POSITION. Zukunftsgerecht bauen mit Betonfertigteilen Seite 15 - VDZ-Roadmap Deutsche Zementindustrie auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft ...

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POSITION. Zukunftsgerecht bauen mit Betonfertigteilen Seite 15 - VDZ-Roadmap Deutsche Zementindustrie auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft ...
1. Ausgabe 2021

Das Branchenmagazin                        Betonfertigteile Betonwaren Betonwerkstein

                                                       POSITION.
   VDZ-Roadmap                                         Zukunftsgerecht bauen
   Deutsche Zementindustrie                            mit Betonfertigteilen
   auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft               > Seite 15
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Inhalt

    3            Punktum                                    27   Recht

    4            Branche im Blick                           27   Unfallereignis

    4            Unser Leitthema 2021                       27   Verhaltensbedingte Kündigung

    5	Gastbeitrag „Wie wird sich das Bauen und Wohnen in   28   Neue HOAI 2021
       der Zukunft verändern?“
                                                            29   Veranstaltungen
    8            Modulares Bauen
                                                            29   Hochschuldozententagung 2020
    10           Thermische Bauteilaktivierung
                                                            29   6. SLG-Fachtagung
    12           Internationaler Hochhauspreis 2020

                                                            30   BetonTage asia 2020
    15	Position: Zukunftsgerecht bauen
                                                            31   Bauen mit Betonfertigteilen
        mit Betonfertigteilen

    16           Faktencheck Wohnungsbau in Deutschland     32   Gremienarbeit
    18           VDZ-Roadmap                                35   Neu erschienen
    20           DWA-Umfrage
                                                            38   Branche intern
    22           Bericht aus Europa
                                                            38   Neuwahl der Ehrenämter im BIV
    24           Aus- und Weiterbildung                     38   Forschungsvereinigung
    24           Darmstädter Betonfertigteiltage 2021       39   BIBM
    25           FDB-Förderpreis 2020
                                                            40   Branche intern
    26           Beton web.akademie
                                                            40   Neuer Mitherausgeber

                                                            41   Termine

                                                            42   Impressum

    Bild links: © Anders Bobert
    Bild rechts: © SLG

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POSITION. Zukunftsgerecht bauen mit Betonfertigteilen Seite 15 - VDZ-Roadmap Deutsche Zementindustrie auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft ...
Punktum

Zukunftsgerechter Wohnungsbau

Liebe Leserschaft,

wie wollen wir in Zukunft wohnen und leben? Eine Frage, die sich schon
vor der Corona-Krise gestellt hat und seitdem noch mehr an Bedeutung
gewonnen hat. Innenstadtverdichtung, mehr Grün-, Frei- und Freizeitflä-
chen bei stetigem Bevölkerungswachstum müssen in Einklang gebracht
werden. Es ist an der Zeit, die Kraft des Wandels, die wir derzeit erleben,
auf Häuser, Gebäude und Städte zu übertragen.

Gerade in Städten erfahren wir Menschen, dass öffentlicher und priva-
ter Raum ein Zuhause für mehr Freiheit und Begegnungsstätten bieten
kann. Dabei erlebt der Wohntrend „Romancing the Balcony“, wie ihn die
Trend- und Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern beschreibt, nämlich                Diana Klose
Garten, Balkon und Terrasse als private Outdoorflächen zum Mittelpunkt        Bayerischer Industrieverband
des Lebens zu erklären, ein Revival. Balkone sind mehr denn je wichtiger      Baustoffe, Steine und Erden
Bestandteil im Wohnungsbau und sollten demnach im Baurecht verankert
werden. Denn der Mensch braucht einfach privaten Raum unter freiem
Himmel für sein Wohlbefinden und seine Gesundheit. Für die so wichtig
gewordene ästhetische und praktische Gestaltung dieser Freiräume bietet
unsere Industrie eine vielfältige Produktpalette an.

Schauen wir in die Wohnungen und Häuser, so ist auch hier ein neuer
Lebensstil entstanden. Das Hoffice (Home + Office) wird zur neuen Norma-
lität. Laut einer Umfrage des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale
Transformation im April 2020 wurde vor Corona bei 35 % der Berufstäti-
gen das Hoffice zumindest ab und zu genutzt, während Corona stieg diese
Zahl auf 43 % an. Was nun benötigt wird, ist eine flexible Raumgestaltung.
Hier sorgt modulares und serielles Bauen aus Betonfertigteilen für eine
hohe Flexibilität, hohe Qualität und Schnelligkeit in Verbindung mit allen
Vorteilen, die der Baustoff Beton zu bieten hat. Die darüber hinaus für uns
Menschen so wichtigen Aspekte wie Individualität und Sicherheit bringt der
Baustoff Beton von sich aus mit.

Der neue Trend zur Neo-Ökologie verlangt nach mehr Grünflächen, weniger
Autoverkehr und vor allem die Berücksichtigung des Kreislaufprinzips beim
Bauen. In Forschung und Regelsetzung wird daran gearbeitet, die Möglich-
keiten für eine Erhöhung des Anteils von Recycling-Material im Beton zu
erweitern. Man möchte damit dem Gedanken der Nachhaltigkeit folgen,
CO2 reduzieren und Ressourcen schonen, wo immer möglich.

Deshalb unser Aufruf an Sie: Planen und Bauen Sie für eine neue Normali-
tät!

In unserer Branchenzeitschrift finden Sie viele Anregungen und Ideen, die
neue Normalität in all ihren Facetten mit Betonfertigteilen umzusetzen.
Freuen Sie sich auch jetzt schon auf die folgenden Ausgaben, die sich vor
allem dem Thema zukunftsgerechter Wohnungsbau widmen werden.

Herzlichst Ihre

Diana Klose
Bayerischer Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden

                                                                               1 / 2021 punktum.betonbauteile   3
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Branche im Blick

                       Unser Leitthema 2021
                       Zukunftsgerechter Wohnungsbau

                       Wie wollen wir zukünftig wohnen? – Im vergangenen Jahr sind die
                       Baugenehmigungen im Wohnungsbau in Deutschland gegenüber
                       dem Vorjahr weiter gestiegen, die fertiggestellten Wohnungen
                       bleiben aber insbesondere in den Ballungszentren weiter unter
                       dem tatsächlichen Bedarf. Der öffentliche Diskurs zum Wohnungs-
                       bau geht jedoch längst über ein „Gibt es genug Wohnraum für
                       alle?“ hinaus. Vermehrt rücken Fragen nach ganzheitlichen und
                       nachhaltigen Wohnkonzepten in den Mittelpunkt: Wie kann ich
                       Wohnraum flexibel gestalten und meinen Bedürfnissen individuell
                       anpassen? Mit welchen Innovationen kann ich Wohnungen
                       optimieren? Wie erreiche ich eine gute Ökobilanz des Gebäudes?
                       Lässt sich bestehende Bausubstanz effektiv und kostengünstig
                       instand setzen? Hier sind innovative und nachhaltige Lösungen
                       von Politik, Bauherren und Industrie gefragt, die sich den Heraus-
                       forderungen stellen, auf sich wandelnde und individualisierte
                       Nutzungsbedingungen einstellen und lebenswerten Wohn-
                       raum schaffen. Die sechs Ausgaben unseres Branchenmagazins
                       punktum.betonbauteile stehen daher in diesem Jahr unter dem
                       Leitthema „Zukunfstgerechter Wohnungsbau“.

