IN SIDER - MUT ZUM MARKT. Die HZDR Innovation GmbH schreibt Erfolgsgeschichte(n)

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IN SIDER - MUT ZUM MARKT. Die HZDR Innovation GmbH schreibt Erfolgsgeschichte(n)
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SIDER
AUSGABE 29 — MÄRZ 2019

 MUT ZUM
  MARKT.
 Die HZDR Innovation GmbH
schreibt Erfolgsgeschichte(n)
                                © André Wirsig
IN SIDER - MUT ZUM MARKT. Die HZDR Innovation GmbH schreibt Erfolgsgeschichte(n)
INSIDER INHALT 03.2019
                                   06   PORTRÄTIERT Mit extrem hohen Magnetfeldern
                                        bringt Dr. Toni Helm Materialien an ihre Grenzen
                                        und versucht so, der Quantenwelt ihre Geheim-
                                        nisse zu entlocken. Seine Spezialität sind mikro-
                                        strukturierte Proben.

               © Rainer Weisflog
                                   12   ERFORSCHT Endspurt im Felsenkeller: Fast

 06
                                        50 Meter tief unter der Erde haben HZDR und
                                        TU Dresden ein neues Teilchenlabor eingerichtet.
                                        Hier wollen Dr. Daniel Bemmerer und Prof. Kai
                                        Zuber die Kernfusions-Reaktionen der Sonne
                                        untersuchen.

                                   16   DER RICHTIGE MOMENT FÜR DEN MARKT
                                        Mit der Ionen-Implantation fing alles an. Bis
                                        heute ist sie ein wichtiges Geschäftsfeld für die
                                        HZDR Innovation GmbH. Das Unternehmen
                                        versteht sich als Brücke in die Wirtschaft: Damit
               © André Wirsig

                                        Ideen zu Produkten werden und Forschungs­

 12
                                        ergebnisse zu Arbeitsplätzen.

                                        ÜBER DIE SCHULTER GESCHAUT Die Zeit der

                                   26
                                        Provisorien ist vorbei für das 2011 gegründete
                                        Schülerlabor des HZDR. In den neuen Räumen
                                        des DeltaX ist die ganze Breite der Forschung
                                        angesagt. INSIDER wollte wissen, worauf es
                                        ankommt, wenn Jungforscher experimentieren.

                                                                                     © André Wirsig

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02   INSIDER
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Liebe Mitarbeiterinnen,
                                                                      liebe Mitarbeiter,
04   VORANGESTELLT
     Baustart in Freiberg | Gesägt und geschliffen |
     Grenzflächen verbinden | Von Karriere-Wegen

08   SCHNELL INFORMIERT
     Gesund am Arbeitsplatz | Lange krank –
     was nun? | Wie man Mäuse bettet |
     Unser neues „Gesicht“

10

                                                                                                                          © André Wirsig
     ERFORSCHT
     Goethes Gläser | Excellence twice over |
     „Der lange Atem hat sich ausgezahlt“

20   NACHGEFRAGT
     Dr. Björn Wolf, Geschäftsführer der HZDR Inno­                   Im Januar sind in Dresden drei neue Exzellenzcluster
     vation GmbH, erzählt im Interview von neuen Ge-                  gestartet; über enge Kooperationen zur TU Dresden
     schäftsfeldern und von Funken, die überspringen.                 ist unser Forschungszentrum gleich doppelt invol­-

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                                                                      viert. So fließt in den Cluster zur „Physik des Lebens“
     SCHON GEWUSST?                                                   unsere Expertise in der Ultrakurzpuls-Terahertz-
     Ruf nach Berlin | Sachsens Bester |                              Spektroskopie ein. Im Cluster „ct.qmat“ ist das
     Alles Bio | Wie Krebs in die Knochen wandert                     Hochfeld-Magnetlabor Dresden gefragter Partner

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                                                                      in einem überregionalen Forschungsverbund.
     DURCHGESTARTET                                                      Wenn nach langer Vorbereitung die ersten Expe­
     Präziser Schliff für das „Protonen-Messer“ |                     rimente starten, ist das ein spannender Moment.
     Ausgezeichnet                                                    Im Herbst wollen wir gemeinsam mit unseren Part­

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                                                                      nern am Röntgenlaser European XFEL die neue
     VERNETZT                                                         „Helmholtz International Beamline for Extreme
     CROSSING | Go Russia | Deutscher Umweltpreis                     Fields“ (HIBEF) eröffnen. Bereits im Frühjahr nimmt
     für Helmholtz-Forscher | Neue Adresse in Israel |                das Felsenkeller-Labor seinen Betrieb auf. Hier
     3,5 Millionen Euro für SESAME                                    wol­len unsere Teilchenphysiker und ihre Kollegen
                                                                      an der TU Dresden neue Erkenntnisse über das
                                                                      Sonnensystem gewinnen.
                                                                         Von einer brillanten Idee bis zum Erfolg vergehen
                                                                      oft Jahre. Wer wüsste das besser als Dr. Björn Wolf,
                                                    © Detlev Müller

                                                                      der am HZDR den Technologietransfer verantwortet.
                                                                      Wir freuen uns sehr, dass er die HZDR Innovation
                                                                      GmbH weiterführt, und danken Prof. Andreas Kolitsch
                                                                      für sieben erfolgreiche Jahre als Geschäftsführer.
                                                                         Ein guter Ruf öffnet viele Türen, das gilt auch
                                                                      für die Dresdner Forschung insgesamt. Im Juni ent­-
                                                                      scheidet sich, ob die TU Dresden erfolgreich als
                                                                      Exzellenz-Universität bestätigt wird. Dazu leisten
                                                                      wir gerne unseren Beitrag, denn es bringt uns alle
                                                                      voran. In diesem Sinn wünschen wir Ihnen eine
                                                                      angenehme Lektüre!

26                                                                    Prof. Roland Sauerbrey     Dr. Ulrich Breuer

                                                                                                                     INSIDER               03
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VORANGESTELLT

Baustart                                            „Wir wollen einen möglichst effizien-
                                                    ten Umgang mit Rohstoffen und Ener-
                                                                                                        Der Neubau umfasst eine zwölf
                                                                                                      Meter hohe Versuchshalle und einen

in Freiberg                                         gie erreichen. Deswegen simulieren
                                                    wir die Prozesse vorher am Compu-
                                                    ter.“ Im neuen Technikum können die
                                                                                                      Kopfbau mit diversen Funktions-
                                                                                                      räumen. In der 950 Quadratmeter
                                                                                                      großen Halle sind Materialströme
                                                    computeroptimierten Verfahren dann                zwischen einem und 500 Kilogramm
Am Helmholtz-Institut Freiberg für                  unter realitätsnahen Bedingungen                  realisierbar – das schließt die Lücke
Ressourcentechnologie (HIF) des                     getestet und weiterentwickelt werden.             zwischen Labor und Industriemaß-
HZDR entsteht ein neues Metallur-                   Die digitale Vernetzung der Anlagen               stab und soll Forschungsergebnisse
gie-Technikum. Damit will das HIF                   wird dafür ein wichtiger Baustein sein.           schneller in die Praxis bringen. (AW)
seine Forschung zur nachhaltigen
Gewinnung und zum effizienten
Recycling von strategischen Metallen
deutlich ausbauen.
  „Hier haben wir künftig das ganze
Spektrum metallurgischer Verfahren
von der Hydro- bis hin zur Pyro­
metallurgie zur Verfügung“, so HIF-­
Direktor Prof. Markus Reuter.

                                                                                                                                                © Detlev Müller
                                                    Beim offiziellen Baustart am 17. Oktober griff die sächsische Staatsministerin für Wissen­schaft
                                                    und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange (Mitte) gemeinsam mit dem Rektor der TU Berg­akademie
                                                    Freiberg, Prof. Klaus-Dieter Barbknecht, den beiden HIF-Direktoren Prof. Jens Gutzmer und
                                                    Prof. Markus Reuter, Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger und dem Wissenschaftlichen
                                                    Direktor des HZDR, Prof. Roland Sauerbrey, (v.l.) zum Spaten.

