Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen

 
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
Zeitschrift der       Hessen
  für Erziehung, Bildung, Forschung

72.Jahr   Heft 1/2 Jan./ Febr.2019
                      zum Inhaltsverzeichnis

       TITELTHEMA:
     Digitalisierung und Schule
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
HLZ: IN EIGENER SACHE                                                                                                                          HLZ 1–2/2019           2

                                                                                                                          Zeitschrift der GEW Hessen

                         HLZ: Ehrungen für langjährige Mitgliedschaft                                                     für Erziehung, Bildung, Forschung
                                                                                                                          ISSN 0935-0489

                    Mit Inkrafttreten der Europäischen Da-     Jahren Mitglied der GEW sind oder da-     I     M      P      R      E      S      S      U        M
                    tenschutzgrundverordnung haben wir         vor einer anderen DGB-Gewerkschaft
                                                                                                         Herausgeber:
                    zunächst die Ehrung langjähriger Mit-      waren.                                    Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                    glieder der GEW Hessen durch eine                                                    Landesverband Hessen
                    Veröffentlichung in der HLZ ausge-         Keine Veröffentlichung gewünscht?         Zimmerweg 12
                                                                                                         60325 Frankfurt/Main
                    setzt. Dazu erreichten uns Briefe und      Kolleginnen und Kollegen, die auf eine    Telefon (0 69) 971 2930
                    Mails vieler Mitglieder, die sich bisher   lange GEW-Mitgliedschaft von 40, 50       Fax (0 69) 97 12 93 93
                    über diese Rubrik in der HLZ gefreut       oder 60 Jahren zurückblicken, können      E-Mail: info@gew-hessen.de
                                                                                                         Homepage: www.gew-hessen.de
                    haben, fanden sie dort doch immer          einer Veröffentlichung ihres Namens in
                                                                                                         Verantwortlicher Redakteur:
                    wieder die Namen von Kolleginnen           der HLZ widersprechen. Wenn Sie Ih-       Harald Freiling
                    und Kollegen aus dem Studium, dem          ren Namen dort nicht lesen wollen, tei-   Klingenberger Str. 13
                    Referendariat oder dem gemeinsamen         len Sie uns dies bitte einfach einma-     60599 Frankfurt am Main
                                                                                                         Telefon (0 69) 636269
                    Berufsleben.                               lig in einem Brief oder einer Mail mit:   E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                        Der GEW-Landesvorstand hat nach        • GEW Hessen, Mitgliederverwaltung,
                                                                                                         Mitarbeit:
                    weiterer Prüfung beschlossen, diese        Zimmerweg 12, 60325 Frankfurt             Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                    Ehrungen wieder zu veröffentlichen.        • mitgliederverwaltung@gew-hess-          schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung),
                    Ab März 2019 (HLZ 3/2019) werden           sen.de                                    Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung),
                                                                                                         Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke
                    wir wieder die Namen und den Wohn-         Diesen Hinweis finden Sie zukünftig       (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka-
                    ort der Kolleginnen und Kollegen ver-      auch in jeder Ausgabe der HLZ in der      rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                    öffentlichen, die seit 40, 50 oder 60      entsprechenden Rubrik.                    und Gewerkschaften)
                                                                                                         Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                                                                                                         Titelthema: Roman George, Harald Freiling
                                                                                                         Illustrationen:
                                       GEW-Beitragsquittung 2018                                         Traeger & Traeger (Titel, S. 9), Peter Baldus (S. 23),
                                                                                                         Thomas Plaßmann (S. 7), Dieter Tonn (S. 15, 27),
                                                                                                         Ruth Ullenboom (S. 4)
                    Die nächste HLZ erscheint im März          geklärt, wie die Beitragsquittung für     Fotos, soweit nicht angegeben:
                                                                                                         GEW (S. 3, 24, 32, 35, 36, 38)
                    2019, dann mit einer Dokumentation         2018 den Mitgliedern zugesandt oder
                    und Bewertung der Koalitionsverein-        von diesen angefordert werden kann.       Verlag:
                    barung von CDU und GRÜNEN, die bei         Aktuelle Informationen finden Sie in      Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                         Niederstedter Weg 5
                    Redaktionsschluss noch nicht vorlag.       der E&W und auf der Startseite der        61348 Bad Homburg
                       Im Februar wird der Bundeszeit-         GEW-Homepage www.gew-hessen.de.
                                                                                                         Anzeigenverwaltung:
                    schrift E&W das lea-Programmheft              Unabhängig davon weisen wir da­        Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                    beigelegt. GEW-Mitglieder sind es          rauf hin, dass die Finanzämter auch       Peter Vollrath-Kühne
                    auch gewöhnt, dass sie im Heftum-          die entsprechenden Kontoauszüge an-       Postfach 19 44
                                                                                                         61289 Bad Homburg
                    schlag der Februar-Ausgabe der E&W         erkennen, um den Mitgliedsbeitrag bei     Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21
                    die Beitragsquittung für das abgelau-      den Werbungskosten absetzen zu kön-       E-Mail: mlverlag@wsth.de
                    fene Jahr finden. Dieses „Cover-Mai-       nen.                                      Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                    ling“ wurde von der Post gekündigt.                                                  Bad Homburg
                       Bei Redaktionsschluss der vorlie-       Harald Freiling, HLZ-Redakteur            Bezugspreis:
                    genden HLZ war noch nicht endgültig        Ulrich Märtin, GEW-Geschäftsführer        Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                                                                                                         schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                                                                                                         sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
                                                                                                         enthalten.
                                                                                                         Zuschriften:
   Aus dem Inhalt

                    Rubriken                                    19-22 lea-Fortbildungsprogramm
                                                                                                         Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
                     4   Spot(t)light                                                                    wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                                                                Einzelbeiträge                           öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                     5   Meldungen                                                                       vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                    37   Recht: Kosten bei Klassenfahrten       24 TVH-Tarifrunde 2019 beginnt           nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                    38   Magazin                                26 Lehrkräftemangel an Berufsschulen     übereinstimmen.
                                                                27 Fach- und Personengruppen der
                    Titelthema: Schule und Digitalisierung         GEW: Fachgruppe Gesamtschulen         Redaktionsschluss:
                     6   Digitale Ausstattung von Schulen       28 Neue Zahlen zur Verteilung der        Jeweils am 5. des Vormonats
                     8   Ein hessenweites Schulportal?             Vermögen in Deutschland
                    10   Datenschutz in Schulen                 30 Nach der Landtagswahl:
                    12   Pro und Kontra: Computer in den           Zum Bildungsverständnis der AfD       Nachdruck:
                                                                                                         Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                         Grundschulen                           32 Gewerkschaften in der Türkei          gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                    14   Einfallstore für Konzerninteressen?    34 Vor 100 Jahren: Revolutionen in       genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                    16   Bildung im digitalen Kapitalismus         Hessen und in Deutschland             Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                    18   Fachtagung am 9. Februar 2019          36 Hochschulen: Befristete Verträge      Druck:
                    23                                                                                   Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
                         Frankfurt plant WLAN für Schulen       37 Aus der Personalratsarbeit            Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
3     HLZ 1–2/2019   zum Inhaltsverzeichnis                                                                 KOMMENTAR

