Klimaschutz & ländlicher Raum - Ideen und Impulse für erfolgreichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen - Deutsches Institut für ...

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Klimaschutz & ländlicher Raum - Ideen und Impulse für erfolgreichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen - Deutsches Institut für ...
Klimaschutz
              &
        ländlicher Raum

      Ideen und Impulse für erfolgreichen
      Klimaschutz in ländlichen Kommunen
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Klimaschutz
           &
     ländlicher Raum
        Ideen und Impulse für erfolgreichen
        Klimaschutz in ländlichen Kommunen
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Impressum

Herausgeber: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Auf dem Hunnenrücken 3, 50668 Köln

Konzept: Marco Peters
Redaktion: Sigrid Künzel, Marco Peters
Gestaltungskonzept, Layout, Illustration: Irina Rasimus Kommunikation, Köln
Druck: Spree Druck Berlin GmbH
Gefördert durch: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
Alle Rechte vorbehalten. Köln 2018

Die Beiträge liegen inhaltlich in alleiniger Verantwortung der Autorinnen und Autoren und spiegeln nicht
unbedingt die Meinung des Herausgebers wider.

Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt.

Diese Publikation wurde auf Recyclingpapier (100% Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel)
und klimaneutral gedruckt (die Emissionen aus der Druckproduktion werden durch die Förderung
zertifizierter Klimaschutzprojekte ausgeglichen).

ISBN 978-3-88118-617-9
Klimaschutz & ländlicher Raum - Ideen und Impulse für erfolgreichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen - Deutsches Institut für ...
Inhalt

CORNELIA RÖSLER
Vorwort                                                                                         5

MARCO PETERS
Klimaschutz „auf dem Land“ – vielfältige Chancen und Potenziale                                 6

PETER HECK
Neue (Bio)Energiedörfer – innovative Konzepte und regionale Wertschöpfung                      16

ANSGAR GRAWE, ANITA POSCHMANN
Stadt Willebadessen – Fokus Bioenergie                                                         26

VOLKER NIELSEN
Erneuerbare Energie aus der Region – Gemeindewerke St. Michel in Sankt Michaelisdonn           34

RENATE GLASER
Praxisnahe Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit – Energie-Lehrpfad in der Marktgemeinde Glonn   40

WOLFGANG KLEINE-LIMBERG, SILKE NOLTING
EXKURS    > Modellvorhaben in Niedersachsen – Dorfentwicklung und Klimaschutz                  48

JENS LEOPOLD
Rad und Bus kombiniert – neue Wege im ÖPNV in der Gemeinde Mettingen                           50

AMADEUS BURKHARDTSMAYER, MARCEL KATZWINKEL, MICHAEL SCHRAMEK
Klimafreundliche Mobilität im ländlichen Raum – das Projekt „Vorfahrt für Jesberg e. V.“       58

ELISABETH FRACH
EXKURS >   Klimaschutz in kleinen Kommunen – Herausforderungen und Wege zum Erfolg             66

ANDREAS BLESCHKE
Energie-Rundgänge für kleine und mittelständische Unternehmen im Landkreis Teltow-Fläming      68

ANSGAR LASAR, MANUELA SCHÖNE
Landkreis Oldenburg – Klimaallianz in der Landwirtschaft                                       76

Klimaschutz in der kommunalen Praxis: Information, Motivation, Vernetzung                      84

Bildnachweis                                                                                   86

                                                                                                    3
Klimaschutz & ländlicher Raum - Ideen und Impulse für erfolgreichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen - Deutsches Institut für ...
Klimaschutz &
ländlicher Raum
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CORNELIA RÖSLER

Vorwort

195 Länder haben im Dezember 2015 das Übereinkommen
von Paris geschlossen, mit dem zentralen Ziel, die durch Treib-
hausgase verursachte Erderwärmung auf deutlich unter zwei
Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begren-
zen. Dafür sind auch auf der kommunalen Ebene entspre-
chende Entscheidungen zu treffen, Konzepte zu entwickeln
und Maßnahmen umzusetzen, die zum Klimaschutz vor Ort
einen wesentlichen Beitrag leisten. Für die Kommunen ist dies
Herausforderung und Chance zugleich.
    In vielen Kommunen haben erfolgreich realisierte Projekte
bereits zu beachtlichen CO2-Einsparungen geführt. Sie doku-
mentieren das große kommunale Engagement für den Klima-
schutz, mit dem sie beispielgebend für Bevölkerung und Privat-
wirtschaft sind und eine wichtige Vorbildfunktion ausüben.         CORNELIA RÖSLER
Zugleich machen positive Praxisbeispiele weiteren Kommunen
Mut, selbst die Initiative zu ergreifen und eigene Maßnahmen       Bereichsleiterin Umwelt
zu verwirklichen.                                                  im Deutschen Institut
    In der Publikationsreihe „Themenhefte“ greift das Deutsche     für Urbanistik (Difu)
Institut für Urbanistik nach und nach Schnittstellen des kommu-
nalen Klimaschutzes zu verschiedenen Handlungsfeldern auf.         Seit 1991 wissenschaftliche
Es werden Ziele, Aufgaben und Inhalte des jeweiligen Themen-       Mitarbeiterin im Difu. Koor-
bereichs aufbereitet und konkrete Erfahrungen aus der Praxis       dination des Arbeitsbereichs
unterschiedlicher Kommunen und Institutionen dargestellt.          Umwelt am Standort Berlin
    Ländliche Kommunen sind wichtige Akteure, wenn es um           von 1993 bis 2001. Wechsel
die Erreichung der nationalen Klimaschutzziele geht. So vielfäl-   zum Difu-Standort Köln im Jahr
tig wie der ländliche Raum selbst sind auch die Möglichkeiten      2001. Seit 2009 Leiterin des
und Potenziale, im Klimaschutz „auf dem Land“ aktiv zu wer-        Bereichs Umwelt. Initiierung,
den. Zentrale Handlungsfelder sind dabei u. a. die Energiewen-     Durchführung und Leitung
de, klimafreundliche Mobilität und eine klimaschonende Land-       einer Vielzahl von Projekten
wirtschaft. In acht Textbeiträgen und zwei Exkursen zeigen         zum kommunalen Umwelt-
Kommunen sowie Vereine und Forschungseinrichtungen auf,            schutz. Vertreterin des Difu im
wie Klimaschutz im ländlichen Raum erfolgreich angegangen          Umweltausschuss und in der
werden kann.                                                       Fachkommission Umwelt des
    Wir danken dem Bundesministerium für Umwelt, Natur-            Deutschen Städtetages, in den
schutz, Bau und Reaktorsicherheit für die Förderung im Rah-        bundesweiten Umweltamts-
men der Nationalen Klimaschutzinitiative, ohne die dieses          leiterkonferenzen sowie im
Themenheft nicht möglich gewesen wäre. Und wir danken al-          Arbeitskreis Energiepolitik des
len Autorinnen und Autoren, die mit ihrem wertvollen Erfah-        Deutschen Städtetages.
rungsschatz einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieser
Veröffentlichung geleistet haben. n

                                                                                                     5
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MARCO PETERS

Klimaschutz „auf dem Land“ –
vielfältige Chancen und Potenziale

B
       etrachtet man ländliche Gebiete durch die         „ländlicher Raum“, sondern teils sehr unterschiedli-
       „urbane Brille“, zeigen sich oft gegensätzliche   che Eingrenzungen [1]. Die simple Abgrenzung von
       Bilder: Während die einen idyllische Natur-       „Land“ als Gegenpart zur „Stadt“ greift dabei auf je-
landschaften, günstigen Wohnraum und einen ent-          den Fall zu kurz. Aufgrund der in Teilen sehr unter-
spannten Lebensrhythmus sehen, fallen anderen            schiedlichen Definitionsansätze weisen auch die
fehlende Arbeitsplätze, Überalterung und eine            Zuordnungen von Bevölkerung und Fläche große
schwache Daseinsvorsorge ins Auge. Denn ländli-          Differenzen auf. So kann die Spannweite des Anteils
che Räume bilden keine homogene Einheit, sondern         der als „ländlich geprägt“ bezeichneten Regionen an
unterscheiden sich – genau wie Ballungsgebiete –         der Gesamtfläche Deutschlands – je nach Typisie-
sehr stark voneinander und befinden sich in ständi-      rung – zwischen 70 und 90 Prozent variieren. In die-
gem Wandel. Prosperierenden ländlichen Regionen,         sen Gebieten leben – je nach Eingrenzung – zwi-
oftmals in Nähe zu urbanen Zentren, stehen abgele-       schen 30 und 50 Prozent der Bevölkerung der
gene, dünnbesiedelte Landstriche mit geringen Wirt-      Bundesrepublik [2] [3]. Allgemein sind eine deutlich
schafts- und Beschäftigungszahlen, schwacher Infra-      niedrigere Bevölkerungs- und Bebauungsdichte als
strukturausstattung und Schrumpfungstendenzen            in urbanen Gebieten, ein hoher Anteil an Naturräu-
gegenüber. Im wissenschaftlichen Diskurs existiert       men und landwirtschaftlich genutzter Flächen, eine
daher auch keine einheitliche Definition des Begriffs    starke Verbreitung landwirtschaftlicher Betriebe so-
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Einleitung