                       Jede Ausgabe wird sich mit einem Schwerpunkt aus dem umfang­
                       reichen Themenkomplex befassen, von den zukünftigen
                       Anforderungen an das Bauen, über die Einsatzmöglichkeiten und
                       Potenziale von Betonfertigteilen, bis hin zu Themen wie Sanierung
                       und Ersatzneubau sowie die Infrastruktur für die Ver- und Ent-
                       sorgung.

                       Freuen Sie sich mit uns auf ein spannendes Jahr.

                       Ihre Branchenverbände

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Ingeborg Esser
                                                                                              Hauptgeschäftsführerin
                                                                             GdW Bundesverband Deutscher Wohnungs-
                                                                                        und Immobilienunternehmen

                    Gastbeitrag
                    Wie wird sich das Bauen und Wohnen in
                    der Zukunft verändern?

                    Noch ist die Pandemie nicht überwunden. Aber eines zeichnet sich bereits ab: Das Wohnen und Arbeiten
                    wird sich deutlich verändern und das viel schneller als erwartet, es wird digitaler. Während der letzten
                    Monate mussten wir oft auch schmerzlich erkennen, wo unsere Standortnachteile in Deutschland liegen:
                    Ohne schnelles Internet oder schnelles WLAN funktionieren eben Homeoffice und Home-Schooling gar
                    nicht. Und wenn wir an eine Vielzahl von Videokonferenzen denken, dann brauchen Bilder eben noch
                    mehr Bandbreite als das schon bei sprach- und textbasierten Entertainmentanwendungen der Fall ist.
                    Insoweit müssen der Glasfaser- und 5G-Ausbau in Deutschland oberste Priorität haben.

                    Das neue digitale Bauen – serieller                   systemintegrierte Qualitätskontrollen und die
                    und modularer Bau?                                    Qualitätssicherung im Prozess anbelangt. Denkt
                                                                          man die Entwicklungen der Automobilindustrie
                    Gleichzeitig haben wir in Deutschland zurzeit         allerdings weiter, dann werden irgendwann auch
                    hoch emotionale Diskussionen um die Kosten            beim seriellen und modularen Bauen Roboter ein-
                    des Wohnens. Befeuert werden diese durch              gesetzt werden. 3D-Drucker, die Wände oder gar
                    eine ungebrochene Nachfrage nach bezahlba-            ganze Häuser bauen, sind schon Realität. Und
                    rem Wohnraum, vor allem in den Wachstums-             auch autonome Baumaschinen werden bereits
                    regionen Deutschlands. Und beim bezahlbaren           getestet. Aber auch sie brauchen 5G-Netze, sonst
                    Wohnungsneubau passiert nach wie vor viel zu          funktionieren sie nicht zuverlässig.
                    wenig.
                                                                          Auch jenseits von Digitalisierung und Automati­
                    Das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und               sierung wird sich das Bauen zukünftig neu
                    Bauen“ hatte bereits in der letzten Legislaturpe-     erfinden müssen. Vor großen Herausforderun-
                    riode das Thema der Baukosten adressiert und          gen steht hier auch der Beton- beziehungsweise
                    eine Baukostensenkungskommission eingesetzt.          Massivbau. Heute absehbar sind Änderungen in
                    Dabei gab es auch den Auftrag an die Woh-             der Ressourcenverfügbarkeit, aber auch ein stei-
                    nungswirtschaft und die Bauindustrie, sich mehr       gender Fokus hinsichtlich der Ressourceneffizienz
                    um das serielle und modulare Bauen zu küm-            und Carbonfootprint. Kreislaufwirtschaft wird im
                    mern. Man kann sich trefflich streiten, ob diese      Bauwesen eine zentrale Bedeutung einnehmen
                    Art zu bauen preiswerter ist, als das konventio-      und alle am Bau Beteiligten müssen hybrider
                    nelle Bauen. Aber was wohl ziemlich unstreitig        denken sowie Baumaterialien und Prozesse neu
                    ist: Es geht schneller, erfolgt deutlich qualitäts-   kombinieren.
                    voller, weil unter Nutzung digitaler Werkzeuge
                    wie Building Information Modeling (BIM) geplant       Das Wohnen wird digital – Smart
                    wird und in Hallen unter optimalen Bedingungen        Living wird zum Standard!
                    produziert wird.
                                                                          Nicht nur das Bauen, auch das Wohnen wird
                    Das modulare und serielle Bauen wird das kon-         digital. Gebäudeautomation wird in nicht allzu
                    ventionelle Bauen in der Zukunft nicht ersetzen.      langer Zeit Standard werden. Heute denken wir
                    Aber es wird wahrscheinlich viel stärker einge-       bei Smart-Living-Lösungen häufig an Entertain-
                    setzt werden und modulare Teile werden auch           ment- oder Komfortlösungen. Das eigentliche
                    beim konventionellen Bauen, zum Beispiel für          Potenzial liegt jedoch in der digitalen effizienten
                    zentrale Erschließungseinheiten, stärker genutzt      Bewirtschaftung von Immobilien, Stichwort „Pre-
                    werden.                                               dictive Maintenance“, aber auch im digitalen effi-
© GdW_Urban Ruths

                                                                          zienten Betrieb, um die Immobilien CO2-optimal
                    Dabei setzt das heutige modulare Bauen in den         steuern zu können. Digital optimierte Heizungs-
                    Werken auf viele Erkenntnisse, die man in der         steuerung, digitaler automatischer regelmäßiger
                    Automobilindustrie gewonnen hat, auch was             hydraulischer Abgleich und digitale Nutzerunter-

                                                                                                                       1 / 2021 punktum.betonbauteile   5
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Branche im Blick