                                               Gesägt und geschliffen
                                                                             Die Freiberger Mineralienausstellung „terra mineralia“
                                                                             ist auch bei den jungen Freunden wertvoller Steine
© TUBAF/Terra mineralia/M. Drößler

                                                                             eine angesagte Adresse. Im Kinder-Klub „Mineralinos“
                                                                             befassen sie sich mit dem Sammeln und Bestimmen von
                                                                             Mineralien. Dabei legen sie natürlich selbst Hand an,
                                                                             wie hier beim Schleifen von Fluoritmineralen aus dem
                                                                             Erzgebirge. Damit die Steine schön handlich sind, haben
                                                                             die Gesteinspräparatoren aus dem Helmholtz-Institut
                                                                             in Freiberg sie zuvor zurechtgesägt. Die Spezialisten,
                                                                             die aus Erzen Dünnschliffe und Körnerpräparate für
                                                                             hoch­moderne Rohstoffanalysen herstellen, unter­stützen
                                                                             die „Mineralinos“ schon seit Jahren. (AW)

                                                                             www.terra-mineralia.de

04                                   INSIDER
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VORANGESTELLT

                            Grenzflächen verbinden
Prof. Kerstin Eckert (HZDR/TU Dresden) und Prof. Aliyar           Beweglich­keit von Blasenoberflächen verändert, wenn sich
Javadi (University of Tehran) forschen an verwandten              Komplexe aus Partikeln und Tensiden daran anlagern.
Themen; Grenzflächen-Phänomene sind ihr verbindendes              Tenside sind grenzflächenaktive Substanzen, sie haben
Element. Seit August 2018 ist Javadi, Chemie-Ingenieur            eine wasserabweisende und eine wasseranziehende
aus dem Iran, als „DRESDEN Senior Fellow“ zu Gast an              Seite und können zwischen Luft, Partikeln und Wasser
der TU und arbeitet auch am HZDR-Institut für Fluid­              vermitteln. Das nächste Ziel ist eine innovative Technik
dynamik intensiv mit Kerstin Eckert und ihrer Abteilung           zur Herstellung von Membrankapseln aus Tensiden und
zusammen.                                                         Biopolymeren. (KS)
   „Seit 2010 haben wir fachlich immer wieder miteinan­
der zu tun“, schildert Eckert. Damals waren beide im
DFG-Schwerpunktprogramm 1506 „Transportprozesse
an Grenzflächen“ involviert, Javadi als PostDoc und Pro-
jektleiter am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenz-
flächenforschung in Potsdam-Golm. Als Javadi 2017 zur
„Iranwoche“ an die TU Dresden kam, war das der Auftakt
zu einer engen Kooperation mit aktuell zwei gemeinsamen
Doktoranden.
   Javadis Spezialgebiet ist die Stoff-Anlagerung an Grenz-
flächen, während sich Kerstin Eckert und ihr Team tech-
nologischen Prozessen für die Rohstoff-Industrie widmen.
Gemeinsam konnten die Forscher klären, wie sich die

                                                                  Kerstin Eckert und Aliyar Javadi im Labor am Institut für Fluiddynamik.

Von Karriere-
Wegen                                        Im Januar trafen sich HZDR-Mitar­
                                             beiter und ehemalige Kollegen zum
                                             „Alumni-Talk“: Drei frühere Dok-
                                                                                           Abend auch, um mit den Refe­renten
                                                                                           ins Gespräch zu kommen und Netz-
                                                                                           werke aufzubauen.
                                             toranden berichteten von ihrem                  Die Mischung der Gäste sorgte für
                                             Berufsleben. Dr. Tobias Heinrich,             einen spannenden Abend. Organisiert
                                             Alumnus des Instituts für Radio­              wurde die Veranstaltung von der
                                             pharmazeutische Krebsforschung,               Abteilung Technologietransfer und
                                             sprach über seine Arbeit als Labor­           Innovationen im Rahmen des BMBF-
                                             leiter bei der Bayer AG. Thoralf Gebel,       Projektes „TTO-ALUMNI“. Das Ver­
                                             der am Institut für Ionenstrahl­­-            bundvorhaben von HZDR und dem
                                             ­physik und Materialforschung promo­-         Karlsruher Institut für Technologie
                                              viert hatte, erzählte von seinen             (KIT) zielt darauf ab, ehemalige Dok-
                                              Erfahrungen als vielfacher Firmen-           toranden, Studenten und Mitarbeiter,
                                              gründer und Professor an der Fakul-          die in die Wirtschaft gewechselt sind,
                                              tät Wirtschaftsingenieurwesen der            in die Arbeit der Technologietransfer-
                                              Hochschule Mittweida. Tobias Seidel,         Büros (TTO) wissenschaftlicher Ein-
Auch „Business & Beer“ gehört zum TTO-        Alumnus des Instituts für Fluid­             richtungen einzubinden. (NK)
Projekt. So besuchten Transferexperten und    dynamik, stellte seine Karriere bei
Alumni des HZDR im November gemeinsam
die Gläserne Manufaktur.                      der Energiefirma Sunfire GmbH vor.           www.hzdr.de/alumni
                                              Die etwa 35 Teilnehmer nutzten den

                                                                                                                          INSIDER      05
IN SIDER - MUT ZUM MARKT. Die HZDR Innovation GmbH schreibt Erfolgsgeschichte(n)
© Rainer Weisflog
   MIKRO
EXPERIMENTE
     M I T S TA R K E R A N Z I E H U N G S K R A F T

        Mit extrem hohen Magnetfeldern bringt Dr. Toni Helm neuartige Materialien
      an ihre Grenzen. Er versucht so, der Quantenwelt ihre Geheimnisse zu entlocken.
     Sein Arbeitsplatz liegt hinter schweren Stahltüren. Von großen Kondensatorbänken
         gespeist, können hier für kurze Zeit Magnetfelder bis über 90 Tesla erzeugt
                                und in Proben wirksam werden.

