OWL Kulturkonferenz - Kultur und Digitalisierung Chancen und Möglichkeiten des digitalen Wandels - NRW KULTURsekretariat
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12. OWL Kulturkonferenz Kultur und Digitalisierung Chancen und Möglichkeiten des digitalen Wandels Tagungsprotokoll Dienstag, 12. Februar 2019 | Heinz Nixdorf MuseumsForum Stand: 19. April 2018 Gefördert durch: Kooperationspartner:
Vorwort Vorwort 12. OWL Kulturkonferenz – Kultur und Digitalisierung Chancen und Möglichkeiten des digitalen Wandels Sehr geehrte Damen und Herren, der Einzug der digitalen Medien hat die Gesellschaft Darüber hinaus werden Diskussionsräume eröffnet: bereits bis heute in nahezu allen Feldern elementar Welche regionalen Strukturen sind für ein sinnvolles geprägt. Der digitale Wandel zieht sich durch alle Le- Change Management erforderlich? Braucht Kunst heu- bensbereiche und betrifft auch die Kultur, ganz gleich te neue Räume und neue Formen der Zusammenar- ob im Bereich Pop oder Klassik, Bibliothek, Architek- beit auch in digitalen Räumen? Welche Chancen und tur, Design, Fotografie, Film, Tanz, Theater, Kunst oder Möglichkeiten bietet die Digitalisierung für die Weiter- Performance. Neue Möglichkeiten der Vermittlung und entwicklung der Kulturregion OstWestfalenLippe? Dem Kunstproduktion, neue Medien und Materialien, aber umfassenden Querschnittsthema möchten wir uns im auch neue Nutzergewohnheiten gehen mit der Digita- Rahmen dieser Konferenz annähern, indem wir den lisierung einher. Fokus auf die Bereiche „neue Impulse für die Kunst- Die digitale Transformation bedeutet einen tiefgreifen- produktion“ und „Digitale Kulturvermittlung“ setzen. den gesellschaftlichen Wandel, der in seiner Dimension vergleichbar ist mit der industriellen Revolution. Verän- Die 12. OWL Kulturkonferenz schafft einen Rahmen, derungen unserer Seh-, Hör- und Denkgewohnheiten, innerhalb dessen wir uns mit Ihnen gemeinsam über Veränderung der Kommunikation und des Handelns das Thema „Kultur und Digitalisierung“ verständigen gehen damit einher. Kultur(-politik) kann Räume für und austauschen möchten. Gemeinsam mit unserem zukunftsorientierte Diskussionen öffnen, die wir heute Kooperationspartner, dem Kreis Paderborn, laden wir vielleicht dringender denn je benötigen. Sie herzlich dazu ein! In fünf Themenforen und einer Arbeitsgruppe werden Landrat Dr. Axel Lehmann, Beispiele digitaler Initiativen und innovativer Projek- Vorsitzender des Fachbeirats Kultur der OWL GmbH te vorgestellt, die neue Wege in der Kultur-Produktion Marianne Thomann-Stahl, und -Vermittlung gehen. Diese Anregungen dienen zu- Regierungspräsidentin Bezirksregierung Detmold nächst einer Orientierung und geben Impulse für die Reinold Stücke, eigene kulturelle und künstlerische Praxis. Vorsitzender des Regionalrats Regierungsbezirk Detmold 2
Grußwort Landrat Manfred Müller OWL ist erste digitale Modellregion in NRW. Welche Chancen lassen sich für die Kulturregion OWL daraus ableiten? Im Förderprogramm „Regionale Kulturpoli- tik NRW“ gibt es seit zwei Jahren das Leitthema „Wir sind digital!“ für die Kulturregion OWL. Damit wollen wir zeigen, dass wir gerne neue künstlerische Formate för- dern, die sich interdisziplinär mit dem digitalen Wandel in der Region auseinandersetzen. Künstlerische Projekte, die den digitalen Wandel thematisieren und/oder sogar eine Kooperation mit einem oder mehreren Unterneh- men des Spitzenclusters it’s owl eingehen, können unter bestimmten Voraussetzungen durch Landesmittel geför- dert werden. Die Region OWL ist Partnerin bei der Digitalisierungs- strategie des Landes NRW, die sich auch auf den Kultur- bereich auswirken wird und muss, denn „Digitalisierung ist vor allem ein Kulturthema!“ (Deutscher Kulturrat, 2017). Der digitale Wandel ist nicht nur für Wirtschaft relevant, sondern besonders auch für Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft sowie für Kultureinrichtungen. Auch die Industrie 4.0 sollte die Kulturwirtschaft mit ein- beziehen, denn der digitale Wandel ist auch ein gesell- schaftlicher Strukturwandel. Die Kulturwirtschaft war schon immer ein wichtiges Experimentierfeld für Neu- erungen und das Erhalten von Kulturtechniken – immer dann, wenn altes Kulturhandwerk und neustes digitales Know-how zusammengebracht werden. Digitalisierung ist längst in unserem Alltag angekommen. Einen Schritt zurückgehen? Ohne Sprachnotiz, Fitness-Apps, elektronische Zeitun- gen oder Satelliten im Weltall… Diesen Schritt zurück möchte niemand gehen! Und niemand möchte stehen- bleiben! Heutzutage geht technisch alles – irgendwie. Landrat Manfred Müller Trotzdem sind noch viele Herausforderungen anzupa- cken. Neue Chancen, neue Produkte und ein veränder- Landrat des Kreises Paderborn tes Kundenverhalten fördern und fordern ein Umdenken (Es gilt das gesprochene Wort) und Umstrukturierungen – auch im Kulturbereich. Der Landrat begrüßt die Kulturabteilungsleiterin des Museen und Archive digitalisieren ihre Objekte seit Jah- Ministeriums für Kultur und Wissenschaft Dr. Hil- ren. Unterschiedliche Kunstsparten nutzen die sozialen degard Kaluza, die Regierungsvizepräsidentin Anke Medien für die Kommunikation mit gerade jungen Men- Recklies, den Regionalratsvorsitzenden Reinold Stü- schen. Viele Arbeitsprozesse laufen digital und auto- cke, den Bürgermeister der Stadt Paderborn Michael matisiert. Inhalte werden geteilt, verbreitet, beworben, Dreier, den Geschäftsführer der OstWestfalenLippe weitergetragen. GmbH Herbert Weber, die Leiterin des OWL Kulturbü- LED-Lightpainting-Workshops setzen Museen in ein ros Jana Duda und alle Teilnehmenden der 12. OWL neues Licht. Schon die Kleinsten gehen mit dem Smart- Kulturkonferenz. phone auf digitale Schnitzeljagd. Kunstwerke werden anstatt auf Papier auf dem Tablet gezeichnet. Die 12. OWL Kulturkonferenz stellt dieses Jahr die Frage, welche Chancen und Möglichkeiten der digitale Wandel Kunst schafft es, den Menschen die Vorurteile vor neu- für die Kultur darstellt und ich möchte diese Frage auf en technologischen Entwicklungen zu nehmen. Um den die Region Ostwestfalen-Lippe fokussieren. digitalen Weg mitzugehen, haben sich die regionalen 4
