PERSPEKTIVEN 2025 Handlungsfelder für die Textilforschung der Zukunft
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FORSCHUNGSZIELE NACH 6–9 THEMENFELDERN Das Wichtigste zum Schluss: gebündelte For- rialien für pflanzliche/tierische Zellen; selektive Filter- modelle, um in dynamischen Netzwerken und Kleinst- ❭❭ schungsziele als Destillat aus 250 textilen Visionen. Sie sind Ergebnis der über einjährigen materialien mit sensorischen Eigenschaften zur Trinkwas- seraufbereitung; Geotextilien für Landwirtschaft in heute fabriken zu entwickeln und produzieren; Weiterentwick- lung der IT-Unterstützung für Transparenz, Simulation, 12–15 Zukunfts-„Reise“ des Textilforschungskuratori- unfruchtbaren Gebieten; textile Lösungen gegen Boden- Koordination, Kommunikation, Wissensmanagement ums in das Jahr 2025. Fazit: Für das nächste Jahr- erosion; Textilien zur Wassergewinnung in trockenen Ge- zehnt erkannte Themenschwerpunkte müssen in bieten; Ersatz von Kunststoffverpackungen durch textile WOHNEN den kommenden Jahren mit vorbereitenden For- Materialien oder faserbasierte biologische Verbundma- Oberflächen-Funktionalisierung mit den Eigenschaften 16/17 PERSPEKTIVEN 2025 schungsprojekten auf den Weg gebracht werden. terialien; textile Lösungen für Gemüse und Obstanbau an Gebäudefassaden und in „grünen“ Raumteilern dauerhaft, haltbar und verschleißbeständig; lichtemittie- rende Textilien; reversible, steuerbare Farbwechseleffek- ARCHITEKTUR te; Beschattungstextilien mit einstellbarer Transparenz; In enger Zusammenarbeit mit einem „Zukunftslotsen“ haben rund 80 Un- Textile Sensoren zur Online-Messung und Integration in GESUNDHEIT Vertiefung des Forschungsfeldes Textilsensorik (Anzeige ternehmensmitarbeiter, Wissenschaftler und Studenten mit Blick auf das Jahr Tragwerken und Verkleidungen; Leichtbaustrukturen Entwicklung neuer biokompatibler Polymere und textiler der Dehnungsbelastung von Fasern, Erfassung der Be- 18/19 2025 die neuen Leitthemen für die Textilforschung entwickelt. Die Themen- nach bionischen Vorbildern; funktionale Faserbaustoffe, Flächen (z. B. künstliche Muskeln); textilbasierte Sensoren lastungshistorie); schall- und temperaturdämmende felder mit Seitenangabe auf einen Blick: die auf Wärme, Kälte, Licht und Wasser reagieren; Re- zur Integration in Bekleidung, Heim- und Haustextilien; Textilien cyclingkonzepte für Baumaterialien Herstellungsverfahren für räumliche Trägerstrukturen; Depot-Fasern mit pharmazeutischen Wirksubstanzen ZUKUNFTSSTADT ARCHITEKTUR BEKLEIDUNG ENERGIE BEKLEIDUNG und kontrollierter Freigabekinetik; aktorische Materialien „Textile Erde“ für lokale Nahrungsmittelproduktion als 20–23 S. 34/35 S. 6 –9 S. 18/19 Adaptive Materialien, die auf Feuchtigkeit, Hitze, Kälte, für künstliche Muskeln; Funktionalisierung textiler Ober- Speicher für Nährstoffe und mit Fähigkeiten zur Just-in- UV-Strahlung, Stoß bzw. Zug ansprechen und den Trä- flächen zur selektiven Abtrennung bioaktiver Schadsub- Time-Bewässerung; Nahrungsmittelanbau auf Dächern, ger schützen; Integration sensorischer Eigenschaften in stanzen an Fassaden und in Gebäuden; lokales Recycling von die Faser zur Erkennung von Schadgasen, Chemikalien Rohstoffen für Textilien (insbesondere leicht kompos- 24/25 ERNÄHRUNG GESUNDHEIT MOBILITÄT und biologischen Gefahrstoffen bzw. schädlicher Strah- MOBILITÄT tierbare Materialien); Lichtleitsysteme für Gebäude; Bio- S. 30 –32 S. 20 –23 S. 38/39 lung sowie zur Erfassung der Vitalparameter des Trä- Recyclingkonzepte für Verbundmaterialien zur sorten- nik-Verständnis für Flüssigkeitstransport (waagerecht gers; energieerzeugende und -speichernde Fasern; reinen Auftrennung und Wiederverwendung; Kunst- und senkrecht); textiler Leichtbau evtl. mit Bionik-Lösun- Verbesserung des Tragekomforts durch steuerbare Iso- stofferzeugung mit anschließender Weiterverarbeitung gen (Bambus, Schilf) lation, Luftdurchlässigkeit; steuerbare Farbwechselfunk- zu Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen bzw. über 30–32 PRODUKTION WOHNEN ZUKUNFTS- tion für Fasermaterialien; Produktionstechnologien für biotechnologische Produktionsverfahren; Funktions- BASISTHEMEN LOGISTIK S. 12 –15 STADT lokale, personalisierte, konsumentennahe Fertigung von integration in textile Flächen: Der Faden ist Sensor, me- Verarbeitungstechnologien für nachwachsende Roh- S. 16/17 S. 36/37 Bekleidung chanischer Aktuator und bekommt elektronische stoffe; Konzeption geschlossener Produktionskreisläufe; Funktionen, ist gezielt adressierbar, leuchtet, wärmt, recyclinggerechtes Produktdesign; Abbau- und Tren- ENERGIE kühlt, erzeugt Energie und speichert sie nungsverfahren für Multi-Material-Mischungen in Pro- 34/35 Informationen zu den Basisthemen auf den Seiten 24/25. Entwicklung der textilen Solarzelle zur Serienreife (Faden dukten; Erfahrungs- und Wissensmanagement in der wird zur Zelle, Flächen sind druckbar); Speicherung elek- PRODUKTION/LOGISTIK Ausbildung von Fachkräften trischer Energie in der Faser; piezoelektrische Fasern mit Erweiterung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe in höherem Wirkungsgrad; Fasern mit Energieerzeugung Verpackungsmaterialien; neue biologisch abbaubare Po- 36/37 nach dem Vorbild der Natur (Photosynthese); Raumtem- lymere aus nachwachsenden Rohstoffen; textiles Proto- peratur-Supraleiter in Faserform typing: 3D-Produktionstechnologien zur Verarbeitung von faserbasierten Werkstoffen; neue Materialien für ERNÄHRUNG leistungsfähigere und effizientere Textilmaschinen; An- Fasermaterialien, die Wasser und Dünger speichern, über lagentechnologien mit variablen Nutzungsmöglichkei- 38/39 weite Strecken transportieren und gezielt freigeben; ten; zentrale, vollstufige Produktionskonzepte für kleine biotechnologische Faserproduktion; Träger-, Zuchtmate- Losgrößen; neue Organisationsformen und Geschäfts- Bilder Umschlagseiten vorn: Ohne Tunnelblick in die Zukunft – Eingang zum Energieforum Berlin | Aachen: Prüfung neuer Mitglieder des Kernteams „Perspektiven 2025“ sowie Teilnehmer der Zukunftsworkshops und -seminare des FKT in Sachsen, Bilder Umschlagseiten hinten: Hans-Gerd Schmees stellt an einer 3D-Wirkmaschine in Denkendorf Gefäßprothesen her | Fasern zum Einsatz in Lichtbeton | Eiskunstlauf-Weltmeister Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy mit LED-Kostümen Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen | Hunderte Ideenzettel als Ergebnis Auffallend anders: Textilien mit drei Leuchtfarben | Textilforscherin Evi Held-Föhn begutachtet eine Zellkultur | Innovativ in die Zukunft mit Textilien aus Biomilchfasern