06    INSIDER
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PORTRÄTIERT

                                                              Brücke zwischen Nano- und Makro-Welt

                                                              Nach seiner Postdoc-Zeit in Berkeley, Kalifornien, forschte
                                                              Helm zweieinhalb Jahre am Max-Planck-Institut für
„Wer neuartige Materialien entwickeln will, muss sie          Chemische Physik fester Stoffe (MPI CPfS) in Dresden.
verstehen. Warum reagieren sie auf bestimmte Einflüsse,       Das Ziel: aus einkristallinen Substanzen mikroskopisch
welche Effekte treten auf mikroskopischer Ebene auf?“,        kleine elek­tronische Geräte zurechtschneidern. Er nutzt
sagt Toni Helm. „All das sehen wir am besten, wenn            fokussierte Ionenstrahl-Anlagen im MPI und hier am
wir sie an ihre Grenzen führen.“ Unkonventionelle             HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialfor-
metallische Leiter und Quantenmagnete stehen aktuell          schung, um mit Nanometergenauigkeit dreidimensionale
im Fokus seiner Forschung am Hochfeld-Magnetlabor             Strukturen zu erzeugen. Damit schließt er die Lücke
Dresden. Im August kam der Physiker im Rahmen des             zwischen Experimenten in der Nano- und der Makro-Welt.
High-Potential-Programms an das HZDR. Phänomene wie              Ein neues Material zu untersuchen, kann mühsam sein.
widerstandsloser Stromtransport und frustrierte Magnet­       Meistens wachsen Kristalle zu sehr komplexen Formen.
spin-Anordnungen interessieren ihn besonders. „Hier           Auch sind die neusten Züchtungen anfangs nur winzig
schlummert großes Potenzial für schnelle und effiziente       klein, ja pulverförmig, bevor das Wachstumsverfahren in
Energie- und Informationsübertragung.“ Den Phänomenen         aufwendiger Detailarbeit optimiert wird. Anschließend
trauen Physiker sogar zu, komplett neue Wege der Infor-       muss geschnitten und poliert werden. Für Grundlagen­
mationsverarbeitung und -speicherung zu eröffnen.             experimente ist das nicht gerade ideal. Darauf kann Toni
                                                              Helm verzichten. Mit seinem Verfahren hat er immer den
Roter Faden durch ein Forscherleben                           besten Teil einer Probe im Blick.
                                                                 „Aktuell arbeite ich sehr eng mit Kollegen aus Talla­
„Zu den hohen magnetischen Feldern bin ich durch Zufall       hassee in Florida zusammen. Gemeinsam lassen wir
gekommen“, erzählt der 35-Jährige. „Ich war schon immer       extrem hohe Drücke von bis zu einem halben Megabar
vom Mysterium Hochtemperatur-Supraleitung fasziniert.         im gepulsten Feld auf Metalle mit besonders schweren
Während meines Studiums in München habe ich als               Ladungsträgern – sogenannten Schwere Fermionen –
Werksstudent an neuen Materialien geforscht, Pulver ge-       bei Temperaturen nur 0,5 Grad über dem absoluten
mischt, Kristalle gezüchtet.“ In seiner Diplomarbeit nutzte   Nullpunkt wirken.“ Um diesen Ansatz in der Material­
er dann hohe Magnetfelder und kam neuartigen Erschei-         forschung weiter voranzubringen, ist er Teil einer ständig
nungen in seinen Materialien auf die Spur. Als Doktorand      wachsenden Community für Mikro- und Nano-Prozessie-
am Walther-Meißner-Institut der Bayerischen Akademie          rung. Hier kooperiert Helm zum Beispiel mit Kollegen von
der Wissenschaften wollte er ihnen auf den Grund gehen.       Max Planck in Dresden, der Eidgenössischen Technischen
„Als Gastwissenschaftler war ich bereits oft hier am          Hochschule Lausanne (ETHL) in der Schweiz, der Univer­
HZDR, ebenso auch in anderen europäischen Hochfeld­           sitäten in Cambridge, Großbritannien, und im US-ameri­ka­-
einrichtungen. Die Magnetfeld-Untersuchungen brachten         nischen Berkeley.
sehr interessante Ergebnisse“, erinnert er sich.                 „Für mein Forschungsgebiet ist das Helmholtz-Zentrum
  Die Komplexität seines Forschungsfeldes ließ ihn nicht      optimal“, sagt der Wissenschaftler. „Wir haben diese
mehr los. Nur die Kombination von anspruchsvollen Theo­       Large Scale Facilities, die sich ein normales Labor nicht
rien mit ebenso anspruchsvollen Experimenten würde            leisten kann: das Pulsfeld-Magnetlabor mit den höchsten
helfen, um wirklich voranzukommen. „Die hohen Felder          erzeugbaren magnetischen Feldern und gleich nebenan
sind eines der Hauptwerkzeuge in der Festkörperphysik,        das Ionenstrahlzentrum mit weltweit führender Expertise
um neuartige Zustände in Materialien zu untersuchen.          in beschleunigten Ionen.“ Um seine mikrostrukturierten
Deshalb kam ich immer wieder damit in Berührung. Und          Proben in die Extreme zu treiben, sind das optimale Be-
seit ein paar Jahren habe ich auch regelmäßig für Experi­     dingungen. „Deshalb habe ich schon längerfristig darauf
mente in einem ähnlichen Labor in Los Alamos in New           hingearbeitet, hier ein kleines Labor einzurichten.“
Mexico gearbeitet.“ Magnetfelder, so meint der Physiker,         Diesem Ziel ist er nun einen Schritt nähergekommen.
ziehen sich seither wie ein roter Faden durch sein Leben.     Seit August baut er seine eigene Arbeitsgruppe auf.
                                                              Helms Augen strahlen: „Dresden ist Heimat. Ich wurde
                                                              in Rochlitz, nur 80 Kilometer entfernt von hier geboren.
                                                              Ein Großteil meiner Familie lebt hier. Und jetzt kann ich
                                                              hier auch noch Wissenschaft betreiben.“ (Kai Dürfeld)

                                                                                                            INSIDER   07
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l l i n f o r m i e rt
Schne
                               Gesund am Arbeitsplatz

Für die Beschäftigten des HZDR           psychischer und physischer Gesund-       einer Vorsorge, etwa bei Auslands-
stehen seit Januar an allen Standorten   heit. Sie darf nur von ermächtigten      aufenthalten in Gebieten mit beson-
Betriebsärzte zur Verfügung. Damit       Betriebsärzten durchgeführt werden.      deren klimatischen Belastungen,
entfallen erhebliche Reisezeiten,           Beim Beratungstermin erfolgt          bei Tätigkeiten mit Infektionsgefähr­
etwa von Freiberg nach Dresden.          durch die Ärztin eine individuelle       dungen oder bestimmten Gefahrstof-
Gleichzeitig wird die Betreuung der      Anamnese. Diese kann durch körper- fen. Besonders strenge Regeln gelten
Mitarbeiter und Führungskräfte ver-      liche oder klinische Untersuchungen      für beruflich exponierte Beschäftigte
bessert: Die lokalen Ansprechpartner     ergänzt werden. Der Arbeitgeber          in Strahlenschutzbereichen und
können unkompliziert kontaktiert         wird nur über die Teilnahme infor-       Berufskraftfahrer. Hier schreibt der
oder zu Arbeitsplatzbesichtigungen       miert, die medizinischen Befunde         Gesetzgeber Untersuchungen zur
eingeladen werden.                       unterliegen dem Datenschutz.             Feststellung der gesundheitlichen
  Die arbeitsmedizinische Vorsor­ge         Entsprechend der ausgeübten           Eignung vor. (StS, AH)
hat zum Ziel, arbeitsbedingte Er-        Tätigkeiten wird
krankungen frühzeitig zu erkennen        unterschieden
und zu verhüten. Sie ergänzt die         zwischen dem                  Betriebsärztinnen für das HZDR :
technischen, organisatorischen oder      Angebot, etwa bei
persönlichen Schutzmaßnahmen             Bildschirmtätigkei-           Dresden:   Dr. med. Berit Diettrich
durch Beratung der Beschäftigten zu      ten oder der Pflicht          Freiberg: Dipl.-Med. Beate Herrmann
den Wechselwirkungen von Arbeit,         zur Teilnahme an              L eipzig: Dr. med. Anita Fichtner
                                                                    Schenefeld: Dr. med. Katharina Bünz

                                                                                       å
                                                                   www.hzdr.de/arzt

Lange krank – was nun?

Mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)           HZDR-Vorstand und der Gesamtbetriebsrat haben eine
bietet das HZDR seinen Beschäftigten Unterstützung an,       Betriebsvereinbarung zum BEM abgeschlossen, die den
wenn sie nach längerer oder wiederholter krankheitsbe-       konkreten Ablauf und die Rahmenbedingungen regelt.
dingter Abwesenheit in das Arbeitsleben zurückkehren.        Sie gilt für alle Beschäftigten des HZDR. Für Organisation
Dabei gilt es, chronische Krankheiten zu vermeiden,          und Gestaltung ist der Arbeitskreis BEM im Rahmen des
die am Arbeitsplatz entstehen können, oder künftigen         betrieblichen Gesundheitsmanagements verantwortlich.
Arbeitsunfähigkeiten vorzubeugen. Die Arbeitsfähigkeit       BEM-Koordinatorin des HZDR und zentrale Ansprech-
der Beschäftigten soll mit diesem Angebot erhalten und       partnerin für Betroffene ist Franziska Hübner, Bereich
gefördert werden. Ein BEM-Verfahren zielt auf individuel-    Familie und Gesundheit. (FH)
le Lösungen, die die Beschäftigungsfähigkeit des Arbeit-
nehmers in den Vordergrund stellen soll.                     www.hzdr.de/BEM

