POLITISCHE STUDIEN 500 - Hanns-Seidel-Stiftung
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POLITISCHE STUDIEN 500 Magazin für Politik und Gesellschaft 72. Jahrgang | November-Dezember 2021 | ISSN 0032-3462 /// IM FOKUS JUBILÄUMSAUSGABE /// Im Zeitgespräch: Florian Herrmann zu seinen Aufgaben und aktuellen Zeitfragen – S. 6 /// Peter Fahrenholz: Zwischen Fake News und Hassbotschaften – S. 35 /// Gerhard Hirscher: Wechselstimmung und dynamische Volatilität – S. 41 www.hss.de
„ Bleiben Sie uns WEITERHIN gewogen. EDITORIAL FREUDE UND DANKBARKEIT Sehr verehrte Leserinnen, sehr verehrte Leser, mit diesem Heft halten Sie die 500. Ausgabe der Politischen Studien in Ihren Händen. Was für ein Jubiläum! Nicht viele Zeitschriften halten so lange durch. Die erste Ausgabe erschien im Dezember 1950. Seitdem ent wickeln wir die Hefte stetig weiter – inhaltlich wie layouterisch. Ich erin nere mich noch gut, als wir 2010 in der Redaktion über ein umfassendes Redesign der Politischen Studien diskutierten. Wir wollten das bisherige Outfit aufbrechen, bunter werden und mit Fotos und Bildern das ge schriebene Wort auflockern. Nach vielen Arbeitssitzungen und Work shops ging die Geschäftsführung diesen Weg gerne mit. Für mich war das eine sehr aufregende und entscheidende Phase. Namhafte Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen gesellschafts politischen Bereichen sind immer wieder unserer Bitte nachgekommen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in unserer Zeitschrift zu publizieren. Des wegen gilt unser ganz besonderer Dank unseren Autorinnen und Autoren. Sie liefern die Inhalte für die von uns vermittelte politische Weiterbildung. Aber das größte Gut einer Zeitschrift sind Sie, liebe Leserinnen und Leser. Viele von Ihnen halten uns seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten die Treue. Dafür bedanken wir uns herzlichst. Sind Sie nun gespannt und neugierig auf das, was Sie in unserer Jubilä umsausgabe erwartet: Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, beschreibt den Werdegang der Politischen Studien, der SZ-Journalist Peter Fahrenholz zeigt die Bedeutung politischer Bildung auf. Und der Bayerische Staatsminister Dr. Florian Herrmann, MdL, stand uns eine Stunde lang Rede und Antwort zu seinen Aufgaben als Staatskanzlei chef und Leiter des Corona-Stabes. Das Redaktionsteam wünscht Ihnen viel Freude beim Lesen der 500. Ausgabe. Bleiben Sie uns weiterhin gewogen. Das hofft und wünscht sich Barbara Fürbeth Leiterin des Referats Publikationen der Hanns-Seidel-Stiftung, München 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 3
50 INHALT 06 IM FOKUS POLITISCHE-STUDIEN- AKTUELLES BUCH ZEITGESPRACH 18 500 AUSGABEN 60 W AS IST AUS DEM POLITISCHE STUDIEN 06 „SPARRINGSPARTNER“ ARABISCHEN FRÜHLING Mit dem Flaggschiff auf Erfolgskurs IN DER POLITIK GEWORDEN? MARKUS FERBER Die Bayerische Staatskanzlei Zehn Jahre später … als Koordinierungsinstanz FABIAN SCHMIDMEIER der Regierung 26 JUBILÄUM POLITISCHE STUDIEN FLORIAN HERRMANN Wir gratulieren … RUBRIKEN ANALYSEN 18 35 ZWISCHEN FAKE NEWS UND HASSBOTSCHAFTEN 03 63 EDITORIAL REZENSIONEN Warum seriöse Medien für den 41 WECHSELSTIMMUNG UND 69 JAHRESÜBERSICHT Zusammenhalt der Gesellschaft DYNAMISCHE VOLATILITÄT 74 ANKÜNDIGUNGEN unverzichtbar sind Die Bundestagswahl 2021 78 IMPRESSUM PETER FAHRENHOLZ GERHARD HIRSCHER 50 ARBEITSWELT 4.0 Der Weg in die Zukunft der Arbeit ALEXANDER PINKER 41 4 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 5
Quelle: Verena Kienast, HSS /// Die Bayerische Staatskanzlei als Koordinierungsinstanz der Regierung „SPARRINGSPARTNER“ IN DER POLITIK DR. FLORIAN HERRMANN /// Er ist Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien und leitet die Bayerische Staatskanzlei. Dr. Florian Herrmann unterstützt damit den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder bei Festlegung und Umsetzung der politischen Linien. Das Redaktionsteam der Politischen Studien hat der promovierte Jurist und CSU-Landtagsabgeordnete in seinem Büro in der Staatskanzlei in München empfangen. Eine Stunde lang spricht er im Interview über seine Aufgaben, Fake News, politische Bildung und seine Tätigkeit als Leiter des Corona-Krisenstabes. /// IM ZEITGESPRÄCH: STAATSMINISTER Politische Studien: Seit drei Jahren lei- Dr. Florian Herrmann: Die Hauptauf- DR. FLORIAN HERRMANN, MDL ten Sie die Bayerische Staatskanzlei und gabe ist, den Ministerpräsidenten bei ist Leiter der Bayerischen Staatskanzlei gehören damit zum engsten Beraterstab seiner Arbeit zu unterstützen, ihn da- in München. des Bayerischen Ministerpräsidenten. bei − so gut es geht und so eng wie Das ist eine herausragende und äußerst möglich − zu beraten und die Koordi- wichtige Arbeit. Was sind Ihre Aufgaben nierungsaufgaben zu übernehmen, die und Zuständigkeiten? innerhalb der Staatsregierung erfor- 6 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 7
POLITISCHE-STUDIEN-ZEITGESPRÄCH derlich sind. Wenn es darüber hinaus zu Zielkonflikten zwischen den unter- schiedlichen Ministerien kommt, müssen sie ausgeglichen werden. Au- Nein, der Ministerpräsident ist sehr offen und erwartet auch von seinem Umfeld Anregungen und Ideen. Das heißt ja nicht, dass jede Idee, die vor- „ Die größte GEFAHR sehe ich in der immer weiter fortschreitenden ‚Blasenbildung‘. ßerdem übernimmt die Staatskanzlei getragen wird, auch am Ende umge- die Koordinierung in Richtung Land- setzt wird. Aber ihm sind diese Anre- tag, aber auch in Richtung der beiden gungen, das Mitdenken wichtig. Man Aber Politik ist auch nicht immer eitel Position zu vertreten. Eine Gesell- Regierungsfraktionen. Hinzu kommt, ist eine Art Sparringspartner (lacht). Sonnenschein. Was macht Ihnen politisch schaft lebt von der Vielfalt an Meinun- dass ich inhaltlich für die Medienpoli- Darauf kommt es an und das macht Angst? gen und Ideen – und das ist gut so. tik und die Vertretung des Freistaats auch großen Spaß. Leider erleben wir zurzeit in vielen im Bundesrat verantwortlich bin. Neben der Frage, dass man gerade Bereichen den Verlust an Vielfalt: jetzt in Pandemie-Zeiten die richtigen beim Artenschutz, in der Natur, aber Wie oft treffen Sie den Bayerischen Minis- Entscheidungen fällt, sehe ich die auch im Bereich der politischen Kul- Bei dieser Bandbreite: Bleibt da noch terpräsidenten? Gibt es einen Jour Fixe? größte Gefahr in der immer weiter tur. Wir brauchen unterschiedliche freie Zeit übrig? Oder handhaben Sie das eher auf Zuruf? fortschreitenden „Blasenbildung“. Lei- politische Positionen, wir sollten der ist es so, dass sich der Diskurs in wegkommen von reinen Mainstream- Das ist schon eine Aufgabe, die einen Der Austausch erfolgt im Grunde der Gesellschaft immer stärker