Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen

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Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Hessisches Ärzteblatt
                                                   Online unter: www.laekh.de 2 | 2023
         Mitteilungen für Ärztinnen und Ärzte der Landesärztekammer Hessen 84. Jahrgang

                                                                                                      Foto: © Chinnapong – stock.adobe.com

Schmerztherapie bei Tumorpatienten
in der Palliativsituation

Beinschwellungen               Kampf gegen Bakteriämie
Praktisches Vorgehen           Die Arbeitsgruppe Antibiotic-
in der hausärztlichen Praxis   Stewardship definiert einen
bei Schwellungen in den        gemeinsamen Standard gegen
unteren Extremitäten           Staphylokokkus aureus
                                                                  Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 73
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Editorial
                                    Wohin geht die Reise?
                     W
                                  ohin wird die Reise im Gesundheitswesen gehen?            ständlichkeit ist bzw. sein sollte? Bleibt nur zu hoffen, dass es hier
                                  Kommt mit der von Bundesgesundheitsminister Lau-          nicht doch um kostensparende, frühzeitige oder gar vorzeitige
                                  terbach angekündigten Krankenhausreform wirklich          Entlassungen geht.
                     eine Revolution oder wird das „Struck’sche Gesetz“ (nach dem           Leider mussten wir in jüngerer Zeit immer wieder Berichte über
                     SPD-Politiker Peter Struck: „Kein Gesetz kommt aus dem Parla-          das UKGM lesen, hatte doch der Betreiber, die private Rhön Klini-
                     ment so heraus, wie es eingebracht worden ist.“) daraus ein laues      kum AG den bisherigen Vertrag mit dem Land Hessen gekündigt
                     Lüftchen werden lassen, ohne die bekannten Probleme zu lösen?          und damit erhebliche Unsicherheiten und Ängste bei den Be-
                     Immerhin gibt es zahlreiche Stimmen, darunter die von Klinikärz-       schäftigten wie auch den Patientinnen und Patienten ausgelöst.
                     ten und Krankenhausvertretern, welche zumindest einen Teil der         Nun bleibt zu hoffen, dass die Verhandlungen zwischen dem
                     Vorschläge dem Grunde nach begrüßen, auch wenn viele Fragen            Land Hessen, der Rhön Klinikum AG und dem UKGM wie erhofft
                     noch mehr als offen sind. Über fehlende Investitionsmittel und         bis Ende Januar zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss führen
                     steigende Inflationsraten will ich gar nicht erst sprechen.            werden. Presseberichten zufolge war ein wichtiger Durchbruch
                     Am 5. Januar kündigte Lauterbach an, dass es ein gemeinsames           erzielt worden, in dem das Land unter anderem erhebliche Inves-
                     Gesetzgebungsverfahren werden solle, an dem die Bundesregie-           titionsmittel zugesagt hatte. Ohne hier ein Urteil über die Höhe
                     rung, die Fraktionen des Bundestags sowie die Bundesländer mit-        der zugesagten Mittel abgeben zu wollen, muss doch festgestellt
                     arbeiten sollten. Bis zur Sommerpause 2023 soll ein Entwurf vor-       werden, dass noch immer vieles im Dunklen liegt. Das Land hat
                     liegen, denn allen ist klar, dass Reformen dringend erfolgen müs-      immer wieder auf darauf verwiesen, dass die Rhön Klinikum AG
                     sen. In diesem Prozess sollte dann nicht nur mit den Krankenhäu-       zu Zeiten der Privatisierung 2006 eine Verzichtserklärung auf
                     sern und deren Verbänden diskutiert werden, sondern auch die           Landesmittel abgegeben habe. Diese Erklärung will der Konzern
                     niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollten explizit ebenso ein-      aber gar nicht abgegeben haben.
                     bezogen werden. Natürlich betrifft eine Krankenhausreform Kran-        Da der damals geschlossene Vertrag nicht öffentlich einsehbar
                     kenhäuser unmittelbar, doch mittelbar sind auch die ambulanten         ist, steht hier leider Aussage gegen Aussage. Vertrauen der Öf-
                     Praxen betroffen. Wenn der seit Jahrzehnten tönende Ruf nach           fentlichkeit wird so nicht erzielt. Transparenz sieht anders aus.
                     Überwindung der Sektorengrenzen ernst gemeint ist, müssen nun          Bis heute wurde keine andere Universitätsklinik privatisiert und
                     die Weichen dafür so gestellt werden, dass die Reform nicht nur in     das aus gutem Grund. Eine Universitätsklinik sollte primär dem
                     der Theorie, sondern dann auch in der Praxis funktioniert. Und         öffentlichen Wohl dienen und nicht das Renditestreben privater
                     wer kann dazu mehr beitragen als Praktiker der ambulanten ärzt-        Anteilseigner bedienen müssen. Werden Klinikgewinne in neue
                     lichen Patientenversorgung, die die Fallstricke der Realität bestens   Behandlungsmethoden oder medizinische Geräte investiert, ver-
                     kennen. Es reicht nicht, ein Level Ii-Krankenhaus vorzuschlagen,       bleibt das Geld im System und dient seiner eigentlichen Bestim-
                     das integrierte ambulante/stationäre Versorgung anbietet.              mung, nämlich der Daseinsvorsorge. Doch mit welcher Berechti-
                     Überwindung der Sektorengrenzen darf nicht bedeuten, dass die          gung werden diese Gewinne privatisiert, während die Kosten so-
                     ambulanten Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser er-              zialisiert werden?
                     weitert werden. Vielmehr sollte die Integration der ambulanten
                     Versorger in die stationäre Patientenversorgung gefördert wer-
                     den. Das Belegarztwesen ist dafür ein gutes und bewährtes Bei-
                     spiel. Auch nach der Entlassung müssen Patienten, unabhängig
                     von der Versorgungsstufe eines Krankenhauses, weiter versorgt
                     werden.
                     Das sieht auch das Universitätsklinikum Gießen/Marburg
                     (UKGM) so und wandte sich vor den Weihnachtstagen an die
                     Marburger Ärztegenossenschaft PriMa. Patienten sollten – wo
                     immer medizinisch möglich – frühzeitiger entlassen werden. Um
                     die Weiterbehandlung sinnvoll zu ermöglichen, werde die Klinik
                     bei der Entlassung einen Kurzbericht mit allen relevanten Infor-
                     mationen für die Niedergelassenen mitgeben sowie Rezepte für
                     die Erstverordnung von Medikamenten.
                     Nun muss ich anmerken, dass mir das Originalschreiben nicht
                     vorliegt, und kann daher nur hoffen, dass es sich hier nicht um
Foto: Peter Jülich

                     Realsatire handelt. Oder bin ich etwa der irrigen Annahme, dass
                     ein Kurzbericht mit allen relevanten Informationen für den wei-
                     terbehandelnden Arzt nicht auch jetzt schon eine Selbstver-                           Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident

                                                                                                                           Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 75
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Inhalt

                                                                                                                                                                                               Foto: © MZalevsky – stock.adobe.com
                                                                                        Foto: © fotoknips – stock.adobe.com
Schmerztherapie in der Palliativsituation                                                                                     Kampf gegen Bakteriämie
In dem zertifizierten Fortbildungsartikel gibt                                                                                Die Arbeitsgruppe Antibiotic-Stewardship
der Autor einen praktischen Einblick in die ak-                                                                               (ABS-AG) wurde gegründet, um sektorüber-
tuelle Therapie der vielfältigen Schmerzen bei                                                                                greifend Aktivitäten gegen multiresistente Er-
Tumorpatienten in der (fortgeschrittenen) Pal-                                                                                reger zu bündeln. Für den Umgang mit der Sta-
liativsituation. Für den Erfolg ist auch die Auf-                                                                             phylokokkus aureus Bakteriämie (SABak) hat
klärung des Patienten entscheidend.                                                                                           die AG einen gemeinsamen Standard definiert.
                                              79                                                                                                                         90

Editorial: Wohin geht die Reise? .............................................................................................................................................. 75
Aus dem Präsidium: Wird die Revolution kommen? .................................................................................................................... 78

Carl-Oelemann-Schule
Klimawandel und Gesundheit......................................................................................................................................................... 97
Neuer Qualifizierungslehrgang „Assistenz Wundmanagement“ ............................................................................................ 106

