eisen- betrieben den Eisen- waren, Porzellan, Elektro- und Haus- und Stahlwaren- Han- gerät, Mitglied des Vertragsverbandes del die Kaufleute Fritz der deutschen Eisenwarenhändler, Maerkert und Os- Mitglied einer Einkaufsgenossen- kar Tichauer, später schaft, Mitglied des Bundes der deut- übernommen von der schen Eisenhändler, Inhaber Hermann Hermann Lehmann Lehmann, 6 Schaufenster, Bauartikel Kommanditgesell - und Baubeschlag, Baumaterial, Bors- schaft. Deshalb sind nur diese in den plett umgebaut wurde. Vorher befanden tenwaren, Eisen- und Metallkurzwaren, Deutschen Reichs-Adreßbüchern für sich im Erdgeschoss links der Eingang Elektro-Artikel, Feld- und Gartengeräte, Industrie, Gewerbe und Handel bei Bar- und dann drei Fenster. Auch die Auf- Glas- und Porzellanwaren, Grobeisen, tenstein unter Eisen- und Stahlwaren- schrift der An- und Verkaufs- Genossen- Röhren usw., Haus- und Küchengräte, handlung aufgeführt. Beide Geschäfte schaft eGmbH Bartenstein, welche bis Korbwaren und Kinderwagen, Korb- hatten Kaufhauscharakter, da vielfälti- zu dieser Zeit dort ihr Geschäft betrieb, waren, Luxuswaren, Geschenkartikel, ge Eisen- und Stahlwaren angeboten ist verschwunden. Es handelte sich hier Möbelbeschläge, Oefen und Herde, Sa- wurden. um den Umbau, welchen der Inhaber nitäre Artikel, Sportartikel, Stahlwaren, Interessant ist, dass beide Kaufleute ihr des benachbarten Geschäfts im Haus Werkzeuge, Waffen und Munition./ S. Geschäft um das rechts benachbarte Markt 33, Erich Klapper im Jahr 1937 an 351. Gebäude erweitert haben. Über meinen seinem Haus Markt 34 vorgenommen Maerkert, Fritz, Bartenstein, Ostpreu- Urgroßvater Fritz Maerkert wurde in UB hatte, um dann sein Geschäft noch im ßen, Markt 32 und 33, Postfach 44, 1/ 2018, S. 9-10 ein Beitrag veröffent- gleichen Jahr dorthin zu verlegen. (sie- Fernsprecher 512, Großhändler, Ge- licht. Der hier abgebildete Bildauszug he auch UB 2/ 1985 S. 8) gründet 1.4.1857, Handelsgericht einge- als Bild 1: stammt von einer Postkarte Oskar Tichauer betrieb sein Geschäft, tragen, Mitglied der Fachgruppe Eisen- aus dem Jahr 1937. Der gleiche, erwei- welches er von den F. Jaschinski Nach- waren, Porzellan, Elektro- und Hausge- terte Bildauszug in UB 3/ 2017 S. 65 fahren schon vor 1895 übernommen rät, Mitglied des Vertragsverbandes der wurde versehentlich mit 1940 datiert. hatte, in dem Haus Markt 42. Etwa im deutschen Eisenwarenhändler, Mitglied Es ist jedoch ersichtlich, dass das Haus Jahr 1924 erwarb er das Eckgebäude einer Einkaufsgenossenschaft, Inha- Markt 34 im Erdgeschoss bereits kom- zur Rastenburger Straße, Markt 43. 34
Berichte - Impressionen - Erzähltes - Verschiedenes Dort führte vorher Albert Kroll das Lot- fanden sich Frauen aus der Nachbar- Wagen wurde in der Scheune abgela- teriegeschäft Paul Kögler, wo es auch schaft zum Spinnen, Weben, aber auch den, einer pendelte zum Feld, und einer Galanteriewaren, Glaswaren, Kurz- und zum Gänsefedernrupfen ein. wurde beladen. Der leere Leiterwagen Spielwaren gab. Nach dem Erwerb des Zur Aussteuer gehörten: Handtücher für wurde ebenfalls von einem meiner Nebenhauses ließ Oskar Tichauer die Gesicht und Hände (grobe, feine und Geschwister zum Feld gefahren. Zwei Fassade beider Häuser neu gestalten bunte) mit eingewebtem Monogramm, Knechte, junge Männer, und zwei bis und verputzen. Das Erdgeschoss wurde Unterhemden, Unterhosen, Bettbezü- drei Frauen vom Max Glang- bzw. Franz- komplett umgebaut, so dass sich das ge, Bettlaken, Kopfkissenbezüge und Arndt-Insthaus haben nicht nur bei der Geschäft mit dem Eingang zwischen 25 Mehl- und Getreidesäcke mit ein- Getreideernte geholfen, sondern haben den beiden großen Schaufenstern fast gewebtem Namenszug „Albert Klein unsere Mutter auch beim Waschen der auf die gesamte Fläche erstreckte. Le- Kl.