Musik hilft Musik-Landesmusikrat Rheinland-Pfalz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
=Mitteilungen 03/2021 Musik hilft Musik – Solidarität der Musik für Flutopfer Die Flutkatastrophe entlang der Ahr und in der Region hat eine unbeschreibliche Zerstörung angerichtet und viele Todesopfer gefordert. Während in einem ersten Schritt Soforthilfen für den Wiederaufbau von Wohnungen und der notwendigen Infrastruktur eingesetzt werden, richtet die vom Landesmusikrat Rheinland-Pfalz entwickelte Spenden-Sammelaktion „Musik hilft Musik – Fluthilfe Rheinland-Pfalz“ den Fokus auf betroffene Musikschulen, Musikvereinigungen und -initiativen, Akteure der freien Szene sowie Spielstätten. Denn sobald die essentiellen Lebensgrundlagen wiederhergestellt sind, ist es genauso wichtig, auch die musikkulturelle Infrastruktur wiederherzustellen und damit Möglichkeiten des Zusammenmusizierens und Zusammenlebens zu ermöglichen. D er Landesmusikrat rief bereits Ende Juli gemeinsam mit seinen Mit- gliedsverbänden alle Musikvereini- gungen und -initiativen, Veranstaltende, Musikschulen und viele mehr dazu auf, Benefizkonzerte oder andere Aktionen durchzuführen und für die Sammelaktion „Musik hilft Musik“ an den Landesmusik- Foto © picture alliance / SZ Photo / Rainer Unkel rat als Koordinationsstelle zu überweisen. Und dieser Aufruf fiel auf fruchtbaren Bo- den. Zahlreiche Benefizkonzerte und -akti- onen in Rheinland-Pfalz fanden statt. Bei Konzerten der LandesJugendEnsembles wurden weitere Spendengelder eingesam- melt und auch viele Vereine und private Spenderinnen und Spender unterstützen die Aktion. Fortsetzung auf Seite 3 S. 32 S. 16 LandesJugendEnsembles Das aktuelle Interview musizieren gemeinsam für mit dem Mainzer den Frieden Bischof Peter Kohlgraf 1
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, nem Alleinstellungsmerkmal sprechen. Nicht nur die hochkarätigen Konzertreihen in Ludwigshafen zeugen davon, die ganze Rhein-Neckar-Region pro- Corona ist noch immer ein zentrales Thema in der fitiert von der großzügigen kulturellen Förderung Gesellschaft und natürlich auch in der Kultur. Aber durch die BASF. Dafür gebührt dem Unternehmen wir durften im Sommer durch erhebliche Locke- Dank und Anerkennung. rungen in den Corona-Bekämpfungsverordnungen Das Instrument des Jahres, die Orgel, ist auch in erleben, wie das Musikleben wieder zu blühen be- diesem Heft mehrfach Thema. Mit der Vorstellung ginnt. Ein großes Glück, eine Freude, die hoffentlich von exponierten Instrumenten im Land, diesmal in auch durch eine mögliche vierte Welle im nahen- Koblenz und Niederehe, setzen wir unseren Zyklus den Winter bestehen bleiben. Deshalb noch mal ein fort. Die Orgelstreiflichter sind ein buntes Kaleido- leidenschaftliches Plädoyer für die Impfung; nur skop zum Thema und unser obligatorisches Inter- bei einer hohen Impfquote kann sich das gesell- view führten wir diesmal mit dem Mainzer Bischof schaftliche Leben wieder völlig normalisieren. Peter Kohlgraf, einem leidenschaftlichen und sehr „Musik hilft Musik“ – das ist die Botschaft, die der Landesmu- begabten Orgelspieler und -fachmann. sikrat seit Ende Juli aussendet, um durch Spenden den Musik- Und auch in diesem Heft Nachrichten und Meldungen aus dem vereinen, Chören, Musikschulen und freien Musikerinnen und LMR: Über personelle Veränderungen in der Geschäftsstelle, über Musikern im Ahrtal zu helfen. Die Flutkatastrophe im Juli hat gi- das Bundespreisträgerkonzert „Jugend musiziert“ und natürlich gantische Zerstörung und unvorstellbares Leid über die Bevölke- ausführliche Berichte über die Sommerarbeitsphasen und Kon- rung in dieser wunderschönen Region gebracht. Mehr als hundert zerte unserer fünf LandesJugendEnsembles. Es waren großartige Menschen mussten ihr Leben lassen und Tausende Häuser wur- Ergebnisse zu bestaunen nach eineinhalb Jahren erzwungener den beschädigt oder zerstört. Wir wollen durch unsere Spenden- Pause quasi ein Neubeginn. Überall Freude pur und ein überwäl- aktion bei der Wiederherstellung der musikalischen Infrastruktur tigendes Engagement. mit Zuschüssen behilflich sein, z.B. bei der Reparatur oder Wieder- Der musikpolitische Kommentar, ein Verbandsportrait und ein beschaffung von beschädigten oder zerstörten Instrumenten, bei Orchesterportrait runden das breite inhaltliche Spektrum dieses überschwemmten Notenarchiven oder der Instandsetzung von Hefts ab. Vereinsheimen. Bislang konnten wir mehr als 80.000 Euro ein- Wir hoffen auf Ihr Interesse und Freude beim Lesen sammeln und danken für die große solidarische Hilfsbereitschaft. Mehr dazu in unserem Titelthema. Ihr Wir blicken auf das hundertjährige Bestehen des BASF-Kultur- managements. Hinter dem eher technokratischen Titel verbirgt sich ein einzigartiges Kulturfördersystem, das seit 100 Jahren besteht. Es kommt nicht sehr häufig vor, dass große Industrie- konzerne die Kultur substanziell jährlich mit Millionensummen fördern – aber wenn dies der Fall ist, darf man zu Recht von ei- Peter Stieber In dieser Ausgabe Landesmusikrat Chor Jazz/Rock/Pop 1 Musik hilft Musik 23 Bundesjugendchor begeistert 36 Ländernetzwerk musicRLPwomen* 4 Großartiges Finale von „Jugend musiziert“ Orchester Spezial 6 Orgeln in Rheinland-Pfalz 24 Das Kreisorchester – ein Plädoyer 38 100& – Jubiläumssaison des 10 Streiflichter zum Instrument des BASF-Kulturengagements Jahres 2021 JugendEnsembles Zum Schluss 12 Nachrichten von der 26 LJC: Ein Chorprojekt im Zeichen der Landesmusikakademie Hoffnung 40 Bündnis für Gemeinnützigkeit 14 Der musikpolitische Kommentar 28 LJO: Jugendliche Spielfreude und von Peter Stieber musikalische Reife Rubriken 16 Das aktuelle Interview mit Bischof 30 JENM: Festival Neue Musik in 2 Editorial Kohlgraf Rockenhausen 35 Termine 20 Porträt Mitgliedsverbände: 32 Phoenix Foundation/LJC: 40 Impressum Landesverband Ev. Posaunenchöre „Verley uns Frieden” in der Pfalz 34 LJBO: Begegnung im Zeichen von 22 Personalwechsel in der LMR- Vielseitigkeit und Hoffnung Geschäftsstelle 2