Grußwort Landrat Manfred Müller Bibliotheken schon vor Jahren zusammengeschlos- Auch wenn Maschinen und Roboter Arbeiten überneh- sen, um eine online-Möglichkeit zu schaffen. Unsere men, bleibt das kritische Hinterfragen, das Denken und Fahrbücherei und der Bücherbus gehören als E-Medi- die Fantasie des Menschen. Jeder digitale Prozess wird en-Schnittstelle seit Beginn dazu. Heute heißt das Pro- von einem analogen begleitet. jekt „OWL onleihe“. 37 öffentliche Bibliotheken der Regi- on (35 Stadt- und Gemeindebibliotheken aus OWL sowie Digitalisierung geschieht mit einer Dynamik, die faszi- die Gemeindebibliothek Balve aus dem Sauerland) und niert, aber auch überfordern kann. Sie ist eine Chan- unsere Fahrbücherei sind dem verantwortlichen Ar- ce. Trotzdem brauchen wir gerade im digitalen Zeital- beitskreis angeschlossen und auf der gemeinsamen ter auch authentische Orte, um Geschichte, Kultur oder Plattform www.owl.onleihe.de zu finden. Das nenne ich Heimat real zu erfahren – die uns wieder erden und ein hervorragendes Beispiel einer interkommunalen, di- entschleunigen. gitalen Zusammenarbeit in OWL. Nehmen Sie heute gute Beispiele und Impulse aus der Der digitale Wandel setzt aber auch die Offenheit für das Praxis mit - für neue Wege der Kulturvermittlung und neue Zeitalter voraus. Aktuell sucht eine Siegerländer der künstlerischen Produktion. Und nehmen Sie die Ge- Stadtverwaltung einen Diplom-Bibliothekar. Aufgaben- legenheit für fachlichen und kulturpolitischen Austausch schwerpunkt: IT-Koordinator, Medien/Informationskom- wahr. Netzwerken Sie und schließen Sie Kooperationen! petenz (Internetrecherche, E-Learningangebote, Fach- datenbanken). Kunst mitzugestalten und Teil von ihr zu Landrat Müller bedankt sich bei den Veranstaltern, sein, ist Wunsch des Menschen. Daher muss die Mög- dem OWL Kulturbüro, der Bezirksregierung Detmold lichkeit zur digitalen Interaktion zukünftig auch in Kultur- und dem Regionalrat. einrichtungen gegeben sein. 5
Grußwort Bürgermeister Michael Dreier Bürgermeister Michael Dreier Bürgermeister der Stadt Paderborn (Es gilt das gesprochene Wort) Der Bürgermeister begrüßt alle Redner*innen und Konferenzteilnehmenden sowie den Geschäftsführer des Heinz Nixdorf MuseumsForums, Herrn Dr. Jochen Viehoff. Sehr geehrte Damen und Herren, Ich freue mich sehr, dass das OWL Kulturbüro in Koope- ration mit dem Landrat des Kreises Paderborn als Auf- sichtsratsvorsitzendem der OWL GmbH diesen Austra- gungsort für die OWL Kulturkonferenz ausgewählt hat: Das Heinz-Nixdorf-Museumsforum in Paderborn. Schließlich ist die Stadt Paderborn eine vom Land Nordrhein-Westfalen auserkorene Leitkommune in Sachen Digitalisierung. Natürlich nicht allein: Im Sep- tember 2017 hat das Land beschlossen, ganz Ostwest- falen-Lippe zur digitalen Modellregion zu entwickeln. Als Leitkommune arbeitet die Stadt Paderborn in enger Kooperation mit dem Kreis Paderborn, der kreisange- hörigen Stadt Delbrück, der kreisfreien Stadt Bielefeld sowie der Bezirksregierung Detmold. Paderborn hat im Zuge des Wettbewerbs „Digitale denken Sie im Zusammenhang von Kultur und Technik Stadt“ wertvolle Vorarbeiten geleistet und dafür erheb- an den Buchdruck: Auch hier sind kulturelle und tech- liche Investitionszusagen der Wirtschaft erhalten. In- nische Entwicklung unlösbar verbunden. Und heute nerhalb der Stadt Paderborn ist das Heinz-Nixdorf-Mu- sind es eben die neuen Techniken der Digitalisierung. seums Forum der richtige Ort. Wir sind stolz, dass es in Paderborn beheimatet ist – und wir fördern es auch Sie haben bereits alle Lebensbereiche erreicht und seitens der Stadt nicht unerheblich. verändert, selbstverständlich auch die Künste und die Kultur im engeren Sinne. Das betrifft sowohl Vermitt- Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem die heutige All- lung, Dokumentation und Kommunikation als auch den gegenwärtigkeit der Digitalisierung und die Geschichte eigentlichen Bereich der kreativen Arbeit. Bis ins Den- der Informationstechnik seit Jahrhunderten, ja Jahr- ken von Künstlern hinein hat sich etwas verändert. tausenden so offensichtlich ist wie an diesem. Bei ei- Gut, dass Sie heute gerade an diesem Ort erörtern, nem Rundgang wird jedem Besucher auch sofort der • was das bedeutet, Bezug zum heutigen Thema klar: Immer schon haben • was das nach sich zieht, neue technische Entwicklungen direkte Auswirkungen • wie man damit umgehen kann. auf die Kultur gehabt. Manchmal war es auch anders herum, dass die Kultur neue technische Entwicklungen gefördert und hervorgebracht hat. Den Teilnehmenden der Konferenz wünscht Bürger- meister Dreier viele gute Ergebnisse, die sie zukünftig Frühere Generationen haben da gar nicht so genau nutzen können. zwischen Kunst, Kultur und Technik unterschieden, wie wir das heute manchmal tun. Denken Sie an bei- spielsweise an Leonardo da Vinci: Der war Künstler, Architekt, Wissenschaftler, Ingenieur und Philosoph – und für ihn war all dies nichts Verschiedenes. Denken Sie an perspektivische Darstellungen: Da haben sich die Kunst und die Technik gegenseitig beeinflusst. Und 6
Begrüßungstalk Begrüßungstalk Anke Recklies, Regierungsvizepräsidentin Reinold Stücke, Regionalratsvorsitzender Julia Ures, Moderatorin Das Gespräch konnte bedauerlicherweise nicht transkribiert werden. 7
Grußwort Dr. Hildegard Kaluza „Wir wollen als ein Sieger aus der Digitalisierung her- vorgehen“, so hieß es hier an diesem Ort vor einem halben Jahr, als sich das 2012 gegründete sogenannte Spitzencluster Intelligente Technische Systeme OWL (it‘s OWL) mit dem Thema Digitalisierung beschäftigte. Es ging dort um Forschung und Entwicklung, um Maschi- nenbau, Elektrotechnik und Automotive und um eine selbstbewusste Region, die Digitalisierung für sich nut- zen will und wird! Und nun hat die OWL Kulturkonferenz das Thema „auf die Hörner“ genommen. Die Distanz zwischen den Themen des Spitzenclusters und der Kultur scheint auf den ersten Blick immens groß, aber wir werden heute sehen – da bin ich sicher – wie ähnlich verschiede- ne Fragestellungen sind und wie viel sich auch schon im Kulturbereich durch die Digitalisierung bzw. mit der Digitalisierung geändert hat. Durch die Digitalisierung stellen sich z. B: Fragen der Mobilität und der Teilhabe ganz neu - als Chance gerade auch für die ländlichen Räume. Ich möchte an dieser Stelle zwei Beispiele nennen, die gerade für die ländlich geprägten Räume besonders in- teressant sind. Wir alle haben schon von der OWL Kul- tur-Plattform gehört. Das Besondere an dieser Platt- form ist, dass sie nicht nur ein Veranstaltungskalender ist, sondern die Plattform möchte viele weitere Dienste anbieten. Sie möchte die Kulturschaffenden unterein- ander vernetzen und durch gesonderte Bereiche z.B. anhand einer Checkliste, das Durchführen von Veran- Dr. Hildegard Kaluza staltungen erleichtern. Spannend finde ich auch die Abteilungsleiterin Kultur im Ministerium für Kultur Möglichkeit, dort eine Art „Mitfahrzentrale“ einzurichten und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen oder die Idee, eine Schnittstelle zum ÖPNV herzustel- (Es gilt das