JAGD - MONITORING Landesweites Auerwildprojekt COVID-19 Auswirkungen auf die Jagd BEZIRKE Hegeschauen 2020 SERIE Jagdhunde - Retriever ...
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VORARLBERGER JAGD MAGAZIN DER VORARLBERGER JÄGERSCHAFT MAI & JUNI 2020 MONITORING Landesweites Auerwildprojekt COVID-19 Auswirkungen auf die Jagd BEZIRKE Hegeschauen 2020 SERIE Jagdhunde – Retriever
SEITE 2 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD DAS ORIGINAL IM REVIER GESICHTET! DER NEUE Klub- oder Doppelkabine Allrad serienmäßig mit an Bord (inkl. 100% Differentialsperre) Moderne Assistenzsysteme Vorsteuerabzugsfähig und NoVA befreit Jetzt ab € 26.490,– oder € 194,–/Monat* *) Unverbindlich empfohlener Listenpreis. € 2.000,– Work Edition Bonus bereits abgezogen. € 500,– Ökobonus und € 500,– Finanzierungsbonus werden noch abgezogen. Aktionen gültig bis 30.06.2020 bei allen teilnehmenden Händlern – inkl. Händlerbeteiligung. Die Finanzierung ist ein Autohaus Josef Bickel Service seit 1963 Angebot der Denzel Leasing GmbH. € 26.490,– Barzahlungspreis (Kaufpreis inkl. NoVA und MwSt), € 194,– monatliche Rate, 36 Monate Laufzeit, Fachhandel und Fachwerkstätte € 7.947,– Anzahlung, € 13.213,61 Restwert, 15.000 km p.a., Rechtsgeschäftsgebühr € 164,24, effektiver Jahreszins 3,92% p.a., Sollzinsen variabel 3,49% p.a., Gesamtleasingbetrag € 18.543,–, Gesamtbetrag € 28.308,99. Alle Beträge inkl. NoVA und MwSt. Hinweis: Diese Angaben können ohne Spenglerei und Lackiererei Ankündigung geändert werden. Abgasnorm Euro 6d-TEMP-EVAP: Die angegebenen Verbrauchs- und CO₂-Emissionswerte wurden nach den 6824 Schlins Walgaustraße 82 vorgeschriebenen WLTP-Messverfahren (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) ermittelt. Der tatsächliche Kraftstoffverbrauch kann in der Praxis je nach Fahrweise, technischem Zustand des Kraftfahrzeuges, nicht serienmäßigen An- und/oder Abbauten, Fahrbahn- T 05524 8329 mail@bickel.at beschaffenheit und klimatischen Bedingungen etc. abweichen. Druck- und Satzfehler vorbehalten. MY’20. Stand März 2020. Verbrauch kombiniert: 8,6 l/100 km, CO₂-Emission: 226 g/km www.mitsubishi-motors.at www.vjaegerschaft.at
NEUE SITUATION – Dr. Christof Germann Landesjägermeister ALTE RITUALE I nnerhalb weniger Wochen haben Die Ratschläge in der letzten Wald- sich die Prioritäten in unseren Le- zeitung möchte ich an dieser Stelle ben verändert, schlagartig, abrupt nicht unwidersprochen lassen. Die und radikal. Derzeit ist nichts, wie es Stimmungsmache gegen die Hege- war. Wir wissen auch nicht, wann es schauen ist im Grunde nichts Neues. wieder so sein wird, wie es war. Davon Es erweckt bei mir jedoch zuneh- ist auch die Jagd in Vorarlberg betrof- mend den Eindruck, man sei nicht an fen. Vor einigen Wochen konnten wir einer gesamtheitlichen Lösung der die sehr erfolgreichen Oberländer Jä- Forst-Jagd-Situation interessiert, son- gertage mit dem Schwerpunktthema dern betreibe seit vielen Jahren eine Impressum „Gamswild“ abhalten. Die öffentliche anlassbezogene Feindbildpflege. Um Titelbild: adobe stock Diskussion war stark durch die TBC nicht falsch verstanden zu werden: Redaktion: und die Massenabschüsse in Kaisers Es braucht den Dialog zwischen Forst Chefredakteur Gernot Heigl MSc gernot.heigl@vjagd.at geprägt. Heute redet fast niemand da- und Jagd dringend. Das erfordert aber rüber – aber nur vorübergehend. Es einen anderen, einen wertschätzenden Bezirk Bregenz: Johannes Kaufmann johannes.kaufmann@vjagd.at wäre fatal, wenn wir die TBC beim Rot- Umgang. Wenn ich auf die letzte Wald- Bezirk Dornbirn: HM Bruno Metzler wild nicht weiterhin ganz entschlos- zeitung schaue, helfen uns solche „Rat- bruno.metzler@vjagd.at sen bekämpfen. Wenn wir nicht unse- schläge“ (auch Ratschläge sind Schlä- Bezirk Feldkirch: Andrea Kerbleder ren Beitrag zur Lösung dieses Problems ge) nicht weiter. andrea.kerbleder@vjagd.at leisten, mache ich mir ernste Sorgen Bezirk Bludenz: Doris Burtscher um die Zukunft der Jagd in Vorarlberg. In der Rubrik „Nachgedacht“ (Seite doris.burtscher@vjagd.at Ich bitte an dieser Stelle nochmals alle 39) findet sich die Schilderung eines Medieninhaber und Herausgeber: Betroffenen um ihre Mithilfe. Vorfalls, welcher mich zutiefst scho- Vorarlberger Jägerschaft, Bäumler Park Markus-Sittikus-Straße 20, 6845 Hohenems ckiert hat. Mein Appell an alle Jägerin- Tel 05576 74633, Fax 05576 74677 COVID-19 erschwert auch die Aus- nen und Jäger: Hinterfragen wir stets info@vjagd.at, www.vjagd.at übung der Jagd. Derzeit ist klar, dass unser Handeln und Tun, insbesondere Öffnungszeiten der Geschäftsstelle: unter Einhaltung der Schutzmaßnah- im Umgang mit Wildtieren. Montag bis Freitag: 8 bis 12 Uhr men gejagt werden darf. Es stellen sich Erscheinungsweise: 6x jährlich aber viele Fragen, auf welche unser Ich wünsche Ihnen allen ein kräfti- Anzeigenmarketing: Media Team GesmbH, Interpark FOCUS 3 Rechtsbeirat in der vorliegenden Aus- ges Waidmannsheil im neuen Jagdjahr 6832 Röthis , Tel 05523 52392-0 gabe eingeht (Seite 10). Ein wesentli- und bleiben Sie gesund. office@media-team.at cher Aspekt ist jedoch die Verwertung Hersteller: des Wildbrets. Mit der Gastronomie ist BULU - Buchdruckerei Lustenau GmbH Millennium Park 10, A-6890 Lustenau nun ein wichtiger Abnehmer zur Gän- Euer ze weggefallen. Gerade jetzt bietet sich PEFC zertifiziert – dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und die Möglichkeit, wo möglich, vermehrt kontrollierten Quellen. auf Direktvermarktung zu setzten. Um Sie dabei zu unterstützen, wird in den Christof Germann kommenden Wochen ein neues Wild- bret-Portal eingerichtet. www.pefc.at
SEITE 4 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD VORARLBERGER 6 JAGD MAGAZIN DER VORARLBERGER JÄGERSCHAFT MAI & JUNI 2020 INHALT Alles auf einen Blick! 10 AKTUELL Grundlagenstudie Auerhuhn Vorarlberg Seite 6 Saisonale Physiologie des Wildes Seite 10 Wiesenbrüterprojekt Seite 16 RUBRIKEN Gewinner-Schnappschuss Seite 5 Jagd & Recht: Anordnung einer Freihaltung Seite 10 Kinder & Natur: Die Ameise Seite 20 Bücherecke Seite 36 Nachgedacht Seite 39 Schusszeiten Seite 39 JAGD Oberländer Jägertage 2020 Seite 24 Bezirksversammlung Bludenz Seite 26 Bezirksversammlung Dornbirn Seite 28 Ansprache von BJM Martin Rhomberg Seite 30 Hegeschau Bregenz – Covid19 Seite 33 Trophäenbewertung - Rothirsch Seite 34 JAGDHUNDE Serie: Jagdhundeklubs in Vorarlberg Seite 22 16 JÄGERINNEN & JÄGER Treueabzeichen Bludenz Treueabzeichen Dornbirn Seite 27 Seite 29 s’Dorabira Jägerkränzle Seite 32 Geburtstage Seite 38 Nachruf Friedrich Schmid Seite 40 26 GEWINNER DES LETZTEN KINDERRÄTSELS Valentin Rüdisser , 9 Jahre, Hohenems
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 5 Im Alter von zirka vier Wochen verlassen die Jungfüchse zum ersten Mal den schützenden Wurfbau. Foto: Carmen Perfler GESUCHT: SCHNAPPSCHÜSSE Die LeserInnen der „Vorarlberger Jagdzeitung“ sind eingeladen, ihre besten Fototrophäen an die Redaktion (info@vjagd.at) zu senden. D ie Aufnahme sollte ein interes- schließlich per E-Mail. Die Teilnahme santes, lustiges, schönes oder ist kostenlos. Als Gewinn winkt seltenes Motiv aus der Natur ab- Die Teilnehmer/-innen gewährleis- bilden. Eine kurze Erklärung zur Person ten, dass sie an den übermittelten Fo- ein Victorinox des Fotografen/der Fotografin, dem Auf- nahmeort und den näheren Umständen tos sämtliche Rechte uneingeschränkt besitzen und keine Rechte Dritter be- HUNTER der Aufnahme wäre wünschenswert. rühren. Taschenmesser mit Die Teilnahme erfolgt durch Über- Die Bilder sollten eine Auflösung in V-Jagd-Logo. sendung eines oder mehrerer Fotos aus- Druckqualität haben.