Fort- und Weiterbildung
CME: Schmerztherapie bei Tumorpatienten in der (fortgeschrittenen) Palliativsituation ................................................. 79
WBO 2020: Allgemeine Inhalte bei der Weiterbildung nicht vergessen! .............................................................................. 87
Röteln und Masern: Eliminiert oder nur vergessen? ............................................................................................................... 88
Der Staphylokokkus aureus Bakteriämie (SABak) den Kampf angesagt! ............................................................................. 90
Das geschwollene Bein und die Abklärung von beidseitigen Beinschwellungen .................................................................. 92
Kongressankündigung: Erforschung von Störungen der Blutgerinnung .............................................................................. 96

  Bekanntmachungen

    Fort- und Weiterbildungen für Ärzte: Aktuelles Angebot der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung ....... 98
    Fort- und Weiterbildungen für MFA: Aktuelles Angebot der Carl-Oelemann-Schule.................................................. 104
    Bekanntmachungen der Landesärztekammer Hessen mit Jahresabschluss 2021...................................................... 108
    Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen: Öffentliche Ausschreibung ................................... 124

Nachruf: Gedenken an Prof. Dr. med. Albrecht Encke ......................................................................................................... 107

Impressum .............................................................................................................................................................................. 128

76 | Hessisches Ärzteblatt 2/2023
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Inhalt

                                                             Foto: © Yabobchuk Olena – stock.adobe.com

                                                                                                                                                                      Foto: Rechte beim Autor
Nicht vergessen: Allgemeine Inhalte der WBO                                                              Das geschwollene Bein
Fächerübergreifende Anforderungen bei der                                                                Schwellungen der unteren Extremität, ob ein
Weiterbildung sind auch durch gesetzliche und                                                            oder beidseitig, sind ein häufiger Konsultations-
gesellschaftliche Verpflichtungen gegeben. Die                                                           anlass in der hausärztlichen Sprechstunde. Auf
Leichenschau sowie die Impfung der Bevölke-                                                              Grund der komplexen Zusammenhänge stellt
rung sind zwei Beispiele für das, was jede Ärztin                                                        die Abklärung solcher Befunde die Ärztin und
und jeder Arzt können muss.                                                                              den Arzt vor eine breite Differenzialdiagnose.
                                              87                                                                                                       92

Wählen heißt mitgestalten!
Gehen Sie wählen und gestalten Sie die      Das im Hessischen Heilberufsgesetz gere-                                    Belange der Ärzteschaft gegenüber Staat
beruflichen Rahmenbedingungen von           gelte Aufgabenspektrum der Kammer als                                       und Gesellschaft wahrzunehmen.
Ärztinnen und Ärzten mit. Als berufliche    Körperschaft des öffentlichen Rechts ist                                    Auch die Organisation der beruflichen
Vertretung aller Ärztinnen und Ärzte in     vielseitig: Einerseits überträgt der Staat                                  Fortbildung und Weiterbildung, das Aus-
Hessen ist die Landesärztekammer Hes-       ihr die Pflicht, für Ordnung im Beruf zu                                    bildungswesen Medizinische Fachange-
sen (LÄKH) Ausdruck einer starken ärztli-   sorgen und die Qualität ärztlicher Berufs-                                  stellte, die Qualitätssicherung und die Be-
chen Selbstverwaltung. Sie vertritt die     ausübung zu sichern. Andererseits hat die                                   ratung ihrer Mitglieder, beispielsweise in
Interessen der Ärzteschaft und beteiligt    LÄKH die Aufgabe, Politik und Staatsver-                                    Rechtsfragen, zählen zu ihren Aufgaben.
sich an zentralen Fragen der Gesundheits-   waltung in Fragen der Gesundheitspolitik                                                                          (red)
politik.                                    fachlich zu beraten und – vor allem – die

                                             Sprache im Hessischen Ärzteblatt
                                             Wo immer möglich, verwenden wir in                                         benutzen wir, sofern vorhanden, Ge-
                                             Texten des Hessischen Ärzteblattes                                         schlechter übergreifende Begriffe; ver-
                                             beide Geschlechter. Aus Gründen der                                        zichten aber auf Gender-Stern, Gen-
                                             besseren Lesbarkeit wird manchmal                                          der-Gap oder Binnen-I. Unseren Auto-
                                             nur die weibliche oder nur die männli-                                     rinnen und Autoren sind wir für die frei-
                                             che Form gewählt, auch wenn sich die                                       willige Beachtung dieser Hinweise
                                             Formulierungen auf Angehörige diver-                                       dankbar, greifen aber nicht redigierend
                                             ser Geschlechter beziehen. Außerdem                                        ein.                              (red)

                                                                                                                              Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 77
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Aus dem Präsidium

                              Wird die Revolution kommen?

A
         ls Revolution hat Bundesgesundheitsmi-                                  Der Einstieg in die Vorhaltekostenfinanzierung
         nister Lauterbach die seit dem 6.12.2022                                setzt ein am regionalen Bedarf orientiertes Ver-
         vorliegenden Empfehlungen der Regie-                                    sorgungskonzept voraus. Die Regierungskommis-
rungskommission für eine moderne und bedarfs-                                    sion schlägt drei Versorgungslevel vor, wobei das

                                                                               Foto: Katarina Ivanisevic
gerechte Krankenhausversorgung angekündigt.                                      Level 1 unterteilt wird in Krankenhäuser mit und
Ob der Entwurf dieser Ankündigung gerecht wird,                                  ohne Notfallversorgung und das Level 3 in Maxi-
ist Gegenstand von Diskussionen. Aus meiner                                      malversorger und Unikliniken. Für jedes Level und
Sicht wäre ein kompletter Ausstieg aus dem DRG-                                  dessen Unterteilung werden Strukturvorausset-
System eine echte Revolution gewesen, die auch                                   zungen definiert ebenso wie 128 Leistungsgrup-
den Dokumentationswahnsinn reduziert hätte. Es                                   pen, die die Kliniken je nach Versorgungsstufe an-
ist dennoch ein großer Schritt, wenn 18 Jahre            „Was wir uns            bieten und abrechnen können. Insofern wird nun
nach Einführung des DRG-Systems die Finanzie-             nicht leisten          die entscheidende Frage sein, inwieweit die Län-
rung im Bereich der Krankenhäuser zumindest               können, ist            der bereit sind, die derzeitige heterogene Kran-
teilweise neu aufgestellt wird.                           ein weiterer           kenhausstruktur tatsächlich aktiv im Sinne eines
Wie dringend notwendig die Gegenfinanzierung               Stillstand.“          einheitlich gestuften Konzepts zu beplanen und
von Vorhaltekosten ist, wurde in diesem Winter im                                inwieweit das juristisch umsetzbar ist. Mindestens
Bereich der Kinderkliniken besonders deutlich.                                   genauso wichtig ist die Frage, ob die Länder end-
Gerade Kinderkliniken haben ein saisonal schwankendes und we- lich bereit sind, ihrer Finanzierungsverantwortung im Bereich der
nig planbares Patientenaufkommen. Alle Jahre wieder sehen wir Investitionskosten nachzukommen.
in der Wintersaison eine Überlastung der Kinderkliniken, die im
Laufe der vergangenen Jahre sukzessive wegen des Fokus auf Er- Dokumentationsaufwand entscheidend
lösoptimierung kaputtgespart wurden. Gemeinsam mit den Kin-
derkliniken haben sich die niedergelassenen Kinder- und Jugend- Angestellte Ärztinnen und Ärzte verbringen ebenso wie Pflege-
ärztinnen und -ärzte mit aller Kraft darum bemüht, die Versor- kräfte im Durchschnitt drei Stunden am Tag mit Dokumentation.
gung in der besonders starken und frühen Erkrankungswelle Insofern werden sich neue Konzepte auch am Dokumentations-
durch RS-, Influenza- und auch Sars-CoV-2-Viren aufrecht zu er- aufwand messen lassen müssen. Im Koalitionsvertrag hat die Am-
halten. Die Lieferengpässe bei Medikamenten haben die Situati- pelregierung einen Bürokratieabbau versprochen. Das brauchen
on weiter verschärft, ebenso der zunehmende Personalmangel, wir im Gesundheitswesen dringend!
nicht nur die Anzahl erkrankter Kinder.                            Das Jahr 2023 wird also noch viele Diskussionen und sicher auch
                                                                   Anpassungen des vorliegenden Konzepts bringen. Was wir uns
Erfreuliche Forderungen                                            aus meiner Sicht aber nicht leisten können, ist ein weiterer Still-
                                                                   stand. Früher galt das Sprichwort: „Gefahr erkannt, Gefahr ge-
Die erneute Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen er- bannt“. Leider werden erkannte Gefahren heute oft genug nur
scheint dann auf den ersten Blick als logischer Schritt, um die zur Kenntnis genommen, ohne dass die zugrunde liegenden Pro-
Versorgung der Kinder sicher zu stellen. Gleichzeitig muss klar bleme behoben werden.
sein, dass eine Unterschreitung von Personaluntergrenzen so- Die Ärzteschaft hat schon vor der Einführung des DRG-Systems
wohl die Versorgung der Patientinnen und Patienten verschlech- vor den nun allgemein erkannten Problemen und Fehlanreizen
tert als auch zur weiteren Demotivation des noch vorhandenen gewarnt.
Personals beiträgt.                                                Manchmal wünscht man sich, man hätte nicht recht behalten …
Im vorliegenden Vorschlag der Regierungskommission werden
erfreulicherweise auch ärztliche Personalvorgaben als Struktur-                                             Dr. med. Susanne Johna
voraussetzung gefordert. Konsequent wäre dann eben auch die                    Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen
Gegenfinanzierung aller patientennahen Personalkosten.