Landesmusikrat Blick in den zerstörten Proberaum des Fördervereins Kirchenmusik in Bad Neuanahr Fortsetzung von Seite 1 Auch außerhalb nen stellen einen Antrag beim Landesmu- um alle Schäden auffangen zu können. der rheinland-pfälzischen Landesgren- sikrat, verbunden mit einer Begründung Deshalb begrüßt der Landesmusikrat die zen ist ein großer solidarischer Gedanke der Notwendigkeit der Unterstützung. Aussicht, dass geschädigte Musikvereini- spürbar. So fand beispielsweise ein ge- In einer ersten Ausschüttungsrunde gungen nach Möglichkeit aus dem Fluthil- meinsames Konzert unterschiedlicher wurden mehr als 30.000 Euro an die An- fefonds des Bundes Hilfen erhalten sollen. Amateurorchester auf dem Gelände des tragstellerinnen und Antragsteller aus- EE saarländischen Weltkulturerbes „Völklin- geschüttet. Dabei wurde in einem kom- ger Hütte“ statt. Mehr als 7.000 Euro konn- plizierten Bewertungsverfahren eine ten alleine bei diesem Konzert gesammelt größtmögliche Gerechtigkeit erzielt, in der werden. Auch das von vorrangig Maßnahmen Spenden-Sammelaktion der Jahrhundertflut im der Jugendförderung, Der Landesmusikrat und seine ihm ange- Jahr 2002 stark betrof- Spendenbereitschaft mit zweiter Priorität schlossenen Verbände rufen weiterhin zu fene Sachsen solidari- Eingenommene Spenden zum Maßnahmen in direk- Spendenaktionen in Form von Benefiz- sierte sich mit den not- Redaktionsschluss: tem Zusammenhang konzerten und anderen Sammelaktionen leidenden Regionen in 80.834,83 Euro der musikalischen Aus- auf. Rheinland-Pfalz. Neben Vorliegende Schadenssummen übung stehen und mit Spenden können auf folgendes Konto einer Unterstützung aus eingegangenen Anträgen: nachgeordneter Priori- überwiesen werden, die Ausstellung einer durch den Sächsischen tät alle weiteren Maß- Spendenquittung ist möglich: 453.926,88 Euro Musikrat sammelte nahmen bezuschusst Kontoinhaber: auch die Chursächsische wurden. Außerdem Landesmusikrat Rheinland-Pfalz Veranstaltungs-GmbH wurde eine maxima- IBAN: in Bad Elster Gelder für le Zuschuss-Summe in DE73 5505 0120 0100 0453 76 die Aktion. Ebenfalls im Höhe von 5.000 Euro Verwendungszweck: Nachbarland Baden- festgelegt, um mög- Flutopfer Soforthilfe Württemberg wurden lichst breitgefächert www.paypal.me/landesmusikrat Spenden eingereicht. helfen zu können. Diese eingesammel- Die zweite Ausschüt- oder diesen QR-Code: ten Gelder werden an tungsrunde steht bevor geschädigte Musikvereinigungen und und hier wird neuen Antragsstellenden -initiativen, Musikschulen, Akteurinnen auf gleiche Weise geholfen, wie den bereits und Akteure der freien Szene und weitere Begünstigten geholfen werden konnte. Bereiche der musikalischen Infrastruktur Dennoch steht schon jetzt fest, dass die weitergeleitet. Die von der Flut Betroffe- große Solidarität nicht ausreichen wird, 3
Landesmusikrat Die Teilnehmenden des ersten Preisträgerkonzerts im SWR Sendesaal Kaiserslautern – allesamt mit einem ersten Bundespreis ausgezeichnet. Großartiges Finale von „Jugend musiziert“ Als Abschluss des „Jugend musiziert“-Wettbewerbsjahres kamen in der zweiten Jahreshälfte die größeren Ensembles sowie die neue Kategorie „Jumu open“ zum Zug. Am Samstag, den 31. Juli 2021, fand der rheinland-pfälzische Landesentscheid in den Kategorien „Schlagzeug-Ensemble“, „Besondere Ensembles mit Werken der Klassik, Romantik, Spätromantik und Klassischen Moderne“ sowie „Jumu open“ als Videowettbewerb statt. D rei Ensembles aus Rheinland-Pfalz wurden Mühlnickel, Catharina Hente, Clara Wirth, Marlene Ju, beim Bundeswettbewerb, der als Präsenzwett- Constantin Sold, Johannes Gimm und Björn Gard und bewerb vom 9. bis 12. September 2021 in der sicherten sich so mit 24 Punkten sogar einen 1. Bun- Hansestadt Bremen ausgetragen wurde, Preise verlie- despreis. hen. Das Schlagzeug-Ensemble mit Maximilian Irle, Die Ausschreibung definiert die neu ins Leben ge- Fabian Kurtz und Constantin Glombeck erhielt einen rufene Kategorie „Jumu open“ wie folgt: „In dieser 3. Bundespreis. In der ungewöhnlichen Besetzung ei- neuen freien Kategorie sind alle Instrumente und nes Holzbläsernonetts erreichten Silke Becker, Clara Performances möglich, die durch bisherige „Jugend Wagner, Lena Terhorst, Viola Weiskopf, Timon musiziert“-Kategorien nicht abgedeckt sind.“ Carina Stemberg, Karlsson Schick, Louisa Zimmert verstand es, die Möglich- Sieveke, Noah Plum und Leonie keiten und Potenziale der Wer- Fischer einen hervorragenden tungskategorie auf eindrucksvolle 2. Bundespreis. Mit dem be- Weise auszuloten. Mit der Darbie- rühmten und höchst anspruchs- tung zweier Eigenkompositionen, vollen Streichoktett von Felix „Grooving Loops“ und „Rhythms of Mendelssohn Bartholdy brillierten Fascination“ zeigte sie ihr instru- Kim-Chi Vanessa Stutzinger, Emma mentales Können am Schlagzeug 4
Landesmusikrat Die Blockflötistin Louisa Sieveke Der Tubist Die SWR 2-Musikredak teurin Sabine Frederick Fallenstein führte gew ohnt souverän Punstein durch das Konzertprogr amm. sowie ihre Kreativität bei der Konzeption von Perfor- (Klarinette), Louisa Sieveke (Blockflöte), Stephan Kö- mances. Sie erhielt eine Nominierung zur Teilnahme nig (Gitarre), Leo Bosch (Trompete), Jette Just (Fagott), am Wochenende der Sonderpreise (WESPE), welches Cosima Pietraß (Querflöte) und Frederick Punstein am 18. und 19. September 2021 in Regensburg statt- (Tuba), die allesamt mit ersten Preisen beim Bun- fand, und erspielte sich einen Sonderpreis. deswettbewerb Teil 1 im Mai ausgezeichnet wurden, Wie in jedem Jahr bot und bietet sich den war ein abwechslungsreiches Programm garantiert, Bundespreisträger*innen auch in diesem Jahr die Ge- das die ganze Bandbreite musikalischer Begabung in legenheit, Auszüge aus dem Wettbewerbsprogramm Rheinland-Pfalz abbildete. im Rahmen der Bundespreisträgerkonzerte öffentlich Die Ensemble- und „Jumu open“-Teilnehmenden zu präsentieren. Das erste Bundespreisträgerkonzert der September-Bundesentscheide konzertieren am fand am 12.09.2021 in Kooperation mit SWR 2 und dem Sonntag, den 31.10.2021, um 11.00 Uhr beim 2. Bun- Sparkassenverband Rheinland-Pfalz erstmals im SWR despreisträgerkonzert. Das Konzert findet im Gesell- Sendesaal Kaiserslautern statt. Mit Charlotte Dohr schaftshaus der BASF Ludwigshafen statt. CK Online-Musical für Kinder – neue kreative Formate D ie Konzertorganistin Ca- shop „Bastel-Atelier“ mit Hilfe rolin Kaiser hat in die- von Anleitungsvideos selbst sem Jahr im Rahmen angefertigt. Die eigens für das ihres Arbeitsschwerpunktes Musical komponierten Lieder Musikvermittlung ein Online- werden inklusive kleiner Spiele Musical für Kinder aus Mainz und Bewegungen gemeinsam ins Leben gerufen. eingeübt; Kinder mit solisti- Beteiligt sind mehr als 20 schen Rollen bekommen Ein- Kinder im Kindergarten- und zelcoachings. Grundschulalter, die spiele- Der Inhalt der Geschichte risch ihre musikalische Erleb- möchte Kindern die Instru- nis- und Ausdrucksfähigkeit mentengruppen näherbringen. entwickeln, gezielte Förderung Celina, die kleine Maus, kommt auf ihrem Instrument bekom- zum ersten Mal in ihrem Leben men und kreativ angeleitet aus ihrem Bau heraus und trifft werden zu Improvisationen. Je- einen Specht, der Blockflöte des Kind kann auf seine Weise spielt. Gemeinsam verteilen teilhaben – manche beteiligen sie ein Einladungsschreiben sich mit ihrem Instrument, für das große Waldkonzert am andere mit Body-Percussion, Abend von Ulla, der Eule. Auf Neben der puren Freude Zusammenschnitt aus allen Sprecherrollen oder mit krea- ihrer Tour treffen sie Frösche, an der gemeinsamen kreati- eingereichten Ton- und Video- tiven Hintergrundgeräuschen. die Gitarre spielen, eine Brat- ven Entstehungsprozess wird aufnahmen, den gebastelten Auch die Requisiten und In- sche, Klavier-Mäuse und viele auch ganz konkret auf ein Ziel Requisiten, Tänzen, und vielem strumente werden im Work- mehr. hingearbeitet: ein Film bzw. mehr. 5