auf die Diskussionen. Wir müssen verste- voll und ganz in Anspruch nimmt über alle Wege, die man sich vorstel- jeweiligen Blasen verengt, in denen hen, dass der Kopf erst zu denken und eine große Verantwortung mit len kann: also in direkten Gesprä- sich alle gegenseitig auf die Schultern anfängt, wenn er auf eine gegensätzli- sich bringt. Der Ministerpräsident chen natürlich in der Staatskanzlei, klopfen, sowieso einer Meinung sind che Meinung stößt. Man wägt mehre- bestimmt die Richtlinien der Politik aber auch sehr viel telefonisch. Der und den Wettstreit um die besten re Argumente gegeneinander ab, in Bayern; folglich müssen wir in der Ministerpräsident hat einen vollen Ideen gar nicht mehr suchen. Das denkt nach. Diese Art von Debatten- Staatskanzlei natürlich alle Themen Terminkalender und Bayern ist groß. empfinde ich zurzeit als die problema- und Diskussionskultur, nämlich dem auf dem Schirm haben. Aber es Er ist somit auch viel unterwegs. Wir tischste gesellschaftliche Entwick- anderen zuzuhören und nicht nur mit macht auch sehr großen Spaß, in die- tauschen uns je nach Situation aus, lung. Es ist eine extreme Zuspitzung, drei Sätzen abzukanzeln, wie das sem Team dabei sein zu können und da gibt es keinen festen Plan. Aber wie man sie in den USA über die ver- häufig in den sozialen Netzwerken den Ministerpräsidenten, so gut wir der Austausch ist sehr intensiv. gangenen Jahre erlebt hat und wie es passiert – genau das ist meiner Mei- das können, so gut ich das persön- sich bei uns gerade in den Debatten in nung nach essenziell. Das ist politi- lich kann, bei seiner Arbeit zu unter- den sozialen Netzwerken abzeichnet. sche Bildung und sie ist so entschei- stützen. Gibt es keinen Sonntag und keinen Feier- Diese Entwicklung macht mir Angst, dend wichtig. tag? weil sie letztendlich einen vernünfti- gen demokratischen und intellektuel- „ Gibt es auch Themen, bei denen Sie nicht Doch, doch. (lacht) len Diskurs verhindert. Dem müssen Lassen Sie uns auf die vergangenen drei auf einen grünen Zweig kommen? wir entgegenwirken. Jahre zurückblicken. Auf welche Leistun- gen sind Sie besonders stolz? Auf welche blicken Sie besonders gerne zurück? Und wie kann man das schaffen? Die Bekämpfung der Corona-Pande- Dem kann man nur durch Bildung mie ist schon etwas, auf das wir ins- entgegenwirken, indem gerade junge gesamt als Staatsregierung, aber auch Die HAUPTAUFGABE ist, den Ministerpräsidenten bei seiner Menschen befähigt werden, einen als Gesellschaft stolz sein können. Arbeit zu unterstützen. Diskurs zu führen. Aber letztendlich Wir haben dabei viel erreicht und die muss man allen Bürgerinnen und Bür- Menschen in Bayern bisher sehr gut gern verständlich machen, dass man beschützt. Mit unseren Maßnahmen sich nicht scheuen sollte, seine eigene konnten wir laut verschiedener Mo- 8 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 9
„ POLITISCHE-STUDIEN-ZEITGESPRÄCH Die HANNS-SEIDEL-STIFTUNG erfüllt bei der Wissens- vermittlung eine herausragende Funktion. Quelle: Verena Kienast, HSS Oder dass Ihnen irgendetwas politisch Und hierbei erfüllt die Hanns- umgedreht wurde? Seidel-Stiftung eine ganz herausra- gende Funktion, die sie, wie ich das (Denkt nach) Also nichts, was ich über die vergangenen Jahre als aktiver Staatsminister Florian Herrmann empfing in seinem Büro in der Staatskanzlei in München Susanne wüsste. Jedenfalls nicht im Sinne von Politiker, aber auch als Bürger verfolgt Hornberger (Mitte), Leiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung, bewussten Fake News. habe, in exzellenter Weise wahr- und Barbara Fürbeth, Referatsleiterin Publikationen. nimmt – hier bei uns und weltweit. Die Ansprechpartnerinnen und An- Wie wichtig ist Ihnen in diesem Zusam- sprechpartner in den Auslandsbüros dellrechnungen 130.000 Menschen diese Maßnahmen erklären und menhang politische Bildung? Wer soll die der Hanns-Seidel-Stiftung leisten bes- davor bewahren, an COVID-19 zu durchführen und das spricht für sei- politische Bildung gerade in diesen te Arbeit: Ob das jetzt in Brüssel ist, versterben. Die Rückmeldungen aus ne Entscheidungsstärke. Darauf kön- schwierigen Zeiten übernehmen? in Moskau, in Washington oder an- der Bevölkerung zeigen uns, dass wir nen wir auch als Bayerische Staatsre- derswo. Der Austausch und die Ge- richtig gehandelt haben. Wir können gierung stolz sein. Politische Bildung ist absolut wichtig. spräche finden auf einem sehr hohen froh sein, dass wir die Pandemie in Jede Bürgerin und jeder Bürger sollte Niveau statt. Und es ist gut, dass es Deutschland und in Bayern durchle- die Möglichkeit erhalten, sich umfas- die Politischen Stiftungen gibt. ben und nicht anderswo. Markus Kommen wir nochmal auf Fake News in send über das eigene politische Sys- Söder hat mit Entschlossenheit, Vor- den sozialen Netzwerken und sozialen tem zu informieren. Sie sollten sich sicht und Umsicht gehandelt. Wir Medien zu sprechen. Die Technik ist mitt- Wissen darüber aneignen können, In Bezug auf die politische Bildung sind mussten als Regierung schwerwie- lerweile so weit fortgeschritten, dass wie unser Zusammenleben funktio- die Eltern und die Schulen gefragt. Wird gende Entscheidungen treffen. Keiner man in Videos Köpfe austauschen kann niert, dass wir eine offene, auf den dabei genügend getan? Von Teenagern von uns wäre zum Beispiel je auf die und keinem fällt das auf. Sind Sie selber Werten des Westens basierende Ge- hören wir zum Beispiel, dass sie gar nicht „ Idee gekommen, dass man die Schu- schon Opfer von Fake News geworden? sellschaft sind sowie Parlamentaris- so gut über Politik Bescheid wissen. Übri- len oder den Einzelhandel schließen mus und Meinungsfreiheit unsere gens geht TikTok, der Kanal der Jugendli- muss. Der Ministerpräsident musste Nein, ich würde sagen: nein. gesellschaftliche Ordnung prägen. chen und jungen Erwachsenen, interes- Das Wissen um die Gleichheit von santerweise immer gegen die AfD an. Wir Mann und Frau gehört hier selbstver- denken, dass die Schulen noch ein wenig ständlich mit dazu. All dies muss je- mehr leisten könnten. der Generation immer wieder aufs Neue vermittelt werden. Das beginnt Ich bin generell immer zurückhal- Wir mussten als Regierung SCHWERWIEGENDE in den Elternhäusern, wird in den tend, wenn man jede neue gesell- Entscheidungen treffen. Schulen fortgesetzt und findet in ei- schaftliche Herausforderung immer nem breiten Maße auch über die als erstes der Schule zuweist. Da durch die politischen Stiftungen ver- bräuchten wir schon Ganztagesunter- mittelte politische Bildung statt. richt inklusive Samstag und Sonntag, 10 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 11