wie geringere Zentralität typische räumliche Merk-        haben ländlich geprägte Kommunen im Hinblick auf
male ländlicher Gebiete [4]. Diese charakteristischen     Klimaschutzaktivitäten? Worin liegen mögliche Her-
Eigenschaften des ländlichen Raums sollen Definiti-       ausforderungen? Welche Erfolgsfaktoren gibt es für
onsgrundlage der vorliegenden Publikation sein.           den Klimaschutz in ruralen Kommunen?
    Die Bundesregierung hat sich die Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland
zum Leitziel gesetzt, d. h. auch ländliche Gebiete        Zukunftsfaktor Energiewende
sollen bestmöglich entwickelt werden [5]. Ländli-
che Räume stehen dabei – ebenso wie urbane Ge-            Chancen bieten sich ländlichen Städten, Ge-
biete – vor den großen Herausforderungen der              meinden und Landkreisen in der Energiewende,
Zeit, wie Klimawandel, Globalisierung oder de-            sprich dem Übergang von fossilen Energieträgern
mographischer Wandel. Daneben zählt die Ge-               zu einer Strom- und Wärmeversorgung mittels
währleistung der Daseinsvorsorge für die Men-             erneuerbarer Energien. Hier verfügen ländliche
schen in ländlichen Gebieten, u. a. in den Be-            Gebiete über Standortvorteile, z. B. Verfügbarkeit
reichen Mobilität, Energieversorgung oder digita-         von Freiflächen oder Ressourcen wie Biomasse,
ler Infrastruktur, zu den wichtigsten Aufgaben            gegenüber Ballungsräumen, wenn es um die Er-
ländlicher Entwicklungsstrategien. Die Kommu-             zeugung und dezentrale Nutzung von Strom und
nen können dies alleine nicht bewältigen, der Pri-        Wärme aus erneuerbaren Energien wie Wind,
vatwirtschaft, aber auch (Träger-)Vereinen oder           Sonne, Biomasse, Wasserkraft oder Erdwärme
Genossenschaften, kommt in diesem Zusammen-               geht. Konventionelle Kraftwerke finden sich meist
hang eine immer wichtigere Rolle zu [6].                  in Ballungsräumen und traditionellen Industrie-
    Kommunen sind zentrale Akteure, wenn es um            gebieten, während Energie aus erneuerbaren
die Erreichung der nationalen Klimaschutzziele            Quellen aufgrund der geringeren Energiedichte
geht. Die Möglichkeiten und Handlungsfelder des           und des daraus resultierenden größeren Flächen-
aktiven Klimaschutzes sind auf dem Land ebenso            bedarfs größtenteils im ländlichen Raum erzeugt
vielfältig wie in der Stadt, stehen jedoch häufig unter   wird [7]. Allerdings sind nicht alle Regionen glei-
eigenen Vorzeichen. Welche besonderen Potenziale          chermaßen geeignet, insbesondere bei der Wind-
                                                          kraft können die regionalen Disparitäten trotz
                                                          moderner Anlagentechnik teilweise groß sein.
                                                          Bei der Sonnenenergie kann ein einzelner Stand-
                                                          ort ungünstig sein, aber regional betrachtet ist in
                                                          Deutschland jeder Landesteil geeignet, mit ten-
                                                          denziell steigenden Erträgen in Richtung Süden.
                                                          Wichtig ist daher, dass die Energieträger genutzt
                                                          werden, die aufgrund der naturräumlichen Gege-
                                                          benheiten und Potenziale erschließbar sind.
                                                          Viele ländliche Kommunen nutzen ihre Möglich-
                                                          keiten bereits und tragen maßgeblich zur Ener-
                                                          gieerzeugung aus regenerativen Quellen und
                                                          damit zum Klimaschutz bei. Dabei entstehen re-
                                                          gionale Wertschöpfungseffekte sowohl bei der
                                                          Errichtung als auch beim Betrieb und der War-
                                                          tung der Energieanlagen [8]. Darüber hinaus er-
                                                          geben sich Chancen für Bürgerinnen und Bürger
                                                          sowie Kommunen im ländlichen Raum, finanzi-
                                                          ell an der Energiewende zu partizipieren, z. B.
                                                          über Bürgerenergiegenossenschaften oder die
                                                          Verpachtungen von Gemeindeflächen an Betrei-
                                                          ber von Windkraftanlagen oder Freiflächen-Pho-
                                                          tovoltaik-Anlagen. Aspekte wie regionale Wert-

                                                                                                                7
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KLIM A SC HUTZ & LÄ NDLIC HER RAU M

schöpfung und Beteiligung können zudem die                Die Energiewende wird häufig mit einer
Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen inner-             „Stromwende“ gleichgesetzt und (noch) nicht aus-
halb der Bevölkerung steigern. Der Ausbau und         reichend mit den Bereichen „Wärme“ und „Ver-
die Eigenversorgung mit Energie und Wärme aus         kehr“ verknüpft. In der sogenannten „Sektoren-
regenerativen Ressourcen fördert zudem eine           kopplung“, also der Vernetzung von Elektrizität,
zukunftsfähige kommunale Daseinsvorsorge,             Wärmeversorgung und Verkehr, liegen große Po-
verringert die Abhängigkeit von importierten,         tenziale – auch für kleine, ländliche Kommunen –,
konventionellen Energieträgern und deren Preis-       überschüssigen Strom aus Windkraft, Photovoltaik
schwankungen und kann so die kommunalen               etc. alternativ zu nutzen. Power-to-heat (Um-
Haushalte entlasten. Erfolgreiche und innovative      wandlung von Strom in Wärme) oder Power-to-gas
Projekte im Bereich „Energiewende“ sorgen nicht       (Umwandlung von Strom in Gas) sind ausgereifte
zuletzt für einen überregionalen Bekanntheits-        Verfahren in diesem Kontext. Bislang sind jedoch
grad der aktiven Kommunen, steigern damit de-         die bundesrechtlichen Voraussetzungen zu einer
ren Attraktivität und ziehen Besuchergruppen an       wirtschaftlichen Umsetzung nicht gegeben [9].
(Energietourismus).                                   Die bisherigen Ideen scheitern meist an den unter-

Ein Sinnbild der Energiewende: Windkraftanlagen im ländlichen Raum
Klimaschutz & ländlicher Raum - Ideen und Impulse für erfolgreichen Klimaschutz in ländlichen Kommunen - Deutsches Institut für ...
Einleitung

schiedlichen Rahmenbedingungen des Strom-,
Wärme- und Mobilitätsmarktes.
    Den genannten Chancen stehen auch Heraus-
forderungen gegenüber. Mit der letzten Novellie-
rung des Gesetzes zum Ausbau erneuerbarer Ener-
gien (EEG) 2017 und der damit einhergehenden
Änderung hin zu wettbewerblichen Ausschreibun-
gen ist es insbesondere für kleine kommunale Ener-
gieversorger und Bürgerenergiegenossenschaften
schwieriger geworden, konkurrenzfähig zu blei-
ben, da im Gegensatz zum alten System, beispiels-
weise in der Windenergie, erhebliche Planungsleis-
tungen gestemmt werden müssen, noch bevor ein
Zuschlag gesichert ist. Weitere Konfliktfelder liegen
in der Flächennutzung zur Energieerzeugung aus
erneuerbaren Quellen (Windparks, Freiflächen-
Photovoltaik) und den damit verbundenen Eingrif-
fen in das Landschaftsbild („Verspargelung“), in der     E-Autos bieten Chancen für eine klimafreundliche
Ausweitung des Anbaus von Monokulturen, wie              Mobilität in ländlichen Regionen

