Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA: Digitalisierung und Schule
HLZ: IN EIGENER SACHE HLZ 1–2/2019 2 Zeitschrift der GEW Hessen HLZ: Ehrungen für langjährige Mitgliedschaft für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 Mit Inkrafttreten der Europäischen Da- Jahren Mitglied der GEW sind oder da- I M P R E S S U M tenschutzgrundverordnung haben wir vor einer anderen DGB-Gewerkschaft Herausgeber: zunächst die Ehrung langjähriger Mit- waren. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft glieder der GEW Hessen durch eine Landesverband Hessen Veröffentlichung in der HLZ ausge- Keine Veröffentlichung gewünscht? Zimmerweg 12 60325 Frankfurt/Main setzt. Dazu erreichten uns Briefe und Kolleginnen und Kollegen, die auf eine Telefon (0 69) 971 2930 Mails vieler Mitglieder, die sich bisher lange GEW-Mitgliedschaft von 40, 50 Fax (0 69) 97 12 93 93 über diese Rubrik in der HLZ gefreut oder 60 Jahren zurückblicken, können E-Mail: info@gew-hessen.de Homepage: www.gew-hessen.de haben, fanden sie dort doch immer einer Veröffentlichung ihres Namens in Verantwortlicher Redakteur: wieder die Namen von Kolleginnen der HLZ widersprechen. Wenn Sie Ih- Harald Freiling und Kollegen aus dem Studium, dem ren Namen dort nicht lesen wollen, tei- Klingenberger Str. 13 Referendariat oder dem gemeinsamen len Sie uns dies bitte einfach einma- 60599 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 636269 Berufsleben. lig in einem Brief oder einer Mail mit: E-Mail: freiling.hlz@t-online.de Der GEW-Landesvorstand hat nach • GEW Hessen, Mitgliederverwaltung, Mitarbeit: weiterer Prüfung beschlossen, diese Zimmerweg 12, 60325 Frankfurt Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- Ehrungen wieder zu veröffentlichen. • mitgliederverwaltung@gew-hess- schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung), Ab März 2019 (HLZ 3/2019) werden sen.de Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke wir wieder die Namen und den Wohn- Diesen Hinweis finden Sie zukünftig (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka- ort der Kolleginnen und Kollegen ver- auch in jeder Ausgabe der HLZ in der rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik öffentlichen, die seit 40, 50 oder 60 entsprechenden Rubrik. und Gewerkschaften) Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † Titelthema: Roman George, Harald Freiling Illustrationen: GEW-Beitragsquittung 2018 Traeger & Traeger (Titel, S. 9), Peter Baldus (S. 23), Thomas Plaßmann (S. 7), Dieter Tonn (S. 15, 27), Ruth Ullenboom (S. 4) Die nächste HLZ erscheint im März geklärt, wie die Beitragsquittung für Fotos, soweit nicht angegeben: GEW (S. 3, 24, 32, 35, 36, 38) 2019, dann mit einer Dokumentation 2018 den Mitgliedern zugesandt oder und Bewertung der Koalitionsverein- von diesen angefordert werden kann. Verlag: barung von CDU und GRÜNEN, die bei Aktuelle Informationen finden Sie in Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 Redaktionsschluss noch nicht vorlag. der E&W und auf der Startseite der 61348 Bad Homburg Im Februar wird der Bundeszeit- GEW-Homepage www.gew-hessen.de. Anzeigenverwaltung: schrift E&W das lea-Programmheft Unabhängig davon weisen wir da Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH beigelegt. GEW-Mitglieder sind es rauf hin, dass die Finanzämter auch Peter Vollrath-Kühne auch gewöhnt, dass sie im Heftum- die entsprechenden Kontoauszüge an- Postfach 19 44 61289 Bad Homburg schlag der Februar-Ausgabe der E&W erkennen, um den Mitgliedsbeitrag bei Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 die Beitragsquittung für das abgelau- den Werbungskosten absetzen zu kön- E-Mail: mlverlag@wsth.de fene Jahr finden. Dieses „Cover-Mai- nen. Erfüllungsort und Gerichtsstand: ling“ wurde von der Post gekündigt. Bad Homburg Bei Redaktionsschluss der vorlie- Harald Freiling, HLZ-Redakteur Bezugspreis: genden HLZ war noch nicht endgültig Ulrich Märtin, GEW-Geschäftsführer Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. Zuschriften: Aus dem Inhalt Rubriken 19-22 lea-Fortbildungsprogramm Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 4 Spot(t)light wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- Einzelbeiträge öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 5 Meldungen vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen 37 Recht: Kosten bei Klassenfahrten 24 TVH-Tarifrunde 2019 beginnt nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 38 Magazin 26 Lehrkräftemangel an Berufsschulen übereinstimmen. 27 Fach- und Personengruppen der Titelthema: Schule und Digitalisierung GEW: Fachgruppe Gesamtschulen Redaktionsschluss: 6 Digitale Ausstattung von Schulen 28 Neue Zahlen zur Verteilung der Jeweils am 5. des Vormonats 8 Ein hessenweites Schulportal? Vermögen in Deutschland 10 Datenschutz in Schulen 30 Nach der Landtagswahl: 12 Pro und Kontra: Computer in den Zum Bildungsverständnis der AfD Nachdruck: Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- Grundschulen 32 Gewerkschaften in der Türkei gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 14 Einfallstore für Konzerninteressen? 34 Vor 100 Jahren: Revolutionen in genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 16 Bildung im digitalen Kapitalismus Hessen und in Deutschland Genehmigung der Redaktion und des Verlages. 18 Fachtagung am 9. Februar 2019 36 Hochschulen: Befristete Verträge Druck: 23 Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH Frankfurt plant WLAN für Schulen 37 Aus der Personalratsarbeit Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 1–2/2019 zum Inhaltsverzeichnis KOMMENTAR Primat der Pädagogik Digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern gilt auch für die Gefahr, dass die Digitalindustrie und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie die Schulen mit Tests und Lernprogrammen flutet. spielen eine bedeutende Rolle in ihrer Entwicklung, In Zeiten, in denen gut und umfassend ausgebildete ihrer Kommunikation und ihrer Sozialisation. Die Lehrkräfte rar werden, könnten digitale „Selbstlern- Debatte um die Digitalisierung von Schulen setzt be- plattformen“ zu einem attraktiven politischen und reits in den Grundschulen an, um die Kinder früh an ökonomischen Betätigungsfeld werden. das informatische Denken heranzuführen. Haupt- Medienbildung hat aus GEW-Sicht auch die Auf- begründung ist immer wieder der drohende Fach- gabe, der sozial und kulturell bedingten unterschied- kräftemangel. Außerdem müssten junge Menschen lichen Mediennutzung und Bildungsbenachteiligung wissen, wie die neuen Medien funktionieren, da- entgegenzuwirken, zum Beispiel durch inklusive, mit sie digitale Anwendungen beurteilen und be- differenzierende oder materielle Maßnahmen und herrschen können. Programme. Digitales Lernen