SEITE 6 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD VON DEN „ORHANEN“ IN VORARLBERG Grundlagenstudie Auerhuhn Vorarlberg Dem Auerwild in Vorarlberg geht es nicht gut. Die Zeiten, in denen man auf den Balzplätzen mehrere Hahnen hören konnte, sind vielerorts vorbei. Dem nicht genug - auch das Wissen über bestehende Auerwildvorkommen geht zunehmend verloren. Eine kürzlich gestartete, landesweite Grundlagenstudie soll nun Klarheit über die Situation des Auerhuhns in Vorarlberg schaffen.
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 7 G anz anders war dies offenbar schiedenste Infrastruktur und darauf- noch in der ersten Hälfte des folgende Freizeitnutzung. Sind kleine letzten Jahrhunderts. Angaben Bestände einmal isoliert, verschwinden über die Bestände sind kaum zu finden, sie meist recht schnell. Ein langfristiger aber in alten Statistiken, z.B. über den Erhalt der Auerwildbestände, verbun- „Wildabschuß in Vorarlberg“, lesen den mit notwendigen Maßnahmen zur wir von Abschüssen in der Zeit zwi- Förderung des Lebensraumes, kann da- schen 1900 - 1930 von rund 40 Hahnen her nur durch landesweit koordiniertes pro Jahr (Hrsg. von der Kammer der Handeln erreicht werden. gewerblichen Wirtschaft, 1952). Im Und genau das soll angestrebt wer- nächsten Jahrzehnt vor Ausbruch des den: Das Land Vorarlberg, vertreten 2. Weltkrieges gab es sogar noch höhere durch die Abteilungen Umwelt- und Abschusszahlen, bis Mitte der 1960er Klimaschutz, Forstwirtschaft und Land- Jahre pendelte sich der Abschuss auf wirtschaft, hat mit der Vorarlberger Jä- rund 20 Stück ein. Zehn Jahre später gerschaft, der Stiftung „Gamsfreiheit“, waren es nur mehr um die acht Hahnen BirdLife Vorarlberg und dem Natura und seit 11.5.1977 ist Auerwild in Vor- 2000-Regionsmanagement ein landes- arlberg ganzjährig geschont. weites Projekt zur Sicherung des Auer- Bereits in den 1980er Jahren wurde wildes in Vorarlberg gestartet. Ziel ist es, der Ruf nach Maßnahmen zur Schaf- das generelle Interesse an Auerhühnern fung und dem Erhalt von geeignetem wieder zu wecken, einzelne Informa- Lebensraum laut. Auch die stetige Zu- tionen zu einem gesamten Überblick nahme an touristischen Aktivitäten wie zusammenzuführen und gemeinsam dem Tourenskilauf wurde als negativer mit allen Interessierten Maßnahmen zu Einflussfaktor für die weitere Bestands- entwickeln und zu setzen, die den Fort- entwicklung diskutiert. bestand der Vorarlberger Auerhühner In unregelmäßigen Abständen wur- sicherstellen. Zur Unterstützung der den die Bestände erhoben, zuletzt im interessierten Jagdausübungsberech- Jahr 2018 über eine Befragung der ein- tigten und Grundeigentümer wurde zelnen Revierverantwortlichen durch ein Team von Wildökologinnen und die Vorarlberger Jägerschaft, diese mit Wildökologen engagiert, die viel Er- geringen Rücklaufquoten. fahrung mit Auerhühnern mitbringen, Doch diese Nachfragen nach dem von den theoretischen Grundlagen bis großen Waldhuhn reichen nicht aus: zu praktischen Managementmaßnah- Das Wissen über die aktuellen Bestan- men: Veronika Grünschacher-Berger, deszahlen, die Verbreitung und vor al- Wildökologisches Büro in der Steier- lem den Zusammenhang zwischen den mark, Monika Pfeifer und Thomas Hu- einzelnen Vorkommen ist gering. Ein ber, Büro am Berg in Kärnten und Ur- weiterer Rückgang des Auerwildes seit sula Nopp-Mayr und Florian Kunz vom der Jahrtausendwende wird vermutet, Institut für Wildbiologie und Jagdwirt- wie die abnehmende Zahl der gemelde- schaft der Universität für Bodenkultur ten Sichtungen und Funde von Losun- Wien. gen und Federn zeigt. Was soll konkret gemacht werden: Doch die ehemaligen Auerwildbe- Alle bestehenden Daten, auch histori- stände verdeutlichen, dass die Lebens- sche Angaben über gute Vorkommen, raummöglichkeiten für Auerhühner werden erhoben und sollen einen ersten in Vorarlberg grundsätzlich gegeben Überblick schaffen über früher schein- sind. Topographie und naturräumliche bar gute Lebensräume und aktuell noch Ausstattung bieten die Voraussetzun- vorhandene Vorkommen. Und bereits gen, um die Ansprüche des Auerwildes hier – beim Zusammentragen des noch an seinen Lebensraum zu erfüllen. Die Vorhandenen – ist die Mitarbeit der Jä- Rückgangsursachen sind vielfältig, ver- ger und Jägerinnen besonders wichtig. mutlich jedoch ähnlich wie in vielen Den nächsten geplanten Schritt Gebieten der Alpen: historisch offene haben uns die aktuellen „Corona-Maß- Waldbilder haben sich geschlossen, mit nahmen“ vereitelt. Eigentlich sollte der geänderten Waldbewirtschaftung mit interessierten Jagdberechtigten hat die Bestockung zugenommen, die und GrundeigentümerInnen Kontakt Wälder sind „dunkler“ geworden. Dazu aufgenommen werden, Wissen über kommt ein sich laufend erhöhender Bestände besprochen und auch bereits Druck auf die Landschaft durch ver- erste Losungen aus dem Schnee für
SEITE 8 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD Die beeindruckende Balz des "Großen Hahns" - Wo gibt es sie noch? genetische Analysen und Lebensraum- Oder haben wir fast nur mehr soge- menarbeit mit den Nachbarländern modellierungen gesammelt werden. nannte „Senkenpopulationen“ – Bestän- Bayern, der Schweiz und dem Bundes- Das ist nun bis auf weiteres nicht mehr de, die auf Zuwanderung aus anderen land Tirol geben. möglich. Wir müssen erste gemeinsa- Gebieten angewiesen sind, um erhalten Das Sammeln von Nachweisen wird me Begehungen und Besprechungen zu bleiben? nur mit Zustimmung der Revierinha- auf später verschieben. Für einen langfristig überlebensfähi- ber und Grundeigentümer erfolgen. Geplant ist zudem die Aussendung gen Auerwildbestand spielt die Vernet- Im Idealfall werden Begehungen ge- eines Fragebogens an die Revierverant- zung der einzelnen Vorkommen und meinsam mit dem Revierinhaber oder wortlichen, mit dem die vorhandene damit die Möglichkeit des genetischen einem Vertreter durchgeführt. Die Re- Datengrundlage aktualisiert werden Austausches eine zentrale Bedeutung. vierinhaber können/sollten selbst auch kann. Dabei wäre eine möglichst ge- Liegen aktuell gute Vorkommen zu sammeln, dafür gibt es Proberöhrchen naue Ortsangabe des Vorkommens von weit voneinander entfernt, braucht es und eine kurze Information, die von Auerwild wichtig. Von Gebieten mit „Brückengebiete“, welche diese noch der Jägerschaft zu beziehen sind. Vor noch (guten) Vorkommen ausgehend guten Auerwildlebensräume miteinan- allem