EDITORIAL TEXTILER STELLEN DIE WEICHEN Wer verantwortungsvoll gestalten will, muss vorausschauend denken und handeln. Jedoch stellt uns der Ausblick auf die nächsten 10, 15 Jahre naturgemäß vor große Fragezeichen. Bei Innovationen „made/created in Germany“ ist Was bleibt beim Alten, was entwickelt sich kontinuierlich und was sprunghaft weiter, wel- che neuen Rahmenbedingungen werden gelten? Eine Rückschau auf die letzten Jahre des ❭❭ die Textilforschung mit neuen faserbasierten Ma- terialien ein gefragter Problemlöser. Nicht nur die klas- 20. und die ersten des 21. Jahrhunderts zeigt, dass externe Faktoren – hier vor allem in sischen „Treiber“ wie Automotive und Luftfahrt greifen der globalen Dimension – vieles durcheinanderbringen können: Internetblase, 9/11, Klima- verstärkt auf neuartige Hightech-Werkstoffe aus Textil wandel, iPhone, Google samt Google Earth, Finanzmarktkrise, Rohstoffverknappung, Tsu- zurück: Auch Biomaterialien für die Medizin, leitfähige nami, Erdbeben in Japan, Atomausstieg, Euro-Unsicherheit usw. Polymere zur Herstellung sensorischer oder lichtleitender Wie also zielgerichtet und ergebnisorientiert in die Zukunft schauen? Diese Frage hat die Textilien und nanomodifizierte Hybridgarne für die Bau- Textilforschung an einen industrieverbundenen Zukunftsforscher delegiert, der sich in teilfertigung sind gefragter denn je. seiner Projektrolle als „Zukunftslotse“ versteht. Der Input dafür kommt zumeist aus den 16 interdiszipli- när aufgestellten deutschen Textilforschungsinstituten – mit 1.200 Textilern ein zumindest in Europa einmaliger Kreativ-Cluster. Um nur zwei von vielen vergleichsweise neuen Forschungsfeldern zu nennen: Gesundheitswirt- schaft und Medizintechnik. Noch vor wenigen Jahren waren textilmedizinale Forschungen im Wesentlichen nur auf die Forscherteams in Denkendorf und Hohen- stein beschränkt; längst sind entsprechende Strukturen in Aachen und Dresden hinzugekommen. Weil Technische Textilien mitbestimmend sind für Tem- cher Akzeptanz professionell durch einen Zukunftsfor- po und Innovationsgrad auch in solchen Wachstums- scher mit Industrieerfahrung begleitet werden – in Zu- feldern wie Windenergie, Leichtbau oder Umweltschutz, sammenarbeit mit einem ausgewählten Kernteam von sind sie ein wichtiger Baustein der Hightech-Strategie rund zehn Personen und der Mitarbeit von Wissen- des Bundes – und werden von Bund, Ländern sowie auf schaftlern, Unternehmern, Verbandsvertretern und vor europäischer Ebene entsprechend gefördert. Wo also allem von Studenten – also den Menschen, die diese führt die Reise hin? Welche Weichen müssen heute für Zukunft dann erleben und mitgestalten werden. Die für morgen gestellt werden? uns alle überraschende Methodik des Zukunftsexperten Die zum freien Denken anregende Teammethodik finden Sie auf den Seiten 4 bis 5; das Vor diesem Hintergrund reifte vor nicht ganz zehn Jahren der FENWIS GmbH, Thomas Strobel, hat dazu beigetra- Interview mit dem Zukunftsexperten Thomas Strobel auf den Seiten 10 und 11. Über das im Textilforschungskuratorium der Plan, die „strategi- gen, unser aller Denken zu beflügeln. ganze Heft verteilt sind Denkanstöße zu neun für die Textilforschung in naher Zukunft sche und inhaltliche Ausrichtung der Textilforschung (zu) besonders wichtigen Themenlandschaften: von A wie Architektur bis Z wie Zukunftsstadt. schärfen und für das nächste Jahrzehnt fortzuentwi- Im Namen der rund 80 an dieser Arbeit beteiligten Integriert in diese Beiträge, die künftig auf der FKT-Website inhaltlich sehr konkret und ckeln“. 2006 veröffentlichte das FKT seine damals viel Vordenker möchte ich Ihnen die in der vorliegenden detailliert fortgeführt werden sollen, sind textile Ideen und Sichtweisen von Experten beachtete Broschüre „Perspektiven 2015“. Die darin Broschüre als kompakte Übersicht verdichteten Er- aus der Praxis. Auf den Seiten 26 und 27 werden 120 textile Lösungsmöglichkeiten vor- festgeschriebenen fünf Leitthemen Gesundheit, Mobili- kenntnisse empfehlen. gestellt; auf den inneren Umschlagseiten am Ende der Broschüre der in mehreren Zu- tät, Sicherheit, Kommunikation und Emotionalität haben Dr. Klaus Jansen, kunftsworkshops herausdestillierte Forschungsbedarf entsprechend den Leitthemen. die Zukunftserwartungen in unserer Branche begreifba- Geschäftsführer Forschungskuratorium Textil e.V. (FKT) Mit Veröffentlichung dieser Broschüre ist die intensive, vielschichtige Teamarbeit an den rer gemacht und sich wie ein Handlauf bewährt. „Perspektiven 2025“ längst nicht abgeschlossen. Wann und wo weiterführende Diskus- 2012 war es deshalb höchste Zeit, den Blick auf den sionen dazu stattfinden, erfahren Sie per QR-Code auf der vorletzten Umschlagseite oder Forschungsbedarf bis 2025 zu richten. Fast von Anfang auf der Homepage des Textilforschungskuratoriums. an galt: Das Vorhaben sollte im Interesse größtmögli- 1
ERDBEERDÄCHER & SCHNEIDER 3.0 Sonnabend, 22. November 2025. Ben und ❭❭ Franz besuchen die „T-TexFuture“, eine neue Leitmesse für Textilneuheiten. Die 30-jährigen Männer arbeiten seit ihrer Studienzeit zusam- men. Der eine ist Philosoph, der andere hat sich auf Technikfolgenabschätzung spezialisiert. Die beiden eint das Interesse an Technikgeschichte und Innovationsauswirkungen im Besonderen. Ihren gemeinsamen Forschungsgegenstand beschreiben sie auf den elektronischen Visitenkarten, die als transpa- MITTEILUNGSBEDÜRFTIGES AUTO „Geeignet für Regionen mit ausgereizten Flächen für die Hülle – egal ob plus oder minus 30 Grad – immer wohl- rente und selbsthaftende Thumbnail-Chips gerade in Am Messestand von DeChinCars, dem gerade gegrün- Nahrungsmittelproduktion“. Franz skizziert den Folge- fühlen. Der Zusatzclou: Jackenfutter und Stoffoberfläche Mode gekommen sind und sich beim Händeschütteln ge- deten Mobilitätskonzern mit Sitz in Stuttgart, finden sie nutzen: „Erdbeerdächer, Kartoffeln von Lärmschutzwän- seien aus einem selbstreinigenden Material – ähnlich genseitig auslesen. an einem dreirädrigen E-ShareCar für den Stadtverkehr den, Bürotürme mit eigener Salatproduktion“. wie die Sensorteppiche und Stimmungstapeten am Die beiden Freunde stellen immer wieder fest, dass sich eine neue Spur in die Zukunft. Die Außenhülle des fla- Nachbarstand. das Leben der Menschen gerade in den vergangenen chen Vehikels besteht hauptsächlich aus superleichten MITDENKENDE JACKE Und tatsächlich: Der immer nagelneu wirkende textile drei Jahrzehnten durch technologische Sprünge binnen textilen Verbundteilen mit zwei hier erstmals präsentier- Auch die Messehalle für Bekleidung