                             Primat der Pädagogik
    Digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern           gilt auch für die Gefahr, dass die Digitalindus­trie
    und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie              die Schulen mit Tests und Lernprogrammen flutet.
    spielen eine bedeutende Rolle in ihrer Entwicklung,       In Zeiten, in denen gut und umfassend ausgebildete
    ihrer Kommunikation und ihrer Sozialisation. Die          Lehrkräfte rar werden, könnten digitale „Selbstlern-
    Debatte um die Digitalisierung von Schulen setzt be-      plattformen“ zu einem attraktiven politischen und
    reits in den Grundschulen an, um die Kinder früh an       ökonomischen Betätigungsfeld werden.
    das informatische Denken heranzuführen. Haupt-               Medienbildung hat aus GEW-Sicht auch die Auf-
    begründung ist immer wieder der drohende Fach-            gabe, der sozial und kulturell bedingten unterschied-
    kräftemangel. Außerdem müssten junge Menschen             lichen Mediennutzung und Bildungsbenachteiligung
    wissen, wie die neuen Medien funktionieren, da-           entgegenzuwirken, zum Beispiel durch inklusive,
    mit sie digitale Anwendungen beurteilen und be-           differenzierende oder materielle Maßnahmen und
    herrschen können.                                         Programme. Digitales Lernen verschafft nicht per
       Dem kann man prinzipiell nicht widersprechen.          se benachteiligten Schülerinnen und Schülern mehr
    Allerdings bietet eine einseitige Ausrichtung auf die     Lernchancen. Gerade sie haben mit dem auf mehr
    von der Wirtschaft geforderten Kompetenzen ein            Selbststeuerung setzenden digitalen Lernen Proble-
    Einfallstor für kommerzielle Interessen. Die GEW          me, gerade sie sind auf den persönlichen Kontakt und
    fordert stattdessen eine umfassende, fächerüber-          den Dialog mit den Lehrkräften angewiesen.
    greifende Medienbildung, die zu einer sinnvollen             Digitale Medien sollten insbesondere die Metho-
    und verantwortungsvollen Nutzung digitaler Medi-          denvielfalt, die Vielfalt der Lernzugänge, die Indivi-
    en führt und in das didaktische Gesamtkonzept des         dualisierung von Lernprozessen sowie die zusätzli-
    Unterrichts und des jeweiligen Faches eingefügt ist.      che Förderung von Lernenden mit Beeinträchtigungen
    Dabei dürfen die Themen Datenschutz, Datenmiss-           unterstützen. Alle Bestrebungen, digitale Bildung als
    brauch, Cyber­mobbing und digitale Sucht nicht au-        Einfallstor für die Kommerzialisierung von Bildung
    ßen vor bleiben.                                          zu nutzen, sind dagegen entschlossen zurückzuwei-
       Die Digitalisierung wird unsere Lebens- und Ar-        sen. Die GEW fordert eine sozial gerechte, öffentlich
    beitswelt tiefgreifend verändern. Arbeitsplätze wer-      verantwortete, umfassende Medienbildung.
    den wegfallen und sich verändern, Kommunikati-               Dafür müssen die notwendigen personellen und
    onsformen einem steten Wandel unterworfen sein.           sächlichen Ressourcen bereitgestellt werden. Hier
    Schulen müssen mit digitalen Medien verantwor-            sind Bund, Länder und kommunale Schulträger in der
    tungsvoll umgehen und sie verstärkt in den Unter-         Pflicht. Der angekündigte „Digitalpakt“ darf nicht
    richt einbeziehen, um das Verantwortungsgefühl und        am Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern
    die digitale Selbstbestimmung zu fördern. Dies be-        scheitern. Statt Kirchturmspolitik brauchen wir mehr
    deutet, dass eine Sicht auf Bildung, die die jungen       Zusammenarbeit für gute Gesamtkonzepte.
    Menschen zu nützlichen Rädchen im Getriebe einer
    digitalisierten Wirtschaft macht, abzuwehren ist.
       Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits
    versucht, eine Strategie für die digitale Bildung zu
    entwickeln. Sie hat sich dabei deutlich für einen „Pri-
    mat der Pädagogik“, für eine fächerübergreifende und
    fächerverbindende Vermittlung von Medienbildung
    und für eine entsprechende Grundqualifikation aller
    Lehrkräfte in der Ausbildung ausgesprochen. Dies
    entspricht auch der Auffassung der GEW. Wichti-                                         Ilka Hoffmann
    ge Aspekte wie die soziale Benachteiligung und die
                                                                                            Ilka Hoffmann leitet
    Gefahr der Ökonomisierung der Bildung kommen in                                         den Vorstandsbereich Bildung
    dem Strategiepapier der KMK allerdings zu kurz. Das                                     im GEW-Hauptvorstand.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT                                                                           zum Inhaltsverzeichnis       HLZ 1–2/2019      4

                       Kinderpanzer
                                                                                           halb auf dem Radweg und immer ent-
                                                                                           gegen der Fahrtrichtung. So ein gro-
                                                                                           ßes Auto zu wenden, muss Vati erst
                                                                                           noch auf einem Truppenübungsplatz
                                                                                           lernen. Auch andere Elterntaxis haben
                                                                                           große Probleme beim Rangieren und
      Türenschlagen, Hupen, lautes Geschrei,     Gefahren auf diesem endlosen Mara-        Einparken. Und manchmal einen Auf-
      stampfende Musik direkt unterm Fens-       thon lauern? Frustrierte Rentnerinnen     kleber an der Rückscheibe: „Bruce-Sö-
      ter. Ich falle erschrocken aus dem Bett.   mit Heckenscheren, die sich gegen Mo-     ren an Bord“. Der Transport eines Kin-
      Dabei hat nur die Schule wieder ange-      torenlärm und Gehupe zur Wehr set-        des rechtfertigt jedes Fehlverhalten im
      fangen. Gegenüber befinden sich eine       zen. Riesige Hunde mit Reißzähnen.        Straßenverkehr…
      Grundschule, ein Kindergarten und ein      Schwarze Männer. Wildschweinhorden,           Im Internet finden sich zahlreiche
      Hort. So gut wie keins der armen Kin-      Wölfe und Bären. Dann lieber doch mit     Studien und Kontroversen zum The-
      der kann laufen. Sie werden deshalb        dem SUV direkt vors Schultor fahren.      ma SUV. Jede Menge freier Bürger, die
      im „Elterntaxi“ transportiert. Mittler-        Die Anschaffung eines Kindes          freie Fahrt fordern. Ein „Kenner“ be-
      weile ein fester Begriff bei Wikipedia.    scheint heute unweigerlich mit der        hauptet: Wenn der Staat seine Bürger
      Genauso wie der Begriff „Generation        Anschaffung eines SUV verbunden zu        so gängelt, müssen sie sich halt beim
      Rücksitz“. Die Elterntaxis verstopfen      sein. Ich habe den Verdacht, dass man-    Autofahren austoben. Und wer ande-
      morgens und nachmittags unsere klei-       che Leute sich nur deshalb vermehren,     ren den SUV nicht gönnt, ist einfach
      ne Straße. Sie versperren ungeniert die    weil sie einen Vorwand brauchen, sich     nur ein „Umweltnazi“, vom Sozialneid
      Ausfahrten und pflügen die Gehwege         so ein Riesenauto zuzulegen. Einen Ge-    zerfressen. Die SUV-Kritiker wehren
      auf. Keiner kann vor oder zurück. Statt    ländepanzer, mit dem man spielend Sa-     sich: Sie stellen boshafte Korrelatio-
      den Verstand oder den Rückwärtsgang        vannen, Gletscherwüsten und Trocken-      nen zwischen steigendem Übergewicht
      zu benutzen, wird gehupt, bis auch der     wadis durchqueren kann, die es in jeder   und SUV-Dichte in Deutschland her.
      letzte Anwohner wach ist. Und bis end-     Großstadt reichlich gibt.                 Sie bezeichnen die Panzerfahrzeuge als
      lich jemand nachgibt und aus dem Weg           In diesen Panzern werden die ei-      „kulturell geförderte Selbstgerechtig-
      fährt. „Total loser“…                      genen Kinder wie Trophäen herumge-        keit“, als reine Klimasünde, als Preis-
          Ist das eigene Kind samt Gepäck si-    fahren. Samt Kindersitz, Kinderwagen,     schild auf Rädern. Sie mokieren sich
      cher im Schulhafen gelandet, heulen        Windelpaketen, Trockenmilchdosen,         besonders über die SUV-Muttis, die gar
      die Motoren auf und die Gefährte don-      Trampolins, Laufrädern, Rucksäcken        nicht Auto fahren könnten. Überhaupt
      nern die Straße entlang. Falls ihnen       und was Kinder noch so alles dringend     bräuchten nur Förster, Feuerwehrleute
      niemand im Weg steht. Ob sie dabei an-     brauchen. Das geht schließlich nicht      und Berghüttenbesitzer so einen Ge-
      derer Leute Kinder gefährden oder ein      mit einen Smart oder einem Boller-        ländewagen mit dem Kraftstoffver-
      paar Eichhörnchen platt fahren, spielt     wagen. Unsere Nachbarn haben zwei         brauch eines Kleinlasters. Alle anderen
      keine Rolle.                               kleine Kinder und logischerweise zwei     SUV-Besitzer würden nur von Impo-
          Dreihundert Meter weiter ist eine      SUVs. Einen für Vati und einen für        niergehabe und Selbstbezogenheit ge-
      breite, freie Straße. Viele Sportplätze    Mutti. So ein Riesenauto passt weder      trieben. Oder von einem Bedürfnis nach
      reihen sich aneinander. Gegenüber ruht     in die 50er-Jahre-Garage noch auf die     kokonartiger Geborgenheit.
      ein großer Friedhof. Hier stehen seit      Auffahrt, es sei denn, man lässt das          In Berlin haben sich Elterntaxis
      Monaten nur zwei Wohnwagen und ein         Gartentor offenstehen und das Heck        so rücksichtslos verhalten, dass eine
      Bootsanhänger rum. Hier könnte man         des Geländewagens auf den Bürger-         Schule in der Innenstadt die Schü-
      sein Kind samt Gepäck ungestört aus        steig rausragen. Die Fußgänger schla-     lerlotsen abgezogen hat, weil sie für
      dem Auto laden. Allerdings müssten         gen gern einen ehrfürchtigen Bogen um     deren Unversehrtheit nicht mehr ga-
      Torben und Emma dann dreihundert           das teure Gefährt. Der zweite SUV der     rantieren konnte. Der Senat hat das
      Meter zu Fuß gehen. Wer weiß, welche       Nachbarn steht auf der Straße, immer      Projekt „Tausendfüßler“ ins Leben ge-
                                                                                           rufen. An übersichtlichen Stellen sollen
                                                                                           die Kinder aus dem SUV gesetzt wer-
                                                                                           den und dann gemeinsam zur Schule
                                                                                           laufen. Eine Schule will sogar „Küss-
                                                                                           chen-Haltestellen“ einrichten, damit
                                                                                           sich alle Helikoptereltern ausdauernd
                                                                                           und demonstrativ vom Nachwuchs ver-
                                                                                           abschieden können, ohne andere Ver-
                                                                                           kehrsteilnehmer zu gefährden.
                                                                                               Mich korrumpiert es übrigens auch,
                                                                                           dass man beim Besteigen eines SUV nur
                                                                                           das Gesäß ein wenig eindrehen muss.
                                                                                           Außerdem haben wir neuerdings eine
                                                                                           Enkelin, die wir mit ihrem Spielzeug si-
                                                                                           cher durch die Stadt kutschieren wol-
                                                                                           len. Wir lassen gerade unsere Garage
                                                                                           tiefer legen und vergrößern…
                                                                                                                Gabriele Frydrych
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
5      HLZ 1–2/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                             MELDUNGEN