POLITISCHE-STUDIEN-ZEITGESPRÄCH um alles abzudecken. Aber prinzipiell artige Magazine wie die Politischen stimmt es natürlich, dass der Schule Studien eine ganz wichtige Funktion, eine wichtige Aufgabe zukommt. weil sie im Grunde genommen ein zu In meiner eigenen Erinnerung hat Papier gebrachter Think Tank sind, in sie diese Aufgabe auch sehr gut bewäl- dem zu den unterschiedlichsten und tigt. In der zwölften oder dreizehnten auch tagesaktuellen Themen fachliche Jahrgangsstufe hatte ich eine äußerst Positionierungen zusammengetragen engagierte Lehrerin in Geschichte und werden. Sie bieten die fachlichen sie führte die „aktuelle Stunde“ ein, in Grundlagen für die Themen, die im Fo- der wir damals tagesaktuelle Themen kus stehen. Und gerade in Pandemie- wie Mauerfall und Wiedervereinigung Zeiten haben wir festgestellt, wie Quelle: Verena Kienast, HSS diskutierten. Für diese Themen habe wichtig wissenschaftliche Erkenntnis- ich mich schon als Jugendlicher sehr se sind: in der Naturwissenschaft, interessiert. Die Lehrerinnen und aber auch in den Gesellschaftswissen- Lehrer müssen bereits in ihrer Ausbil- schaften, der Geschichts- oder Politik- dung befähigt werden, aktuelle politi- wissenschaft. Die Themen in den Poli- sche Aspekte zu diskutieren. Und: Die tischen Studien werden unter ver- politische Diskussion hat meiner Mei- schiedenen Blickwinkeln aufbereitet nung nach durchaus Platz in der Schu- und dies dient der eigenen politischen le. Damit meine ich nicht Parteipolitik Entscheidungsfindung. Und wir wollten wissen: Was bleibt gesellschaftlich nach Corona? im engeren Sinne, sondern das Nach- denken und Diskutieren darüber, wie eine Gesellschaft funktioniert, wie sie Das bestärkt uns, dass wir mit den Politi- chen Soziologendeutsch schreibt und ter des Corona-Krisenstabs ernannt wor- sein sollte und was die wichtigsten schen Studien auf einem guten und richti- ich dessen Thesen nicht in eine politi- den. Wie herausfordernd ist diese Arbeit Aufgaben sind. gen Weg sind. Wir wollen zum einen eine sche Agenda einbringen kann. Politik für Sie? Gerade in den ersten Monaten wissenschaftliche Fundierung geben, kann man nicht aus dem Hörsaal war alles neu und nichts voraussehbar. aber auch zusätzlich Beiträge aus der Pra- oder aus dem Politologieseminar her- Konnten Sie überhaupt nach Hause gehen Unser Interview erscheint in der 500. xis akquirieren, sodass wir mit dieser aus gestalten – so wie es die Linken und abschalten? Zehrt das an einem? Ausgabe der Politischen Studien. Welchen Kombination eine möglichst breite Leser- gerne versuchen –, sondern muss mit Stellenwert haben Ihrer Meinung nach schaft ansprechen können. der Lebenswirklichkeit verbunden Von Anfang an war es eine Aufgabe, Magazine wie die Politischen Studien, die sein. Und trotzdem darf man die Em- der ich mit sehr großem Respekt be- auch politisch Orientierung geben sollen? Ja, das finde ich sehr gut, denn genau pirie oder auch die Theorie der Wis- gegnet bin, weil sie alle Bürgerinnen „ dieses Zusammenwirken ist wichtig. senschaft nicht völlig ignorieren. Das und Bürger in ihrer Gesundheit, in Aus meiner Sicht und in meiner per- Es nützt mir nichts, wenn der fachlich macht es eben aus. Nur das rein Theo der Sorge um Leib und Leben betrof- sönlichen Wahrnehmung haben der- versierte Soziologe im unverständli- retische ist zu weit weg von der Reali- fen hat und betrifft. Es geht hierbei tät. Und nur Realität – da ist man im um mehr als um rein politische The- Grunde ohne Kompass. Gerade im men. Es geht um Gefahrenabwehr Zusammenführen von Theorie und und Seuchenbekämpfung: Das be- Realität übernehmen politische Ma- deutet, dass man nichts auf die lange gazine wie die Politischen Studien Bank schieben oder mehrere Exper- Magazine wie die POLITISCHEN STUDIEN sind ein zu Papier eine sehr wichtige Funktion. tenrunden zur Lageanalyse einberu- gebrachter Think-Tank. fen kann. Wir müssen wie bei der Notfallrettung oder bei einem Polizei- Wollen wir noch einmal über Corona spre- einsatz sehr schnell handeln und ent- chen. Sie sind von Markus Söder zum Lei- scheiden, weil stets Gefahr im Verzug 12 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 13
POLITISCHE-STUDIEN-ZEITGESPRÄCH ist. Und man braucht dazu stets ei- nen klaren Kopf. Meiner Meinung nach ist uns dies als bayerische Staatsregierung sehr gut gelungen. Wir sehen hier in Ihrem Büro ein sehr schönes Kreuz. Sie sind ja gläubig. Gibt der Glaube in derartigen Ausnahmesitua- tionen auch Halt? „ Die Maßnahmen müssen immer VERHÄLTNISMÄßIG sein. Ja, klar. Wann, wenn nicht in solch sie geimpft sind, können sie in der Re- ben gesehen: Es gab kaum Grippefäl- Und wie sehr ist es auch persönlich her- schwierigen Situationen. gel nicht mehr schwer erkranken. le im Winter. Das hängt damit zu- ausfordernd? Und dann tritt eine gewisse Gewöh- sammen, dass die Menschen auf Hy- nung ein. Dennoch appellieren wir giene und Abstand geachtet haben. Das ist immer eine Mentalitätssache. Haben Sie da häufiger gebetet? immer an die Menschen, die klassi- Mir persönlich gefällt das, aber die Ich persönlich kann mit so einer Situa schen Hygienemaßnahmen und Ab- staatlichen Maßnahmen werden na- tion gut umgehen. Natürlich beschäf- Wie normal auch. Aber natürlich tritt standsregeln einzuhalten. Sie erzeu- türlich dann beendet, wenn sie nicht tigt sie mich und ich denke immer man schon in einen anderen Dialog gen eine hohe Wirkung und stellen mehr notwendig sind. darüber nach. ein, um die Fragen zu stellen: Sind wir relativ geringe Eingriffe in die eigene auf dem richtigen Weg? Schaffen wir Freiheit dar. Und diese Regeln werden das alles? Treffen wir die richtigen wir noch weiterhin benötigen. Wir Und was bleibt gesellschaftlich nach Co- Gab es denn irgendwelche Corona-Re- Entscheidungen? Und wenn man da- müssen dem Virus das nehmen, was rona? Am Anfang hielten wir alle zusam- geln, deren Einhaltung Ihnen besonders bei nicht ganz alleine ist, ist das gut. es am liebsten hat: nämlich menschli- men und klatschten für Pflegekräfte … schwergefallen ist? che Kontakte. Deshalb müssen wir hier besonders umsichtig sein. Das Zusammenhalten und die Soli- Das Einhalten der Regeln, die wir sel- Wir haben das Gefühl, dass die Menschen darität in der Gesellschaft in Bayern ber verordnet haben, ist mir nicht nach eineinhalb Jahren Pandemie etwas und Deutschland sind bemerkens- schwergefallen. Ich war auch immer lockerer mit den Corona-Regeln umge- Könnte es sein, dass bestimmte Corona- wert. Bemerkenswert ist auch, wie davon überzeugt, dass sie zum jewei- hen. Dass die Maske nicht immer getra- Regeln bleiben werden? In einigen asiati- der Großteil der Bevölkerung die ligen Zeitpunkt richtig verordnet wa- gen oder schon mal unter die Nase gezo- schen Ländern