punktgenaue Daten werden nur ergibt es auch Sinn, mit weiteren, z.B. der verbinden. Gerade Vorkommen in im Rahmen dieses Projektes zur Erhal- forstlichen Maßnahmen zur Verbesse- solchen guten Lebensräume, stehen im tung und Förderung des Auerwildes rung des Lebensraumes anzusetzen, um Fokus der geplanten Sammlungen von verwendet und nicht an Außenstehen- den Bestand zu stabilisieren oder sogar Losungen (aus dem Schnee) oder Federn, de, Medien oder andere Projektpartner zu erhöhen. um auch einen möglichst guten Über- weitergegeben! Auch eine Einschätzung der loka- blick über die genetische Situation der Für eine sensible Art wie dem Auer- len/regionalen Bestandessituation ist bestehenden Bestände zu bekommen. wild mit seinen speziellen Lebensraum- notwendig: Handelt es sich noch um Über die genetischen Analysen lässt ansprüchen ist nicht nur die aktuelle „Quellpopulationen“, also Bestände, die sich feststellen, wie gut der Austausch Lebensraumeignung relevant, sondern so groß und stabil sind, dass von dort zwischen einzelnen Beständen noch auch das Entwicklungspotenzial einer Auerwild in andere Gebiete abwandert? funktioniert. Dazu soll es auch Zusam- Fläche. Neben dem Vor-Ort-Wissen der
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 9 Revierkenner wird daher anhand von Standort- und Walddaten das Lebens- raumpotenzial für Auerwild im Land Vorarlberg errechnet. Dabei werden langfristig gültige Lebensraumparame- ter erfasst und hinsichtlich ihrer Be- deutung für das Auerwild in Vorarlberg beurteilt. Anhand des Modells können weitere, möglicherweise passende Le- bensräume ausgemacht werden sowie auch notwendige „Trittsteine“, die für die Vernetzung der einzelnen Bestände wichtig sind. Aktuelle Nachweise von Auerwild sind dabei eine wichtige Da- tengrundlage, um das Modell laufend abzugleichen und zu verifizieren. In speziellen, im Laufe des Projekts festzulegenden Referenzgebieten sol- len vertiefte Erhebungen zur Lebens- raumqualität und Nachweissuchen stattfinden. Diese Gebiete sind solche mit aktuell noch guten Vorkommen und Waldbereiche, wo schon flächige Erhebungen durchgeführt worden sind und damit gute Vergleichsdaten über Veränderungen vorliegen. Auch Gebie- te, denen eine wichtige Funktion im Lebensraumverbund zukommt, sollen enthalten sein. Aus diesen vielen Puzzlestücken, wie dem Sammeln der Grundlagen, den Kartierungen, den gemeinsamen Bege- hungen und Gesprächen vor Ort, sowie der Modellierung des Lebensraum- potenzials und den genetischen Aus- wertungen soll dann gemeinsam ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden. Darin werden sich lokale Maßnahmen Nur ganzheitliche Ansätze ermöglichen im Bereich Waldbewirtschaftung, Frei- den Fortbestand dieser faszinierenden zeitaktivitäten oder auch Infrastruktur Vogelart in Vorarlberg. finden. Diese Auflistung soll auch mit einem Überblick über Förderschienen und Finanzierungsmöglichkeiten ver- bunden sein. Ziel dieses Projektes ist es vor allem, über die Erarbeitung der Grundlagen forstlichen Betriebsziele soll ermöglicht Projektes. Vorkommen und Nachweise und des Maßnahmenkatalogs in die werden. werden in der Öffentlichkeit nur in praktische Umsetzung zu kommen. Zu guter Letzt soll auch ein Monito- einem groben Raster dargestellt, Auer- Dazu sind viele Exkursionen und Ge- ring für die weiteren Jahre entwickelt wildnachweise können somit von Ex- spräche mit RevierinhaberInnen/ werden, das nicht nur die Entwicklung ternen nicht punktgenau nachvollzo- JägerInnen, GrundbesitzerInnen, Be- der Bestände, sondern auch Verände- gen werden. wirtschafterInnen und Interessierten rungen des Lebensraumes aufgrund von Das Ziel, Bestand und Lebensraum direkt in den Revieren geplant, um sich umgesetzten Maßnahmen aufzeigen für Auerwild in Vorarlberg zu verbes- vor Ort Waldbilder anzusehen, über kann. sern, kann nur gelingen, wenn alle - sinnvolle Maßnahmen zu diskutieren Alle Schritte in diesem Projekt Jagd, Forst, Almwirtschaft, Naturschutz und konkret weitere Schritte zu planen. werden in Absprache und mit Einver- und Tourismus – an einem Strang zie- Besonders für die Referenzgebiete sol- ständnis der GrundbesitzerInnen und hen – und das in dieselbe Richtung! len Maßnahmen im Detail diskutiert der RevierinhaberInnen bzw. Jagdaus- und geplant werden, eine beginnende übungsberechtigten erfolgen, die er- DI Monika Pfeifer Umsetzung im Rahmen der jeweiligen hobenen Daten bleiben innerhalb des Dr. Veronika Grünschachner-Berger
SEITE 10 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD JAGD & RECHT COVID-19: AUSÜBUNG DER JAGD E ines vorweg: Die Ausübung der einem Meter eingehalten werden kann Jagd ist rechtlich möglich, wo- oder durch entsprechende Schutzmaß- bei einzelne Bestimmungen der nahmen das Infektionsrisiko minimiert COVID-Gesetze und COVID-Verord- wird (z.B. durch Atemschutzmasken, nungen zu beachten sind. Handschuhe, Schutzbrillen etc). Al- Nach § 1 der Verordnung des Bun- leine kann daher das Jagdschutzorgan desministers für Soziales, Gesundheit, seiner jagdberuflichen Tätigkeit nach- Pflege und Konsumentenschutz gemäß kommen. Befinden sich im unmittel- § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmenge- baren Tätigkeitsbereich des Jagdschutz- setzes (idF BGBl II Nr. 151/2020, Stand organes Personen, ist der Abstand von 14.04.2020) ist zur Verhinderung der mindestens einem Meter einzuhalten Verbreitung von COVID-19 das Betreten oder entsprechende Schutzmaßnahmen öffentlicher Orte verboten. Von diesem umzusetzen, die das Infektionsrisiko Verbot wurden gemäß § 2 diverse Aus- minimieren. Im Übrigen kann sich das nahmen erlasen. Für die Ausübung der Jagdschutzorgan auch auf die Bestim- Jagd sind im Ergebnis die Ausnahmen mungen gemäß § 2 Z 5 berufen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass nach § 2 Z 4 (berufliche Zwecke) und Z die Vorgaben der COVID-Bestimmun- 5 (im Freien alleine) der genannten CO- ZUR JAGDAUSÜBUNG DURCH gen bei einem gemeinsamen Ansitz in VID-Verordnung relevant. JAGDNUTZUNGSBERECHTIGTE/ einer engen Kanzel für Personen, die JAGDGÄSTE (§ 2 Z 5): nicht im eigenen Haushalt leben, nicht ZUR JAGDAUSÜBUNG DURCH DAS erfüllt sind. JAGDSCHUTZORGAN (§ 2 Z 4): Gemäß § 2 Z 5 der Verordnung gemäß Eine Fahrgemeinschaft mit Perso- § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengeset- nen, die nicht im gleichen Haushalt Die Tätigkeit der Jagdschutzorga- zes ist das