NEU: Bezug der Online-Ausgabe
Ab 1. September 2023 ist die digitale, un-   meldewesen@laekh.de mitteilen, ob Sie                         derdatenmanagement per E-Mail an alle
ter www.laekh.de eingestellte Version des    das HÄBL weiterhin als Druckausgabe er-                       Mitglieder. Wer keine Mail-Adresse ange-
Hessischen Ärzteblattes (HÄBL) offiziel-     halten möchten oder online lesen wollen.                      geben hat, erhält diese Nachricht nicht.
les Mitteilungsblatt der Landesärztekam-     Der monatliche „amtliche“ Hinweis auf                         Beachten Sie, dass alle Mitglieder wegen
mer Hessen. Bereits ab 1. Februar können     das HÄBL in digitaler Form erfolgt ab dem                     der Kammerwahl das HÄBL bis zum
Sie jederzeit im Portal oder per Mail an     01.09.2023 durch das Zentrale Mitglie-                        01.09.2023 als Druckausgabe erhalten!
78 | Hessisches Ärzteblatt 2/2023
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Fort- und Weiterbildung

                                     Schmerztherapie bei Tumorpatienten
                                     in der (fortgeschrittenen) Palliativsituation
                                     VNR: 2760602023024530009
                                     Dr. med. Andreas Rost

                                                                                                                                     tika. Die danach eingesetzte Bildge-
                                                                                                                                     bung soll nicht nur den Anfangsver-
                                                                                                                                     dacht bestätigen, sondern auch die
                                                                                                                                     Möglichkeiten einer Kausaltherapie
                                                                                                                                     überprüfen.
                                                                                                                                  2. Eine gründliche Schulung bzw. Aufklä-
                                                                                                                                     rung der Patienten über die Wirkung
                                                                                                                                     und Wirkdauer der verordneten Arznei-
                                                                                                                                     mittel. Behandelt wird nicht das Symp-
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                                                                                                                                     tom „Schmerz“, sondern ein Mensch
                                                                                                                                     mit seinen Sorgen, Nöten und Ängsten.
                                                                                                                                     Die nach Einschätzung des Autors häu-
                                                                                                                                     figste Ursache für das Versagen der ver-
                                                                                                                                     ordneten Analgetika ist die nicht regel-
                                                                                                                                     konforme Einnahme oder das gänzliche
                                                                                                                                     Weglassen. Voraussetzung ist der aus-
                                                                                                                                     gehändigte       ständig    aktualisierte
                                                                                                                                     schriftliche Plan der Medikation.

                                      Der Artikel ist zuerst online in „Arznei-   Dieser Artikel gibt einen praktischen Ein-      Schmerzanamnese
                                      verordnung in der Praxis“ (AVP) er-         blick in die aktuelle Therapie der vielfälti-   und Untersuchung
                                      schienen, Band 47 Heft 3–4 Novem-           gen Schmerzen bei Palliativpatienten.
                                      ber 2020. Internet: www.akdae.de.           Pharmakologische Aspekte stehen nicht           Die Patientin oder der Patient selbst be-
                                      Hier folgt ein gekürzter Nachdruck,         im Vordergrund, sie werden in der Diffe-        stimmt die Intensität seiner Schmerzemp-
                                      der als CME-Fortbildungsbeitrag ex-         renzialtherapie berücksichtigt. Die Anga-       findung auf einer Skala nach VRS (verbale
                                      klusiv für das Hessische Ärzteblatt er-     ben in diesem Artikel stimmen weitge-           Rating-Skala: kein, leichter, mittlerer oder
                                      stellt wurde.                               hend mit den Empfehlungen der S3-Leitli-        starker Schmerz) oder nach der 11-stufi-
                                                                                  nie Palliativmedizin 2.0 (Stand 2019)           gen numerischen Ratingskala (NRS von 0:
                                     Zusammenfassung                              überein [1]. Eigene Erfahrungen des Au-         kein Schmerz bis 10: Vernichtungs-
                                                                                  tors bleiben nicht unerwähnt. Einige The-       schmerz). Die Befragung nach Schmerz
                                     Eine erfolgreiche Schmerztherapie be-        rapien sind Off-Label-Use, sie werden vom       wird im Verlauf der Therapie wiederholt
                                     ginnt mit einer genauen Schmerzanamne-       Autor wegen ihrer Wirksamkeit trotzdem          und dokumentiert sowohl in Ruhe als auch
                                     se und klinischen Untersuchung. Die ver-     empfohlen.                                      unter Belastung.
                                     ordnungskonforme Einnahme der Arznei-                                                        Die psychische Verfassung der Patienten
                                     mittel erfordert das Verständnis und die     Schmerztherapie                                 ist zu beachten: Liegt begleitend eine An-
                                     Mitarbeit der Patienten für die angesetzte   von Tumorpatienten                              passungsstörung oder sogar eine schwere
                                     Therapie. Der stufenweise Einsatz der Me-                                                    depressive Episode vor? Einige Patienten
                                     dikamente richtet sich nach dem Wirkpro-     Zwei Gesichtspunkte sind bei der                (häufig Männer) haben mehr Hemmun-
                                     fil und der analgetischen Potenz. Die        Schmerztherapie von Tumorpatienten              gen, über ihre Beschwerden zu sprechen –
                                     Angst vor dem Einsatz der Opioide (Stu-      ausschlaggebend für den Erfolg:                 gerade auch in Gegenwart der Angehöri-
                                     fe 3 WHO) ist bei der großen therapeuti-     1. Eine genaue Schmerzanamnese, ge-             gen. Hier sollte nach beiden „Versionen“
                                     schen Breite und vergleichsweise geringen       folgt von einer symptombezogenen kli-        gefragt werden: Wie Patienten ihre Be-
                                     Nebenwirkungsrate unbegründet. Die Ne-          nischen Untersuchung, gibt auch ohne         schwerden schildern und wie die Angehö-
                                     benwirkungen werden durch adjuvante             Einsatz einer Bildgebung Hinweise für        rigen das Beschwerdemaß einschätzen.
                                     Medikamente abgemildert. Sogenannte             den Auslöser des Schmerzes – und da-         Sind Patienten kognitiv nicht in der Lage,
                                     Co-Analgetika verstärken die Wirkung der        mit für den differenzialtherapeutischen      den Schmerz zu kommunizieren, sind Ärz-
                                     Analgetika.                                     Einsatz der Analgetika und Co-Analge-        tinnen und Ärzte auf eine Fremdeinschät-