gesprochene Wort) len, damit die Mobilität vereinfacht wird. Die Kulturabteilungsleiterin begrüßt alle Redner*in- Ein weiteres Beispiel ist die OWL-Onleihe, ein Verbund nen und Konferenzteilnehmenden, bedankt sich für von 37 Bibliotheken, die ihre Angebote digital zur Ver- die Einladung zu der Konferenz und entschuldigt die fügung stellen. Damit ist die OWL-Onleihe der größte Ministerin Isabelle Pfeiffer-Poensgen, die leider ter- interkommunale Verbund in NRW im Rahmen eines Di- minlich verhindert ist. gitalprojektes. Sicher ein Beispiel, das Schule machen sollte. Sehr geehrte Damen und Herren, Auch im performativen Bereich hat es schon interes- die OWL Kulturkonferenz ist ein Format, das sich be- sante und wegweisende Projekte in OWL gegeben: Ich währt hat: Heute findet bereits die 12. Ausgabe statt denke da z.B. an die Produktionen des jungen Feed- – und das vor allem, weil sich viele verschiedene Part- back-Kollektivs, das sich durchaus kritisch mit dem Phä- ner zusammen tun, um die Konferenz gemeinsam zu nomen der Digitalisierung auseinander gesetzt hat. entwickeln und zu gestalten. Ich freue mich, dass das Oder an The Woodpeckers, die elektronischen Spechte, Kulturministerium die Konferenz jedes Jahr mit Mitteln die im Rahmen des Bildstörungen-Festivals im öffentli- aus dem Landesförderprogramm „Regionale Kulturpo- chen Raum der Stadt Detmold zu erleben waren. litik“ unterstützt. Wir befürworten diese Art des Aus- Schon an diesen wenigen Beispielen lässt sich erken- tausches sehr und nehmen selbst auch immer viele nen, dass OWL zu Recht eine Pilotregion für Digitali- neue Anregungen dabei mit. sierung ist. 8
Grußwort Dr. Hildegard Kaluza Ich freue mich daher sehr, dass die Region OWL das Mit wichtigen Projekten greifen wir Beides – Potenziale Thema Digitalisierung für die heutige Konferenz ge- und Herausforderungen - auf: wählt hat. Allen Verantwortlichen danke ich herzlich für die Initiative und Organisation der Veranstaltung. Ihre Vier möchte ich nennen: Region steht heute im Mittelpunkt. In meinem weiteren Beitrag werde ich mich auf die Aktivitäten der nord- 1. Die Akademie für Digitalität und Theater in Dort- rhein-westfälischen Landesregierung im Themenfeld mund, die vom Land gemeinsam mit der Bundes- Digitalisierung konzentrieren, weil Ihnen diese vielleicht kulturstiftung und der Stadt Dortmund gefördert noch nicht so präsent sind. Im Sommer 2018 hat die wird. Durch sie wird ein Forschungs- und Produk- Landesregierung unter Federführung des Ministeriums tionslabor geschaffen, das die Potenziale digitaler für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Technologien für die künstlerische Darstellung im einen Entwurf der Digitalstrategie NRW vorgelegt. Theater untersucht. Hier werden zukünftig innovati- ve Veranstaltungstechniken und neue künstlerische Im Rahmen eines Online-Beteiligungsverfahrens und Ausdrucksformen entwickelt werden. Ein Schwer- auf einer Konferenz wurde Bürgerinnen und Bürgern punkt wird bei der Fortbildung und Qualifizierung die Möglichkeit gegeben, mitzudiskutieren. Die dar- von Fachkräften liegen. Die vielfältigen Erfahrungen aus resultierenden Änderungen werden derzeit in den des Schauspiels Dortmund mit der Produktion di- Strategieentwurf eingearbeitet. Im Frühjahr 2019 wird gitaler Theaterformate bilden dafür eine wichtige der Entwurf dem Landeskabinett zur Entscheidung Grundlage. vorgelegt werden. Auch danach soll die Digitalstrate- 2. Auch die Museen sind im Zuge der Digitalisierung gie durch eine kontinuierliche Diskussion mit der Öf- mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. fentlichkeit stetig weiterentwickelt werden. Im Entwurf Dazu zählen die Digitalisierung der Sammlungsbe- der Digitalstrategie werden auch die vielfältigen Aus- stände und deren digitale Präsentation, die weit- wirkungen der Digitalisierung auf den Kulturbereich reichende Urheberrechtsfragen aufwirft. Ebenso berücksichtigt. bedeutsam sind Entscheidungen für technische Ausstattung und Software-Lösungen oder die Be- Einerseits stecken in dieser Entwicklung große Po- rücksichtigung digitaler Ausstellungsformate. Von tenziale: und zwar in drei Bereichen: Seiten der Kunstsammlung NRW wird daher gegen- wärtig eine digitale Strategie erarbeitet, die auch auf • Zugang und Schutz des kulturellen Erbes. andere Museen übertragen werden soll. 3. Die Landesregierung hat außerdem im Rahmen der • Vermittlung und Verbreitung von Kulturangeboten: Stärkungsinitiative Kultur in 2018 erstmalig einen Sie schafft neue Wege und öffnet damit neue Mög- „Investitionsfonds zur Ertüchtigung der kulturellen lichkeiten kultureller Teilhabe – hier habe ich eben für Infrastruktur“ aufgelegt. Er war mit 3,25 Mio. € hin- OWL ja schon Bespiele kurz genannt terlegt und auf die Förderung von Erstausstattung, Erneuerungen und Erweiterung der Infrastruktur • Künstlerische Produktion: Es entstehen durch die von Kultureinrichtungen ausgelegt – gerade auch Nutzung digitaler Medien neue Formen, die die im digitalen Bereich. Aufgrund der hohen Nachfrage Wahrnehmung von Kunst und Kultur verändern und soll der Fonds 2019 in überarbeiteter Form erneut neue Möglichkeiten der Partizipation schaffen – auch aufgelegt werden. hier hat OWL schon einiges zu bieten, zwei Bespiele 4. Im Rahmen der Ruhrkonferenz hat die Landesregie- habe ich kurz vorgestellt. rung zudem das Ziel formuliert, Künstlerinnen und Künstler im Ruhrgebiet auch durch das Bereitstel- Andererseits stellt die Digitalisierung den Kunst- und len von modernster digitaler Technologie gezielt zu Kulturbetrieb auch vor Herausforderungen: Oft man- fördern. Dies hat das Landeskabinett am 31. August gelt es Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen an 2018 beschlossen. geeigneter Infrastruktur und digitalen Kompetenzen. 9