          stützung und -führung müssen zum Standard               mit 22,2 Mio. Wohnungen mehr als die Hälfte des
          werden, wollen wir die CO2-Ziele im Gebäude-            gesamten Wohnungsbestandes ausmacht. Denn
          bereich erreichen. Aber auch Sicherheitsanwen-          bisher sind viele technische Lösungen auf Ein-
          dungen müssen bedacht werden. Automatisierter           und Zweifamilienhäuser zugeschnitten. ForeSight
          Gebäude- und Wohnungszugang über Erken-                 ist zudem Teil der GAIA-X-Initiative und trägt
          nungssysteme mit biometrischen Funktionen,              dazu bei, dass künftige Dienste für Wohnungs-
          regelmäßige automatisierte Überprüfungen der            unternehmen und Mieter datenschutzkonform
          Trinkwasserqualität, weitere smarte Kompo-              realisiert werden können.
          nenten wie Rauchwarnmelder, die gleichzeitig
          Bewegungsprofile erkennen und im Zusammen-              Arbeiten wir bald nur noch von zu
          spiel mit anderen smarten Geräten unter Nutzung         Hause?
          künstlicher Intelligenz Nutzerprofile erlernen, sind
          nicht mehr nur Visionen, sondern werden bereits         In der Pandemie haben wir gelernt, dass man
          in der Praxis getestet. Irgendwann werden die           auch von Zuhause, aus dem Homeoffice oder von
          Gebäude, was den Betrieb anbelangt, autonom             irgendwo anders mobil arbeiten kann. Das funk-
          werden. Nur so ist ein wirklich effizienter, sicherer   tioniert natürlich nicht für jede Tätigkeit und es
          und komfortabler Betrieb möglich.                       funktioniert nur wirklich gut, wenn auch die Inter-
                                                                  netanbindung von Zuhause aus optimal ist.
          Aber: Was passiert mit den Nutzerdaten? Wer-
          den diese direkt über „Alexa“ an große internatio-      Viele sagen, dass es künftig normal sein wird,
          nal agierende Konzerne weitergeleitet, die damit        diese Art des mobilen Arbeitens fortzuführen.
          ihre Geschäftsmodelle direkt an den Nutzer-             Also regelmäßiges mobiles Arbeiten. Einige Kon-
          wünschen orientiert weiter ausbauen können?             zerne und Branchen wollen künftig ausschließlich
          Sollte das passieren, dann werden die Menschen          mobil arbeiten und ziehen bereits kräftig teure
          es nicht akzeptieren, solche smarten Devices zu         Büroimmobilien in den Innenstädten leer.
          nutzen. Dies gilt besonders dann, wenn solche
          Dienste im Zusammenhang mit der Vermietung              Technisch ist das mobile Arbeiten kein Problem,
          über den Gebäudeeigentümer Mietern angeboten            aber nimmt es auch ausreichend auf die men-
          werden. Deshalb ist für die Wohnungswirtschaft          talen Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht?
          das Thema Datensicherheit extrem wichtig,               Klappt Teamarbeit tatsächlich auch über „Zoo-
          und niemand darf aus intimen, schützenswer-             men“ genauso gut, als wenn man physisch um
          ten Nutzerdaten Geschäftsmodelle entwickeln.            einen Tisch sitzt oder gemeinsam ein Medien­
          Die Initiative Deutschlands, mit GAIA-X zu einer        board mit Ideen befüllt? Und nur im Team ent­
          sicheren europäischen Daten-Cloud zu kommen,            stehen tatsächlich die besten Lösungen, weil
          kann deshalb nur unterstützt werden. Der GdW            eben Schwarmintelligenz mehr bringt als die
          Bundesverband deutscher Wohnungs- und                   Intelligenz des Einzelnen. Oder werden aus den
          Immobillienunternehmen ist eingebunden in das           smarten, gut ausgebildeten jungen Leuten im
          vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte,            Homeoffice am Ende eigenbrötlerische Kauze?
          gewerkeübergreifende Forschungsprojekt „Fore-
          Sight“, in dem smarte Usecases unter Einsatz            Man wird es sehen. Alles wird ausprobiert wer-
          künstlicher Intelligenz auch unter Realbedin-           den und die besten Lösungen werden sich durch-
          gungen erprobt werden. Mit dem Plattformpro-            setzen.
          jekt „ForeSight“ rückt erstmals der bisher wenig
          beachtete und vielfach von Mietern bewohnte             Wie werden sich die Städte
          Bereich der Mehrfamilienhäuser in den Fokus, der        verändern?

                                                                  Was sich aber verändern wird, ist, dass Arbei-
          © www.pixabay.com
                                                                  ten und Wohnen stärker zusammenwachsen.
                                                                  Nicht unbedingt nur in der eigenen Wohnung,
                                                                  die, wenn von dort aus regelmäßig gearbeitet
                                                                  wird, auch anders aussehen muss. Der Wohn-
                                                                  beziehungsweise dann auch Nutzflächenbedarf
                                                                  würde steigen. Wer kann sich das in den teuren
                                                                  Metropolen leisten? Oder ziehen alle jetzt raus
                                                                  aufs Land oder ins Umland der Metropolen? Wir
                                                                  wissen es heute noch nicht belastbar.

                                                                  Viele Unternehmen setzen zukünftig verstärkt auf mobiles Arbeiten.
                                                                  Ob sich dieser Trend im großen Stil durchsetzen kann, wird sich zeigen.

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Aber die Städte werden sich verändern. Die Pro-
duktion, das Gewerbe, das Handwerk, das Büro
und das Wohnen werden nicht mehr in unter-
schiedlichen Kiezen stattfinden, sondern neben-
einander. Das geht auch bis zu einem gewissen
Grad, weil das Gewerbe der Zukunft nicht mehr
mit Lärm und Emissionen einhergehen muss, wie
in der Vergangenheit. Die Kieze werden dann
attraktiver, es wird Gaststätten, Cafés, Freizeit­
einrichtungen, Sportstätten und Spielplätze
geben. Also lebendige Städte und Kieze und nicht
nur Wohnstädte einerseits und Produktions-
standorte andererseits. Auch in den Innenstädten
wird wieder mehr gewohnt werden. Vielleicht
können auch nicht mehr genutzte Büroflächen zu
Wohnungen umgestaltet werden!

Schnelles Internet und ein neues                     Der Glasfaser- und 5G-Ausbau müssen in Deutschland oberste Priorität haben, um
digitales Nebenkostenrecht sind das                  die Digitalisierung weiter voranzutreiben.
A und O – die Politik bremst!

Ob Homeoffice, Entertainment oder digitaler          Konkret müssen wir uns in der digitalen Welt
Gebäudebetrieb – eine schnelle Internetanbin-        mehr hin zu Inklusiv- oder Teilinklusiv-Modellen
dung ist für alles eine unabdingbare Vorausset-      zum Beispiel für Strom, Wärme, Internet und
zung. Das kann künftig auch eine Basisleistung       E-Ladestellplätzen entwickeln. So geht an einer
der Vermieter sein. Nicht nur die Bewohner, son-     Flatrate-Miete perspektivisch kein Weg vorbei. Es
dern auch die Gebäude brauchen jeweils eigene        ist nur eine Frage der Zeit, bis Inklusivmieten- und
Internetzugänge. Leider ist hier der Beschluss des   Teil-Flatrate-Modelle in größerem Stil angeboten
Bundeskabinetts vom 16. Dezember 2020 zur            werden. Das wird überall dort geschehen, wo die
Änderung des Betriebskostenrechts im Rahmen          Immobilie dank Gebäudeautomation selbst einen
einer Novellierung des Telekommunikationsrechts      Beitrag leisten kann. Produziert ein Gebäude
kontraproduktiv und gefährlich. Der Gesetzent-       selbst Strom, der als Mieterstrom genutzt werden
wurf sieht vor, die seit Jahrzehnten bestehende      soll, kann ein Teil davon als Grundleistung in der
Umlagefähigkeit für den Breitbandanschluss           Miete inkludiert sein. In Teilbereichen der Energie-
nach einer Übergangszeit von zwei Jahren abzu-       versorgung setzen Wohnungsunternehmen heute
schaffen. Dies würde den Breitbandausbau vor         solche Modelle bereits um.
allem in den Wohngebäuden massiv ausbrem-
sen, ländliche Regionen wären besonders stark        Fazit
betroffen.
                                                     Vieles rund um das Bauen, Wohnen und Arbeiten
Ein solch kleinteiliger Eingriff in das Nebenkos-    der Zukunft ist in Bewegung. Die Pandemie hat
tenrecht hätte eine weitere fatale Wirkung. Er       die Digitalisierungsnotwendigkeit in vielen Berei-
würde einen für die Digitalisierung des Woh-         chen gezeigt und deren Geschwindigkeit befeu-
nens und der Wohngebäude längst überfälligen         ert. Auch wenn noch nicht klar ist, ob aus allen
großen Wurf eines digitalen Nebenkostenrechts        Trends, die momentan erkennbar sind, nachhal-
erschweren oder gleich im Keim ersticken. Die        tige Veränderungen resultieren werden, so ist
Digitalisierung von Gebäude und Wohnen wird          klar, dass Veränderung stattfinden wird. Diesen
zumindest teilweise auch das derzeitige „Ver-        Veränderungen müssen und werden sich Woh-
mietungsmodell“ ändern. Hier wird aber unser         nungsunternehmen stellen. Eine schnelle „digitale
analoges Nebenkostenrecht den Anforderungen          Wende“ gelingt jedoch nur dann, wenn die Politik
an modernen Gebäuden in keiner Weise gerecht.        in verschiedenen Bereichen nicht gleichzeitig auf
Moderne Formen des Wohnens werden nicht              Bremse (Breitbandausbau) und Gaspedal (Künst-
abgedeckt. Besonders bei den für uns wichtigen       liche Intelligenz) tritt. Hoffen wir, in 2021 nicht
Bestandsimmobilien beschränkt das derzeitige         nur die Pandemie zu besiegen, sondern dass
Nebenkostenrecht ein künftig sinnvolles Vermie-      Wirtschaft und Politik gemeinsam die Digitalisie-
tungsmodell.                                         rung befördern werden.