          Tarif- und Besoldungsrunde                   GEW Hessen kritisiert das                  9. Februar: Fachtagung
          startet am 1. Februar 2019                   „Gute-Kita-Gesetz“                         „Digitalisierung der Schule“
    In den nächsten Tagen startet die Ta-        Mitte Dezember verabschiedete der          Der „Digitalisierung der Schulen“ wid-
    rifrunde 2019 für die Beschäftigten des      Bundestag das Gesetz mit dem wohl          met sich am Samstag, dem 9. Febru-
    Landes Hessen und der anderen Bun-           klingenden Namen „Das Gute-Kita-Ge-        ar 2019, eine gemeinsame Fachtagung
    desländer. Am 27. Januar wird in einer       setz“. Für Dr. Isabel Carqueville, Re-     und Diskussion von GEW, Landesel-
    ersten Runde mit den Vertreterinnen          ferentin für Weiterbildung und Sozi-       ternbeirat (LEB) und Landesschüler-
    und Vertretern der Tarifgemeinschaft         alpädagogik bei der GEW Hessen, ist        vertretung (LSV) im Bürgerhaus Gie-
    deutscher Länder (TdL) verhandelt.           das Gesetz „eine Mogelpackung“, denn       ßen-Kleinlinden. Ausgangspunkte sind
    Der Auftakt in Hessen, das als einziges      auch für Hessen verringern sich die        der angekündigte milliardenschwere
    Bundesland nicht Mitglied der TdL ist,       Chancen für mehr Qualität an den Ki-       „Digitalpakt“ zur Ausstattung der Schu-
    findet am 1. Februar in Wiesbaden statt.     tas. Statt einer nachhaltigen und dau-     len mit digitalen Medien, aber auch der
    Die Forderungen zur Tarifrunde 2019          erhaften Finanzierung durch den Bund,      Streit über die Nutzung von Handys
    hatten die Gewerkschaften kurz vor           wie sie in dem vielversprechenden Eck-     im Unterricht und in den Pausen. LEB
    Weihnachten und damit nach Redak-            punktepapier der Jugend- und Fami-         und LSV drängen schon lange auf eine
    tionsschluss dieser HLZ beschlossen.         lienministerien des Bundes und der         bessere Ausstattung und eine intensi-
    • Einen ausführlichen Artikel findet man     Länder 2017 gefordert wurde, sieht         vere Vermittlung „digitaler Kompeten-
    in dieser HLZ auf Seite 24. Alle aktuellen   der Gesetzesentwurf eine Begrenzung        zen“. Sind die Lehrerinnen und Lehrer
    Informationen und Aktionstermine findet      der Förderung auf das Jahr 2022 vor.       fortbildungsresistente Bedenkenträger,
    man auf der Homepage der GEW www.            Statt 5 Milliarden jährlich sollen nun     wie dies in den Medien oft erscheint?
    gew-hessen.de.                               5,5 Milliarden verteilt auf drei Jahre     Ist die Digitalisierung ein Einfallstor
                                                 reichen. Die versprochene Gebühren-        für die Interessen der Digitalkonzerne?
           HLZ 3/2019: Was steht im              freiheit sei, so die GEW Hessen, zwar      Und wie garantiert Schule den erforder-
           Koalitionsvertrag?                    als ein „Pfeiler sozialer Familienpoli-    lichen Schutz der Daten? Ein ausführ-
                                                 tik“ wichtig, doch in einem Gesetz zur     liches Programm findet man in dieser
    Bei Redaktionsschluss der vorliegen-         Verbesserung der Qualität an den Kitas     HLZ auf Seite 18 und im Internet unter
    den Ausgabe der HLZ 1-2/2019 stan-           habe dies nichts verloren.                 www.gew-hessen.de.
    den die Koalitionsvereinbarungen von             Entscheidender Mangel des Gesetzes
    CDU und GRÜNEN kurz vor dem Ab-              sei die „bewusst schwammige“ Formu-
    schluss. Eine ausführliche Dokumenta-        lierung, man wolle einen „guten Fach-            Delegiertenversammlung
    tion sowie die Bewertungen durch die         kraft-Kind-Schlüssel“. Damit schwin-             der GEW Nordhessen
    GEW findet man in der Märzausgabe            de auch für Hessen die Hoffnung auf
                                                                                            Am Dienstag, dem 14. Mai 2019, findet
    der HLZ und vorab auf der Homepage           vergleichbare und bundesweit gültige
                                                                                            in der Stadthalle Melsungen die nächs-
    der GEW www.gew-hessen.de.                   Standards.
                                                                                            te ordentliche Delegiertenversammlung
                                                                                            des GEW-Bezirksverbands Nordhessen
              Gabriele Frydrych: Seit 20 Jahren in jeder HLZ                                statt. Die Versammlung beginnt um 10
                                                                                            Uhr mit der Wahl des Tagespräsidiums,
    „Undankbare Gören – Oder: Frauen             mete sie 180 weitere Texte dem all-        des Wahlausschusses und der Mandats-
    haben’s einfach schwerer“. Unter die-        täglichen Wahnsinn, nicht nur in der       prüfungskommission und der Geneh-
    sem Titel erschien in der HLZ 1-2/1999       Schule. Ruth Ullenboom steuert in je-      migung der Tagesordnung. Nach den
    vor genau 20 Jahren die erste Glosse         der HLZ eine Zeichnung bei, die das        Grußworten folgen die Rechenschafts-
    von Gabriele Frydrych. Seitdem wid-          „Spot(t)light“ auf Seite 4 illustriert.    berichte des geschäftsführenden Vor-
                                                     Am 11. Januar 2019 erscheint im        stands, der Kassenbericht, der Bericht
                                                 Piper-Verlag das neue Buch unserer         der Kassenprüfung und die Entlastung
                                                 Kolumnistin: „Man soll den Tag nicht       des Vorstands.
                                                 vor dem Elternabend loben“. Mit 10             Die Neuwahlen zum geschäftsfüh-
                                                 Euro sind Sie dabei! Mit viel Humor,       renden Vorstand und die Bestätigung
                                                 Gelassenheit und mit einem großen          der Vorstände der Fach- und Perso-
                                                 Herzen berichtet sie von ihrem Schul-      nengruppen finden im Wechsel mit der
                                                 alltag, der erst richtig irre wird, wenn   Beratung von Anträgen statt. Als in-
                                                 klagewütige Eltern aufkreuzen und an-      haltlicher Schwerpunkt sind ein Refe-
                                                 gebliche „Experten“ ihr zu Finger-Yo-      rat und Diskussionsbeiträge zum Thema
                                                 ga und Achtsamkeitstraining raten. Zu      „Rechtspopulismus – Herausforderun-
                                                 Wort kommen auch gequälte Schulse-         gen in Bildungseinrichtungen“ vorge-
                                                 kretärinnen, Putzkräfte, Mensabetrei-      sehen.
                                                 ber und Erzieherinnen. Wie alle Leh-       • Die vollständige Tagesordnung und
                                                 rerinnen und Lehrer ihrer Generation       eine Übersicht über alle zu wählenden
                                                 hat sie sich seit der Weimarer Republik    Funktionen im geschäftsführenden Vor-
                                                 nicht mehr fortgebildet und genießt die    stand findet man auf der Homepage www.
                                                 viele Freizeit auf ihrem Segelboot oder    gew-nordhessen.de. Einladung, Termine
                                                 bei Bildungsreisen in die Toskana ...      und Anträge gehen den Delegierten recht-
                                                                                            zeitig zu.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
TITELTHEMA: DIGITALISIERUNG UND SCHULE                                               zum Inhaltsverzeichnis       HLZ 1–2/2019      6