verschafft nicht per Dem kann man prinzipiell nicht widersprechen. se benachteiligten Schülerinnen und Schülern mehr Allerdings bietet eine einseitige Ausrichtung auf die Lernchancen. Gerade sie haben mit dem auf mehr von der Wirtschaft geforderten Kompetenzen ein Selbststeuerung setzenden digitalen Lernen Proble- Einfallstor für kommerzielle Interessen. Die GEW me, gerade sie sind auf den persönlichen Kontakt und fordert stattdessen eine umfassende, fächerüber- den Dialog mit den Lehrkräften angewiesen. greifende Medienbildung, die zu einer sinnvollen Digitale Medien sollten insbesondere die Metho- und verantwortungsvollen Nutzung digitaler Medi- denvielfalt, die Vielfalt der Lernzugänge, die Indivi- en führt und in das didaktische Gesamtkonzept des dualisierung von Lernprozessen sowie die zusätzli- Unterrichts und des jeweiligen Faches eingefügt ist. che Förderung von Lernenden mit Beeinträchtigungen Dabei dürfen die Themen Datenschutz, Datenmiss- unterstützen. Alle Bestrebungen, digitale Bildung als brauch, Cybermobbing und digitale Sucht nicht au- Einfallstor für die Kommerzialisierung von Bildung ßen vor bleiben. zu nutzen, sind dagegen entschlossen zurückzuwei- Die Digitalisierung wird unsere Lebens- und Ar- sen. Die GEW fordert eine sozial gerechte, öffentlich beitswelt tiefgreifend verändern. Arbeitsplätze wer- verantwortete, umfassende Medienbildung. den wegfallen und sich verändern, Kommunikati- Dafür müssen die notwendigen personellen und onsformen einem steten Wandel unterworfen sein. sächlichen Ressourcen bereitgestellt werden. Hier Schulen müssen mit digitalen Medien verantwor- sind Bund, Länder und kommunale Schulträger in der tungsvoll umgehen und sie verstärkt in den Unter- Pflicht. Der angekündigte „Digitalpakt“ darf nicht richt einbeziehen, um das Verantwortungsgefühl und am Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern die digitale Selbstbestimmung zu fördern. Dies be- scheitern. Statt Kirchturmspolitik brauchen wir mehr deutet, dass eine Sicht auf Bildung, die die jungen Zusammenarbeit für gute Gesamtkonzepte. Menschen zu nützlichen Rädchen im Getriebe einer digitalisierten Wirtschaft macht, abzuwehren ist. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits versucht, eine Strategie für die digitale Bildung zu entwickeln. Sie hat sich dabei deutlich für einen „Pri- mat der Pädagogik“, für eine fächerübergreifende und fächerverbindende Vermittlung von Medienbildung und für eine entsprechende Grundqualifikation aller Lehrkräfte in der Ausbildung ausgesprochen. Dies entspricht auch der Auffassung der GEW. Wichti- Ilka Hoffmann ge Aspekte wie die soziale Benachteiligung und die Ilka Hoffmann leitet Gefahr der Ökonomisierung der Bildung kommen in den Vorstandsbereich Bildung dem Strategiepapier der KMK allerdings zu kurz. Das im GEW-Hauptvorstand.
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 1–2/2019 4 Kinderpanzer halb auf dem Radweg und immer ent- gegen der Fahrtrichtung. So ein gro- ßes Auto zu wenden, muss Vati erst noch auf einem Truppenübungsplatz lernen. Auch andere Elterntaxis haben große Probleme beim Rangieren und Türenschlagen, Hupen, lautes Geschrei, Gefahren auf diesem endlosen Mara- Einparken. Und manchmal einen Auf- stampfende Musik direkt unterm Fens- thon lauern? Frustrierte Rentnerinnen kleber an der Rückscheibe: „Bruce-Sö- ter. Ich falle erschrocken aus dem Bett. mit Heckenscheren, die sich gegen Mo- ren an Bord“. Der Transport eines Kin- Dabei hat nur die Schule wieder ange- torenlärm und Gehupe zur Wehr set- des rechtfertigt jedes Fehlverhalten im fangen. Gegenüber befinden sich eine zen. Riesige Hunde mit Reißzähnen. Straßenverkehr… Grundschule, ein Kindergarten und ein Schwarze Männer. Wildschweinhorden, Im Internet finden sich zahlreiche Hort. So gut wie keins der armen Kin- Wölfe und Bären. Dann lieber doch mit Studien und Kontroversen zum The- der kann laufen. Sie werden deshalb dem SUV direkt vors Schultor fahren. ma SUV. Jede Menge freier Bürger, die im „Elterntaxi“ transportiert. Mittler- Die Anschaffung eines Kindes freie Fahrt fordern. Ein „Kenner“ be- weile ein fester Begriff bei Wikipedia. scheint heute unweigerlich mit der hauptet: Wenn der Staat seine Bürger Genauso wie der Begriff „Generation Anschaffung eines SUV verbunden zu so gängelt, müssen sie sich halt beim Rücksitz“. Die Elterntaxis verstopfen sein. Ich habe den Verdacht, dass man- Autofahren austoben. Und wer ande- morgens und nachmittags unsere klei- che Leute sich nur deshalb vermehren, ren den SUV nicht gönnt, ist einfach ne Straße. Sie versperren ungeniert die weil sie einen Vorwand brauchen, sich nur ein „Umweltnazi“, vom Sozialneid Ausfahrten und pflügen die Gehwege so ein Riesenauto zuzulegen. Einen Ge- zerfressen. Die SUV-Kritiker wehren auf. Keiner kann vor oder zurück. Statt ländepanzer, mit dem man spielend Sa- sich: Sie stellen boshafte Korrelatio- den Verstand oder den Rückwärtsgang vannen, Gletscherwüsten und Trocken- nen zwischen steigendem Übergewicht zu benutzen, wird gehupt, bis auch der wadis durchqueren kann, die es in jeder und SUV-Dichte in Deutschland her. letzte Anwohner wach ist. Und bis end- Großstadt reichlich gibt. Sie bezeichnen die Panzerfahrzeuge als lich jemand nachgibt und aus dem Weg In diesen Panzern werden die ei- „kulturell geförderte Selbstgerechtig- fährt. „Total loser“… genen Kinder wie Trophäen herumge- keit“, als reine Klimasünde, als Preis- Ist das eigene Kind samt Gepäck si- fahren. Samt Kindersitz, Kinderwagen, schild auf Rädern. Sie mokieren sich cher im Schulhafen gelandet, heulen Windelpaketen, Trockenmilchdosen, besonders über die SUV-Muttis, die gar die Motoren auf und die Gefährte don- Trampolins, Laufrädern, Rucksäcken nicht Auto fahren könnten. Überhaupt nern die Straße entlang. Falls ihnen und was Kinder noch so alles dringend bräuchten nur Förster, Feuerwehrleute niemand im Weg steht. Ob sie dabei an- brauchen. Das geht schließlich nicht und Berghüttenbesitzer so einen Ge- derer Leute Kinder gefährden oder ein mit einen Smart oder einem Boller- ländewagen mit dem Kraftstoffver- paar Eichhörnchen platt fahren, spielt wagen. Unsere Nachbarn haben zwei brauch eines Kleinlasters. Alle anderen keine Rolle. kleine Kinder und logischerweise zwei SUV-Besitzer würden nur von Impo- Dreihundert Meter weiter ist eine SUVs. Einen für Vati und einen für niergehabe und Selbstbezogenheit ge- breite, freie Straße. Viele Sportplätze Mutti. So ein Riesenauto passt weder trieben. Oder von einem Bedürfnis nach reihen sich aneinander. Gegenüber ruht in die 50er-Jahre-Garage noch auf die kokonartiger Geborgenheit. ein großer Friedhof. Hier stehen seit Auffahrt, es sei denn, man lässt das In Berlin haben sich Elterntaxis Monaten nur zwei Wohnwagen und ein Gartentor offenstehen und das