Landesmusikrat „Auf anmuthigen Klangreisen“ – die kleine Königin in als St. Leodegar älteste spielbare Orgel in Rheinland-Pfalz Ein Gastbeitrag von Dr. Kai Becker, organisatorischer Leiter der Niedereher Konzertreihe Die Orgel wurde 1715 als Erstlingswerk Anhand der originalen Prospektpfeifen des berühmten „Orglmachers“ gebaut. Sie konnten die ursprüngliche „König-Tempe- ist auch das einzige durch Inschrift am Ge- ratur“ und die Stimmtonhöhe a’ mit 421 Orgeln häuse belegte Werk dieses Meisters. Das Werk verfügte ursprünglich über neun Herz bei 15,3°C rekonstruiert werden. Die Windanlage mit zwei übereinander lie- in Rheinland- Register auf einem Manual mit 49 Tasten genden Keilbälgen kann in historischer Pfalz sowie über ein angehängtes Pedal von 13 Manier mecha- Tasten. Balthasar König verstand es, die nisch betätigt verschiedenen Stilrichtungen zu vereinen. ursprüngliche werden; zu- Süddeutsche, französische, rheinische und „König-Temperatur“ sätzlich besitzt niederländische Traditionen wusste er rekonstruiert die Orgel heute geschickt zu einem erstaunlichen Klang- auch ein elekt- reichtum zu verbinden. Vor allem die Terz- risches Geblä- Orgeln in Rheinland-Pfalz register Solcena und Cornet sowie Trompet se. In der Orgel erklingen insgesamt 702 Auch in dieser Novelletto-Ausgabe und Mixtur geben dem Instrument ihre Pfeifen (566 Metallpfeifen, 74 Holzpfeifen, stellen wir zwei besondere Orgeln besondere Note. 62 Zungenpfeifen). des Landes vor, die unterschiedlicher Wie kein anderes der späteren König- Nach zahlreichen Umbauten, Erwei- kaum sein könnten: zum einen die Werke hat diese Orgel die Wirren und Mo- terungen und Entfernen vieler Original- älteste spielbare (Barock-)Orgel in dernisierungen der Jahrhunderte überdau- register im Laufe der Jahre litt die Orgel St. Leodegar (Niederehe/Eifel) von ert. Gehäuse, Windlade, Registertraktur schließlich immer mehr an Altersschwä- 1715; zum anderen die bis vor Kurzem und Spieltraktur (bis auf die Klaviatur) ge- che. Die Erkenntnis, welch ungehobenen größte Konzertorgel des Landes, die hören zum Originalbestand. Schatz man hier vor sich hatte, machten in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz steht. St. Leodegar in Niederehe (Eifel) D ie Orgel von Sankt Leodegar ist nicht nur die älteste erhaltene und spiel- bare Orgel in Rheinland-Pfalz, son- dern sie ist auch das erste Werk des später weltberühmten Balthasar König aus Müns- tereifel (1684-1756). Mit seinem Bau vor gut dreihundert Jahren vollzog der gebürtige Ingolstädter im Eifeldorf Niederehe die Verknüpfung süddeutscher Orgeltradition mit der des Rheinlandes, in dem achthun- dert Jahre zuvor, im Aachener Münster, die erste aller Orgeln auf deutschem Boden aufgestellt worden war. Seitdem hat die Kirche Sankt Leodegar mitten in der Eifel eine kleine, einmalige Kostbarkeit und Pflegestätte von Orgel- und Kirchenmusik. Die Konzerte ziehen seit Jahren Musikbegeisterte aus einem weiten Umkreis an. 6
Landesmusikrat eine Restauration und Rekonstruierung drei vorhandenen Originalregistern lie- besonders die Darstellung französischer im Sinne der Denkmalpflege erforderlich. ßen sich die ursprünglichen Mensuren und süddeutscher Barockliteratur in au- Diese ist im Wesentlichen der Initiative herleiten. Aufgrund der Bohrungen auf thentischer Weise. Die Vervollständigung des Heilpraktikers und Organisten Klaus der Windlade konnte die ursprüngliche und Vergoldung des schönen Schnitzwer- Kemp zu verdanken, der die Kosten ermit- Disposition ermittelt kes am Orgelprospekt hat der Bildhauer telte, Patenschaften für die Orgelpfeifen werden. Reste der Christoph Fischbach mit großem künstle- initiierte, ein Fest unter dem Motto „Hast Großteil des Registerschildchen rischen Können ausgeführt. du Töne?!“ organisierte und so die Orgel Pfeifenwerkes stützten den Befund. Die Balthasar-König-Orgel ist nun wie- zum Thema Nummer eins im Dorf und in musste Ein Großteil des Pfei- der klingendes und sichtbares Zeugnis der Umgebung machte. rekonstruiert fenwerkes musste an- einer Kulturlandschaft, die lange Zeit zu In einer beispiellosen Kraftanstrengung hand der erhaltenen Unrecht als preußisches Sibirien angese- gelang es ihm und engagierten Niedereher werden Pfeifen rekonstruiert hen wurde. Diese sowie die ebenfalls von Bürgern, die Orgel vollständig in den Ori- werden. Die Pedalla- Hubert Fasen restaurierte und rekonstru- ginalzustand von 1714 zurückzuversetzen. de von 1868 wurde als historisch gewach- ierte König-Orgel von 1738 in Beilstein an Gutachten von Orgelsachverständigen sene Substanz betrachtet und beibehalten. der Mosel sind die einzigen Instrumente und Denkmalpflegern gaben die Richtli- Besonders arbeitsintensiv war die Into- dieses berühmten Orgelbauers, die heute nien, nach denen der Auftrag an den Or- nation der über siebenhundert Pfeifen, die wieder mit der originalen – mitteltönigen gelbaumeister Hubert Fasen aus Oberbet- – anders als bei modernen Orgeln – eine – Temperatur und Stimmung der Erbau- tingen vergeben wurde, der in den Jahren eigene „Temperatur“ (also eine modifiziert ungszeit zu hören sind. 1997/98 die Orgel vollständig restaurierte mitteltönige Stimmung) mit besonders Viermal im Jahr finden die „Niedereher und rekonstruierte. wohlklingenden Quinten und Terzen er- Orgelkonzerte“ mit namhaften Organisten Dazu wurde die Orgel komplett zerlegt, hielten, sodass Tonarten mit wenigen Vor- und Organistinnen aus dem In- und Aus- inventarisiert und in der Werkstatt Schritt zeichen besonders rein klingen. Die Dis- land statt, die Musikbegeisterte aus einem für Schritt wieder aufgebaut. Anhand von position und die Temperatur ermöglichen weiten Umkreis nach Niederehe führen. 7
Landesmusikrat Die Saalorgel der Rhein- Eine der größten Profanorgeln Deutschlands D ie 1963 von der Firma Kemper aus „in die Jahre gekommen“. Zusätzlich kam Orgeln Lübeck errichtete Orgel war bis vor wenigen Jahren die größte Profanor- es in der Vergangenheit durch die Auslö- sung der Sprinkleranlage zu erheblichen in Rheinland- gel – also nicht-kirchliche Orgel – Deutsch- Schäden mit Wassereinbruch in der Orgel, Pfalz lands und stellt somit ein oft unterschätz- was in den Jahren 2010 bis 2014 eine um- tes Highlight der Rhein-Mosel-Halle dar. fängliche Sanierung notwendig machte. Ihr damaliger Anschaffungswert lag bei Zahlreiche Einzelteile, die noch aus den etwa 350.000 D-Mark – ein gleicher Bau 60er Jahren stammten, mussten demon- wäre heutzutage sicherlich ein Millionen- tiert, gereinigt und restauriert werden Euro-Projekt. Aber auch dieses Instrument – angesichts der Größe der Orgel und der hat seine Geschichte und ist inzwischen notwendigen präzisen Handfertigkeit mit 8