bietet für die Vo- Wandbelag nebenan unterstreicht durch diffuses Eigen- kurzer Zeit verändert hat. Als Franz und Ben zur Welt ten Lichteffekten. Die Seitenteile leuchten in den Farben rausschau der beiden zahlreiche Anknüpfungspunkte. licht die momentane Stimmungslage mit entsprechenden kamen, steckte das Internet noch in den Kinderschu- der jeweilig vorgeschriebenen Geschwindigkeitszone. „Das da drüben sollen also die Jacken der Zukunft sein; Farben. Das Wandtextil ist zugleich auch eine hängende hen. Smartphones, Preisscanner und Navigationsge- Wer etwa über das innerstädtische Limit von 30 km/h mein Vater trug solche Nullachtfünfzehn-Jacketts doch Klimaanlage, die von winzigen Wasseradern durchströmt räte für jedermann waren noch nicht erfunden. hinaus unterwegs ist, fällt als tiefrotes Auto sofort ins schon zur Jahrtausendwende“, stichelt Ben. Das Werbe- wird. Auf Sichtweite die nächste Textilinnovation, die mit Google, Facebook oder Twitter existierten noch nicht. Auge. Und: Momentan-Schriftzüge an der Fahrer- bzw. motto macht neugierig: „Noch müssen Sie auf den Stra- Blick auf die besonders trockenen Wüstengebiete dieser Fernseher erinnerten an schwere Kisten; auf den Com- Beifahrertür signalisieren Mitfahrwilligen jeweils End- ßenverkehr selbst achten, inzwischen lassen Sie Ihr Welt aufhorchen lässt: 3D-Textilien mit Ablaufrille. So puterbildschirmen war noch jedes einzelne Pixel zu er- punkt und Fahrtroute der Tour. Erwähnenswert auch Jackett doch den nächsten Urlaub planen.“ Dass dieser kann aus dem nächtlichen Nebel küstennaher Trocken- kennen. die Sitzbezüge: Sie bestehen aus selbstreinigendem Spruch im Jahr 2025 noch ziemliche Vision ist, erfahren zonen Trinkwasser gewonnen werden. Material, das zusätzlich mit Sensoren bestückt wichtige die beiden beim Nachhaken: „Von der Tendenz her ist MITWACHSENDE HERZKLAPPE Parameter des Fahrers für ein Mehr an Sicherheit auf- das Ganze nicht falsch“, schmunzelt die PR-Chefin des MITNAHME FAST IN ECHTZEIT Auf der Spezialmesse wollen die beiden die Technolo- zeichnet. Obendrein ist das Autodach mit dünnen Photo- Unternehmens. „Vorerst kommuniziert unsere Kleidung Am Messeausgang hält Ben seinen Freund an einer Di- gien für morgen aufspüren. Textilmaterial, so wissen voltaikzellen auf einer Textilschicht überzogen: Zusatz- nur mit dem eigenen Auto, um die automatisierte Kli- gitalbox „Schneider 3.0“ zurück: „Ich muss noch schnell sie, „mischt“ inzwischen als Hightech-Werkstoff in jeder strom für die Bordelektronik. matisierung im Innenraum zu steuern.“ eine Business-Ausstattung für mich in Auftrag geben; in Branche mit und ermöglicht dringend notwendige Inno- Ihre nächste Station ist ein Erdbeerfeld. Franz spottet: Entwickelt werde derzeit eine Variante, die schon in drei Tagen habe ich Buchpremiere.“ Ben betritt die Ver- vationen. Bens kleiner Sohn zum Beispiel trägt eine mit- „Läuft hier parallel gerade auch die ‚Grüne Woche‘?“ Südeuropa von besonderem Interesse sein dürfte, in- messungskabine und diktiert dem Automaten: „Heller, wachsende Herzklappe, die vor zwei, drei Jahren nur Doch bei genauerem Hinsehen fällt den beiden auf, dass formiert die Gesprächspartnerin weiter: In vielen Teilen selbstreinigender Sommeranzug mit Kommunikations- deshalb auf den Markt kam, weil Mediziner und Textil- die Erdbeerpflanzen statt in der Erde auf einer Art Matte der Erde seien durch den Klimawandel die Temperatur- tool, Fliege und zwei Hemden mit Solarakku in korres- forscher fast ein Jahrzehnt lang dafür Hand in Hand ge- wachsen. Die Pflanzenträger bestehen aus Textilmaterial, unterschiede gewaltig angewachsen. Mit normaler Be- pondierender Farbe.“ Nachdem er Muster und Design arbeitet hatten. Technische Textilien, so hatten es die das Wasser und Nährstoffe transportiert, speichert und kleidung könne man diese nicht mehr ausgleichen, ausgesucht, die Verwendung regionaler Naturfasern als beiden Freunde schon vor einigen Jahren in ihrer ge- dosiert wieder abgibt. „Besser als Muttererde, leichter ohne dass die Menschen ständig schwitzen oder frie- Option angegeben und den aktuellen Modevorschlag meinsamen Doktorarbeit herausgearbeitet, „haben in und sogar in den Tropen zu verwenden“, kommentiert ren. Die Neuentwicklung passe sich jedoch den ver- bestätigt hat, müssen jetzt nur noch Versandadresse und ihrer Bedeutung für die Menschheit vergleichsweise der Hersteller. Die Matte lasse sich selbst auf Vertikalflä- schiedenen Witterungslagen automatisch an. Steige die Lieferzeit eingegeben werden. „Morgen 19.30 Uhr“. Nur mindestens die Hälfte des Potenzials der Dampfma- chen anbringen und eigne sich besonders für niedrig und Temperatur schnell an, reagiere die Jacke und senke 24 Stunden von der Idee bis zur Auslieferung, fast rekord- schine von James Watt“. tief wachsende Obst- und Gemüsepflanzen. Ben notiert: den Wärmegrad. So könne man sich in dieser textilen verdächtig. 2 Textilbewehrte Gefäßprothese aus patienteneigenen Zellen Bilder von links: HighTex-Materialien für das Interieur von morgen – diffus leuchtend und mit sensorischen Fähigkeiten | Chemiefaser-Schnittproben zur Untersuchung im Raman-Mikroskop 3
40 JAHRE VOR, 25 ZURÜCK Wie nähert man sich dem Blick in die Zukunft, die großen Entwicklungslinien bzw. langfristigen Mega- über 500 Zukunftsideen, in der Fasern, Textiltechnologien MEGATRENDS & WECHSELWIRKUNGEN ❭❭ wenn man zunächst bis ins Jahr 2025 schauen will? Mit Erfahrungswissen und einem trends bis in die Mitte dieses Jahrhunderts erkennbar, muss es in den nächsten Jahren auf dem Weg dahin be- und neue Verbundmaterialien die Hauptrolle spielen. Zu- sammengefasst und verdichtet, liegen dank der Arbeits- Bei allen Zukunftsszenarien – ob Mobilität, Gesundheit, Energie oder Architektur – stießen die Diskussionsteil- Schuss Fantasie sagen die einen, mit Loslassfak- reits Fortschritte geben. Da zahlreiche Projekte der gruppen 133 textilnahe Anwendungsideen und deren nehmer auf übergreifend rahmensetzende Entwicklun- tor und machbarem Wunschdenken die anderen. Textilforschung (faserbasierte Materialien für die Trans- Marktpotenziale sowie 120 neue Anwendungsmöglich- gen. Denn es wurde schnell klar, dass sämtliche Die Textilforschung wollte bewusst einen anderen plantationsmedizin ebenso wie textilbewehrter Beton) keiten für Textilmaterialien vor. Die Textilideen wurden in Zukunftsüberlegungen von unumstößlichen Basisthe- Weg gehen und versicherte sich bei ihrer Expedi- fünf, zehn und mehr Jahre bis zur Praxisreife und -an- einer Umfrage nach ihrem vermutlichen Marktpotenzial men im Sinne von Megatrends