     Forderungen an die neue Landesregierung
                      Moderne Ausstattung und landesweites Digitalkonzept
     „Digitalisierung“ heißt das Zauberwort, mit dem die Regie-      Dürfen Smartphones im Unterricht genutzt werden? Sollen
     renden in Land und Bund die Bildung beflügeln wollen. Al-       diese Medien von den Schülerinnen und Schülern und ihren
     lerdings ist es bisher überwiegend eine Politik der Ankün-      Eltern bezahlt werden oder müssen sie von der Schule zur
     digungen. Sollten irgendwann einmal die Mittel fließen, die     Verfügung gestellt werden?
     momentan durch die Differenzen zwischen Bund und Län-              Für all diese Themen gibt es in Hessen bisher nur weni-
     dern über den „Digitalpakt“ blockiert sind, dann wird die       ge Regelungen durch Verordnungen und Erlasse. Soll sich
     Poli­tik auch Pläne und Konzepte zur Verteilung entwickeln      das ändern? Soll die GEW hier klare Vorgaben fordern?
     und – wie im Schulwesen üblich – Top down verordnen. Nach       Oder soll jede Lehrkraft, jedes Kollegium, jede Schulgemein-
     dem, was bisher bekannt ist, dürften diese eher von den Ver-    de „freie Hand“ haben, wie digitale Medien, Hard-und Soft-
     marktungsinteressen der Wirtschaft als von den Bildungsin-      ware am förderlichsten für das Lernen eingesetzt werden,
     teressen von Schülerinnen und Schülern und Pädagoginnen         und die Möglichkeit haben, eigene Konzepte zu entwickeln
     und Pädagogen geprägt sein.                                     und auszuprobieren?
         Deshalb müssen wir uns, muss sich die GEW einmischen        • Ausgangspunkt für Konzepte zur digitalen Ausstattung
     und ihre Einflussmöglichkeiten nutzen, um den Ausverkauf        der Schulen ist nicht „Was haben wir und was kriegen wir?“,
     der Schulen an die IT-Unternehmen zu verhindern, aber auch      sondern muss immer die Antwort auf die Frage sein: „Was
     um sinnvolle pädagogische Konzepte umzusetzen, akzeptable       brauchen wir, um zu besten Lernergebnissen unter den best-
     Arbeitsbedingungen für Lehrer und Schüler zu erreichen und      möglichen Bedingungen zu kommen?“
     den sicheren Umgang mit der Datenflut zu gewährleisten.
                                                                                  Standards ja – aber wofür?
               Leitlinie: Pädagogische Konzepte
                                                                     Die hessischen Schulen stehen weder konzeptionell noch aus-
     Um den Stellenwert des Einsatzes digitaler Medien im Un-        stattungsmäßig am Punkt Null, auch wenn manches State-
     terricht gibt es eine heftige Debatte. Die einen wollen zum     ment in den Medien diesen Eindruck vermittelt. Die Hessische
     Beispiel in den Grundschulen möglichst noch gar keine PCs,      Lehrkräfteakademie bietet Fortbildungen an, die beispiels-
     Notebooks oder Tablets einsetzen, für andere geht es nur um     weise die Nutzung von Lernplattformen mit einem pädago-
     die Frage des Zeitpunkts: Schon ab dem ersten Schuljahr, erst   gischen Konzept verbinden.
     ab Klasse drei oder nur auf eine gewisse Anzahl von Stunden        Auch die regionalen Medienzentren führen medienpäda-
     oder einzelne Fächer begrenzt? Auch bei methodisch-didak-       gogische Gemeinschaftsprojekte mit Schulen durch und bie-
     tischen Themen sind viele Fragen offen: Lesen lernen – mit      ten Medienfortbildungen, Hard- und Softwarewareschulun-
     PC oder ohne? Sollen Grundschulkinder programmieren ler-        gen und ideelle Unterstützung bei der Medienbeschaffung
     nen, zum Beispiel mit dem Calliope mini? Können Online-         an. Sie verfügen über einen großen Bestand an Onlinemedi-
     tests Diagnosen unterstützen? Im Bereich der Sekundarstu-       en für Unterrichtszwecke.
     fe ist der Einsatz elektronischer Medien weniger umstritten,       An vielen Schulen gibt es erprobte und bewährte Kon-
     aber auch hier gibt es Kontroversen über den Umfang des         zepte. Jedoch existieren in Hessen weder einheitliche Stan-
     Einsatzes im Fachunterricht, über die Einführung eines ei-      dards zur Ausstattung der Schulen mit Hardware noch gibt
     genen Fachs Medienbildung und über den Umgang mit In-           es Richtlinien oder Empfehlungen zur Art und Leistungsfä-
     ternet, sozialen Medien, Lernplattformen oder Schulclouds.      higkeit der einzusetzenden Geräte. Unterschiedlich ist auch
     Sollen alle Schülerinnen und Schüler Tablets bekommen?          die Ausstattung – je nach Plan und Finanzlage des zuständi-
                                                                     gen Schulträgers, der in der Regel für eine Hardwaregrund-
                                                                     ausstattung zu sorgen hat. Es gibt auch Beispiele, wo die
     Die Forderungen an eine neue Landesregierung zur Aus-           Schule einen entsprechenden Etat zur Verfügung hat und
     stattung und Nutzung digitaler Medien in Schulen sind in        die Hardware selbst beschafft. Oft gibt es auch eine Misch­
     einem Artikel nicht erschöpfend zu behandeln. Christoph         finanzierung: Die Grundausstattung bezahlt der Schulträger,
     Baumann befasst sich in dem vorliegenden Artikel vorran-        zusätzliche Geräte muss die Schule aus ihrem Etat oder über
     gig mit der Ausstattung und den dafür zu entwickelnden          Sponsorenmittel finanzieren.
     Rahmenkonzepten. Weitere Themenbereiche im IT-Sektor            • Deshalb ist zuerst einmal eine Bestandaufnahme einzu-
     sind die IT-Administration, die individuelle dienstliche Me-    fordern, wie die Schulen ausgestattet sind. Nach einer sich
     dienausstattung der Lehrkräfte, der Aufbau eines zweiten        daraus ergebenden Bedarfsanalyse sollte die zukünftige Lan-
     Verwaltungsnetzes zum Austausch sensibler Daten durch           desregierung ein Konzept für eine Mediengrundausstattung
     Lehrkräfte untereinander und mit der Schule, der Jugend-        einer Schule entwickeln. Jede Schule sollte einen Anspruch
     medienschutz und die Einführung eines Fachs Medienbil-          auf die Finanzierung einer Mediengrundausstattung haben
     dung. Zu diesen Fragen, mit denen sich auch die Arbeits-        und darüber entscheiden können, wie diese in der Schule
     gruppe „Digitalisierung“ im GEW-Landesvorstand befasst,         eingerichtet wird.
     bereitet Christoph Baumann einen weiteren Artikel für die       • Der notwendige Ausbau von inhaltlichen Angeboten
     nächste HLZ vor.                                                – nicht von Vorschriften – für den methodisch-didaktischen
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
7      HLZ 1–2/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                                TITELTHEMA