ist es vor der Pandemie staatlichen Maßnahmen, also unsere ren. Aber besonders schwergefallen gen wird. Sehen Sie das auch so? schon üblich gewesen, dass im öffentli- Strategie der Vorsicht und Umsicht, ist die Entscheidung, die Schulen zu chen Raum das Tragen von Masken emp- mitgetragen und selber praktiziert schließen oder den kompletten Lock- Am Anfang waren wir noch beein- fohlen war. Könnte uns das nach der Pan- hat. Was von den Querdenkern üb- down anzuordnen. Diese Entschei- druckt von der Ungewohntheit der demie vielleicht bleiben – das Tragen der rigbleiben wird, das wird man noch dung war damals richtig, weil in der Lage und auch verängstigt, weil kei- Maske? sehen. Bedauerlicherweise – und dies Phase, als es noch keine Impfstoffe ner wusste, wie man mit dem gefähr- ist die Schattenseite von Corona – gab, dies die einzige Möglichkeit war, lichen Virus umgeht. Mittlerweile Die Maßnahmen müssen immer ver- hat die Pandemie diese Art zugespitz- „ die schnelle Ausbreitung des Virus sind wirksame Impfstoffe auf dem hältnismäßig sein. In dem Moment, ter Verschwörungstheorien hervorge- wieder in den Griff zu bekommen. Markt. Die Menschen wissen, wenn in dem vom Virus keine Gefahr mehr bracht. Wir werden sehen, ob und ausgeht und die Pandemie beendet wie sie sich manifestieren. Mit diesen ist, kann auch der Staat nichts mehr Kräften werden wir uns zukünftig anordnen. Und wir wollen das auch auseinandersetzen müssen und uns nicht. Das Tragen der Maske zum als Gesellschaft dagegen wehren. Beispiel ist dann eine Entscheidung, Aber ich hoffe, dass das nicht bleibt die jeder selber treffen muss. Es kann und überwunden werden kann. Das Einhalten der Regeln, die wir selber VERORDNET ja durchaus ratsam sein, sich bei gro- haben, ist mir nicht schwergefallen. ßen Menschenansammlungen mit Mundschutz auszustatten, wie das in Lassen Sie uns noch über wirtschaftspoli- anderen Ländern oder Kulturen tische Aspekte sprechen. Viele Einzelhan- schon länger üblich ist. Und wir ha- delsgeschäfte gerade in den Innenstäd- 14 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 15
POLITISCHE-STUDIEN-ZEITGESPRÄCH ten mussten aufgrund von Corona schlie- ßen. Welche Maßnahmen will die Bayeri- sche Staatsregierung ergreifen? ihm gewaltig zu. Und Einkaufszen tren außerhalb der Stadtgrenzen – so- zusagen auf der grünen Wiese – sind „ Für 2050 bin ich ganz ZUVERSICHTLICH, weil ich davon überzeugt bin, dass die politischen Weichenstellungen, die wir jetzt treffen, die richtigen sind. eine weitere große Konkurrenz. Wir sind nicht nur medizinisch, son- Aber zum bayerischen Lebensge- dern auch wirtschaftlich bisher sehr fühl gehören auch lebendige Innen- gut durch die Corona-Krise gekom- städte oder ein quirliger Dorfkern. vergangenen Monate wieder langsam litischen Weichenstellungen, die wir men. Natürlich gibt es Bereiche, die Deswegen ist es die Aufgabe der in die Gänge kommt. jetzt treffen, die richtigen sind. von den Lockdown-Maßnahmen be- Kommunen und auch des Freistaates, sonders hart betroffen sind: Das sind die entsprechenden Rahmenbedin- zum einen der Einzelhandel, zum an- gungen dafür zu schaffen. Wir unter- Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft Stichwort „Bavaria One“: Fliegen wir deren die Gastronomie, aber auch der stützen zum Beispiel den Einzelhan- werfen. Wo steht der Freistaat Bayern im dann vermehrt ins All? Bereich der Kunst und Kultur. Der del bei der Umstellung auf Digitali- Jahre 2050? Staat hat hier unterstützend einge- sierung und fördern dessen Online- Ich bin mir sicher, dass wir unsere griffen und wird es auch weiterhin Angebote. Also heute haben wir 2021. Das Spitzenposition bei der Luft- und tun. Gleichwohl beobachten wir, Aber auch Cafés und Restaurants heißt, es ist gar nicht mehr so lange Raumfahrt verteidigen und ausge- dass einige Geschäfte ihren Betrieb beleben die Innenstädte, sie machen hin – noch 29 Jahre und ich bin fast baut haben werden. Und wir werden nicht mehr weiterführen können. das Herz einer Stadt oder einer Ge- 80! (lacht) die kommenden dreißig Jahre viele Das liegt nicht nur an Corona: Der meinde aus. Und nicht zu vergessen: Dann werden wir uns alle wieder Satelliten nach oben schießen, um stationäre Einzelhandel steht gerade Kunst und Kultur – ein Bereich, der treffen und in einem Land leben, das unser Leben komplett digital ausrich- in den Innenstädten vor größeren unter der Pandemie sehr gelitten hat mit Sicherheit die Klimaneutralität er- ten zu können. Dazu brauchen wir Umbrüchen, der Online-Handel setzt und der durch die Lockerungen der reicht hat, das in der technischen Ent- sehr viele Satelliten und sie werden wicklung, die wir uns heute noch gar viel kleiner sein, als das bisher der nicht vorstellen können, ganz weit Fall ist. Deren Bestandteile und die Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Der Staatskanzleichef ist überzeugt davon, dass Bayern seine vorne liegt und in dem es nach wie vor notwendigen Trägerraketen werden Spitzenposition in der Luft- und Raumfahrttechnologie weiter ausbaut. lebens- und liebenswert zugeht. Die aus Bayern stammen. Der Himmel jetzige Staatsregierung mit ihrem Mi- wird weiß-blau leuchten. (lacht) Quelle: Verena Kienast, HSS nisterpräsidenten wird die Weichen- stellungen so festlegen, dass dies ge- nauso eintreten wird: damit wir nicht Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die- den Anschluss an die technologische ses aufschlussreiche und offene Interview. Entwicklung verlieren, sondern wir mit dem Schub, der von unseren Uni- Das Interview führten Susanne Hornber- versitäten ausgeht, und mit der High- ger, Leiterin Kommunikation und Öffent- tech Agenda Bayern dazu beitragen, lichkeitsarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung, dass ganze Generationen von Wissen- und Barbara Fürbeth, Referatsleiterin schaftlerinnen und Wissenschaftlern Publikationen, Hanns-Seidel-Stiftung, gerne in Bayern forschen werden. Wir München. /// werden unsere Klimaziele und die Energiewende erreicht haben. Und mit den Bergen und der Schönheit der Hören Sie auch hierzu die Gratu- Natur werden die Menschen immer lationsvideobotschaft von Staats- noch gerne in Bayern leben. Für 2050 minister Dr. Florian Herrmann, MdL. Dazu bitte QR-Code mittels bin ich ganz zuversichtlich, weil ich Tablet oder Smartphone und fest davon überzeugt bin, dass die po- einer geeigneten App scannen. 16 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 17