Landesmusikrat Fotos © Koblenz Touristik GmbH Foto © T. Frey der Dichtungsleisten sowie die Erneue- ein BUS-System – also über ein Netzwerk- -Mosel-Halle rung der Relaisbälgchen. kabel – digital an die Orgel. Durch den Nun erstrahlt die Kemper-Orgel also in Einbau einer Setzerkombination können neuem Glanz und garantiert in Verbin- Vorregistrierungen übernommen werden; dung mit der überragenden Akustik des hierdurch können 40.000 Kombinationen Großen Saals einen ganz besonderen Hör- vorkonfiguriert werden. genuss. Die insgesamt 5676 Pfeifen, ver- Die Kemper-Orgel wird nun regelmäßig teilt auf vier Klaviaturen und Pedal bei 71 in Konzerten zu hören sein, um den ko- den vielen nur zentimetergroßen Bestand- Registern, sind links und rechts der Bühne lossalen Raumklang dieses speziellen Ins- teilen eine Mammutaufgabe, die die Firma verteilt und erstrecken sich ohne Gehäu- truments in den Ohren der Musikfreunde Hugo Meyer Orgel GmbH aus dem saarlän- se bis sechs Meter in die Höhe. Die Holz- zu etablieren. Dabei werden in exklusiven dischen Heusweiler zu bewältigen hatte. pfeifen sind aus Mahagoniholz gefertigt, Konzertformaten die Sitzplätze teilwei- In den Jahren 2013 und 2014 folgte dann ansonsten besteht das Pfeifenmaterial se um den mobilen Spieltisch gruppiert, der Wiedereinbau und die Intonation mit überwiegend aus Zinn-Blei-Legierungen was die Besucher auf eine ganz neue Art anschließendem Orgelfest und -konzert und insbesondere die Prospektpfeifen aus und Weise in ihren Bann zieht. So kommt zusammen mit der Rheinischen Philhar- Kupferlegierungen. Sie werden von einem das Publikum in den Genuss, hautnah die monie. Weitere notwendige Arbeiten fie- mobilen Spieltisch aus bespielt, der eben- Bedienung dieser mächtigen Orgel mitzu- len in die Corona-Zwangspause im Jahr falls grundlegend überarbeitet wurde. Die erleben, und wird in eine Klangfülle ent- 2020, z.B. der Ausbau und Neubelederung Anbindung des Spieltisches erfolgt über führt, die direkter nicht sein kann. SM 9
Landesmusikrat Streiflichter zum Instrument des Jahres 2021 Mit einer „Tastenbrise“ durch den Sommer Die Medienabteilungen des Bistums Mainz präsentierten ei- nen sommerlichen Schwerpunkt rund um die Königin der Inst- rumente; u.a. ein Orgel-Quiz, bei dem in wöchentlichem Abstand Orgelstücke aus den Bereichen Rock, Pop und Jazz auf der Face- book-Seite des Bistums veröffentlicht wurden und zwei Stunden später die Lösung. Außerdem ein Beitrag über „Orgel-Recycling“ anhand des Beispiels der „neuen“ Orgel in St. Petrus Canisius in Mainz-Gonsenheim, die ursprünglich aus Fulda stammt. Virtuelle Besichtigungen waren ebenfalls Teil des Programms: Die ehema- lige ZDF-Nachrichtenredakteurin Petra Gerster gab eine Führung zur Orgel im Wormser Dom, und die Orgel St. Bonifatius in Gießen konnte via Google Street-View besichtigt werden. Auch die Main- zer Domorgel durfte natürlich nicht fehlen: Ein Video demonst- Foto © A. Sell rierte anschaulich, wie die neuen Orgelpfeifen klanglich an den Kirchenraum angepasst werden. Orgelmusik in Zeiten von Corona Mainzer Orgelspaziergang Der Deutsche Musikrat führt in Zusammenarbeit mit der Am 14. November 2021 ab 13 Uhr veranstaltet der Landes- Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche musikrat in Kooperation mit den Mainzer Innenstadt-Ge- das Projekt „Orgelmusik in Zeiten von Corona“ durch. meinden einen gemeinsamen Orgeltag. Dieser beinhaltet Dafür haben 17 Komponistinnen und Komponisten jeweils Kurzkonzerte der Hausorganisten in den jeweiligen Kirchen ein Orgelwerk komponiert, welches sich mit der Corona-Zeit und gemeinsame „Wanderungen“ von einem Konzertort auseinandersetzt. Diese Werke sollen im Oktober und No- zum nächsten. Sobald das genaue Konzertprogramm fest- vember 2021 deutschlandweit an möglichst vielen Orgelorten steht, werden wir Sie auf unserer Homepage www.lmr-rp.de im Rahmen von Konzerten und Gottesdiensten aufgeführt informieren. werden. Der Deutsche Musikrat veröffentlicht die 17 Kompo- sitionen in einem Sammelband beim Carus-Verlag und stellt sie allen in Deutschland tätigen Organistinnen und Organis- ten kostenfrei zur Verfügung, wenn sie innerhalb des Projekts „Orgelmusik in Zeiten von Corona“ im Herbst 2021 in einem Konzert oder Gottesdienst Stücke aus dem Orgelbuch auffüh- ren. So wird das Musikleben aktiv befördert und die Zuhörer- schaft zu einer Auseinandersetzung mit den Pandemie-Er- fahrungen angeregt. Den Abschluss des Projekts bildet ein Finissage-Konzert am 21. November 2021, bei dem alle 17 Kom- positionen gemeinsam zur Aufführung kommen. Das Projekt Foto © A. Sell wird durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien gefördert; Aufführungstermine in Rheinland-Pfalz und ganz Deutschland finden Sie unter www.orgel-corona.de 10
Landesmusikrat „Klangliche Dreifaltigkeit“ im Mainzer Dom nimmt Form an Die erste Orgel der dreiteiligen Orgelanlage, die gerade im Main- zer Dom entsteht, wurde am 19. September 2021 an der Marien- kapelle gesegnet und durch Do- morganist Prof. Daniel Beckmann erstmals öffentlich zum Klingen gebracht. Mit dem Standort und dem transparenten Klang der neuen Orgel soll vor allem der Gemeindegesang profitieren, der aufgrund des sehr langen Nach- halls im Dom akustisch nicht ganz einfach zu begleiten war. Zur Finanzierung des Gesamt- projekts wirbt der Dombauverein Foto © D. Beckmann nach wie vor für Patenschaften Der Spieltisch der neuen für einzelne der insgesamt 14.625 Mainzer Domorgelanlage Orgelpfeifen. www.domorgel-mainz.de Jugend musiziert meets „ToccaTag“ Dank der Initiative der Evangelischen Kirche der Pfalz und des Bistums Foto © M. Pipprich Speyer war der ToccaTag am 29. August 2021 ein voller Erfolg: Bei insgesamt 113 Veranstaltungen (Gottesdiensten, Andachten, Matineen, Konzerten, Or- gelradtouren, -staffelläufen etc.) konnte man Johann Sebastian Bachs be- rühmtestes Orgelwerk original und in zahlreichen Bearbeitungen überall in der Pfalz erleben. Die Veranstaltungsorte reichten von A wie Altenkirchen bis Z wie Zweibrücken und erstreckten sich von Kirchheimbolanden im Norden über Frankenthal-Ludwigshafen-Speyer im Osten, Bundenthal im Süden bis nach St. Ingbert im Westen. Mit dabei waren auch zwei Bundespreisträger des diesjährigen Wettbe- werbs „Jugend musiziert“ aus Rheinland-Pfalz, Christina Nesemann und Thorsten Grasmück, die gemeinsam ein Orgelkonzert in der Marienkirche in Neustadt an der Weinstraße gestalteten – natürlich mit der berühmten Toc- cata neben ihrem eigentlichen Wettbewerbsprogramm. Orgel-CD mit Werken von Rinck erschienen Foto © Lorch Foto © privat Anlässlich des 250. Geburtstags des Kompo- nisten und Darmstädter Hoforganisten Christi- an Heinrich Rinck (1770-1846) haben Studieren- de und Lehrende der Abteilung Kirchenmusik der Hochschule für Musik Mainz mit einer Dop- pel-CD die einzigartige Klangwelt des Kom- ponisten im Spannungsfeld von liturgischer Strenge und fantasievoller Empfindsamkeit zum Leben erweckt. Dies geschah an der histo- rischen, frisch restaurierten Dreymann-Orgel in St. Ignaz, mitten in der Mainzer Altstadt (siehe Orgelporträt im Novelletto 2-2021), in Koopera- tion mit der Christian-Heinrich-Rinck-Gesell- schaft e.V. Darmstadt. Bei zahlreichen Werken handelt es sich um Ersteinspielungen. Die Dop- Christina Nesemann Thorsten Grasmück pel-CD erschien 2020 in Zusammenarbeit mit dem Label Coviello Classics. SM 11