                                                                                                                                         Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 79
Hessisches Ärzteblatt - Landesärztekammer Hessen
Fort- und Weiterbildung

zung mit Beobachtung vegetativer Symp-         nach Bedarf. Krebsschmerzen sind ein           Nichtopioide und Opioide. Bei allen Stufe-
tome (Blutdruckkrisen, Schwitzen, Unru-        Dauerzustand im Unterschied zu gele-           1-Analgetika (Novaminsulfon, NSAR und
he) oder die Mimik („Stirnfalte“) ange-        gentlichen Kopfschmerzen.                      Paracetamol) sind die entsprechenden
wiesen. Im Zweifelsfall lohnt sich ein The-    Besonders relevant ist die Häufigkeit der      Nebenwirkungen und Kontraindikationen
rapieversuch. Besonders wichtig ist die        Einnahme. Wird als Basismedikament der         zu berücksichtigen.
behutsame körperliche Untersuchung mit         Stufe 1 Novaminsulfon eingesetzt (Trop-
Tasten, Drücken, Klopfen zur möglichen         fen, Tabletten, Zäpfchen oder parenteral       Novaminsulfon soll in der maximalen Ta-
Schmerzprovokation. Und „der Blick unter       als Kurzinfusion), sind immer vier bis ma-     gesdosis (4 x 1 g) appliziert werden. Falls
die Bettdecke“: Unruhe bei Blasenhoch-         ximal sechs Gaben pro Tag obligat. Nur so      der Geschmack der Tropfen auch mit
stand in Folge okkludiertem Blasenkathe-       lässt sich eine kontinuierliche Analgesie      Hilfsmitteln (schwarzer Tee oder Obstsäf-
ter – als mögliche Ursache.                    bei einer Wirkdauer von sechs bis acht         te) die Einnahme für den Patienten er-
Die Schmerzlokalisation und ein Schmerz-       Stunden aufrechterhalten. Die letzte Gabe      schwert, ist mit Hinweis auf die Menge der
auslöser präzisieren die Diagnostik: Be-       soll unmittelbar vor dem Einschlafen erfol-    Tabletten pro Tag 4 x 2 (!) umzustellen.
richten Patienten von einem streng belas-      gen.                                           Bei Schluckunfähigkeit bietet sich die rek-
tungsabhängigen Schmerz, der in Ruhela-        Bei Retardpräparaten können wir Ärztin-        tale Applikation mit 1 g Suppositorien an.
ge nahezu verschwindet, und lässt er sich      nen und Ärzte uns nicht immer auf die          Erfahrungsgemäß ist die Akzeptanz der
an den tragenden Skelettabschnitten lo-        vom Hersteller versprochene Wirkdauer          rektalen Applikationsform sowohl bei Pa-
kalisieren (Lendenwirbelsäule, Hüfte           von zwölf Stunden verlassen (entspricht        tienten als auch Angehörigen/Pflegeper-
etc.), so ist ein knöcherner Schmerz sehr      zwei Gaben pro Tag). Sollte die Wirkung        sonal gering und nur als Notbehelf ein-
wahrscheinlich.                                am Tag nicht ausreichen, so ist eine dritte    setzbar. Eine parenterale Gabe ist aus-
Gute Grundkenntnisse der Sonografie            Gabe empfehlenswerter als die Dosiserhö-       schließlich langsam intravenös möglich,
sind in der Palliativmedizin äußerst hilf-     hung am Morgen oder Abend. Damit ist           am besten als Kurzinfusion in Volumina
reich. Kleine transportable Sonografiege-      ein „geglätteter“ Wirkspiegel zu erwarten.     von 100 bis 250 ml, die der möglichen Hy-
räte verhelfen vor Ort zur Präzisierung der    Wacht die Patientin oder der Patient da-       potonie unter Novaminsulfon entgegen-
klinischen Diagnostik, besonders viszeral.     gegen morgens mit Schmerzen auf, emp-          wirken.
In der palliativen Situation ist bereits vor   fiehlt es sich, die Abenddosis zu erhöhen.     Die in unseren Breiten sehr selten auftre-
einer Bildgebung eine Schmerztherapie          Alternativ kann der Wecker für eine frühe-     tenden Blutbildveränderungen (führend
einzuleiten. Aus ärztlicher Sicht muss ge-     re Einnahme als üblich gestellt werden,        Leukopenie) sind durch entsprechende
prüft werden, ob sich aus der Diagnostik       um den Zwölf-Stunden-Abstand zu ver-           Kontrollen auszuschließen. Bei Leukope-
therapeutische Konsequenzen ergeben im         kürzen.                                        nie ist sofortiges Absetzen geboten. Ein
Sinne eines möglichen operativen und/          Neben der Basismedikation mit festen Ein-      Vorteil von Novaminsulfon ist neben der
oder strahlentherapeutischen Vorgehens.        nahmezeiten der Retardpräparate erhal-         analgetischen die spasmolytische Wir-
Andernfalls ist sie kontraindiziert. Seitens   ten Patienten eine Bedarfsmedikation in        kung, die es für den Einsatz von spasti-
der Patienten muss überprüft werden, ob        einer nicht retardierten Form zur Behand-      schen Bauchschmerzen prädestiniert. Ein
die verbleibende Lebensspanne ein derar-       lung von Durchbruchschmerzen. Der              weiterer Vorteil ist die antipyretische Wir-
tiges Vorgehen rechtfertigt und ob die Be-     Durchbruchschmerz kann unvorherseh-            kung in der finalen Palliativsituation, wenn
troffenen einem derartigen Vorgehen zu-        bar auftreten und bedarf einer raschen,        ein Infekt nicht mehr durch Antibiotika
stimmen werden. Weiter ist zu berück-          d. h. sofort verfügbaren Medikation. Dies      behandelt werden soll. Eine sehr gute
sichtigen, wo sich die Patienten befinden:     gilt auch für Pflegeeinrichtungen.             Wirksamkeit zeichnet Novaminsulfon bei
zu Hause mit langem Transportweg oder          Ist bekannt, dass bevorstehende Situatio-      pleuritischen Schmerzen aus (meist
stationär? Erlaubt die Symptomatik eine        nen den Schmerz auslösen werden (z. B.         opioidrefraktär).
Diagnostik (schmerzhaftes Liegen auf           Mobilisation zur Toilette, Pflegemaßnah-
harter Unterlage) oder bedarf es zuvor ei-     men, Diagnostik oder Verbandswechsel),         Nichtsteroidale Antirheumatika – NSAR
ner angepassten Analgetika-Einstellung         muss in angemessenem zeitlichem Ab-            (Ibuprofen oder Diclofenac) sind die Do-
inklusive einer Bedarfsmedikation?             stand zuvor die Bedarfsmedikation einge-       mäne der knöchernen oder entzündlich
                                               nommen bzw. angewendet werden (na-             verursachten Schmerzen. Die Tagesmaxi-
Schulung der Patienten                         sal, oral oder parenteral), damit ein erhöh-   maldosen sind zu beachten (Ibuprofen 3 x
                                               ter Wirkspiegel den Schmerz ausreichend        800 mg, Diclofenac 2 x 75 mg pro Tag).
Das vereinbarte Ziel der Schmerztherapie       kupiert.                                       Das ulzerogene Risiko kann mit Säureblo-
sollte die Schmerzreduktion auf ein für die                                                   ckern verringert werden. Ein Magenge-
Patienten erträgliches Maß sein, nicht         Arzneimittel                                   schwür in der Anamnese verbietet den
Schmerzfreiheit!                                                                              Einsatz, ebenso eine fortgeschrittene Nie-
Grundsätzlich erfolgt die Einnahme der         Die Anwendung der verschiedenen Anal-          ren- oder Herzinsuffizienz. Die Applikati-
Analgetika regelmäßig („by the clock“),        getika erfolgt nach dem dreistufigen           on erfolgt ausschließlich oral (inklusive
damit der Schmerz erst gar nicht wieder        WHO-Stufenschema. Die aktuelle S3-Leit-        enteral via PEG als Saft/Sirup) oder als
auftritt bzw. unerträglich wird, und nicht     linie verzichtet auf Stufe 2 und nennt         Suppositorium mit den gleichen Ein-