IM FOKUS Quelle: HSS, Barbara Fürbeth /// Mit dem Flaggschiff auf Erfolgskurs 500 AUSGABEN POLITISCHE STUDIEN MARKUS FERBER /// Die Politischen Studien gibt es seit Dezember 1950, mittlerweile im 72. Jahrgang. Seit 1972 wird die Zweimonatszeitschrift von der Hanns-Seidel- Stiftung herausgegeben, und die nun vorliegende 500. Ausgabe ist nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern gibt auch Anlass, einen Blick auf die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zu werfen.1 Wie es begann … rausgegeben hat sie der Münchner Verle- Ab Dezember 1950 erscheinen die Politi- ger Dr. Günter Olzog im Isar-Verlag. schen Studien als „Schriftenreihe der Die Anfänge der monatlich erschei- Hochschule für Politische Wissenschaf- nenden Zeitschrift fallen inhaltlich wie ten München“ unter dem damaligen Titel von der Aufmachung her eher sparta- „Politische Bildung“. Gegründet und he- nisch aus. Jedes Heft hat nur ein Thema und die Beiträge sind Vorträge und Vor- lesungsmitschriften der Hochschule für Politische Wissenschaften, in deren Schriftenreihe die Publikation angesie- Die ERSTE Ausgabe erscheint delt ist. Bald schon gibt es aber eine Eine der ersten Ausgaben der unter dem Titel „Politische Bildung“ attraktivere Aufmachung und auch in- Politischen Studien, die damals noch unter im Dezember 1950. haltlich öffnet man sich dem politischen dem Titel „Politische Bildung“ erschien. Leben, wenn auch nur aus theoretisch- Die Aufmachung fällt noch spartanisch aus. wissenschaftlicher Sicht. Dies spiegelt sich auch in der Auswahl der Autoren 18 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021
IM FOKUS wider, die vorwiegend aus dem wissen- geschehen angesiedelt, der damalige Satzungsauftrag der Hanns-Seidel-Stif- schaftlichen Bereich kommen. Akademieleiter Dr. Johannes Hampel tung, nämlich die Förderung der demo- Zunehmend versucht man, als In den Anfangsjahren steht noch wird zugleich deren Chefredakteur. Die kratischen und staatsbürgerlichen Bil- Sprachrohr dem Auftrag nach Art. 21 der WISSENSCHAFTLICHE Duktus im Zeitschrift erscheint mittlerweile seit dung auf christlicher Grundlage. des Bonner Grundgesetzes zur politi- Vordergrund. 1962 im Zweimonatsrhythmus. schen Bildung nachzukommen, und der Die neuen Herausgeber vermeiden Konzept und Inhalt Verleger Günther Olzog sieht seine Zeit- abrupte Kurswechsel, nehmen aber doch Vor allem die Akademie für Politik und schrift da mittlerweile auch auf einem einige Neuakzentuierungen vor. Sie defi- Zeitgeschehen profitiert von dem Wech- guten Weg. Chefredakteur wird Profes- nieren die Publikation als Forum für sel. Sie erhält mit der Zweimonatsschrift sor Franz Fendt, Rektor der Hochschule Problemanalysen und Lösungsansätze, eine publizistische Plattform, um ihre für Politische Wissenschaften. Ihm steht das Prinzip der Bildungsvermittlung Perspektiven und Konzeptionen sowie Arbeit einem breiteren Kreis von Interes- ein prominentes Herausgeberkollegium und zeitungebundener Informationen Dialog und Diskussion in Wissenschaft senten zugänglich zu machen, indem sie zur Seite. Drei Redakteure arbeiten für verlegen. und Politik. Sie soll eine Informations- ihre wissenschaftlichen Tagungen und die Publikation. Die ersten zehn Jahre sind gekenn- quelle für jeden politisch interessierten Seminare publizistisch verwertet. Wei- In der Folgezeit werden das inhaltli- zeichnet durch Suche. Die Suche nach Bürger sein. Dies entspricht auch dem terhin stehen die Vermittlung von quali- che Spektrum erweitert sowie neue Ru- einem guten Konzept, passenden Inhal- briken und Formate eingeführt, um da- ten, entsprechender Form und Aufma- mit einen Bezug zur aktuellen Politik chung. Die Verantwortlichen ringen hart herzustellen. So stehen nun Weltpolitik um jeden Punkt. Die Ansichten, wie eine und wissenschaftliche Lehre nebenein- zeitgeschichtliche Zeitschrift sowohl für ander, was sich auch bald in einem neu- die politikwissenschaftliche Fachwelt als en Titel widerspiegelt: Ab April 1954, auch die interessierte Öffentlichkeit ge- mit der Nummer 48, heißt die Schriften- staltet sein müsste, gingen hier zwischen reihe Politische Studien, sie werden als Wissenschaft und Publizistik immer Monatshefte geführt und monatlich ver- wieder auseinander. Häufige Verände- öffentlicht. rungen im Impressum zeugen davon. Die Aufbaujahre befördern das Inte- Nur Günter Olzog bleibt weiterhin so- resse an der Demokratie und in der Folge wohl Verleger als auch Autor. Er hat nun auch zunehmend den Wunsch der brei- schon über Jahre hinweg eine erfolgrei- ten Öffentlichkeit nach publizistischer che, regelmäßig erscheinende Publikati- Hintergrundinformation dazu. Diesem on entwickelt. Dennoch stellt er sich Anspruch kann das Publikationsorgan wieder und wieder die Frage, ob sie als zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht Sprachrohr und als Plattform für den Di- entsprechen. Noch gelingt es nicht, sich alog im vorliegenden Rahmen noch wei- von der Nähe zur Hochschule und terhin optimal verankert ist. Er kommt damit verbunden der Wissenschaft zu zu dem Schluss, dass es eines größeren lösen. Weiterhin werden überwiegend und institutionelleren Rahmens für die Beiträge wiedergegeben und die The- Politischen Studien bedarf, und findet Quelle: HSS, Barbara Fürbeth men den Autoren nach gewählt. Die po- diesen in der Hanns-Seidel-Stiftung. litische Aktualität bleibt somit zumeist auf der Strecke. Dies ist allein schon den Die Stiftung wird Herausgeber zeitlichen, aber auch den technischen 1972 übernimmt die Hanns-Seidel-Stif- und personellen Abläufen geschuldet. tung die Herausgeberschaft der Politi- Es fehlen der Redaktion hier die Mög- schen Studien. Die Redaktion ist in der lichkeiten, weshalb sich die Macher auf dortigen Akademie für Politik und Zeit- Das Design verändert sich: Es wird bunter und die Raute als Logo kommt hinzu. 20 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 21
IM FOKUS fiziertem Hintergrundwissen und zei- Inhaltlich ist man mittlerweile von „Kommunikation und Öffentlichkeits- tungebundener Thematik im Vorder- den eher theorielastigen Themen und arbeit“, hier angesiedelt im Referat „Pu- grund. Hier kann die Akademie aus dem Mit der Stiftung als Herausgeber Darstellungsformen zu den zeitrelevan- blikationen“. In der Redaktion sind ins- reichen Fundus ihrer Arbeit schöpfen ÄNDERN sich Konzept und Inhalt. ten und aktuellen Themen übergegan- gesamt vier Redakteurinnen in Teil- be- und viele ihrer Autoren für die Politi- gen, deren pragmatische und politische ziehungsweise Vollzeit sowie eine Re- schen Studien akquirieren. Umsetzung nun im Vordergrund steht. daktionsassistentin beschäftigt. Ab Mitte der 1970er-Jahre weisen Die weltpolitischen Entwicklungen so- Die Position des Chefredakteurs hat- die periodischen Ausgaben eine Schwer- wie die Globalisierung mit all ihren Zu- te bis Anfang 2019 der jeweilige Leiter punktbildung auf – es werden zuneh- sammenhängen und Auswirkungen er- der