Iss was? - 3/14 | 3,50 EUR - Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V - Bundesverband Soziokultur eV
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3/14 | 3,50 EUR PRINZIPIEN PRAXIS PERSPEKTIVEN Iss was? Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.
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SOZIOkultur 3 |2014 | E D I TO R I A L | 1 Dieses Heft zeigt einmal mehr: Gegenwarten finden als Folge der Dinge statt, die man vorher erlebte. Das Thema „Iss was?“ ruft je nach Biographie und LEBENSMITTELpunkt unterschiedliche Assoziationen auf. Für jemanden, der den Osten vor der Wende erlebte, besitzt es besondere Facet ten. So weiß ich von einer jungen Frau, die Mitte der 1980er-Jahre mit Jugend tourist in den Westen reisen durfte. Sie hatte zwei Kinder. Als sie nach ihrer Reise und in Erinnerung an all das bunte Obst und Gemüse der Supermärkte zwischen Kartoffeln, Kohl und Äpfeln in der Kaufhalle stand, brach sie in Tränen aus. All jährlich bis in den März hinein war ihr Land ausgehungert nach bescheidenen Dingen wie Gurken, Salat oder ein paar frischen Kräutern. Unter der Überschrift „Selbstversorgung“ hatte man in ihrer Stadt zwei drei Jahre später eine große Gewächshausanlage gebaut. Die Wende kam vor der ersten Saat. Reno zog in die Glashallen ein und Aldi auch. Da verkaufte man viel mehr und viel Farbigeres, als man dem eigentlichen Zweck nach hätte erzeugen können. Die junge Frau schluckte schwer. Denn es war nicht zu entscheiden, ob sie lachen sollte über die Wahl die sie jetzt hatte, oder weinen über den Preis, den diese Wahl kostete. Auf den folgenden Seiten lesen wir: Es geht nicht um Entweder-oder, sondern es geht um unendlich viel, wenn Menschen sich vor Ort zusammen finden. Wenn sie ihren Elan und ihre Intelligenz gemeinsam auf ihre konkreten Möglichkeiten anwenden. Wenn sie nicht nur für erfreuliche essbare Angebote sorgen, sondern gleichzeitig wirkliche Mahlzeiten schaffen, die man eigentlich Hochzeiten nennen müsste, weil hier genau die Gemeinschaft entsteht, die verhindert, dass jemand einsam in Fress- oder Magersucht fällt. Lassen Sie sich inspirieren, seien Sie ansteckend, denn es verhält sich beim Essen wie bei der Energiewende: Global Player werden es nicht richten. Ohne die dezentral, eigenmächtig eingesetzte Intelligenz vor Ort ist weder den Hun gernden noch den Übersättigten zu helfen. Ellen Ahbe, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V.
SOZIOkultur 3 |2014 | I N H A LT | 3 THEMA KO N T I N E N T K U LT U R Iss was? Essen und Trinken in der Soziokultur 4 Lost in Athen E L E O N O R E H E F N E R 18 The Politics and Pleasures of Food Die Ausstellungsmacher der ACC Galerie Weimar über B U N D E S K U LT U R P O L I T I K die Politiken und Freuden des Essens im 21. Jahrhundert Landlebensgestaltung FRANK M OT Z 5 Ländliche Kulturarbeit zwischen Breiten- und Soziokultur Mehr als nur weniger B E AT E K E G L E R 20 Suffizienz als Leitidee für eine ökologisch verträgliche Ernährungskultur Tief im Norden ist die Breite zu entdecken – CORINNA VO S S E 6 mit all ihrer Schönheit und all ihren Schrecken Die Essbare Stadt G E O R G H A L U P C Z O K 22 Social Arts und das Gläserne Restaurant BKM-Preis für Theater Lindenhof KARSTEN W I N N E M U T H / M A R C E L K L E I N 7 C H R I S T I N E H E I N Z 23 Foodsharing Deutschlandtour 2014 Besuch bei freiwilligen Lebensmittelrettern PROJEKT „JUGEND INS ZENTRUM!” BARBARA M E R H A RT VO N B E R N E G G 8 Neue Jury K R I S T I N A R A H E 24 Politisch gedachte Empathie | DemoZ e.V., Ludwigsburg BETTINA G Ö P F E R I C H 8 Eine Parkbank macht Theater Das Projekt „Wir machen Theater“ der GEMS, Singen Es gibt immer was zu schnippeln! S A B I N E M Ü L L E R 25 Die Fahrende Gerüchte Küche Zappel Komitee TOBIAS S C H U M A N N 9 VERBAND AKTUELL Iss oder stirb! | „MusikTanzTheater“, TTW e.V., Wolfsburg 35 Jahre Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. 26 JENNIFER Z W E R N E R 10 E L L E N A H B E Interkulturelle Dialoge in der Küche | Mosaik e.V., Düsseldorf AUS DEN LÄNDERN MONIKA L E N T- Ö Z T Ü R K 10 R E I H E K U LT U R E N T W I C K L U N G S P L A N U N G : Mit Essen spielen | Projekt „Nährwert“, TPZ, Hildesheim SCHLESWIG-HOLSTEIN JOHANNA G R OT E 11 Das Projekt Kulturdialog Gemeinsam die Vielfalt feiern | Buffet der Kulturen, Hamburg Perspektiven für die Kultur in Schleswig-Holstein M A RT I N L ÄT Z E L 28 CORDULA DA S T M A L C H I A N 11 KO M M E N TA R Gerüchte-Küche in der Mannheimer Neckarstadt-West Will das Land Soziokultur oder nicht? Eine Küchen-Performance. Auf dem Speiseplan: Gerüchte G Ü N T E R S C H I E M A N N 29 LEA HOFF M A N N 12 Das LindenBier | Lindenbrauerei, Unna NIEDERSACHSEN ERIKA EX T E R N B R I N K 13 Futter für Leib und Seele Fünf Jahre „TafelTheater“, Bruchhausen-Vilsen Ohne Futter keine Kultur P E T E R H E N Z E 30 Gastronomie in der Soziokultur – gestern, heute, morgen PETER WI E D E M A N N 13 R H E I N L A N D - P FA L Z Suppe&Mucke Ein-Blick in fremde Töpfe Das unkommerzielle Suppen-Straßenfest in Berlin „Internationale Suppenküche“ im Haus am Westbahnhof, Landau P E T R A B E E Z - P FA F F / S I G R I D W E Y E R S 31 JANINA H E N K E S 14 PORTRÄT BADEN-WÜRTTEMBERG Mit Hand, Herz und Kopf Platz schaffen für das Neue: Thesen zur Soziokultur Der Garten Steinhöfel A N D R E A S K Ä M P F 32 CHRISTIN E H O F F M A N N 16 TIPPS 34 R E DA K T I O N D E S T H E M E N T E I L S IMPRESSUM 36 ADRESSEN DER LANDESVERBÄNDE 36 KRISTINE SCHÜTT Titel: landkunstleben e.V. | Siehe S. 16 Musikerin und Musikpädagogin und Mitglied des Vorstands Themenschwerpunkt der nächsten Ausgabe: des RAW tempel e.V., Berlin NACHHALTIGKEIT
4 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? Iss was? Mehr als alles andere bestimmt die Nahrungsaufnahme unser Leben. Als unumgängliches Grundbedürfnis wirft sie den Menschen tagtäglich auf seine nackte Existenz zurück. Doch Sättigung und Genuss haben nicht nur eine physiologische, sondern auch eine psychologische und sozial- gesellschaftliche Dimension.