Heck so rücksichtslos verhalten, dass eine Bootsanhänger rum. Hier könnte man des Geländewagens auf den Bürger- Schule in der Innenstadt die Schü- sein Kind samt Gepäck ungestört aus steig rausragen. Die Fußgänger schla- lerlotsen abgezogen hat, weil sie für dem Auto laden. Allerdings müssten gen gern einen ehrfürchtigen Bogen um deren Unversehrtheit nicht mehr ga- Torben und Emma dann dreihundert das teure Gefährt. Der zweite SUV der rantieren konnte. Der Senat hat das Meter zu Fuß gehen. Wer weiß, welche Nachbarn steht auf der Straße, immer Projekt „Tausendfüßler“ ins Leben ge- rufen. An übersichtlichen Stellen sollen die Kinder aus dem SUV gesetzt wer- den und dann gemeinsam zur Schule laufen. Eine Schule will sogar „Küss- chen-Haltestellen“ einrichten, damit sich alle Helikoptereltern ausdauernd und demonstrativ vom Nachwuchs ver- abschieden können, ohne andere Ver- kehrsteilnehmer zu gefährden. Mich korrumpiert es übrigens auch, dass man beim Besteigen eines SUV nur das Gesäß ein wenig eindrehen muss. Außerdem haben wir neuerdings eine Enkelin, die wir mit ihrem Spielzeug si- cher durch die Stadt kutschieren wol- len. Wir lassen gerade unsere Garage tiefer legen und vergrößern… Gabriele Frydrych
5 HLZ 1–2/2019 zum Inhaltsverzeichnis MELDUNGEN Tarif- und Besoldungsrunde GEW Hessen kritisiert das 9. Februar: Fachtagung startet am 1. Februar 2019 „Gute-Kita-Gesetz“ „Digitalisierung der Schule“ In den nächsten Tagen startet die Ta- Mitte Dezember verabschiedete der Der „Digitalisierung der Schulen“ wid- rifrunde 2019 für die Beschäftigten des Bundestag das Gesetz mit dem wohl met sich am Samstag, dem 9. Febru- Landes Hessen und der anderen Bun- klingenden Namen „Das Gute-Kita-Ge- ar 2019, eine gemeinsame Fachtagung desländer. Am 27. Januar wird in einer setz“. Für Dr. Isabel Carqueville, Re- und Diskussion von GEW, Landesel- ersten Runde mit den Vertreterinnen ferentin für Weiterbildung und Sozi- ternbeirat (LEB) und Landesschüler- und Vertretern der Tarifgemeinschaft alpädagogik bei der GEW Hessen, ist vertretung (LSV) im Bürgerhaus Gie- deutscher Länder (TdL) verhandelt. das Gesetz „eine Mogelpackung“, denn ßen-Kleinlinden. Ausgangspunkte sind Der Auftakt in Hessen, das als einziges auch für Hessen verringern sich die der angekündigte milliardenschwere Bundesland nicht Mitglied der TdL ist, Chancen für mehr Qualität an den Ki- „Digitalpakt“ zur Ausstattung der Schu- findet am 1. Februar in Wiesbaden statt. tas. Statt einer nachhaltigen und dau- len mit digitalen Medien, aber auch der Die Forderungen zur Tarifrunde 2019 erhaften Finanzierung durch den Bund, Streit über die Nutzung von Handys hatten die Gewerkschaften kurz vor wie sie in dem vielversprechenden Eck- im Unterricht und in den Pausen. LEB Weihnachten und damit nach Redak- punktepapier der Jugend- und Fami- und LSV drängen schon lange auf eine tionsschluss dieser HLZ beschlossen. lienministerien des Bundes und der bessere Ausstattung und eine intensi- • Einen ausführlichen Artikel findet man Länder 2017 gefordert wurde, sieht vere Vermittlung „digitaler Kompeten- in dieser HLZ auf Seite 24. Alle aktuellen der Gesetzesentwurf eine Begrenzung zen“. Sind die Lehrerinnen und Lehrer Informationen und Aktionstermine findet der Förderung auf das Jahr 2022 vor. fortbildungsresistente Bedenkenträger, man auf der Homepage der GEW www. Statt 5 Milliarden jährlich sollen nun wie dies in den Medien oft erscheint? gew-hessen.de. 5,5 Milliarden verteilt auf drei Jahre Ist die Digitalisierung ein Einfallstor reichen. Die versprochene Gebühren- für die Interessen der Digitalkonzerne? HLZ 3/2019: Was steht im freiheit sei, so die GEW Hessen, zwar Und wie garantiert Schule den erforder- Koalitionsvertrag? als ein „Pfeiler sozialer Familienpoli- lichen Schutz der Daten? Ein ausführ- tik“ wichtig, doch in einem Gesetz zur liches Programm findet man in dieser Bei Redaktionsschluss der vorliegen- Verbesserung der Qualität an den Kitas HLZ auf Seite 18 und im Internet unter den Ausgabe der HLZ 1-2/2019 stan- habe dies nichts verloren. www.gew-hessen.de. den die Koalitionsvereinbarungen von Entscheidender Mangel des Gesetzes CDU und GRÜNEN kurz vor dem Ab- sei die „bewusst schwammige“ Formu- schluss. Eine ausführliche Dokumenta- lierung, man wolle einen „guten Fach- Delegiertenversammlung tion sowie die Bewertungen durch die kraft-Kind-Schlüssel“. Damit schwin- der GEW Nordhessen GEW findet man in der Märzausgabe de auch für Hessen die Hoffnung auf Am Dienstag, dem 14. Mai 2019, findet der HLZ und vorab auf der Homepage vergleichbare und bundesweit gültige in der Stadthalle Melsungen die nächs- der GEW www.gew-hessen.de. Standards. te ordentliche Delegiertenversammlung des GEW-Bezirksverbands Nordhessen Gabriele Frydrych: Seit 20 Jahren in jeder HLZ statt. Die Versammlung beginnt um 10 Uhr mit der Wahl des Tagespräsidiums, „Undankbare Gören – Oder: Frauen mete sie 180 weitere Texte dem all- des Wahlausschusses und der Mandats- haben’s einfach schwerer“. Unter die- täglichen Wahnsinn, nicht nur in der prüfungskommission und der Geneh- sem Titel erschien in der HLZ 1-2/1999 Schule. Ruth Ullenboom steuert in je- migung der Tagesordnung. Nach den vor genau 20 Jahren die erste Glosse der HLZ eine Zeichnung bei, die das Grußworten folgen die Rechenschafts- von Gabriele Frydrych. Seitdem wid- „Spot(t)light“ auf Seite 4 illustriert. berichte des geschäftsführenden Vor- Am 11. Januar 2019 erscheint im stands, der Kassenbericht, der Bericht Piper-Verlag das neue Buch unserer der Kassenprüfung und die Entlastung Kolumnistin: „Man soll den Tag nicht des Vorstands. vor dem Elternabend loben“. Mit 10 Die Neuwahlen zum geschäftsfüh- Euro sind Sie dabei! Mit viel Humor, renden Vorstand und die Bestätigung Gelassenheit und mit einem großen der Vorstände der Fach- und Perso- Herzen berichtet sie von ihrem Schul- nengruppen finden im Wechsel mit der alltag, der erst richtig irre wird, wenn Beratung von Anträgen statt. Als in- klagewütige Eltern aufkreuzen und an- haltlicher Schwerpunkt sind ein Refe- gebliche „Experten“ ihr zu Finger-Yo- rat und Diskussionsbeiträge zum Thema ga und Achtsamkeitstraining raten. Zu „Rechtspopulismus – Herausforderun- Wort kommen auch gequälte Schulse- gen in Bildungseinrichtungen“ vorge- kretärinnen, Putzkräfte, Mensabetrei- sehen. ber und Erzieherinnen. Wie alle Leh- • Die vollständige Tagesordnung und rerinnen und Lehrer ihrer Generation eine Übersicht über alle zu wählenden hat sie sich seit der Weimarer Republik Funktionen im geschäftsführenden Vor- nicht mehr fortgebildet und genießt die stand findet man auf der Homepage www. viele Freizeit auf ihrem Segelboot oder gew-nordhessen.de. Einladung, Termine bei Bildungsreisen in die Toskana ... und Anträge gehen den Delegierten recht- zeitig zu.