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schränkungen der Akzeptanz wie bei No-          konnte bei äquipotenter Dosierung zwi-         renteral wird mit dem Faktor 2:1 (s.c.) bis
vaminsulfon.                                    schen den gebräuchlichsten Opioiden –          3:1 (intravenös, i.v.) gerechnet (i.v. drei-
                                                Morphin, Oxycodon und Hydromorphon             fach wirksamer als oral).
Paracetamol ist die analgetisch schwächer       – kein Unterschied festgestellt werden.
wirksame Alternative zu Novaminsulfon.          Das mögliche Nebenwirkungsspektrum             Oxycodon hat die 1,5-fache bis zweifache
Die Tagesmaximaldosis beträgt 6 g, üblich       und die Art der Applikation sollen den un-     Wirksamkeit von Morphin. Die Retardtab-
sind 4 x 1 g oral (Tabletten, Saft). Eine pa-   terschiedlichen Einsatz begründen. Bei         letten sollen zwölf Stunden Wirksamkeit
renterale Applikation soll intravenös           Organinsuffizienz (Leber und/oder Niere)       haben. Eine nicht retardierte Lösung
schnell erfolgen („im Schuss“), sonst ver-      sind Hydromorphon oder Fentanyl zu be-         (10 mg = 1 ml) ist verfügbar. Die fixe
ringert der hepatische Abbau die Analge-        vorzugen, bei Morphin kumulieren aktive        Kombination Oxycodon/Naloxon wird be-
sie. Die Wirksamkeit ist nur analgetisch        Metabolite im Liquor.                          worben mit verringerter Obstipation. Die
und antipyretisch, die antiphlogistische        Der Start einer Opiodtherapie Stufe 3 be-      Kombination verhindert eine Dosissteige-
Wirkung der NSAR und die spasmolyti-            ginnt mit der kleinsten Dosiseinheit. Sie      rung über 160 mg Oxycodon/Tag. Der
sche Wirkung von Novaminsulfon fehlen.          kann aus nicht retardierter oder aus der       Bedarf an Laxantien ist erfahrungsgemäß
Ein fortgeschrittener Leberparenchym-           Kombination eines Retardpräparates und         nur unwesentlich verringert. Der Abbau
schaden ist eine Kontraindikation für den       einer nicht retardierten Darreichungsform      erfolgt hepatisch, auf die Interaktion mit
Einsatz.                                        bestehen. Die Kombination empfiehlt sich       Betablockern (hemmen den Abbau) ist zu
                                                zum raschen Erreichen der Wirkspiegel und      achten.
Tilidin/Naloxon und Tramadol werden im          erhöhter Compliance (weniger Applikatio-
WHO-Schema als „Stufe 2“ bezeichnet:            nen). Werden nur Retardpräparate verord-       Hydromorphon ist fünf- bis achtmal wirk-
schwach wirksame Opioide. Zur Verord-           net, dauert es 24 bis 48 Stunden, bis der      samer als Morphin. Es ist in Retardtablet-
nung der Retardpräparate wird kein Be-          endgültige Wirkspiegel erreicht ist. Mit der   ten ab 2 mg aufwärts bis 24 mg verfügbar,
täubungsmittel-Rezept (BtM-Rezept) be-          nicht retardierten Form können Patienten       nicht retardiert in 1,3 und 2,6 mg Tablet-
nötigt. Wegen des Missbrauchspotenzials         selbstständig das Defizit in der analgeti-     ten, parenteral von 2 bis 100 mg Ampul-
fällt die nicht retardierte Form von Tilidin/   schen Wirkung ausgleichen. Die Einzeldosis     len. Der Vorteil bei Hydromorphon ist die
Naloxon (Tropfen) seit dem 1. Janu-             dieser Präparation sollte 1/6 der Tagesdo-     bessere Einsatzmöglichkeit bei Leber- und
ar 2013 unter die Betäubungsmittel-Ver-         sis sein. Ist nach 48 Stunden immer noch       Niereninsuffizienz. Die große Spannweite
schreibungsverordnung (BtMVV).                  eine regelmäßige Einnahme der nicht re-        der Dosierungen sei als Hinweis zu verste-
Laut Leitlinie sind Tilidin/Naloxon und         tardierten Form notwendig, ist die Dosis       hen auf die große therapeutische Breite
Tramadol für den Einsatz bei „mittleren“        der Retardform entsprechend der addier-        der Opioide.
Tumorschmerzen vorgesehen. Auf Grund            ten Menge der nicht retardierten Form zu
ihrer Nebenwirkungen (Übelkeit, Obstipa-        erhöhen (Patienten sollen die Anzahl der       Levomethadon ist ca. zwei- bis viermal
tion, zentralnervöse Nebenwirkungen)            eingenommenen Dosen dokumentieren).            potenter als Morphin. Es ist in Tropfen-
und fehlender Möglichkeit der Dosisstei-        Als ein klassisches Beispiel sei Mophin in     und Tablettenform verfügbar, die Dosis
gerung (Tagesdosis maximal 400 mg bei           verschiedenen Wirkstärken (Tabletten           wird langsam über Tage gesteigert. Es hat
Tramadol, 600 mg bei Tilidin/Naloxon)           von 10 bis 200 mg aufwärts, Einnahme al-       Vorteile bei neuropathischen Schmerzen.
sind sie für die Tumorschmerztherapie           le zwölf Stunden) in Kombination mit           Wegen seiner speziellen Pharmakologie
weniger geeignet. Bei progredienter             Morphinlösung 2 % (0,5 ml = 10 mg –            (Fast- and Slow-Metabolizer) soll es nur
Grunderkrankung ist mit einer Zunahme           1 Tropfen = 1 mg) genannt. Mit einem           durch erfahrene Schmerztherapeuten ein-
der Symptomlast zu rechnen und damit            Wirkungseintritt der Tropfen ist nach 30       gesetzt werden.
eine Dosisanpassung fällig. Die Stufe 2         Minuten zu rechnen.
darf übersprungen werden.                       Ist bei schwersten Schmerzzuständen ei-        Die Matrixpflaster mit Buprenorphin oder
                                                ne sofortige Linderung erforderlich, soll      Fentanyl haben ihre Domäne bei stabilem
Morphin, Oxycodon, Hydromorphon, Fen-           Morphin subkutan (s.c.) gegeben wer-           Schmerzverlauf, bei Schluckunfähigkeit,
tanyl, Buprenorphin und Levomethadon            den. Mit einer deutlichen Schmerzerleich-      gastrointestinaler Malabsorbtion oder
sind die in Deutschland gebräuchlichsten        terung ist nach zehn Minuten zu rechnen.       „Vergesslichkeit“ der Patienten durch Re-
stark wirksamen Opioide der Stufe 3 und         Die rascheste Schmerzlinderung ist mit         duktion der Tablettenzahl. Die Umrech-
werden über BtM-Rezept verordnet.               einer kontinuierlichen intravenösen (al-       nung für Fentanyl zu Morphin beträgt
Grundsätzlich gibt es für jedes dieser          ternativ kontinuierlich s.c.) Therapie zu      1:100 (siehe auch Packungsbeilage Fenta-
Opioide keine Obergrenze in der Dosie-          erzielen – eine regelmäßige Dosisanpas-        nylpflaster [2]).
rung (Ausnahme: Buprenorphin). Sie sind         sung vorausgesetzt. Dieses Vorgehen ist        Fentanyl wird von 12 μg/h bis 150 μg/h
für den Einsatz bei schweren Tumor-             auf Palliativstationen üblich. Im ambulan-     als Drei-Tage-Pflaster rezeptiert, Steige-
schmerzen sowohl allein als auch in Kom-        ten Bereich kann dies durch ein Palliativ-     rungen sind sinnvoll bis 300 μg/h. Der
bination mit Stufe-1-Analgetika bestens         team (24-Stunden/sieben Tage die Wo-           Nachteil liegt in dem extrem langsamen
geeignet.                                       che kontaktierbar) bewerkstelligt wer-         An- und Abfluten des Wirkspiegels: Bei
Bezüglich der analgetischen Wirkung             den. Bei der Umrechnung von oral auf pa-       Ersteinstellung oder Dosisänderung ist