SOZIOkultur 3 |2014 THEMA 5 ISS WAS? THE POLITICS AND In privilegierten Weltregionen führt die „Mo- bilmachung” von lokalen Nahrungsgütern aus PLEASURES OF aller Welt zu einem noch nie da gewesenen kuli- FOOD narischen Aktionsradius, einem globalen Speise- plan, der die Wahl von Haute Cuisine oder Slow Food, Veganismus, Vegetarismus und teilweise Die Ausstellungsmacher der ACC Galerie sogar einen Öko- und Biofetischismus erlaubt Weimar über die Politiken und Freuden und der sich in bewussterer und gesünderer des Essens im 21. Jahrhundert Ernährung niederschlagen mag. In den Entwick- lungs- und Schwellenländern Asiens, Afrikas Die Schere der modernen „Esskultur“, ambi- und Lateinamerikas hingegen hungern eine Mil- valent und absurd wie sie ist, klafft auf: Ein neu liarde Menschen, jeder Siebte. Jährlich sterben aufflammendes Bewusstsein für den Umgang 8,8 Millionen, hauptsächlich Kinder, an Hunger mit Nahrungsgütern changiert mit der wach- – ein Todesfall alle drei Sekunden. Selbst im senden Missachtung ihnen gegenüber. Dauer Wirtschaftsland Nummer 1, den USA, hungern präsent koexistieren Verschwendungssucht und zehn Millionen, Menschen mit „sehr geringer Hungersnot, Übersättigung und Unterernährung. Nahrungssicherheit“, wie es offiziell heißt. Während die einen mit dem Essen spielen, wür- den die anderen alles vertilgen – wenn es nur Dabei mangelt es der Erde nicht an Nahrung: endlich auf den Tisch käme. Man „containert“ Sie gelangt einfach nicht zu denen, die sie brau- oder kippt Containerladungen in die Weltmee- chen. Globale Erwärmung, Klimaschwankun- re, man isst schnell oder langsam, gern oder nie, gen, Dürre, Überschwemmungen, bewaffnete von Plastik- oder Porzellantellern, aus anonymen Konflikte, Korruption, schlechte Regierungsfüh- Chemielaboren oder von befreundeten Bio rung, wachsende Weltbevölkerung, Biosprit- höfen. Längst ist die Idee zerrüttet, dass „Essen Boom, verändertes Ernährungsverhalten der eben Essen ist“, wie wir es immer kannten. neuen Mittelklasse in China und Indien und die Subventionspolitik z.B. der EU verschärfen die F R A N K M OT Z Situation. Im Zuge der Monopolisierung von Ressourcen durch multinationale Konzerne setzt M ehr als alles andere bestimmt die sich das geopolitische Tauziehen um Rohstoffre- Nahrungsaufnahme unser Leben. gionen weiter fort. Grundnahrungsmittel wer- Als unumgängliches Grundbedürf- den Spekulationsgut, Allmenden mit überliefer- nis wirft sie den Menschen tag- ter Agrarkultur zu patentiertem Privateigentum. täglich auf seine nackte Existenz zurück. Doch Essensskandale, Biopiraterie, genmodifizierte neben der bloßen Aufrechterhaltung unserer Lebensmittel treten auf den (Speise-) Plan. Die Lebensfunktionen trägt das Essen entscheidend Kriege des 21. Jahrhunderts werden um Wasser zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Sättigung und Reis, Mais oder Soja, um die Fischgründe und Genuss haben nicht nur eine physiologi- der Weltmeere, die Weizenfelder Afrikas geführt. sche, sondern auch eine psychologische und sozial-gesellschaftliche Dimension. Ob Gesund- Angesichts der Allgegenwärtigkeit jenes weltwei- heitswahn oder Essstörungen, Fast oder Slow ten Grundbedürfnisses und -problems stellt sich Food, Askese oder „Frustfressen“, Take-away uns die Frage: Wie fühlen und denken Konsumen- oder Home Delivery, bloße Notwendigkeit oder ten des 21. Jahrhunderts darüber, was sie essen purer Genuss bis hin zum Exzess – das Spektrum und trinken? Die folgenden Artikel dieser Aus- ist grenzenlos, wenn es um die freie Gestaltung gabe stellen einen kleinen Ausschnitt der mögli- wie auch um innere und äußere Zwänge dieses chen Antworten und Handlungsspektren dar, wie elementaren Daseinsaspekts geht. sie insbesondere in soziokulturellen Projekten in Deutschland gesucht und umgesetzt werden. „Politiken und Freuden des Essens” sind als Teil „The Politics and Pleasures of Food“, kuratiert jeder menschlichen Kultur (und Religion) Ausdruck von Frank Motz, war vom 16. Juni bis 21. Sep- der Ideologien und Gesellschaftsverhältnisse, des tember 2014 in der ACC Galerie Weimar zu Entwicklungsstandes oder Verfalls einer Zivilisati- sehen und wurde bereits im Vorjahr in HALLE 14 on. Sie sind mit ihrem Potenzial zu Gemeinschafts- der Leipziger Baumwollspinnerei gezeigt. bildung und Kollektivereignis wie auch mit ihrer Fähigkeit zu sozialer Distinktion (der König isst anders als der Bettelmann) Teil der Evolution. Man F R A N K M OT Z ist Kurator der Abb.: Jani Leinonen (FI) ist, was man isst, und so hängt, wovon und wie wir Ausstellung „The Politics and „Food Liberation Army“ , 2011 uns ernähren, nicht nur von den vorherrschenden Pleasures of Food“ und Leiter der Fotos: Claus Bach ACC Galerie Weimar. Bedingungen ab, sondern wirkt auf sie ein.