Akademie für Politik und Zeitge- mend in den 1980er-Jahren auch Son- re kehrt man zu einem etwas einge- fordern dies auch. Das Ergebnis dieser schehen inne. Dies waren: derhefte und Sonderdrucke herausgege- grenzteren Schwerpunkthema, jetzt Fo- zielführenderen Redaktionspolitik ist in ben. Das Konzept hierzu sieht vor, dass kus genannt, zurück, der von einem so- der Folge ein schärferes Profil der Politi- • Dr. Johannes Hampel (1972-1985) ein Thema umfassend, gründlich und genannten „Omnibus-Teil“, in Form schen Studien. • Dr. Ludwig Watzal (1986) aus verschiedenen Blickwinkeln heraus von Analysebeiträgen und einem Inter- • Dr. Peter Eisenmann (1986-1993) abgehandelt wird. Ende der 1990er-Jah- view, umrahmt wird. Ein neues Kleid • Dr. Wolfgang Hübner Seit Ende der 1990er-Jahre gab es bereits (1993-1996) und Überlegungen und Bestrebungen, die Po- • Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser litischen Studien einem optischen „Make (1996-Februar 2019) Ab 2011 erscheint die Zeitschrift nach einem Over“ zu unterziehen. Dass dies drin- Relaunch im neuen, frischen und stark veränderten gend geboten war, zeigte auch eine Leser- In Zusammenarbeit mit einer auswärti- Layout, was bei den Lesern gut ankommt. befragung, die im Zuge einer Evaluierung gen Satzagentur und einer Druckerei erfolgte. Hierbei wurde auch eine Ziel- werden jährlich sechs Nummernhefte gruppendefinition des Leserkreises vor- der Zweimonatszeitschrift produziert. genommen, mit dem Ergebnis, dass dies Die Auflage beträgt derzeit 6.500 Exem- der politisch interessierte Bürger ist. plare und es enthält einen Verteiler von Neben der inhaltlichen Ausrichtung ca. 3.400 Beziehern. Die Printausgabe auf diesen Leserkreis war somit auch ein ist auch digital auf der Homepage www. Relaunch des Layouts geboten, welches hss.de downloadbar. 2010 durchgeführt wurde. Mit der Nummer 435 erschienen Ende Januar Seit dem Relaunch 2011 2011 die Politischen Studien in einem • betreut die auswärtige Agentur völlig neuen Design. Zusammen mit ei- Publishers Factory, die zur Trurnit- ner Münchner Grafik-Agentur wurde Verlagsgruppe gehört, die Satzer- ein neues Layout entwickelt, welches stellung und neben Farbe und mehr Bildern auch • der Druck erfolgt derzeit bei der strukturierende und gestaltende Ele- Kern GmbH in Bexbach. Quelle: HSS, Barbara Fürbeth mente brachten und den Seiten sowie dem Heft insgesamt eine moderne und frische Darstellung verlieh. Den Lesern gefiel das „neue Kleid“ gut − die Reso- nanz fiel positiv aus. Die Politischen Studien sind das FLAGGSCHIFF der Hanns-Seidel-Stiftung. Organisation Ab 2016 kommt die Redaktion zu der neu geschaffenen Organisationseinheit 22 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 23
IM FOKUS Neuausrichtung „Kommunikation und Öffentlichkeitsar- folgreich nach und widmen den Schwer- Mit der Wende Ende der 1980er-Jahre beit“, Thomas Reiner, einsetzte und die punkt dieser Ausgabe diesem Jubiläum. kam auch für die Politischen Studien ein seine Nachfolgerin Susanne Hornberger Wir sind stolz auf unser „Flaggschiff“ thematischer Wandel, ein thematischer seit April 2021 weiter ausbaut, wird dem und freuen uns auch über die Reihe von Umbruch. Der bis dahin bestimmende Rechnung getragen. Crossmedial bedeu- Gratulationen dazu, die wir im An- Ost-West-Konflikt wird nun abgelöst tet eine verstärkte Zusammenarbeit und schluss an diesen Beitrag präsentieren vom Prozess der Wiedervereinigung Verlinkung der Bereiche Print, Online dürfen. Abschließend analysiert Peter und den damit verbundenen Aspekten und Social Media, nicht zuletzt auch zur Fahrenholz in seinem Artikel die Bedeu- und Fragen. Im Laufe der Jahre nehmen Erweiterung der Zielgruppen. Die Politi- tung politischer Bildung und politischer darüber hinaus die gesellschaftspoliti- schen Studien sind online präsent und Magazine wie die Politischen Studien in schen Themen zunehmend Raum ein. setzen auch hier Impulse. diesem Zusammenhang. /// MARKUS FERBER, MDEP Die Politischen Studien werden zum Für die Zukunft werden wir uns wei- Aktuelle Themen, Hintergrundwis- ist Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, Magazin für Politik und Gesellschaft, ter Gedanken über die Ausrichtung und sen und sachgerechte Analyse, leserori- e. V., München. neben der Akzentuierung verändern eine entsprechende Neuaufstellung ma- entiert aufbereitet – das ist weiter das sich auch Intention und Adressaten- chen. Der Weg im 21. Jahrhundert eröff- Bestreben der Herausgeber und der kreis. Nicht mehr die theoretisch-wis- net viele Perspektiven, hält aber auch „Macher“ der Politischen Studien. In Anmerkung 1 Der Beitrag fußt auf den Artikeln von Kiehl, Dieter senschaftliche Information steht im entsprechende Herausforderungen be- diesem Sinne: auf unser „Flaggschiff“ und Meier-Walser, Reinhard C. in: 50 Jahre POLI- Vordergrund, sondern das aktuelle und reit. Auf diese damit verbundenen Um- und die nächsten 500 Ausgaben. /// TISCHE STUDIEN – Ein halbes Jahrhundert Zeit- geschichte, Politische Studien, Jubiläumsausgabe, diverse Wissensangebot als Hilfestel- brüche in Politik und Gesellschaft müs- Dez. 1999/Jan. 2000, 50. Jahrgang, München. lung für den politisch interessierten Bür- sen wir auch im Bereich unserer Publika- ger. Die Zeitschrift wird somit in Quali- tionen laufend reagieren, thematisch wie tät und Vielfalt attraktiver. gestalterisch. Dabei behalten wir unsere Leser immer fest im Blick und im Fokus. Ein ständiger Evaluierungsprozess be- gleitet unsere Arbeit und bildet die Grundlage für fortlaufende Verbesse- Bereits Ende der 1980-Jahre erfolgte rung und Entwicklung. mit der Wende eine NEUAUSRICHTUNG Thematisch eröffnen wir 2022 mit der Zeitschrift bezüglich Themen, dem Blick auf Europa. Aber auch weitere Intention und Leserkreis. wichtige Themen wie Gesundheit und Pflege, innere Sicherheit sowie Lebens- räume werden in den Politischen Studien in den Fokus genommen. Wir begleiten mit unserem Magazin weiter den Weg im 21. Jahrhundert. Die Politischen Studien kommen so weiterhin ihrem normativen Auftrag der Fazit demokratischen und staatsbürgerlichen Die Zweimonatszeitschrift Politische Bildung nach. Mit Globalisierung und Di- Studien erfasst, mittlerweile bereits im gitalisierung treten Entwicklungen und 72. Jahrgang, Strömungen und Bewe- Veränderungen auf, denen sich auch eine gungen der Zeitgeschichte und des Zeit- politische Zeitschrift als Medium nicht geschehens, vermittelt Hintergrundwis- entziehen kann. Mit einer zunehmend sen, analysiert vielseitig und setzt Dis- crossmedialen Arbeitsweise, die ab 2017 kussionsimpulse. In 500 Ausgaben ka- unter dem damaligen Bereichsleiter der men wir dieser Aufgabe gerne und er- 24 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 25