Landesmusikrat Nachrichten von der Landesmusikakademie Die Bilanz eines kleinen Sommermärchens 35 Aufführungen, über 4.200 Zuhörende, mehr als 200 beteiligte Musikerinnen und Musiker und unzäh- lige schöne Momente – das ist die Bilanz der diesjäh- rigen Hofkonzerte des Akademiesommers des Landes- musikakademie. Für jedes einzelne Konzert musste der Hof vor dem Meisterhaus in eine Open-Air-Spiel- stätte verwandelt werden. Die einfachste Übung dabei war es, parkende Autos zu entfernen. Die leicht erhöh- te Rundung vor dem Eingang zum Meisterhaus wurde zur Bühne deklariert und das nötige Equipment von Notenpulten über Instrumente, Verstärker, Mikrofone und gegen Ende des Sommers auch Scheinwerfer und Strahler zur Ausleuchtung des Platzes installiert. Eine besondere Bedeutung erlangte dabei auch das 2016 angeschaffte Hybridklavier, das sich mit seiner Flügel- mechanik im Zusammenspiel mit einer sehr robusten digitalen Klangtechnik als idealer Begleiter für vie- le Programme erwies. Die Aufstellung der Stühle für das Publikum orientierte sich exakt an den eingegan- genen Reservierungen, die von der stellvertretenden Akademieleiterin Angelika Hollmann entgegenge- nommen und verwaltet wurden. Vollendet wurde der Aufbau durch den flankierenden Getränkeausschank. Am 23. Mai fiel der Startschuss – am zweiten Tag, nachdem durch die Corona-Verordnung öffentliche Veranstaltungen überhaupt zugelassen waren. Zu- nächst waren mit ca. 90 Besucherinnen und Besu- chern die Möglichkeiten ausgereizt, im Verlauf des Sommers konnten mit weiteren Lockerungen der Vorgaben die Stuhlinseln verdichtet werden, sodass am Ende auch 150 Personen gezählt wurden. Mit „Zaungästen“ waren auch schon mal über 200 Zuhö- rer dabei. Gerade diese Offenheit ist ein wichtiger Be- standteil des Konzepts der Reihe: Die Nachbarschaft und zufällig vorbeikommende Menschen sollten aus Neugier etwas mitnehmen können. Deshalb ist auch der Eintritt zu Akademiekonzerten grundsätzlich frei. Auf diese Weise lernten viele Bürger die Arbeit der Landesmusikakademie erst kennen, der Newsletter- Verteiler wuchs um mehr als 300 Adressen und der Freundeskreis der Akademie verzeichnete 22 neue Bei- tritte. Dass dieser Förderverein nicht nur finanziell för- Freiluftkonzerte bei nahezu dert, sondern auch als nachbarschaftliches Netzwerk jedem Wetter begeisterten gut funktioniert, zeigte sich nach den Konzerten: Da das LMAK-Publikum legten viele Konzertbesuchende Hand an und halfen mit, die Stühle, Decken, Kissen, Stative, Lautsprecher, 12
Landesmusikrat Schweinwerfer und Instrumente wieder zu verstauen. annahm, zeigte sich die Akademieleitung vom Publi- Eine Stunde nach Konzertende lag der Hof wieder in kum: Rolf Ehlers und Angelika Hollmann lobten nicht idyllischer Stille, als wäre nie etwas gewesen … nur die Disziplin, mit der die Gäste die Abstandsregeln Besonders erfreulich ist die enorme stilistische einhielten, sondern auch die Großzügigkeit, mit der Vielfalt der angebotenen Programme, die wieder- die Leistungen der Musizierenden honoriert wurden. um ein Spiegel der in der Akademie stattfindenden Mit einem durchschnittlichen Spendenbetrag von ca. Kurse, Workshops und Belegungen sind. Von impro- 8-10 Euro pro Besucher / Besucherin kamen deutlich visatorischem Klavierspiel über Kammerorchester, mehr Einnahmen zustande als beim Verkauf von Ein- Percussion-Duo, Liederabende, Jazzquartette, Blech- trittskarten, mit dem man nicht nur zusätzlichen Auf- blas-Quintette, klassischem Streichtrio, Singer-Song- wand durch die Verwaltung eines Ticketing-Systems writer-Programmen bis hin zu zarten Duo-Klängen gehabt hätte, sondern auch vermutlich höchstens die war vieles zu finden. Durch die hohe Beteiligung von Hälfte des Publikums zu einem Konzertbesuch hätte Dozentinnen und Dozenten konnte ein durchgängig motivieren können. Die eingesammelten Spenden ka- sehr hohes künstlerisches Niveau erreicht werden. men in voller Höhe den Musikerinnen und Musikern Höhepunkte waren sicher die Auftritte der internati- zugute. Auf diese Weise konnten sich die Konzerte des onal gefeierten A-cappella-Gruppen „Singer Pur“ und Akademiesommers selbst finanzieren. „Amarcord“ sowie der Jazz-Professoren Martin Lejeu- Einige Musizierende entschlossen sich sogar, die ne und Alexander Gelhausen. Aber auch viele preis- Einnahmen der Aktion „Musik hilft Musik“ des Lan- gekrönte Nachwuchsmusiker*innen unseres Landes, desmusikrats zur Verfügung zu stellen. Auch die die in Engers wichtige Impulse erhalten, wie die Lie- Überschüsse aus dem Getränkeausschank des Freun- dermacherin Joëlle Lieser, Jazzgitarrist Jermaine Rein- deskreises wurden der Ahrhilfe gespendet. Insgesamt hardt, das Trio Davidoff oder die Jazzformation „Heli- konnte der Präsident des Landesmusikrats Peter Stie- coptopus“, um nur einige aus der großen Menge der ber am 15. September 7.000 Euro in Empfang nehmen beteiligten Musizierenden herauszuheben, begeister- (siehe Bericht Titelseite). ten das Publikum. Da sich das Format auch in seinem zweiten Jahr er- Seit Beginn der Corona-Krise 2020 konnten inzwi- folgreich etabliert hat, wird es mit Sicherheit im Som- schen insgesamt 55 Hofkonzerte realisiert werden, mer 2022 eine Fortsetzung des „Akademiesommers“ und das in Zeiten, in denen die Angebote in Kunst und im Hof vor dem Meisterhaus geben. Die Programme Kultur nur sehr eingeschränkt möglich waren. Genau- werden sich dann wieder aus dem Akademiegesche- so begeistert, wie die Öffentlichkeit diese Angebote hen ergeben. Akademiebetrieb normalisiert sich Durch die schrittweise Rücknahme der Einschrän- kungen und die damit einhergehende Entspannung des gesellschaftlichen Lebens können wieder viele Kurse, Workshops und Belegungen wie geplant an der Akademie stattfinden. Gästezimmer und Proberäume sind bereits langfristig wieder verplant, lediglich die Gruppengröße ist aufgrund der überwiegend recht kleinen Studios noch limitiert. Während vor Corona auch Orchester und Chöre mit bis zu 100 Mitgliedern zu Gast in Engers waren, liegt die Obergrenze aktuell noch bei ca. 50-60 Personen. Die Kursplanung nimmt auch wieder Fahrt auf. Hier zeigt sich, dass vor allem die ausgefallenen Präsenz- Fortbildungen stark nachgefragt sind. Einige Online- Formate, die die Akademieleitung während der Lock- downs angeboten hatte, bleiben aber auch weiterhin im Angebot, weil sich die Themen gut für eine digitale Vermittlung anbieten. Einen tagesaktuellen Überblick über die Kurspla- nung bis Sommer 2022 liefert die Internet-Seite der LMAK: www.landesmusikakademie.de. RE . Fotos © R. Ehlers 13