Energiemais („Vermaisung“) und die damit verbun-
denen negativen Einflüsse auf den Naturraum und
die Biodiversität, sowie in der zunehmenden Flä-
chenkonkurrenz beispielsweise zur Nahrungs- und          lecs (Motorunterstützung bei Pedaleinsatz) oder
Futtermittelerzeugung.                                   E-Bikes (Motorunterstützung auch ohne Pedalein-
                                                         satz) bieten aufgrund der vergrößerten Reichweite
                                                         und der Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche
Herausforderung klimafreundliche Mobilität               Zielgruppen klimaschonende Alternativen zum Pkw.
                                                             Da eine nachhaltige Verkehrswende nicht als
Im Bereich klimafreundliche Mobilität sind die           „reine Antriebswende“ verstanden werden sollte,
Voraussetzungen im ländlichen Raum schwieriger           sind auch in ländlichen Regionen klimafreundli-
als in städtischen Gebieten. Menschen in ländli-         che, flexible Mobilitätskonzepte zwingend not-
chen Regionen haben meist längere Wegstrecken,           wendig, nicht nur um die Emissionen von Treib-
häufig sehr individuelle Ziele und ein weniger um-       hausgasen zu verringern, sondern vor allem, um
fangreiches Angebot an öffentlichen Verkehrsmit-         eine zukunftsfähige Mobilitätsversorgung zu garan-
teln als in urbanen Räumen. Sie nutzen deshalb das       tieren. Im Stadt-(Um)Land-Verkehr sind Kombinati-
Auto in der Regel deutlich intensiver als Bewohne-       onsangebote von öffentlichem Personennahverkehr
rinnen und Bewohner von Ballungsgebieten. Struk-         (ÖPNV) und Fahrrad (auch Pedelec/E-Bike) oder
turelle Veränderungen, wie Überalterung, Abwan-          privatem Pkw sinnvolle Ansätze zur Reduzierung
derung, Schulschließungen oder schlechtere               der CO2-Emissionen, insbesondere im Pendlerver-
Nahversorgung steigern zudem insgesamt den Mo-           kehr. Auch wenn sich „urbane Mobilitätsansätze“
bilitätsbedarf im ländlichen Raum [10]. Zugleich         wie CarSharing oder Radverkehrskonzepte auf-
liegen hier große Potenziale zur Treibhausgas-Re-        grund der unterschiedlichen Gegebenheiten oft
duktion: Insbesondere die Elektromobilität ist nicht     nicht direkt auf ländliche Gebiete übertragen las-
nur in Ballungszentren ein zunehmend wichtiges           sen, können bestimmte Konzepte oder Prinzipien
Thema, gerade im ländlichen Raum muss E-Mobili-          angepasst und umgesetzt werden. Für große, kom-
tät, v. a. Elektroautos, verstärkt eine Rolle spielen,   merzielle CarSharing-Anbieter sind dünn besiedel-
denn hier werden die Menschen auch in Zukunft            te Regionen meist wirtschaftlich nicht interessant,
maßgeblich auf das Auto angewiesen sein. Ebenso          dennoch finden sich auf dem Land mittlerweile
stecken im Radverkehr auf dem Land noch nicht            Sharing-Formen, wie „Auto-Teiler-Vereine“, „Bür-
ausgeschöpfte Möglichkeiten, insbesondere Pede-          gerautos“ oder „Peer-to-Peer-CarSharing“ zwischen

                                                                                                               9
Wichtiges Handlungsfeld im Klimaschutz: die Landwirtschaft, insbesondere die Nutztierhaltung

     Privatpersonen. Auch Kooperationen zwischen             werden etwa acht Prozent (Stand 2015) der ge-
     städtischen CarSharing-Anbietern und Umlandge-          samten Treibhausgasemissionen in Deutschland
     meinden existieren inzwischen vermehrt [11].            von der Landwirtschaft verursacht. Verantwort-
     Niedrigschwellige Mobilitätsangebote, wie ehren-        lich sind vor allem Methanemissionen aus der
     amtliche Bürgerbusse oder Fahrdienste sowie „Mit-       Tierhaltung, der Einsatz von Wirtschaftsdünger
     fahrbänke“, tragen ebenfalls dazu bei, nachhaltige      wie Gülle sowie Lachgasemissionen aus land-
     Mobilität im ländlichen Raum zu sichern und den         wirtschaftlich genutzten Böden, die bei der Stick-
     motorisierten Individualverkehr (MIV) und damit         stoffdüngung entstehen [12].
     den CO2-Ausstoß zu reduzieren.                              Dabei ist der Landwirtschaftssektor besonders
                                                             von den Auswirkungen des Klimawandels betrof-
                                                             fen und sollte daher ein großes Eigeninteresse an
     Handlungsfeld nachhaltige Landwirtschaft                dessen Eindämmung haben. Folgen des Klima-
                                                             wandels, wie vermehrte Extremwetterereignisse
     In der Landwirtschaft, als zentralem Wirtschafts-       mit Starkregen oder Hitzeperioden und damit
     sektor im ländlichen Raum, liegen große Poten-          einhergehenden Ertrags- und Qualitätseinbußen,
     ziale, aktiv Klimaschutz zu betreiben. Die Agrar-       sowie Veränderungen natürlicher jahreszeitlicher
     wirtschaft in Deutschland trägt bedeutend zur           Rhythmen und die damit verbundenen Verschie-
     Emission klimaschädlicher Gase bei. Insgesamt           bungen im Entwicklungsstand von Nutzpflanzen