08   INSIDER
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SCHNELL INFORMIERT

Wie man Mäuse bettet

                                                            Mit seiner Arbeit trug Bergmann dazu bei, dass For-
                                                            schungsergebnisse zur Krebsmedizin in die Vorklinik
                                                            kamen. Kombinationen aus Positronen-Emissions-Tomo-
                                                            graphie (PET), Single-Photonen-Emissions-Tomographie
                                                            (SPECT), Computer-Tomographie (CT) und Magnet-Reso-
                                                            nanz-Tomographie (MRT) bieten im Tiermodell detaillierte
                                                            Informationen über Tumore. „Dadurch konnte die Anzahl
                                                            der benötigten Mäuse und Ratten für die Entwicklung
                                                            neuer Radiodiagnostika und Therapeutika deutlich
                                                            verringert werden“, sagt der Biochemiker. Ein speziel-
                                                            les „Mäuse-Bett“ machte diese kombinierte Diagnostik
                                                            möglich. Bergmann hatte es gemeinsam mit Technikern
                                                            entwickelt, um Bilder verschiedener Methoden exakt
                                                            übereinanderlegen zu können, und dafür 2008 den Tech-
                                                            nologiepreis des Forschungszentrums erhalten.
Ihn kennt jeder, der am HZDR Radiopharmazie betreibt:         Die letzten fünf Jahre fand Bergmann noch einmal rich-
Fast 40 Jahre hat Dr. Ralf Bergmann hier geforscht. Nach    tig spannend: „Prof. Michael Bachmann brachte als Insti-
Biochemie-Studium und Promotion startete er 1981 im         tutsdirektor die Antikörperforschung und die Radio-Im-
Bereich Radioaktive Isotope. Das damalige Zentralinstitut   munologie ans HZDR. Damit ist eine enorme Selektivität
für Kernforschung (ZfK) in Rossendorf galt als herausra-    in die Krebsmedizin gekommen. Wir erreichen Zielstruk-
gende Adresse für Radionuklid-Chemie und Radiophar-         turen, die früher undenkbar schienen.“
mazie. „Hier habe ich mein Forschungsgebiet gefunden“,        Seit November ist der Biochemiker im Ruhestand.
sagt Bergmann, „und bin ihm treu geblieben. Die Ent-        „Bisher hatte ich das Glück, für mein Hobby bezahlt zu
wicklung von Radiopharmaka im Labor, Tierversuche zur       werden, jetzt gebe ich etwas dafür“, sagt der Forscher und
Bioverteilung und Wirksamkeit, die Bildgebung – das         freut sich, am HZDR weiter an Projekten mitzuarbeiten,
sind so viele Facetten.“                                    die ihn brennend interessieren. Außerdem nahm er einen
                                                            Lehrauftrag der Semmelweis-Universität Budapest an. Als
                                                            Gastprofessor der medizinischen Fakultät unterrichtet
                                                            Bergmann molekulare Bildgebung. Die Uni-Labore darf er
                                                            mit nutzen: eine Win-Win-Situation. (AS)

                                        Unser neues „Gesicht“
Auf den ersten Blick vertraut, auf      wir genutzt, um unser Logo für die       Logo bereits zum Tragen. Präsen-
den zweiten ganz neu: Das HZDR          verschiedensten Anwendungen pass-        tations- und Postervorlagen, Brief-
präsentiert sich mit neuem Design.      fähig zu machen“, sagt Dr. Christine     köpfe und vieles mehr werden in
Nachdem sich die Helmholtz-             Bohnet, Leiterin Kommunikation und       den nächsten Wochen ins Intranet
Gemeinschaft im Herbst 2017 von         Medien. So gibt es jetzt eine Variante   gestellt und sind dann verbindlich
ihrer „Welle“ verabschiedet hatte,      für extreme Querformate.                 zu nutzen. Ansprechpartnerin für
steht dieser Schritt nun auch im          Bei aktuellen Publikationen wie        alle Fragen zum Corporate Design
Zentrum an. „Diese Chance haben         diesem INSIDER kommt das neue            ist Christine Bohnet.

                                                                                                          INSIDER      09
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ERFORSCHT

     GOETHES
          GLÄSER
                                       und die Farben im Licht

                                                                                                                © Klassik Stiftung Weimar

Gisela Maul betreut die Naturwissen-
schaftlichen Sammlungen der Klassik
           Stiftung Weimar.

                                                         Diese Prismen aus dem Nachlass von Goethe kamen 2018
                                                                   zu Material­untersuchungen ans HZDR.

                 Werke wie „Faust“ oder „Götz von Berlichingen“ machten Johann Wolfgang von Goethe
                weltbekannt. Er selbst hielt indes seine „Farbenlehre“ für bedeutsamer als sein gesamtes
                   literarisches Werk. Der Dichterfürst – ein Naturforscher? Schon kurz nach seinem
                         Tod im Jahr 1832 begann Goethes Ruhm auf diesem Gebiet zu bröckeln.
                               Ein Berliner Erkenntnistheoretiker möchte ihn rehabilitieren.

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ERFORSCHT

                                                             Ionenspektren die Zusammensetzung möglichst genau
                                                             zu rekonstruieren – ein vieldimensionales Puzzle: „Wir
Es war ein langer Weg für jene „Patienten“, die im Juni      haben vier verschiedene Spektren für jedes Glas erhalten.
2018 am Ionenstrahlzentrum (IBC) untersucht wurden.          Die habe ich zunächst einzeln ausgewertet und anschlie-
Dabei dauert eine Fahrt von Weimar nach Dresden nicht        ßend in mehreren Annäherungen miteinander korreliert“,
einmal drei Stunden. Doch ursprünglich durften die elf       schildert der Physiker. „Die Werte der einzelnen Elemente
Glasprismen das Nationalmuseum gar nicht verlassen: Es       beeinflussen sich wechselseitig – bis alles passte, hat es
sind kostbare Originale aus dem Nachlass Goethes.            Wochen gedauert.“
                                                               Mitte September erhielt Olaf Müller die Ergebnisse.
Ein Ergebnis – viele Fragen                                  Tatsächlich wurden im Vergleich zu den BAM-Messun-
                                                             gen weniger Siliziumdioxid und dafür mehr Glaswandler
„Jetzt wissen wir zumindest, dass die Prismen echt sind“,    gefunden, solche Zusätze senken die Schmelztemperatur.
sagt Prof. Olaf Müller, der an der Humboldt-Universität      Die Zusammensetzung entspricht Gläsern der Goethe-
Berlin Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften          zeit. Am Ziel ist er damit noch nicht – aber einen Schritt
lehrt: „Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden sie um          weiter: „Jetzt wollen wir rekonstruieren, was Goethe bei
1800 hergestellt.“ Zwischenzeitlich standen Zweifel im       seinen Experimenten wirklich gesehen hat. Den Raum, in
Raum, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prü-      dem er vermutlich forschte, haben wir in Weimar genau
fung (BAM) hatte bei ihren Analysen vor Ort in Weimar        ausgemessen – das alles fließt in unsere Computersimu-
teilweise sehr hohe Siliziumdioxid-Anteile gefunden.         lationen ein“, sagt der Erkenntnistheoretiker. Am liebsten
Gläser dieser Zusammensetzung konnten zu Goethes             würde er identische Prismen schmelzen lassen. Die Origi-
Zeiten nicht hergestellt werden, erfuhr Müller von einem     nale stehen für Versuche nicht zur Verfügung, doch von
Experten für Glas-Chemie an der Universität Jena: „Die       heutigen Gläsern unterscheiden sie sich teils beträchtlich.
nötigen Schmelztemperaturen hätten Glasmacher mit
damaligen Methoden kaum erreicht.“                           Großer Streit mit Folgen
  Der Röntgenfluoreszenz-Analytiker der BAM vermutete
verzerrte Ergebnisse durch Glas-Alterung und empfahl         Warum dieser Aufwand? „Um 1800 gab es einen großen
das HZDR. Hier fand Müller offene Ohren: „Weil das           Gelehrtenstreit in Europa. Anlass war das Postulat Isaac
wissenschaftliche Interesse im Vordergrund steht und die     Newtons, dass weißes Licht sich aus den Farben des
Analyse historischer Gläser alles andere als Routine ist,    Regenbogens zusammensetzt. Goethe mochte das nicht
haben wir mit der Humboldt-Universität eine Forschungs-      glauben, er sah die Natur als Ganzheit, die sich aus Pola-
kooperation vereinbart“, erklärt Dr. René Heller vom         ritäten speist und nach Symmetrie strebt.“ Detaillierten
IBC. Müller war erleichtert: Sein Budget war durch die       Tagebuchaufzeichnungen zufolge ließ der Geheimrat sich
BAM-Untersuchungen bereits aufgebraucht, er hätte erst       bei einem bekannten Jenaer Glasmacher besagte Prismen
neue Mittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft         fertigen und versuchte seinerseits, der Natur des Lichts
(DFG) beantragen müssen.                                     auf die Spur zu kommen. Die Ergebnisse ungezählter
                                                             Experimente fasste er schließlich in der tausendseitigen
Gespür für das richtige Maß                                  „Farbenlehre“ zusammen.
                                                                „In der Schule habe ich gelernt, dass Goethe irrte und
Schließlich stimmte auch die Klassik Stiftung Weimar zu      Newton schließlich Recht behielt“, erinnert sich Müller.
und die Prismen durften auf Reisen gehen. Kustodin Gi-       „Aber zur Geschichte der Optik gehört auch Johann
sela Maul persönlich brachte sie, sorgfältig in Holzkoffer   Ritter.“ Von Goethes Ideen inspiriert, entdeckte dieser
verpackt, ans HZDR. Das Team am IBC hatte Dr. Michael        1801 das UV-Licht. Beide trafen sich zu gemeinsamen
Mäder von den Staatlichen Kunstsammlungen Dres-              Experimenten. „Wie kann ein gravierender Irrtum eine
den dazu geholt – einen erfahrenen Kunst-Analytiker:         so bedeutende Entdeckung hervorbringen?“, wundert
„Historische Gläser sind sensibel. Bei Ionenstrahl-Unter-    sich der Philosoph und würde den Ruf des weltberühmten
suchungen muss man sich behutsam an die richtige Dosis       Dichters als Naturforscher gern rehabilitieren: „Goethe
herantasten, damit sie keinen Schaden nehmen“, schildert     war ein gewissenhafter Experimentator. Wer weiß –
Mäder. Einige Prismen zeigten nach der Messung trotz-        vielleicht hätten sich die Wissenschaften und unsere
dem dunkle Flecke – wie vorausgesagt, verschwanden           Gesellschaft ganz anders entwickelt, wenn sich die Phy­-
diese nach ein paar Tagen von selbst.                        sik des 19. Jahrhunderts nicht komplett auf die Seite des
  Zwölf Stunden dauerte das eigentliche Messprogramm         nüchternen Analytikers Newton geschlagen hätte.“ (AS)
am IBC. Während die Gläser längst wieder in Weimar
standen, machte sich Dr. Frans Munnik daran, aus den