Landesmusikrat Kultur braucht Fürsprache Kultur braucht politischen Wi I n den letzten Wochen gaben neben den vielen Corona- Erleichterungen im Kulturleben vor allem zwei weit von- einander entfernt liegende musikpolitische Themen An- lass für Berichte und Kommentare. Das eine Thema war die glanzvolle Eröffnung der Isar-Philharmonie in München, ei- nem Interimskonzertsaal mit 1900 Plätzen; und das andere Thema war die beabsichtigte Kürzung des Etats des Mainzer Staatstheaters um rund 900.000 Euro. Nun werden Sie irri- tiert fragen, was denn das eine mit dem anderen zu tun hat. Vordergründig nichts und doch bei genauerem Hinsehen sehr viel. In der bayerischen Landeshauptstadt wurde in drei Jah- ren in einem leerstehenden Fabrikgebäude an der Isar ein veritabler, gut klingender und ästhetisch überzeugender Konzertsaal für 40 Millionen Euro gebaut, der maximal zehn Jahre Bestand haben soll und danach wieder aus- gebaut werden kann, weil er in den Gebäudekorpus quasi eingehängt wurde. Die Isar-Philharmonie ist Interimskon- zertort für die Freien Musikveranstalter und die Münchner Philharmoniker, solange das gigantische Kulturzentrum „Am Gasteig“ für rund 500 Millionen Euro generalsaniert wird. Ungeachtet dessen, dass der Bayerische Staat in Mün- chen einen längst fälligen und heiß ersehnten Konzertsaal für rund 600 Millionen Euro im sogenannten Werksviertel bauen wird, vorzugsweise für das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Ich gebe zu, viele verwirrende Zahlen und Pläne, die Sie eigentlich nicht zu interessieren bräuchten. Aber zusam- menfassend lässt sich feststellen, dass die SPD-regierte bay- erische Landeshauptstadt und die Landesregierung Bayerns der Kultur einen hohen Stellenwert einräumen, sie hegt und pflegt und viel Geld aufwendet, um der Bevölkerung ein großartiges kulturelles Angebot zu unterbreiten. Vor die- sem Hintergrund ist ein Vergleich mit Rheinland-Pfalz und der ebenfalls SPD-regierten Landeshauptstadt Mainz auf- schlussreich und erhellend. In Rheinland-Pfalz findet sich kein einziger großer Konzertsaal, der als solcher konzipiert wurde und damit den akustischen Anforderungen heuti- ger Zeit entsprechen würde. Ein Konzertsaal, wie er jetzt in München eingeweiht wurde, wäre für unser Bundesland ein Glücksfall, natürlich nicht als Provisorium, sondern als dauerhafte Einrichtung. Was passiert aber hierzulande: Man muss in Mehrzweckhallen, Stadthallen, Kongresssälen oder bestenfalls in Schlössern oder Theatern konzertieren. In Mainz wird die über 50 Jahre alte Rheingoldhalle für rund 40 Millionen Euro saniert, also genau jene Summe, die der neue Interimskonzertsaal in München gekostet 14
Landesmusikrat Das Staatstheater in Mainz illen Musikpolitisch er Kommentar von Peter Stie Foto © H. Anschütz ber hat. Und die Rheingoldhalle ist kein Ort der Kultur, son- dern der Tagungen, Kongresse und der Fastnacht. Dass dort zwangsläufig auch Konzerte stattfinden, ist dem Mangel an alternativen Spielorten geschuldet. Mehr als zehn neue Konzerthäuser sind in den letzten Jahren in Deutschland entstanden und weitere sind in Planung, leider kein ein- ziges in Rheinland-Pfalz. Die Kultur wird hierzulande nur dann wertgeschätzt, wenn sie nichts oder möglichst wenig kostet. Und damit kommen wir zur zweiten musikpolitischen Meldung, die in den letzten Wochen zu Reaktionen in der Medienwelt, aber auch in der kulturinteressierten Öffent- lichkeit führte. Die Stadt Mainz ließ verlauten, die Zuschüs- se für das Staatstheater Mainz um rund 900.000 Euro kür- zen zu wollen. Ein fatales Signal in der Corona-Zeit, in der die Politik ihr begrenztes Interesse an Kultur eindrucksvoll bestätigte. Gerade in dieser Phase, wo sich die Kultur nach monatelangem erzwungenen Stillstand wieder anschickt ins Leben zu treten, diese Meldung. Entsetzen am Staats- theater, in der Kulturszene und Proteste von vielen Seiten. Inzwischen hat die Stadt ihre Kürzungsabsicht zurückgezo- gen. Aber dennoch bleibt ein fahler Geschmack zurück. Die Kultur ist in den Haushalten grundsätzlich Manövriermasse und dies wird sich auch nicht ändern, solange Kultur als so- genannte „Freiwillige Leistung“ in der kommunalen Selbst- verwaltung verankert ist. Im Zweifel wird gegen die Kultur entschieden, weil es kaum Politikerinnen und Politiker gibt, die sich für Kultur einsetzen – so auch in Mainz. Dass das Staatstheater Mainz mit rund 27 Millionen Euro Zuschuss pro Jahr unter den mehr als 20 Drei-Sparten-Staatstheatern in Deutschland von der Fördersumme her zu den Schluss- Foto © T. Hase lichtern zählt, sei nur am Rande vermerkt – analog zur roten Die neu gebaute „Isar-Philharmonie“ Laterne von Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Kulturausga- beim Eröffnungskonzert ben der einzelnen Länder.. PS 15
Landesmusikrat Der Mensch ist mehr als nur Mittel zum Zweck Das aktuelle Interview mit Prof. Dr. Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz Herr Bischof, welche Musik hören Sie ger- auch durch meine Beziehungen zur Kirche und Ostchor gilt als bahnbrechend und ne und bei welchen Gelegenheiten? und zur Pfarrei – Interesse daran bekom- setzt auch international neue Maßstäbe. Ich höre gerne klassische Musik, aber der men, Orgel zu lernen. Ich habe Unterricht Sie sind ja nun beim Entstehungsprozess Musikstil wechselt. Meist kommt es auf genommen, aber auch viel privat geübt. In sozusagen hautnah dabei. Interessiert Sie meine Stimmung an, welchen Komponis- den Jahren bis zum Abitur und im Studium auch die handwerklich-technische Seite ten ich gerne höre. Und natürlich habe habe ich viel Orgelmusik gemacht, zum des Orgelbaus bzw. was macht für Sie den ich einige Lieblingskomponisten: Johann Beispiel auch Orgelvertretungen in Pfar- Reiz dessen aus? Sebastian Bach ist unübertroffen, auch reien übernommen. Insgesamt ist Musik Die Mainzer Domorgel ist seit langem ge- Wolfgang Amadeus Mozart schätze ich in meinem Leben sehr wichtig. Ich finde plant. Wir haben vor einigen Jahren ent- sehr. Doch genauso gerne höre ich Anton immer wieder Ablenkung und Entspan- schieden, das Orgelprojekt in die Tat um- Bruckner und auch modernere Komponis- nung bei der Musik. zusetzen. Vor kurzem