10
Einleitung

stellen landwirtschaftliche Betriebe bereits heute   Klima schützen, ländliche Räume entwickeln
vor große Herausforderungen [13].
    Zum Klimaschutz in der Landwirtschaft ge-        Mit welchen Ideen und Ansätzen sich die be-
hört z. B. ein verantwortungsvoller Umgang mit       schriebenen Potenziale für den Klimaschutz im
Moor- und Dauergrünlandflächen, da diese eine        ländlichen Raum ausschöpfen lassen und wie die
wichtige Funktion als CO2-Speicher haben. Auch       Herausforderungen gemeistert werden können,
stecken große Potenziale zur Treibhausgasminde-      zeigen die guten Beispielen aus der kommunalen
rung in der Verbesserung der Stickstoffeffizienz     Praxis und die Impulse aus der Forschung in der
bei Düngeverfahren. Weitere zentrale Ansatz-         vorliegenden Publikation. Dabei gilt, Klimaschutz
punkte zum Klimaschutz in der Landwirtschaft         nicht als „Selbstzweck“ zu begreifen, sondern
sind eine am Wohl der Nutztiere ausgerichtete        eine Verzahnung mit anderen wichtigen Hand-
Erzeugung tierischer Produkte sowie ein nach-        lungsfeldern ländlicher Entwicklung anzustreben.
haltiger Einsatz von Bioenergieressourcen. In der    Dazu gehören u. a. die Generierung von Wert-
Betreibung von Biogasanlagen liegen zum einen        schöpfung, Aspekte der Daseinsvorsorge, z. B. in
wirtschaftliche Chancen für landwirtschaftliche      den Bereichen Energieversorgung oder Mobilität,
Unternehmen, denn hier können sich zusätzliche       die Verknüpfung von Wärmenetzen und Breit-
Verwendungsmöglichkeiten für landwirtschaftli-       bandausbau oder ein Entgegenwirken zu Schrump-
che Produkte und damit neue Einkommensmög-           fungstendenzen und demographischem Wandel,
lichkeiten eröffnen [14]. Zum anderen bietet die     beispielsweise durch eine Attraktivitätssteigerung
Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung            und neue Beschäftigungsmöglichkeiten im ländli-
auch große Chancen für den Klimaschutz: Ener-        chen Raum. Natürlich lassen sich nicht alle Ent-
gieträger aus Biomasse setzen bei ihrer Verbren-     wicklungsherausforderungen im ländlichen Raum
nung nur die Menge an CO2 frei, die der Atmo-        durch aktiven Klimaschutz angehen, jedoch lie-
sphäre zuvor während des Pflanzenwachstums           fern die folgenden Praxisbeispiele Ideen und Im-
entnommen wurden, im Gegensatz zu fossilen           pulse, wie sich Klimaschutzmaßnahmen positiv
Ressourcen, wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Des-       auf die genannten Aspekte auswirken können und
halb ist die nachhaltige Nutzung nachwachsen-        sich gewünschte Synergieeffekte erzielen lassen.
der Rohstoffe ein effektiver Ansatz, um dem Kli-         Im ersten Artikel erörtert Prof. Dr. Peter Heck,
mawandel entgegenzuwirken. Dabei muss                Direktor des Instituts für angewandtes Stoffstrom-
jedoch berücksichtigt werden, dass der energeti-     management (IfaS), innovative Konzepte neuer
sche Aufwand für Anbau und Umwandlung der            (Bio)Energiedörfer und die Chancen regionaler
Biomasse heute zum großen Teil noch aus fossi-       Wertschöpfungseffekte. Neue (Bio)Energiedörfer
len Quellen gedeckt wird. Dennoch emittieren         verbinden Effizienz, die Nutzung erneuerbarer
Bioenergieträger in ihrer Gesamtbilanz deutlich      Energien, nachhaltige Landnutzung sowie Beteili-
weniger CO2 als fossile Brennstoffe und sind da-     gung zu einem innovativen Managementmodell
mit eine klimafreundliche Alternative [15].          für Kommunen im ländlichen Raum.
    Mit dieser Entwicklung gehen aber auch zahl-         Die „Bioenergie-Kommune“ Willebadessen in
reiche neue Nutzungskonflikte einher, insbeson-      Nordrhein-Westfalen zeigt, dass sich auch „größe-
dere hinsichtlich der Verwendung von nachwach-       re“ Städte in ländlichen Gebieten bereits heute wei-
senden Rohstoffen zur energetischen Verwendung       testgehend mit Strom und Wärme aus erneu-
in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmit-         erbaren Energiequellen, insbesondere aus regio-
teln bzw. Futtermitteln („Tank oder Teller“), der    naler Biomasse, versorgen können. Anita Posch-
biologischen Vielfalt, des Gewässerschutzes oder     mann und Ansgar Grawe von der Stadt Willebades-
des Erhalts des Landschaftsbildes [16]. Große Po-    sen beschreiben den Weg der Gemeinde zur
tenziale – weitgehend ohne negative Auswirkun-       „Bioenergie-Kommune“ und benennen wirtschaft-
gen – liegen in der Nutzung biologischer „Rest-      liche Aspekte als wichtige Faktoren für die Kommu-
masse“, wie z. B. Grünschnitt, biogene Reststoffe,   ne, den Einstieg in die Nutzung von Bioenergie für
land- und forstwirtschaftliche Rest- und Rohstoffe   kommunale Liegenschaften zu „wagen“ – und da-
oder alternativen Anbaukonzepten, wie „Energie-      mit erfolgreich zu sein. Darüber hinaus spielt die
hecken“ oder „Kurzumtriebsplantagen“.                ausgeprägte Eigeninitiative der Bürgerinnen und

                                                                                                            11
Chancen für ländliche Kommunen: Erzeugung und Nutzung von Strom und Wärme aus Biomasse

     Bürger, der Gewerbetreibenden und der Landwirt-     auf dezentrale Energieversorgung und ein eigenes
     schaft in der Entwicklung Willebadessens hin zur    Gemeindewerk setzt, um die Energiewende vor
     „Bioenergie-Kommune“ eine entscheidende Rolle.      Ort praktisch umzusetzen.
         Für eine Kommune ergeben sich in allen Berei-       Dr. Renate Glaser, Gemeinderätin in der Markt-
     chen der Energieerzeugung und -verteilung wich-     gemeinde Glonn und Vorstandsmitglied des Vereins
     tige Handlungsfelder im Sinne des Klimaschutzes.    „Aktionskreis Energiewende Glonn 2020“, stellt in
     In der schleswig-holsteinischen Gemeinde St. Mi-    ihrem Artikel den „Energie-Lehrpfad“ der Kommune
     chaelisdonn setzt man bei der Energieerzeugung      vor. In der bayerischen Gemeinde treibt man bereits
     in erster Linie auf den „Rohstoff der Küste“, die   seit Jahren aktiv die Energiewende vor Ort voran
     Windkraft, aber auch auf Solarenergie und zum       und hat dabei zahlreiche Projekte umgesetzt. Das
     Teil auf Biomasse. Mit Gründung der Gemeinde-       Energiebündnis „Aktionskreis Energiewende Glonn
     werke St. Michel bietet die Kommune ihren Bürge-    2020 e. V.“ kooperiert eng mit der Kommune und ist
     rinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihren Strom     Ansprechpartner, Impulsgeber und Motor für die
     zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu be-     Umsetzung lokaler Energieprojekte in Glonn. Die
     ziehen. Volker Nielsen, ehrenamtlicher Bürger-      Idee des „Energie-Lehrpfads“ ist es, die vielfältigen
     meister der Gemeinde St. Michaelisdonn, erläutert   Handlungsmöglichkeiten einer nachhaltigen Ener-
     in seinem Beitrag, warum man in seiner Kommune      gieversorgung – die bereits in der Gemeinde vor-

12
Einleitung

handen sind – in unterschiedlichen Rundgängen mit
insgesamt 25 ausgewählten Leuchtturmprojekten
„begeh- und erlebbar“ zu machen.
    Der erste Exkurs der vorliegenden Veröffentli-
chung skizziert ein Modellvorhaben für Dorfent-
wicklung und Klimaschutz in Niedersachsen. Silke
Nolting (Kommunale Umwelt-AktioN U.A.N.) und
Wolfgang Kleine-Limberg (Planungsbüro mensch
und region GbR) beraten und unterstützen als
durchführendes Konsortium des Modellvorhabens
die drei niedersächsischen Dorfregionen Duder-
stadt, Holte-Lastrup-Herßum und Wahrenholz-
Schönewörde dahingehend, die vielfältigen Aspek-
te von Klimaschutz und Klimaanpassung in ihre
Dorfentwicklungsplanungen einzubinden.
    Klimafreundliche Mobilität im ländlichen
Raum ist ein wichtiges, aber auch ein schwieriges
Thema, denn große Distanzen und oftmals unzu-
reichende ÖPNV-Verbindungen machen das Auto
zum wesentlichen Verkehrsmittel. In der Gemein-
de Mettingen in Nordrhein-Westfalen hat man mit
dem Projekt „STmobil“ ein Kombinationsangebot
aus Rad (Pedelecs) und Bus eingeführt, um insbe-
sondere für „Land-Stadt-Pendler“ den Umstieg
vom Pkw auf nachhaltige Mobilitätslösungen at-
traktiver zu machen. Jens Leopold, Klimaschutz-
manager der Gemeinde Mettingen, erklärt in sei-
nem Beitrag, wie das Mobilitätsangebot in
Kooperation mit der kommunalen Regionalver-
                                                      Wichtige Säule für eine klimafreundliche Mobilität
kehr Münsterland GmbH funktioniert, welche Vor-       auf dem Land: der öffentliche Nahverkehr
teile er sieht und warum das Modell auch für an-
dere ländliche Kommunen interessant ist.
     Der Verein „Vorfahrt für Jesberg e.V.“ hat es
sich zur Aufgabe gemacht, in der hessischen Ge-       die zu den Chancen und Herausforderungen klei-
meinde Jesberg klimaschonende Alternativen zum        ner Kommunen im Klimaschutz vor. Die Untersu-
Privatauto zu etablieren, um eine flexible und zu-    chung hat gezeigt, dass die Potenziale für aktiven
kunftsorientierte Mobilität im Ort zu garantieren     Klimaschutz in kleinen Kommunen vielfältig sind
und gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger nä-       und strukturelle Hürden durch eine engagierte Kli-
her zusammenzubringen. Amadeus Burkhardts-            maschutzarbeit überwunden werden können.
mayer, Marcel Katzwinkel und Michael Schramek             In ländlichen Gebieten prägen meist kleine und
erläutern in ihrem Beitrag, warum es entscheidend     mittelständische Unternehmen (KMU) den Wirt-
ist, Mobilität auch im ländlichen Raum als „Ge-       schaftssektor. Der Landkreis Teltow-Fläming in
samtsystem“ zu betrachten und wie eine Verzah-        Brandenburg hat in diesen Betriebsformen eine
nung mit anderen zentralen Aspekten dörflicher        wichtige Zielgruppe zur Erreichung der eigenen
Entwicklung – z. B. in den Handlungsfeldern de-       Klimaschutzziele identifiziert und mit dem Projekt
mographischer Wandel oder Integration – gelin-        „Energie-Rundgänge“ ein Beratungskonzept entwi-
gen kann.                                             ckelt, bei dem branchengleiche KMU voneinander
    Elisabeth Frach vom Service- und Kompetenz-       lernen, wie eine Verringerung des Energiever-
zentrum: Kommunaler Klimaschutz beim Difu stellt      brauchs im Produktionsablauf realisiert und wie die
in ihrem Exkurs die zentralen Ergebnisse einer Stu-   Strom- und Wärmegewinnung aus erneuerbarer