    Einsatz digitaler Medien im Unterricht steht damit in enger
    Verbindung. Dazu muss die nicht-kommerzielle Fortbildung
    in öffentlicher Verantwortung gestärkt werden. Nicht akzep-
    tabel sind Angebote, die auf private Stiftungen und Organi-
    sationen, Schulbuchverlage oder IT-Konzerne setzen.
        Derzeit ist die Nutzung privater Geräte durch die Schüle-
    rinnen und Schüler für Unterrichtszwecke in der Regel nicht
    erlaubt. Es fehlt an klaren Regelungen für den Datenschutz
    und an einem sicheren und stabilen WLAN. Die Zugänge ins
    pädagogische Netz einer Schule sind im Regelfall streng limi­
    tiert. Lehrkräfte haben große Bedenken, ob sie in der Lage
    sind, die Nutzung ausreichend zu steuern und Missbrauch
    zu verhindern. Dazu kommen soziale Aspekte bezüglich der
    Verfügbarkeit teurer mobiler Endgeräte.
    • Chancengleichheit bedeutet für die GEW deshalb im digi-
    talen Zeitalter auch „Hard- und Softwaregleichheit“.

                      Bring your own device?
    Dass Schulbücher unter die in der Hessischen Verfassung ga-
    rantierte Lernmittelfreiheit fallen, ist unbestritten. Wenn die-
    se aber nur mit elektronischen Medien gelesen werden kön-
    nen, fallen auch diese Geräte unter die Lernmittelfreiheit. Im
    Unterricht benötigte elektronische Medien müssen im Hin-
                                                                             In den Wolken: Nutzung von Schulclouds
    blick auf eine einheitliche Hard- und Software, aus pädago-
    gischen und sozialen Gründen und unter dem Aspekt des Da-          Als Lösung für digitalen Zugang und Kommunikation in-
    tenschutzes den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung            nerhalb der Schule sind „Schulclouds“ in der Diskussion und
    gestellt werden. Wenn nötig, erhält jeder Schüler kostenlos        zum Teil auch schon in der Erprobung (HLZ S. 8–9). Ein Bei-
    ein Notebook oder ein Tablet von der Schule.                       spiel ist die „HPI-Cloud“, die vom Hasso-Plattner-Institut für
        Unübersichtlich ist auch die Verfügbarkeit innerschu-          Digital Engineering entwickelt wurde, das von dem Milliar-
    lischer Netze: Einige Schulträger haben – wie zum Bei-             där und SAP-Mitbegründer Hasso Plattner ins Leben geru-
    spiel die Stadt Frankfurt – fast alle Unterrichtsräume in          fen wurde. Unterstützt vom Bundesministerium für Bildung
    ihren Schulgebäuden verkabelt, so dass alle im gleichen pä-        und Forschung soll sie die technische Grundlage schaffen,
    dagogischen Netzwerk sind. In anderen Regionen betrei-             dass Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler moderne di-
    ben die Schulen ihr Netzwerk in eigener Regie, in der Re-          gitale Lehr- und Lerninhalte über Smartphones oder Tablets
    gel über Kabelverbindungen. WLAN-Lösungen sind bisher              nutzen können. Den Vorteilen einer solchen Schulcloud ste-
    die Ausnahme. Über die Probleme bei der Einrichtung von            hen gravierende Nachteile gegenüber, denn die HPI-Cloud
    WLAN-Zugängen in Frankfurter Schulen, die pädagogisch              soll nach eigenem Bekunden, dazu beitragen, „einen pro-
    und datenschutzrechtlich vertretbar sind, informiert Sebas-        sperierenden Bildungsmarkt mit innovativen digitalen Bil-
    tian Guttmann in dieser HLZ (S. 23).                               dungsprodukten zu etablieren“ (1). Die Cloud dient der Er-
    • Deshalb müssen Vorgaben und technische Lösungen ent-             schließung weiterer Märkte für Digitalprodukte und mit ihrer
    wickelt werden, die es jeder Schule ermöglichen, ein ihrem         Hilfe sollen der Einfluss der Wirtschaft und die Vermark-
    Medienkonzept entsprechendes Netzwerk und die notwen-              tung von Bildung vorangetrieben werden. Sie soll außerdem
    digen Internetverbindungen einzurichten.                           die Möglichkeit bieten, mit Hilfe von Learning Analytics
                                                                       differenzierte Nutzerprofile zu erstellen. Datenrückkanäle
                                                                       dienen dazu, das Lernverhalten der Nutzer zu analysieren,
               Welche Software ist die richtige?
                                                                       um den Unterricht zu „personalisieren“. Mit Hilfe von Lern-
    Bei Schulen in kommunalen Netzwerken gibt es in der Regel          protokollen lassen sich Feinanalysen erstellen, um Nutzer-
    eine vom Schulträger festgelegte Softwareplattform. In die-        gewohnheiten zu analysieren und die Lernsoftware an die
    sen Netzwerken hat die Einzelschule kein Recht, selbst Soft-       Nutzergewohnheiten anzupassen. Schülerinnen und Schü-
    ware aufzuspielen. Dies muss jeweils beim Schulträger be-          lern können dann – selbstverständlich gegen Geld – indivi-
    antragt werden. Grundsätzlich ist die Softwarefinanzierung         duelle Lernprogramme angeboten werden. Ob der „gläserne
    nicht geregelt: Mitunter übernimmt der Schulträger direkt die      Schüler“ das Vertrauensverhältnis zur Lehrperson verbes-
    Kosten, z.B. bei den Softwaregrundplattformen, überwiegend         sert, sei dahingestellt.
    muss sie jedoch aus dem Schuletat finanziert werden.               • Vor der Einführung einer Schulcloud müssen alle Details
    • Eine neue Landeregierung muss Mindeststandards für die           öffentlich zugänglich gemacht werden: Wie funktioniert sie?
    Softwareausstattung der Schulen entwickeln. Die Schulen            Wer administriert sie und was geschieht mit den Daten? Nur
    benötigen einen kostenlosen Zugriff auf das Angebot einer          so wird eine breite Diskussion über das Für und Wider des
    Softwaregrundplattform. Zusätzliche Mittel, um die schuli-         Einsatzes im pädagogischen Raum möglich.
    sche Softwareplattform nach Bedarf zu erweitern, sollten da-                                               Christoph Baumann
    rüberhinaus zur Verfügung stehen. Die Entscheidung, welche
    Software eingesetzt wird, muss bei den Schulen und ihren           (1) zitiert nach Ingo Leipner: „Spinnennetz am Himmel“, Schulver-
    Lehrkräften liegen.                                                waltung Hessen 7/8, 2018, S. 196
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
TITELTHEMA                                                                             zum Inhaltsverzeichnis         HLZ 1–2/2019      8