Betreten von öffentlichen Or- leben, ist zulässig, wenn dabei eine den ne im Namen der Jagdaufsicht (§ 65 ten im Freien alleine, mit Personen, die Mund- und Nasenbereich gut abdecken- VJagdG), aber auch im Rahmen ihrer im gemeinsamen Haushalt leben, oder de mechanische Schutzvorrichtung als Tätigkeit im Jagdschutzdienst (§ 51 mit Haustieren gestattet, wobei gegen- Barriere gegen Tröpfcheninfektion VJagdG) ist als berufliche Tätigkeit an- über anderen Personen ein Abstand von getragen wird und gegenüber anderen zusehen. Für die Ausübung der Jagd einem Meter einzuhalten ist. Unter Ein- Personen ein Abstand von mindestens durch Jagdschutzorgane ist daher die haltung dieser Voraussetzungen ist die einem Meter eingehalten wird (siehe Ausnahmebestimmung im Rahmen Ausübung der Jagd, aber wohl auch die § 4 Abs 2 der genannten COVID-Verord- von beruflichen Zwecken nach Z 4 Mitnahme des Jagdhundes durch Jagd- nung). Bei der gemeinsamen Anfahrt der Verordnung gemäß § 2 Z1 des CO- nutzungsberechtigte und Jagdgäste mit zum Hochsitz sind daher diese Bestim- VID-19-Maßnahmengesetzes anwend- einer Jagdkarte alleine gestattet. Jagd- mungen zwingend einzuhalten. bar. gäste mit einer Gästejagdkarte sind nur Demnach ist das Betreten öffentli- in Begleitung mit dem Jagdnutzungs- RECHTSANSICHT DES cher Orte, die für berufliche Zwecke berechtigten oder Jagdschutzorgan zur BUNDESMINISTERIUMS: erforderlich sind, erlaubt, wenn sicher- Jagdausübung berechtigt. Inwieweit gestellt ist, dass am Ort der berufli- die Vorgaben von Gästejagdkartenbe- In einer Stellungnahme des Bun- chen Tätigkeit zwischen den Personen sitzern eingehalten werden können, ist desministeriums für Soziales, Gesund- entweder ein Abstand von mindestens jeweils einzelfallbezogen zu beurteilen. heit, Pflege und Konsumentenschutz
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 11 Ländern nach Österreich einreisen wol- len, haben ein ärztliches Zeugnis über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen, das einen negativen moleku- larbiologischen Test auf SARS-CoV-2 bestätigt. Das Zeugnis darf bei der Ein- reise nicht älter als vier Tage sein. Zu beachten sind jedoch auch die Einreise- bestimmungen der „Rückreise" ins be- nachbarte Ausland. Diese können von den österreichischen Einreisebestim- mungen divergieren, wobei die Einreise der eigenen Staatsbürger gestattet ist. Zu den einzelnen Auflagen und Vor- aussetzungen der Einreisebestimmun- gen empfehle ich, sich vorab genau zu erkundigen, zumal sich diese Bestim- mungen derzeit nahezu täglich ändern. Die Bundespolizei Deutschland wird klargestellt, dass die Jagd in allen der Jagdausübung zudem dazu dient, stellte beispielsweise in einer Aussen- Bundesländern nicht nur als Recht die Bevölkerung mit dem Lebensmittel dung klar, dass nichtdeutsche Jäger, ausgestaltet ist, sondern mit einer Viel- „Wildfleisch" zu versorgen. Es kommt die gleichzeitig Pächter sind, zumin- zahl von Verpflichtungen verbunden daher meines Erachtens nicht darauf dest nach Deutschland einreisen dür- ist, insbesondere zur Erfüllung von an, ob die Jagd als Verpflichtung oder als fen, wenn sie für einen Wildschaden/ Mindestabschüssen. Weiters führt das Recht gesehen wird, sondern, ob bei der Wildunfall verantwortlich sind und Bundesministerium aus, dass die Jagd- Jagdausübung die Maßnahmen nach bei der Einreise die notwendigen Nach- ausübung zur Vermeidung von Wild- den Bestimmungen des COVID-19- weise/Unterlagen mitgeführt werden schäden geboten und zur Verhinderung Gesetzes und der COVID-19-Verordnun- (Stand 15.04.2020). Inwieweit Öster- von Wildtierkrankheiten notwendig gen eingehalten werden. Im Rahmen reich bei der Einreise nach Österreich sei. Das Bundesministerium kommt der Einhaltung der Bestimmungen ähnliche Ausnahmen (auch ohne ärzt- daher zur rechtlichen (und wohl rich- des COVID-19-Gesetzes und der CO- liches Zeugnis), insbesondere zur Erfül- tigen) Auffassung, dass die Jagd unter VID-19-Verordnungen ist kein Grund lung der behördlich vorgeschriebenen Berücksichtigung der Bestimmungen zu sehen, weshalb die Jagd nicht ausge- Mindestabschüsse für Jagdnutzungsbe- des COVID-19-Gesetzes und der darauf übt werden kann. rechtigte zulässt, bleibt bis dato (noch) fußenden Verordnungen weiterhin aus- offen und wäre aus Sicht der Österrei- geübt werden kann und muss. GRENZKONTROLLEN chischen Jägerschaft insbesondere im (COVID-19-EINREISEBESTIM- Zuge der herannahenden Hauptjagdsai- NOTWENDIGE JAGDAUSÜBUNG MUNGEN NACH ÖSTERREICH): son zu begrüßen. Jedenfalls ist die Aus- ZU VERSORGUNG MIT DEM übung der Jagd für ausländische Jagd- LEBENSMITTEL „WILDFLEISCH“: Zur Eindämmung der Verbreitung nutzungsberechtigte möglich, wenn des Corona-Virus wurden am 11. März bei Grenzübertritt ein negativer mole- Das Bundesministerium geht in 2020 Binnengrenzkontrollen zu Italien, kularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 seiner Stellungnahme zur Jagd sogar am 14. März zur Schweiz und Liechten- vorgelegt wird (Stand 14.04.2020). noch einen Schritt weiter und hält ex- stein sowie am 19. März zu Deutschland plizit fest, dass die Aufrechterhaltung eingeführt. Personen, die aus diesen MMag. Dr. Tobias Gisinger
SEITE 12 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD SAISONALE PHYSIOLOGIE DES WILDES Ein vernachlässigter Faktor bei der Wildschadensvermeidung Die Wald-Wild- Abb.1 Langfristige Problematik ist ein Entwicklung der wildökologischer Jagdstrecken von wiederkäuendem Dauerbrenner, der Schalenwild in Ös-terreich, trotz erheblicher Deutschland und in der Schweiz. Bemühungen um Quellen: http:// eine ausreichende deutsches-jagd- lexikon.de; https:// Regulation der www.jagdverband.de/ jagdstatistik; https:// Schalenwild- www.jagdstatistik. ch/dehttps:// bestände nichts an www.statistik.at/ Brisanz verloren web_de/statistiken/ wirtschaft/land_ hat. Wir brauchen und_forstwirtschaft/ viehbestand_ ein Wildtier- tierische_erzeugung/ jagd/index.html. management, das die saisonale Physiologie und die Ruhebe- dürfnisse des Wildes berücksichtigt, um die Probleme in den Griff zu diese Wildschäden hintanzuhalten? Es sind neben unzureichender Reduktion die Oberfläche viel tiefgreifenderer Ver- änderungen. Das Wild hat im Winter bekommen. auch Fehler im Wildtiermanagement, eine ganz andere Physiologie des Ener- die aus Unkenntnis oder Ignoranz der giestoffwechsels und der Nahrungs- saisonalen Biologie wildlebender