                                                                                                     1 / 2021 punktum.betonbauteile   7
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Branche im Blick

    Modulares Bauen
    Vorfertigung bietet zahlreiche Vorteile

    Die Bauwirtschaft hat viele Herausforderungen zu meistern. Eine zentrale Aufgabe ist das zügige Schaffen
    von mehr bezahlbarem Wohnraum. Bereits im Jahr 2018 hat die Baukostensenkungskommission das
    serielle und modulare Bauen als eine mögliche Antwort identifiziert. Der Spitzenverband der Wohnungs-
    wirtschaft GdW hat daraufhin gemeinsam mit dem Bundesbauministerium, der Deutschen Bauindustrie
    und der Bundesarchitektenkammer die Rahmenvereinbarung für diese Bauweisen ins Leben gerufen.
    Einige Wohnprojekte wurden mittlerweile auf dieser Grundlage realisiert, Tendenz steigend.

            Das Vorhaben „In der Eisenbach“ der kwb Kom-           Ein weiterer Vorteil ist die gleichbleibende hohe
            munale Wohnungsbau GmbH Rheingau-Taunus                Qualität. Die Herstellung der Raummodule erfolgt
            war das erste, das über den Rahmenvertrag fer-         witterungsgeschützt im Werk und damit unter
            tiggestellt wurde. Im Zuge der Nachverdichtung         relativ konstanten, kontrollierten Umgebungs-
            entstand im hessischen Idstein in 2019 innerhalb       bedingungen. Dies sorgt für eine hohe Maßge-
            kürzester Zeit ein Mehrfamilienhaus mit neun           nauigkeit. Im Rahmen der Eigen- und Fremd-
            Wohneinheiten. Dabei kamen Raummodule aus              überwachung werden die Produkte außerdem
            Stahlbeton zum Einsatz (siehe Ausgabe 1/2020).         regelmäßig kontrolliert. Auch optisch stehen die
            Im vergangenen Jahr wurden zehn weitere                fertigen Gebäude dem klassischen Wohnungs-
            Wohneinheiten in Idstein-Wöhrsdorf fertigge-           bau in nichts nach und bieten eine hohe architek-
            stellt. Beide Projekte sind Teil einer größer ange-    tonische Qualität.
            legten Wohnraumoffensive in der Region, bei der
            die kwb insgesamt fast 200 neue Sozialwohnun-          Angesichts dieser Vorzüge und den Erfahrungen
            gen errichtet.                                         mit den bereits realisierten Projekten gewinnt
                                                                   die serielle und modulare Bauweise langsam an
            Ein wesentlicher Vorteil der GdW-Rahmenverein-         Fahrt. Insgesamt hat die Wohnungswirtschaft
            barung für serielles und modulares Bauen ist der       damit in kurzer Zeit die 5.000er-Marke geknackt.
            Festpreis, der bei der Bestellung aus dem Katalog      Laut der GdW entstehen durch die Rahmenver-
            von insgesamt neun Wohnungsbaukonzepten                einbarung derzeit 1.225 Wohnungen, rund 2.400
            zugesichert wird. Er gewährleistet eine größt-         sind in Planung. So entstanden beispielsweise im
            mögliche Planungssicherheit. Gleichzeitig kommt        thüringischen Nordhausen unter Federführung
            ein wesentlicher Vorzug der Vorfertigung voll          der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft 30 neue
            zum Tragen: Durch die Produktion im Werk wird          Wohneinheiten. Den Zuschlag bekam das Unter-
            die Bauzeit extrem verkürzt. Fenster, Balkone,         nehmen Goldbeck Ost GmbH, einer der GdW-
            teilweise Bäder, Leitungen und Dämmung sind            Wettbewerbssieger. Es sicherte sich auch einen
            in den Modulen bereits eingebaut. Die Raummo-          Auftrag für mehr als 110 Wohnungen in Berlin.
            dule werden per Lkw und Kran auf der Baustelle         Gemeinsam mit der Gesellschaft für Wohnen und
            angeliefert und quasi nach dem „Lego-Prinzip“          Bauen mbH baute die Solidbox GmbH 2020 in
            aufeinander gestapelt und miteinander verbun-          Nordhorn ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohn-
            den. Dabei können an einem Tag bis zu zehn             einheiten. Die Magdeburger Wohnbau kooperiert
            Raummodule aufgestellt werden. So kann ein
            Einfamilienhaus samt Keller und geschlossenem
            Dach innerhalb eines Tages montiert werden.
            Dies macht eine Zeitersparnis vor Ort gegenüber           Vorteile von Raummodulen
            dem konventionellen Bau von bis zu 80 % aus.              aus Beton
            Die Gebäude sind dadurch schneller bezugsfertig,
                                                                      • kurze Bauzeit (rund 10 Raummodule/Tag)
            was die Zeit der Mehrfachbelastung durch Miete
            und Zinszahlungen auf ein Minimum begrenzt                • große Termin- und Planungssicherheit
            und Geld spart.
                                                                      • sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
            Von der kurzen Bauzeit profitiert auch die Nach-          • wirtschaftlich (Serienproduktion, schnelle
            barschaft: Die Baustelle dauert nur einige                   Nutzbarkeit)
            Wochen, und es kommt zu deutlich weniger Ver-             • hohe Qualität und lange Lebensdauer
            kehrsbehinderungen, Schmutz- und Lärmbelästi-
            gungen.