                                                                                                            13
KLIM A SC HUTZ & LÄ NDLIC HER RAU M

     Energie umgesetzt werden können. Andreas                  Quellenangaben
     Bleschke, Leiter der Klimaschutzkoordinierungs-           [1] Schlömer, C., und M. Spangenberg, Städtisch und
     stelle im Landkreis, schildert in seinem Artikel u. a.,   ländlich geprägte Räume: Gemeinsamkeiten und
     weshalb der Austausch von Betrieb zu Betrieb sinn-        Gegensätze, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau
                                                               und Stadtentwicklung (BMVBS) und Bundesinstitut für
     voll ist und wie man die Zielgruppe erreicht.
                                                               Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt
         Zum Abschluss stellen Ansgar Lasar und Manu-          für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ( Hrsg.),
     ela Schöne vor, wie man im Landkreis Oldenburg            Ländliche Räume im demografischen Wandel.
     in Niedersachsen das wichtige Handlungsfeld               DGD/BBR-Dezembertagung 2008, BBSR-Online-
     Landwirtschaft in den Klimaschutz integriert. Hier        Publikation Nr. 34/2009, S. 17ff. Download unter:
     setzt man auf eine Kombination aus Informations-          http://downloads.eo-bamberg.
                                                               de/9/883/1/39776177391270917991.pdf#page=18
     veranstaltungen und individueller Einzelberatung
                                                               [2] Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung
     vor Ort, um landwirtschaftliche Betriebe für das          (BBSR) (Hrsg.), Laufende Raumbeobachtung –
     Thema Klimaschutz zu sensibilisieren und vor al-          Raumabgrenzungen, Bonn 2015. Download unter:
     lem zu konkreten Maßnahmen zur Treibhausgas-              www.bbsr.bund.de/nn_1067638/BBSR/DE/
     reduzierung zu motivieren. Agrarunternehmen               Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/Kreistypen2/
     können mit der Umsetzung der vorgeschlagenen              kreistypen.html
                                                               [3] Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
     Klimaschutzmaßnahmen oftmals wirtschaftlicher
                                                               schaft (BMEL) (Hrsg.), Ländliche Räume verstehen
     und effizienter arbeiten und dem Endverbraucher           – Fakten und Hintergründe zum Leben und Arbeiten
     klimaschonend erzeugte Produkte anbieten und              in ländlichen Regionen, 2016. Download unter:
     damit auch einen Marketingvorteil erzielen.               www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/
                                                               LR-verstehen.pdf?__blob=publicationFile
                                                               [4] Küpper, P.(Thünen-Institut für Ländliche Räume),
                                                               Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume,
     Ideen aufnehmen und selbst aktiv werden
                                                               Thünen Working Paper 68, Braunschweig 2016.
                                                               Download unter: http://literatur.thuenen.de/digbib_
     Die Artikel und Exkurse der vorliegenden Publikati-       extern/dn057783.pdf
     on spiegeln die große Bandbreite an Möglichkeiten         [5] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
     zum aktiven Klimaschutz im ländlichen Raum ex-            Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (Hrsg.), Ländliche
     emplarisch wider. Sie sollen Kommunen zur Nach-           Räume: vielfältig und innovativ, o.J. Download unter:
                                                               www.bmub.bund.de/laendlicher-raum/
     ahmung anregen sowie bei der Initiierung, Planung
                                                               [6] Dehne, P., Ein Umbau der Daseinsvorsorge in
     und Umsetzung eigener Klimaschutzprojekte un-             ländlichen Regionen ist notwendig, in: Bundesanstalt
     terstützen. Wie eingangs beschrieben, sind ländli-        für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) (Hrsg.),
     che Räume keine homogene Einheit, das bedeutet            Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen unter Druck.
     auch, dass die Voraussetzungen und Beweggründe            Wie reagieren auf den demografischen Wandel?,
     für Klimaschutzmaßnahmen sehr unterschiedlich             Bonn 2013. Download unter: www.netzwerk-
                                                               laendlicher-raum.de/fileadmin/sites/ELER/Dateien/04_
     sein können. Die vorgestellten Projekte und Kon-
                                                               Partner/Daseinsvorsorge/Daseinsvorsorge_unter_
     zepte sollen daher vor allem als praxisnaher „Ideen-      Druck_BLE-SG-Infra_01_2013_Web.pdf
     Pool“ gesehen werden, aus dem sich interessierte          [7] Gailing, L., und A. Röhring, Was ist dezentral
     Kommunen und Akteure Modelle und Bausteine                an der Energiewende? Infrastrukturen erneuerbarer
     herausgreifen können, um individuelle Ideen und           Energien als Herausforderungen und Chancen für
     Ansätze zu entwickeln und diese auf die eigenen           ländliche Räume, in: Raumforschung und Raumord-
                                                               nung 73(1), Heidelberg 2014, S. 31 ff. Download
     Gegebenheiten und Ziele anzupassen.
                                                               unter: www.researchgate.net/publication/276350238_
         Auch wenn derzeit das viel zitierte „Zeitalter        Was_ist_dezentral_an_der_Energiewende_
     der Städte“ – und der damit verbundene Trend zur          Infrastrukturen_erneuerbarer_Energien_als_
     Urbanisierung – in aller Munde ist, spielen ländli-       Herausforderungen_und_Chancen_fur_landliche_
     che Kommunen gerade in Fragen des Klimaschut-             Raume
     zes eine wichtige Rolle: Nur wenn Klimaschutz             [8] Plankl, R./Thünen-Institut für ländliche Räume,
                                                               Regionale Verteilungswirkungen durch das Ver-
     flächendeckend – sprich in Ballungszentren wie
                                                               gütungs-und Umlagesystem des Erneuerbare-
     auf dem Land – gedacht und umgesetzt wird, ist            Energien-Gesetzes (EEG), Thünen Working Paper 13,
     die Erreichung der Klimaschutzziele in Deutsch-           Braunschweig 2013. Download unter: http://literatur.
     land möglich. n                                           ti.bund.de/digbib_extern/dn052693.pdf