Huf- physiologie als im Sommer. Dieser tiere der gemäßigten und nördlichen Tatsache muss bei der Winterfütterung S eit dem Beginn verlässlicher Breiten gemacht werden. Alle einhei- mit der Wahl von saison- und damit Aufzeichnungen von Jagdstre- mischen Schalenwildarten haben sich artgerechten Futtermitteln Rechnung cken nahmen die Abschuss- an den winterlichen Nahrungsengpass getragen werden. Noch viel wichtiger zahlen beim Rot- und Rehwild stetig und die thermoregulatorische Heraus- aber ist es, das Wild bei der enormen zu (Abb. 1). Nur bei der Gams ist ab forderung der Kälte in einem äonen- winterlichen Reduktion der Stoffwech- 1990 eine Trendumkehr zur verzeich- langen Prozess der Evolution sowohl in selintensität und damit des Nahrungs- nen (Abb. 1), was wahrscheinlich ab- ihrem Verhalten als auch in ihrer Phy- bedarfs mit den richtigen Wildmanage- nehmende Bestände als Folge der Kli- siologie angepasst. Der äußerlich gut mentmaßnahmen zu unterstützen. Der maerwärmung widerspiegelt. Zu hohe erkennbare Wechsel vom Sommer- in wesentliche Aspekt ist, dafür zu sorgen, Wildbestände führen zu untragbaren das deutlich besser gegen Wärmever- dass Wild in der Winterzeit nicht beun- Wildschäden im Schutzwald und an luste isolierende Winterfell zeigt uns ruhigt wird. Störungen jeder Art und Forstkulturen. Warum gelingt es nicht – im wahrsten Sinne des Wortes – nur zu lange, weit in den Winter hineinrei-
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 13 Abb.2 maß reduziert, das es ermöglicht, die Tägliche Energieaufnahme Energieausgaben und damit den Nah- und deren jahreszeitliche rungsbedarf im Winter auf weniger als Veränderung bei weiblichem, die Hälfte des Sommerniveaus zu sen- erwachsenen Rotwild, das ken. Der Preis dafür ist allerdings eine in einem 45 ha großen Beeinträchtigung der Bewegungs- und Forschungsgehege unter damit der Fluchtfähigkeit. Mit kälte- naturnahen Bedingungen klammen Gliedmaßen kann man nicht gehalten wurde. Den Tieren standen ganzjährig Pellets schnell laufen! Wenn es Wild aufgrund in unbegrenzter Menge zur von Beunruhigung nicht wagt, die ener- Verfügung, zusätzlich zur giesparende „Kältestarre“ zu riskieren, natürlichen Äsung auf einer bedeutet dies unweigerlich einen höhe- Futterwiese und im Eichen/ ren Energiebedarf. Dies kann einerseits Buchen-Mischwald. zu höheren Verbiss- und Schälschä- den und andererseits zu vermehrter Wintersterblichkeit führen, weil die körpereigenen Fettreserven aufgrund des höheren Verbrauches zu früh zur Neige gehen. Denn auf die im Sommer chende Jagdzeiten sind absolut kontra- wird, sondern von einem davon unab- aufgebauten Fettreserven sind alle ein- produktiv. hängigen Faktor, der Tageslänge. Die heimischen Schalenwildarten im Win- Reduktion des Nahrungsbedarfes im ter angewiesen. Die Energiebilanz ist HOHER JAGDDRUCK BEGÜNSTIGT Winter, die ja eine Verringerung der über den Winter immer negativ, selbst VERBISS- UND SCHÄLSCHÄDEN Motivation zur Futtersuche bedeutet, bei bester Fütterung. Deshalb ist ein ist eine Anpassung an die natürlichen möglichst sparsamer Einsatz der Fettre- So gibt es etwa die Praxis, das Ende Äsungsbedingungen. Um die gleichen serven für die Tiere überlebenswichtig der Schusszeit aufgrund aktueller Erhe- Energiemengen aufnehmen zu können und natürlich umso mehr, je härter die bungen der Wildschäden festzulegen. wie im Sommer, müssten die Tiere die Überwinterungsbedingungen sind. Werden diese Schäden als zu hoch be- Intensität der Futtersuche enorm stei- Welch negativen Einfluss Störun- urteilt, wird nach diesem Konzept wei- gern, was zu einer weiteren Verschlech- gen des Wildes auf die Raumnutzung ter gejagt, im Extremfall sogar mit einer terung der Energiebilanz im Winter und die Energiebilanz haben, zeigen kompletten Aufhebung der Schonzeit. führen würde. In der Evolution haben eindrucksvoll die Ergebnisse einer Stu- Wer so Wild mit hohem Jagddruck sich deshalb jene Individuen durchge- die an freilebendem Rotwild in einem den ganzen Winter im Wald herum- setzt, die im Winter einfach weniger zentralalpinen Lebensraum. Das Pro- scheucht, muss sich nicht wundern, „Appetit“ hatten. jekt „Integrales Rotwildmanagement: dass er die Verbiss- und Schälschäden Strategievernetzung zwischen Forst-, nicht in den Griff bekommt. Worauf GERINGE BEWEGUNGS- UND Land-, Jagd- und Tourismuswirtschaft“, beruht nun diese für manche sicher FLUCHTFÄHIGKEIT das wir gemeinsam mit dem Institut provokante Aussage? Wir wissen heu- für Wildbiologie und Jagdwirtschaft te, dass Wildtiere die doppelte ener- Die größte Bedeutung für den nied- (BOKU), der Gutsverwaltung Fisch- getische Belastung des Winters, näm- rigen Energiebedarf im Winter hat aber horn und der Gletscherbahnen Kaprun lich höhere Energieausgaben für die nicht die reduzierte Aktivität, sondern AG von 2015 bis 2018 im Kapruner Tal Aufrechterhaltung einer hohen Kör- die Tolerierung einer geringeren Kör- durchführten, hatte zum Ziel, Maßnah- pertemperatur, bei gleichzeitig gerin- pertemperatur. Im Inneren des Körpers, men für die Jagd-, Land-, Forst- und Tou- gerem und schlechterem Nahrungsan- wo die lebenswichtigen Organe und der rismuswirtschaft zu empfehlen, die das gebot, mit einer drastischen Reduktion Pansen liegen, sinkt die Körpertempera- Rotwild möglichst wildschadensfrei in der Stoffwechselintensität meistern. tur zwar nur um wenige Zehntel Grad, die Modellregion integrieren und die Diese Reduktion resultiert zum Teil aus in den äußeren Körperteilen jedoch Entwicklung stabiler Wälder unter- der insgesamt geringeren Aktivität auf- beträchtlich. In kalten Winternäch- stützen sollen. Um die Auswirkungen grund geringerer Futteraufnahme. Wie ten können in den Läufen einstellige menschlicher Einflüsse auf freilebende wir an Rotwild zeigen konnten, nimmt Werte erreicht werden. Selbst an der Rothirsche besser zu verstehen, wurden Wild im Winter im Vergleich zum Brust, wo wir in einer Studie die Un- 20 Individuen beiderlei Geschlechts Sommer nur etwa die Hälfte der Nah- terhauttemperatur von Rothirschen mit modernen GPS-Sendern ausgestat- rung pro Tag auf, selbst wenn die Tiere kontinuierlich mit moderner Tele- tet. Diese Sender ermöglichten es, mit ganzjährig mit guten Futtermitteln in metrietechnik gemessen haben, kann hoher zeitlicher Auflösung die Nutzung unbegrenzter Menge versorgt werden die Körpertemperatur noch auf bis zu des Lebensraumes durch die Tiere zu (Abb. 2). Daraus folgt, dass dieser Rück- 15°C sinken. Die energetisch relevante, bestimmen. Weiter war in dieses Tele- gang nicht durch geringere Nahrungs- durchschnittliche Temperatur im ge- metriesystem eine selbst entwickelte verfügbarkeit oder -qualität verursacht samten Tierkörper wird in einem Aus- Komponente integriert, die schon in