                                                                                                      Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 81
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der Wirkspiegel frühestens nach 24 Stun-      von Buprenorphin haben bei Tumor-               fürchtete Atemdepression spielt deutlich
den erreicht. Bei Umstellung von oral auf     schmerzen keine Indikation.                     seltener eine Rolle. Ausnahmen sind End-
Pflaster soll daher die bisherige Opioidga-                                                   zustände einer fortgeschrittenen COPD
be in den ersten zwölf Stunden unverän-       Tapentadol ist zugelassen für die Behand-       mit CO2-Retention oder neurodegenerati-
dert fortgesetzt werden. Falls die Patien-    lung chronischer schwerer Schmerzen.            ve Erkrankungen (ALS) mit reduziertem
ten am dritten Applikationstag vermehrt       Studien zur Tumorschmerztherapie liegen         Atemantrieb. Hier kann das eingesetzte
über Schmerzen klagen als Indiz für eine      bisher nicht vor. Laut Leitlinie gibt es kei-   Opioid in Kombination mit O2-Gabe (per-
verringerte Abgabe aus der Matrix, ist das    ne Empfehlung zum Einsatz in der Tumor-         sönliche Erfahrung) eine CO2-Narkose mit
Intervall auf 48 Stunden zu verkürzen, der    schmerztherapie. Ebenso wird auf den            fatalen Folgen auslösen – insbesondere
Pflasterhersteller zu wechseln (verschie-     Einsatz der verschiedenen Cannabisprä-          die transdermalen Systeme: Das Opioid
dene Beladung der Matrixsysteme mit           parate hier nicht eingegangen (vgl. Artikel     wird auch bei anhaltender Bewusstlosig-
Fentanyl) oder die Pflasterdosis generell     in AVP 1/2018 [3]).                             keit weiter resorbiert! Die Indikation von
zu erhöhen. Beim Aufkleben ist auf intak-                                                     Opioiden bei derartigen Krankheitszu-
te, möglichst faltenfreie Haut (oberer Rü-    Durchbruchschmerzen                             ständen ist streng zu stellen bzw. es sind
cken- oder Brustbereich) zu achten. Die                                                       kleinste Dosierungen anzusetzen mit häu-
Ränder des Pflasters müssen umlaufend         Bei Durchbruchschmerzen hat sich neben          figen Kontrollen.
fest angedrückt werden. Teilweise abge-       der parenteralen Gabe eines Opioids der         Der Einsatz der Opioide erfordert eine
löste Pflaster (verringerte Kontaktfläche)    Stufe 3 (zum Beispiel als Bolusgabe bei         adjuvante Medikation zur Behandlung der
sind gänzlich zu erneuern. Kachexie redu-     laufender Morphinmedikation durch eine          Nebenwirkung: Bei Übelkeit hat sich nied-
ziert die Resorption und damit die Wirk-      Pumpe oder als s.c.-Applikation) Fentanyl       rig dosiert Haloperidol (3 x 5 Tropfen, al-
samkeit. Wärme (Fieber oder Wärmfla-          als Nasenspray in angepasster Dosis seit        ternativ Metoclopramid bis 3 x 10 mg)
sche) erhöht die Resorption, dabei ist        über zehn Jahren sehr bewährt. Die Be-          vor der Nahrungsaufnahme in den ersten
vermehrt mit Nebenwirkungen zu rech-          rechnung der Dosis des Bedarfes richtet         Tagen bewährt. Bei Obstipation müssen
nen. Wegen der stabileren Freisetzung         sich nach der Pflasterstärke des Fentanyls:     Laxanzien wie Macrogol mit reichlich Flüs-
und Gefahr der Überdosierung bei Pflas-       Empfohlen wird die Zwei- bis Vier-Stun-         sigkeit eingenommen werden, ergänzend/
terverletzung sollen nur noch Matrix-         dendosis des aufgeklebten Pflasters als         alternativ können Bisacodyl-Tropfen ein-
pflaster und keine Reservoirpflaster ver-     Spraydosis, um eine ausreichende Erhö-          gesetzt werden. Lactulose-Sirup ist zwar
ordnet werden. Als kurzwirksame Be-           hung des Wirkspiegels zu erzielen. Bei-         preiswerter in der Verordnung, verursacht
darfsmedikation stehen bukkal anzuwen-        spiel: Ein 25 μg/h Fentanylpflaster erfor-      aber häufig Blähungen.
dende Schmelztabletten 100 bis 1.600 μg       dert einen 50 μg/Hub Nasenspray, bei un-        Bei mehrtägiger Obstipation sind rektale
oder Nasensprays in verschiedenen For-        zureichender Wirkung Wiederholung die-          Systeme (Suppositorien, Klysmen, Einläu-
men zur Verfügung. Der hohe Preis limi-       ser Dosis in die gegenseitige Nasenöff-         fe) zusätzlich notwendig. Als Ultimo ratio
tiert ihren Einsatz: die Einzeldosis kostet   nung nach zehn Minuten. Eine Schulung           steht der periphere Opioidrezeptoranta-
um 10 €. Da Fentanyl keinem Patent-           der Patienten (und Angehörigen!) über           gonist Naltrexon parenteral zur Verfü-
schutz unterliegt, haben sich als Indivi-     die richtige Anwendung (Flasche senk-           gung. Die Kontraindikationen von Naltre-
dualrezeptur hergestellte Nasensprays         recht halten und nicht waagerecht, Pum-         xon (Peritonealkarzinose, Divertikulose
(von 25 bis 400 μg/Hub) etabliert, die        penstempel vollständig herunterdrücken)         wegen möglicher Perforation) sind zu be-
von ausgewählten Apotheken mit ent-           mit Demonstration ist erforderlich [4]. Bei     achten. Bei Opioidmedikation ist die Ver-
sprechender Ausrüstung hergestellt wer-       Erhöhung der Pflasterdosis ist das Nasen-       ordnung von Laxanzien eine Kassenleis-
den.                                          spray anzupassen.                               tung (Vermerk auf dem Rezept). Eine
                                              Bei Individualrezepturen, aber auch bei         Kombination von Laxantien mit verschie-
Buprenorphin steht für die Therapie von       den Fertigarzneimitteln, ist große Vor-         denen Wirkprinzipien ist sinnvoller als die
Tumorschmerzen in Pflasterstärken von         sicht wegen Verwechslungsgefahr mit an-         Maximaldosis einer Einzelsubstanz.
35 oder 52,5 oder 70 μg/h alle vier Tage      deren Nasensprays geboten.                      Bei mechanischem Ileus sind Laxanzien
zur Verfügung. Die Umrechnung zu Mor-                                                         kontraindiziert und alternative Therapien
phin beträgt 1:75 bezogen auf die Tages-      Nebenwirkungen                                  einzuleiten. Dies betrifft auch die Analge-
dosis. Im Unterschied zu den anderen          der Opioidtherapie                              tika, die umgehend von oral (unsichere
Opioiden ist es ein partieller μ-Rezeptor-                                                    bzw. fehlende Resorption) auf parenteral
antagonist: In geringeren Dosen wirkt es      Die häufigsten Nebenwirkungen der               umzustellen sind (allenfalls noch Supposi-
analgetisch, in höheren Dosen mehr anta-      Opioide sind Übelkeit (passager in den          torien möglich).
gonistisch am k-Opiodrezeptor (Ceiling-       ersten Tagen der Einnahme), Obstipation         ZNS-Nebenwirkungen durch Opioide rei-
Effekt). Eine Dosierung über 140 μg/h ist     (anhaltend während der gesamten Thera-          chen von leichter Benommenheit bis zu
daher obsolet. Als Bedarfsmedikament          piedauer), Müdigkeit, seltener Harnver-         massiver Sedierung. Bei schweren Neben-
stehen nicht retardierte Sublingualtablet-    halt bei Männern (multifaktoriell: körper-      wirkungen wie Halluzination und Delir ist
ten in 0,2 und 0,4 mg zur Verfügung. Die      liche Schwäche, Unmöglichkeit der Mikti-        die Einnahme umgehend zu pausieren.
niedrig dosierten Sieben-Tage-Pflaster        on im Stehen) und Verwirrtheit. Die ge-         Nach Abklingen der Symptome kann nach

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einem Opioidwechsel ein erneuter Thera-         sich durch einen Wechsel des Opioids auf     Sollte auch die kontinuierliche parenterale
pieversuch in reduzierter Dosis unternom-       Hydromorphon oder Fentanyl zumindest         Opioidgabe (Morphin oder Hydromor-
men werden. Eine leichte Sedierung ist in       reduzieren. Wenn trotz unzureichender        phon) nicht zu einer ausreichenden
der fortgeschrittenen Palliativsituation        Analgesie die Nebenwirkungen des einge-      Schmerzkontrolle führen oder zu starke
eher vorteilhaft.                               setzten Opioids eine Dosissteigerung ver-    Nebenwirkungen verursachen, kann die
Wegen der ZNS-Nebenwirkungen sind Pa-           bieten, empfiehlt sich der Wechsel von ei-   Morphin-Applikation in einzelnen Fällen
tienten auf eingeschränkte Fahrtüchtig-         nem Opioid der Stufe 3 auf ein anderes.      mittels Peridural- oder Spinalkatheter in
keit (bei stabiler Opioidmedikation) bzw.       Umrechnungstabellen erleichtern den          Kombination mit Clonidin (Off-Label-Use
Fahruntüchtigkeit bei wechselnder Opio-         Wechsel (vgl. [5]). Die Dosis des neuen      [6]) und einem Lokalanästhetikum erfol-
idmedikation (Einsatz der Bedarfsmedika-        Opioids soll verringert sein, wenn die Ne-   gen. Dies erfordert die entsprechende
mente) hinzuweisen – dies ist in den Un-        benwirkung Grund des Wechsels ist. Die       fachliche Expertise und ein stationäres
terlagen zu dokumentieren.                      Dosis kann äquivalent sein, wenn wegen       Setting. Der Vorteil ist die Verringerung
Die bei hoher Dosierung häufiger auftre-        ungenügender Wirkung gewechselt wird         der Opioiddosis um den Faktor 100. Auf
tenden Myoklonien unter Morphin lassen          (vgl. Tabelle 1).                            die lokale Schmerztherapie mittels Blo-