6 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? MEHR ALS NUR Suffizienz als Leitidee für WENIGER eine ökologisch verträgliche Ernährungskultur Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten. Rabindranath Tagore COR INNA VOSSE D ie Notwendigkeit für Menschen zu es- der Versorgung mit Lebensmitteln. Das können sen bleibt konstant. Jedoch – wie sehr dezentrale Produktions- und Vertriebsstrukturen hat sich unser Verhältnis zu Lebensmit- sein, die nicht Gewinnmaximierung zum Ziel ha- teln verändert! Die Ansprüche an Ver- ben, sondern die Versorgung mit Lebens-Mitteln. fügbarkeit sind gestiegen, Produkte aus der gan- Das können Strukturen für die Selbstversorgung zen Welt sind selbstverständlicher Bestandteil, ein sein und Mischformen wie die Solidarische ständiges Überangebot ist Normalität geworden. Landwirtschaft. Drittens erscheint es angesichts Immens ist das Angebot an Produkten, für alle er- von Überproduktion und Vergeudung geboten, schwinglich, das ganze Jahr über. die herrschenden Leitbilder – Wachstum und ma- terieller Überfluss – in Frage zu stellen. Unsere Gleichzeitig basiert die Welternährung zu 90 % Bilder vom „Guten Essen“ brauchen eine nach- auf 15 Pflanzenarten und acht Nutztierrassen. haltige Basis. Das breite Warenangebot ist also eine schein- bare Vielfalt. Real hingegen ist der enorme Ein Beitrag dazu kann das Prinzip der Suffizienz Ressourcenverbrauch der globalisierten Lebens- sein: Suffizienz schaut auf das, was da ist und mittelindustrie. 30 % aller menschengemachten was sich aus dem eigenen Zutun herstellen lässt. Umweltbelastungen gelten als dadurch verur- Dann gibt es nicht immer alles, was auf lange sacht. Sicht wahrlich keine Vielfalt ist. Bezogen auf das Essen bedeutet Suffizienz eine Präferenz für re- Abb.: Kartoffelernte im Als Programm steht die durchindustrialisierte gionale und saisonale Produkte. Vielfalt und Raf- ForstFeld-Garten, einem 7.000 qm großen Gemein- Lebensmittelproduktion angesichts von Peak finesse kommen durch eigenes Zutun ins Spiel. schaftsgarten im Kasse- Oil, erodierenden Böden und schwindender Ar- Suffizienz ist somit auch Kompetenzentwicklung ler Osten (große Abb.) | tenvielfalt infrage. Trotzdem zeichnet sich keine statt Auslagerung von Verantwortung für die ei- Kochworkshop mit Gunter Trendwende ab. Die Idee eines Veggie-Days bei- gene Versorgung. Hampel beim Gläsernen Restaurant (kleine Abb.) spielsweise bleibt umstritten und schwer um- © Karsten Winnemuth setzbar. Offenbar wird Essen in hohem Maße als Die Idee der Suffizienz will die neu gegründete (gr. Foto und kl. Foto unten), private Angelegenheit erlebt, die außerhalb von Akademie für Suffizienz verbreiten helfen. Hier Marcel Klein (kl. Foto re.) Politik stattfindet. entsteht ein offener Raum, um sich auszupro- bieren in der Selbstversorgung und Techniken zu Vielleicht rührt dieses Verständnis von Essen als entwickeln, die aus dem vorhandenen Angebot Privatangelegenheit noch aus Zeiten, in denen an erneuerbaren Ressourcen schöpfen. Die Pra- Menschen den Großteil ihrer Nahrung selbst xis legt nahe: Aus solchen Erfahrungen heraus erzeugt haben. Heute, wo wir Lebensmittel aus fangen Menschen an, ihre bisher geglaubten Be- aller Welt für uns beanspruchen, in Mengen, die dürfnisse nach „Viel“ und „Immer“ in Frage zu wir nicht mal verwerten können, ist Essen immer stellen. Und darin, dass wir selbst etwas anderes auch politisch – denn was wir essen und wie viel wollen, liegt der Anfang einer nachhaltigeren, davon, hat in der Summe einen wesentlichen umweltverträglichen Ernährungskultur. Einfluss auf die gesamte Biosphäre. www.akademie-suffizienz.de Dreierlei scheint erforderlich, damit Menschen diese Tatsache anerkennen und im Handeln be- rücksichtigen. Erstens muss erkennbar sein, wel- Dr. C O R I N N A VO S S E ist che Lebensmittel wo herkommen, wie sie erzeugt Geschäftsführerin der Klima werden und welche ökologischen Konsequenzen werkstatt Spandau. Gemeinsam das hat. Erst dann kann verständlich werden, war- mit Matthias Finck hat sie am um Essen nicht einfach eine private Entscheidung 27.7.2011 in der Prignitz die ist. Zweitens braucht es alternative Möglichkeiten Akademie für Suffizienz gegründet.
SOZIOkultur 3 |2014 THEMA 7 ISS WAS? Die Essbare Stadt – seit 2009 als gemein- nütziger Verein organisiert – arbeitet an der Entwicklung einer lebendigen und DIE ESSBARE STADT produktiven Stadtlandschaft im Kontext von urban gardening. Bundesweit war die Essbare Stadt in Kassel die erste Initiative unter diesem Namen und hat mit ihrem Social Arts und das Gläserne Restaurant Konzept eine mittlerweile wachsende Anzahl „essbarer Städte“ inspiriert. KARSTEN WINNEMUTH / M A R C E L K L E I N Nutzpflanzen im öffentlichen Raum der Innen- mann oder beim „FreeFlowFestival für Improvi- stadt, eine künstlerische Arbeit zur „Transforma- sation“ die Kasseler Soziokultur-Szene verköstigt. M it viel ehrenamtlichem Engage- tion von einem Feld der Knappheit in ein Feld „Das „Gläserne Restaurant“ ist offenes Me- ment und Freude am Gärtnern der Fülle“ von Karsten Winnemuth. ta-Netzwerk und ein Schritt zur transparenten und Vernetzen betreiben wir die Aus dieser Keimzelle hat sich mittlerweile eine Erde durch das ‚Sinnvolles Tun ist Kunst’-Prinzip. Gründung und Pflege von Gemein- wachsende Bewegung entwickelt, deren Vision Die Prozesse vom Ursprung unserer LEBENS- schaftsgärten, bieten Teilhabemöglichkeiten einer neuen Qualität der urbanen Raumnutzung MITTEL aus Erde, Wasser, Wald, Feld, Wiesen, beim biologischen Gemüseanbau in der Stadt zunehmend wichtiger wird. „Alles gärtnert“, Gärten und Städten werden bis hin auf unsere (Gemüse-Selbst-Ernte-Projekte), pflanzen – in lautet ein Grundprinzip der Permakultur. Mit der Teller sichtbar gemacht, optimiert, und dabei Abstimmung mit Ortsbeiräten und Gartenamt – Essbaren Stadt pflanzen wir Gemüse, Kräuter, wachsen auch Synergien unter den Menschen gemeinsam mit Menschen jeden Alters in den Sträucher und Bäume für gesunde, öffentliche und interne Austauschbeziehungen in Stadt Stadtteilen Nuss- und Obstgehölze, pflegen Lebensräume. Beim gemeinsamen Kochen und und Region. Social Arts - eine soziale (essbare) alte Obstbaumbestände, vermitteln Baumpa- Essen genießen die Menschen der Stadt die Skulptur bedeutet für mich, ein ‚commonisches tenschaften, organisieren gemeinsame Ernte-, Qualität, Vielfalt, Schönheit, Frische und Energie Bewusstsein’ und Methoden für unsere Umwelt- Saft- und Einmachaktionen, kochen und speisen der sozialen unvergESSBARen Skulptur. gesundheit sowie soziale, kreative und ‚selbst- wöchentlich gemeinsam, bieten einen monatli- verwaldete’ Orte zu schaffen, zu erhalten und chen Stammtisch sowie Filmabende, Workshops Von einem Feld der Knapp- an die nächsten Generationen weiterzugeben“, und Vorträge zum Thema an. betont der Filmemacher und Mitgründer des heit in ein Feld der Fülle. „Direkt und satt“ ist das Motto des seit Juli „Gläsernen Restaurants“ Marcel Klein. 2013 bestehenden Projektes „Das Gläserne Res- In der Beuys-Stadt Kassel ist somit die Soziale taurant“, das mit seinen Koch-Events konsequent Das Essen wird zum LEBENSMITTELpunkt, wo Plastik vielfältig lebendig geblieben, was auch „commonische Kost“ auftischt: Obst und Ge- Menschen gerne zusammenkommen, weil sie die aktuelle Zusammenarbeit von Transition müse aus gemeinwohlorientiertem Anbau, von wissen: hier wird frischeste Vielfalt gezupft, ge- Town Kassel und der Essbaren Stadt mit dem Gemeingutflächen, also direkt vom „urbanen waschen, geschnippelt, komponiert, angefeuert, Social Sculpture Research Unit an der Brookes Acker“, oder auch Produkte der hiesigen solida- gewürzt und abgeschmeckt bis es duftet – eine University Oxford und der mobilen, alternativen rischen Landwirtschaft (z.B. aus den Gärtnereien ästhetische, sinnliche „FreeFlowKüche“. Die University of the Trees (initiiert von Beuys-Schü- Rote Rübe und Wurzelwerk), die als Modell zu- kreative Zubereitung der verschiedenen Köche lerin Shelley Sacks) zeigen. künftiger food belts um unsere Städte angesehen vereint sich auf jedem Teller als überraschendes werden sollte. Denn wovon wollen wir in Zukunft Gesamtkunstwerk, ein Augen- und Gaumen- 1 „FachBeschäft für Interaktion“, ein neuer leben, wenn wir nicht jetzt angesichts der fragilen schmaus für alle. Kasseler Ort in der Frankfurter Straße 60 globalisierten Infrastruktur die lokale Resilienz Dies wird seit 2010 wöchentlich in Kassel zele- www.essbare-stadt.de fördern, also die Fähigkeit des lebendigen Stadt- briert, zunächst in den Solidarischen Küchen der www.dasglaesernerestaurant.wordpress.com Organismus, auf absehbare einschneidende Ver- mittlerweile verlorenen Treffpunkte Salon und www.universityofthetrees.org änderungen elastisch reagieren zu können? Karoshi, dann mit den documenta13-Künstlern Ein Pionierprojekt des urban gardenings in von ANDANDAND und jetzt weiterhin im FBI1 und K A R S T E N W I N N E M U T H ist Vorsitzender des Kassel begann bereits 2005 mit der lebendigen eben im „Gläsernen Restaurant“, welches auch Essbare Stadt e.V. Skulptur „plant t : there is plenty for all of us“, mobil unterwegs ist und z.B. bei Solidaritätsver- M A R C E L K L E I N ist Filmemacher und Mitgründer ein Nicht-Tun-Garten mit zukunftsträchtigen anstaltungen zum Erhalt der Kulturfabrik Salz- des „Gläsernen Restaurants“.