Quelle: iStock.com/Tetiana Garkusha /// Wir gratulieren … JUBILÄUM POLITISCHE STUDIEN Dies ist die 500. Ausgabe unserer Zweimonatszeitschrift Politische Studien. Seit Dezember 1950 im mittlerweile 72. Jahrgang erscheinen die Politischen Studien bereits und darauf sind wir stolz. Wir feiern dieses Jubiläum zu- sammen mit unseren Lesern. Die Gratulationen und guten Wünsche einiger dürfen wir Ihnen hier im Anschluss vorstellen. 26 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 27
IM FOKUS Quelle: Bayerische Staatskanzlei, München /// Es ist ein besonderes Jubiläum, das wir mit den Politischen Studien der Hanns-Seidel-Stiftung dieses Jahr feiern dürfen. Ich freue mich, dass wir schon die 500. Ausgabe veröffentli- chen können und danke allen Beteiligten ganz herzlich für ihre wichtige Arbeit. Die Politischen Studien untersuchen poli- tische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends. Sie beraten Entscheidungsträger und tragen so seit 55 Jahren zu vorausschauendem politischem Handeln bei. Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung ha- ben wir gemeinsam das Ziel, die demokratische und staatsbür- gerliche Bildung in Deutschland und in Bayern auf einer christ- lichen Grundlage zu fördern. Die Stiftung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung unserer Gesellschaft, denn eines ist klar: Demokratie braucht politische Bildung! Ich bin stolz darauf, dass ich als Mitglied und stellvertreten- de Vorsitzende die wertvolle Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung mit unterstützen und Schwerpunkte einbringen darf. Das ist mir als Altstipendiatin besonders wichtig! Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, München Ich danke Ihnen allen für Ihre /// DR. MARKUS SÖDER, MDL wertvolle Arbeit und freue mich auf BAYERISCHER MINISTERPRÄSIDENT viele weitere Ausgaben der Politi- schen Studien! /// /// Herzlichen Glückwunsch zur 500. Ausgabe der Politischen Studien der Hanns-Seidel-Stiftung! Seit mehr als 70 Jahren ist die Zeitschrift für Bildung und Zeitgeschehen ein wichtiges Forum für den wissenschaftlichen Diskurs, für politischen Meinungsaustausch und eine Informationsquelle für komple- xe politische Zusammenhänge. Dieser Erfolg ist Auftrag für die Zukunft: Demokratie braucht Meinungsvielfalt, seriöse Informationsquellen und in- formierte Bürger. Gerade weil die Debatten in den Medien här- ter geworden sind und Fake News zunehmen, ist politische Bildungsarbeit so wertvoll wie nie. Mit den Politischen Studien leistet die Hanns-Seidel-Stif- /// KERSTIN SCHREYER, MDL tung einen entscheidenden Beitrag zur politischen Stabilität in STAATSMINISTERIN FÜR unserem Land. Dafür herzlichen Dank und viel Erfolg für die WOHNEN, BAU UND VERKEHR, weitere Arbeit! /// MÜNCHEN 28 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 29
IM FOKUS Quelle: Erzbischöfliches Ordinariat München (EOM) / Lennart Preiss /// Sich eine fundierte politische Meinung zu bilden, macht Mühe und kostet Zeit. Leichter ist − und so wird es oft genug praktiziert − ein schnelles Urteil zu fällen, ohne sich vorab gründlich zu informieren. Nur verhindert das den konstruktiven Diskurs in der Gesellschaft genauso, wie es die Demokratie insgesamt gefährdet. Die Politischen Studien, immer mit erheblichem Auf- wand und sorgsam erstellt, erscheinen zum 500. Mal. Ex- perten von Rang machen es möglich, historische und aktu- elle Hintergründe zu begreifen, Entscheidungs- und Ent- wicklungsprozesse zu verstehen und Politik zu beurteilen. Ein herzliches Dankeschön dafür! Die Politischen Studien regen zu eigenständigem Denken und /// REINHARD KARDINAL MARX, Entscheiden an. Etwas Besseres ERZBISCHOF VON MÜNCHEN UND kann der Demokratie nicht pas- FREISING sieren. /// /// Zur 500. Ausgabe der „Politischen Studien“ gratulie- re ich herzlich. Ein solches Jubiläum steht auch für ideelle Kontinuität und redaktionelle Ausdauer. Es freut mich, dass auch dem Blickwinkel der Katholischen Soziallehre in den Debatten um zentrale Werte unserer Gesellschaft immer wieder Raum gegeben wird. „Orientierung durch Information und Dialog“ ist am ehesten dann möglich, wenn sich Pluralität abbilden und ein wirklicher Austausch befördert werden kann, der Meinungsbildung ermög- licht, die für die Demokratie entscheidend ist. Quelle: Anke Roith-Seidel Ich wünsche den Verantwortlichen weiterhin /// SUSANNE BREIT-KEßLER, Gespür für die relevanten Themen, die die Würde des STV. VORSITZENDE DER Menschen in den Mittelpunkt rücken. Für die Zukunft HANNS-SEIDEL-STIFTUNG UND unseres Gemeinwesens ist das von außerordentlicher VORSITZENDE DES ETHIK-RATES, Bedeutung. /// MÜNCHEN 30 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 31
IM FOKUS /// Wer Demokratie verstehen, ihrer Wertorientierung Quelle: StudioLine Photography genügen, Innovationen gestalten, Komplexität begrei- fen, wichtige gesellschaftliche Entwicklungen erfahren und Vernunft im privaten wie öffentlichen Diskurs walten lassen will − den unterstützen die Politischen Studien. Nun schon 500 Mal. Und hoffentlich noch öfter. /// /// PROF. DR. DR. H.C. HEINRICH OBERREUTER, PASSAU /// LISA-MARIE GELTINGER, M.A. PROMOTIONSSTIPENDIATIN, HANNS-SEIDEL-STIFTUNG, MÜNCHEN /// Die Zweimonatsschrift Politische Studien leistet als Medium für Politik und Wissenschaft einen substan- ziellen Beitrag zum demokratischen Bildungsauftrag der Politischen Stiftungen, die Roman Herzog auch als „Schulen demokratischen Denkens und Handelns“ bezeichnete. In Anbetracht der zunehmenden Emotio- nalisierung der Politik trägt dieses Periodikum im Besonderen dazu bei, dass in der politischen Auseinan- dersetzung verflüchtigte Stimmungsbilder nicht die Oberhand über stichhaltige Sachargumente gewinnen. Quelle: Walter Daschner Stellvertretend für die Stipendiaten und Nachwuchs- wissenschaftler der Hanns-Seidel-Stiftung ist es mir deshalb eine besondere Freude, den Politischen Studien im Rahmen der 500. Ausgabe die besten Glückwünsche zu übersenden. /// 32 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 33