                                                                                                           INSIDER    11
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© André Wirsig

                 ENDSPURT IM

                 FELSENKELLER
                                                                                 Tausend Schrauben für ein Rohr

                 Der Strahlengang steht. Deutschlands tiefstes Untertage-        Spannung kommt Dutzende Meter unterm Fels garantiert
                 Teilchenlabor nimmt im Frühjahr 2019 seinen Beschleuniger       auf. Spätestens dann, wenn die Forscher die ersten Helium-
                 in Betrieb. Fast 50 Meter unter der Erdoberfläche sollen        und Kohlenstoff-Ionen auf Tempo bringen. Auf Bruchteile
                 im Plauenschen Grund, ganz im Süden Dresdens, Kern­             von Millimetern genau muss dafür das Strahlführungs-
                 reaktionen untersucht werden, die im Inneren von Sternen        system ausgerichtet sein. Und das ist komplex, das haben
                 ablaufen.                                                       Ionenbeschleuniger so an sich. Mehrere Monate war das
                                                                                 Team mit der Grobjustierung beschäftigt, im Dezember
                 In den Stollen 8 und 9 am ehemaligen Eislager der Felsen-       kamen die Feinheiten an die Reihe. Bernd Rimarzig vom
                 keller-Brauerei hat sich viel getan seit April 2017. Zwar ist   Institut für Strahlenphysik hat die Schrauben nicht ge­
                 von außen wenig zu sehen, seit der zehn Tonnen schwere          zählt: „Hier muss jedes Teil fest verankert sein, es geht
                 Beschleuniger-Tank mit großer Technik vorsichtig in den         um Tausende Details. Manchmal hatte ich wochenlang
                 Gang gehievt wurde. Längst steht er hier nicht mehr zwi-        kaum etwas anderes in den Händen als den Akkuschrau-
                 schen nackten Felswänden. Ein stabiles, extradichtes In-        ber“, erzählt der Elektronik-Ingenieur. Mittler­weile ist das
                 nenhaus sorgt dafür, dass die Stollen-Luft nicht ins Labor      Strahlrohr komplett geschlossen und die Pumpen laufen:
                 kann. Die Experimentier-Räume sind vollklimatisiert. Dr.        Ionenstrahlen brauchen Vakuum.
                 Daniel Bemmerer lacht. „Bei uns muss niemand frieren.             Am HZDR gehört Rimarzig mit seinen 33 Dienstjahren
                 Aber die Klimaanlage haben wir aus anderen Gründen:             fast zum „Urgestein“. Mit Beschleunigern kennt er sich
                 Hohe Luftfeuchte verträgt sich schlecht mit elektrischer        aus. Einige Jahre hat der Ingenieur für eine Kooperation
                 Hochspannung.“ Der Kernphysiker ist Gruppenleiter für           mit Jülich Detektoren entwickelt und in den Ringbe-
                 das neue Beschleuniger-Labor, das HZDR und TU Dresden           schleuniger dort eingebaut. Ab der Jahrtausendwende
                 gemeinsam bauen und betreiben.                                  befasste er sich mit dem Freie-Elektronen-Laser in Dresden
                                                                                 und der ELBE-Infrastruktur. Den Beschleuniger-Tank
                                                                                 für das Untertage-Labor kennt er bereits aus den Werk-
                                                                                 stätten des HZDR-Campus, wo die Anlage für die neuen

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ERFORSCHT

Aufgaben vorbereitet wurde. „Wir haben das Innenleben
komplett erneuert, so ist der Beschleuniger jetzt auf dem                Woher kommt unser Sauerstoff?
neuesten Stand.“
                                                                         Bisherige Berechnungen der Astrophysik beruhen auf an-
Alles außer schwerem Wasserstoff                                         erkannten Theorien zu Kernreaktionen und Prozessen in
                                                                         der Sonne, aber die Modelle haben einen Haken: Sie kön-
Bernd Rimarzig wird auch in Dresden-Plauen bleiben,                      nen die realen Verhältnisse nicht erklären. Zum Beispiel
wenn der Aufbau abgeschlossen ist, und die Technik hier                  Sauerstoff – wesentlicher Bestandteil der Gesteins-Plane-
betreuen. „Klimaanlage, Elektrik, Kühlung, Strahlengang                  ten und ein Ur-Element des Lebens. „Unsere Sonne zählt
– irgendwo ist immer etwas zu tun.“ Zumal sich TU und                    zwar zur dritten Sternengeneration seit dem Urknall“,
HZDR mit ihren Experimenten abwechseln, später kom-                      holt Daniel Bemmerer aus: „Trotzdem müsste es der Theo-
men auch Messgäste mit wiederum ganz anderen Frage-                      rie zufolge eigentlich deutlich weniger Sauerstoff auf der
stellungen. „Das beginnt schon bei den benötigten Ionen“,                Erde geben. Und wir könnten gar nicht existieren.“
sagt Daniel Bemmerer. „Unsere Anlage kann zwei ver-                        Um die Entstehung der Elemente möglichst genau messen
schiedene Typen von Ionenquellen nutzen, Festkörper oder                 zu können, müssen die Physiker Störfaktoren so weit wie
Gase. Damit sind im Prinzip alle Ionen-Arten möglich.“                   möglich ausschalten. Zum Beispiel Myonen: Diese elektrisch
  Wer das teure Untertage-Labor nutzen will, braucht                     geladenen, sehr durchdringungsfähigen Elementarteilchen
einen triftigen Grund dafür. Die Kernphysiker vom HZDR                   gelangen mit der kosmischen Höhenstrahlung auf die Erde,
zum Beispiel und ihre Forscherkollegen um Prof. Kai                      erst dicke Gesteinsschichten bremsen sie aus. Der Spezial-
Zuber von der TU Dresden wollen Fusionsreaktionen der                    beton für die Laborwände hält Strahlen aus der natürlichen
Sonne erforschen. „Aber nicht, um neue Energiequellen                    Radioaktivität im umliegenden Granitgestein ab.
zu erschließen“, erklärt Bemmerer. „Uns geht es nicht um                   Allein zwei Jahre haben Bemmerer und sein Team für
Fusionskraftwerke. Dazu müssten wir Deuterium – das                      ihre Experimente zur Sauerstoff-Bildung aus Kohlenstoff
ist eine spezielle Form von Wasserstoff mit der doppelten                und Helium veranschlagt. Dann reichen die Ergebnisse
Masse im Atomkern – beschleunigen und dafür ist unser                    vielleicht für ein neues Erklärungsmodell. (AS)
Labor wirklich nicht ausgelegt. Wir wollen wissen, wie
die leichten Elemente im Perioden­system entstehen.“                     www.hzdr.de/Felsenkeller