8 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? FOODSHARING- DEUTSCHLANDTOUR 2014 Besuch bei freiwilligen Lebensmittelrettern F oodsharing e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich die Aufgabe gestellt hat, Lebensmittelverschwendung zu verringern. Gegrün- det wurde er 2012 in Köln. Mittlerweile sind auf der Homepage www.foodsharing.de um die 50.000 Nutzer angemeldet. Über 5.000 frei- willige Foodsaver kooperieren bei der Lebensmittelrettung mit Betrieben des Einzelhandels. Zu vereinbarten Abholzeiten finden sie sich dort ein und sortieren die abgeschriebene Waren nach Aschenputtelart in: „Kann man noch verwenden.“ Und: „Gehört in den Biomüll.“ Außerdem nehmen sie die Lebensmittel mit, deren Mindesthaltbarkeit überschritten ist. Um diese Freiwilligen näher kennenzulernen, Ein Highlight war der Besuch auf einem Bauernhof einer solidarischen Fragen zu beantworten und nebenbei ein we- Landwirtschaft bei Dortmund: Die BUNDjugend NRW feierte dort ihr 30- nig von Deutschland zu sehen, ging es im Juni jähriges Bestehen und hatte uns eingeladen, ihnen die Themen Lebens- 2014 für 16 Tage auf Deutschlandtour. Mit Auto, mittelverschwendung und Foodsharing näherzubringen. Das Schlafen im Schlafsack, Flyern und – ganz wichtig – einem Auto war zwar weniger komfortabel, dafür gab es aber tagsüber Kuschel- Navigationssystem besuchten wir u.a. Bonn, einheiten mit Pferden, Ziegen, Schafen (sogar mit Schweinen!) und erste Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Dortmund, Bay- Begegnungen mit Solar-Dusche und Kompost-Klo! reuth. Einige Termine hatten wir so gelegt, dass Auch offizielle Termine lagen auf der Route: In Köln stand die Mitglie- wir die Freiwilligen vor Ort bei Events wie dem derversammlung des Vereins an, und in Berlin rauchten Köpfe und Laptops Ökofest in Leipzig oder dem Markt der Mög- mehr als zehn Stunden, als es um die Erstellung eines Quiz ging. lichkeiten in Heidelberg unterstützen konnten. Alle Mühen mit Staus, kurzen Schlafpausen im Auto und teilweise sehr Neben Gesprächen mit den Freiwilligen haben eingeschränkten Internetverbindungen waren die Reise dennoch wert: wir hier unseren Teil zur Aufklärung der Ge- Insgesamt waren es am Schluss 3.800 gefahrene Kilometer und die Ge- sellschaft beigetragen. Bei anderen Treffen wissheit, dass es in ganz Deutschland viele unglaublich engagierte und saßen wir gemeinsam in der Sonne oder bei motivierte Freiwillige gibt, welche mit Idealismus und Herzblut gegen die einem geretteten Essen zusammen, so in Lebensmittelverschwendung arbeiten. Braunschweig, wo wir in den Genuss libanesischer Limonade und eines www.lebensmittelretten.de | Fotos: Barbara Merhart von Bernegg aus geretteten Lebensmitteln hergestellten Buffets kamen. Generell sei erwähnt, dass es uns an Essen und Verpflegung nie gemangelt hat, die BA R BA R A M E R H A RT VO N B E R N E G G, Vorstandsmitglied des Freiwilligen haben uns immer reichlich versorgt. Foodsharing e.V. und Foodsharing-Botschafterin von München. POLITISCH GEDACHTE vegane Lebensweise unter dem Aspekt der Herrschafts- und Kapitalismus- kritik, der Ablehnung von Diskriminierung und der Solidarität mit dem Tier EMPATHIE sieht. Zu Beginn der 2000er-Jahre war es zunächst die im DemoZ aktive Tierrechtsgruppe Verdura – la lotta continua, die in der wöchentlichen Das vegane Angebot im DemoZ e.V. DemoZ-Kneipe zum ersten Mal eine „vegane Vokü“ anbot. Seitdem sind Vorträge, Filmabende oder Lesungen zum Thema Tierethik und Tierbefrei- ung immer wieder Bestandteil des DemoZ-Programms. Seit geraumer Zeit ist der vier Mal im Jahr stattfindende vegane Brunch ein Anziehungspunkt im DemoZ, der unser Zentrum auch ökonomisch unterstützt. In unregelmä- ßigen Abständen werden weitere kulinarische Veranstaltungen angeboten, wie kürzlich ein veganer Schokoladenabend oder ein veganer Flammku- chenabend. Auch im Kneipenbetrieb achten wir darauf, dass stets Bio-Säf- te, -Sekt und -Wein sowie eine Alternative zu Kuhmilch angeboten werden. I n Zeiten, in denen die vegane Ernährung – erfreulicherweise! – im Darüber hinaus ist es uns wichtig, dass unser Angebot fair gehandelt ist. Mainstream angekommen ist, vegane Restaurants und Kochshows Ein weiterer regelmäßiger Termin ist das monatliche Antifa-Cafe Ludwigs- keine Seltenheit mehr sind und in den Schaufenstern großer Buch- burg, das Anka L., mit seiner veganen Volksküche. Hier werden vegane handelsketten vegane Kochbücher stapelweise ausliegen, ist es uns vom Lebensweise und antifaschistische Politik miteinander verbunden. Demokratischen Zentrum Ludwigsburg, dem DemoZ, wichtig, dass unser www.demoz-lb.de veganes Angebot nicht nur als ein Aufspringen auf den Trend verstanden B E T T I N A G Ö P F E R I C H , Vorstandsmitglied des DemoZ e.V., Verein für politische wird. Es ist eine Konsequenz unseres politischen Bewusstseins, das eine und kulturelle Bildung
SOZIOkultur 3 |2014 THEMA 9 ISS WAS? TOBIAS SCHUMANN ES GIBT IMMER Große Abb.: LKW der FGK, Foto: Tobias Schumann | kleine Abb.: Sommerfest WAS ZU Wir sind ein mobiles Kochkollektiv, sind 2012 im RAW-tempel, Berlin, unter- eine Bratpfannen-Bande, sind die Salat- stützt und bekocht von der FGK, Fotos: Hermann Krönke SCHNIPPELN! Subkultur – wir sind die Fahrende Ge- rüchte Küche Zappel Komitee. Wir unter- stützen mit unserem Essen und unserer Lautsprechertechnik das Gelingen von an- deren Projekten wie Demos, selbstorga- Die Fahrende Gerüchte Küche Zappel Komitee nisierten Kongressen oder Camps. Dabei wollen wir nicht als Catering verstanden werden: Wir sind keine Firma und haben auch keineN ChefIn. Wir entscheiden ge- meinsam, wo wir hinfahren, wie viel wir wann kochen und wo wir unsere Boxen- türme aufstellen. Auch verkaufen wir nichts, wir geben Essen und Sound gegen Spende heraus. Alle Überschüsse finan- zieren den Erhalt und den Ausbau der V Gruppe. Lohn erhält niemand. Wir kochen gemeinsam mit den hungrigen Menschen or uns am Zaun wälzt sich der De- ZK aus Berlin. „United we cook, divided we und ausschließlich mit Lebensmitteln aus monstrationszug schon seit zehn Mi- starve!“ schreibe ich auf ein großes Stück Holz. biologischer Produktion. Dabei nutzen nuten entlang. Rote Fahnen, Schwar- „Bio“, „regional“, „vegan“ und „Mitmachkü- wir möglichst regionale und saisonale zer Block, Familien mit Kinderwägen che“ steht dabei. Immer wieder werden wir an- Produkte und halten tierische Produkte – diesmal sind alle dabei. Es ist Sommer 2012, gesprochen: „Ja, wir machen das öfter.