                                                Schöne neue Bildungswelt?
                    Einführung einer hessenweiten Lernplattform
     Das Hessische Kultusministerium berichtete am 19. Septem-        des selbständigen Arbeitens der Schülerinnen und Schü-
     ber 2018 per Pressemitteilung, es habe sich in den zurück-       ler nicht unerheblich. Gerade in Bezug auf das selbständige
     liegenden Wochen und Monaten auf den Weg gemacht, eine           Arbeiten, etwa bei der Wiederholung von Lerninhalten oder
     benutzerfreundliche digitale pädagogische Lern- und Arbeits-     bei Gruppenarbeiten, können Lernplattformen sinnvoll ein-
     plattform zu entwickeln und aufzubauen. Das neue Schulpor-       gesetzt werden.
     tal solle als geschlossene Plattform für Lehrkräfte und Schü-
     lerinnen und Schüler Möglichkeiten des Austauschs bieten,
     als Lernplattform genutzt werden können, Lehrkräfte bei der                       Big Data in der Bildung
     Unterrichtsorganisation durch Funktionen zur Raumplanung         Im Rahmen des so genannten Blended Learning wird so das
     und Vertretungsplanung unterstützen und Selbstlernangebo-        digitale Lernen mit dem analogen Lernen verknüpft. Darü-
     te für Schülerinnen und Schüler bereit halten. Es drängt sich    ber hinaus werden inzwischen unter den Schlagwörtern Lear­
     der Eindruck auf, dass das Kultusministerium mit dieser Mit-     ning Analytics, Educational Data Mining oder Big Data in
     teilung im Vorfeld der Landtagswahl noch einmal Aktivität        der Bildung auch ganz neue IT-gestützte Möglichkeiten dis-
     beim Mega-Thema Digitalisierung dokumentieren wollte. So         kutiert. Dabei geht es darum, von den Lernenden durch die
     zeigt auch der Blick in die spärlichen mitgelieferten Hinter-    Nutzung digitaler Medien generierte Daten im großen Um-
     grundinformationen, dass sich das Projekt offenbar noch in       fang zu erfassen, zu verknüpfen und für die Analyse von
     der Anfangsphase befindet. Gleichwohl stellt sich die Fra-       Lernprozessen zu nutzen. Es ist offensichtlich, dass solche
     ge, ob diese Ankündigung nicht tatsächlich große Potenzia-       Ansätze den Kern erfolgreichen Lernens – die unmittelba-
     le für die schulische Bildung mit sich bringt.                   re Interaktion mit den Lehrkräften und anderen Lernenden-
         Unter einer Lernplattform ist nach der Definition von Wi-    den – zu unterminieren drohen. Auch stellt sich die Frage
     kipedia „ein komplexes Content-Management-System, das der        nach einem möglichen Missbrauch der Daten. Nicht zuletzt
     Bereitstellung von Lerninhalten und der Organisation von         die von den Fraktionen des Hessischen Landtags für die En-
     Lernvorgängen dient“, zu verstehen. Weiter heißt es dort:        quetekommission Bildung benannten Sachverständigen ha-
     „Aufgabe einer web-basierten Lernumgebung ist, die Kommu-        ben in ihren Stellungnahmen sehr deutlich gemacht, dass es
     nikation zwischen Lernenden und Lehrenden zu ermöglichen.        bislang keine gesicherten empirischen Erkenntnisse für bes-
     Sie fungiert als Schnittstelle zwischen Bildungsanbieter und     sere Bildungserfolge durch digitale Bildung gibt. Vielmehr
     lernender Person.“                                               weisen sie ausdrücklich auf die mit dieser verbundenen Ri-
     Lernplattformen seien abzugrenzen gegenüber Bildungsin-          siken hin: neue Risiken für Bildungserfolge durch erhöhte
     halten, die über das Internet angeboten werden und durch die     Ablenkung, die drohende Entmündigung der Lehrkräfte, die
     üblichen Webpräsenzen oder -portale. Als Vorteile einer Lern-    den Bildungsprozess nicht mehr letztinstanzlich steuern, so-
     plattform werden die Entlastung im Lehrbetrieb, die Regelung     wie die Gefahr des Datenmissbrauchs, insbesondere durch in-
     des Informationsflusses, die Vereinfachung des Lernens und       ternationale IT-Konzerne, die sich der demokratischen Re-
     die Übernahme zahlreicher Verwaltungsaufgaben genannt.           gulierung entziehen. (2)
         Es gibt bereits unterschiedliche Angebote, die ohne spezi-
     elle Kenntnisse im Programmieren genutzt werden können.
     In der Regel lassen sich Lernplattformen über den Brow-          Enquetekommission: Warnungen aller Fraktionen
     ser ohne die Installation einer speziellen Software nutzen.
     Es ist allerdings zwingend erforderlich, sich in die jeweili-    Die Fraktionen haben mehrere einvernehmliche Handlungs-
     ge Plattform mit ihren Anwendungen einzuarbeiten. Lern-          empfehlungen formuliert. Unter anderem betonen sie in die-
     plattformen ermöglichen grundsätzlich das Tracking, also         sen zu Recht den Primat der Pädagogik:
     die exakte Nachverfolgung der Aktivitäten der Nutzerinnen        „Unterricht ohne Lehrer ist keine Option. Unterricht lebt von
                                                                      der direkten Auseinandersetzung in sozialen Gruppen und der
     und Nutzer auf dieser Plattform. Es gibt sowohl kommerzi-
                                                                      face-to-face-Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schüler.
     elle Anbieter wie auch Open-Source-Projekte. Bei der ver-        Daher ist der Gebrauch von automatisierten Lernprogrammen
     breiteten Lernplattform Moodle handelt es sich um ein sol-       im schulischen Unterricht als Ergänzung, nicht als Ersatz für
     ches Open-Source-Angebot, das von der Gemeinschaft der           den Unterricht, der von einer Lehrkraft durchgeführt wird, an-
     Nutzerinnen und Nutzer selbst weiterentwickelt wird. Moodle      zusehen. Die Lehrkraft ist nicht Begleiter, sondern Urheber gu-
     wurde zuletzt 2017 über ein Projekt der Lehrkräfteakademie,      ten Unterrichts. Deshalb muss sie über den Einsatz von digita-
     das auch die Schulung der Lehrkräfte beinhaltete, an hessi-      len Geräten und Lernsoftware im Rahmen und jeweils im Dienste
     sche Schulen gebracht (1).                                       einer konkreten Unterrichtseinheit entscheiden.“
         Lernplattformen ermöglichen es unter anderem, Materi-        Die den Schulen zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur
     alien wie Arbeitsblätter, Texte oder Audiodateien zur Verfü-     müsse zudem zwingend dem Datenschutz genügen:
     gung zu stellen. Darüber hinaus ist es möglich, für Arbeits-     „Beim Einsatz von Lernsoftware mit Online-Anbindung müssen
     gruppen ein Diskussionsforum einzurichten oder Lernfragen        die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden,
     zu stellen. Somit ergänzen und erweitern sie die pädagogi-       um einen Missbrauch dieser Daten auszuschließen. Die rechtli-
     schen Möglichkeiten des Unterrichts im Klassenraum und           chen Regelungen gilt es ggf. anzupassen, um die Privatsphäre zu
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
9      HLZ 1–2/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                                 TITELTHEMA

    schützen und einen Datenmissbrauch zu unterbinden. Gesicher-
    te Bildungsserver und die Bereitstellung von Bildungsclouds, die
    den Anforderungen Rechnung tragen, sollen bereitgestellt und
    von den Schulen genutzt werden können.“