flankiert werden, die tion in die Zukunft professioneller Begleitung mit wendung benötigen, bleibt nicht mehr viel Zeit für ent- (Massen-, Nischen- oder vernachlässigbarer Markt) und längst globale Handlungsfelder darstellen: Demografie ungewöhnlicher Denksystematik. sprechende Weichenstellungen. nach Zeithorizonten der Marktreife bewertet. und Anstieg der Weltbevölkerung, sich verknappende Rohstoffe, die effiziente Ressourcennutzung, Recycling, Die Methodik „Weit nach vorne springen und dann zu- FREIHEIT FÜR 100 MRD. GEHIRNZELLEN Bewertung der Marktpotenziale für textilnahe Ideen Wiederverwertung und geschlossene Stoffkreisläufe rückblicken“ stammt ursprünglich aus den USA; Fach- Für die Retropolation werden zunächst aus vorstellbaren sowie der Klimawandel und die statistisch belegte Zu- Massenmarkt leute sprechen dabei von Retropolation. Der heutige Zukunftsbildern Prämissen für das Jahr 2050 ermittelt, nahme von Naturkatastrophen. Daran wird sich die Tex- „Zukunftslotse“ Thomas Strobel verhilft mit seiner Firma um dann mit diesem Zukunftswissen ins Jahr 2025 zu- tilforschung mit ihren Lösungsvorschlägen noch stärker FENWIS GmbH vor allem Unternehmen mit Trendland- rückzuspringen. Der Blick aus der Retropolation trifft Nischenmarkt orientieren müssen. karten und Zukunftsbildern bei der Planung. dann auf die Erwartungen aus der Extrapolation (Hoch- Analog gilt das auch für die sich europaweit andeutende rechnung und damit die dynamische Fortschreibung des Geringes Rückbesinnung auf regionale und lokale Wertschöp- Marktvolumen bis dato Gewesenen). Das Verblüffende: Diese Vorge- fungskreisläufe. Da die Globalisierung inzwischen mit hensweise befreit Menschen von ihren rationalen Filtern, < 5 Jahre 5–10 Jahre Zeitachse > 10 Jahre Blick auf Kosten, Ressourcen und Umwelt an mehrfache was wann warum nicht machbar sein wird – aus heuti- FENWIS | Copyright 2012 Grenzen gestoßen ist, wird es mittelfristig eine stärkere ger Sicht. Strobel nennt das „Gedankenfreiheit für 100 Orientierung auf standortbezogene Produktion, Verwer- 2050 Milliarden Gehirnzellen“. Schritt zwei ist dann die „Rück- BESTE CHANCEN IN 5–10 JAHREN tung und Wiederaufbereitung zum Beispiel im Umfeld schau“ vom Jahr 2025 auf den Zeitraum bis heute – der Dieser Zukunftsanalyse zufolge fänden textile Verbund- von Ballungszentren geben. Das hat nicht nur für Ar- 2025 Blick aus der Zukunft zurück in die Gegenwart. Was alles materialien für Wasserleitungen oder Unfallschutzlösun- beitsmarkt, Verkehr, Lagerung, Warenströme, Entsor- muss in der Textilforschung passieren, damit in 10 bis gen im Pkw-Innenraum bereits in weniger als fünf Jahren gung usw. Folgen, sondern auch für den vermehrten 15 Jahren neue Zukunftsmärkte für 2050 vorbereitet große Absatzmärkte, während die Zeit beispielsweise für Einsatz zum Teil völlig neuer textiler Materialien und Pro- werden? funktionale Landschaftstextilien oder altersangepasste dukte für Produktion und Logistik. Im ersten Schritt galt es, unter Einbeziehung von Stra- Kleidung mit trägerspezifischer Funktionalität erst am BAUCHGEFÜHL FÜR MORGEN tegieüberlegungen aus den einzelnen Branchen heraus Ende dieses Jahrzehnts anbräche. Beispiele für Nischen- BREITENWIRKUNG INKLUSIVE Mit der Textilforschung wagte jetzt erstmals ein gesam- entsprechende Szenarien für das Jahr 2050 zu sammeln, märkte am Ende dieses Jahrzehnts sind textile Schalter Weil sich neun für die Textilforschung relevante Zu- ter Branchenverband diesen Blick voraus. Methodisch auszuwerten und daraus „Prämissen für 2050“ zu do- in Gebäuden, textilgebundene Düngemittel oder auch kunftslandschaften – Architektur, Bekleidung, Energie, gestützte Zukunftsforschung, davon ist Experte und Mo- kumentieren. Zugleich wurden auch neun textilrelevante Fäden mit Photovoltaik-Funktionen. Ein eher geringes Ernährung, Gesundheit, Mobilität, Produktion/Logistik, derator Strobel überzeugt, entwickelt schon heute das Themenlandschaften festgelegt. Damit war für die Ar- Marktvolumen für die nahe Zukunft wird demnach zum Wohnen, Zukunftsstadt – gegenseitig beeinflussen, ist „Bauchgefühl für morgen“. beit im zweiten Schritt mit Teilnehmern an fünf Zu- Beispiel für mitwachsende Bekleidung oder auch textile davon auszugehen, dass bestimmte Textilinnovationen Aus seiner Sicht ist die Zukunft „weniger ungewiss und kunftsworkshops in Dresden, Aachen und Denkendorf, Fahrbahnen erwartet. auch in andere Bereiche ausstrahlen. Dieser Domino- bedrohlich, wenn wir uns vorausschauend auf denkbare davon zwei mit Studenten aus gemischten Fachrichtun- Eine weitere Aufgabenstellung nach den Workshops war effekt deutet sich derzeit für Sensorteppiche an. So hat Handlungsoptionen einstellen, schwerwiegende Verän- gen, der Rahmen vorgegeben. es, die in der Zukunft „gefundenen“ neuen textilen Pro- die eigentlich für die Gesundheitswirtschaft zur Anwen- derungen und Entwicklungssprünge mit einbegriffen“. blemlöser (von schwimmender Architektur für küsten- dung in Krankenhäusern und Pflegeheimen entwickelte Wer die Zukunft nicht vordenke, betont er, könne sie BEWERTUNG NACH MARKTPOTENZIAL nahe Wohngebiete bis hin zur Stammzellenzüchtung zur Innovation mittlerweile auch das Potenzial zur Anwen- weder zu seinem Vorteil beeinflussen noch sich voraus- Der Blick auf das Jahr 2025 und dann zurück wieder auf Entwicklung eines leicht transplantierbaren Hautersatzes) dung im Gebäudemanagement (Sicherheit), Wellbeing schauend darauf einstellen. Mit anderen Worten: Sind die Gegenwart lieferte in wechselnden Arbeitsgruppen nach Relevanz zu gewichten. und Wohnbereich. 4 Grafik: Bestandteil der Retropolation ist der Blick zurück aus der Zukunft auf die Handlungsfelder und Einflussmöglichkeiten Grafik: Den meisten textilnahen Ideen wurden in den Zukunftsworkshops gute Marktchancen attestiert (siehe mittlere in der Gegenwart – Motto: Mit Forschungsprojekten heute schon die Weichen für morgen und übermorgen stellen senkrechte Spalte) – nach fünf bis zehn Jahren besonders in Nischen- und Massenmärkten 5