“ „Nein, aus unseren Töpfen fern – all unse- wir sind in Frankfurt am Main. „Und, kein Fleisch drin, auch keine Milch, wir kochen re Mahlzeiten sind total vegan. was schätzt du?“ werde ich gefragt. vegan.“ „Ja, das ist gesund und schmeckt trotz- Morgens ging ich von vielleicht dem.“ „Doch, wirklich, alles ist bio.“ Ich zeige 3.000 Teilnehmenden aus, muss gern die Reste der zwei Tonnen Spenden-Kartof- aber eingestehen: „Das sind mehr feln aus dem Wendland und lade zum Waschen als 10.000.“ Wir haben uns wohl ein. Niemand von uns wird hier bezahlt, Kochen bei der Planung verschätzt. Der ist unser Beitrag zum Gelingen eines politischen Kollege aus Liechtenstein hüpft vom Projektes. Wir verkaufen nichts, wir bitten um Pfeiler: „Dann sollten wir wohl noch eine Spenden nach Selbsteinschätzung. Wir machen Schnippelrunde einlegen, oder?“ Ich nicke. Wir die Ausgaben transparent, rechnen aus, was sind hier, um die Demo am Ende mit Essen zu eine Portion in etwa kostet. „Iss dich satt und versorgen. 10.000 Portionen werden es heute gib, wenn du hast, zwei Euro. Dann kommen wir nicht mehr, aber wir beschließen in schneller mit unserem LKW wieder nach Hause.“ Absprache noch 1.000 Portionen zusätzlich zu Es kommt ein Anruf von der Gruppe, die in der kochen. Hinter uns brodelt es in Töpfen von Ba- Stadt das Essen ausgibt. Lautes Gelächter bricht dewannengröße vor sich hin. 2.000 Portionen aus. Was ist passiert? Die Polizei hat soeben gesundes Demofutter. 300 Liter mit Kartoffeln, unsere Löffel beschlagnahmt. Daraus könnten noch einmal soviel an Gemüsesauce. In den Wurfgeschosse werden. Das hatten wir noch nie kleinen 100-Liter-Töpfen werden Hülsenfrüchte ... Aber es gibt keine Probleme, es gibt nur He- eingeweicht oder wird Wasser vorgewärmt. Im rausforderungen, wie einer von uns gern sagt. Schatten putzen Menschen frischen Salat. Ich Nun gut, entgegen unseren Prinzipien werden stelle ihnen noch fünf weitere Kisten hinzu und Einweglöffel in einer Drogerie gekauft. Mahlzeit! ernte wehleidige Blicke, während sich andere Die Brenner sind aus, wir sitzen zusammen und fleißige Hände mit 50 Kilo Karotten näher be- planen das Essen für morgen. Wieder werden wir schäftigen. Eine Stunde später fährt das erste angesprochen. „Nein, wirklich nicht, keineR von Auto mit Essen und Geschirr für 2.000 Men- ist gelernteR Köchin/Koch. Wir sind an unseren schen ins Bankenviertel der Innenstadt, wo die Erfahrungen gewachsen – von 30 zu 3.000 Por- große Abschlussdemo von Blockupy 2012 endet. tionen. Wir hoffen, es schmeckt trotzdem!“ Der Rest geht mit der nächsten Fuhre raus. www.fahrende-geruechte-kueche.de Leute von vier Volxküchen stehen hier gemein- sam an den Töpfen, die Versorger aus Stuttgart, die Fläming Kitchen aus dem Fläming südlich TO B I A S S C H U M A N N ist von Potsdam, das Kochkollektiv aus Liechten- Mitglied des Kollektivs Fahrende stein und ich für die Fahrende Gerüchte Küche Gerüchteküche ZK, Berlin.
10 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? E ssstörungen sind unter TänzerInnen weit und Mitleiden, Identifikation und Selbsterkennt- verbreitet, auch hier gilt das Ideal des nis macht „Iss oder stirb“ so faszinierend. Die Ak- schlanken Körpers. Das Tanzende Thea ter Wolfsburg e.V. erforschte bereits 2008 mit ISS tiven auf der Bühne zeigen in bester Hiphop-Ma- nier, was einen gut gebauten Körper ausmacht, 40 Männern und Frauen zwischen elf und ODER Männer sinnieren lästernd über die zu dünnen 50 Jahren das Thema mal ernst, mal mit einem Augenzwinkern – tänzerisch, darstellerisch und STIRB Frauen. Im Wartezimmer werden absurde Diät- tipps ausgetauscht, worauf eine Frau über den gesanglich. Dabei wurden Jugendliche aus dem Ein „MusikTanzTheater“ täglichen Perfektionsdruck singt. Gelächter, doch präventiven Schulprojekt „Leben hat Gewicht um Perfektion und Schönheit im nächsten Moment bleibt es einem im Halse – gemeinsam gegen den Schlankheitswahn“ stecken. Dabei behält das Ensemble immer seine eingebunden. Im kreativen Prozess stellte das fein und fesselnd ausbalancierte vielseitige Dar- Produktionsteam Cinzia Rizzo, Britta Rollar und stellungsweise bei. Sabine Thanner fest, dass viele in der Gruppe Besonders Heranwachsende sind gefährdet, persönliche Erfahrungen mit Nahrungsverwei- durch äußere Einflüsse oder psychische Belas- gerung oder unkontrollierter Nahrungsaufnah- tungen in eine Essstörung zu geraten. „Jedes me unter besonderen psychischen Belastungen fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche zeigt hatten oder haben. Im Prozess wurden auch Zeichen von Essstörungen. Tendenz steigend“, Vorurteile und Unkenntnis aufgedeckt: „Ma- schreibt die Deutsche BKK. Darum wurden nach gersucht? Das ist doch keine Krankheit, da vielen Nachfragen von Lehrern im Jahr 2010 muss man doch einfach nur wieder was es- mit dem Profi-Ensemble TTW#ZWEI spezielle sen!“ Aus eigenen Texten und Zitaten Betroffe- Vorstellungen für Schulklassen angeboten. In ner, aus Improvisationen zur Bewegungs- und den Jahren darauf ging das MusikTanzTheater Darstellungsfindung entstand ein „MusikTanz- in kleiner Besetzung weiter auf Tour – 2011 gab Theater“, in dem auf künstlerische Weise die es ein Gastspiel im Theater Nienburg, zuletzt Problematik der Essstörungen thematisiert wird. An vielen Stellen ist der wurden im Juni 2014 Auszüge beim Gesundheitsforum in Wolfsburg dar- Zuschauer berührt, an anderen Stellen informiert oder konfrontiert, aber geboten. Das Tanzende Theater Wolfsburg möchte immer wieder die Frage immer bleibt genügend Platz für Überraschungen und Humor. aufwerfen: „Warum finden wir uns nicht schön und richtig, genau so wie Seit 2009 sahen ca. 6.000 Menschen „Iss oder stirb“. Andrea Jakob von wir sind?“ der Beratungsstelle Dialog: „Es gab einige, die durch das Stück zum ersten www.tanzendestheater.de | Foto: Janina Snatzke Mal Kontakt zu uns aufgenommen haben. Betroffene, aber auch Angehörige J E N N I F E R Z W E R N E R , Leiterin des Bereichs Betroffener fühlten sich ermutigt.