SEITE 14 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD einer vorangegangenen Studie in unse- rem ca. 45 ha großen Forschungsgehege Abb.3 Unterschiede zwischen zum Einsatz gekommen war. In diesem ungestörtem, in unserem Gehege halten wir Rotwild, völlig unge- Forschungsgehege stört, auf naturnaher Fläche, das heißt gehaltenen Rotwild und in einem unbewirtschafteten Eichen/ in einem zentralalpinen Buchen-Mischwald mit einer großen Lebensraum freilebenden Futterwiese. Das verwendete, zusätzli- Rotwild, in der Aktivität, che Gerät ist eine kleine Sonde, die eine der Körperkerntemperatur Menge miniaturisierter Messelektronik und der Pulsrate in Ruhe und eine Batterie enthält und in den sowie deren tageszeitlicher Pansen eingeführt wird. Dort misst es Verteilung. Dargestellt sind die wöchentlichen Mittelwerte kontinuierlich die innere Körpertempe- der Messungen von allen ratur und die Pulsrate – ein gutes Maß mit Sendern ausgestatteten für den Energieverbrauch – und sendet Tieren. Die senkrechten die Werte an das am Tier angebrachte Balken an den Symbolen Halsband, in dem sie gespeichert wer- stellen den Standardfehler den. Der Vergleich der Ergebnisse aus der Mittelwertschätzung beiden Telemetriestudien, FIWI-Gehe- dar und sind ein Maß für ge und Kaprun, zeigt beeindruckend die individuelle Unterschiede in fundamentalen Unterschiede zwischen den Messungen. Rothirschen, die ungestört in einem Wildgehege leben, und Tieren, die den Bedingungen einer Kulturlandschaft ausgesetzt sind. FURCHT FÜHRT kelarbeit, das heißt Aktivität, ist eine die Körperfettreserven zur Neige gehen. ZU NACHTAKTIVITÄT wesentliche Quelle dieser Wärme- Energetisch gesehen wäre es günstiger, produktion. Die geringeren Körper- die innere Wärmeproduktion und da- Grundsätzlich ist Rotwild sowohl temperaturen, die bei Rothirschen in mit die Körpertemperatur besonders tag- als auch nachtaktiv, mit Aktivitäts- freier Wildbahn gefunden wurden während der kalten Nachtstunden zu spitzen in der Dämmerungszeit. Der (Abb. 5, Mitte), unterstreichen, dass drosseln, doch das Gegenteil war der Wechsel von Ruhe- und Aktivitätspha- unterschiedliche Aktivitätsniveaus Fall. Dies weist darauf hin, dass im sen wird bei Wildwiederkäuern weni- einen maßgeblichen Einfluss auf die vom Menschen geprägten Lebensraum ger von Tag und Nacht, sondern in erster Körpertemperatur haben. Nicht über- Furcht zu einem wesentlichen Faktor in Linie von Nahrungsaufnahme und an- raschend war, dass auch die tieferen der Biologie des Rotwildes geworden ist. schließendem Wiederkäuen bestimmt. Umgebungstemperaturen im alpinen Diese Furcht führt zur unnatürlichen In freier Wildbahn waren die Tiere das Lebensraum mitverantwortlich für die und energiezehrenden Verlagerung des ganze Jahr über wesentlich weniger ak- dort geringeren Körpertemperaturen Aktivitätsschwerpunktes in die Nacht. tiv als die Tiere im Gehege. Vor allem waren. Der Einfluss der Aktivität auf Die tageszeitlich unterschiedliche aber konzentrierte sich ihre Aktivität die Körpertemperatur ist aber domi- räumliche Nutzung des Lebensraumes viel mehr auf die Nachtstunden (Abb. 3, nierend, weshalb die Körpertempera- unterstützt diese Interpretation. Das unten). Im Gehege waren die Tiere da- tur in freier Wildbahn während der gesamte Untersuchungsgebiet wurde gegen nur in den warmen Sommermo- Nacht deutlich höher war, obwohl es hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit naten auch verstärkt in der Nacht aktiv. in der Zeit kälter ist (Abb. 3, Mitte). menschlicher Einflüsse klassifiziert. Besonders im Winter überwog dort die In Summe war der Energieumsatz der Die Kriterien waren dabei die Zugäng- Tagesaktivität, das heißt die Tiere nutz- Tiere – ersichtlich aus der Pulsrate – in lichkeit und Übersichtlichkeit des Ge- ten offenbar die Sonneneinstrahlung freier Wildbahn jedoch genauso hoch ländes und der Vegetation für den Men- für die Aufrechterhaltung einer hohen wie bei den Gehegetieren, mit enor- schen, sowie die Bringungsmöglichkeit Körpertemperatur. Die Bedeutung die- men jahreszeitlichen Unterschieden von erlegtem Wild. Das Rotwild hatte ser Wärmequelle für die Energiebilanz (Abb. 3, oben). Lediglich in den Spät- im Untersuchungsgebiet offenbar im Winter kann beträchtlich sein, wie wintermonaten Februar und März, eine gute Kenntnis davon, wo poten- wir bereits bei freilebendem Steinwild während des jährlichen Minimums tiell Gefahr vom Menschen ausgehen nachweisen konnten. Passive Erwär- des Energieumsatzes, war die mittlere kann. Solche Gebiete wurden vor allem mung durch die Sonne unterstützt Pulsrate tagsüber beim freilebenden nachts genutzt. Die bevorzugten Tages- zwar die Thermoregulation, aber die Rotwild geringer. Dies spiegelt wahr- einstände lagen dagegen in Gebieten, in hohe Körperkerntemperatur eines Säu- scheinlich eine besonders drastische denen die Wahrscheinlichkeit mensch- getieres wird dennoch zum größten Teil Reduktion der körpereigenen Wärme- licher Aktivitäten gering war (Abb. 4). über die energetisch aufwendige inne- produktion in den Ruhephasen wider, Die attraktiven Äsungsflächen im Tal- re Wärmeproduktion erreicht. Mus- die unumgänglich geworden ist, weil boden, der von Straßen und Wanderwe-