Grußwort Dr. Hildegard Kaluza Neben diesen Vorhaben werden die im ersten Kul- turförderplan aufgeführten Themenfelder weiterhin mit Nachdruck bearbeitet. • Im Rahmen des Themenfelds „Erhalt und Nutzung des kulturellen Erbes“ wird die Förderung der Di- gitalisierung des nordrhein-westfälischen Filmer- bes deutlich vorangetrieben. Dabei hilft das neue Bund-Länder-Projekt „Digitalisierung Filmerbe“. Mit der Staatskanzlei ist das Ministerium für Kultur und Wissenschaft im Austausch darüber, wie das Pro- gramm optimal für Nordrhein-Westfalen genutzt werden kann. • Eine besondere Herausforderung ist die Digitalisie- rung des kulturellen Erbes im Bereich der performa- tiven Künste. Das Pina-Bausch-Archiv in Wuppertal ist ein herausragendes Beispiel für eine gelungene Lösung innovativer Archivierungsstrategien. Es wird als international relevantes Modellvorhaben durch die Kofinanzierung von Stadt, Land und Bund weiter ausgebaut. • Mit einem mehrjährig angelegten Projekt zur Digitali- sierung historischer regionaler Zeitungen wurde au- ßerdem eine umfangreiche Maßnahme auf den Weg gebracht, bei der Einrichtungen des Landes und der Kommunen aus unterschiedlichen Sparten zusam- menarbeiten. Historische Regionalzeitungen sind ein stark gefragter Bestand in den Archiven und Biblio- theken. • Auch spielt das Thema „Nutzung der digitalen Mög- lichkeiten in der Kunst“ weiterhin eine wichtige Rolle. Die eingangs erwähnte Akademie für Digitalität und Theater ist hierfür ein gutes Beispiel. Besonders aktiv im Bereich der digitalen Künste ist auch das medienwerk.nrw. Hier sind neue Qualifizierungs-, Förder- und Präsentationsformate vorgesehen. Die Förderung soll noch weiter ausgebaut werden. Anhand dieser Beispiele wie auch der Aktivitäten in OWL lässt sich erkennen, dass die Digitalisierung im Kulturbereich ein sehr vielfältiges und sich wandeln- des Themenfeld ist. Es werden bereits viele wichtige Projekte umgesetzt. Trotzdem besteht weiterer Hand- lungsbedarf, um die Potenziale der Digitalisierung für den Kulturbereich noch stärker zu nutzen und Antwor- ten auf die Herausforderungen zu finden, vor die die Digitalisierung den Kunst- und Kulturbetrieb stellt.“ Dr. Kaluza bedankt sich für die Aufmerksamkeit der Teilnehmer. 10
Keynotes Keynotes 1 | Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung Dr. Christian Esch, NRW KULTURsekretariat (Wuppertal) 2 | Kulturpolitik in der digitalen Welt Dr. Norbert Sievers, Kulturpolitische Gesellschaft e.V. 11
Keynote 1 | Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung Dr. Christian Esch: Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung 1. Von Kunst soll hier die Rede sein, von ihrer Produk- sich stärker. Dabei gab es in der Kunst, insbesonde- tion und der Vermittlung – insbesondere im digitalen re im Bereich Performance und Intervention, schon in Kontext. der analogen Zeit nach 1960 zahlreiche Produktionen, die ganz ähnlich denjenigen waren, die wir jetzt ver- Lassen Sie mich am Anfang ein paar allgemeine Beob- stärkt im Digitalen erleben. achtungen anbringen. Erst einmal: Künstlerische Produktion ist ein Prozess. Manches von diesen Formen des Produzierens, also Das klingt banal, aber: Dieser Prozess der Produkti- des Entwickelns von Kunst und Kunstwerken, hatte zu- on spielt sich seit langem in zumindest manchen Be- mindest indirekt mit digitalen Entwicklungen der 50er reichen der Kunst anders ab als das noch für viele und 60er Jahre zu tun. Insbesondere zu nennen ist gerade in traditionelleren Kunstformen Tätige den An- hier die Spieletheorie, die in der Computertechnik des schein hat. Wie der Prozess zu einem wesentlichen Militärs im Kalten Krieg eine wichtige Rolle spielte. Das Kennzeichen des Produzierens geworden ist, das hat responsive „Wenn-Dann“-Modell der virtuellen militä- eine Menge auch mit dem Vormarsch des Digitalen zu rischen Szenarien mit dem Interaktionsablauf und dem tun. Ineinandergreifen der unterschiedlichsten Faktoren Dieser Vormarsch ist in den meisten Bereichen deut- gleicht in mancherlei Hinsicht künstlerischen Ansätzen lich schneller und wirksamer weitergekommen als je- wie etwa Fluxus mit den interaktiven Happenings oder denfalls in den traditionellen Bereichen von Kunst und auch dem Miteinander von Komponist und Interpret Kultur. Erst jetzt, langsam aber unsicher, öffnen sie bei der zufallsgeleiteten, sog. aleatorischer Musik. 12
Keynote 1 | Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung 2. Lassen Sie mich nach diesem Exkurs einmal ein paar So viele Verbindungen es gibt - die Kunst, sie macht Wesensmerkmale sowohl des zunehmend verbrei- dann doch den Unterschied. Ein Unterschied: Am teten analogen skizzieren, als dann auch relevante Ende des Prozesses der Produktion steht bei ihr zwar Entwicklungen des Produzierens im Digitalen. Dabei ein – übrigens nicht notwendigerweise endgültiges – spreche ich, wohl gemerkt, vor allem vom Performa- Produkt, das aber, anders als in der Wirtschaft oder tiven. im Handwerk, oft keinen definierbaren Wert oder Preis hat. Wieder anders das Produkt von gesellschaftlichen Dass es sich bei Kunst oftmals um Produkte von vielen und politischen Prozessen, das aus Ideen, entspre- handelt, ist nicht neu. Dafür waren früher Malerwerk- chenden Auseinandersetzungen und Taten entsteht, stätten Beispiele oder auch Theaterproduktionen der und eng verbunden ist mit Diskurs oder Konflikt, Wil- Commedia dell´Arte oder eines Molière, um nur wenige lensbildung, Überzeugung oder Handlung. Beispiele zu nennen. Künstlerische Produktion heute aber ist - und ist es zunehmend - ein Mit -und Gegenei- Das künstlerische Produkt, also die Kunst, ist dagegen nander unterschiedlicher Personen, Kompetenzen und meist mehrdeutig. Kunst vermittelt gleichermaßen Vor- Kräfte auf der berühmten Augenhöhe. Es ist ein Spiel läufigkeit und Gültigkeit, ist gleichzeitig Frage und Ant- der Kräfte, so wie das für die heutige, freiheitliche Kul- wort, Prozess und Konkretion, kann randständig sein tur und Gesellschaft gilt, gewissermaßen ein Checks und relevant in einem. In diesem Doppelcharakter, ei- and Balances. ner sozusagen eindeutigen Uneindeutigkeit, liegt oft ihr Wert, der allerdings etwas anderes ist als der Preis und Beides, die Kunstproduktion und die kulturelle bzw. auch etwas anderes als die gesicherte oder auftrump- gesellschaftliche Produktion, hängen, natürlich und tat- fende gesellschaftliche oder politische „Position“ - ob- sächlich, zusammen. Dies schon deshalb, weil Kunst wohl dieser Begriff in der Bildenden Kunst so heimisch immer aus einem nicht nur ästhetischen, sondern auch geworden ist. gesellschaftlichen oder politischen Anliegen heraus entsteht, so oder so, egal, ob das nun vom Künstler Künstlerische Ergebnisse beanspruchen mehr zu sein oder der Künstlerin ausdrücklich formuliert und immer als das, was sie im Gewand des dinglichen Produkts und jederzeit reflektiert wird. oder von diskursiven Thesen vorläufig zu sein schei- nen, sind also, zumindest im Falle des Gelingens, Kunst- Besonders in der digitalen Produktion wird das ge- werke, die auf ästhetische Weise sinnfällig werden über meinsame künstlerische Ziel in einem Prozess des das hinaus, was konkret erfassbar ist bei analoger Be- vernetzten Arbeitens entwickelt, mit verschiedenen trachtung oder digitaler Interaktion bzw. Responsivität. Kompetenzen und Perspektiven. Kunst ist relevant und randständig, gültig und vorläufig, habe ich gesagt. Durch diese Mehrdeutigkeit, um nicht In einem Symposium