“ Das Wechselspiel zwischen Mitlachen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Tanzenden Theaters Wolfsburg e.V. S eit Beginn organisieren insbesondere Frauen mit Migrationshinter- grund einmal im Monat Kochkurse für Mitglieder und Interessierte im Evangelischen Gemeindezentrum Düsseldorf-Eller. Zur Organi- sation gehören auch das Erstellen von Einkaufslisten, das Aufschreiben der Rezepte und eine kurze Einführung in die Besonderheiten der Tisch- und Essenskultur der beteiligten Länder. Diese Vorbereitung ist für alle noch Deutsch Lernenden eine Herausforderung und praktische Sprach- übung. Beim Kochen lernen die Menschen voneinander und kommen so INTER- ins Gespräch. Die fertigen Speisen können Teilnehmende und Interessierte KULTURELLE gleich anschließend im interkulturellen Treffpunkt Café Mosaik probieren. Es entstehen oft private Kontakte, Informationen über andere Aktivitäten DIALOGE des Mosaik e.V. fließen hier ein. IN DER Die Teilnehmenden entdecken nun zuneh- mend Gemeinsamkeiten in den Küchen der KÜCHE Welt. Dies aufgreifend, wurden in letzter Zeit verstärkt Cross-over-Kochworkshops angebo- ten: „Kieler Sprotte trifft Schwarzmeer-Sardi- Internationale Kochworkshops gehören zu den beliebtesten ne“ mit Rezepten aus Norddeutschland und Veranstaltungen des Mosaik e.V. Der Düsseldorfer Verein, der der türkischen Schwarzmeerküste, „Pizza trifft Lahmacun“ – ein italienisch- seit fünf Jahren den Dialog der Kulturen und integrative Initia- türkisches Treffen rund um belegten Hefeteig, „Köttbullar trifft Köfte“ – ein tiven seiner Mitglieder fördert, ist in Düsseldorf gut vernetzt. schwedisch-türkischer Vergleich von Hackfleischbällchen-Variationen. Ein Die Mitglieder sind Deutsche, Bosnier, Franzosen, Finnen, Grie- Kochbuch mit all diesen interessanten Rezepten ist in Planung. chen, Italiener, Kameruner, Marokkaner, Polen, Russen, Tunesier, www.mosaikev.de Türken und Schweizer aller Generationen mit Lebensmittelpunkt in Düsseldorf, Frauen und Männer etwa gleichen Anteils. M O N I K A L E N T- Ö Z T Ü R K , Vorsitzende des Mosaik e.V.
SOZIOkultur 3 |2014 THEMA 11 ISS WAS? MIT ESSEN SPIELEN Das Projekt „Nährwert“ provoziert Verschwendung R egional, bio, preiswert und lecker? Die persönliche Auseinander- Gewürzt mit erlebten Geschichten, wie der vom ghanaischen Essen im setzung mit dem Thema „Was kann ich eigentlich noch kaufen?“ Lehrlingswohnheim und dem Schlachtefest in der Lüneburger Heide, prä- brachte die Theaterpädagogin Johanna Grote auf die Idee zum sentieren die PerformerInnen ihre Inszenierung im Uni-Bistro und im dörf- Projekt „Nährwert“: Psychiatrie-PatientInnen und -Erfahrene, Langzeit-Er- lichen „Kulturbrunnen“. Dem Publikum werden nahrhafte Bissen mit den werbslose und andere theaterbegeisterte Laien tauschen sich über eigene passenden Anekdoten gereicht, zum Abschluss containerte Lebensmittel Essgewohnheiten und aktuelle gesellschaftliche Themen wie Unverträg- verteilt. lichkeiten und nachhaltigen Anbau aus. Ein Herr aus der Nachkriegsgeneration platzt im Publikumsgespräch Getragen vom Theaterpädagogisches Zentrum Hildesheim akquiriert sie heraus: „Ich sehe das kritisch, dieses Spielen mit Essen!“ Es wird disku- gemeinsam mit dem Sozial- und Theaterpädagogen Karu Grunwald eine tiert: Ist die inszenierte Tortenschlacht legitim, weil sie auf die weltweite Gruppe von 13 erwachsenen LaienspielerInnen. In wöchentlichen Proben Verschwendung von Nahrungsmitteln hinweisen will? von März bis Juli 2014 erarbeiten sie die performative Szenencollage Eine Zuschauerin kritisiert unsere Fast-Food-Gesellschaft: „Wie viele „Mahlzeit!“. Kein Schauspiel wird auf die Bühne gebracht, sondern die Kinder kommen ohne Frühstück zur Schule! Es sollte zu Hause wieder Teilnehmenden experimentieren mit Spielaufgaben: „Sprecht chorisch den mehr gemeinsam gekocht und gegessen werden, auch mit Freunden und Satz, ‚Ich esse meine Suppe nicht‘, und füllt dazu die Suppe in verschie- Nachbarn. Da können wir uns bei den türkischen Familien was abgucken.“ dene Behälter.“ – „Es muss ja gar nichts Aufwendiges sein“, ergänzt die Spielerin Inge, Schon zu Beginn der Proben wird deutlich: Essen ist etwas sehr In- Rentnerin, „Pellkartoffeln und Quark tun‘s auch.“ times, sich dabei zuschauen zu lassen erfordert Mut und Vertrauen. *Name geändert. | Fotos: Clemens Heidrich Es schafft aber auch Interesse am anderen, wie Teilnehmerin Daniela, Der Artikel ist in leicht geänderter Form auch im Kulturmagazin Psychiatrie-Krankenschwester, beschreibt: „Das Spannendste waren so des Studentenwerks OstNiedersachsen „KulturPur“ erschienen. spezielle Ess-Weisen, beispielsweise Alexanders ‚Osterei nach Art des Hauses’, das mit Essig und Öl befüllt wird, oder wie Steffi* sich vor dem J O H A N N A G R OT E , Theaterpädagogin und Leiterin des Projekts Apfelessen den Mund mit einem Brillenputztuch abtupft.“ „Nährwert“ des Theaterpädagogischen Zentrums in Hildesheim. I m Quartier Essener Straße im Hamburger staltet vom ella-Kulturhaus, wurde im August Stadtteil Langenhorn leben Menschen ver- dieses Jahres zum achten Mal das „Buffet der schiedenster Nationalitäten zusammen. Kulturen“ gefeiert – wie immer begleitet von ei- Sprachliche Barrieren erschweren nicht selten nem vielfältigen Kulturprogramm, das ansässige die Integration im direkten Wohnumfeld. Institutionen und Künstler gestaltet haben. Vor diesem Hintergrund entstand 2007 bei Unsere grenzenlose menschliche Verbundenheit dem deutsch-iranischen Künstler Saeeid Dast- sichtbar und erfahrbar zu machen ist seit Jah- malchian die Idee zum interkulturellen Nach- ren Triebfeder des Schaffens von Dastmalchian. barschaftsfest „Buffet der Kulturen“. Unter Mit seinen Projekten setzt er immer wieder neu dem Motto „Gemeinsam die Vielfalt feiern und bewusstseinsentfaltende Impulse, aus der Über einander in Offenheit begegnen“ treffen sich zeugung heraus, dass der Weg zu einem friedli- seitdem alljährlich Bewohner und Gäste von chen Miteinander nur gemeinsam möglich ist und außerhalb auf dem Marktplatz Käkenhof. Alle dass nur, wer sich zugehörig fühlt, auch bereit ist, sind eingeladen, eine landestypische Spezialität mitzubringen und so zur Gestaltung einer Tafel GEMEINSAM sich für das Allgemeinwohl zu engagieren. mit internationalen Köstlichkeiten beizutragen, DIE VIELFALT www.buffetderkulturen.de, www.dastmalchian.de Foto: Peter Siegler die dann gemeinsam genossen werden. In un- gezwungener Atmosphäre entstehen mit Leich- FEIERN C O R D U L A DA S T M A L C H I A N, freie Autorin und Mitwirkende in der Friedensinitiative my tigkeit und Genuss Brücken zwischen Menschen Das Buffet der Kulturen in Hamburg face for peace, die sie gemeinsam mit Saeeid und Kulturen – lebendige Integration. Veran- Dastmalchian gegründet hat.