 Tabelle 1: Morphinäquivalenzdosen

 Opiod                                      Umrechnungs-          Fachinformation
                                            faktor laut
                                            LONTS1/NHS2

 Morphin oral retardiert/unretardiert       1

 Fentanyl TTS                               1 : 100               Der Hersteller empfiehlt eine Konversion 1 : 150 bei Opiodrotation
                                                                  und instabilen Patienten
                                                                  bzw. 1 : 100 bei stabilen Patienten (a & c)

 Buprenorphin TTS                           1 : 75                Die relative Potenz von Buprenorphin in unterschiedlichen
                                                                  Darreichungsformen und verschiedenen klinischen Situationen ist
                                                                  in der Literatur wie folgt beschrieben worden (b & c):
                                                                  Morphin peroral : Buprenorphin intramuskulär als 1 : 67–1 : 150
                                                                  (einmaliges Akutschmerzmodell)
                                                                  Morphin peroral : Buprenorphin sublingual als 1 : 60–100
                                                                  (Einmalgabe, Akutschmerzmodell, Mehrfachgabe, chronischer
                                                                  Schmerz, Tumorschmerz)
                                                                  Morphin peroral : Buprenorphin transdermal als 1 : 75–115 (Mehr-
                                                                  fachgabe, chronische Schmerzen)

 Buprenorphin sublingual                    1 : 80                Bisher wurden keine Studien zu Äquivalenzdosen zu Morphin publi-
                                                                  ziert. Entsprechend liegen keine Angaben von den Herstellern vor.

 Hydromorphon oral retardiert/              1 : 5–7,5             Hersteller empfehlen eine Äquivalenzdosis zu oralem Morphin von
 unretardiert                                                     1: 5–10 (c)

 Oxycodon oral retardiert/                  1:2                   In Fachinformation keine Angaben zu Äquivalenzdosen       (c)
 unretardiert

 Tilidin oral retardiert                    10 : 1                In Fachinformation keine Angaben zu Äquivalenzdosen       (c)

 Tramadol oral retardiert/unretardiert      10 : 1                Hersteller empfehlen eine Äquivalenzdosis von 10–7:1

 Tapentadol oral                            2,5 : 1               Laut Fachinformation keine Angaben zu Äquivalenzdosen        (c)

 (a) Fachinformation Fentanyl AL TTS Matrixpflaster – Kurzlink: https://tinyurl.com/mvszekyf/ (06.11.22)
 (b) Fachinformation transdermales Pflaster – Kurzlink https://tinyurl.com/35u56dbd/ (Zugriff: 06.11.2022)
 (c) https://www.schmerzgesellschaft.de → LONTS → Opioidrotation – Kurzlink: https://tinyurl.com/2p8utfnu/
 Umrechnungstabelle für Opioide siehe www.palliativnetz-brv.de → für Ärzte – Kurzlink: https://tinyurl.com/ys4nknzc/

 Abkürzungen: LONTS: Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen; NHS: National Health Service.

                                                                                                   Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 83
Fort- und Weiterbildung

ckade (Plexus oder Truncus coeliacus)          heits- (bzw. Lebens-)lauf limitiert ist, der   ter auch 7,5 mg). Mit dem Einsetzen der
wird hier nicht weiter eingegangen.            Nutzen durch die ausreichende Analgesie        antidepressiven Wirkung ist frühestens
Eine Alternative in der Finalsituation des     (= Lebensqualität) überwiegt diesen            nach einer Woche zu rechnen. Liegt eine
Krankheitsverlaufes ist die sogenannte         Nachteil bei Weitem.                           Antriebsschwäche vor, kann ein Therapie-
palliative Sedierung: Mittels kontinuierli-                                                   versuch mit Citalopram 10 mg morgens
cher Midazolam- oder Propofol-Gabe wird        Co-Analgetika                                  begonnen werden. Bei allen Antidepressi-
unter Fortführung der parenteralen Anal-                                                      va sind die Kontraindikationen zu beach-
getikatherapie das Bewusstsein soweit ge-      Bei starken neuropathischen Schmerzen          ten. Bei allen depressiven Patienten soll
dämpft, dass der Zustand vom Patienten         (elektrisierend, einschießend, verbunden       zusätzlich nach Suizidgedanken gefragt
als subjektiv erträglich eingestuft wird.      mit Taubheitsgefühl bei Belastung) helfen      werden, um rechtzeitig intervenieren zu
Informationen siehe unter:                     Antikonvulsiva wie Gabapentin (Start mit       können. Die Beteiligung eines Facharztes
https://www.palliativmedizin.uk-erlan          300 mg/Tag, max. 3600 mg/Tag verteilt          für Psychiatrie/Psychotherapie ist wün-
gen.de/forschung/downloads/dokumen             über Einzeldosen) oder Pregabalin (Start       schenswert, wenn die Behandlungsdauer
tationsvorlagen-palliative-sedierung/;         25 bis 75 mg zur Nacht, max. 600 mg/           es erlaubt.
Kurzlink: https://tinyurl.com/58evhddp/        Tag verteilt auf mehrere Gaben), den
sowie Leitlinienprogramm Onkologie             Schmerz zu reduzieren. Weil die Medika-        Bei vielen Patienten bestehen schmerzbe-
(S3-Leitlinie Palliativmedizin, Version 2.0,   mente Müdigkeit als Nebenwirkung ha-           dingte Schlafstörungen. Benzodiazepine
August 2019: Kapitel 18 Seite 411–463          ben, kann die erste Dosis vorzugsweise         vom Typ Lorazepam (0,5 bis 2,5 mg) sind
Todeswünsche bis Kapitel 18.4 Umgang           abends eingenommen werden. Dosisstei-          eine wirksame Ergänzung zur Analgetika-
mit Patienten mit Todeswunsch).                gerungen haben langsam über Tage zu er-        Einnahme. Lorazepam-Schmelztabletten
                                               folgen, in der Regel wird nicht die Maxi-      können auch bei Schluckschwierigkeiten
  Die palliative Sedierung ist eine akzep-     maldosis benötigt. Die niedrigste wirksa-      eingenommen werden. Das Gewöhnungs-
  table Alternative zum gelegentlich           me (oder tolerierte) Dosis ist die Erhal-      und Suchtpotenzial ist abzuwägen gegen
  vom Patient gewünschten assistierten         tungsdosis. Ein abruptes Absetzen nach         die Verbesserung der Qualität der verblei-
  Suizid – eine Begleitung im Sterben,         längerer Einnahme ist zu vermeiden we-         benden Lebensspanne.
  nicht zum Sterben.                           gen Entzugssymptomen bzw. Entzugs-
                                               krämpfen. Pregabalin wirkt auch bei gene-      Bei ausgeprägten viszeralen spastischen
Alle Opioide können bei prädisponierten        ralisierter Angststörung [7]. Bei nächtli-     Schmerzen kann Butylscopolamin paren-
Patienten zu psychischer Abhängigkeit          chen brennenden Ruheschmerzen helfen           teral kontinuierlich oder als Kurzinfusion
führen mit der Neigung der häufigen Ein-       Antidepressiva vom Typ Amitriptylin, Be-       appliziert werden. Die orale Gabe ist we-
nahme und Dosissteigerung. Besonders           ginn mit 25 bis 50 mg. In der Regel sind       gen mangelnder Resorption so gut wie
die rasch anflutenden Präparate (Fentanyl      75 mg zur Nacht ausreichend, insbeson-         unwirksam. Die anticholinerge Nebenwir-
nasal appliziert; Oxycodon) haben eine         dere bei älteren Patienten. Bei den komor-     kung mit der Verringerung der Sekretion
euphorisierende Begleitwirkung. Die im         biden Patienten sind die Kontraindikatio-      (Mund und Bronchien) wird in der Sterbe-
ambulanten Setting eingesetzten Mor-           nen (kardial, hepatisch, Harnretention) zu     phase zur Verringerung des ausgeprägten
phinpumpen haben den Komfort einer             beachten. Eine Alternative bei neuropathi-     Trachealrasselns genutzt. Auf die Neben-
Bolustaste. Um eine versehentliche repe-       schem Schmerz ist die Gabe von Levome-         wirkung bezüglich erhöhten Augeninnen-
titive Auslösung dieser Funktion und da-       thadon (siehe oben).                           drucks ist zu achten.
mit eine Überdosierung zu verhindern,
wird eine „Sperrzeit“ eingestellt – abhän-     Bis zu einem Drittel der Tumorpatienten        Bei Knochenschmerzen ist bei ausgepräg-
gig von der Schmerzdynamik und der Hö-         leidet unter einer behandlungsbedürfti-        tem Knochenödem um die Metastasen
he der Dosis des Bolus: mindestens 20 Mi-      gen Depression. Ohne Antidepressiva            Dexamethason als abschwellendes Medi-
nuten.                                         führt die alleinige Schmerztherapie nicht      kament wirksam (Vorsicht bei Kombinati-
Die in Deutschland restriktive Verordnung      zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.         on mit NSAR: ulzerogenes Risiko verviel-
durch die BtMVV ist ein gewisser Schutz        Wenn Schlafstörungen und Appetitman-           facht!).
vor unkontrollierter Dosissteigerung. Bei      gel als häufige Begleiterscheinung zusätz-
längerer Einnahme von höheren Dosen            lich vorliegen, empfiehlt sich die Verord-     Bei zu erwartender mehrmonatiger
entsteht bei allen Patienten eine körperli-    nung von Mirtazapin. Die Aufklärung über       Schmerztherapie der Knochenmetastasen
che Abhängigkeit. Ein abruptes Absetzen        den Einsatz dieses Medikamentes soll           ist neben einer Kausaltherapie (OP und/
insbesondere hoher Dosen muss daher            auch über die „erwünschten“ Nebenwir-          oder Bestrahlung) der Einsatz der soge-
vermieden werden, andernfalls ist mit          kungen erfolgen. Werden Appetitsteige-         nannten Bisphosphonate auch als Co-
Entzugssymptomen (Herzrasen, Schwit-           rung, guter Schlaf sowie Stimmungsver-         Analgetika zu erwägen. Neben den intra-
zen, Dysphorie) zu rechnen. Die gefürch-       besserung genannt, erhöht sich die Ak-         venös zu applizierenden Bisphosphonaten
tete psychische Abhängigkeit stellt in der     zeptanz zur Einnahme durch die Palliativ-      Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat
fortgeschrittenen Palliativsituation kein      patienten. Einstiegsdosis sind 15 mg zur       steht der s. c. zu applizierende humane
eigentliches Problem dar, da der Krank-        Nacht (bei Untergewicht und höherem Al-        monoklonale IgG2-Antikörper Denosu-