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mit Max Bögl Modul AG. Außerdem entstehen                               nungsraum schnell zu begegnen. Um die Attrak-
unabhängig vom GdW-Rahmenvertrag über                                   tivität dieser Bauweise weiter zu steigern und
2.000 zusätzliche Wohnungen in dieser Bau-                              einen noch substanzielleren Beitrag damit leisten
weise – rund 800 davon sind bereits fertigge-                           zu können, müssen die politischen Rahmen-
stellt. Sie entstanden zum Beispiel in Bayreuth,                        bedingungen jedoch weiter verbessert werden:
Frankfurt am Main oder Dresden.                                         Eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen,
                                                                        eine bundesweit einheitliche Typenbaugenehmi-
Die serielle und modulare Bauweise beziehungs-                          gung sowie eine vereinfachte und beschleunigte
weise die Vorfertigung bietet Lösungen für                              Grundstücksvergabe sind Schritte in die richtige
modernen Wohnungsbau und ist ein wichtiger                              Richtung.
Baustein, um dem wachsenden Bedarf an Woh-

                                                                                                                                © Solidbox

 Dieses Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten in Nordhorn
 ist eines der Projekte, die mit der Rahmenvereinbarung für serielles
 und modulares Bauen realisiert wurden.

               Mehrfamilienhaus, Nordhorn
               Bauherr und Planer GEWO Gesellschaft für Wohnen und Bauen mbH

               Bauunternehmen                 Solidbox

               Ort                            Nordhorn, Niedersachsen

               Baubeginn                      August 2020, Modulaufstellung ab Anfang Oktober

               Fertigstellung                 November 2020, Erstvermietung zum 1. Januar 2021

               Besonderheiten                 innerstädtischer Lückenschluss

                                                                                                            1 / 2021 punktum.betonbauteile   9
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Branche im Blick

     Thermische Bauteilaktivierung
     Die Speichermasse von Beton nutzen

     Klimagerechtes Bauen erfordert innovative Systeme, um Energie effizienter zu nutzen. Eines davon ist die
     thermische Bauteilaktivierung. Dabei wird die gute Speicherfähigkeit des Baustoffes Beton genutzt, um
     die erforderliche Primärenergiemenge zur Regulierung der Temperatur eines Gebäudes zu reduzieren.
     Die massiven Bauteile nehmen bei hohen Temperaturen Wärme auf und geben diese bei abnehmenden
     Temperaturen wieder an die Umgebung ab. Damit sorgen sie so für ein ausgeglichenes Raumklima und
     helfen dabei Energie zu sparen.

             Für das energieeffiziente Bewirtschaften von                          Die hohe Wärmespeicherfähigkeit massiver Bau-
             Gebäuden stellt sich die Aufgabe, die kostenlos                       stoffe und Bauteile trägt maßgeblich zu einem
             zur Verfügung stehende solare Wärme möglichst                         behaglichen Raumklima bei. Die Wärme wird in
             vollständig nutzen zu können. Das heißt, die ein-                     den massiven Bauteilen gespeichert und noch
             mal im Gebäude befindliche Energie soll dort blei-                    über lange Zeit an die Raumluft abgegeben. Das
             ben, was eine entsprechende Wärmedämmung                              bedeutet, bei intensiver Sonneneinstrahlung wird
             der Gebäudehülle erfordert und gleichzeitig soll                      die Wärmeenergie, die bei leichten Bauweisen
             das Wärmeenergieangebot dem Nutzer so zur                             schnell zur Überhitzung der Räume führen kann
             Verfügung stehen, dass das Gebäude bei sola-                          und ungenutzt abgeführt werden muss, in Beton-
             rem Überangebot nicht überhitzt und bei Ausblei-                      bauteilen gespeichert und damit die Raumluft-
             ben der solaren Einträge nicht zu stark auskühlt.                     temperatur auf angenehme Werte begrenzt. In
             Hierzu bedarf es einer guten Wärmespeicherfä-                         den kühlen Nachtstunden hingegen wird diese
             higkeit des Gebäudes. Um dies zu erreichen, ist                       Wärmeenergie wieder an die kühle Raumluft
             die Auswahl der Baustoffe von entscheidender                          abgegeben. Beton ist damit ein idealer Bau-
             Bedeutung.                                                            stoff, um die tageszeitlichen Schwankungen der
                                                                                   Raumlufttemperatur, die im Wesentlichen durch

                                                                                                                                                © Green Code

              Bei diesem Geschosswohnungsbau in Brixen kamen Thermowände und Klimadecken zum Einsatz. Sie sorgen im Sommer und Winter für ein
              behagliches Raumklima.

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Absorber oder Erdwärmesonden                              Absorber oder Erdwärmesonden
Das Prinzip der Nutzung von thermoaktiven Bauteilsystemen.

solare Einträge entstehen, zu dämpfen und in den             In vielen Fällen, insbesondere bei gleichmäßig
Räumen eine deutlich gleichmäßigere Tempera-                 anfallenden geringen internen Wärmelasten, wie
turverteilung über den Tag zu erzielen.                      in Wohn- und Bürobereichen, kann auf Klima-
                                                             anlagen verzichtet werden oder diese geringer
Diese Bauteileigenschaften können noch wei-                  dimensioniert werden, wenn die thermisch akti-
ter zur Gebäudetemperierung genutzt werden,                  vierten Bauteile zur Abdeckung der Grundlast
wenn in die massiven Betonbauteile zusätzliche               herangezogen werden.
Heiz- und Kühlsysteme integriert werden, wie
man sie zum Beispiel von Fußbodenheizungen
kennt. Im Gegensatz zur klassischen Fußboden-                  Vorteile von thermisch
heizung liegen die Leitungssysteme jedoch direkt               aktivierten Betonbauteilen
in der Betondecke. Der Abstand der Leitungen
untereinander beträgt etwa 10 cm bis 15 cm.
                                                               • die Gebäudemasse wird als thermischer
Über die Wasser gefüllten Leitungssysteme
                                                                  Speicher genutzt
wird die tagsüber nicht benötigte Wärmemenge
abgeführt (Kühlung) und einem Zwischenspei-                    • erneuerbare Energien sind nutzbar
cher zugeführt. Im Heizfall wird die gespeicherte
                                                               • kein Verlust der Geschosshöhe
Wärmemenge über dieselben Leitungen in die
Betonbauteile eingetragen und über diese an die                • geringe Investitionskosten
abgekühlte Raumluft weitergegeben. Wichtig                     • ein System zum Heizen und Kühlen
hierbei ist, dass die thermisch aktivierten Außen-
bauteile eine gute Wärmedämmung aufweisen,                     • geringe Temperaturdifferenz zwischen
sodass die gespeicherten Energien im Bauteil                      Betonoberfläche und Luft
verbleiben und nicht ungenutzt an die Außenluft                • geringer Temperaturgradient im Raum
abgegeben werden.                                                 und in der Konstruktion

Ein wesentlicher Vorteil dieser Flächenheizung                 • Heizen und Kühlen erfolgt über
beziehungsweise Flächenkühlung besteht darin,                     Strahlung (Kachelofeneffekt)
dass aufgrund der großen Übertragungsfläche                    • geringere Luftbewegung gegenüber
der aktivierten Bauteile deren Temperatur nur                     klimatisierten Räumen
geringfügig höher (Heizeffekt) beziehungsweise
niedriger (Kühleffekt) als die Raumtemperatur
sein muss.

                                                                                                   1 / 2021 punktum.betonbauteile   11
Branche im Blick

     Internationaler Hochhauspreis 2020
     Innovative Wohntower aus
     Betonfertigteilen ausgezeichnet

     Die Stockholmer Doppeltürme Norra Tornen gewannen den Internationalen Hochhaus Preis 2020. Das
     von dem niederländischen Architekturbüro OMA Office for Metropolitan Architecture, Rotterdam, entwor-
     fene Gebäudeensemble überzeugte die Jury durch eine zeitlos wegweisende Architektur. Die Kombination
     aus qualitativ hochwertigen Betonfertigteilen, ihre geschickte Fügung zu individuellen Loggien und der
     Kontrast zu den feinen Details der Innenräume zeichnen das Gebäude aus.