TITELTHEMA: DIGITALISIERUNG UND SCHULE zum Inhaltsverzeichnis HLZ 1–2/2019 6 Forderungen an die neue Landesregierung Moderne Ausstattung und landesweites Digitalkonzept „Digitalisierung“ heißt das Zauberwort, mit dem die Regie- Dürfen Smartphones im Unterricht genutzt werden? Sollen renden in Land und Bund die Bildung beflügeln wollen. Al- diese Medien von den Schülerinnen und Schülern und ihren lerdings ist es bisher überwiegend eine Politik der Ankün- Eltern bezahlt werden oder müssen sie von der Schule zur digungen. Sollten irgendwann einmal die Mittel fließen, die Verfügung gestellt werden? momentan durch die Differenzen zwischen Bund und Län- Für all diese Themen gibt es in Hessen bisher nur weni- dern über den „Digitalpakt“ blockiert sind, dann wird die ge Regelungen durch Verordnungen und Erlasse. Soll sich Politik auch Pläne und Konzepte zur Verteilung entwickeln das ändern? Soll die GEW hier klare Vorgaben fordern? und – wie im Schulwesen üblich – Top down verordnen. Nach Oder soll jede Lehrkraft, jedes Kollegium, jede Schulgemein- dem, was bisher bekannt ist, dürften diese eher von den Ver- de „freie Hand“ haben, wie digitale Medien, Hard-und Soft- marktungsinteressen der Wirtschaft als von den Bildungsin- ware am förderlichsten für das Lernen eingesetzt werden, teressen von Schülerinnen und Schülern und Pädagoginnen und die Möglichkeit haben, eigene Konzepte zu entwickeln und Pädagogen geprägt sein. und auszuprobieren? Deshalb müssen wir uns, muss sich die GEW einmischen • Ausgangspunkt für Konzepte zur digitalen Ausstattung und ihre Einflussmöglichkeiten nutzen, um den Ausverkauf der Schulen ist nicht „Was haben wir und was kriegen wir?“, der Schulen an die IT-Unternehmen zu verhindern, aber auch sondern muss immer die Antwort auf die Frage sein: „Was um sinnvolle pädagogische Konzepte umzusetzen, akzeptable brauchen wir, um zu besten Lernergebnissen unter den best- Arbeitsbedingungen für Lehrer und Schüler zu erreichen und möglichen Bedingungen zu kommen?“ den sicheren Umgang mit der Datenflut zu gewährleisten. Standards ja – aber wofür? Leitlinie: Pädagogische Konzepte Die hessischen Schulen stehen weder konzeptionell noch aus- Um den Stellenwert des Einsatzes digitaler Medien im Un- stattungsmäßig am Punkt Null, auch wenn manches State- terricht gibt es eine heftige Debatte. Die einen wollen zum ment in den Medien diesen Eindruck vermittelt. Die Hessische Beispiel in den Grundschulen möglichst noch gar keine PCs, Lehrkräfteakademie bietet Fortbildungen an, die beispiels- Notebooks oder Tablets einsetzen, für andere geht es nur um weise die Nutzung von Lernplattformen mit einem pädago- die Frage des Zeitpunkts: Schon ab dem ersten Schuljahr, erst gischen Konzept verbinden. ab Klasse drei oder nur auf eine gewisse Anzahl von Stunden Auch die regionalen Medienzentren führen medienpäda- oder einzelne Fächer begrenzt? Auch bei methodisch-didak- gogische Gemeinschaftsprojekte mit Schulen durch und bie- tischen Themen sind viele Fragen offen: Lesen lernen – mit ten Medienfortbildungen, Hard- und Softwarewareschulun- PC oder ohne? Sollen Grundschulkinder programmieren ler- gen und ideelle Unterstützung bei der Medienbeschaffung nen, zum Beispiel mit dem Calliope mini? Können Online- an. Sie verfügen über einen großen Bestand an Onlinemedi- tests Diagnosen unterstützen? Im Bereich der Sekundarstu- en für Unterrichtszwecke. fe ist der Einsatz elektronischer Medien weniger umstritten, An vielen Schulen gibt es erprobte und bewährte Kon- aber auch hier gibt es Kontroversen über den Umfang des zepte. Jedoch existieren in Hessen weder einheitliche Stan- Einsatzes im Fachunterricht, über die Einführung eines ei- dards zur Ausstattung der Schulen mit Hardware noch gibt genen Fachs Medienbildung und über den Umgang mit In- es Richtlinien oder Empfehlungen zur Art und Leistungsfä- ternet, sozialen Medien, Lernplattformen oder Schulclouds. higkeit der einzusetzenden Geräte. Unterschiedlich ist auch Sollen alle Schülerinnen und Schüler Tablets bekommen? die Ausstattung – je nach Plan und Finanzlage des zuständi- gen Schulträgers, der in der Regel für eine Hardwaregrund- ausstattung zu sorgen hat. Es gibt auch Beispiele, wo die Die Forderungen an eine neue Landesregierung zur Aus- Schule einen entsprechenden Etat zur Verfügung hat und stattung und Nutzung digitaler Medien in Schulen sind in die Hardware selbst beschafft. Oft gibt es auch eine Misch einem Artikel nicht erschöpfend zu behandeln. Christoph finanzierung: Die Grundausstattung bezahlt der Schulträger, Baumann befasst sich in dem vorliegenden Artikel vorran- zusätzliche Geräte muss die Schule aus ihrem Etat oder über gig mit der Ausstattung und den dafür zu entwickelnden Sponsorenmittel finanzieren. Rahmenkonzepten. Weitere Themenbereiche im IT-Sektor • Deshalb ist zuerst einmal eine Bestandaufnahme einzu- sind die IT-Administration, die individuelle dienstliche Me- fordern, wie die Schulen ausgestattet sind. Nach einer sich dienausstattung der Lehrkräfte, der Aufbau eines zweiten daraus ergebenden Bedarfsanalyse sollte die zukünftige Lan- Verwaltungsnetzes zum Austausch sensibler Daten durch desregierung ein Konzept für eine Mediengrundausstattung Lehrkräfte untereinander und mit der Schule, der Jugend- einer Schule entwickeln. Jede Schule sollte einen Anspruch medienschutz und die Einführung eines Fachs Medienbil- auf die Finanzierung einer Mediengrundausstattung haben dung. Zu diesen Fragen, mit denen sich auch die Arbeits- und darüber entscheiden können, wie diese in der Schule gruppe „Digitalisierung“ im GEW-Landesvorstand befasst, eingerichtet wird. bereitet Christoph Baumann einen weiteren Artikel für die • Der notwendige Ausbau von inhaltlichen Angeboten nächste HLZ vor. – nicht von Vorschriften – für den methodisch-didaktischen