-Schönau“. Wäsche unterstützt. Ihre Männer waren diglich der Hauseingang mit dem Flur Fräulein Mohr, Schneidermeisterin im als Wald-, Straßen- und Gutsarbeiter war rechts. Die Häuser hatten nun ein Ort (wohnte im Insthaus vom Pfarrhof), beschäftigt. Die Frauen arbeiteten oft einheitliches Aussehen mit dem Namen hat aus den vorhandenen Leinenballen auf Stunden- oder Naturalbasis. Meis- über den Schaufenstern und zwei ge- noch für uns Jungen Leinenhemden, tens haben sie zwei Schweine gefüttert kreuzten Eisenhämmern in der Mitte Unterhosen und auch andere Dinge ge- und Hühner und andere Kleintiere ge- vom 1. Stock. Im Haus Markt 42 führte näht. Für mich auffällig war, dass meine halten. Ein Schwein wurde geschlachtet J. Skoluda im Hinterhof ein Geschäft Mutter nie solche Leinenwäsche getra- und eins verkauft. für elektrische Licht- und Kraftanlagen. gen hat. Ihre Unter- und Nachtwäsche Wenn die hochtragenden Stuten im Ende 1938 wurde Oskar Tichauer auf- war immer mollig weich. Frühjahr zum Abfohlen anstanden, ist grund seiner jüdischen Religion zum Mein Großvater und Vater müssen auch Vater nachts oft aufgestanden, um im Verkauf der beiden Geschäftshäuser im Umgang mit Holz Talente gehabt ha- Notfall Hilfe leisten zu können. Auch gezwungen. Bereits seit 1933 musste ben. So existierten mehrere Holzmollen nachts bei schweren Gewittern hat er sein Geschäft mit massiven Ein- (ausgehöhlte Baumstämme) aus Pap- Vater die Stuten mit Fohlen beruhigen schränkungen durch den nationalsozia- pel- oder Lindenholz in verschiedenen müssen. listischen Staat ausüben. Dies führte zu Größen.Es gab drei runde und drei läng- Das Anspannen (Einfahren) von zwei- einem erheblichen Geschäftsrückgang, liche Mollen, die auch beim Schlachten jährigen Pferden hat Vater immer mit da er einen großen Teil seiner Zuliefe- verwendet wurden. Eine runde benutzte viel Umsicht vorgenommen. Schon als rer, Kunden und Abnehmer verlor. Sein Mutter für die Striezelbrot- und Weih- Kinder zeigten wir Interesse, ob alles Unternehmen wurde nun bis zur Vertrei- nachtsbäckerei. Von den länglichen glatt von statten ging. Die jungen Pferde bung 1945 von der Hermann Lehmann wurde die größte nur zum Brotbacken mussten erst an Halfter, Zaum, Sielen Kommanditgesellschaft weitergeführt. verwendet. Zwei ovale kniehohe Holz- und Leine gewöhnt werden. Meist wur- An den Häusern wurde der Geschäfts- bottiche benutzte Mutter zum Einsalzen den sie als drittes Pferd am zweispänni- name geändert und die beiden gekreuz- von Fleisch (Pökeln). Zum Wäschewa- gen Kastenwagen mit Hilfe einer dreier ten Eisenhämmer verschwanden. schen gab es auch noch verschiedene Wacht (Bracke) angespannt. Holzwannen. Lastschlitten, Kutsch- und Kai-Uwe Schwokowski Rodelschlitten waren auch Marke Ei- Ich bin mit Vater und Mutter schon als Meißner Straße 8 genbau. kleines Kind gerne in die Stadt (Fried- 01558 