MONITORING/ KOMMUNIKATION Integrierte Elektronik in der Bekleidung zur Überwachung von Vitalitätsparametern sowie zu Kommunikation und Datenaustausch u. a. Eine Revolution für Modedesigner und Beklei- im Auto dungshersteller steht bevor: In den nächsten Jahr- zehnten werden intelligente neue Stoffe Furore machen, die auf konsequent ökologischer Basis er- EINZELFERTIGUNG zeugt werden können und mit definierter Absicht Alternative Konfektionie- kommunizieren, vor Ozon- oder UV-Belastung war- rungsmethoden wie Kleben nen oder sich selbst an klimatische Schwankungen TEXTILNAHE IDEEN 2025 und Laserschweißen als anpassen. Die Rede ist von Textilien aus Naturfa- eine Voraussetzung für die sern und biochemisch hergestellten Fäden, die wie (Nach Relevanz der Themen geordnet: zunehmen- individuell nach Nutzer- andere Bekleidungsstoffe auch mit interaktiven der Abstand zur Gegenwart, Marktgröße fallend) wünschen digital unter- Oberflächen oder funktionselektrischen Elemen- stützte Einzelanfertigung in ten aufgerüstet werden und so der bisherigen FUNKTIONALISIERUNG Deutschland/Europa textilen Bekleidung neue zusätzliche Nutzwerte Sensorintegrierte Bekleidung für Kommuni- geben. Mit der massenhaften Verfügbarkeit von „Smart Textiles“ wird Kleidung über die Modeschie- ❭❭ kation zwischen Automobilen und Fußgän- gern (Warnung vor Fahrzeugen bzw. Passanten), NACHHALTIGKEIT ne hinaus bedürfnisnah für den Träger individuali- Bekleidung ermöglicht Kommunikation mit allen Intelligente Nachnutzung siert. Zudem sollen heute noch nicht verfügbare Verkehrsteilnehmern für gesteuerten Straßen- von Altkleidung und Pro- Technologien die Herstellung, Nutzung, Reinigung verkehr duktionsabfällen als Roh- und das Recycling der Alltags- und Berufsbeklei- Energieerzeugung und Stromspeicherung stoffquelle zur Herstellung dung revolutionieren. ❭❭ im Textil Intelligente Unterstützungsfunktionen (Ad- neuer textiler Produkte (z. B. Filter, Dämmstoffe, Füll- ❭❭ aptionen) zur automatischen Anpassung an stoffe) THEMENFELD BEKLEIDUNG Umgebung und Personenprofil (Luftdurchlässig- keit, Temperatur, Feuchtigkeit, Wohlbefinden) bzw. als motorischer Hilfsanzug (Exo-Skelett) ENERGIEERZEUGUNG PRÄMISSEN 2050 zur Assistenz für Menschen im Alter oder mit Gewinnung von elektri- Behinderungen schem Strom aus Sonnen- Intelligente Bekleidung gewährleistet Funk- Bekleidung muss in Produktion und Nutzung licht und Bewegung zur ❭❭ tionen wie Monitoring und Kommunikation und interagiert mit telemedizinischen Anwen- ❭❭ hohe ganzheitliche Nachhaltigkeitskriterien erfüllen; modische Akzente werden zukünftig BERUFS-/ARBEITSSCHUTZ Arbeitsunterstützende Bekleidung mit zu- Funktionsunterstützung von Smart Textiles dungen und Sicherheitssystemen Oberbekleidung kann elektrische Energie er- vermehrt durch Applikationen und Individuali- sierung realisiert ❭❭ sätzlich verfügbarer Kraft aus künstlichen Muskeln; Integration von Kommunikations-, As- ❭❭ zeugen; wesentliche Beiträge zum Energy Harvesting kommen aus integrierten Solarzellen- ❭❭ Effiziente Einzelfertigung von Bekleidung on Demand und/oder nah am Point of Sale (3D- sistenz- und Warnfunktionen BEKLEIDUNGS- EIGENSCHAFTEN fasern und der Umwandlung von Bewegung in Technologien für Design und Herstellung sowie INDIVIDUALISIERUNG Mitdenkende Textilien Strom integrierte Technologien zur Funktionalisierung) Vom Träger nicht wahrnehmbare Beklei- sowohl für Freizeit- ❭❭ Textilfunktionen wie Luftdurchlässigkeit, Iso- lationsfähigkeit und Wärmeerzeugung kön- ermöglicht die Realisierung individueller Kun- denwünsche fast in Echtzeit ❭❭ dung mit komfortgerechten Materialien und Strukturen (Gewicht, Geräusch, Durchläs- Funktionsbekleidung und Arbeits(schutz)- nen vom Träger gesteuert werden; Bekleidung sigkeit, Steifheit, Physiologie) bekleidung als auch für unterstützt aktiv die Leistungsfähigkeit und Kör- den medizinischen Einsatz perfunktionen 6 7 Forscher am ITV Denkendorf nutzen hochmoderne Technik und passen die Technologien den jeweiligen Produktinnovationen an – Flachstrickmaschine für Fullfashion
THEMENFELD BEKLEIDUNG THEMENFELD BEKLEIDUNG BEKLEIDUNGSIDEEN Meinungen zur Marktentwicklung Bereicherung für Nischenmärkte Textilien sind die zweite Haut des Menschen. Im Nischenmarkt könnten sich Textilien mit Nutzwert- sundheit des Trägers haben. Für die Textilindustrie bleibt ❭❭ Diese gelungene und über die Jahrhunderte evolutionär weiterentwickelte Symbiose erlaubt plus durchsetzen: selbstreinigende Berufsbekleidung, Textilien mit Zusatzfunktionen für Klimatisierungswir- die Entwicklung nachhaltiger Produkte und Lösungen weiterhin bedeutsam; Innovationen sind für die Zu- an der Schwelle zur Funktionsintegration in die kungen, Sicherheit und Komfort, Kommunikation und kunftssicherung der Branche wichtige Wachstumsträger. Bekleidung anscheinend in nächster Zeit (noch) Energiegewinnung. Auch die Individualisierung und kon- Anke Domaske, Geschäftsführerin Qmilch GmbH, keine großartigen Umsatzsprünge. sumentennahe Produktion hinsichtlich Schnitt, Design www.qmilk.eu und Material scheint ebenso greifbar wie die Bereitstel- Entsprechend unspektakulär fiel die Marktbewertung lung von Fasermaterialien mit vom Träger einstellbarer von insgesamt 24 textilen Ideen aus. Exakt die Hälfte Isolationswirkung (Luftvolumen). Auch werden den der Vorschläge, so die Teilnehmer an den Zukunftswork- thermisch quellenden Materialien für den reversiblen shops, sei in den nächsten fünf bis zehn Jahren eher eine Hitzeschutz gewisse Marktchancen eingeräumt; ebenso Bereicherung für den Nischen- als für den Massenmarkt. adaptiven Systemen für Schutztextilien. Was also deutet sich bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf Vor allem die großen Themen Material, Produktion und dem Bekleidungssektor an? Recycling beeinflussen den Massenmarkt – von Opti- Den Konsumenten interessiert in den nächsten Jah- ❭❭ ren neben dem Preis nicht mehr nur die Ökologie, sondern auch die ökonomische und soziale Verantwor- tung „hinter“ den modischen Kollektionen. Natürliche Materialien und ein zunehmender Sinn für Nachhaltig- keit sind Trend; Modekollektionen legen auf „grüne“ Textilien mit sozialverträglichem Hintergrund immer In unserem Segment Arbeitsschutzbekleidung sehe mierung des Produktlebenszyklus und digital gestützter mehr Wert. Das Volumen der dafür eingesetzten Textil- fasern wird weiter anwachsen. Das sich schon heute an- ❭❭ ich auf jeden Fall zwei große Themen, die uns in Zukunft weiter beschäftigen werden – Material und Herstellung bis hin zur weiteren Reduzierung des Flä- deutende Faserdefizit ist ein Problem, mit dem sich die Umweltschutz. Die Bereitstellung und Verwendung chengewichts (Materialeinsparung) sowie zu adaptiver, Branche zunehmend auseinandersetzen muss. Die möglichst schadstofffreier Gewebe, die dem Kunden altersangepasster Kleidung u. a. mit Monitoringfunktion. Marktsituation bietet daher für alternative Fasern eine Sicherheit und Qualität garantieren, haben im Unterneh- Um den mannigfaltigen Ansprüchen an die Kleidung gute Ausgangsposition. Im Fokus von Forschung und In- men oberste Priorität. Wir