7 HLZ 1–2/2019 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA Einsatz digitaler Medien im Unterricht steht damit in enger Verbindung. Dazu muss die nicht-kommerzielle Fortbildung in öffentlicher Verantwortung gestärkt werden. Nicht akzep- tabel sind Angebote, die auf private Stiftungen und Organi- sationen, Schulbuchverlage oder IT-Konzerne setzen. Derzeit ist die Nutzung privater Geräte durch die Schüle- rinnen und Schüler für Unterrichtszwecke in der Regel nicht erlaubt. Es fehlt an klaren Regelungen für den Datenschutz und an einem sicheren und stabilen WLAN. Die Zugänge ins pädagogische Netz einer Schule sind im Regelfall streng limi tiert. Lehrkräfte haben große Bedenken, ob sie in der Lage sind, die Nutzung ausreichend zu steuern und Missbrauch zu verhindern. Dazu kommen soziale Aspekte bezüglich der Verfügbarkeit teurer mobiler Endgeräte. • Chancengleichheit bedeutet für die GEW deshalb im digi- talen Zeitalter auch „Hard- und Softwaregleichheit“. Bring your own device? Dass Schulbücher unter die in der Hessischen Verfassung ga- rantierte Lernmittelfreiheit fallen, ist unbestritten. Wenn die- se aber nur mit elektronischen Medien gelesen werden kön- nen, fallen auch diese Geräte unter die Lernmittelfreiheit. Im Unterricht benötigte elektronische Medien müssen im Hin- In den Wolken: Nutzung von Schulclouds blick auf eine einheitliche Hard- und Software, aus pädago- gischen und sozialen Gründen und unter dem Aspekt des Da- Als Lösung für digitalen Zugang und Kommunikation in- tenschutzes den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung nerhalb der Schule sind „Schulclouds“ in der Diskussion und gestellt werden. Wenn nötig, erhält jeder Schüler kostenlos zum Teil auch schon in der Erprobung (HLZ S. 8–9). Ein Bei- ein Notebook oder ein Tablet von der Schule. spiel ist die „HPI-Cloud“, die vom Hasso-Plattner-Institut für Unübersichtlich ist auch die Verfügbarkeit innerschu- Digital Engineering entwickelt wurde, das von dem Milliar- lischer Netze: Einige Schulträger haben – wie zum Bei- där und SAP-Mitbegründer Hasso Plattner ins Leben geru- spiel die Stadt Frankfurt – fast alle Unterrichtsräume in fen wurde. Unterstützt vom Bundesministerium für Bildung ihren Schulgebäuden verkabelt, so dass alle im gleichen pä- und Forschung soll sie die technische Grundlage schaffen, dagogischen Netzwerk sind. In anderen Regionen betrei- dass Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler moderne di- ben die Schulen ihr Netzwerk in eigener Regie, in der Re- gitale Lehr- und Lerninhalte über Smartphones oder Tablets gel über Kabelverbindungen. WLAN-Lösungen sind bisher nutzen können. Den Vorteilen einer solchen Schulcloud ste- die Ausnahme. Über die Probleme bei der Einrichtung von hen gravierende Nachteile gegenüber, denn die HPI-Cloud WLAN-Zugängen in Frankfurter Schulen, die pädagogisch soll nach eigenem Bekunden, dazu beitragen, „einen pro- und datenschutzrechtlich vertretbar sind, informiert Sebas- sperierenden Bildungsmarkt mit innovativen digitalen Bil- tian Guttmann in dieser HLZ (S. 23). dungsprodukten zu etablieren“ (1). Die Cloud dient der Er- • Deshalb müssen Vorgaben und technische Lösungen ent- schließung weiterer Märkte für Digitalprodukte und mit ihrer wickelt werden, die es jeder Schule ermöglichen, ein ihrem Hilfe sollen der Einfluss der Wirtschaft und die Vermark- Medienkonzept entsprechendes Netzwerk und die notwen- tung von Bildung vorangetrieben werden. Sie soll außerdem digen Internetverbindungen einzurichten. die Möglichkeit bieten, mit Hilfe von Learning Analytics differenzierte Nutzerprofile zu erstellen. Datenrückkanäle dienen dazu, das Lernverhalten der Nutzer zu analysieren, Welche Software ist die richtige? um den Unterricht zu „personalisieren“. Mit Hilfe von Lern- Bei Schulen in kommunalen Netzwerken gibt es in der Regel protokollen lassen sich Feinanalysen erstellen, um Nutzer- eine vom Schulträger festgelegte Softwareplattform. In die- gewohnheiten zu analysieren und die Lernsoftware an die sen Netzwerken hat die Einzelschule kein Recht, selbst Soft- Nutzergewohnheiten anzupassen. Schülerinnen und Schü- ware aufzuspielen. Dies muss jeweils beim Schulträger be- lern können dann – selbstverständlich gegen Geld – indivi- antragt werden. Grundsätzlich ist die Softwarefinanzierung duelle Lernprogramme angeboten werden. Ob der „gläserne nicht geregelt: Mitunter übernimmt der Schulträger direkt die Schüler“ das Vertrauensverhältnis zur Lehrperson verbes- Kosten, z.B. bei den Softwaregrundplattformen, überwiegend sert, sei dahingestellt. muss sie jedoch aus dem Schuletat finanziert werden. • Vor der Einführung einer Schulcloud müssen alle Details • Eine neue Landeregierung muss Mindeststandards für die öffentlich zugänglich gemacht werden: Wie funktioniert sie? Softwareausstattung der Schulen entwickeln. Die Schulen Wer administriert sie und was geschieht mit den Daten? Nur benötigen einen kostenlosen Zugriff auf das Angebot einer so wird eine breite Diskussion über das Für und Wider des Softwaregrundplattform. Zusätzliche Mittel, um die schuli- Einsatzes im pädagogischen Raum möglich. sche Softwareplattform nach Bedarf zu erweitern, sollten da- Christoph Baumann rüberhinaus zur Verfügung stehen. Die Entscheidung, welche Software eingesetzt wird, muss bei den Schulen und ihren (1) zitiert nach Ingo Leipner: „Spinnennetz am Himmel“, Schulver- Lehrkräften liegen. waltung Hessen 7/8, 2018, S. 196
TITELTHEMA zum Inhaltsverzeichnis HLZ 1–2/2019 8 Schöne neue Bildungswelt? Einführung einer hessenweiten Lernplattform Das Hessische Kultusministerium berichtete am 19. Septem- des selbständigen Arbeitens der Schülerinnen und Schü- ber 2018 per Pressemitteilung, es habe sich in den zurück- ler nicht unerheblich. Gerade in Bezug auf das selbständige liegenden Wochen und Monaten auf den Weg gemacht, eine Arbeiten, etwa bei der Wiederholung von Lerninhalten oder benutzerfreundliche digitale pädagogische Lern- und Arbeits- bei Gruppenarbeiten, können Lernplattformen sinnvoll ein- plattform zu entwickeln und aufzubauen. Das neue Schulpor- gesetzt werden. tal solle als geschlossene Plattform für Lehrkräfte und Schü- lerinnen und Schüler Möglichkeiten des Austauschs bieten, als Lernplattform genutzt werden können, Lehrkräfte bei der Big Data in der Bildung Unterrichtsorganisation durch Funktionen zur Raumplanung Im Rahmen des so genannten Blended Learning wird so das und Vertretungsplanung unterstützen und Selbstlernangebo- digitale Lernen mit dem analogen Lernen verknüpft. Darü- te für Schülerinnen und Schüler bereit halten. Es drängt sich ber hinaus werden inzwischen unter den Schlagwörtern Lear der Eindruck auf, dass das Kultusministerium mit dieser Mit- ning Analytics, Educational Data Mining oder Big Data in teilung im Vorfeld der Landtagswahl noch einmal Aktivität der Bildung auch ganz neue IT-gestützte Möglichkeiten dis- beim Mega-Thema Digitalisierung dokumentieren wollte. So kutiert. Dabei geht es darum, von den Lernenden durch die zeigt auch der Blick in die spärlichen mitgelieferten Hinter- Nutzung digitaler Medien generierte Daten im großen Um- grundinformationen, dass sich das Projekt offenbar noch in fang zu erfassen, zu verknüpfen und für die Analyse von der Anfangsphase befindet. Gleichwohl stellt sich die Fra- Lernprozessen zu nutzen. Es ist offensichtlich, dass solche ge, ob diese Ankündigung nicht tatsächlich große Potenzia- Ansätze den Kern erfolgreichen Lernens – die unmittelba- le für die schulische Bildung mit sich bringt. re Interaktion mit den Lehrkräften und anderen Lernenden- Unter einer Lernplattform ist nach der Definition von Wi- den – zu unterminieren drohen. Auch stellt sich die Frage kipedia „ein komplexes Content-Management-System, das der nach einem möglichen Missbrauch der Daten. Nicht zuletzt Bereitstellung von Lerninhalten und der Organisation von die von den Fraktionen des Hessischen Landtags für die En- Lernvorgängen dient“, zu verstehen. Weiter heißt es dort: quetekommission Bildung benannten Sachverständigen ha- „Aufgabe einer web-basierten Lernumgebung ist, die Kommu- ben in ihren Stellungnahmen sehr deutlich gemacht, dass es nikation zwischen Lernenden und Lehrenden zu ermöglichen. bislang keine gesicherten empirischen Erkenntnisse für bes- Sie fungiert als Schnittstelle zwischen Bildungsanbieter und sere Bildungserfolge durch digitale Bildung gibt. Vielmehr lernender Person.