12 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? GER ÜCHTE- Eine Küchen- Performance auf dem Neumarkt. K CHE in der Mannheimer Neckarstadt-West Auf dem Speiseplan: Gerüchte © Illig&Illig LEA H O F F M A N N D Arm, schmuddelig, auf Kindergeld aus – ein Bild, das as Community art Center mannheim1 lud Mitte Juni drei im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-West häufig mit Tage lang auf den Neumarkt ein, Geschichten oder Gerüch- Einwanderern aus Bulgarien assoziiert wird. Doch was te aus dem Stadtteil zu erzählen. Die „Gerüchteküche“ ist eine Frau aus dem Stadtteil vor ein paar Wochen auf dem eine Aktions-Installation des Künstlerpaars Illig und Illig. Die Idee: Neumarkt in Neckarstadt-West erlebt und in der „Gerüch- Menschen aus dem Stadtteil kommen in die Installation „offene teküche“ erzählt hat, hinterfragt das Klischee: Symbolisch Küche“ und berichten über das, was sie im Mitein-ander des Stadt- für den „Dreck“ sind Schalen von Sonnenblumenkernen, teils bewegt. Die Künstler hören zu, fragen nach und verwandeln die an Treffpunkten von „Bulgaren“ im öffentlichen Raum in einem ausgeklügelten Prozess das Gerücht in eine schmackhaf- zurückbleiben. „Es reicht“, dachte sich offenbar an jenem te Mahlzeit. Gemüse, Saucen, Brote und allerlei Hilfsmittel haben Tag ein Bewohner des Stadtteils, auch er mit bulgarischer verschiedene Formen, Farben, Strukturen, Gerüche, Geschmäcker, Migrationsgeschichte. Er holte einen Besen und fegte. Konsistenzen …, die sich dem Erzählten zuordnen lassen. Auch das Er fegte sie weg, die Stereotype, die auch ihn und sein Arrangement der Speisen sagt etwas aus: Ist alles zusammenge- unmittelbares Lebensumfeld beeinflussen. mischt oder vereinzelt? Wie sind die Elemente gefügt? Nach diesem Transformationsprozess verspeisten alle gemein- sam die zubereitete Mahlzeit. Sie reflektierten über das Erlebte und entwickelten Visionen eines Stadtteils, in dem Stereotype und Vorurteile den Alltag nicht bestimmen. Die „Gerüchteküche“ bot einen Ort der Begegnung und eine Plattform für die Menschen im Stadtteil, die dadurch eine Wertschätzung ihres Lebensraumes und ihrer Erfahrungen erlebten. 1 Seit 2012 holt das Community art Center mannheim internationale Profikünstler in die Neckarstadt-West. Viele Bewohner leben hier in prekären ökonomischen Verhältnissen. Die Künstler nehmen Themen und Probleme der Bewohner in ihre Kunst auf, helfen Vorurteile ab- zubauen und treten Diskriminierung aktiv entgegen. Das Community art Center wird von der Stadt Mannheim, der Heinrich-Vetter-Stiftung, der Freudenberg Stiftung und der BT Spickschen Stiftung unterstützt. L E A H O F F M A N N ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Freudenberg Stiftung.
SOZIOkultur 3 |2014 THEMA 13 ISS WAS? Das LindenBier Von der Brauerei zum Kulturzentrum und zurück D as Brauwesen in Unna hat eine jahr- hundertealte Tradition, und vor allem die Lindenbrauerei trug über die Gren- OHNE FUTTER zen der Stadt hinaus zum guten Ruf der Un- naer Biere bei. Mehr als 100 Jahre produzierte KEINE KULTUR Gastronomie in der Soziokultur – gestern, heute, morgen sie den überaus beliebten Gerstensaft, bis sie 1979 stillgelegt wurde. Die Stadt Unna erwarb den Gebäudekomplex mit seinem denkmalge- schützten Schornstein. Seit 1990 betreibt der Trägerverein Lindenbrauerei e.V. als Zusam- menschluss von Unnaer Künstlern, kulturell en- gagierten Einzelpersonen und Initiativen darin ein Kultur- und Kommunikationszentrum mit Unterstützung der Stadt. Das gesamte Spektrum an Kulturveranstal- M A RT I N W I E D E M A N N kussion und Rezeption nach den Veranstaltun- tungen wird geboten, auch politische Diskussi- gen – für Künstler, Publikum und Veranstalter. onen und Lesungen bis hin zu internationalen SO WAR DAS GESTERN Kurz: eine Visitenkarte, die inzwischen aus dem Aktionstagen in der Kulturkneipe Schalander Im Jahr 1978 beleben elf Betriebe und Initiati- öffentlichen Projekt FABRIK nicht mehr wegzu- – hier trifft sich die Szene aus Unna und Umge- ven das Gelände einer alten Möbelfabrik neu. denken ist. bung, alle Generationen kommen zusammen. Eine Küche wird eingerichtet, direkt neben ei- Das ist die inhaltliche Seite. Auf der finan- nem großen gemeinschaftlich genutzten Raum. ziellen Seite helfen die Pachteinnahmen dem Es entsteht eine kleine Kantine, gekocht wird gemeinnützigen Verein bei der Finanzierung mittags reihum, jeder Betrieb stellt eine Woche seiner Kulturarbeit, ohne dass dessen wirt- jemanden zum Kochen frei. Der Mittagstisch ist schaftlicher Erwerbsbereich zu groß wird. Die die tägliche Fortsetzung der wöchentlichen Mit- Brauerei, deren Bier ausgeschenkt wird, ist gliederversammlung. auch Sponsor für die Kultur. Genauso wie der Irgendwann in den Achtzigern kommt die eine oder andere Winzer, dessen Weine sich auf abendliche, ehrenamtliche Mittwochskneipe der Karte finden, ganz selbstverständlich Mit- dazu, damit auch die Politaktivisten zu ihrem glied im Förderkreis Kultur geworden ist und Genuss-Recht auf dem Gelände kommen. Ende diesen mit Geld und guten Tropfen unterstützt. der Achtziger arbeiten über hundert Menschen auf dem Gelände, eine professionelle Gastro- SO FINDET DAS GESTERN INS HEUTE nomie muss her, so wie sich auch die bisher Die Gastronomie funktioniert und floriert, wird ehrenamtliche getragene Kultur als „Vorder- geschätzt und hat sich einen guten Ruf weit haus-Kultur in der FABRIK“ in neuen Räumen über Freiburg hinaus erarbeitet. Auf dem Ge- Seit 2002 wird hier wieder LindenBier gebraut, professionalisiert. lände selbst werden neue Bedürfnisse laut. Wie eine Entwicklung, die mit großer Freude be- schön wäre es, sich ab und zu gegenseitig zu be- grüßt wurde. Das neue LindenBier wird nach SO IST DAS HEUTE kochen! Die „Neuen“ für die „Alten“ und um- alter Rezeptur im eigens für das Kulturzentrum Das Vorderhaus-Restaurant ist verpachtet, der gekehrt. Der eine Betrieb für alle anderen, dabei hergestellten Brauaggregat in einer kleinen Kulturbetrieb liegt weiter in den Händen des die auf der Terrasse selbst gezogenen Tomaten Hausbrauerei gebraut. Es wird exklusiv im gemeinnützigen Vereins. Kultur und Gastrono- verarbeitend. Oder: „Heute gibt es Kuchen von Schalander ausgeschenkt, kann aber auch im mie arbeiten Hand in Hand, manchmal gibt es den Pflaumen, die im Hof wachsen!