             Die Norra Tornen (zu Deutsch „nördliche Türme“)        Umsetzung mit Betonfertigteilen
             stehen in Stockholm links und rechts der Ausfall-
             straße Torsgatan am Übergang von Vasastaden,           Für OMA stellte der Bau der Zwillingstürme
             einem Wohnviertel mit Bebauung überwiegend             diverse Herausforderungen dar. Die Baugrund-
             aus den 1930er Jahren, zum neu entstehenden            stücke waren mit 660 und 575 m2 sehr eng und
             Stadtteil Hagastaden. Sie bilden eine neue, städ-      begrenzt. OMA übernahm die Pläne von Stock-
             tebaulich prägende Torsituation, die durch ihre        holms Stadtplaner Aleksander Wolodarski,
             skulpturale Wirkung besticht. Wie eine Treppe          dessen Idee nicht über die Entwurfsphase hin-
             recken sich die beiden Wohntürme in den Himmel.        ausgekommen war. De Graaf und sein Team ent-
             Sie repräsentieren eine zeitgemäße und zukunfts-       schieden sich, seinen Plan für zwei unterschiedlich
             fähige Vision für die Stadt und nehmen ein             hohe Türme beizubehalten. OMA setzte dabei auf
             bekanntes stadtgestalterisches Motiv in Stock-         die Vorteile der modularen, seriellen Bauweise
             holm auf: Doppeltürme wurden in der schwedi-           mit Betonfertigteilen. Die Gebäude sind von der
             schen Hauptstadt bereits in der Vergangenheit als      sechsten Etage an komplett vorgefertigt – Böden,
             symbolische Tore eingesetzt. Gleichzeitig nehmen       Wände und Fassadenelemente. Die vorgefertig-
             die Türme mit ihrer sandbraunen Betonfassade           ten Betonelemente erlaubten es, die Baustelle
             auch die bestehende bauliche Struktur Stock-           auch bei unter 5 °C fortzuführen und sparten
             holms in ihrer Farbigkeit und anwachsenden Figur       erheblich Zeit – pro Woche wurde ein Stockwerk
             auf.                                                   fertiggestellt. „Im Falle der Norra Tornen konn-
                                                                    ten die Bauarbeiten dadurch das ganze Jahr über
             Unter anderen Umständen hätten Kritiker die            fortgesetzt werden – selbst in den Wintermona-
             Wohntürme vielleicht als Monstrosität aus Beton        ten, in denen das Gießen von Ortbeton schwierig
             bezeichnet. Stattdessen wird das Projekt in Stock-     und kostspielig geworden wäre“, so der Architekt.
             holm als „Tor zur Stadt“ gefeiert. „Norra Tornen ist   Rund 300 Wohneinheiten sind hier in kürzester
             ein industrielles Hochhaus, aber es versucht, ein      Zeit entstanden. In ihrem Inneren gibt es zudem
             menschliches Gesicht zu zeigen“, beschrieb OMA-        Gemeinschaftsräume zum Feiern oder für Film-
             Architekt Reinier de Graaf bei der Eröffnung des       abende, die die Bewohner per App buchen kön-
             ersten Wohnturms seine Vision für das Projekt.         nen. Auch eine Sauna, ein Fitnessstudio und ein
                                                                    Yoga-Raum sind vorhanden.
                                                                                                                          © Anders Bobert

12
Beim Design folgte das Architekturbüro seinem
Anspruch „die nächste Generation von modernen
Wohnformen zu schaffen, die größtmögliche Varie-
tät mit einer limitierten Zahl an Fertigelementen zu
kreieren und die übliche Formalität eines Wohnturms
mit Individualität, Wohnlichkeit, sogar Menschlich-
keit zu ersetzen.“ Die asymmetrische vertikale Form
der Türme bekommt horizontal Spannung durch eine
Würfeloptik. Die Betonfertigteile springen abwech-
selnd vor und zurück, sodass der Eindruck von über-
einandergestapelten Wohnwürfeln entsteht. Balkon-
Flächen und Wohnbereiche mit dreifachverglasten
großformatigen Fenstern wechseln sich ab. Letztere
sorgen für mehr natürliches Licht – in Schweden mit
seinen langen Wintern ein bedeutendes Element des
Wohnkomforts. „Aus gestalterischer Sicht hat uns
die Vorfertigung maximale Variationsmöglichkeit bei
geringstmöglicher Anzahl von Details eröffnet – was
im Vergleich zu traditionellen Bauweisen wiederum
viel wirtschaftlicher war. Insofern kann das Projekt
Norra Tornen als Vorbild für andere Projekte dienen“,
     so der Architekt.

   Die Rippenstruktur der Fassadenelemente wurde
   mithilfe elastischer Strukturmatrizen des deut-
   schen Unternehmens Reckli GmbH, Herne, in die
   Betonoberfläche geprägt. Eine Standard-Aus-
   führung der Matrize wurde nach den Vorgaben
   der Architekten individuell angepasst: Anhand
   von Zeichnungen, die die Abstände zwischen
   den einzelnen Rippen, Winkel und Tiefe der Aus-
   sparungen genau definieren, wurde ein Positiv-
       modell aus Holz gefertigt. Auf dem Modell
            wurden die Strukturmatrizen gegos-
            sen, mit denen der Betonverarbeiter in
            Schweden 1.400 Betonelemente für den
            ersten Turm fertigte. Für den kleineren
            Zwillingsturm wurden 1.300 Elemente
            produziert.

                            1 / 2021 punktum.betonbauteile   13
Branche im Blick

                             Dänischer Sandstein sorgt für die sandbraune
                             Farbe des Betons. Die Anreicherung mit kleinem
                             Gestein gibt ihm das Aussehen von Waschbeton.
                             Die Matrizen wurden im Werk auf die Schalun-
                             gen geklebt, dann wurde der Beton eingegossen.
                             Nach dem Aushärten lassen sie sich problemlos
                             vom Beton abziehen und die Struktur wird sicht-
                             bar. Für die polierte Optik der Betonoberfläche
                             wurden die Elemente nach dem Entschalen mit
                             einem Diamantschleifer poliert, bevor sie ihren
                             Platz an der Fassade fanden.
                        1.
                             Die heterogene Form und rau-elegante Außen-
                             haut der Türme sind Ausdruck von de Graafs
                             Anspruch, mit der gewohnten Uniformität und
                             homogenen Fassadengestaltung bei Hochhäu-
                             sern zu brechen. Die Rippen-Optik widerspricht
                             gängigen Erwartungen und fesselt den Blick an
                             das Gebäude. So dient die Fassade nicht nur als
                             optische Vervollständigung des Entwurfs, son-
                             dern als Botschafter: Sinnbild für die Individuali-
                             tät, die sich in den Wohneinheiten verbirgt.