“ weisen sie ausdrücklich auf die mit dieser verbundenen Ri- Lernplattformen seien abzugrenzen gegenüber Bildungsin- siken hin: neue Risiken für Bildungserfolge durch erhöhte halten, die über das Internet angeboten werden und durch die Ablenkung, die drohende Entmündigung der Lehrkräfte, die üblichen Webpräsenzen oder -portale. Als Vorteile einer Lern- den Bildungsprozess nicht mehr letztinstanzlich steuern, so- plattform werden die Entlastung im Lehrbetrieb, die Regelung wie die Gefahr des Datenmissbrauchs, insbesondere durch in- des Informationsflusses, die Vereinfachung des Lernens und ternationale IT-Konzerne, die sich der demokratischen Re- die Übernahme zahlreicher Verwaltungsaufgaben genannt. gulierung entziehen. (2) Es gibt bereits unterschiedliche Angebote, die ohne spezi- elle Kenntnisse im Programmieren genutzt werden können. In der Regel lassen sich Lernplattformen über den Brow- Enquetekommission: Warnungen aller Fraktionen ser ohne die Installation einer speziellen Software nutzen. Es ist allerdings zwingend erforderlich, sich in die jeweili- Die Fraktionen haben mehrere einvernehmliche Handlungs- ge Plattform mit ihren Anwendungen einzuarbeiten. Lern- empfehlungen formuliert. Unter anderem betonen sie in die- plattformen ermöglichen grundsätzlich das Tracking, also sen zu Recht den Primat der Pädagogik: die exakte Nachverfolgung der Aktivitäten der Nutzerinnen „Unterricht ohne Lehrer ist keine Option. Unterricht lebt von der direkten Auseinandersetzung in sozialen Gruppen und der und Nutzer auf dieser Plattform. Es gibt sowohl kommerzi- face-to-face-Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler. elle Anbieter wie auch Open-Source-Projekte. Bei der ver- Daher ist der Gebrauch von automatisierten Lernprogrammen breiteten Lernplattform Moodle handelt es sich um ein sol- im schulischen Unterricht als Ergänzung, nicht als Ersatz für ches Open-Source-Angebot, das von der Gemeinschaft der den Unterricht, der von einer Lehrkraft durchgeführt wird, an- Nutzerinnen und Nutzer selbst weiterentwickelt wird. Moodle zusehen. Die Lehrkraft ist nicht Begleiter, sondern Urheber gu- wurde zuletzt 2017 über ein Projekt der Lehrkräfteakademie, ten Unterrichts. Deshalb muss sie über den Einsatz von digita- das auch die Schulung der Lehrkräfte beinhaltete, an hessi- len Geräten und Lernsoftware im Rahmen und jeweils im Dienste sche Schulen gebracht (1). einer konkreten Unterrichtseinheit entscheiden.“ Lernplattformen ermöglichen es unter anderem, Materi- Die den Schulen zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur alien wie Arbeitsblätter, Texte oder Audiodateien zur Verfü- müsse zudem zwingend dem Datenschutz genügen: gung zu stellen. Darüber hinaus ist es möglich, für Arbeits- „Beim Einsatz von Lernsoftware mit Online-Anbindung müssen gruppen ein Diskussionsforum einzurichten oder Lernfragen die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden, zu stellen. Somit ergänzen und erweitern sie die pädagogi- um einen Missbrauch dieser Daten auszuschließen. Die rechtli- schen Möglichkeiten des Unterrichts im Klassenraum und chen Regelungen gilt es ggf. anzupassen, um die Privatsphäre zu
9 HLZ 1–2/2019 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA schützen und einen Datenmissbrauch zu unterbinden. Gesicher- te Bildungsserver und die Bereitstellung von Bildungsclouds, die den Anforderungen Rechnung tragen, sollen bereitgestellt und von den Schulen genutzt werden können.“ Eine Schul-Cloud in öffentlicher Hand? Als wichtigster Protagonist einer bundesweiten Schul-Cloud hat sich das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam positi- oniert. Dieses Institut wurde von Hasso Plattner, dem Grün- der des Softwarekonzerns SAP, gestiftet. Das HPI entwickelt bereits als Pilotprojekt eine Schul-Cloud im Auftrag des Bun- desministeriums für Bildung und Forschung. An diesem be- teiligen sich die 300 naturwissenschaftlich ausgerichteten Schulen des bundesweiten Netzwerks MINT-EC. Veröffentli- chungen des HPI zeigen, dass dieses mit der Schul-Cloud auf eine tiefergehende Transformation von Bildung zielt: Schü- lerinnen und Schüler sollen sich so zu „Bildungspartnern“ entwickeln, die „selbst Lernangebote oder Nachhilfe für ihre Mitschüler bereitstellen“. Die Cloud solle zur Entwicklung ei- nes „prosperierenden Bildungsmarkts“ beitragen, etwa indem Lehrkräfte, Schüler und öffentliche Einrichtungen dazu an- geregt werden, „neue webbasierte Bildungsangebote (…) zu entwickeln und zu vermarkten“. (3) Wie dieses Beispiel aufzeigt, besteht die Gefahr, dass Konzerne über die Entwicklung einer Softwarelösung in eine Position geraten, in der sie maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung von Bildungsangeboten erhalten. Dieser geht dann über die reine Bereitstellung einer digitalen Inf- rastruktur weit hinaus. Als ein Gegenbeispiel für eine um- Am 19.9.2018 stellte Kultusminister Lorz die Demo-Version eines fassende Softwarelösung in öffentlicher Hand lässt sich auf neuen Schulportals für hessische Schulen vor. Im Laufe des zweiten die landesweite Schul-Cloud Logineo NRW verweisen. Die- Schulhalbjahrs 2018/19 sollen zunächst 450 Schulen, die bereits se ist im Herbst 2018, allerdings nach einigen Verzögerun- verschiedene einzelne Bausteine oder Funktionen verwenden, Zu- gen aufgrund technischer Probleme, zunächst als Pilot- griff auf das Schulportal erhalten. Das Schulportal soll in öffent- projekt gestartet. Für die technische Umsetzung sind das licher Verantwortung betrieben werden, aber auch Zugänge zu den Kommunale Rechenzentrum Niederrhein und das ebenfalls Angeboten von Verlagen und Anbietern „adaptiver Lernsysteme“ öffentliche Zentrum für Medien und Bildung zuständig. Lo- ermöglichen. gineo soll u.a. der Schulorganisation und dem Zugriff auf lizensierte digitale Medien dienen. Damit handelt es sich handelt es sich um ein durchaus ehrgeiziges Vorhaben. Es zunächst um keine voll ausgebaute Lernplattform, denk- bestehen dabei nicht von der Hand zu weisende Chancen, bar wäre aber eine Erweiterung zu einer solchen. Aus ge- neue pädagogische Möglichkeiten und ein vereinfachter und werkschaftlicher Perspektive ist bemerkenswert, dass viele sichererer Umgang mit sensiblen Daten. Bei der Umsetzung strittige Fragen bezüglich der Nutzung durch die Lehrkräf- müssen die Anforderungen, die der Hessische Landtag be- te durch eine Dienstvereinbarung der Hauptpersonalräte für züglich des Primats der Pädagogik und der Sicherstellung Lehrkräfte mit dem Ministerium geklärt wurden. Diese regelt des Datenschutzes formuliert hat, voll berücksichtigt wer- unter anderem die Erreichbarkeit durch dienstliche Emails den. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass dies unter der Fe- sowie, dass private Endgeräte nur auf freiwilliger Basis zu derführung eines privaten Softwarekonzerns möglich wäre. verwenden sind. Diese Dienstvereinbarung wurde 2017 mit Daher ist die Ankündigung zu begrüßen, dass die hessische dem vom Bund-Verlag verliehenen Deutschen Personalrä- Lernplattform auf Open-Source basieren und von öffentli- te-Preis in Silber ausgezeichnet. chen Institutionen betrieben werden soll. Das Beispiel der Der Aufbau des hessischen Schulportals soll schrittweise Dienstvereinbarung zu Logineo macht deutlich, dass GEW erfolgen, ab dem Schuljahr 2021/2022 soll es flächendeckend und Personalräte bei der Einführung einer landesweiten Soft- verwendet werden. Die Anmeldung soll über alle Endgeräte warelösung einen Gestaltungsanspruch erheben und auch möglich sein, durch ein „Single-Sign-On“-Verfahren stün- einlösen können. den den Nutzerinnen und Nutzern alle jeweils verfügbaren Roman George Anwendungen offen. Das Schulportal soll im Wesentlichen auf Open-Source-Software basieren und auf landeseigenen (1) https://medien.bildung.hessen.de/lernplattform/moodle/index. html Servern der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung lau- (2) Hessischer Landtag: Abschlussbericht der Enquetekommission fen. Die Datenschutzvorgaben des Hessischen Datenschutz- „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und beauftragten sollen erfüllt werden. Der technische Support Zukunft schulischer Bildung in Hessen“, Drucksache 19/6222, sowie die Bereitstellung von Fortbildungsveranstaltungen S. 132-140, Zusammenfassung in: HLZ 5/2018, S.17-19 würden durch die Hessische Lehrkräfteakademie sicherge- (3) Matthias Holland-Letz: Wolkige Lösungen mit Luft nach oben, stellt. Wenn diese Ankündigungen ernst gemeint sind, dann E &W10/2018, S. 17-19.
TITELTHEMA zum Inhaltsverzeichnis HLZ 1–2/2019 10 Datenschutz in Schulen Hilfestellungen für die Praxis sind Mangelware „Jeder Mensch ist berechtigt, über die Preisgabe und Verwen- entstehen bei digitaler Speicherung durch die archivierba- dung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Die ren Datenmengen und die Übertragungswege neue Gefahren. Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme Mit diesen Fragen muss sich der HLZ-Redakteur genau- werden gewährleistet. Einschränkungen dieser Rechte bedürfen so befassen, wenn es um die Veröffentlichung der Jubiläen eines Gesetzes.“ von GEW-Mitgliedern geht, wie die Erzieherin, die mit den Dieser Satz wurde als neuer Artikel 12a in die Hessische Ver- Eltern ihrer Kindergartengruppe in einer Whats-App-Gruppe fassung aufgenommen. Dieser Ergänzung der Verfassung kommuniziert, und der Lehrer, der ein Fördergutachten der stimmten am 28. Oktober 2018 90,9 % der Abstimmenden Frühförderstelle, das ihm zur Kenntnis gegeben wird, auf sei- zu. Die Nein-Stimmen kamen vorrangig von denjenigen, nem privaten Laptop speichert. Wie können sie sicherstellen, die alle Änderungen pauschal abgelehnt haben. Fast jedem dass jeder Mensch „über die Preisgabe und Verwendung sei- Menschen ist es offensichtlich wichtig, „über die Preisgabe ner personenbezogenen Daten“ selbst bestimmen kann und und Verwendung seiner personenbezogenen Daten“ selbst zu seine Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt werden? Die bestimmen. Schwieriger wird es dagegen, wenn Menschen folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den Schulbe- privat oder vor allem auch beruflich über personenbezoge- reich, lassen sich aber auch auf andere Bereiche übertragen. ne Daten anderer Menschen verfügen und damit gefordert Die Übersicht über die für den Schulbereich gültigen sind, diese Daten so zu schützen, dass das individuelle Verfü- Rechtsvorschriften in dieser HLZ auf den Seiten 10 und 18 gungsrecht nicht gefährdet ist. Dabei unterscheidet das vom zeigt die große Kluft zwischen den Vorschriften einerseits und Bundesverfassungsgericht proklamierte „Recht auf informa- der Praxis und den realen Möglichkeiten, den Datenschutz tionelle Selbstbestimmung“ zunächst nicht zwischen Daten, umfassend zu gewährleisten, andererseits. Diese Diskrepanz die konventionell bzw. analog gespeichert werden, und sol- ist in fünf wichtigen Punkten begründet: chen Daten, die digital erhoben und gespeichert werden. Ob • Die Administration in Form von Schulleitungen, Schul- Lehrerinnen und Lehrer ihr Notenbuch arglos im Restmüll ämtern und Kultusministerium fordert die Erhebung von im- entsorgen oder digitale Notenlisten unverschlüsselt per Mail mer mehr Daten, die in vielen Fällen personenbezogen, näm- versenden, macht zunächst keinen Unterschied. Allerdings lich einzelnen Schülerinnen und Schülern zuzuordnen sind. Ein ganz grundlegendes Element des Datenschutzes ist die Zum Weiterlesen Datensparsamkeit, wonach nur das erhoben und gespeichert wird, was zur Erfüllung des gesetzlich verankerten Auftrags • Die Verordnung über die Verarbeitung personenbezogener zwingend erforderlich ist. Daten in Schulen und statistische Erhebungen an Schulen vom • Anders als in allen anderen Betrieben ist der Schulbetrieb 4. Februar 2009 (Amtsblatt 2009, S.131), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 1. April 2015 (Amtsblatt 2015, S.113) unter den gegebenen Bedingungen nur dadurch aufrechtzu- findet man auf der Homepage des Hessischen Kultusministeriums erhalten, dass Lehrerinnen und Lehrer private Räume und pri- https://kultusministerium.hessen.de > Schulsystem > Schulrecht vate Geräte für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts > Schulalltag. zur Verfügung stellen. Polizistinnen und Polizisten haben ein • Die Broschüre „Datenschutz in Schulen – Überblick und Ma- Diensthandy, Finanzbeamte einen ausschließlich dienstlich zu terialien zur