“ Syphon für den häuslichen Umtrunk erworben gemeinsame Angebote, bei denen kulinarischer In der Küche neben dem großen Raum wird werden. Zusätzlich werden Spezialbiere zu ver- und kultureller Genuss verbunden werden. Der jetzt hin und wieder für alle gekocht, die kom- schiedenen Anlässen gebraut, auch für private tägliche Mittagstisch wird von den rund 150 Be- men wollen. Reihum und abwechselnd, ehren- Feste kann eigens Gebrautes bestellt werden. schäftigten der FABRIK-Betriebe wie auch von amtlich und lustvoll, etwa alle vier Wochen. Die Zum sehr bekömmlichen Kulturgebräu ge- außerhalb rege besucht. Mitgliederversammlung tagt jetzt ja auch nur sellte sich erneut der kühle Tropfen, Tradition Das Restaurant ist einer der Dreh- und An- noch viermal im Jahr … und Gegenwart treffen unter dem Dach des gelpunkte der öffentlichen Kommunikation Kulturzentrums Lindenbrauerei zusammen. auf dem Gelände. Es ist Erstkontakt und Erste Hilfe, Schnuppermöglichkeit, Nachrichtenbörse, M A RT I N W I E D E M A NN www.lindenbrauerei.de Erholungsinsel, Besprechungszimmer, Paketan- ist Geschäftsführer der Fabrik ERIKA EXTERNBRINK, Mitarbeiterin für Öffent- nahmestelle, Feier-Ort und Trost-Platz. Es bietet für Handwerk, Kultur und lichkeitsarbeit beim Kulturzentrum Lindenbrauerei Ökologie e.V. in Freiburg. einen gern genutzten Ort für Begegnung, Dis-
14 THEMA SOZIOkultur 3|2014 ISS WAS? Das unkommerzielle Suppen-Straßenfest in Berlin JANINA HENKES S eit 2009 finden Menschen verschie- Neben Projekten und Vereinen sind auch alle dener Hintergründe im Kollektiv des AnwohnerInnen eingeladen, sich mit einer Suppe&Mucke e.V. zusammen. Gemein- selbst zubereiteten Suppe aktiv an der Gestal- sam organisieren sie mit Hilfe zahlrei- tung des Festes zu beteiligen. Damit will der cher KooperationspartnerInnen und Unterstüt- Suppe&Mucke e.V. die Identifikation der Men- zerInnen das gleichnamige unkommerzielle schen mit ihrem Kiez als selbst gestalteten Le- Straßenfest. „Suppe&Mucke“ ist ein inklusives bensraum stärken. Gleichzeitig sollen sie moti- antikommerzielles Straßenfestival, das in den viert werden, kreativ zu sein. Den Lebensraum letzten fünf Jahren sehr viele Initiativen, Künst- durch das Zusammenwirken der Gemeinschaft lerInnen und beteiligte UnterstützerInnen mobi- zu gestalten, darin besteht das Anliegen. lisieren konnte. Viele Stände stellten dabei ihre nicht-diskriminierenden und nicht-herrschaftlich- Suppe und Musik bringen hierarchisch organisierten Projekte vor und Menschen verschiedener teilten Suppen aus. Auf verschiedenen Bühnen erlebten die BesucherInnen ein reiches Angebot Hintergründe zusammen. aus den Bereichen Musik, Theater, Kunst, Kultur und Politik. Der Verein hat dieses Kulturprojekt beständig weiterentwickelt und dabei neue Tätigkeitsfelder Auf dem „Suppe&Mucke“-Straßenfest präsen- und Projekte erschlossen. Inzwischen arbeitet der tieren sich rund 70 Stände mit kulturell, politisch Verein kontinuierlich über das ganze Jahr hinweg. und sozial engagierten Projekten und Initiati- Neben neuen kulturellen Projekten stehen dabei ven aus der Nachbarschaft und ganz Berlin. Sie die Vernetzung und der Austausch mit anderen kooperieren. Dabei besuchten die Orga-Teams alle kochen am Vortag gemeinsam Suppe und soziokulturellen AkteurInnen im Vordergrund. sich zum Festival in den jeweiligen Städten, schenken sie am Festtag kostenlos an die Besu- Gemeinsam mit befreundeten Projekten versucht unterstützten einander bei den letzten Vorbe- cherInnen aus. Suppe und Musik sind dabei nie- er ein Netzwerk zu bilden, das gegenseitig Struk- reitungen wie dem Aufbau und der kreativen derschwellige interkulturelle Medien, die Men- turen nutzbar macht und den Austausch von Wis- Gestaltung. Sie konzipierten gemeinsam, zeich- schen verschiedener Hintergründe an einem Tag sen und Qualifikationen fördert. neten, nähten und konstruierten. Vor allem die gemeinsam auf der Straße zusammenbringen. So unterschiedlichen Atmosphären auf den Festen werden Kontaktmöglichkeiten geschaffen, und In den vergangenen zwei Jahren nutzte der durften sie dabei kennenlernen. Den lauten, die Initiatoren der Projekte erhalten die Möglich- Suppe&Mucke e.V. ein Förderprogramm der bunten Flair des italienischen Festes in Bologna keit, die BesucherInnen zu treffen, sie über ihre EU, das nun abgelaufen ist. Dieses Programm und die nachbarschaftliche französische Stim- politische, soziale und kulturelle Arbeit zu infor- ermöglichte es, mit dem französischen Suppen- mung in Lille, wo Gemüse zu Instrumenten ge- mieren und sich mit ihnen auszutauschen. fest in Lille und dem italienischen in Bologna zu schnitzt wurde und originelle Performances auf der Straße verzückten. S&M Kochparty © Sabine Friedler Im letzten Jahr nahm das Suppenfestival größere Dimensionen an. Die „Suppies“ freuten sich, tolle KünstlerInnen begrüßen zu können, die wieder- um die BesucherInnen aller Generationen, Cou- leurs und Herkünfte begeisterten und in eine tolle Stimmung versetzten. In diesem Jahr konnte das Berliner Suppenfest jedoch nicht in dem Umfang stattfinden, wie es angedacht war. Die tolle Stimmung und die warme Festivalatmo- sphäre der vergangenen Jahre verstehen sich als
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