erwarten dazu in nächster der nächsten Jahre gerecht zu werden, müssen die dustrie stehen ebenfalls verstärkte Anstrengungen beim Zeit weitere, strengere Vorschriften und Regularien. meisten Textilforschungsinstitute tief in ihre jeweiligen Textilrecycling sowie der Verwertung von bisher nicht Auch aus diesem Grund werden wir spezielle Schutzbe- Technologie-Baukästen greifen. Schwerpunkte dabei nutzbaren Faserrohstoffen. kleidung weiterhin in Deutschland produzieren. Natürlich sind Faserentwicklung (nachwachsende Rohstoffe und Spätestens in zehn Jahren muss ein finanziell kostspieli- spielt auch bei uns die Entwicklung multifunktionaler Polymere), Maschinentechnik, Produktion (Konfektion) ger Entwicklungsaufwand betrieben werden, um Faser- Stoffe eine Rolle. Hier forschen wir in Zusammenarbeit und Smart Textiles. Allein für den komplexen Bereich innovationen auf den Markt zu bringen. Die neuen mit Textilinstituten und bringen neue Erzeugnisse auf Reinigung/Wiederaufbereitung vorrangig von Berufs- Fasern vereinen die Vorteile von natürlichen und indus- den Markt, die die Bedürfnisse und Anforderungsprofile bekleidung kommen 18 (!) mögliche Aktionsfelder in triellen Fasern, sind unter Umständen bakterienhem- unserer Abnehmer optimal erfüllen. Umweltschutz und Betracht. Technologiemodule dafür sind u. a. Reinigungs- mend, passen sich dem Klima an und sind für Allergiker soziale Verantwortung sind weitere Herausforderungen. methoden mit Mikroorganismen, Tieftemperaturen, En- besonders verträglich. Es ist davon auszugehen, dass Sauber und mit Blick auf die nahe Zukunft nach höchsten zymen, neuen Lösungsmitteln, thermisch spaltbaren alternative Fasern einen deutlichen Marktaufschwung Umweltstandards zu produzieren, wird über kurz oder Tensiden und Stoßwellen, die spezifische Fleckenbe- erleben werden. Im Unterschied zu heute müssen Tex- lang zum Muss für Hersteller. handlung innerhalb von Standardwäschen oder mit tilien in Zukunft zudem weitaus mehr leisten. Smart-Tex- Silke Kamps, Präsidiumsmitglied von GermanFashion, Blick auf die Detektion von Keimen entsprechende tiles-Materialien als Bestandteil der Kleidung werden Geschäftsführerin Rofa-Bekleidungswerk GmbH & Co. KG Schnelltests. zunehmend positive Effekte auf den Körper und die Ge- www.rofa.de 8 Bilder von links: Die Mode wird individueller und funktionaler – vielleicht lassen sich in einem Jahrzehnt auch die Farben Bild oben rechts: Bei Prüfung der „Durchstichfestigkeit“ eines Stoffes wird elektronisch die dazu notwendige Kraft ermittelt je nach Stimmung „einstellen“ | Berufs- und Schutzbekleidung profitiert besonders von den Stoffinnovationen der Zukunft – UV-Verträglichkeit, sensorbasierte Warnfunktionen im Textil und gewebte Kommunikationstools inklusive 9
INTERVIEW Forschungsbedarf mit Marktrelevanz Eine Forschungsbranche hat sich der Zukunft ❭❭ gestellt – und beim Nachdenken über Trends und Märkte von morgen und übermorgen be- wusst losgelassen von gängigen Denkweisen. Wissenschaftlich und methodisch geleitet wurde die Zeitreise von einem der renommiertesten ge- schäftsnahen Zukunftsforscher, dem Miterfinder der sogenannten Zukunftslandkarten. Fragen an den zeitweiligen FKT-Coach Thomas Strobel, Geschäftsführer der FENWIS GmbH: Die Textilforschung schaut gespannt in die Zu- kunft – Ausnahme oder Regel? können und es im Denken plötzlich Freiraum für Zu- und unser Bauchgefühl vertrauen, laufen wir Gefahr, die Wie verwerten z. B. Hersteller von technischen Tex- Aus meiner Erfahrung mit Zukunftslandkarten ist diese kunftsbilder gibt. Vergangenheit in die Zukunft fortzuschreiben. tilien diese jetzt vorliegenden Informationen? Denkweise eher in Konzernen und fortschrittlichen Mit- Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Zusam- Diese Denke – Extrapolation genannt – bewährt sich bei Unternehmen haben natürlich die Möglichkeit, aus un- telstands-Unternehmen verbreitet. Gerade auch in Zeiten menarbeit mit dem FKT? relativ kontinuierlichen Entwicklungen, etwa dem Be- seren Arbeiten mit dem FKT Teile ihrer Strategieplanung spürbarer Zukunftsunsicherheit sind mehr Menschen Besonders beeindruckt hat mich die Offenheit der Be- völkerungswachstum. Schon beim Telefon funktioniert abzuleiten. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse be- offen, mit Zukunftslandschaften als Navigationshilfe „vor- teiligten, sich der Aufgabenstellung „Zukunftsperspek- das Ganze nicht mehr. Warum? Weil 80 Jahre zwischen schreiben zunächst vor allem Einflüsse und Möglich- ausschauend zu fahren“. Aus meiner Sicht ist das For- tiven 2025“ mit einer neuartigen Vorgehensweise dem hölzernen Wandtelefon bis zum schwarzen Bakelit- keiten. Im wichtigen Folgeschritt käme es darauf an, schungskuratorium Textil, das für seine angeschlossenen gemeinsam zu stellen. Deshalb haben die Gruppenar- telefon aus Wirtschaftswunderzeiten liegen und nur 40 daraus für Unternehmen konkrete Handlungsoptionen Institute, Fach- und Regionalverbände sowie die Unter- beiten an den Themenlandschaften neben fruchtbaren Jahre von dort bis zum iPhone, das keinen klassischen abzuleiten und entsprechende Maßnahmenpläne in Ge- nehmen jetzt längerfristige Zukunftsperspektiven erar- Diskussionen als Ergebnis auch eine wirklich große Zahl Hörer mehr benötigt und ansonsten fast alles kann – schäftserfolge umzusetzen. Die Voraussetzungen für beitet hat, ein innovativer Vorreiter unter den Verbänden. dokumentierter Ideen geliefert … auch telefonieren. Mit bloßer Extrapolation, also Unternehmen, weiteren Nutzen aus den Vorarbeiten Wie sehen Zukunftslandkarten aus? Neun Themenlandschaften, 133 textilnahe Ideen, erfahrungsbasiertem Wissen, ist so ein technischer des FKT zu ziehen, sind außergewöhnlich günstig. Wer Trends in Zukunftsbildern mit Zukunftsmärkten und 120 Lösungsvorschläge in Textil – und gut ein Jahr Quantensprung nicht voraussagbar. Eine letzte Frage: Warum eigentlich irren soge- Geschäftsoptionen verarbeitet, kann frühzeitig sich an- Teamarbeit. Wie wurde das Material schließlich Deshalb ist es bei kurzen Produktlebenszyklen, sich wan- nannte Experten so oft, wenn es um die Voraus- bahnende Veränderungen, aber auch mögliche Paradig- aufbereitet? delnden Märkten und neuen Randbedingungen rund um schau geht? menwechsel, mit ihren vielen Chancen und Risiken Aus Zukunftsbildern für 2050 wurden von den Mitglie- Klimawandel, Ressourcenknappheit, Nachhaltigkeit usw. Diese Irrtümer sind ehrlicherweise weniger den Fachleu- erkennen. Trendsammlungen, die wir mit verschiedenen dern des Kernteams dokumentierte Prämissen erarbeitet, vorteilhafter, sich