           Eine Schul-Cloud in öffentlicher Hand?
    Als wichtigster Protagonist einer bundesweiten Schul-Cloud
    hat sich das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam positi-
    oniert. Dieses Institut wurde von Hasso Plattner, dem Grün-
    der des Softwarekonzerns SAP, gestiftet. Das HPI entwickelt
    bereits als Pilotprojekt eine Schul-Cloud im Auftrag des Bun-
    desministeriums für Bildung und Forschung. An diesem be-
    teiligen sich die 300 naturwissenschaftlich ausgerichteten
    Schulen des bundesweiten Netzwerks MINT-EC. Veröffentli-
    chungen des HPI zeigen, dass dieses mit der Schul-Cloud auf
    eine tiefergehende Transformation von Bildung zielt: Schü-
    lerinnen und Schüler sollen sich so zu „Bildungspartnern“
    entwickeln, die „selbst Lernangebote oder Nachhilfe für ihre
    Mitschüler bereitstellen“. Die Cloud solle zur Entwicklung ei-
    nes „prosperierenden Bildungsmarkts“ beitragen, etwa indem
    Lehrkräfte, Schüler und öffentliche Einrichtungen dazu an-
    geregt werden, „neue webbasierte Bildungsangebote (…) zu
    entwickeln und zu vermarkten“. (3)
        Wie dieses Beispiel aufzeigt, besteht die Gefahr, dass
    Konzerne über die Entwicklung einer Softwarelösung in
    eine Posi­tion geraten, in der sie maßgeblichen Einfluss auf
    die Ausgestaltung von Bildungsangeboten erhalten. Dieser
    geht dann über die reine Bereitstellung einer digitalen Inf-
    rastruktur weit hinaus. Als ein Gegenbeispiel für eine um-         Am 19.9.2018 stellte Kultusminister Lorz die Demo-Version eines
    fassende Softwarelösung in öffentlicher Hand lässt sich auf        neuen Schulportals für hessische Schulen vor. Im Laufe des zweiten
    die landesweite Schul-Cloud Logineo NRW verweisen. Die-            Schulhalbjahrs 2018/19 sollen zunächst 450 Schulen, die bereits
    se ist im Herbst 2018, allerdings nach einigen Verzögerun-         verschiedene einzelne Bausteine oder Funktionen verwenden, Zu-
    gen aufgrund technischer Probleme, zunächst als Pilot-             griff auf das Schulportal erhalten. Das Schulportal soll in öffent-
    projekt gestartet. Für die technische Umsetzung sind das           licher Verantwortung betrieben werden, aber auch Zugänge zu den
    Kommunale Rechenzentrum Niederrhein und das ebenfalls              Angeboten von Verlagen und Anbietern „adaptiver Lernsysteme“
    öffentliche Zentrum für Medien und Bildung zuständig. Lo-          ermöglichen.
    gineo soll u.a. der Schulorganisation und dem Zugriff auf
    lizensierte digitale Medien dienen. Damit handelt es sich          handelt es sich um ein durchaus ehrgeiziges Vorhaben. Es
    zunächst um keine voll ausgebaute Lernplattform, denk-             bestehen dabei nicht von der Hand zu weisende Chancen,
    bar wäre aber eine Erweiterung zu einer solchen. Aus ge-           neue pädagogische Möglichkeiten und ein vereinfachter und
    werkschaftlicher Perspektive ist bemerkenswert, dass viele         sichererer Umgang mit sensiblen Daten. Bei der Umsetzung
    strittige Fragen bezüglich der Nutzung durch die Lehrkräf-         müssen die Anforderungen, die der Hessische Landtag be-
    te durch eine Dienstvereinbarung der Hauptpersonalräte für         züglich des Primats der Pädagogik und der Sicherstellung
    Lehrkräfte mit dem Ministerium geklärt wurden. Diese regelt        des Datenschutzes formuliert hat, voll berücksichtigt wer-
    unter anderem die Erreichbarkeit durch dienstliche Emails          den. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass dies unter der Fe-
    sowie, dass private Endgeräte nur auf freiwilliger Basis zu        derführung eines privaten Softwarekonzerns möglich wäre.
    verwenden sind. Diese Dienstvereinbarung wurde 2017 mit            Daher ist die Ankündigung zu begrüßen, dass die hessische
    dem vom Bund-Verlag verliehenen Deutschen Personalrä-              Lernplattform auf Open-Source basieren und von öffentli-
    te-Preis in Silber ausgezeichnet.                                  chen Institutionen betrieben werden soll. Das Beispiel der
        Der Aufbau des hessischen Schulportals soll schrittweise       Dienstvereinbarung zu Logineo macht deutlich, dass GEW
    erfolgen, ab dem Schuljahr 2021/2022 soll es flächendeckend        und Personalräte bei der Einführung einer landesweiten Soft-
    verwendet werden. Die Anmeldung soll über alle Endgeräte           warelösung einen Gestaltungsanspruch erheben und auch
    möglich sein, durch ein „Single-Sign-On“-Verfahren stün-           einlösen können.
    den den Nutzerinnen und Nutzern alle jeweils verfügbaren                                                            Roman George
    Anwendungen offen. Das Schulportal soll im Wesentlichen
    auf Open-Source-Software basieren und auf landeseigenen            (1) https://medien.bildung.hessen.de/lernplattform/moodle/index.
                                                                       html
    Servern der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung lau-
                                                                       (2) Hessischer Landtag: Abschlussbericht der Enquetekommission
    fen. Die Datenschutzvorgaben des Hessischen Datenschutz-           „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und
    beauftragten sollen erfüllt werden. Der technische Support         Zukunft schulischer Bildung in Hessen“, Drucksache 19/6222,
                                                                       ­
    sowie die Bereitstellung von Fortbildungsveranstaltungen           S. 132-140, Zusammenfassung in: HLZ 5/2018, S.17-19
    würden durch die Hessische Lehrkräfteakademie sicherge-            (3) Matthias Holland-Letz: Wolkige Lösungen mit Luft nach oben,
    stellt. Wenn diese Ankündigungen ernst gemeint sind, dann          E &W10/2018, S. 17-19.
Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72.Jahr Heft 1/2 Jan./ Febr.2019 - Digitalisierung und Schule - GEW Hessen
TITELTHEMA                                                                                 zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 1–2/2019      10