                             Internationaler Hochhaus Preis

                             Der International Highrise Award ist eine Aus-
                             zeichnung, die seit 2003 von der Stadt Frankfurt
                             am Main verliehen wird. Der Preis ist mit 50.000 €
                             dotiert und wird im Zweijahresrhythmus ausge-
                        2.   lobt. Prämiert werden aktuelle Projekte auf der
                             ganzen Welt, die sich durch zukunftsweisende
                             Gestaltung, Funktionalität, innovative Bautechnik,
                             städtebauliche Einbindung, Nachhaltigkeit und
                             Wirtschaftlichkeit auszeichnen. Zugelassen sind
                             neu errichtete Hochhäuser, die mindestens 100 m
                             hoch sind.

                             Organisator des Auswahlverfahrens ist das
                             Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt,
                             finanzieller Träger ist die DekaBank, Frankfurt.
                             Die wechselnde Jury besteht aus vier ausge-
                             wählten, international renommierten Architekten,
                             Ingenieuren oder Architekturkritikern sowie je
                             einem Vertreter der DekaBank, der Stadt Frank-
                             furt und des DAM.

                             1. Die Rippenstruktur der Fassadenelemente wurde mithilfe elastischer
                                 Strukturmatrizen erstellt.

                             2. Architekt Reinier de Graaf vom Office for Metropolitan Architecture,
                                 Rotterdam.

                             3. Die vorgefertigten Betonelemente wurden versetzt angebracht.
                                 So entstanden großzügige Fensterfronten und geschützte Balkone.
                        3.
                             © Anders Bobert

14
POSITION.
Zukunftsgerecht bauen mit Betonfertigteilen

Zukunftsgerechtes Bauen mit Beton verfolgt das Ziel, den nachfolgenden Generationen eine intakte und
lebenswerte Umwelt zur Verfügung zu stellen. Um dies zu erreichen, dürfen die natürlichen Lebens-
grundlagen nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig ist es erforderlich, durch
maßvolle Veränderung der gebauten Umwelt dem offensichtlichen Bedürfniswandel – zum Beispiel durch
demographische Entwicklung, Klimawandel, gestiegene Mobilität und die Nachfrage nach erneuerbaren
Energien – Rechnung zu tragen.

Moderne Gebäude sollen klimagerecht, wirt-            Sinne des Werterhalts hohe Ansprüche an die
schaftlich, von hoher Qualität und lange nutzbar      Flexibilität eines Bauwerkes gestellt. Das bedeu-
sein. Sie sollen ihren Nutzern ein gesundes und       tet, ein Gebäude ist genau dann langlebig und
komfortables Umfeld bieten und dabei zahlreiche       damit wirtschaftlich, wenn es dank einer mög-
Schutz- und Sicherheitsansprüche erfüllen. Es ist     lichst flexiblen Grundrissgestaltung gut und mit
keineswegs einfach, zwischen diesen, teilweise        geringem Ressourcenverbrauch an sich ändernde
konkurrierenden, Zielen abzuwägen und eine            Nutzungsanforderungen angepasst werden kann.
zukunftsorientierte Entscheidung zu treffen. Aber     Die Umnutzungsmöglichkeiten werden unter
viele Eigenschaften sprechen hier für den Einsatz     anderem durch die Beschaffenheit von Innen-
von Betonfertigteilen:                                wänden, Trennwänden, die realisierbare Decken-
                                                      spannweite oder Nutzlastreserven beeinflusst.
• Betonfertigteile bieten einen guten Schall- und
   Brandschutz.
                                                      Konkret bedeutet zukunftsgerechtes Bauen,
• Das Bauen mit Betonfertigteilen spart Zeit und     dass neben den ökologischen Betrachtungen
  Ressourcen auf der Baustelle.                       eine gesellschaftliche Akzeptanz des Bauwerkes
                                                      erreicht werden muss. Wirtschaftliche Anforde-
• Die Vorfertigung im Werk garantiert eine hohe
                                                      rungen sind sowohl bei der Errichtung als auch im
   Qualität und Maßgenauigkeit.
                                                      Betrieb zu betrachten und zugleich ist der Res-
• Betonfertigteile sind langlebig und dauerhaft,     sourcenverbrauch insgesamt auf das notwendige
   der Unterhaltungs- und Reinigungsaufwand           Mindestmaß zu beschränken.
   vergleichsweise gering.
• Optimierte Bauteilquerschnitte und hohe Beton-     Diese Ansätze zeigen, dass es nicht ausreicht,
   festigkeiten reduzieren den Materialeinsatz.       lediglich auf eine umweltverträgliche Herstellung
                                                      der eingesetzten Baumaterialien zu achten. Viel-
• Große realisierbare Deckenspannweiten ermög-       mehr muss jedes Bauwerk über seinen Lebens-
   lichen eine stützenfreie und flexible Grundriss-   zyklus hinweg betrachtet werden. Gleichzeitig
   gestaltung.                                        wird deutlich, dass es vor allem um die beste
                                                      Lösung für eine konkrete Bauaufgabe geht. Statt
Die beste Lösung finden                               schematischer Vergleiche auf der Basis weniger
                                                      ökologischer Baustoffparameter, ist die mate-
Für die Erreichung einer langen Nutzungsdauer         rialgerechte Verwendung von Baustoffen die
müssen zunächst die gewählten Baustoffe und           wesentliche Grundlage für den Bau zukunftsge-
die Baukonstruktion möglichst dauerhaft sein.         rechter Gebäude.
Aber auch das gestalterische Potenzial des
Baustoffs, die ästhetische Qualität des Bauwer-       Hier sind Bauwerke aus Beton aufgrund der
kes und mögliche Systemreserven zur Erfüllung         natürlichen Dauerhaftigkeit des Baustoffes,
künftiger bauphysikalischer Anforderungen sind        vorteilhafter statisch-konstruktiver und bau-
wichtige Faktoren.                                    physikalischer Eigenschaften und vielfältiger
                                                      gestalterischer Möglichkeiten eine sinnvolle und
Durch die immer raschere Veränderung von              wirtschaftliche Wahl.
Lebens- und Nutzungsgewohnheiten werden im

                                                                                          1 / 2021 punktum.betonbauteile   15
Branche im Blick

FAKTENCHECK WOHNUNGSBAU IN DEUTSCHLAND

                                                                                                                             19
                                                                                                                          20
                                                                                                                    I T
                                                                                                                 KE                     Beda
                                                                                                      T   IG                      400.000 Wo
                                                                                                  T Ä
                                                                                              U
                                                                                            BA
                                                                                                 +4%
                                                                                                 +4%                                     +2%
                                                                                                                                         +2%
                                                                     Bedarf
                                                                    Bedarf               360.600genehmigte
                                                                                        360.600  genehmigte                       293.000fertig
                                                                                                                                 293.000  ferti
                                                              400.000Wohnungen
                                                             400.000  Wohnungen              Wohnungen
                                                                                            Wohnungen                                  Wohnun
                                                                                                                                      Wohnun