im Rahmen unseres seit 10 Jah- Zwielichtigkeit zu sagen, ist sie eigentlich nicht zu ge- ren wachsenden Next Level Festivals for Games zur brauchen und auch insofern anders als das Produkt Kunst und Kultur der digitalen Spiele haben wir, das der materiellen Fertigung und des sozialen Mit- und NRW Kultursekretariat und zahlreiche Partner und Ex- Gegeneinanders, das sie zwar auch ist, aber eben nicht pertinnen zuletzt über die digitale künstlerische Pro- nur. duktion gesprochen, und haben das übrigens auch digital und interaktiv inszeniert, abweichend vom üb- Das zeitgenössische künstlerische Produzieren selbst lichen, überwiegend frontalen Muster von Symposien entfaltet sich also zunehmend im Mit-, aber auch Ge- und Konferenzen. geneinander von Personen, Kompetenzen und Kräften. Es ist dabei ein Zusammenspiel unterschiedlicher Mo- Klar ist: Die künstlerische Arbeit – nicht jede und nicht dule z.B. der Bühne, des Lichts, von Bild, Klang, Tech- immer, aber häufig - verändert sich mit der eigenen nik, Raum und Wort. Zeit, mit ihrer komplexen Heterogenität, der intensiven Gleichzeitig lässt sich in der Kunst, wie wir sie heute Kommunikation und auch der zunehmenden Ökonomi- zunehmend antreffen, das Produkt, also das Werk, vom sierung. Die Kunst wandelt sich mit der wachsenden Produzieren nicht mehr wirklich trennen. Dazu gehört Ausdifferenzierung des, ja: auch analogen Netzwerks, auch, dass neben die klassische, singuläre Autorschaft zunehmend jedoch auch der digitalen Struktur unserer DES Künstlers, DER Künstlerin die gemeinschaftliche Kultur und Gesellschaft. Arbeit tritt. Insbesondere gilt das für die Performan- 13
Keynote 1 | Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung ceKunst, denken Sie an Rimini-Protokoll, Sheshe Pop Die Partizipation und Verknüpfung ist selbst schon Teil oder, hier in der Nähe, an das Kain Kollektiv. Den Fluxus der digital beschleunigten und insoweit veränderten der Vergangenheit habe ich bereits genannt. Kommunikation, dass sie in besonderem Maße interak- tiv, responsiv und multiperspektivisch angelegt ist, so- Mit der Performance-Künstlerin Brigitta Muntendorf wohl linear von Mund zu Mund, von Impuls zu Impuls, gesagt, entstehen solche Produktionen in einer „Com- als auch simultan, ineinander verschränkt und verbun- munity of practice“. Eine solche Community findet sich den mit der digitalen Verknüpfung analog entfernter auch in wechselnden Konstellationen, in ihrer virtuellen Orte. „Garage“ ein - so heißt das changierende Ensemble aus Sängerinnen, Schauspielern, Instrumentalistinnen, Statt getrennter Blackboxes - hier die Performance, Netzwerkaktivisten und Autorinnen. dort der Betrachter – werden damit Schnittstellen zu Aktionsfeldern, wird die Kommunikationsplattform zum Der Konzeptkünstler Jochen Gerz, mehr als doppelt performativen oder zum virtuellen Raum, der seiner- so alt wie Muntendorf, nannte dergleichen schon seit seits zum Echoraum der Beteiligten wird. Jahrzehnten, mit einem etwas anderen Akzent, „Public Authorship“. Ein Beispiel war sein mit dem NRW Kul- Besonders an den Games, den Computerspielen, die tursekretariat entwickeltes Kunstprojekt 2-3 Straßen, großes künstlerisches Potential haben (unser bereits als er 2010 im Ruhrgebiet knapp 100 Kreative aus der erwähntes NLF macht das Jahr für Jahr erlebbar) – an Welt zusammenbrachte. Sie schrieben, jeder für sich, den Games z.B., aber auch an veränderten Erzählfor- ihre jeweiligen Eindrücke und Gedanken in einen digi- men, den Narrativen der performativen, visuellen und talen Speicher hinein, versenkten sie geradezu, da sie auditiven Künste wird deutlich, dass es einen lange anschließend ihrem Zugriff entzogen waren. Aus der vorbereiteten Wechsel vom Verständnis einer Kunst Zusammenfügung dieser Einträge ergab sich dann der gibt, die bis vor wenigen Jahrzehnten in der Regel dem resultierende, individuell-kollektive Text. Sende-Empfänger-Modell gehorchte. Sie sendete: Im theatralen Bereich von der Bühne oder, –auf dem Ge- Wie in solchen Beispielen, kommen überhaupt Men- biet der visuellen Kunst, von den Wänden bzw. Sockeln, schen, Disziplinen und Kompetenzen gleichsam als und zwar in Richtung der Empfänger der inhaltlichen verschiedenartige Module zusammen in einer digitalen oder ästhetischen Botschaft. Gesellschaft, deren „Struktur das Netzwerk“ ist, so die Analyse des Sozioligen Dirk Baecker. Entsprechend Welche Bedeutung und Resultate die responsiven Pro- umfassend ist das verbindende digitale und analoge zesse haben, das lässt sich am „Publikum“ zeigen, das Netz aus all diesen modularen Aspekten. zum Akteur wird. Gerade in der künstlerischen Produktion der letzten Jahre und Jahrzehnte werden die Künste und Diszi- Künstlerische Produktion im Digitalen ist also Verknüp- plinen, aber auch die Perspektiven und Arbeitsweisen fung und die regelmäßige, schnittstellenbedingte Ver- zunehmend vernetzt und verknüpft. Module verbinden, änderung bekannter Kommunikationsmodelle von Sen- überlagern, wandeln sich. Gleichzeitig vernetzen und der und Empfänger. Der Nutzer des Angebots schafft verknüpfen sich die Akteure und Produzenten. also dessen Inhalte teilweise selbst. Ob in den Com- puterspielen, ob im Internet oder in der partizipativen 3. Kultur, ob zunehmend auch in der politischen Arbeit Die Verknüpfung prägt die digitalen Prozesse und ihre oder in der Bildung: Mit einem Begriff aus dem digitalen Produktionen, die in operativen Netzwerken stattfin- Web gesagt, geht es im Kern um den „User Generated den, in den Communities, einem idealerweise partizi- Content“. pativen Ineinander von Publikum und Künstlern. Digitale Produktion ist Kommunikation (und manchmal Gerade im digitalen Bereich ist eben die Verknüpfung, auch beschränkt auf die eigene Blase resp. Komfortzo- wenn nicht alles, so doch jedenfalls Vieles. Die Com- ne – das soll übrigens auch im analogen Bereich vor- munity verknüpft sich nicht nur untereinander, sondern kommen). In sich oder zumeist doch auch über sich schon beim Produzieren, und das auch über sich hi- hinaus, agiert sie responsiv, interaktiv und – in diesem naus. Auf diese Weise wird das zukünftige Publikum Sinne freilich nur – auch integrativ. Insoweit enthält sie schon in dieser Phase zum Mitwirkenden. Auch des- schon alle Anteile der Vermittlung, ob über Social Me- halb ist die Vermittlung von vornherein ein integraler dia oder über die Integration von Koproduzenten. Teil des Ganzen und also überhaupt nicht zu trennen Das Entscheidende für das Gelingen der Vermittlung von der Entstehung und dem Erlebnis der Kunst. bleibt aber, ergänzend, der unmittelbare Kontakt, also 14