14
Einleitung

[9] Maslaton, M., Die Politik bremst die Sektorkopp-
lung aus, Der Tagesspiegel 21.05.2017. Download
unter: www.tagesspiegel.de/politik/energiewende-die-
politik-bremst-die-sektorkopplung-aus/19833776.html
[10] Ahrens, G.-A., U. Becker et al./ Technische
Universität Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infra-
strukturplanung und Lehrstuhl Verkehrsökologie
(Durchführung der Studie), Potenziale des Rad-
verkehrs für den Klimaschutz. Im Auftrag des
Umweltbundesamtes (UBA) (Hrsg.), Kurzfassung,
Dessau-Roßlau 2013. Download unter:
www.energiewende-sta.de/wp-content/uploads/
2010/03/Potentiale-des-Radverkehrs-f%C3%BCr-
den-Klimaschutz_kurzfassung.pdf
[11] Bundesverband CarSharing (bcs), CarSharing ist
auch in kleineren Städten und Gemeinden erfolgreich
möglich, 2012. Download unter: https://carsharing.de/
themen/carsharing-im-landlichen-raum/carsharing-
ist-auch-kleineren-stadten-gemeinden-erfolgreich
[12] Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionen aus
der Landwirtschaft im Jahr 2015, o.J. Download
unter: www.umweltbundesamt.de/daten/land-
forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-
treibhausgas#textpart-1
[13] Umweltbundesamt (Hrsg.), Monitoringbericht
2015 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den
Klimawandel. Bericht der Interministeriellen Arbeits-
gruppe Anpassungsstrategie der Bundesregierung,         MARCO PETERS
Dessau-Roßlau 2015. Download unter:
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/             Wissenschaftlicher Mitar-
medien/376/publikationen/monitoringbericht_2015_        beiter, Deutsches Institut
zur_deutschen_anpassungsstrategie_an_den_
                                                        für Urbanistik (Difu)
klimawandel.pdf
[14] Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft (BMEL) (Hrsg.), Klimaschutz und Klima-       Seit 2014 wissenschaftlicher
wandel, o. J. Download unter: www.bmel.de/              Mitarbeiter beim Deutschen In-
DE/Landwirtschaft/Nachhaltige-Landnutzung/              stitut für Urbanistik (Standort
Klimawandel/_Texte/COP23_Bonn.html;jsessionid=          Köln) im Bereich Umwelt. Der
9E129E114CEEE2B9CD578B077E15FFC4.2_
                                                        Arbeitsschwerpunkt liegt in den
cid385?nn=310028
[15] Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR),
                                                        Themenfeldern Klimaschutz,
Klimaschutz und nachwachsende Rohstoffe, o. J.          Klimafolgenanpassung sowie
Download unter: https://bioenergie.fnr.de/              Wissenschaftskommunikation,
rahmenbedingungen/biomasse-und-nachhaltigkeit/          unter anderem: Konzeption
klimaschutz-und-nachwachsende-rohstoffe/                und Moderation von Fachver-
[16] Beckmann, K.J., Libbe, J. et al., Räumliche
                                                        anstaltungen, Vorträge, fachli-
Implikationen der Energiewende. Positionspapier,
Difu-Paper, Berlin 2013. Download unter:
                                                        che und konzeptionelle Betreu-
https://difu.de/publikationen/2013/raeumliche-          ung von Publikationen sowie
implikationen-der-energiewende.html                     eigene Veröffentlichungen. Ma-
                                                        gisterstudium der Geographie,
                                                        Soziologie und Wirtschaftsgeo-
                                                        graphie an der Rheinisch-West-
                                                        fälischen Technischen Hoch-
                                                        schule Aachen.

                                                                                          15
PETER HECK

Neue (Bio)Energiedörfer – innovative Konzepte
und regionale Wertschöpfung

D
         ie Energiewende bietet insbesondere für          Bioenergiedorfes entwickelt. Nach einem einjähri-
         ländliche Räume große Chancen, denn              gen regionalen Auswahlprozess wurde die kleine
         wichtige Optionen für ein klimaneutrales         Gemeinde Jühnde im Landkreis Göttingen als künf-
Deutschland liegen in der Fläche. Daraus können           tiges Bioenergiedorf ausgewählt und ist heute als
eine Änderung der Funktion und eine Steigerung des        „Deutschlands erstes Bioenergiedorf“ überregional
Selbstbewusstseins durch ein sehr hohes Potenzial         bekannt. Die genaue Anzahl an Bioenergiedörfern
an neuen Geldflüssen für ländliche Regionen resul-        lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Definitio-
tieren: Vormals finanzschwache und abgehängte             nen und der Vielzahl an Initiativen und Akteuren
ländliche Kommunen und Regionen werden so zu              nicht exakt bestimmen. Auch existiert derzeit keine
Wertschöpfungsinseln, die sich von Subventions-           zentrale bundesweite Erfassung von Bioenergiedör-
empfängern zu Nettozahlern entwickeln. Entspre-           fern. Fasst man sämtliche Quellen zu Aktivitäten im
chend gesteuert und organisiert kann dieses Geld          Bereich Bioenergiedörfer zusammen, beschäftigen
zum nachhaltigen Ökosystemschutz und neuen Ent-           sich aktuell mehr als 400 Dörfer und Gemeinden
wicklungschancen im ländlichen Raum führen.               mit Themen rund um die strategische Nutzung von
    Bioenergiedörfer sind dörfliche Gemeinden, in         Bioenergie – und es werden ständig mehr!
denen – zu Beginn der „Bewegung“ – der überwie-               Neue (Bio)Energiedörfer versuchen die be-
gende Teil der Strom- und Wärmeversorgung aus             schriebenen Chancen zu nutzen und gleichzeitig
Biomasse erfolgte [1]. Das Interdisziplinäre Zen-         den hohen Ansprüchen an eine nachhaltige Bewirt-
trum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Uni-          schaftung der neuen Ressourcen gerecht zu wer-
versität Göttingen hat im Jahr 1999 die Idee des          den. Dabei tritt die Rolle der Biomasse mengenmä-

Li: Biomasse aus der Kulturlandschaft: z.B. Holz aus Durchforstungen – Re: Blühgemenge als Input für Biogasanlage
Bürgerdialog an einer Biogasanlage

ßig immer mehr in den Hintergrund und macht der             Mit den Veränderungen im Erneuerbare-Ener-
Solarenergie und der Windenergie Platz. Biomasse        gien-Gesetz (EEG) – zuletzt in der Novellierung
als wertvolle, ökologisch sehr sensible und letztlich   zum EEG 2017 – müssen sich Bioenergie-Projekte
als ökonomisch aufwändigste Ressource nimmt zu-         komplett neu orientieren: Die direkte Nutzung
nehmend eine eher strategische, wohl dosierte           von Windstrom, Solarstrom oder Biogasstrom
Funktion ein. Daher nutzt man am Institut für ange-     steht auf der Agenda einiger existierender (Bio)
wandtes Stoffstrommanagement (IfaS), das sich wis-      Energiedörfer, z. B. in der Gemeinde Feldheim in
senschaftlich u. a. mit dem Wandel in der Energie-      Brandenburg, und ist bei vielen anderen neuen
umwandlung befasst, eine neue Schreibweise und          Projekten wie beispielsweise im rheinland-pfälzi-
setzt den Begriff „(Bio)“ in Klammern, um die Be-       schen Gimbweiler (Versorgung der Pumpenener-
deutung der anderen erneuerbaren Energien in die-       gie des Nahwärmenetzes über Photovoltaik-Anla-
sen Kontext mit einzubeziehen.                          ge und Batterie) oder in der Gemeinde Meckenbach
                                                        (Stromversorgung des Dorfes durch Photovoltaik
                                                        und Batterie und Wärmeversorgung aus erneuer-
Säulen neuer (Bio)Energiedörfer                         baren Quellen) in Planung.
                                                             Ein Großteil der (Bio)Energiedörfer mit Biogas-
Die Entwicklung von (Bio)Energiedörfern erfordert       nutzung weist im Jahresmittel eine signifikante
weitsichtige, lokale und regionale Kooperationsmus-     Überproduktion von bis zu 60 Prozent Wärme auf.
ter zwischen Land- und Forstwirtschaft sowie Kom-       Für die effiziente und dezentrale Nutzung des Bio-
munen und Bürgerschaft. Klassische (Bio)Energie-        gases nimmt das Einbinden von Satelliten-Block-
dörfer nutzen bisher Biogasanlagen (etwa 80             heizkraftwerken (BHKWs) weiter zu. Satelliten-
Prozent) oder Holzhackschnitzelkesselanlagen            BHKWs sind ausgelagerte Blockheizkraftwerke, die
(etwa 60 Prozent) zur Wärmeversorgung, circa 40         über eine Gasleitung mit der Biogasanlage verbun-
Prozent aller (Bio)Energiedörfer wenden beide Tech-     den sind und bei einem Kunden, der zu weit ent-
nologien an. In diesem Fall wird die Biogastechnolo-    fernt für eine Warmwassernetzanbindung liegt,
gie zur Grundlastabdeckung des Wärmebedarfs ein-        platziert werden. Aktuell sind Satelliten-BHKWs
gesetzt. Bisher waren (Bio)Energiedörfer auf die        bei zehn Prozent der Biogasanlagen in (Bio)Ener-
Bereitstellung von erneuerbarer Wärme für den Ei-       giedörfern anzutreffen. Im Bereich der verwende-
genverbrauch fokussiert. Strom war lediglich in der     ten Substrate für Biogasanlagen dominieren nach
Bilanz ein Beitrag zur Energieversorgung des Dorfes.    wie vor Anlagen mit überwiegender Nutzung nach-