                                                                Datenschutz in Schulen
                     Hilfestellungen für die Praxis sind Mangelware
     „Jeder Mensch ist berechtigt, über die Preisgabe und Verwen-         entstehen bei digitaler Speicherung durch die archivierba-
     dung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Die         ren Datenmengen und die Übertragungswege neue Gefahren.
     Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme           Mit diesen Fragen muss sich der HLZ-Redakteur genau-
     werden gewährleistet. Einschränkungen dieser Rechte bedürfen         so befassen, wenn es um die Veröffentlichung der Jubiläen
     eines Gesetzes.“                                                     von GEW-Mitgliedern geht, wie die Erzieherin, die mit den
     Dieser Satz wurde als neuer Artikel 12a in die Hessische Ver-        Eltern ihrer Kindergartengruppe in einer Whats-App-Gruppe
     fassung aufgenommen. Dieser Ergänzung der Verfassung                 kommuniziert, und der Lehrer, der ein Fördergutachten der
     stimmten am 28. Oktober 2018 90,9 % der Abstimmenden                 Frühförderstelle, das ihm zur Kenntnis gegeben wird, auf sei-
     zu. Die Nein-Stimmen kamen vorrangig von denjenigen,                 nem privaten Laptop speichert. Wie können sie sicherstellen,
     die alle Änderungen pauschal abgelehnt haben. Fast jedem             dass jeder Mensch „über die Preisgabe und Verwendung sei-
     Menschen ist es offensichtlich wichtig, „über die Preisgabe          ner personenbezogenen Daten“ selbst bestimmen kann und
     und Verwendung seiner personenbezogenen Daten“ selbst zu             seine Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt werden? Die
     bestimmen. Schwieriger wird es dagegen, wenn Menschen                folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den Schulbe-
     privat oder vor allem auch beruflich über personenbezoge-            reich, lassen sich aber auch auf andere Bereiche übertragen.
     ne Daten anderer Menschen verfügen und damit gefordert                   Die Übersicht über die für den Schulbereich gültigen
     sind, diese Daten so zu schützen, dass das individuelle Verfü-       Rechtsvorschriften in dieser HLZ auf den Seiten 10 und 18
     gungsrecht nicht gefährdet ist. Dabei unterscheidet das vom          zeigt die große Kluft zwischen den Vorschriften einerseits und
     Bundesverfassungsgericht proklamierte „Recht auf informa-            der Praxis und den realen Möglichkeiten, den Datenschutz
     tionelle Selbstbestimmung“ zunächst nicht zwischen Daten,            umfassend zu gewährleisten, andererseits. Diese Diskrepanz
     die konventionell bzw. analog gespeichert werden, und sol-           ist in fünf wichtigen Punkten begründet:
     chen Daten, die digital erhoben und gespeichert werden. Ob           • Die Administration in Form von Schulleitungen, Schul-
     Lehrerinnen und Lehrer ihr Notenbuch arglos im Restmüll              ämtern und Kultusministerium fordert die Erhebung von im-
     entsorgen oder digitale Notenlisten unverschlüsselt per Mail         mer mehr Daten, die in vielen Fällen personenbezogen, näm-
     versenden, macht zunächst keinen Unterschied. Allerdings             lich einzelnen Schülerinnen und Schülern zuzuordnen sind.
                                                                          Ein ganz grundlegendes Element des Datenschutzes ist die
                          Zum Weiterlesen                                 Datensparsamkeit, wonach nur das erhoben und gespeichert
                                                                          wird, was zur Erfüllung des gesetzlich verankerten Auftrags
     • Die Verordnung über die Verarbeitung personenbezogener             zwingend erforderlich ist.
     Daten in Schulen und statistische Erhebungen an Schulen vom          • Anders als in allen anderen Betrieben ist der Schulbetrieb
     4. Februar 2009 (Amtsblatt 2009, S.131), zuletzt geändert durch
     Artikel 3 der Verordnung vom 1. April 2015 (Amtsblatt 2015, S.113)   unter den gegebenen Bedingungen nur dadurch aufrechtzu-
     findet man auf der Homepage des Hessischen Kultusministeriums        erhalten, dass Lehrerinnen und Lehrer private Räume und pri-
     https://kultusministerium.hessen.de > Schulsystem > Schulrecht       vate Geräte für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts
     > Schulalltag.                                                       zur Verfügung stellen. Polizistinnen und Polizisten haben ein
     • Die Broschüre „Datenschutz in Schulen – Überblick und Ma-          Diensthandy, Finanzbeamte einen ausschließlich dienstlich zu
     terialien zur Durchführung des Datenschutzes an Schulen“ wurde       nutzenden PC und Richterinnen und Richter Aktentresore, Bü-
     2010 vom Hessischen Datenschutzbeauftragten herausgegeben. Sie       roräume und Verwaltungskräfte für alle administrativen Auf-
     ist jedoch insbesondere nach Inkrafttreten der Europäischen Daten-   gaben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hessen-Forst
     schutzgrundverordnung nicht mehr up-to-date. Auf der Seite des
                                                                          lagern ihre Geräte im Depot und die der Straßenmeisterei fah-
     Datenschutzbeauftragten findet man jedoch zahlreiche hilfreiche
     weiterführende Informationen unter anderem zum Jugendmedien-         ren selbstverständlich im entsprechenden Fahrzeug zur Bau-
     schutz, zu den Inhalten schulischer Webseiten oder zur Nutzung       stelle – um nur einige Bereiche aus dem öffentlichen Dienst
     sozialer Medien: https://www.datenschutz.hessen.de > Datenschutz     zu nennen. Aber Hand aufs Herz: Gerade diese Unterschiede
     > Hochschulen, Schulen und Archive                                   und die damit verbundene größere Flexibilität bezogen auf
     • Wenig hilfreich sind die entsprechenden Internetseiten des         Arbeitszeit und Arbeitsort werden von vielen Lehrerinnen
     HKM. Dort findet man zwar Vordrucke für die Einwilligung von         und Lehrern durchaus als Vorteile des Berufs sehr geschätzt.
     Eltern bei Schülerfotos, doch zur Europäischen Datenschutz-          • Lehrkräfte haben in Schulen nur selten Zugang zu mo-
     grundverordnung wird man schlicht darauf verwiesen, dass den         derner Informationstechnologie. Computer für die Verwal-
     Schulen „in den Staatlichen Schulämtern fachlich kompetente
                                                                          tungsarbeit der Lehrkräfte sind nur vereinzelt vorhanden, oft
     Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu allen relevanten
     Fragen des Datenschutzrechts und der Datenschutzpraxis zur Ver-      veraltet, nur begrenzt funktionsfähig und schon gar nicht
     fügung“ stehen (https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/     ausreichend vor unberechtigten Zugriffen geschützt. Anders
     schulrecht/datenschutz).                                             sieht es in den Schulsekretariaten aus, die oft in die Daten-
     • Die Serviceseite „Datenschutz und IT-Sicherheit“ auf der Home-     schutzsysteme der Schulträger einbezogen sind und deren
     page der Lehrkräfteakademie Hessen mit dort aufgeführten Infor-      Computer und Server professionell gewartet werden. Eine
     mationen zum häuslichen Arbeitsplatz von Lehrerinnen und Leh-        Übernahme der an die Lehrkräfte abgedrückten Verwaltungs-
     rern war bei Redaktionsschluss dieser HLZ nicht mehr zugänglich.     aufgaben scheitert an den völlig unzureichenden personel-
     • Weitere Hinweise findet man in dieser HLZ auf Seite 18.            len Kapazitäten in den Schulsekretariaten.
11     HLZ 1–2/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                               TITELTHEMA

                                                                                                                                           Foto:
                                                                                                                                           Ladislav Kubes;
                                                                                                                                           123RF

     • Die Nutzung neuer digitaler Medien ist gerade für jüngere      „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen
     Kolleginnen und Kollegen zur Selbstverständlichkeit gewor-       haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg
     den. Die Entgrenzung der Lehrerarbeit, in der sich Privatleben   geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, ha-
     und Berufsleben oft überlappen, führt zu einer zunehmenden       ben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst hö-
     zeitlichen Verfügbarkeit für Mitteilungen der Schulleitungen,    here Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wen-
     aber auch zu einer wachsenden Sorglosigkeit im Umgang mit        den. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und
     Daten. Wer – wie die meisten von uns – über Cookies, Be-         Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung
                                                                      befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Wür-
     stellportale oder personalisierte Mediatheken seine persön-
                                                                      de des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist
     lichen Daten preisgibt, kann dies im Rahmen des Rechts auf       und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtin-
     informationelle Selbstbestimmung tun, wird aber möglicher-       nen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Ver-
     weise auch unsensibler für die Daten anderer Menschen, die       langen schriftlich zu erfolgen.“
     in der jeweiligen Verfügungsgewalt liegen.                       Dies auf den Bereich des Datenschutzes zu übertragen, fällt
     • Insbesondere das Hessische Kultusministerium (HKM) ist         nicht schwer. Wird mir eine Aufgabe übertragen, die aus
     seiner Aufgabe, Lehrerinnen und Lehrer für den Datenschutz       meiner Sicht datenschutzrechtlich problematisch ist, habe
     zu sensibilisieren und sie gleichzeitig in die Lage zu verset-   ich die Pflicht, die Schulleitung und das Schulamt zu infor-
     zen, dieser Verantwortung gerecht zu werden, in keiner Wei-      mieren. Bei der Antwort sollte man auf einer schriftlichen
     se nachgekommen. Zu den wenigen Placebos gehört die von          Weisung bestehen. Würde die vorgesetzte Behörde in einem
     Lehrerinnen und Lehrern geforderte Erklärung zur Verar-          solchen Fall wirklich die Verantwortung für alle Folgen über-
     beitung und Speicherung von Daten auf ihrem privaten PC          nehmen? Wohl kaum!
     und die damit verbundene Anmeldung beim Hessischen Da-              Seit längerem arbeitet man im HKM an einer Datenschutz-
     tenschutzbeauftragten. Die Absicht des HKM ist durchsich-        verordnung für Schulen. Auf der Homepage des Hessischen
     tig: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Wenn etwas       Datenschutzbeauftragten heißt es lapidar:
     schief geht, wähnt man sich „aus dem Schneider“.                 „Leider wird die Schul-Datenschutzverordnung nicht rechtzei-
                                                                      tig mit der am 25. Mai 2018 Wirkung erzielenden Datenschutz-
                                                                      grundverordnung (DS-GVO) fertig sein. Daher gelten, soweit die
                      Öfter mal „Nein“ sagen                          DS-GVO nicht unmittelbares Recht im schulischen Bereich setzt,
     Zum verantwortungsvollen Umgang mit Daten gehört die Be-         wie z.B. den Auskunftsrechten der Schülerinnen und Schüler
     reitschaft, auch einmal „Nein“ zu sagen, wenn wieder neue        sowie der Eltern oder den Informationspflichten der Schule als
     Aufgaben, die eigentlich in die Schulverwaltung gehören, an      Verantwortlichem, die in der Verordnung getroffenen Regelun-
     Lehrerinnen und Lehrer delegiert werden sollen. Das Beam-        gen zum schulischen Datenschutz weiter.“
     tenrecht kennt mit der „Remonstration“ sogar eine Verpflich-     Ohne landesweite Eckdaten für die digitale Ausstattung von
     tung, bei rechtlichen Bedenken die Erledigung von über-          Schulen, solange jede Schule und jede Schulverwaltung mit
     tragenen Aufgaben zunächst zu verweigern. Nach § 36 des          anderen Konzepten, anderen Geräten und unterschiedlicher
     Beamtenstatusgesetzes tragen Beamtinnen und Beamte „für          Software arbeitet, bleiben auch Vorgaben für den Daten-
     die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die vol-        schutz Makulatur.
     le persönliche Verantwortung“. Weiter heißt es in Absatz 2:      Harald Freiling, HLZ-Redakteur
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