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 15 gen durchquert wird, nutzten die Tiere vor allem nachts. Wenn sie sich dort Abb.4 Die Aufenthalts- aufhielten, war ihre Pulsrate deutlich wahrscheinlichkeit höher als in geschützten Einständen ab- von 20 mit GPS- seits menschlicher Aktivitäten. Sendern ausgestatteten Hirschen während der KÜRZERE JAGDZEITEN – Tag- und Nachtstunden TAGAKTIVES WILD in Gebieten mit unterschiedlicher Unter den menschlichen Aktivitä- Eignung für ten, die Wildtiere beunruhigen und menschliche Nutzung Furcht auslösen, steht natürlich die in einem zentralalpinen Untersuchungsgebiet. Jagd an oberster Stelle. Dies gilt beson- ders dann, wenn ein hoher Jagddruck über längere Zeit vorhanden ist. Das Wild wird dann immer schwerer sicht- bar und bejagbar. Alleine schon deshalb ist eine Verlängerung der Jagdzeit als Reaktion auf unzureichende Abschuss- Wildtiermanagement. Jegliche Beunru- Erfolg. Ein jüngst veröffentlichtes Stra- erfüllung die falsche Antwort. Auch higung in der Winterzeit ist unbedingt tegiepapier des Bundesministeriums dazu wurde an unserem Institut eine zu vermeiden, denn dadurch steigt der für Nachhaltigkeit und Tourismus zum Telemetriestudie durchgeführt. In die- Energie- und Nahrungsbedarf beträcht- Schutz von Schutzwäldern hält unter sem Projekt wurde im Gasteiner Tal Rot- lich und damit unweigerlich die Ge- anderem fest, dass bis 2022 ein öster- wild nur während der Wanderung von fahr von unerwünschten Wildschäden reichweites Projekt zur Etablierung von der im Talboden gelegenen Winterfüt- an der Waldvegetation. Spätestens zu Wildruhezonen im Winter mit einem terung in die Almregion und zurück be- Weihnachten sollte eine moderne Jagd- Betretungsverbot im Einklang mit ei- jagt. Die Jagdzeit beschränkte sich also zeit enden! Die Beschränkung der Jagd- ner wildökologischen Raumplanung auf drei Wochen im Mai (nur Jahrlinge) zeit ist aber nicht ausreichend in einer umgesetzt werden soll. und sieben Wochen von Mitte Okto- Kulturlandschaft, in der der Mensch ber bis Anfang Dezember (alle Stücke). durch vielfältige Freizeitaktivitäten FAZIT Trotz dieser kurzen Jagdzeit gelang die mittlerweile omnipräsent geworden Abschusserfüllung, weil das Rotwild ist. Wir brauchen dringend Wildruhe- Weniger Beunruhigung des Wildes viel vertrauter war. Nebenbei hatte zonen mit einem absoluten Betretungs- bringt einen zweifachen Vorteil: diese Strategie den erfreulichen Effekt, verbot von Dezember bis April. Solche dass sich das Rotwild den ganzen Som- Ruhezonen müssen nicht besonders • Wildruhezonen mit absolutem Betre- mer über hauptsächlich in der Almre- groß sein und sollten bevorzugt in ent- tungsverbot von Dezember bis April gion oberhalb der Waldgrenze aufhielt, legenen Gebieten mit guter Lebensrau- und Schonzeit ab Dezember erleich- was die Waldvegetation entsprechend meignung eingerichtet werden. Es sind tern dem Wild die winterliche Absen- entlastete. Darüber hinaus wurde das wiederum langjährige Erfahrungen aus kung der Stoffwechselaktivität und Wild wieder vermehrt tagaktiv und dem Schweizer Kanton Graubünden, in des Nahrungsbedarfs. Bei gleichem sichtbar, sehr zur Freude der Wanderer dem ein flächendeckendes Mosaik sol- Wildbestand entstehen dadurch weni- und Touristen. Ein weiteres Beispiel für cher Winterruhezonen seit den 1990er ger Verbiss- und Schälschäden an der den positiven Effekt kürzerer Jagdzei- Jahren existiert, die beweisen, wie po- Waldvegetation. ten stellt die Jagd im Schweizer Kanton sitiv solche Winterruhezonen für das • Insgesamt kürzere Jagdzeiten und In- Graubünden dar. Dort werden drei Vier- Wild und vor allem für den Wald sind. tervalljagd machen das Wild vertrau- tel der Hirschstrecke in nur 21 Tagen Auch in Graubünden kämpft man ter, besser sichtbar und erleichtern Jagdzeit im September erzielt. Der rest- mit dem Problem stetig steigender dadurch die Abschusserfüllung. liche erforderliche Abschuss wird bei Wildbestände. Trotzdem wurden die punktuellen Nachjagden im November Aufwendungen zum Ausgleich von Diese Schlussfolgerungen fußen auf getätigt, bei denen gezielt weibliche Wildschäden seit Einführung der Win- umfassenden wissenschaftlichen Er- Stücke und Kälber erlegt werden. terruhezonen weniger. Auch Österreich kenntnissen und ihre Wirksamkeit ist ist auf einem guten Weg. Bis auf weni- mehrfach durch Erfahrungen aus der WINTERRUHEZONEN – EIN SEGEN ge Ausnahmen, wo noch nachgebes- Praxis belegt. Es ist höchste Zeit, dass FÜR DAS WILD UND DEN WALD sert werden muss und mit Ausnahme sie zur allgemeinen Handlungsmaxime des Schwarzwildes, endet die Jagd auf des Wildtiermanagements werden. Die heute vorliegenden Erkennt- Schalenwild mit dem 31. Dezember. nisse zum Energiehaushalt des ein- Auch hinsichtlich der Einrichtung von Forschungsinstitut für Wildtierkunde heimischen Wildes und der enormen Wildruhezonen mit Betretungsverbot und Ökologie Veterinärmedizinische Absenkung der Stoffwechselaktivität im Winter besteht jetzt, nach jahrelang Universität, Wien von im Winter erfordern ein Umdenken im vergeblichem Bemühen, Aussicht auf o. Univ.-Prof. Dr. rer. nat.Walter Arnold
SEITE 16 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD PROJEKT „WIESEN- Gemeinsam aktiv BRÜTERSCHUTZ IN für Brachvogel, Kiebitz und Co VORARLBERG“ I m Frühling kann man in den Ried- In der Schweiz gilt der Große Brachvo- Vorarlberg“ zusammen, 2009 kamen gebieten des unteren Vorarlberger gel bereits als ausgestorben und auch die Reviere Dornbirn Süd, Lauterach Rheintals wieder faszinierende in den Riedgebieten am Deutschen Bo- und Wolfurt hinzu, 2012 das Nieder- Naturschauspiele erleben. Imposant denseeufer brütet dieser große Watvo- wildrevier Hohenems. Finanziell un- sind die wellenförmigen Balzflüge des gel nicht mehr. terstützt wird das Projekt dankenswer- Großen Brachvogels, mit denen er sein In Vorarlberg tragen viele zur Erhal- terweise vom Naturschutzfonds des Revier markiert. Die Brachvogel-Männ- tung der vom Aussterben bedrohten Landes Vorarlberg, der Vorarlberger chen steigen mit einzelnen klangvollen Wiesenbrüter bei. Seit 2006 arbeiten Jägerschaft, den Bezirksgruppen Bre- Rufen auf, die vor der Landung in einen der Naturschutzbund Vorarlberg und genz und Dornbirn der Vorarlberger weithin hörbaren Triller übergehen. die Niederwildreviere Auer Ried, Lus- Jägerschaft, der Schweizer Vogelwarte Mit ihren waghalsigen Abwehrflügen tenau und Dornbirn Nord im Gemein- Sempach, den betroffenen Gemeinden und ihrem unverkennbaren Ruf „Tiuii- schaftsprojekt „Wiesenbrüterschutz in Lauterach, Wolfurt, Lustenau, Dorn- tiuii“ ziehen die Kiebitze unweiger- lich die Aufmerksamkeit auf sich. Ihr schwarz-weißes Gefieder schillert im Sonnenlicht metallisch grün-violett. Die Eier und auch die Küken sind hin- gegen gut getarnt. Dies ist zum Schutz vor Feinden auch nötig, denn wie der Große Brachvogel legt auch der Kiebitz sein Nest direkt am Boden an. Diese Vo- gelarten werden deshalb auch Boden- oder Wiesenbrüter genannt. Dass wir diese seltenen Wiesenbrü- ter in Vorarlberg noch haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Europaweit gingen ihre Bestände in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurück und dieser Trend hält leider auch weiter an.