                                                                                                               17
KLIM A SC HUTZ & LÄ NDLIC HER RAU M

                                           (Bio)EnergieDorf

 Strom              Wärme               Effizienz       Landnutzung     Innovation         Soziale
 • Photo-           • Biogas            • Beratung      • Agroforst-    • mobile           Teilhabe
   voltaik          • Geo-              • Wärme-          systeme         Wärme-           • Teilhabe-
 • Wind               thermie             dämmung       • Mehr-           speicher           modelle
 • …                • Solar-            • Heizungs-       nutzungs-     • Aquakultur         Energie-
                      thermie             pumpen          konzepte      • Kühlung            versorgung
                    • Wärme-            • LED           • regionales                       • Finanzie-
                      pumpe             • Haushalts-      Kulturland-                        rungs-
                                          geräte          schaftsma-                         strukturen
                                                          nagement                         • Arbeits-
                                                                                             plätze

Säulen eines neuen (Bio)Energiedorfes

wachsender Rohstoffe und Reststoffnutzung, wie            Die optimierte Wärmenutzung ist ein essen-
Wirtschaftsdünger – alternative Anbaukonzepte          zieller Bestandteil zum Erreichen eines wirt-
bilden noch die Ausnahme. Holzhackschnitzel-           schaftlichen Betriebs von Biomasseanlagen mit
basierte Wärmenetze werden oftmals durch fossile       Kraft-Wärme-Kopplung. Einige der (Bio)Energie-
Spitzenlast-/Reservekessel ergänzt und sind beson-     dörfer weisen innovative Maßnahmen einer über
ders in waldreichen Regionen anzutreffen. Innova-      die Wohngebäudebeheizung hinausgehenden
tionen werden in diesem Bereich beispielsweise         Wärmenutzung auf. Im (Bio)Energiedorf Schkö-
durch biomassebasierte Kraft-Wärme-Kopplungs-          len (Thüringen) wird die Wärme der Biogasanla-
(KWK-)Anlagen mit Pellets oder Holzhackschnit-         ge beispielsweise erfolgreich zur Beheizung
zeln zur Grundlastabdeckung realisiert. Allerdings     einer Fischzuchtanlage eingesetzt. Die Wärme
ist deren Anteil an der Gesamtheit aller (Bio)Ener-    des ebenfalls vorhandenen Biomasseheizkraft-
giedörfer mit drei Prozent noch gering. Bei korrek-    werkes wird neben der Belieferung des Wärme-
ter Dimensionierung und Auswahl von geeigneten         netzes für eine Gewächshausanlage genutzt. Auf
Technologien kann im Vergleich zu einer reinen         diese Weise können über das Jahr 75 Prozent der
Holzhackschnitzelanlage die Wirtschaftlichkeit         erzeugten Kraftwerkswärme wirtschaftlich ge-
durch Einspeisetarife für Strom gesteigert werden.     nutzt werden.

                                                                        Typisch für waldreiche Gebiete:
                                                                        Nutzung von biogenen Festbrenn-
                                                                        stoffen, z. B. Holzhackschnitzel
(Bio)Energiedörfer und regionale Wertschöpfung

Rechtliche Organisationsformen                           als Gesellschafter an einer GmbH, Kommanditist in
                                                         einer GmbH & Co. KG und als Mitglied in einer
Die umfangreiche Logistik im Bereich Biomasse er-        Genossenschaft erfolgen. In einigen Bundesländern
fordert Investitionen und hohe Betriebsausgaben.         können Kommunen und kommunale Betriebe eine
Eine Vielfalt möglicher Organisationsformen wird         Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zur Projektumset-
bei der rechtlichen Umsetzung von (Bio)Energie-          zung gründen.
dörfern genutzt: Ein Engagement von Landwirten
zieht häufig die Gründung einer Gesellschaft bür-
gerlichen Rechts (GbR) oder einer Gesellschaft mit       Chancen für regionale Wertschöpfung
beschränkter Haftung (GmbH) nach sich, während           in ländlichen Räumen
Bürgerzusammenschlüsse in der Regel genossen-
schaftlich organisiert sind. Eine Gesellschaft mit be-   „Das Geld des Dorfes dem Dorfe“ forderte Fried-
schränkter Haftung & Compagnie Kommanditge-              rich Wilhelm Raiffeisen bereits vor 140 Jahren und
sellschaft (GmbH & Co. KG) eignet sich vor allem         zeigte damit ein grundlegendes Managementpro-
dann, wenn viele unterschiedliche Gesellschafter         blem der ländlichen Regionen auf. Deutschland
bzw. Gesellschaftsformen miteinander kombiniert          ist mit Ausnahme von Braunkohle und vor allem
werden sollen. Eine kommunale Beteiligung kann           der regenerativen Energieträger in hohem Maße

Schematische Darstellung neuer (Bio)Energiedörfer

                                                                                                               19
KLIM A SC HUTZ & LÄ NDLIC HER RAU M

     auf Importe angewiesen. Je nach Energieträger lie-      mehr Mittel für soziale Aufgaben aufzubringen.
     gen die Importquoten für Steinkohle, Erdöl, Erdgas      Rückläufige kommunale Einnahmen stehen steigen-
     und Uran zwischen 80 und 100 Prozent. Mit der           den Ausgaben gegenüber – und das vor dem Hinter-
     Einfuhr ist nicht nur eine wirtschaftliche Abhän-       grund steigender Verschuldung in vielen Orten.
     gigkeit von politisch oftmals instabilen Regionen           Verstärkt wird dieser Effekt durch eine nicht opti-
     verbunden, sondern es fließen auch erhebliche           male Nutzung lokaler Ressourcen, z. B. zur Energie-
     Geldmittel aus Deutschland ab: Bis zum Jahr 2030        bereitstellung. Eine Betrachtung der Stoff- und Ener-
     wird Deutschland für 2.000 Milliarden Euro fossi-       gieströme in ländlichen Räumen zeigt vielfach ein
     le Rohstoffe importieren [2]. Im Rahmen einer           ähnliches Bild: Die Dörfer und ländlichen Regionen
     sinnvollen Energiewende kann ein Großteil dieses        sind bei der Einfuhr von Energieträgern und Rohstof-
     Geldes in ländlichen Regionen für Zukunftsfähig-        fen zum Großteil auf externe, fossile Quellen ange-
     keit und Klimaschutz sorgen. Das Geld ist also da,      wiesen. Nur ein geringer Teil der Wertschöpfung fin-
     es wird nur falsch allokiert.                           det bei der (Energie-)Umwandlung in ländlichen
         Eine kleine, ländliche Gemeinde mit 300 Haus-       Räumen statt. Die vorhandenen Potenziale und Res-
     halten und 700 Einwohnern hat jährliche Strom- und      sourcen wie z. B. Biomasse (Grünschnitt, biogene
     Wärmekosten von über 600.000 Euro, die zudem            Reststoffe, land- und forstwirtschaftliche Rest- und
     von Jahr zu Jahr durchschnittlich zwischen vier und     Rohstoffe etc.) oder Wind- und Sonnenenergie wer-
     sieben Prozent ansteigen. Die verfügbaren Einkom-       den bisher zu wenig und zum Teil ineffizient genutzt.
     men der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner              Dadurch fließen große Mengen finanzieller Mittel aus
     steigen jedoch nicht im gleichen Maße an. Das Dorf      den ländlichen Regionen in Deutschland ab. Diese
     als Summe seiner Einwohner verliert also an Kauf-       Entwicklung wird durch steigende Energiepreise noch
     kraft, verbunden mit negativen Folgen für den Einzel-   weiter verstärkt. Hier ist ein Umdenken dringend er-
     handel, Dienstleistungen und Handwerk sowie das         forderlich. Über die intelligente In-Wertsetzung der
     kulturelle und soziale Leben. Gleichzeitig stehen die   vorhandenen kommunalen Potenziale, beispielswei-
     Kommunen vor der Herausforderung, zunehmend             se durch die Entwicklung zu einem (Bio)Energiedorf,