IM FOKUS /// Digitalisierung in der Bildung ist ein Veränderungsprozess, der zu einem fundamentalen Wandel der Bildungssysteme führt. Diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung anzunehmen und pragmatische Lösungen für diese Transfor- mation aufzuzeigen, ist mein Schwerpunkt als Wissenschaft- lerin und Unternehmerin. Die Grundlagen für diese Art zu arbeiten wurden während meiner Förderung durch die Hanns-Seidel-Stiftung gelegt und ebenso, dass Antworten auf komplexe Fragen interdisziplinär am besten gelöst werden. Meine tägliche Arbeit ist daher geprägt von der Kooperation zwischen Didaktikern und Informatikern. Gemeinsam widmen wir uns Fragen wie zum Beispiel: Kann Künstliche Intelligenz (KI) beim individuellen Lernen unterstützen? Wie sieht eine Software aus, die Lehrkräften bei der Unterrichts- vorbereitung hilft? Was können Lehrerfortbildungen von sozialen Netzwerken lernen? Es braucht innovative Antworten auf diese Fragen, denn Bildung ist der Garant für den Zusam- /// Warum seriöse Medien für den Zusammenhalt der Gesellschaft unverzichtbar sind menhalt und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Impulse und Anregungen ZWISCHEN FAKE NEWS UND HASS- zu diesen und anderen Fragen finden sich auch in BOTSCHAFTEN den Politischen Studien, der Zweimonatszeitschrift der Hanns-Seidel-Stiftung. Dies PETER FAHRENHOLZ /// Nicht erst seit der Corona-Pandemie wächst in ist die 500. Ausgabe. den Sozialen Medien ein Paralleluniversum an unseriöser Information und Meinen herzlichen Glück- Meinungsbildung an und gefährdet so zunehmend den Zusammenhalt der wunsch dazu. /// Gesellschaft. Umso wichtiger sind seriöse Medien, die faktenbasiert und unabhängig arbeiten. Auswirkungen von Corona chen Sondersendungen über alle As- auf die Medienwelt pekte der Pandemie und die Maßnah- Als Anfang 2020 die Corona-Pandemie men der Politik im Kampf gegen das auch in Deutschland zu den ersten In- Virus berichtet. fektionen führte und wenige Wochen Quelle: Julia Knopf; Foto: Alexander Becher später in den ersten Lockdown münde- te, gab es zwei völlig gegenläufige Ten- denzen. Auf der einen Seite entstand ein ungeheures Informationsbedürf- Durch die Corona-Pandemie /// PROF. DR. JULIA KNOPF, nis, das von den Medien in Deutsch- entstand ein großes INFORMATIONS- LEITUNG FORSCHUNGS land mit einer gewaltigen Kraftan- BEDÜRFNIS der Bevölkerung dazu. INSTITUT BILDUNG DIGITAL, strengung bewältigt wurde. Die öffent- UNIVERSITÄT DES SAAR- lich rechtlichen Fernsehsender haben LANDES, SAARBRÜCKEN über viele Wochen hinweg mit tägli- 34 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 35
IM FOKUS nisse der Wissenschaft und die Bericht- nicht selten blanker Hass spricht. Nur erstattung darüber zu Lügen erklären. in den seltensten Fällen gelingt es, in ei- Stattdessen werden seit Beginn der Pan- nen Dialog mit dem Absender zu treten, demie abstruse Verschwörungstheori- bei dem Argumente ausgetauscht wer- en, die aus trüben Quellen im Internet den. Meist ist ein solcher Versuch völlig stammen, verbreitet und finden bei ei- sinnlos. ner Minderheit Anklang. Wie groß diese Minderheit ist, ist Der Bundeswahlkampf schwer einzuschätzen. Aber zu den un- und die Medien erfreulichen Erkenntnissen vieler Men- Auch im zurückliegenden Bundestags- schen gehört, dass sie in ihrem persönli- wahlkampf war diese Zweiteilung zu chen Umfeld immer wieder auf Freunde, beobachten. Es kursierte schnell die Bekannte oder Arbeitskollegen stoßen, Lesart, dass es sich um einen besonders Quelle: iStock.com/Chinnapong von denen sie nie gedacht hätten, dass bösartigen Wahlkampf gehandelt hat. sie Corona-Leugner oder Impfgegner Doch davon konnte, was den eigentli- sind. Die sogenannte Querdenker-Be- chen Wahlkampf und die Berichterstat- wegung, die sich auf dieses Gebräu tung der Medien darüber anbelangt, stützt, radikalisiert sich seither immer keine Rede sein. Eher im Gegenteil. Die weiter. Trauriger Höhepunkt bis jetzt Spitzenkandidaten der Parteien gingen, war der Mord an einem jungen Tank- von heftigeren Attacken, die in der End- In der digitalen Welt nehmen die Sozialen Medien auch Einfluss auf Information und stellenmitarbeiter in Idar-Oberstein, der phase eines Wahlkampfes üblich sind, Meinungsbildung der User. von einem Gegner der Corona-Maßnah- abgesehen, ausgesprochen respektvoll men, die nach wie vor von einer breiten miteinander um. Da hat es in früheren Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen Zeiten ganz andere Wahlkämpfe gege- Auch in den Printmedien war Coro- dien, deren gedruckte Auflage seit Jah- werden, erschossen wurde, nur, weil er ben, in denen Schmähungen und per- na monatelang das beherrschende The- ren zurückgeht) sprunghaft an. Über den Kunden zum Tragen einer Maske sönliche Verunglimpfungen des politi- ma. Die Berichterstattung wurde deut- kein Thema wurde so ausführlich und aufforderte. schen Gegners an der Tagesordnung lich ausgebaut, die „Süddeutsche Zei- detailliert berichtet wie über Corona waren. tung“ etwa hat den Platz für die Wissen- und die Folgen. Im Grunde konnte je- Auch die Berichterstattung in den schaftsberichterstattung verdoppelt, in der, der mit einigermaßen offenen Au- Medien über den Wahlkampf und die anderen Medien war es ähnlich. Es ex- gen durch die Welt geht, über alle wich- politischen Positionen, die die einzelnen plodierte in der Zeit förmlich die noch tigen Fakten im Zusammenhang mit Es hat sich ein PARALLELUNIVERSUM Parteien vertreten haben, war keines- relativ neue Spezies des Datenjournalis- dieser Seuche Bescheid wissen. von Querdenkern und Coronaleug- wegs einseitig oder unfair. Und es war mus. In aufwendigen interaktiven Grafi- Eine Renaissance also der klassi- nern entwickelt, welches sich auch nicht so, dass wichtige Themen in ken wurden die Ergebnisse und Projek- schen Medien, die sich insbesondere seit vorwiegend im Internet informiert. der Berichterstattung ausgeblendet wor- tionen der Wissenschaftler so aufberei- der erbitterten Auseinandersetzung um den wären. tet, dass sie auch der Laie verstehen die Flüchtlingspolitik immer wieder als In der Welt der Sozialen Medien sah konnte. Die aktuellen Zahlen über das „Lügenpresse“ schmähen lassen muss- das ganz anders aus. Hier wimmelte es Infektionsgeschehen auf der ganzen ten? Leider nicht ganz. Denn während geradezu von Fake News, die von obs- Welt konnten jederzeit nachgelesen wer- auf der einen Seite alle Fakten zur Pan- kuren Internetportalen in die Welt ge- den. Von den Lesern wurden diese An- demie breit und transparent dargestellt Wer sich als Journalist mit der setzt wurden oder von Hassbotschaften, strengungen auch honoriert. Bei der wurden und auf enormes Leserinteresse schleppenden Impfkampagne befasst die sich via Twitter ausbreiteten. Nach „Süddeutschen Zeitung“ stieg die Zahl stießen, entstand auf der anderen Seite und dafür plädiert, den Druck auf die einer Analyse der Organisation Hate- der Digital-Abonnenten (der neuen eine Art Paralleluniversum, in dem Impfverweigerer zu erhöhen, wird mit Aid, die Opfer von Hass im Netz berät wichtigen „Währung“ für viele Printme- Menschen unterwegs sind, die Erkennt- kruden Mails überschüttet, aus denen und notfalls vor Gericht unterstützt, gab 36 POLITISCHE STUDIEN // 500/2021 500/2021 // POLITISCHE STUDIEN 37
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