ist der erste Teil der ten, Olivier Messiaen zum Beispiel. Ich bin Orgel im Hauptschiff des Mainzer Domes da sehr breit aufgestellt. Finden Sie in Ihrem straff getakteten All- fertiggestellt worden. Ich bin fasziniert, tag noch Zeit und Muße für die Orgel? wie millimetergenau die ganze Orgel ge- Sie sind ja selbst ein leidenschaftlicher Natürlich ist mein Alltag straff getaktet. plant ist. Natürlich interessiert mich zu- und begabter Organist, wie Sie wenige Dennoch bemühe ich mich, mit einer ge- nächst die musikalische Seite der neuen Monate nach Ihrer Bischofsweihe in Form wissen Regelmäßigkeit für mich zu üben, Orgel, und der Klang dieses Instruments eines gemeinsamen Benefizkonzerts mit insbesondere Klavier, und auch neue Stü- ist faszinierend und begeisternd. Aber das dem Mainzer Domorganisten Prof. Daniel cke einzuüben. Und es macht mir Freude, Ganze ist auch deswegen begeisternd, weil Beckmann eindrucksvoll unter Beweis ge- mich einfach ans Klavier zu setzen und zu die Technik und die handwerkliche Seite stellt haben. Wie kamen Sie zur Orgel und improvisieren. perfekt sind. Das ist ein Meisterwerk – an- welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben? ders kann ich es nicht sagen. Zur Orgel kam ich mit ungefähr zwölf Jah- Die Neugestaltung und Erweiterung der ren. Ich habe mit sechs Jahren angefangen, neuen Mainzer Domorgelanlage mit den Die Kirchen besitzen eigene Ausbildungs- Klavier zu spielen. Irgendwann hatte ich – drei Standorten Westchor, Marienkapelle stätten für den musikalischen Nachwuchs. 16
Landesmusikrat Gibt es Nachwuchsprobleme bei Kantorin- besondere Form und die moderne Kirchen- Unterstützung des Landes durchgeführt nen und Kantoren und Organist*innen? musik überhaupt. Im Bereich des „Neuen werden. So ermöglichen beispielsweise Im Bistum Mainz sind die Ausbildungs- Geistlichen Lieds“ sind in den vergange- die Orgelwochen im Kultursommer Rhein- zahlen in den letzten Jahren leicht ange- nen Jahrzehnten zahlreiche, qualitätsvolle land-Pfalz immer wieder auch Veranstal- stiegen. Dies freut mich sehr. Dennoch neue Kompositionen entstanden und viele tungen in Pfarreien, in denen sonst keine nehmen die Verantwortlichen in der Kir- Bistümer und Landeskirchen haben eigene Konzerte stattfinden könnten. Auch an- chenmusik und ich auch wahr, dass sich „Pop-Kantoren-Stellen“ eingerichtet oder dere Konzertformate werden unterstützt. manche nebenamtliche Chorleiter- oder beabsichtigen, dies zu tun. Auch im Bistum Wie die Kirchen stehen auch die Bundes- Organistenstelle nicht besetzen lässt. Mainz gibt es eine eigene Stelle für den Be- länder unter Sparzwängen. Ich hoffe, dass Dies gilt übrigens auch für hauptamtliche reich der Neuen Geistlichen Musik und der diese Vielfalt in den nächsten Jahren er- Kirchenmusiker-Stellen. Durch neue Aus- Sozialmusik. Was im Bereich der Kirchen- halten bleibt und auch weiterhin unter- bildungskonzepte hoffen wir im Bistum musik – und vielleicht nicht nur dort – ak- stützt wird. Mainz, auch in den kommenden Jahren tuell fehlt, ist die Entwicklung eines wirk- Menschen für die Kirchenmusik zu begeis- lich neuen Musikstils. Die sakrale Musik Lassen Sie uns noch kurz auf die Corona- tern. Dazu gehört etwa der Basiskurs für hatte für die Entwicklung neuer Musiksti- Pandemie eingehen: Wie sehen Sie die Orgel und Chorleitung, ein ausgeweitetes le immer wieder eine federführende Rol- Situation der kirchenmusikalischen Ausbildungsangebot für Band- und Kin- le. Ich möchte nur einen Namen nennen: Ensembles und insbesondere der Kirchen- derchorleiter und ein gemeinsamer Aus- Olivier Messiaen. Derzeit sind die Entwick- chöre in Ihrem Bistum? Denn das Bistum bildungsgang für Kantoren und die Leite- lungen eher retrospektiv und es fehlt – bis hatte bzw. hat vergleichsweise sehr starke rinnen und Leiter von Wort-Gottes-Feiern. auf wenige Ausnahmen – wirklich Neues. Einschränkungen erlassen. Wichtig ist dabei auch die Zusammenar- Die Hygienemaßnahmen in unserem Bis- beit mit Schulen und unseren eigenen In- Wie beurteilen Sie die Situation des Mu- tum waren und sind immer an die Landes- stitutionen wie der Mainzer Dommusik, in siklebens in Rheinland-Pfalz? verordnungen von Rheinland-Pfalz und der 400 Kinder und Jugendliche jede Wo- Obwohl Rheinland-Pfalz bei den jährlichen Hessen angelehnt. Vielen Leiterinnen und che zu Proben zusammenkommen. Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur auf einem Leitern ist es mit großem persönlichen hinteren Platz liegt, ist das Musikleben in Einsatz gelungen, durch virtuelle Angebo- Wie bewerten Sie die Entwicklung der Rheinland-Pfalz vielfältig. Es gibt zahlrei- te Ensembles zusammenzuhalten – auch modernen Kirchenmusik der letzten Jahr- che Aktivitäten von Verbänden, Vereinen wenn schnell klar wurde, dass es für das zehnte? und Institutionen, die der Landesmusikrat gemeinsame Musizieren persönliche Be- Aus meiner Sicht müssen hier zwei The- koordiniert. Wichtig sind hierbei – neben gegnung braucht. Die Situation in vielen menfelder unterschieden werden: zum den vielen eigenen Initiativen in der Lai- musikalischen Gruppen hat sich durch die einen das „Neue Geistliche Lied“ als eine enszene – auch Konzertreihen, die durch Corona-Pandemie aber verändert, und Fotos © Bistum Mainz „Orgelmusik kann Menschen zum Staunen, Schweigen und Beten bringen, sie kann Jubel und Freude unterstützen und Trauer ausdrücken. Steht sie in einem besonderen Raum, wie etwa im Mainzer Dom, ermöglicht ihr Spiel eine wirklich ganzheitliche Erfahrung, die den Menschen mit allen Sinnen ergreift und für Gottes Gegenwart öffnet.“ Bischof Kohlgraf 17
Landesmusikrat manche Entwicklungen werden sich erst dung von jungen Menschen dazu; zugleich bildung erhalten. Aber die Dimension in den nächsten Monaten wirklich zei- ist sie notwendig, um die eigene und auch etwa auch musischer und künstlerischer gen. Hoffnung macht mir aber die große andere Kulturen kennenzulernen und ver- Fächer ist für die Bildung von Persönlich- Sehnsucht vieler Menschen nach Singen stehen zu können. Musik bildet sozusagen keiten von unschätzbarem Wert. Deswe- und Musizieren. Durch die Lockerung der den ganzen Menschen. Es werden Inhalte gen möchte ich auf Musikunterricht und Hygienemaßnahmen in den vergangenen vermittelt, aber über Musik werden auch die Pflege eines Musiklebens an Schulen Wochen haben viele Chöre wieder mit Pla- andere Dimensionen des Menschseins an- nicht verzichten. Ich glaube, dass sich eine nungen für die musikalische Gestaltung gesprochen. Es ist nicht umsonst so, dass Gesellschaft keinen Gefallen tut, wenn sie von Gottesdiensten und Konzerten begon- Religion und Musik sehr eng zusammen- hier Einbußen in Kauf nimmt. nen. hängen. Ich glaube, unsere Gesellschaft tut gut daran, die musikalische Bildung Was