Keynote 1 | Digitalität in Kunst, Produktion und Vermittlung die unersetzliche analoge und physische Ansprache. Gerade in der Digitalität geht es nun einmal um die Erst recht im Bereich der digitalen Produktion, ist Ver- Verknüpfung und die Schnittstellen, die Kommunikation mittlung nicht etwas, das am Ende hinzugefügt wird, und auch um ein darin angelegtes Vermittlungspoten- um ein Ergebnis an Kind, Mann oder Frau zu bringen. tial, das es allerdings durch klare Ansprache wirksam Vermittlung ist, wenn sie wirklich gelingen soll, intrinsi- zu machen gilt -all dies und das bewegliche Miteinan- scher Bestandteil der Produktion selbst, von ihren An- der der angesprochenen Disziplinen neben der Kunst fängen an. Produktion ist Vermittlung, Vermittlung ist kennzeichnen die digitale Arbeit und Produktion. Produktion. Oder auch: Vermittlung ist Kunst, Kunst ist Vermittlung. 5. Entsprechend beweglich müssen auch die Unterstüt- 4. zung und Förderung der digitalen Kunst und Kultur Ich glaube, aus alledem ergibt sich, wo die Möglich- samt ihrer Vermittlung angelegt sein: Im Zentrum keiten und Chancen des Digitalen, gerade auch im Be- müsste die Bereitstellung von Technologie und dazu- reich der Kultur und Kunst liegen. Digital ist potentiell gehörige Qualifizierungsangebote stehen, mit einer überall und verknüpft, auch über große Distanz. Dass großen thematischen Offenheit für die genannten The- Digitales oft genug auch trennend und konfrontativ menfelder auch über die Kultur hinaus, von denen ich wirken kann, ist dazu kein Widerspruch, sondern die einige genannt habe. andere Seite der Medaille. Das Ganze wäre mit den erforderlichen, umfangreichen Künstlerische Produktion jedenfalls kann kommunikativ Fördermitteln auszustatten und in einer beweglichen, und community-generierend wirken, auch und gerade modularen Struktur zu gestalten, als zentral gelenktes, über Distanzen hinweg. Physische Räume spielen in mobiles Institut mit der Fähigkeit, anzudocken und sich diesem Zusammenhang tatsächlich eine vergleichs- beweglich mit den Kompetenzen, Ideen und Institutio- weise geringe Rolle. Das ist die große Chance gerade nen zu verknüpfen. im ländlichen Raum – wenn dann endlich mal die Kabel liegen und die Masten stehen. Dass sie liegen und ste- Die Netzwerk-Struktur der Kommunen als Partner für hen, ist übrigens auch eine wesentliche Voraussetzung ein entsprechendes Fördermodell in NRW gibt es be- für das Gelingen der Dritten Orte im ländlichen Raum, reits mit den NRW Kultursekretariaten oder auch mit die ohne digitale Kommunikation und Interaktion keine den Regionen, um so sicherzustellen, dass die digitale Perspektive haben werden. Kultur angemessen unterstützt werden kann: nämlich polyzentrisch wie NRW mit seinen Städten und Regio- Jedenfalls müssen für das zeitgemäße künstlerische nen, mobil wie ihre Bewohner, verbindend in der Flä- und kulturelle Arbeiten auch zum einen technische che, so kompetent wie die Partner-Institutionen und und technologische Voraussetzungen geschaffen wer- Künstlerinnen und vernetzt wie das Digitale. den. Zum anderen braucht es die Qualifizierung der Künstler, der Musikerinnen, der Produzenten und der Akteure insgesamt, technisch, aber nie losgelöst von den Inhalten – da digitale Technologie nie von ihrem Content getrennt werden kann: Technik, Ästhetik und Inhalt gehören hier ähnlich zusammen wie, sagen wir: Sein, Design und Bewusstsein . Die Inhalte ergeben sich aus den vielfältigen Bezügen des Digitalen, das ein Querschnittsbereich par excel- lence ist, beweglich, vernetzt und eben verbunden mit vielen Themen: Gesellschaft, Bildung, Design, Kreativ- wirtschaft, auch Umwelt. Das mag in manchen Ohren nach Gemischtwarenladen klingen. Ich habe ja schon die Verbindungen von künstlerischer, gesellschaftli- cher und wirtschaftlicher Produktion angesprochen. Ich habe auf das Zusammenspiel der verschiedenen Kompetenzen, Kräfte und Disziplinen im Produktions- prozess verwiesen. 15
Keynote 2 | Kulturpolitik in der digitalen Welt Dr. Norbert Sievers Der Fortschrittsoptimismus der Moderne ist erschöpft Kulturpolitische Gesellschaft e.V. (Es gilt das gesprochene Wort) Und die Botschaften sind ja auch nicht angenehm und eigentlich will niemand sie wirklich hören. Das ist Als ich gebeten wurde, heute ein kurzes Statement zum bei der Digitalisierung ähnlich wie beim Klimawandel. Thema „Kulturpolitik in der digitalen Welt“ vorzutragen, Themen, die erkennbar große Gefahren in sich ber- war ich zunächst zurückhaltend: Ist nicht schon alles gen, werden aus dem Bewusstsein ausgeblendet und gesagt, was aus kritischer Perspektive zu sagen ist? dies wird auch noch politisch sekundiert: Digital first, Wissen wir nicht schon zur Genüge, welche Büchse Bedenken second. Deutschland muss aufholen, wohl- der Pandora mit der Digitalisierung und der Entwick- möglich Weltspitze werden in Sachen künstliche Intelli- lung der künstlichen Intelligenz geöffnet worden ist, genz, sonst droht der wirtschaftliche Abschwung. Das ohne zu wissen, wie sie – zumindest demokratisch – ist alternativlos. Ich frage Sie: Was soll da Kulturpolitik zu kontrollieren ist? Ist die Begeisterung, mit der tech- ausrichten? Als kritische Instanz, präziser: als Förderin nologische Innovationen auf den gesellschaftliche Plan der Künste und Kultureinrichtungen, die die kritische zu treten verstehen, nicht längst einer Desillusionierung Reflexion in der Gesellschaft ermöglichen und humane gewichen? Ist nicht, was früher auf den samtenen Pfo- Perspektiven erörtern sollen, ist sie gegenüber diesen ten des Freiheits- und Fortschrittsversprechens da- Megamächten und -argumenten hilflos. Das war viel- herkam und deswegen gerne willkommen geheißen leicht noch nie wirklich anders. Aber immerhin haben wurde, längst einer Ernüchterung gewichen? Wer mag wir uns doch die Illusion lange bewahrt und damit ließ noch wirklich fröhlich in die Zukunft schauen, wer sich es sich doch auch gut leben. Und genau darin besteht vor Augen führen, welche gigantischen Möglichkeiten die erste These, über die zu diskutieren wäre: Der der Menschenkontrolle und Gesellschaftssteuerung Fortschrittsoptimismus der Moderne, der sich auch als mittlerweile zur Verfügung stehen, die entweder von Versprechen auf ein gutes Leben für alle las, ist irritiert einigen Weltkonzernen oder zunehmend undemokrati- und führt zu einem neuen Unbehagen in der Kultur und schen Staaten genutzt werden? Es ist bemerkenswert, Kulturpolitik. Kann sie angesichts der neuen Heraus- wie sehr sich die Stimmungen und Einschätzungen zur forderungen noch demokratische Gesellschaftspolitik Digitalisierung im kulturpolitischen Diskurs in den letz- sein? Oder ist dieser Anspruch nicht vielmehr ein ten Jahren verändert haben. Selbstbetrug? 16