84 | Hessisches Ärzteblatt 2/2023
Fort- und Weiterbildung

                                                                                              oder eine laufende nicht fortgesetzt oder
 Multiple Choice-Fragen                                                                       aktiv beendet wird.
                                                                                              Durch Therapiezieländerung tritt die Pal-
 Die Multiple Choice-Fragen zu dem Arti-       nuar 2023 bis 24. Juli 2023 möglich. Die       liation in den Vordergrund. Sie bedarf ei-
 kel „Schmerztherapie bei Tumorpatien-         Fortbildung ist mit zwei Punkten zertifi-      ner ausführlichen Absprache mit Mitbe-
 ten in der (fortgeschrittenen) Palliativsi-   ziert. Mit Absenden des Fragebogens            handelnden, Angehörigen und den Patien-
 tuation“ von Dr. med. Andreas Rost fin-       bestätigen Sie, dass Sie dieses CME-Mo-        ten. Eine effektive Symptomkontrolle im
 den Sie hier abgedruckt und im Mitglie-       dul nicht bereits an anderer Stelle absol-     Sterbeprozess kann als unbeabsichtigte
 der-Portal (https://portal.laekh.de) so-      viert haben. Dieser Artikel hat ein Peer-      (!) Nebenwirkung eine Lebensverkürzung
 wie auf den Online-Seiten des Hessi-          Review-Verfahren durchlaufen. Nach             zur Folge haben (früher „indirekte Sterbe-
 schen Ärzteblattes (www.laekh.de). Die        Angaben des Autors sind die Inhalte des        hilfe“). Sie ist straflos, wenn sie medizi-
 Teilnahme zur Erlangung von Fortbil-          Artikels produkt- und/oder dienstleis-         nisch indiziert ist, ein entsprechender Pa-
 dungspunkten ist ausschließlich online        tungsneutral, es bestehen keine Interes-       tientenwille und keine Tötungsabsichten
 über das Mitglieder-Portal vom 25. Ja-        senkonflikte.                                  vorliegen.

                                                                                              Fazit für die Praxis
mab gegen den RANK-Ligand zur Verfü-           wegen der langen Wirkdauer ausreichend
gung. Vor Beginn ist zahnärztlich ein ent-     – und verringert die Schlafstörungen.          Schmerzen bei Tumorpatienten in der
zündlicher Fokus im Gebissbereich auszu-                                                      Palliativsituation effektiv zu behandeln,
schließen (Cave: Kieferosteonekrose). Die      Ethische Aspekte                               setzt neben Kenntnissen der Pharmako-
parenterale Gabe der Bisphosphonate alle       der Palliativbehandlung                        logie der eingesetzten Arzneimittel und
drei bis vier Wochen ist der oralen Gabe                                                      möglichst wenig invasiver Abklärung der
wegen der Umständlichkeit der Einnah-          Eine abschließende ethische und juristi-       Ursachen des Schmerzes auch das ein-
me, der geringen Resorptionsquote und          sche Reflexion zur Überlegung von er-          fühlsame Eingehen auf Wünsche und Sor-
dem regelmäßigen Patientenkontakt (ge-         wünschter Wirkung und möglicher Ne-            gen der Patienten und deren Angehöri-
gebenenfalls in Kooperation mit dem be-        benwirkung ist unter [8] nachzulesen.          gen voraus.
handelnden Onkologen) zu bevorzugen.           Eine elementare ärztliche/pflegerische
Vor der Gabe sollen der Kalziumspiegel         Aufgabe ist die Begleitung des Sterben-                   Dr. med.
kontrolliert, Kalzium und Vitamin D sub-       den: lindernde Betreuung der Symptome,                Andreas Rost

                                                                                                                                            Foto: Peter Habermehl
stituiert werden.                              Eingehen auf emotionale Not, Gewähren                Groß-Umstadt
                                               von menschlicher Nähe, Zeit für                            E-Mail:
Dexamethason ist als Co-Analgetikum bei        (non-)verbale Kommunikation. Rechtlich           rostmedv@web.de
Leberkapselspannungsschmerz        hoch-       ist der Arzt zur Hilfe im Sterben ver-
wirksam. Neben den bekannten uner-             pflichtet, auch wenn auf lebenserhalten-
wünschten Nebenwirkungen besitzt De-           de Maßnahmen verzichtet wurde. Eine            Palliativteam Frankfurt
xamethason das in der Palliativmedizin         unterlassene Schmerztherapie kann als          Geleitstraße 14 | 60599 Frankfurt
häufig erwünschte Potenzial der Appetit-       unterlassene Hilfeleistung gewertet wer-       E-Mail: info@palliativteam-frankfurt.de
steigerung, Antriebssteigerung und Stim-       den.
mungsverbesserung. Auf gegenteilige psy-       Eine Behandlungsbegrenzung (= Sterben-          Die Literaturhinweise finden sich auf
chische Nebenwirkungen (Schlafstörun-          lassen – früher „passive Sterbehilfe“) liegt    unserer Website www.laekh.de unter
gen, Albträume, Wahnvorstellungen) ist         vor, wenn eine lebenserhaltende Behand-         der Rubrik „Hessisches Ärzteblatt“.
der Patient zu befragen. Die morgendliche      lung wegen nicht (mehr) bestehender             Interessenkonflikte: Ein Interessen-
Einmalgabe der gesamten Tagesdosis ist         medizinischer Indikation nicht begonnen         konflikt wird vom Autor verneint.

                         Errata zum CME-Artikel HÄBL 01/2023
                         Tumordiagnostik beim Mammakarzinom
                         Im CME-Beitrag „Tumordiagnostik beim         Ferner ist auf S. 9 an zwei Stellen (erste
                         Mammakarzinom“ in Ausgabe 01/2023            und mittlere Spalte) die Rede von einer
                         muss auf S. 13 in der CME-Frage Nr. 10       „zweijährigen oralen Therapie“ mit Ola-
                         Antwortmöglichkeit 2      das     Wort       parib. Richtig muss es heißen „einjährige
                         „CDK4/5-Inhibitor“     durch    richtig      Therapie“. In der Online-Ausgabe und in
                         „CDK4/6-Inhibitor“ ersetzt werden.           der App ist alles korrigiert.        (red)

                                                                                                    Hessisches Ärzteblatt 2/2023 | 85
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