                                                                                                                                        2
                                                   © Rainer Weisflog

                                                                                                                                             © Oliver Killig

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   Bild 1: Prof. Kai Zuber (TU Dresden), Bernd Rimarzig und Dr. Daniel Bemmerer (beide HZDR, v.l.) in der Werkstatt in Dresden-Rossendorf:
   Die Beschleunigungsstrecke ist komplett freigelegt, eine neue Ionenquelle wird installiert. (2016) | Bild 2: Der Beschleuniger wird am
   Kranhaken vorsichtig in den Stollen eingefädelt. (2017) | Bild 3: Schlitzsystem am großen Elektromagneten. Ein Spezialadapter sorgt
   dafür, dass nur die gewünschten Ionen in den Strahlengang gelangen. (2018) | Bild 4: Die Hochenergieseite: Hier verlässt der Ionen-
   strahl den 5MV-Beschleuniger und wird anschließend genau charakterisiert. (2018)

                                                                                                                                INSIDER               13
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               EXCELLENCE TWICE OVER

                                         Prof. Karim Fahmy from the Insti-
                                         tute of Resource Ecology. With his
The German Research Foundation           Biophysics Department, he has been       Wosnitza, Director of the Dresden
(DFG) and the German Council of          collaborating closely for some time      High Magnetic Field Laboratory
Science and Humanities (Wissen-          with the cluster’s spokesperson          (HLD). Whether the focus is on
schaftsrat, WR) announced on             Prof. Stephan Grill, biophysicist at     quantum magnetism, topological
September 27, 2018 which projects        the Biotechnology Center of the TU       electrons or photons, the aim is
at which universities would receive      Dresden (BIOTEC).                        ultimately to derive functionalities
the coveted status of ‘Clusters of         Contrary to what was previously        for novel materials that can be
Excellence’. An exciting day: The TU     thought, the reaction compartments       used for modern high technologies –
Dresden had succeeded with three         in the cells are not always separated    from information processing and
of its six full proposals. The HZDR      by membranes. The cooperation part-      energy-supply systems to medical
is involved in two of them: ‘PoL –       ners want to jointly investigate the     engineering.
Physics of Life’, and the cluster        effects that biological structures use
‘ct.qmat – Complexity and Topology       in this process. They obtain direct      Strong network
in Quantum Materials’, which is          insights into the processes at the
run jointly with the University of       molecular level and over extremely       One of the excellence cluster’s
Würzburg.                                short time scales from pulsed intense    incubators was the Collaborative
   From January, the new clusters        terahertz radiation provided by the      Research Center (SFB) 1143
of excellence are being funded by        terahertz laboratory at the ELBE         ‘Correlated Magnetism: from
the DFG for a total of seven years.      Center for High-Power Radiation          Frustration to Topology’. Here, too,
The Helmholtz Association is also        Sources (TELBE). Laser specialist        Jochen Wosnitza, as principal inves-
involved. It is contributing €500,000    Dr. Sergey Kovalev (Institute of         tigator, brings in the expertise of
per cluster per year for the next        Radiation Physics) and his ‘Tera-        the HLD. After four years of highly
two years to strengthen cooperation      hertz-Driven Phenomena’ project          successful basic research, the SFB
with universities.                       group are planning to set up a           was extended in November, and the
                                         dedicated experimental laboratory        19 sub-projects will receive a total
How life organizes itself                for biological samples at the TELBE      of €9.5 million from the DFG up to
                                         facility.                                2022. Wosnitza is convinced that
In the ‘PoL – Physics of Life’ excel-                                             “the combination of collaborative
lence cluster, the questions for which   Understanding exotic quan-               research center and cluster of excel-
the researchers are seeking answers      tum effects                              lence offers a unique opportunity.
start with molecules and their orga-                                              We have a strong network that can
nization within the cell, concern        The cluster of excellence ‘ct.qmat –     take topological materials research
the interaction of cells in tissue       Complexity and Topology in Quan-         a decisive step forward.” (CB/AS)
formation, and extend to the growth      tum Materials’ focuses on novel
and self-organization of organs. “Life   materials and previously unknown,        https://www.physik.uni-wuerzburg.de/
processes are divided into chemical      exotic states of matter. “They are       ctqmat/tqmcenter
and physical sub-processes that take     based on quantum-mechanical inter-
place in spatially separate reaction     actions at the atomic level. Under       https://physics-of-life.tu-dresden.de
chambers of every cell,” explains        certain conditions, such effects play
                                         a central role for these materials
                                         that also affect their macroscopic
                                         properties,” explains Prof. Jochen

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ERFORSCHT

                                  „DER LANGE ATEM
© Frank Bierstedt

                                HAT SICH AUSGEZAHLT“
                                Der Weg einer Idee vom Labor bis zum Produkt ist lang und oft voller Hindernisse.
                    Da ist nicht nur wissenschaftliche Expertise gefragt, sondern auch ein Gespür für den Markt und Wissen
                       um die Feinheiten der späteren Produktion. Mit der ROTOP Pharmaka GmbH und dem Institut für
                     Radiopharmazeutische Krebsforschung haben sich zwei gefunden, zwischen denen die Chemie stimmt.
                                           Das Ergebnis dieser Kooperation ging jetzt in den Vertrieb.

                               „Vor acht Jahren“, erinnert sich Dorit       Chemiker und Pharmazeuten in Forschungslaboren
                                 Teichmann, „kam ROTOP mit einem          übersehen mitunter die Eigenheiten industrieller Pro-
                                 Medikament zu uns, mit dem sich die      duktion. „Wissenschaftler suchen nach einer Technologie
                                 Durchblutung des Herzmuskels untersu-    mit Möglichkeiten; die Wirtschaft ist viel fokussierter auf
                                chen lässt.“ Das Pharmaunternehmen mit    das Produkt“, sagt die Innovationsmanagerin. „Das beste
                               Wurzeln im früheren Kernforschungszen-     Medikament nützt wenig, wenn es sich nicht zuverlässig
                            trum Rossendorf und moderner Produktions-     herstellen lässt. Gemeinsam können wir echte Innovatio-
               anlage auf dem Campus des HZDR wollte ein verbessertes     nen schaffen.“
               Generikum entwickeln und auf den Markt bringen. „Für         Das Team um Dr. Hans-Jürgen Pietzsch am Institut für
               die Entwicklung brauchten sie einen Forschungspartner,     Radiopharmazeutische Krebsforschung, das die Entwick-
               der sich mit den Besonderheiten von Radiopharmaka auf      lung übernahm, hatte bereits einige Kooperationsprojekte
               der Basis von Technetium auskennt“, sagt Teichmann. Die    gestemmt. Den Radiochemikern war klar: Der neue Wirk-
               Innovationsmanagerin betreut am HZDR Wissenschaftler       stoff sollte nicht nur im Labor glänzen, sondern sich auch
               und Projekte aus dem Bio- und Medizin-Bereich.             unter Produktionsbedingungen behaupten. Entsprechend
                                                                          eng tauschten sich die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Radio-
               Zwei Probleme, eine Lösung                                 nuklid-Theragnostika von Beginn an mit den Kollegen von
                                                                          ROTOP aus. Akribisch fahndeten sie nach einer Substanz,
               Mit diesem Anliegen stand das Unternehmen vor zwei         die den Bedingungen der Produktion gewachsen sein würde,
               großen Herausforderungen. Der Wirkstoff des ursprüng-      brachten den Wirkstoff erfolgreich durch die präklinische
               lichen Medikaments reagiert stark mit Luft. Da in mo-      Phase und entwickelten gemeinsam mit ihren Partnern ein
               dernen Produktionsanlagen für Arzneimittel stete Luft-     stabiles Herstellungsverfahren für das Unternehmen.
               ströme für reinste Bedingungen sorgen, ist das keine         Bei anderen Projekten übernimmt Teichmann oft die
               gute Basis – ein neuer Wirkstoff musste her. Dieser aber   Rolle als „Übersetzerin“ zwischen Forschung und Pro-
               durfte sich möglichst wenig vom alten unterscheiden.       duktion – hier konnte sie sich diesmal im Hintergrund
               „Sonst wäre das ein neues Medikament und das Zulas-        halten, kümmerte sich um die Verträge und bereitete die
               sungsverfahren viel komplexer. Kein anderer Hersteller     Verwertung des eingebrachten Know-how vor. Die letzte
               hatte sich damals an eine solche Entwicklung herange-      große Hürde war der Zulassungsprozess. „Wenn dann
               traut“, erinnert sich Teichmann. „Aber die Kollegen von    die Zulassung erteilt wird“, sagt Teichmann, „ist das ein
               ROTOP wussten, dass sie sich auf unsere Erfahrungen        schöner Moment. Der lange Atem hat sich ausgezahlt.“
               verlassen können.“                                         Mit acht Jahren, verrät sie augenzwinkernd, sei das sogar
                                                                          ein schnelles Projekt. (Kai Dürfeld)

                                                                                                                        INSIDER   15
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                                                     Der richtige

                 MOME                            für den Markt
© André Wirsig

                                   Brillante Ideen, kluge Köpfe und ein Maschinenpark, der das Herz eines jeden
                                Experimentators höherschlagen lässt: Das sind die besten Voraussetzungen, um die
                          Wissenschaft voranzubringen. Doch wie können die Entdeckungen einen direkten Nutzen für
                                    die Gesellschaft stiften? Wie werden sie zu Produkten oder Dienstleistungen?
                              Wie generieren sie Erlöse, die wieder in die Forschung fließen? Mit der Ionenimplantation
                                    als Dienstleistung hat die HZDR Innovation GmbH diese Fragen beantwortet.
                                                            Und das war erst der Anfang.
                                                                                                   © Matthias Rietschel

                                                         Reinraumtechnologie für schnelle Elektronik:
                                                        Die Behandlung mit Ionen macht elektronische
                                                                Bauteile deutlich effizienter.