Keynote 2 | Kulturpolitik in der digitalen Welt Die Konzeption und Legitimation der Kulturpolitik genannten Öffentlichkeiten kommuniziert wurde, in steht zur Disposition größeren Öffentlichkeiten nachhallen und gesellschaft- liche Wirkung entfalten. Um es kurz zu machen: Diese Der Umgang mit dem Thema Digitalisierung ist in der Statik gerät durch die Digitalisierung bzw. durch die Kulturpolitik bisher jedenfalls eher zurückhaltend. Si- damit verbundene technologische Revolution ins Wan- cher, es gibt die Versuche, das Urheberrecht auf die ken. Im Zusammenhang mit diesem durch Digitalisie- neue Situation einzustellen, es gibt zahlreiche Ansätze, rung dynamisierten Strukturwandel der Öffentlichkeit die neuen digitalen Techniken in der Kulturprodukti- sprach der Kultursoziologe Gerhard Schulze schon vor on und -vermittlung einzusetzen, die Computerspie- vielen Jahren von Marginalisierung und Auflösung ei- le werden schon länger als Kulturgut anerkannt und ner die Mitte der Gesellschaft repräsentierenden Kultur mehr Medienkompetenz wird schon seit Jahrzehnten in einen „Schaumberg“ aus zahllosen kleinen Kultur- gefordert. Aber alles das reicht nicht annähernd aus, bläschen ohne verbindende Qualität und gesellschaft- um die kulturelle Dimension zu erfassen und die kul- liche Resonanz. turpolitischen Herausforderungen zu benennen, die mit dieser technologischen Revolution von oben verbunden Der Allgemeinheitsanspruch der Kulturpolitik erodiert sind. Digitalisierung verändert Seh-, Hör- und Denkge- wohnheiten und sie verändert unsere Arbeit und Kom- Präziser als Gerhard Schulze hat in jüngerer Zeit munikation, unser Handeln und unser Denken. Digitali- Andreas Reckwitz den durch den Prozess der Digita- sierung ist damit ein Kulturprozess ersten Ranges, der lisierung beschleunigten Strukturwandel der Moderne in seiner Bedeutung für das Leben der Menschen gar im Übergang von der Industrie- zur Spätmoderne ana- nicht überschätzt werden kann, weder in ihren Chan- lysiert und dabei auch Konsequenzen für die Kulturpo- cen noch in ihren Risiken. Kulturpolitik ist in allen Berei- litik offengelegt. In seiner Gesellschaft der Singularitäten chen, für die sie Verantwortung trägt, davon betroffen: (2017, Suhrkamp Insel) sieht er eine besondere „Logik in ihren ordnungspolitischen Grundlagen, in ihren infra- des Besonderen“ und eine „Kulturalisierung des Sozi- strukturellen Vorsorgeleistungen, in der vielgestaltigen alen“ am Werk, die das für die bürgerliche Gesellschaft Kulturförderung, bei der Bewahrung und Vermittlung und ihren Kulturbegriff zentrale Allgemeine in den Hin- des Kulturellen Erbes, in der Kulturellen Bildung, vor al- tergrund dränge. Im Zentrum der Spätmoderne, die lem aber in ihrem demokratiepolitischen Anspruch. Es Anfang der 1970er Jahre ihren Ausgangspunkt hatte, scheint, als stünde die gesamte Konzeption und Legiti- steht für ihn nicht mehr nur die industrielle „Produktion mation der Kulturpolitik zur Disposition. Was bedeutet von Maschinen, Energieträgern und funktionalen Gü- dies? tern“, „sondern die expansive und den Alltag durchdrin- gende Fabrikation von Kulturformaten […], also von Tex- Der Strukturwandel der Öffentlichkeit dynamisiert ten, Bildern, Videos, Filmen, phatischen Sprechakten sich und Spielen.“ Durch Digitalisierung wird – so Reckwitz – die moderne Technologie „in ihrem Herzen erstmals Die Begründung öffentlicher Kulturförderung war und zur Kulturmaschine“, die ganz neue Voraussetzungen ist in Deutschland eng verbunden mit der Idee der kul- für die kulturelle Praxis mit sich bringt: turellen Öffentlichkeit als ein Kernelement der reprä- sentativen bürgerlichen Öffentlichkeit. Sie war und ist 1. Die durch die Digitalisierung mögliche Überproduk- – wo es sie noch gibt – verbunden mit grundlegenden tion der Kulturformate und deren allgegenwärtige Vorstellungen und Wertbegriffen wie Urheberschaft Präsenz und Nutzbarkeit, und Eigentum, Original und Kopie, Aura und Authenti- 2. Die Stärkung der Publikumsrolle gegenüber der zität, Individuum und Kollektiv, Autonomie und Kontext, Produzentenrolle, Werk und Kanon. Diese Begriffe stehen in gewisser 3. Die Auflösung des Kanons und die damit verbunde- Weise für die programmatische Statik der Kulturpolitik, ne weitere Enthierarchisierung der Kultur, die verbunden war mit einem bestimmten Rollenver- 4. Die Momentanisierung und Aktualisierung der Kultur ständnis der Künstler, des räsonierenden Publikums und und einer Kunstkritik, deren Rezensionen Qualitäten 5. die erweiterten Möglichkeiten zur Rekombination definierten, die so schließlich einen Kanon begründen und des Remixes der Kulturformate und die damit konnte, der bis in den Schulunterricht hinein gelehrt verbundene Verwischung von Original und Kopie. wurde. So konnte, was in den kleinen, repräsentativ 17
Keynote 2 | Kulturpolitik in der digitalen Welt Nach Reckwitz erleben wir gegenwärtig – jenseits von mentanisierungs- und Aktualisierungsbedürfnis Rech- den Offerten des öffentlichen Kulturbetriebs – eine nung tragen. Der Wunsch nach mehr Authentizität, gigantische Kulturalisierung der Gesellschaft, die ge- Erlebnis und Vielfalt steht ganz oben auf der Agenda trieben ist durch das Bedürfnis nach affektgeladener des Kulturmanagements und es wird jede Möglichkeit Teilhabe und eigenaktiver Kreativität und gesteigert genutzt, das Singuläre zu inszenieren. Das „Regime und ermöglicht wird durch die Optionen der Digitali- des Neuen und Besonderen“ gewinnt auch im öffent- sierung und der Unterhaltungs- und Kreativökonomie. lichen Kulturbereich die Oberhand und verdrängt die Die Spätmoderne ist also keine kulturlose Gesellschaft, „Logik des Allgemeinen“ (Andreas Reckwitz), also des ganz im Gegenteil. Nur ist die Kultur, um die es hier Kanons, des Repertoirs, der Standards und der über- geht, eine andere als die der bürgerlichen Moderne, aus lieferten Narrative, die die traditionelle Kultur bislang der viele der öffentlichen Kultureinrichtungen kommen. geprägt haben. Öffentlich finanzierte Programme, Für Reckwitz trägt der Prozess der spätmodernen namentlich der Kulturstiftung des Bundes, sollen Kul- Kulturalisierung sogar „zur Auflösung des Allgemein- tureinrichtungen dabei helfen, ihre Transformation ins heitsanspruchs der Kultur bei, der in der klassischen neue digitale Zeitalter zu bewältigen. Die boomenden Moderne existierte“ (ebd.: 242) und der – so ließe sich Maßnahmen der kulturellen Bildung sorgen für die not- ergänzen – eine wesentliche Legitimationsressource wendigen Qualifikationen