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 17 birn, Hohenems und den Ortsgemein- die Bodenbrüter Beutegreifer früh Denn viele ihrer Brutgebiete haben den Au, Widnau und Schmitter. genug entdecken können, muss die sich in den letzten 50 Jahren stark ver- Bei der Umsetzung von Maßnah- Nestumgebung gut überschaubar und ändert. Trotz zahlreicher Aufwertungs- men braucht es eine breite Zusammen- gehölzarm sein. Während der Große maßnahmen in den letzten Jahren arbeit, da an vielen Stellen angesetzt Brachvogel seine Nester in großflächi- beeinträchtigen niedrige Grundwasser- werden muss. Denn der Rückgang der gen Streuwiesen anlegt, brütet der Kie- spiegel, hohe Gehölzbestände, intensi- Wiesenbrüter lässt sich nicht auf einen bitz in den letzten Jahren v.a. in Äckern. ve landwirtschaftliche Nutzungen etc. Einzelfaktor zurückführen, vielmehr Aber auch dort zieht er solche mit ho- die Wiesenvogelgebiete. Ihre Beute- ist es ein ganzes Bündel an Faktoren. hem Grundwasserspiegel und nassen greifer hingegen profitieren als Genera- Wiesenbrüter sind Spezialisten, die an Mulden vor. listen von diesen Veränderungen. Riedgebiete mit einem hohen Grund- Genau diese Spezialisierung wurde Entsprechend groß sind die Gelege- wasserspiegel angepasst sind. Damit den Wiesenbrütern zum Verhängnis. und Kükenverluste. Untersuchungen
SEITE 18 MAI & JUNI 2020 VORARLBERGER JAGD mit Temperaturfühlern zeigten, dass wird insbesondere der Große Brachvo- träglich umgestaltet werden. Tatkräftig für mindestens 88% der Gelegever- gel profitieren. unterstützt wurden die Umsetzungen luste beim Brachvogel und 83% beim Auch im Auer Ried konnte ein wei- der Maßnahmen durch die Abteilung Kiebitz dämmerungs- und nachtaktive terer Grabenabschnitt mit Zustim- Umwelt- und Klimaschutz im Amt der Räuber verantwortlich sind. Dies deckt mung der Ortsgemeinde Au naturver- Vorarlberger Landesregierung. Recht- sich mit Literaturangaben aus anderen Wiesenbrütergebieten. Seit Beginn des Gemeinschaftspro- jektes führen deshalb die beteiligten Niederwildreviere eine Schwerpunkt- bejagung von Fuchs, Dachs, Steinmar- der und Hermelin durch, zu der auch der Einsatz von Lebendfallen und eine Jungfuchsbejagung am Bau gehören. Mit insgesamt 143 erlegten Füchsen wurde im Jagdjahr 2018/19 die höchs- te Abschusszahl beim Fuchs erreicht, seit alle sieben Jagdreviere am Projekt beteiligt sind. Die Jäger nutzten die günstigen Jagdbedingungen, die v.a. der schneereiche Jänner 2019 bot. Das große Engagement der Jäger wurde in der darauffolgenden Brutsaison mit sieben flüggen Brachvogel-Jungen be- lohnt. Zum Bruterfolg beigetragen ha- ben auch die Maßnahmen zur Lebens- raumaufwertung und das Einzäunen Wachtelkönig Kiebitz von Gelegen. Vier der flüggen Jungen (Crex crex) (Vanellus stammen aus Gelegen, die zum Schutz vor Prädatoren eingezäunt wurden. Im vanellus) Gsieg hingegen erreichten drei Brach- vogelküken ohne diesen Schutz das Zugvogel Zugvogel; flugfähige Alter. Status in Vorarlberg: vom Aussterben Rückkehr ins Brutgebiet im Feb./März Motiviert durch diesen Erfolg ging bedroht Status in Vorarlberg: vom Aussterben bedroht man im Winter 2019/20 mit vereinten Größe: 22-25 cm, Gewicht: 130-160 g, Größe: 28-31 cm, Gewicht: 180-300 g, Kräften an die Fortsetzung der Lebens- Alter ca. 5 Jahre Alter bis zu 25 Jahren raumaufwertungen und die Vorberei- Brutzeit: Mai bis August Brutzeit: März bis Juli tung von Schutzmaßnahmen für den Lebensraum: Feuchtgebietskomplexe Lebensraum: Feuchtgebietskomplexe im Kiebitz. des Rheintals. Es gibt aber auch Rheintal, brütete früher ausschließlich in Im Naturschutzgebiet Obere Mäh- Nachweise im Bregenzerwald. Streuewiesen, heutzutage überwiegend auf der und im südlichen Schweizer Ried Besonderheit: Die nächtlichen Balzrufe Äckern. konnten dank der Zusammenarbeit (bis 110 Dezibel) sind bis zu 1 km hörbar. Besonderheit: Kiebitze brüten meist des Regionsmanagements für Natu- Tagsüber bekommt man ihn praktisch in kleinen Kolonien und helfen sich ra 2000-Gebiete, der Ortsgemeinden nie zu sehen, da er sich versteckt gegenseitig bei der Verteidigung Schmitter und Widnau, der Markt- in hochwüchsigen, extensiv genutzten der Bruten. Küken sind Nestflüchter – gemeinde Lustenau und des Natur- Wiesen, Hochstauden oder in sie verlassen schon nach wenigen schutzbunds vier Gewässer reaktiviert, Gebüsch aufhält. Stunden das Nest. Dank Sichtschneisen freigemacht und ein bestandsstützender Maßnahmen Graben abgeflacht werden. Neben den bleibt die Population stabil. Wiesenbrütern fördern diese Maßnah- men auch Amphibien und Libellen. Auf Initiative des Naturschutzbun- Kontakt des wurden elf Bäume im Gleggen in https://ffh-arten.naturschutzinformationen.nrw.de/ffh-arten/de/arten/vogelarten/liste Zusammenarbeit mit dem Regionsma- https://www.vogelwarte.ch/de/voegel/voegel-der-schweiz/ nagement, den Grundbesitzern und freiwilligen HelferInnen gefällt. Von der Entfernung dieser Sichtbarrieren
VORARLBERGER JAGD MAI & JUNI 2020 SEITE 19 zeitig vor dieser Brutsaison konnten März gepflügt sein und dürfen erst nach Kontakt Bianca Burtscher wieder mit Landwirten Vereinbarungen dem 10. Mai bewirtschaftet werden. vorarlberg@naturschutzbund.at für Kiebitzäcker getroffen werden. Da- Nun hoffen alle auf eine gute Brutsaison Thomas Rainer mit die Kiebitze dort ungestört brüten 2020. thomas.rainer@vorarlberg.at können, müssen diese Äcker bis zum 10. Bianca Burtscher STECKBRIEFE WIESENBRÜTER Bekassine Großer Braunkehlchen (Gallinago Brachvogel (Saxicola gallinago) (Numenius rubetra) arquata) Zugvogel, Überwinterung in Frankreich Zugvogel; die heimischen Brutvögel Zugvogel, Überwinterung in den und auf der Iberischen Halbinsel überwintern vermutlich in Südspanien Savannen südlich der Sahara; Status in Vorarlberg: verschollen und Marokko Rückkehr ins Brutgebiet im Größe: 25-27 cm, Gewicht: 80-140 g, Status in Vorarlberg: vom Aussterben bedroht April/Mai Alter bis zu 18 Jahre Größe: 53-58 cm, Gewicht: 600-1.000 g, Status in Vorarlberg: gefährdet, Brutzeit: April bis Juli Alter bis über 30 Jahre Bestand stark abnehmend Lebensraum: Die Bekassine kommt in Brutzeit: April bis Juli Größe: 13-14 cm, Gewicht: 15-20 g, Vorarlberg nur noch als Durchzügler vor. Lebensraum: Feuchtgebietskomplexe des Alter bis zu 8 Jahre Trupps findet man während der Zugzeit v.a. unteren Rheintals. Brutzeit: Mai bis August im Rheintal. Als Brutvogel ist sie seit Besonderheit: Der Brachvogel ist der Lebensraum: Hauptvorkommen in den mehreren Jahren verschwunden. Die größte Wiesenbrüter in Vorarlberg. Streuwiesen des Rheintals und Walgaus, Tatsache, dass sich Bekassinen auch während Markant ist sein langer, sichelförmig aber auch im Berggebiet. der Brutsaison in manchen Vorarlberger nach unten gebogener Schnabel. Besonderheit: Zum Singen und zur Jagd Wiesenbrütergebieten aufhalten, gibt Nach einem Jahr mit nur einem flüggen Küken sitzen Braunkehlchen gerne auf langen allerdings Hoffnung und motiviert zu und einem Jahr ganz ohne Bruterfolg wurden Halmen und Pfosten – der beste Zeitpunkt, dringend erforderlichen Maßnahmen. letztes Jahr sieben Küken flügge. ein Braunkehlchen zu beobachten. Besonderheit: Die Bekassine hat den Das Rheindelta ist das bedeutendste Aufgrund der Größe der Vorkommen Spitznamen Himmelsziege, da die Überwinterungsgebiet des Brachvogels im hat Vorarlberg eine österreichweite abgespreizten äußeren Schwanzfedern mitteleuropäischen Binnenland und, Verantwortung beim Schutz dieses der Männchen bei ihren kunstvollen von der Ungarischen Tiefebene abgesehen, Wiesenbrüters. Balzflügen zu vibrieren beginnen. auch sein bedeutendster Mauserplatz. Die Schwingungen hören sich wie Hier kann man den Brachvogel ganzjährig das Meckern einer Ziege an. beobachten.
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