ist die für Sie wichtigste Eigenschaft Sie sind u.a. Mitglied der Kommission „Bil- und die musikalische Praxis von jungen von Musik? dung und Schule“ der Deutschen Bischofs- Menschen zu fördern. In der Corona-Krise, Musik hat so viele Eigenschaften, dass es konferenz. Welche Rolle kommt dabei der wenn ich das anmerken darf, ist deutlich nicht einfach ist, hier eine Haupteigen- musikalischen Bildung junger Menschen geworden, dass Kultur eine zu geringe schaft zu nennen. Ich als gläubiger Mensch zu bzw. warum ist diese trotz beträchtli- Wertschätzung erfährt. habe natürlich eine besondere Liebe zu chen Kostenaufwands Ihrer Meinung nach geistlicher Musik. Sie hat die Eigenschaft, unerlässlich für unsere Gesellschaft? Für wie wichtig halten Sie die Rolle des Menschen mit Gott in Berührung zu brin- Ich war bis zur Herbstvollversammlung Fachs Musik an der Schule? gen. Musik ist dennoch zweckfrei. Sie ver- der deutschen Bischöfe in Fulda im Sep- Das Fach Musik ist für mich in der Schule mag Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Sie tember 2021 tatsächlich Mitglied der Kom- unverzichtbar. Ich glaube, dass wir einer stiftet Gemeinschaft und verbindet Men- mission „Bildung und Schule“. Mittlerweile Gefahr unterliegen, wenn wir zu sehr die schen ohne Worte. Dass Menschen Musik gehöre ich der Kommission nicht mehr an. offensichtlich für wirtschaftliche Belange machen können, zeigt, dass der Mensch Trotzdem ist mir das Thema „Bildung und relevanten Fächer fördern. Natürlich sind mehr ist als nur Mittel zum Zweck. Schule“ weiterhin ein ganz wichtiges An- Mathematik, Naturwissenschaften usw. liegen. Musikalische Bildung gehört mei- wichtige Fächer und es ist gut, dass Schüle- Die Redaktion des Novelletto dankt Ih- ner Meinung nach zur Persönlichkeitsbil- rinnen und Schüler hier eine solide Grund- nen für das Interview. Der Mainzer Dom war auch Spiel- stätte beider vom Landesmusikrat organisierten Orchestergipfel, so wie hier 2013. Foto © Stefan Sämmer 18
Landesmusikrat Konferenz der Landesmusikräte mit weiblicher Doppelspitze D ie Konferenz der Dr. Ulrike Liedtke leitet L a n d e s mu s i k rät e die KdLMR seit 2009 als (KdLMR) bestätigte Vorsitzende. Die Musik- in ihrer Tagung im Sep- wissenschaftlerin ist seit tember 2021 die Präsiden- 2014 Mitglied des Land- tin des Landesmusikrats tags Brandenburg und seit Brandenburg Prof. Dr. Ul- 2019 Landtagspräsidentin. rike Liedtke als ihre Vorsit- Sie lehrt zudem Musikwis- zende für die kommenden senschaft an der Universi- vier Jahre im Amt. Die Prä- tät Potsdam, ist u.a. Vize- sidentin des Landesmusik- präsidentin des Deutschen rats Sachsen-Anhalt, Prof. Musikrats und Deutschen Dr. Jutta Schnitzer-Unge- Kulturrats. fug, wurde zur stellver- Die Neurobiologin Prof. tretenden Vorsitzenden Dr. Jutta Schnitzer-Unge- gewählt. fug war u.a. Generalse- Foto © P. Dageroth Der Präsident des Deut- kretärin der Nationalen Foto © S. Bergner schen Musikrats, Prof. Akademie der Wissen- Martin Maria Krüger, schaften Leopoldina, wur- gratulierte beiden sehr Prof. Dr. Ulrike Liedtke Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug de als außerplanmäßige herzlich zu Ihrer (Wie- Professorin an die Berliner der-)Wahl und ergänzte: „Um Auswirkungen der Corona-Kri- kunft weiterzuführen und aus- Charité berufen und 2020 als das reiche Musikleben und die se auf das Musikleben und die zubauen.“ Präsidentin des Landesmusik- Kulturelle Vielfalt dauerhaft zu Weiterentwicklung des öffent- Die 16 in der KdLMR vertre- rats Sachsen-Anhalt gewählt. schützen, gilt es, zentrale Pro- lich-rechtlichen Rundfunks. tenen Landesmusikräte sind Als stellvertretende Vorsitzen- bleme mit vereinten Kräften Wir freuen uns darauf, die Mitglieder des Deutschen de der KdLMR folgt sie auf den auf Bundes- und Länderebene intensive und fruchtbare Zu- Musikrats. Die KdLMR nimmt ehemaligen Präsidenten des anzugehen: etwa den gravie- sammenarbeit mit der KdLMR angesichts der Kultur- und Bil- Landesmusikrats Bremen Prof. renden Lehrkräftemangel in unter der engagierten Leitung dungshoheit der Länder eine Kapt. Ernst E. Folz. der musikalischen Bildung, die ihrer Vorsitzenden auch in Zu- besondere Stellung ein. Prof. Neues Förderprogramm für Kulturvereine E in neues Hilfsprogramm einen Rückgang an ehrenamt- Die vier Förderschwerpunkte chen der darstellenden Kunst, des rheinland-pfälzischen lichen Helferinnen und Hel- des Programms erstrecken sich bildenden Kunst, kulturellen Kulturministeriums von fern. Vereinsvorstände suchen auf die Bereiche Imagekampa- Bildung, Musik, Literatur, So- insgesamt 500.000 Euro soll nach Wegen, wie ihr Verein gnen zur Mitgliederwerbung – ziokultur oder der Ausstellung die zahlreichen Kulturvereine nach der Corona-Pandemie wobei hierbei eine Beteiligung künstlerischer oder kultureller im Land beim Neustart ihres weiterarbeiten kann, und fra- an der Imagekampagne des Inhalte haben. Die Höhe der Vereinslebens unterstützen. gen sich, ob der „Vor-Corona- Landesmusikrats für die Ama- finanziellen Hilfen beträgt ma- „Infolge der kontaktbeschrän- Zustand“ jemals wieder er- teurmusik empfohlen wird –, ximal 4.000 Euro je Verein. Es kenden Maßnahmen zur Be- reicht werden kann. „Hier setzt Digitalisierung und Schulun- werden bis zu 80% der zuwen- kämpfung der Corona-Pande- das neue Förderprogramm an“, gen für Mitarbeiter, Struktur- dungsfähigen Gesamtausga- mie kam das Vereinsleben in erklärte die Kulturministerin. entwicklung sowie gezielte ben bezuschusst, 20 % der Fi- vielen Kulturvereinen nahezu „Wir wollen die gemeinnützi- Nachwuchsarbeit inklusive nanzierungsmittel müssen aus zum Erliegen. Museen waren gen Kulturvereine dabei unter- Anschaffungen. Eigenmitteln oder sonstigen geschlossen, Theatergruppen, stützen, die Auswirkungen der Antragsberechtigt sind ge- Einnahmen getragen werden. Chöre, Musikgruppen konnten Corona-Pandemie bewältigen meinnützige Kulturvereine, Eigenleistungen zählen hierzu zeitweise weder proben noch zu können. Wir wollen die Ver- die den Schwerpunkt ihres nicht. Das Programm startete auftreten,“ erklärte Kulturmi- eine insbesondere bei der Mo- Vereinszwecks in den Berei- am 1. September 2021 und ist nisterin Katharina Binz bei dernisierung und Weiterent- bis zum 31. Mai 2022 befristet, der Vorstellung des Förderpro- wicklung ihrer Strukturen, im Antragsschluss ist der 1. De- gramms. Viele Vereine erwar- Nachwuchs- und Mitgliederbe- zember 2021. ten für die kommenden Mo- reich, bei ihrer Öffentlichkeits- Den Online-Antrag zum För- nate einen deutlich spürbaren arbeit und vor allem auch bei derprogramm sowie weitere Rückgang an Mitgliedern und der Digitalisierung unterstüt- Informationen finden Sie unter verzeichnen auch jetzt schon zen,“ erläuterte Binz weiter. www.kulturland.rlp.de. 19
Sie können auch lesen