in eine komplett andere Zukunft zu ver- ten als der Arbeitsweise unseres Gehirns im Allgemeinen Teams aus Textilforschern, Unternehmern und Studen- die in die Bearbeitung der Themenlandschaften eingeflos- setzen. Das wird durch Retropolation erreicht. Damit kön- zuzuschreiben. Überall da, wo wir Experten sind, neigen ten in Workshops an insgesamt fünf Orten diskutiert, sen sind. Alle gesammelten Ideenkarten aus den Work- nen wir die Restriktionen der Gegenwart ausblenden und wir dazu, Informationen, die unsere Denkweise bestäti- erstellt und klassifiziert haben, flossen in eine gemein- shops wurden erfasst und verdichtet, um sie anschließend zugleich analysieren, wie die Bedürfnisse dieser neuen gen, erfreut aufzunehmen und widersprüchliche Infor- same Zukunftslandkarte ein. Noch im Diskussionspro- nach einer breiten Expertenbewertung priorisieren zu Zukunft mit unserer Gegenwart verknüpft sein könnten. mationen dagegen auszublenden oder sie zumindest als zess ist bei allen Teilnehmern Erstaunliches passiert, das können. So liegen uns heute für neue attraktive Anwen- Wer hat diese Methode erfunden? störend zu empfinden. Das hat sich im Erfahrungslernen auch durch die Hirnforschung bestätigt wird. Erst die dungsfelder insgesamt über 250 Vorschläge vor. Diese Methodik war Bestandteil meiner früheren Tätig- der Menschheit lange Zeit bewährt, passt aber leider Kombination verschiedener Sichtweisen und Zeitschie- Ihre Methodik hat verblüfft: Erst machen Sie einen keit im Innovationsmanagement der Siemens AG und nicht mehr besonders gut zur heutigen Veränderungs- nen öffnet unsere subjektiven Filter, die sonst immer großen Zeithorizont für 2050 auf, dann gehen Sie stammt aus den USA. Retropolation als Systematik geschwindigkeit unserer Umgebung. Die Folge davon kenntnis- und erfahrungsbasiert einschränkend wirken: wieder auf 2025 zurück. habe ich für die aktuellen Fragestellungen meiner Auf- ist, dass von Einzelpersonen schwache Signale für Ver- „Das geht, das kann nicht gehen …“. Für Zukunftsbilder Dieser auf den ersten Blick ungewohnte Zeitsprung hat traggeber aus Wirtschaft, Forschung und Verwaltung änderungen nur schwer wahrgenommen werden und bedeutet das, dass damit Barrieren fallen, die gewohn- das Ziel, alle Beteiligten zusammen zum Perspektiven- weiterentwickelt und später stärker auf begleitende Paradigmenwechsel selten frühzeitig erkannt werden. ten Erwartungen und Ergebnisse infrage gestellt werden wechsel anzuregen. Solange wir auf unsere Erfahrungen Moderation und Gruppenarbeit angepasst. www.fenwis.de 10 Zukunftsforscher Thomas Strobel gab über ein Jahr lang Navigationshilfe für die „Reise“ in das Jahr 2025 Bilder von links: Sensorteppiche und -matten sind branchenübergreifend überall dort einsetzbar, wo Schrittmuster oder ein Sturz aus dem Bett Aussagewert haben – in der Altenpflege, im Gebäudemanagement oder als Einbruchssicherung | 3D-Abstandstextil mit antimikrobieller Funktion für leichte und „federnde“ Oberflächen 11
In der Mitte des Jahrhunderts hat jeder Haushalt einen unsichtbaren Mitbewohner: ein intelligentes Techniksystem, das den Menschen in vielfältiger Weise assistiert. Es übernimmt die Nachbestel- lungen für den Kühlschrankinhalt ebenso wie angenehme Beleuchtung und sparsames Energie- management und überwacht getimte Aufträge: Selbstreinigung des Inventars samt Bodenbelägen und Fenstern etwa oder die Umstellung des Be- TEXTILNAHE IDEEN 2025 leuchtungsambientes von privat auf repräsentativ. (Nach Relevanz der Themen geordnet: zunehmen- In den Haushalten haben Wände, Tische und Heim- der Abstand zur Gegenwart, Marktgröße fallend) textilien die Funktionen von TV und Computer übernommen. Menschen mit Behinderungen und EINRICHTUNG ältere Bewohner greifen auf Roboterhilfe zurück. Selbstreinigende und pflegearme Möbel- Leuchtteppiche mit Sensoren sind multifunktional: ❭❭ und Polsterbezüge sowie entsprechend ausgerüstete Heimtextilien (Tapeten, Teppiche, Sie leiten bei Sturz ein Alarmsignal weiter, können nach definierter Berührung wie ein Klavier Musik Vorhänge): elektrochrome Textilflächen zur erklingen lassen oder in wechselnden Wohlfühl- stimmungs- und nutzungsabhängigen Einstel- farben einen Raum stimmungsvoll illuminieren. lung von Farben und Raumszenarien ASSISTENZ EINRICHTUNG Monitoring von Wohlbefinden und Gesund- Langlebige, umzugsresisten- ❭❭ heit in der häuslichen Umgebung durch te, standardisierte Leichtbau- THEMENFELD WOHNEN Smart Textiles; einfache textile Schalter; textile Hilfsmittel bzw. textilmedizinische Therapie- Möbel für häufigeren Woh- nungs-/Standortwechsel – möglichkeiten Individualität des Wohnens PRÄMISSEN 2050 Aspekte von Licht und Farbgestaltung sind LICHT findet in der Möbeloberflä- Displays mit spezifischen Steuerungsfunktio- ❭❭ in die Raumausstattung integriert; Lichtstim- mungen in Räumen können vom Benutzer ge- ❭❭ Intelligente Lichtleitsysteme zur Verteilung und Nutzung des Tageslichts in der Woh- che mit wechselnder Farbe, Helligkeit und Haptik statt; ❭❭ nen sind überall integriert: im Fenster- und Spiegelglas, in Tischplatten, Heimtextilien, Be- steuert werden Wärme wird vielfach dort bereitgestellt, wo nung; automatischer Sonnenschutz u. a. durch Vorhänge, die auf Lichteinfall ansprechen; intelligente Speicherung von Körperprofilen für individuel- kleidungsoberflächen sowie in textilen Wand- und Bodenbelägen ❭❭ sie – wie auf Sitz- und Liegeflächen – gerade gebraucht wird; der Wärmegrad richtet sich nach Textilien zur Simulation von Sonnenauf- oder -untergang len Sitz- und Liegekomfort Wichtige Funktionen der sich immer stärker dem subjektiven Wärmeempfinden der Bezugs- LUFT/KLIMA ❭❭ überlappenden Wohn- und Arbeitsbereiche lassen sich standardmäßig optimal steuern und person, das als individuelles Komfortparameter- Profil beispielsweise in einem Smartphone ❭❭ Pflanzliche Klimaregulatoren auf textilen Trägern; grüne Raumteiler oder Wände; ge- ASSISTENZ Ambient Assisted Living regeln (z.B. energiesparende und über den Wet- gespeichert ist ruchsentfernende und aromatisierende Textil- (selbstbestimmtes Leben terbericht vorausschauende Klimatisierung) Regenerative Energie sichert die Grundver- beläge durch innovative Technik) ❭❭ sorgung ohne fossile Brennstoffe LUFT/KLIMA LICHT GEBÄUDE WAND/BODEN Energieeinsparung durch Neue, aktive Beleuchtungs- Schallschutz und Akustik- Multifunktionale Wandober- Raumtemperatur von 16° C; konzepte für blendfreies optimierung, Schnellwech- flächen als Displays für Bilder; Personenabhängige Wohl- Flächenlicht an Fußböden, selsysteme für Wand- und Wände mit wechselnden fühltemperatur über beheiz- Wänden und Decken; Be- Bodenbeläge, variable Motiven und Farbstimmun- te Kleidung, Sitzflächen und schattungs- und Vorhangsys- Raumaufteilung inkl. gen, Integration von Bedien- Heiztapeten mit Infrarot- teme zur Energieerzeugung Küchen und Nasszellen elementen strahlung und -speicherung 12 13 Hypermoderner Wohnraum mit licht- und wärmeregulierender Glasfassade und sicherlich zahlreichen Innovationen aus dem Heimtextilbereich