Durchführung des Datenschutzes an Schulen“ wurde nutzenden PC und Richterinnen und Richter Aktentresore, Bü- 2010 vom Hessischen Datenschutzbeauftragten herausgegeben. Sie roräume und Verwaltungskräfte für alle administrativen Auf- ist jedoch insbesondere nach Inkrafttreten der Europäischen Daten- gaben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hessen-Forst schutzgrundverordnung nicht mehr up-to-date. Auf der Seite des lagern ihre Geräte im Depot und die der Straßenmeisterei fah- Datenschutzbeauftragten findet man jedoch zahlreiche hilfreiche weiterführende Informationen unter anderem zum Jugendmedien- ren selbstverständlich im entsprechenden Fahrzeug zur Bau- schutz, zu den Inhalten schulischer Webseiten oder zur Nutzung stelle – um nur einige Bereiche aus dem öffentlichen Dienst sozialer Medien: https://www.datenschutz.hessen.de > Datenschutz zu nennen. Aber Hand aufs Herz: Gerade diese Unterschiede > Hochschulen, Schulen und Archive und die damit verbundene größere Flexibilität bezogen auf • Wenig hilfreich sind die entsprechenden Internetseiten des Arbeitszeit und Arbeitsort werden von vielen Lehrerinnen HKM. Dort findet man zwar Vordrucke für die Einwilligung von und Lehrern durchaus als Vorteile des Berufs sehr geschätzt. Eltern bei Schülerfotos, doch zur Europäischen Datenschutz- • Lehrkräfte haben in Schulen nur selten Zugang zu mo- grundverordnung wird man schlicht darauf verwiesen, dass den derner Informationstechnologie. Computer für die Verwal- Schulen „in den Staatlichen Schulämtern fachlich kompetente tungsarbeit der Lehrkräfte sind nur vereinzelt vorhanden, oft Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu allen relevanten Fragen des Datenschutzrechts und der Datenschutzpraxis zur Ver- veraltet, nur begrenzt funktionsfähig und schon gar nicht fügung“ stehen (https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/ ausreichend vor unberechtigten Zugriffen geschützt. Anders schulrecht/datenschutz). sieht es in den Schulsekretariaten aus, die oft in die Daten- • Die Serviceseite „Datenschutz und IT-Sicherheit“ auf der Home- schutzsysteme der Schulträger einbezogen sind und deren page der Lehrkräfteakademie Hessen mit dort aufgeführten Infor- Computer und Server professionell gewartet werden. Eine mationen zum häuslichen Arbeitsplatz von Lehrerinnen und Leh- Übernahme der an die Lehrkräfte abgedrückten Verwaltungs- rern war bei Redaktionsschluss dieser HLZ nicht mehr zugänglich. aufgaben scheitert an den völlig unzureichenden personel- • Weitere Hinweise findet man in dieser HLZ auf Seite 18. len Kapazitäten in den Schulsekretariaten.
11 HLZ 1–2/2019 zum Inhaltsverzeichnis TITELTHEMA Foto: Ladislav Kubes; 123RF • Die Nutzung neuer digitaler Medien ist gerade für jüngere „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen Kolleginnen und Kollegen zur Selbstverständlichkeit gewor- haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg den. Die Entgrenzung der Lehrerarbeit, in der sich Privatleben geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, ha- und Berufsleben oft überlappen, führt zu einer zunehmenden ben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst hö- zeitlichen Verfügbarkeit für Mitteilungen der Schulleitungen, here Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wen- aber auch zu einer wachsenden Sorglosigkeit im Umgang mit den. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Daten. Wer – wie die meisten von uns – über Cookies, Be- Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Wür- stellportale oder personalisierte Mediatheken seine persön- de des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist lichen Daten preisgibt, kann dies im Rahmen des Rechts auf und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtin- informationelle Selbstbestimmung tun, wird aber möglicher- nen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Ver- weise auch unsensibler für die Daten anderer Menschen, die langen schriftlich zu erfolgen.“ in der jeweiligen Verfügungsgewalt liegen. Dies auf den Bereich des Datenschutzes zu übertragen, fällt • Insbesondere das Hessische Kultusministerium (HKM) ist nicht schwer. Wird mir eine Aufgabe übertragen, die aus seiner Aufgabe, Lehrerinnen und Lehrer für den Datenschutz meiner Sicht datenschutzrechtlich problematisch ist, habe zu sensibilisieren und sie gleichzeitig in die Lage zu verset- ich die Pflicht, die Schulleitung und das Schulamt zu infor- zen, dieser Verantwortung gerecht zu werden, in keiner Wei- mieren. Bei der Antwort sollte man auf einer schriftlichen se nachgekommen. Zu den wenigen Placebos gehört die von Weisung bestehen. Würde die vorgesetzte Behörde in einem Lehrerinnen und Lehrern geforderte Erklärung zur Verar- solchen Fall wirklich die Verantwortung für alle Folgen über- beitung und Speicherung von Daten auf ihrem privaten PC nehmen? Wohl kaum! und die damit verbundene Anmeldung beim Hessischen Da- Seit längerem arbeitet man im HKM an einer Datenschutz- tenschutzbeauftragten. Die Absicht des HKM ist durchsich- verordnung für Schulen. Auf der Homepage des Hessischen tig: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Wenn etwas Datenschutzbeauftragten heißt es lapidar: schief geht, wähnt man sich „aus dem Schneider“. „Leider wird die Schul-Datenschutzverordnung nicht rechtzei- tig mit der am 25. Mai 2018 Wirkung erzielenden Datenschutz- grundverordnung (DS-GVO) fertig sein. Daher gelten, soweit die Öfter mal „Nein“ sagen DS-GVO nicht unmittelbares Recht im schulischen Bereich setzt, Zum verantwortungsvollen Umgang mit Daten gehört die Be- wie z.B. den Auskunftsrechten der Schülerinnen und Schüler reitschaft, auch einmal „Nein“ zu sagen, wenn wieder neue sowie der Eltern oder den Informationspflichten der Schule als Aufgaben, die eigentlich in die Schulverwaltung gehören, an Verantwortlichem, die in der Verordnung getroffenen Regelun- Lehrerinnen und Lehrer delegiert werden sollen. Das Beam- gen zum schulischen Datenschutz weiter.“ tenrecht kennt mit der „Remonstration“ sogar eine Verpflich- Ohne landesweite Eckdaten für die digitale Ausstattung von tung, bei rechtlichen Bedenken die Erledigung von über- Schulen, solange jede Schule und jede Schulverwaltung mit tragenen Aufgaben zunächst zu verweigern. Nach § 36 des anderen Konzepten, anderen Geräten und unterschiedlicher Beamtenstatusgesetzes tragen Beamtinnen und Beamte „für Software arbeitet, bleiben auch Vorgaben für den Daten- die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die vol- schutz Makulatur. le persönliche Verantwortung“. Weiter heißt es in Absatz 2: Harald Freiling, HLZ-Redakteur
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