                 16   INSIDER
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NT
Für die Helmholtz-Gemeinschaft war es ein Novum, als         Brutkasten für neue Produkte
die HZDR Innovation GmbH am 7. Oktober 2011 gegrün-
det wurde. Zum ersten Mal beteiligte sich eines ihrer        Dann stand der Wechsel in die Helmholtz-Gemeinschaft
Zentren als Gesellschafter an einem Unternehmen, das         vor der Tür. „Für uns stellte sich die Frage, ob wir das
sich dem Technologietransfer verschrieb. Begonnen hatte      Applikationslabor aufgeben müssten“, erzählt Kolitsch.
alles aber sehr viel früher. Für Wissenschaftler aus aller   „Denn so richtig wusste niemand, ob wir als Unterneh-
Welt war das Forschungszentrum Rossendorf schon vor          men innerhalb der Gemeinschaft Gewinne erwirtschaften
seiner Zeit in der Helmholtz-Familie anziehend wie ein       dürfen und welche Regeln dann auf uns zukommen wür-
Magnet. Die Dichte an wissenschaftlichem Großgerät war       den.“ Doch es gab eine andere Lösung. Eine eigenständige
hoch, die Expertise in der Ionenstrahlphysik internatio­     Firma sollte das weiterführen, was im Applikationslabor
nal geschätzt und der Status einer Large Scale Facility      begann. Die HZDR Innovation war geboren und Kolitsch
der EU erreicht.                                             übernahm die Geschäftsführung.
  Nur die Industrie tat sich zunächst schwer. Ein so-          Verstärkung erhielt er bereits damals durch Dr. Björn
genanntes Applikationslabor sollte das ändern. Prof.         Wolf – seinem Nachfolger in der Geschäftsführung der
Andreas Kolitsch, sieben Jahre lang Geschäftsführer der      HZDR Innovation. Im Jahr 2007 für das Thema Ausgrün-
HZDR Innovation, erinnert sich: „Die Industrie wollte        dungsunterstützung ans HZDR gekommen, baute Wolf
die Large Scale Facility unter den Regeln der EU fast gar    dort die Abteilung Technologietransfer und Recht auf.
nicht nutzen. Die mögen keine Berichte schreiben und         „Als dann die Gründung der HZDR Innovation GmbH
auch niemandem erklären, was genau sie machen. Das ist       ins Haus stand“, erzählt der Transfer-Experte, „habe ich
immer ein bisschen geheim. Wir mussten uns etwas über-       diese von Seiten des HZDR betreut, nach Gesellschaftern
legen, um auch die Industrie bedienen zu können.“ Als        gesucht, die rechtlichen Konstrukte geprüft und auch
Initiator und treibende Kraft hinter dem Applikationsla-     schon die ersten Projekte aus meiner Abteilung in das
bor gelang es Kolitsch, eine Kleinproduktion aufzubauen.     Unternehmen geführt.“ Die Innovation GmbH versteht
„Wir haben eine Menge Industriekontakte geknüpft und
uns in kurzer Zeit einen recht guten Ruf erworben.“

                                                                                                         INSIDER   17
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                                                                                  HZDR Innovation:
                                                                                  Geschäftsführer Dr. Björn Wolf, sein
© André Wirsig

                                                                                  Vor­gänger Prof. Andreas Kolitsch und
                                                                                  Dr. Roman Böttger, der Leiter des
                                                                                  Geschäftsfelds Ionentechnologie (v.l.),
                                                                                  beim Erfahrungsaustausch im Ionen­
                                                                                  strahlzentrum. Der große Beschleuniger
                                                                                  ist das Herzstück der Anlage.

                                                              Gezielte Zerstörung hilft beim Energiesparen

sich dabei als Inkubator. Wie in einem Brutkasten werden      „Bei der Ionenimplantation“, holt er etwas weiter aus,
die Projekte bis zur Marktreife weiterentwickelt und          „schießen wir einzelne Atome mit relativ hoher Ge-
anschließend entweder an ein Industrieunternehmen             schwindigkeit auf einen Festkörper. Dabei passieren
lizensiert oder als eigenes Geschäftsfeld geführt. Zu letz-   unterschiedliche Dinge. Die Teilchen werden abgebremst.
terer Kategorie gehört auch das Zugpferd der Firma: die       Sie zerstören etwas vom Material, auf das sie treffen. Sie
Ionenimplantation.                                            dringen aber vor allem in dieses ein.“ Damit lassen sich
   Was es damit auf sich hat, erklärt Dr. Roman Böttger.      die oberflächennahen Eigenschaften von Festkörpern
„Unser Hauptgeschäftsfeld ist das sogenannte ‚Defect          verändern. Die Dotierung, bei der drei- und fünfwertige
Engineering‘. Einfach ausgedrückt: Wir erzeugen gezielte      Elemente wie Bor oder Phosphor in Silizium eingebracht
Defekte im Kristallgitter von Festkörpern und verbessern      werden, ist nur eine mögliche Anwendung.
so deren elektronische Eigenschaften.“ Der Physiker ist         „Unter Ionenstrahlung treten noch viel mehr Effekte
bereits seit seinem Studium eng mit dem HZDR verbun-          auf. So wird zum Beispiel auch das Kristallgitter des
den. Nach Diplomarbeit und anschließender Dissertation        Materials gestört und das hat wiederum Auswirkungen
leitete er die vergangenen vier Jahre nicht nur die Gruppe    auf die elektrischen Eigenschaften von Bauteilen“, erklärt
Ionenimplantation am Zentrum. Er betreute nebenbei            Böttger weiter. „Wenn ein Bauelement, etwa ein Tran-
auch Industrieprojekte für die HZDR Innovation und            sistor, ausgeschaltet wird, dann fließt immer noch ein
baute deren Qualitätsmanagementsystem auf. Im April           kleines bisschen Strom nach. Der geht einfach verloren.
2018 wechselte er als Direktor für das Geschäftsfeld          Die Defekte, die wir durch unsere Ionenimplantation
Ionentechnologie vollständig in das Unternehmen.              erzeugen, fangen aber jene Elektronen ein, die für diesen
                                                              Verluststrom verantwortlich sind und reduzieren ihn
                                                              damit. Die Bauelemente werden dadurch wesentlich ener-
                                                              gieeffizienter.“
                                                                Den breiten Halbleitermarkt hat das Unternehmen mit

¿
                                                              dem Verfahren nicht im Blick. Dafür ist der Prozess, der
                                                              immerhin nach einem leistungsfähigen Ionenbeschleu­
                                                              niger verlangt, viel zu aufwendig. Die HZDR Innovation
                                                              hat es stattdessen auf das hochpreisige Segment der Leis-
                                                              tungshalbleiter abgesehen. Überall dort, wo Bauelemente
                                                              mehrere Kilovolt kontrollieren oder hunderte von Ampere
                                                              schalten, ist ihr Verfahren höchstwillkommen. Denn das
                                                              „Defect Engineering“ steigert nicht nur die Energieeffizi-
                                                              enz, es erhöht auch die Schaltfrequenz um beinahe zwei
                                                              Zehnerpotenzen.