THEMENFELD WOHNEN THEMENFELD WOHNEN MARKTBEWERTUNG Meinungen zur Marktentwicklung Gutes Potenzial für Wohntextilien Für alle zehn Textilideen zur Wohnwerterhö- zumeist im Vordergrund steht, sind dann vor allem die ❭❭ hung gibt es gute bis sehr gute Verwertungs- chancen im Nischen- bzw. Massenmarkt. technischen Eigenschaften zukünftiger Wohn- und Ar- chitekturtextilien gefragt. Für Außenanwendungen sind das textile Kombinationen aus gezieltem Luft-, Feuchte- Das interne Ranking in den Zukunftsveranstaltungen des und Wärmetransport sowie eine intelligente Lichtlen- FKT attestierte folgenden Vorschlägen besonders gute kung und UV-Abschirmung. Textiloberflächen werden Marktpotenziale: selbstreinigende bzw. besonders pfle- zugleich auch Schutz gegenüber Pollen und Insekten gearme Bezugsstoffe sowie entsprechend ausgerüstete bieten oder in Verbindung mit textiler Sensorik gar als Heimtextilien für Wand und Boden (Tapeten, Teppiche); Alarmanlagen fungieren. gute Nischenchancen haben Textilinnovationen zur Si- In Wohn- und Arbeitsbereichen werden Komfort und tuationserfassung in der Lebensumgebung – beispiels- Ambiente eine zunehmende Rolle spielen. Schalldämp- weise intelligente Hilfsmittel für ältere Menschen auf fung, Lichtsteuerung und -verteilung sind Aufgaben, die Basis von Smart Textiles. in der modernen Architektur neue Lösungsansätze be- Nach den intensiven Marktrecherchen, die ich Ein großer Vorteil bei der Verwendung von textilen ❭❭ weltweit für meine Auftraggeber und nun auch für meine eigenen Stoff-Kollektionen durchführe, steht für ❭❭ Bewehrungen liegt in der Korrosionsbeständigkeit und der gleichzeitig hohen Festigkeit der Fasermateria- mich außer Frage: In Zukunft rücken der Mensch und lien. Durch die oberflächennahe Positionierung können seine Umwelt und nicht mehr der bloße Konsument deutlich leichtere und schlankere Bauteile produziert und damit der höchstmögliche Profit in den Mittel- oder Verstärkungen mit sehr geringen Abmessungen punkt. Umdenken ist angesagt. ausgeführt werden. Auch in ökologischer Hinsicht birgt Der Käufer zum Beispiel von Dekostoffen will sich zu- textilbewehrter Beton große Vorteile: Es werden nicht nehmend mit dem Produkt identifizieren, um damit sei- nur Rohstoffe geschont, sondern auch bei Herstellung, nen eigenen Ruhepol in den heimischen Wänden zu Transport und Rückbau Energie gespart und weniger finden. Beim Material wird er vermehrt auf den „be- CO2 freigesetzt. Es gibt jetzt nach dieser neuen Techno- sonderen Griff“ und beste Pflegeeigenschaften achten, logie erste größere Sanierungen und Verstärkungsmaß- verstärkt auch ökologische Gesichtspunkte und sozial- nahmen an Bauwerken. Das Gros der Ideen hat demnach ein etwas niedrigeres nötigen. Auch hier empfehlen sich wiederum neuartige verantwortliche Herstellung hinterfragen. Wer in einigen Um hohe Qualitätsstandards im gesamten Prozess rund Marktvolumen, auch wenn die sich dahinter verbergen- Textilmaterialien. Jahren Heimtextilien erwirbt, wird zudem neue innova- um das Thema textilbewehrter Beton und den Transfer den Innovationen zum Teil spektakulär daherkommen. Die ETTLIN AG hat in einem neuen Geschäftsfeld textile tive Eigenschaften schätzen lernen. Dann sind Textilien der Forschungs- und Anwenderergebnisse zu gewähr- Besonders zu nennen in diesem Zusammenhang: elek- Lösungen für die genannten Themen entwickelt und bie- mehr als nur Dekomaterial, sie bieten als sinnvollen Ne- leisten, wurde 2009 von der TU Dresden und namhaften trochrome Textilien für stimmungsabhängig einstellbare tet völlig neue Konzepte mit einer Symbiose aus Funk- beneffekt ggf. auch Beleuchtung, Klimatisierungen oder Unternehmen aus dem Bereich Textilbeton der Verband Farben und Raumszenarien im Wohnbereich, textile tion und Ästhetik an. So ermöglicht ETTLIN lux/Smart Schallschutz. Modische Trendfarben sind in Zukunft se- TUDALIT e.V. gegründet. Er sieht ein großes Zukunfts- Schalter und intelligente Lichtleitsysteme zur Verteilung Glas eine neuartige Form der Wandgestaltung mit Licht, kundär zu bewerten, da wir in einer Zeit leben, in der potenzial für den Einsatz textiler Betonbewehrungen, von Tageslicht sowie geruchsentfernende Textilmateria- während Lichtdecken ambiente Stimmung in Waschräu- schon heute farblich alles Trend ist und individuell kom- besonders im Bereich Instandsetzung und bei der Ver- lien und pflanzliche Klimaregulatoren für die „eigenen men, Spa- und Wellnessbereichen erzeugen. Mit einer biniert wird. Wichtig ist, dass Material, Funktionalität stärkung bestehender Bauwerke. Ein weiterer Schwer- vier Wände“ auf textilen Trägern. weiteren Innovation – der Integration von Schalldämp- und Farbe ein perfektes Ganzes ergeben sowie Ge- punkt in der Zukunft dürfte der Neubau mit textilen fung und flächiger Lichtgestaltung in extrem flacher Bau- schmack und den gewünschten Nutzwert des Kunden Bauelementen aus Betonfertigteilwerken sein. Aktuell Textile Materialien werden in Zukunft unser Lebens- weise – stoßen wir branchenübergreifend Türen für treffen. arbeitet unser Verband an einem Strategiepapier „Tex- ❭❭ und Wohnumfeld sowohl im Innen- wie im Außen- bereich mehr und auf andere Weise als heute mitgestal- Zukunftsmärkte auf. Dr.-Ing. Oliver Maetschke, Vorstand ETTLIN AG, Claudia Hagn, Claudia Hagn Textile Designer, tilbeton im Bauwesen 2030“. Roy Thyroff, Geschäftsführer TUDALIT e.V., ten. Neben dem rein dekorativen Aspekt, der heute www.ettlin.de www.hagn-design.de www.tudalit.de 14 Bilder von links: Wohntextilien bekommen in den nächsten Jahrzehnten mannigfaltige Zusatzfunktionen – die Fähigkeit, Bilder von links: Bettwäsche von heute und morgen ist und bleibt für Designerin Claudia Hagn hochwertig, elegant und Stimmungen durch diffuses Licht auszudrücken bzw. orientierend zu leuchten, sind nur zwei davon | Eine „aufhellende“ Übergardine oder Lichttapete kann zusätzliche Raumtiefe vermitteln zeitlos | Textilbetonverstärkung mit Carbongeflecht zur Erhöhung der Biegetragfähigkeit an einer denkmalgeschützten Konstruktion 15
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