20
(Bio)Energiedörfer und regionale Wertschöpfung

können die Haushalte der Kommunen und der Bürge-       • mehr regionale Arbeit durch Wartungs- und
rinnen und Bürger entlastet und damit neue Spielräu-     Betriebsaufwand vor Ort;
me für die Daseinsvorsorge geschaffen werden.          • mehr Bewusstsein und Wahrnehmung der
Durch die Teilhabe der Einwohnerinnen und Einwoh-        eigenen Möglichkeiten und Abhängigkeiten.
ner an diesen Potenzialen wird die Kaufkraft in den
Regionen gesteigert und die regionale Wertschöpfung    Die regionalen Wertschöpfungseffekte sind die
erhöht. So können engagierte Dorfgemeinschaften,       Summe aller zusätzlichen Werte, die in einer
Kommunen und Regionen neue Alleinstellungsmerk-        Region entstehen. Diese Werte können ökono-
male erarbeiten und ihr Profil individuell schärfen.   misch, ökologisch und sozial verstanden wer-
    Durch die Analyse der regionalen Potenziale        den. Richtig und gemeinschaftlich organisiert
und die daraus resultierenden Investitionen in lo-     führt dies zu einer Renaissance und Erweiterung
kale (Bio)Energie-Projekte können in den Dörfern       der Kultur dörflichen Lebens mit zukunfts-
und Regionen neue ideelle und ökonomische              weisenden Perspektiven. So gewinnen ländliche
Werte entstehen:                                       Räume an Attraktivität und werden zu einer
                                                       nachhaltigen Alternative gegenüber Ballungs-
• mehr Klima- und Umweltschutz durch reduzier-         räumen.
  te Emissionen und vielfältigere Landnutzung;
• mehr Versorgungssicherheit und weniger Im-
  portabhängigkeit durch die Aktivierung lokaler       Fördermöglichkeiten nutzen
  Ressourcen;
• mehr Kooperation und weniger Politikverdros-         Für das Projekt „150 Smart Villages“ des Landes
  senheit durch die Aktivierung vieler Bürgerin-       Rheinland Pfalz, einer neuen Form der (Bio)Ener-
  nen und Bürger;                                      giedorfentwicklung, lassen sich auf dieser Basis
• mehr Kaufkraft durch reduzierten Bezug fossi-        für einen „worst case“ und einen „best case“
  ler Energieträger und unternehmerischer Ge-          Investitionen in Höhe von 265 Millionen bis
  winne aus dem Betrieb eigener Anlagen zur            2,1 Milliarden Euro auslösen. Die regionale Wert-
  Strom- und Wärmeerzeugung (Teilhabe);                schöpfung läge danach zwischen 240 Millionen
• mehr Innovation durch Technologien wie Wär-          und 1,5 Milliarden Euro in zehn Jahren. Auch für
  menetze, Stromnetze und Speicher;                    den Klimaschutz lassen sich durch eine solche

Li: Abfluss finanzieller Mittel bei ungenutzten regionalen Potenzialen
Re: Investition in eigene Potenziale im Rahmen eines Stoffstrommanagements

                                                                                                           21
KLIM A SC HUTZ & LÄ NDLIC HER RAU M

     Entwicklung positive Effekte generieren, und zwar     Zukunft der (Bio)Energiedörfer
     in Form einer Vermeidung von CO2-Emissionen in
     Höhe von 122.000–692.000 Tonnen pro Jahr. Das         Seit den ersten (Bio)Energiedörfern haben umfas-
     – vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeri-     sende Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren
     um geförderte – Projekt hatte innerhalb von zwölf     Energien stattgefunden: Über 7.000 Biogas-, 20.000
     Monaten 90 konkrete Interessensbekundungen            Windkraft- und weit über eine Million Photovol-
     von Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz erwirkt.         taik-Anlagen haben den ländlichen Raum sichtbar
     Davon sind ca. 32 über Quartierskonzepte der          verändert. Hunderttausende Bürgerinnen und Bür-
     Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in die kon-      ger besitzen Anlagen zur Nutzung regenerativer
     krete Planung eingestiegen. „Smart Villages“ sind     Energien oder sind finanziell an solchen Anlagen
     eine Weiterentwicklung von (Bio)Energiedörfern.       beteiligt. Auf der anderen Seite fragen sich mehr
     Neben den klassischen Energiethemen spielen           und mehr Menschen, wie viele solcher Anlagen
     Breitbandanschluss, E-Mobilität und nachhaltige       möglich sind, ohne die ländliche Kultur und insbe-
     Landnutzung eine Rolle. In der Folge hat das Land     sondere Natur zu stören: Wie viele Anlagen lassen
     Rheinland-Pfalz ein eigenes Förderprogramm zur        sich realisieren, ohne die Versorgung mit Nahrungs-
     Unterstützung der Kommunen bei der Quar-              mitteln in Frage zu stellen? Wie viele Baumaßnah-
     tiersentwicklung und beim Umsetzungsmanage-           men und Hochleistungsmonokulturen, wie z. B.
     ment aufgelegt.                                       Mais und Raps, vertragen sich mit der Umwelt,
         Ein weiterer sinnvoller Ansatz ist das Einwer-    ohne so wichtige Aspekte wie Trinkwassergewin-
     ben und die zweckmäßige Verwendung von Agrar-         nung, Boden- und Erosionsschutz oder die Biodi-
     fördermitteln. Im Rahmen der ersten Säule der Ge-     versität zu gefährden? Viele Bedenken der Bürgerin-
     meinschaftsaufgabe Agrarpolitik (GAP) werden          nen und Bürger zur ländlichen Energiewende sind
     jährlich 1,1 Milliarden Euro für die deutsche Land-   berechtigt und müssen sorgsam bedacht werden. Es
     wirtschaft zur Verfügung gestellt, um sogenannte      gibt allerdings auch eine breite, leider häufig von
     „Greening“-Maßnahmen, u. a. zum Erhalt von            Egoismen geprägte „NIMBY-Bewegung“ („Not-in-
     Dauergrünland als wichtigem CO2-Speicher,             My-Back-Yard“), die es zunehmend schwerer
     durchzuführen. Würden diese Maßnahmen bei-            macht, notwendige und sinnvolle Maßnahmen im
     spielsweise in Form von Agroforstsystemen (z. B.      ländlichen Raum durchzusetzen.
     Feldhecken) auf drei Prozent der deutschen Acker-         Die (Bio)Energiedörfer der Zukunft müssen
     flächen durchgeführt, wären lediglich 13 Prozent      sich diesen Problemen und Diskussionen stellen
     der jährlichen GAP-Fördermittel nötig, um mit den     und tragfähige Lösungen erarbeiten. Einige der
     daraus resultierenden Energieäquivalenten 3.600       wichtigsten Herausforderungen und Handlungs-
     neue (Bio)Energiedörfer zu versorgen [3].             felder werden nachfolgend beschrieben:

                                                           • Langfristig bezahlbare Energie für Bürgerinnen
       Tabellarischer Exkurs:                                und Bürger ist für viele Akteure in (Bio)Energie-
       Regionale Wertschöpfung und nachhaltige               dörfern ein – wenn nicht das – zentrale Thema
       Landnutzung durch intelligente Nutzung der            zur Beteiligung an Projekten. Lokale und re-
       europäischen Agrarförderung (GAP)                     gionale Wertschöpfungspotenziale müssen mit
                                                             neuen Einkommensquellen und Arbeitsplätzen
       • 360.000 Hektar neue Energiehecken                   erweitert werden.
       • 216.000 Tonnen Heizöl pro Jahr                    • Ohne attraktive Formen der Beteiligung wird es
       • 144 Mio. Euro pro Jahr Investition von              keine breite Unterstützung der Bevölkerung für
         GAP-Mitteln                                         die neuen Technologien und die damit indi-
       • 2,9 Mrd. Euro in 20 Jahren                          viduell verbundenen Belastungen geben. (Bio)
       • ca. 2,5 Mill. Euro Investition pro Energiedorf      Energiedörfer bieten verschiedene Möglich-
       • ca. 8 Mrd. Euro Investitionen in 3.600 (Bio)        keiten der Teilhabe an: Dazu zählen günstige
         Energiedörfern                                      Wärmepreise, Beteiligung an Vermögen, Ein-
       • ca. 10 Mrd. Euro Wertschöpfung (20 Jahre)           kommen und Arbeitsplätzen, Mitbestimmung,
                                                             kulturelle Leistungen und Bildungsangebote.

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