Großenhain land) gefahren. Der Stadtwagen war im Prinzip schon ein halber Kutschwa- Erlebnissen mit Pferden gen. Er hatte vorne einen gepolsterten Da der Ackerboden größtenteils aus Sitz für drei Personen und hinten eine Erwin Klein, Meine Kind- Lehm und Ton bestand, spielte bei Ladefläche. Er war farblich wie ein Kleins naturgemäß die Weidewirtschaft Kutschwagen angestrichen und über heitserinnerungen auf eine besonders große Rolle. Die Pferde- den Radachsen hinten und vorne mit einem Bauernhof in Ost- und Rinderzucht waren die Hauptein- Blattfedern ausgestattet. Bei Einkäufen preußen nahmen des Betriebes. Die Pferdezucht in der Stadt gab es in Friedland drei war Vaters besonderer Stolz. Mit sechs größere Ausspannungen. Sie waren Be- eingetragenen Zuchtstuten (Herdbuch = standteile von Kolonialwarengeschäften Ich, Erwin Paul Gustav Klein, wurde als Kreuzung zwischen Kaltbluthengst und mit Gaststättenbetrieb. Kleins kehrten viertes von sechs Kindern 1932 in Kl.- Warmblut) gab es im Durchschnitt drei in der Ausspannung Kaminski ein. Hier Schönau, Kreis Bartenstein, geboren. bis vier Fohlen im Jahr. Nach Jahrgän- wachte der Hofarbeiter über unser Ge- Mein Vater Gustav Albert Klein ist 1884 gen geordnet wuchsen die Fohlen im fährt. In der Gaststätte wurden die Män- in Kl.-Schönau zur Welt gekommen. Winter in großen Laufstallungen und tel deponiert, die man beim Einkaufen Mit 38 Jahren hat mein Vater 1922 die im Sommer auf den nährstoffreichen nicht brauchte. Natürlich hatte Vater 22-jährige Postangestellte Margarete Weiden auf. immer Zeit für ein Bier oder Grog bzw. Klein geb. Gergaut geheiratet.Als Al- Es musste oft mit vier Pferden (zwei einen Schnaps. Als Kinder bekamen leinerbe eines Bauernhofes von 35 ha hinten und zwei vorne) vom Sattel aus wir dann immer Geld für Bonbons oder als Eigentum, einschließlich Bauern- gefahren werden (das linke hintere Pferd Kuchen. Die Fahrten zum Bauernmarkt wald und 10 ha Pachtland (Pfarrland wurde hierzu gesattelt). Auch beim Pflü- im Frühjahr waren für mich immer sehr und Schulland), war mein Vater als gen der Winterfurche von einer Tiefe interessant. Butter, Eier, Sahne, weiße Einzelkind auch mit weiblichen Kennt- von 30-35 cm und bei der Getreideernte und grüne Erbsen, Hühnerfutter, Kar- nissen und Fertigkeiten einer Bauers- wurde der Mähbinder von vier Pferden toffeln und Absatzferkel waren unsere frau ausgestattet worden. Als Kinder gezogen. Der Erntewagen wurde bei Produktpalette. Unser Verbleiben auf haben wir in einem abgeteilten Teil auf aufgeweichtem Boden mit sogenann- dem Markt dauerte meist bis Mittag. Bei dem Hausboden (die düstere Lucht) die tem Vorspann gefahren. Ich habe mit Fahrten zur Raiffeisengenossenschaft noch funktionierenden zwei Webstühle neun bis zwölf Jahren auf dem Feld musste man die ganze Stadt durchque- und die Gerätschaften zum Woll- und den Leiterwagen von Hocke zu Hocke ren. Solche Fahrten erfolgten mit dem Flachsspinnen bestaunen können. Mein vierspännig weiterfahren müssen. Im Ackerwagen. Meist waren die Wagen Vater hat seine Aussteuer selber herge- Sommer wurde mit drei Leiterwagen mit Getreide beladen, d. h., es wurde stellt, d. h., an langen Winterabenden die Getreideernte bewältigt, d. h., ein nur Schritt zur Stadt gefahren. Das fand 35
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