und Singularitätskompenten- der öffentlichen Kulturförderung bis heute ist. zen, die die kulturelle Partizipation und Aktion und die zur gesellschaftlichen Erwartung gewordene Kreativi- Kulturbetriebe im Transformationsdruck tät der neuen Kulturkonsumenten und -prosumenten voraussetzen. Bibliotheken werden zu „Dritten Orten“ Die durch die Digitalisierung und Globalisierung ge- umgestaltet und an die Museen wird die Erwartung schaffene „Kulturmaschine“ in der Spätmoderne bringt herangetragen, ihre Ausstellungs- und Vermittlungs- also die herkömmliche Kulturpolitik in Gefahr, die noch konzepte und ihren Begriff vom kulturellen Erbe zu sehr stark durch die Strukturen, Werte und Bewertun- überprüfen, weil auch dieser aus einer anderen Zeit gen der Industriemoderne geprägt ist. Das wissen wir stammt. Es ist also ein enormer Druck im Kulturbetrieb. nicht erst seit gestern. Im Grunde ist die Neue Kultur- politik, deren Entstehen wir in Westdeutschland zeitlich ebenfalls Mitte der 1970er Jahre ansetzen können, eine Kulturumwälzung durch Digitalisierung frühe Reaktion auf den beschriebenen Strukturwan- del. In der klaren Bezugnahme auf postmaterialistische Hinzu kommen jetzt die digitalen Optionen. Die ra- Werte, der damaligen Institutionen- und Kunstkritik, sante technologische Entwicklung, insbesondere die der Erweiterung und Enthierarchisierung des Kultur- Entwicklung von Techniken, die sich der Künstlichen begriffs, der Aufwertung der Kulturvermittlung, den Intelligenz bedienen, werden immer mehr neue Optio- Versuchen, Kultur und Alltag zu verbinden, und in den nen generieren und den Transformationsdruck auf die ersten multikulturellen Ambitionen ist eine klare spät- Kultureinrichtungen verstärken. Welche erfreulichen moderne Ausrichtung zu erkennen. Die Ideen dieser und beängstigenden Möglichkeiten darin liegen, kann in utopischen oder heroischen Phase der Neuen Kultur- dem Beitrag von Frank Tentler am Beispiel des Amster- politik sind heute einem Pragmatismus der Verände- damer Van-Gogh-Museums im Heft 160 der Kulturpo- rung gewichen, der mit dem Begriff der Transformation litischen Mitteilungen nachgelesen werden. Die Mög- gefasst wird, deren Notwendigkeit durch die Digitalisie- lichkeit der hochindividualisierten Museumsführung rung noch einmal enorm verstärkt worden ist. durch Hologramme, die der Singularitätserwartung im Reckwitz’schen Sinne Rechnung tragen, gibt einen Der Kulturbetrieb stellt sich bereits auf diese Entwick- kleinen Blick frei auf eine nahe Zukunft der kulturel- lung ein und tritt mit entsprechenden Konzepten auf. len Infrastruktur, die uns heute noch wie Sciencefiction Neue Veranstaltungsformen entstehen, die dem Mo- vorkommt. Dies zeigt an, wie sehr es jetzt kulturpoli- 18
Keynote 2 | Kulturpolitik in der digitalen Welt tisch darauf ankommt, die „Kultur der Digitalität“ aktiv Die Zivilgesellschaft ist gefragt zu gestalten. Wer glaubt, was in so manchen kultur- politischen Programmpapieren zu lesen ist, es sei mit Ich weiß es nicht. Vielleicht brauchen wir angesichts der Digitalisierung von Archivgut oder die digitale Qua- der epochalen Veränderungen nichts weniger als eine lifizierung von Websites, PR- und Audience-Develop- neue Aufklärung über die Optionen und Risiken der Zu- ment-Strategien oder auch der Medienpädagogik ge- kunft und eine Auseinandersetzung über die Frage, wie tan, weiß nicht, was die Stunde geschlagen hat und die wir eigentlich in Zukunft leben wollen. Notwendig ist ein Zukunft bringen wird. Wir haben es nicht nur mit einer neues Denken, das das politische Diktum der Alternati- Digitalisierung der Kultur zu tun, sondern mit einer ge- vlosigkeit und des unbeirrbaren Technikglaubens über- sellschaftlichen Kulturumwälzung durch Digitalisierung windet und auch verschiedene Alternativen vorstellbar mit ihren Chancen, aber auch ihren großen Risiken. macht. Der Staat oder die Staaten werden dies alleine nicht können und befördern. Hier sind die Menschen Die transhumane Gesellschaft ist keine Utopie und die Zivilgesellschaft gefordert. Sie müssen die Macht über ihre Daten erobern und mithilfe von Kunst Denn: Als wäre es nicht genug, die kulturellen Folgen der und Kultur die Gegengeschichten zum Narrativ eines Digitalisierung im Kulturbereich zu erkennen und darauf technikbasierten Fortschritts erzählen, ohne dass die angemessen zu reagieren, steht als Realutopie gleich Stimmung in Technikfeindlichkeit umschlägt. Wenn eine weitere Perspektive vor der Tür, die realistischer ist wir nicht die Werte unserer Zivilisation bestimmen als uns lieb sein kann: die Möglichkeit einer transhuma- und festlegen, werden dies in Zukunft Google, Apple, nen Gesellschaft, in der Subjekt und Objekt verschwim- Facebook und Amazon tun. Kulturpolitik kann an die- men, nicht nur in der Kunst, sondern auch im täglichen sem Aufklärungsprojekt nur dann aussichtsreich mit- Leben, in dem hybride Konstellationen aus Menschen wirken, wenn sie sich als Gesellschaftspolitik versteht und Technologien entstehen können, die zu autonomen und diesen Anspruch nicht nur in Parteiprogrammen Quasi-Subjekten mutieren. Schon jetzt werden wir lang- und bei Sonntagsreden vor sich herträgt, sondern als sam vorbereitet auf die posthumane Zukunft. Roboter unhintergehbaren Auftrag auch im politischen Alltag sollen in der Pflege aushelfen, Kinder unterrichten oder ernst nimmt. Darüber hinaus muss sie die Kultur der durch Museen führen. Autonome Fahr- und Flugzeuge Digitalität als wichtiges und notwendiges Wirkungsfeld sorgen zukünftig für noch mehr Mobilität und Bequem- erkennen und sich aktiv mit Technologien, ihren Ide- lichkeit. Drohnen beliefern uns mit Waren und ‚vertei- en und Auswirkungen auseinandersetzen. Kulturpolitik digen‘ uns in Kriegsgebieten, natürlich alles im Namen muss reflexive, also sich stets selbst in Frage stellende, der Entlastung, des guten Lebens und der Freiheit. Das Digitalisierungspolitik werden, auch wenn sie an den „Internet der Dinge“, „Smart-Homes“ und „Smart-Ci- großen Stellschrauben nicht wird drehen können! Ob ties“ verstricken uns immer mehr in eine total vernetz- das möglich ist? Wir werden es erleben. te Welt, die Vieles möglich macht, aber Grundlegendes auch unmöglich. Das „Social Credit Programm“ in China, Dr. Sievers bedankt sich für die Aufmerksamkeit der das selbst Orwells Dystopie in den Schatten zu stellen Teilnehmer. scheint, erfüllt uns mit Schrecken. Superreiche arbeiten daran (sorry: lassen daran arbeiten), sich unsterblich machen zu können. Ist das die „Schöne neue Kultur- welt“? Wie sähe darin Kulturpolitik aus? 19
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