18               INSIDER
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Drei Gründe und der richtige Zeitpunkt

Dass die HZDR Innovation mit dieser Technologie auf                     Die Erfolgsgeschichte hat ganz nebenbei auch mit dem
das richtige Pferd gesetzt hat, zeigt die lange Kunden-              richtigen Moment der Gründung zu tun, Kolitsch macht
liste. Dort tummelt sich alles, was in der Halbleiterwelt            daraus keinen Hehl. „Ich will jetzt nicht sagen, wir hätten
Rang und Namen hat. Für ein Forschungszentrum, meint                 das wohlüberlegt. Wenn ich ehrlich bin, war viel Zufall
Kolitsch, sei das Modell vor allem aus drei Gründen so               am Werk. Aber wir sind genau zu dem Zeitpunkt auf den
erfolgreich: „Es gibt die Möglichkeit, zusätzlich Dritt-             Markt gekommen, als der Klimaschutz und mit ihm die
mittel einzuwerben. Zweitens hilft es, die Reputation                Elektromobilität in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit
des Zentrums in der Industrie gewaltig zu erhöhen. Und               gerückt sind.“ Mit einer Technologie, die Energieeffizienz
drittens werden die unglaublich teuren Großgeräte auch               erhöht, rannte das junge Unternehmen offene Türen ein.
dann genutzt, wenn gerade keine wissenschaftlichen                   Nach sieben Jahren hat der Gründungsgeschäftsführer
Experimente laufen.“ Mittlerweile ist die Nachfrage so               die Zügel aus der Hand gegeben und sich in den Ruhe-
groß, dass die Maschinen im Dreischichtsystem betrieben              stand verabschiedet. Seit Oktober 2018 lenkt Björn Wolf
werden. Roman Böttger nimmt sogar noch eine weitere                  die Geschicke der HZDR Innovation. Am Forschungszen-
Anlage in Betrieb, der Bereich Ionentechnologie hat aus              trum hat er dafür einen Teil seiner Aufgaben abgegeben;
selbst erwirtschafteten Mitteln hochmodernes Gerät für               um Verträge und Patente kümmert sich jetzt eine eigene
die Serienfertigung gekauft.                                         Abteilung. Aber Technologietransfer und Innovation
                                                                     liegen weiter in seiner Hand. (Kai Dürfeld)

                                                                                                                             © André Wirsig

Ihre Gewinne investiert die HZDR Innovation in neue Anlagen – zum Beispiel diesen hochmodernen Waferhandler.
Seit 2018 steht er am Ionenstrahlzentrum.

                                                                                                                   INSIDER            19
MIS
NACHGEFRAGT

SION
AN
                                                              Seit Oktober lenkt Dr. Björn Wolf die
                                                              Geschicke der HZDR Innovation GmbH.
                                                              Im Interview erzählt der Geschäftsführer,

WEN
                                                              was ihn antreibt; von neuen Geschäftsfeldern
                                                              für den Technologietransfer und vom
                                                              Funken, der auf andere Forschungszentren

DUNG
                                                              überspringt.

Herr Dr. Wolf, welchen Kurs setzt         Welche Geschäftsfelder werden            bewerb, immer wieder Projekte mit
die Innovation GmbH unter Ihrer           das sein?                                interessantem Potenzial. Für uns
Führung?                                  Wir haben eine Handvoll viel­            heißt das, ganz neue Chancen zu
Dr. Björn Wolf: Aktuell ist der Bereich   versprechender Produkte wie die          entdecken und zu fördern.
Ionenimplantation ganz klar unser         Mehrphasen-Strömungssensorik,
Zugpferd. Hier erwirtschaften wir         einen Terahertz-Emitter und unseren      Sie machen also Forschungsergeb-
rund dreiviertel unseres Umsatzes.        Drehmoment-Sensor, für die wir           nisse marktfähig?
Das wollen wir ausbauen. Die Poten-       aktuell den Markteintritt vorbereiten.   Für frühe Stadien der Produktent-
ziale dazu sind gegeben. Nun müssen       Hierzu müssen wir nicht nur unsere       wicklung fällt es schwer, geeignete
wir die Voraussetzungen schaffen,         Vertriebsanstrengungen intensivie-       Industriepartner zu gewinnen. Die
um diese noch stärker nutzen zu           ren, wir werden auch den unterstüt-      Innovation GmbH fungiert deshalb
können. Das heißt vor allem, die          zenden Bereich ausbauen. Themen          als Inkubator. Wir entwickeln das
Kapazitätsausweitung zusammen mit         wie qualifizierte Weiterentwicklung,     Produkt, bis es im Kleinserienmaß-
dem Zentrum umzusetzen. So können         Produktzertifizierung und Export­-       stab herstellbar und verkäuflich ist.
mehr Industriekunden bedient wer-         kontrolle, aber auch Messebeteiligung    Dann wird es entweder zu einem
den. Das wird hauptsächlich in den        und Technologiemarketing stehen          unserer Geschäftsfelder, oder wir
Händen von Dr. Roman Böttger liegen,      auf unserer Agenda.                      gründen eine neue Firma dafür oder
der als Prokurist und Direktor für das      Nachschub kommt außerdem aus           es geht in Lizenz an die Industrie.
Geschäftsfeld Ionentechnologie bei der    dem HZDR, wo ich ja weiterhin die        Mit diesem Modell ist die Innovation
HZDR Innovation GmbH zuständig            Stabsabteilung Technologietransfer       GmbH übrigens für viele andere Wis-
ist. Für mich geht es nun besonders       und Innovation leite. Die Pipeline       senschaftseinrichtungen ein Vorbild.
darum, die neuen Geschäftsfelder zu       unserer Innovationsmanager ist gut
entwickeln und das Beteiligungsma-        gefüllt mit Ideen für neue Anwen-
nagement auszubauen.                      dungen. Auch liefern ihre Aktivitäten,
                                          etwa der jährliche Innovationswett-

20   INSIDER
NACHGEFRAGT

                                                                                    „Was mich antreibt:
                                                                                Anwendbares Wissen an die
                                                                                Gesellschaft zurückzugeben,
                                                                                 durch Wertschöpfung neue
                                                                                Arbeitsplätze zu generieren.“
© André Wirsig

                 Sie werden von anderen For-             hofer-Gesellschaft. Dadurch bauen        die Wissenschaft. Davon etwas als
                 schungszentren angesprochen?            wir natürlich unsere Kompetenzen         anwendbares Wissen an die Gesell-
                 Ja, und das nicht nur von Partnern      in immer mehr Märkten aus, was           schaft zurückzugeben; durch neue
                 innerhalb der Helmholtz-Gemein-         schließlich wieder den Anwendungen       Erkenntnisse die Gesundheit zu
                 schaft. Einige wollen selbst so         aus dem HZDR zu Gute kommt.              verbessern; durch Wertschöpfung
                 etwas aufbauen. Andere möchten                                                   neue Arbeitsplätze zu generieren;
                 die Innovation GmbH mitnutzen. So       Was treibt Sie persönlich an, Ideen      das treibt mich an und in der HZDR
                 vermarkten wir zum Beispiel seit        aus der Forschung in die Märkte zu       Innovation GmbH haben wir ideale
                 Kurzem eine neuartige RFID-Anten-       bringen?                                 Möglichkeiten und ein hervorragen-
                 ne für den Logistik­bereich und einen   Für mich ist Technologietransfer eine    des Team, um den Erfolg von Trans-
                 durchstimmbaren Frequenzfilter          Mission. Vor allem hier in Sachsen       ferprojekten zu beeinflussen.
                 im Kleinserienformat für die Fraun-     fließen viele öffentliche Mittel in      Das Interview führte Kai Dürfeld.

                                                               Neu organisiert
                    Aus eins mach zwei: Die Aufgaben der bisherigen          Erste Anlaufstelle für Rechtsfragen und Verträge, etwa
                    HZDR-Stabsabteilung Technologietransfer und Recht        zu Kooperationen, Käufen, Lizenzen, für Dienst- und
                    sind neu strukturiert worden. Innovationsmanagement,     Werkverträge, sowie zu allen Fragen zu gewerblichen
                    Existenzgründungen, das Technologiemarketing und die     Schutzrechten, Patentanmeldungen, nationalen und
                    Betreuung der Alumni liegen in den Händen der Abtei-     internationalen Verfahren bis hin zum Arbeitnehmer-
                    lung Technologietransfer und Innovation.                 Erfindungsrecht ist die Abteilung Recht und Patente.

                                                            www.hzdr.de/technologietransfer

                                                                                                                                  INSIDER   21
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