                                                                         WOHNFLÄCHE                                              MIETEN
                                         Schnell bezahlbaren und
                                         qualitätsvollen Wohnraum         Ø Wohnfläche
                                         zu schaffen, bleibt auch in      je Wohnung 2019                                         €
                                         diesem Jahr eine der größ-
                                         ten Herausforderungen für        91,9 m2
                                         unsere Gesellschaft. Insbe-                         6,4 Mio.                        Ø Mietpreis
                                         sondere in Großstädten und
                                         Ballungsräumen fehlt es
                                                                                             Menschen                       6,61 €/m2
                                         weiterhin an Wohnungen.         Ø Pro-Kopf-         lebten 2019 in                       2018
                                         Zwar ist die Bauwirtschaft      Wohnfläche 2020      Deutschland in
                                         in 2020 relativ gut durch die
                                                                         48,8 m²             überbelegten                   7,68 €/m2
                                         Corona-Krise gekommen                                                                    2020
                                                                                             Wohnungen
                                         und konnte nahezu unge-
                                         hindert auf den Baustellen
                                         weiterarbeiten, dennoch
                                         lagen nach Schätzungen
                                         der Branchenexperten die        BAULAND                                            €
                                         Fertigstellungen erneut
                                         hinter dem Bedarf von rund
                                         400.000 Wohnungen pro
                                         Jahr.                                                                       Ø Kosten für Bauland

                                         Die nebenstehenden Daten                                                       122,00 €/m2
                                         vom Statistischen Bundes-                                                           2009
                                         amt zum Thema Bauen und
                                                                                             Ø Kaufwerte für
                                         Wohnen geben einen Über-
                                         blick über den Status Quo
                                                                                             baureifes Land 2019        189,78 €/m2
                                                                                             in €/m2
                                                                                                                             2019
                                         in Deutschland.
                                                                                                 49 bis unter 90
                                                                                                 90 bis unter 186
                                                                                                 186 bis unter 730
                                                                                                 730 bis 1243
                                                                                                 1243 bis 1330

    16
Fertigstellungen nach Gebäudeart

                              NA FER
                 +0,6% +4%C+0,4%
                                    H TIGS
                                                        +2%
                                                    -2,8%
                                      GE T
arf                 360.600   genehmigteB      E293.000
                                                 LL     fertiggestellte
      Fertigstellungen
ohnungen
                        nach Gebäudeart
              Mehrfamilien-
              Fertigstellungen nach
                         Wohnungen
                                           Ä
                                 Einfamilien-
                                             U
                                    Gebäudeart  Zweifamilien-
                                                    UWohnungen
                                    häuser D häuser
                   häuser
                                                 EA NGE
                                                    RT N
                                                       20
                                                          19
% +0,6% +0,6% +0,4%         +0,4%-2,8%     -2,8%
ggestellte
Mehrfamilien- Einfamilien- Zweifamilien-
ngen Mehrfamilien-  Einfamilien- Zweifamilien-
   häuserhäuser häuserhäuser häuserhäuser

         FERTIGSTELLUNGEN UND BAUÜBERHANG
          in Tausend

           1200                                                                      Fertiggestellte
                                                                               740   Wohnungen
           1000                                                      606 653
                                                               523                   Genehmigte,
            800                                          470                         aber noch
                                                   470
                                             443                                     nicht gebaute
                                      399
            600                 365                                                  Wohnungen
                   323   334
                                                                                     insgesamt
            400                                                                      (Bauüberhang)
                                                                     285 287   293
            200                                    245 248 278
                   159 160      183 200 215
               0
                   2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

          Quelle: Statistisches Bundesamt
         WOHNKOSTEN

         26 %     ihres verfügbaren Einkommens gaben die Menschen in Deutsch-          €
         land in 2019 im Durchschnitt für Wohnen aus. Bei armutsgefährdeten
         Haushalten lag dieser Anteil sogar bei    49 %.

         14 % der Deutschen lebten im Jahr 2019 in durch ihre Wohnkosten überlasteten
         Haushalten. Das sind rund 1,4 Mio. Menschen. Eine Überbelastung liegt dann vor,
         wenn ein Haushalt mehr als         40 %
                                             seines verfügbaren Einkommens für Wohnen
         ausgibt.

                                                                                              1 / 2021 punktum.betonbauteile   17
Branche im Blick

     VDZ-Roadmap
     Deutsche Zementindustrie
     auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft

     Der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) hat im November 2020 die neue Studie „Dekarbonisierung von
     Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien“ veröffentlicht. Sie zeigt, wie die Trans-
     formation der Zementindustrie in eine klimaneutrale Zukunft vollzogen werden kann.

              Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem                            beziehungsweise seinem Vorprodukt Zement-
              European Green Deal und auch der Klimapolitik in                    klinker entstehenden CO2 auf rohstoffbedingte
              Deutschland haben wir uns das Ziel gesetzt, bis                     Prozessemissionen aus der Entsäuerung des
              zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts klimaneutral                    Kalksteins und nur rund ein Drittel auf energie-
              zu werden. Die dafür notwendigen Veränderun-                        bedingte CO2-Emissionen aus dem Einsatz der
              gen betreffen alle Bereiche der Gesellschaft. Auch                  Brennstoffe entfallen. Mit der Studie „Dekarbo-
              an die Zementindustrie mit ihren vergleichsweise                    nisierung von Zement und Beton – Minderungs-
              hohen Emissionen wird zu Recht die Erwartung                        pfade und Handlungsstrategien“ liefert der VDZ
              gestellt, Lösungen zu entwickeln und Wege auf-                      erstmals eine CO2-Roadmap für die deutsche
              zuzeigen, wie die Branche ihren CO2-Fußabdruck                      Zementindustrie.
              bis 2050 möglichst auf Null senken kann.
                                                                                  Neben den rein technischen Fragestellungen
              Die deutsche Zementindustrie hat in den vergan-                     identifiziert die Studie auch externe Voraus-
              genen Jahrzehnten bereits umfangreiche Klima-                       setzungen für eine erforderliche tiefgreifende
              schutzmaßnahmen ergriffen. Seit 1990 konn-                          Transformation der Zementindustrie und skiz-
              ten so die CO2-Emissionen um etwa ein Viertel                       ziert konkrete Handlungsfelder für die Zukunft.
              reduziert werden. Anhand von zwei Dekarboni-                        „Für die verbleibenden CO2-Emissionen, die nicht
              sierungspfaden zeigt die Studie auf, welche CO2-                    anders gemindert werden können, stellt die
              Einsparungen entlang der Wertschöpfungskette                        CO2-Abscheidung aus heutiger Sicht die ein-
              von Zement und Beton bis zum Jahr 2050 insge-                       zige Lösung dar“, hebt Dr. Martin Schneider,
              samt erreicht werden können. Mit konventionel-                      VDZ-Hauptgeschäftsführer, hervor. Ziel muss es
              len Minderungsmaßnahmen und ambitioniertem                          langfristig sein, dieses CO2 zu nutzen, indem es in
              Handeln („ambitioniertes Referenzszenario“)                         andere Stoffe und Produkte umgewandelt wird.
              würde es bis 2050 gelingen, die CO2-Emissionen                      Für eine Übergangszeit wird sich aber auch die
              um 36 % gegenüber 2019 zu verringern (-50 %                         Frage stellen, in welchem Maße CO2 gespeichert
              gegenüber 1990). Insofern müssten für eine volle                    werden kann.
              Klimaneutralität komplett neue Wege in der Her-
              stellung des Zements und seiner Anwendung im                        Die CO2-Roadmap macht deutlich, dass der
              Beton gegangen werden.                                              Anspruch einer klimaneutralen Industrieproduk-
                                                                                  tion eine völlig neue Herangehensweise an die
             Denn mit heute verfügbaren Verfahren ist eine                        Produktion und die Wertschöpfung erfordert.
             vollständige Dekarbonisierung von Zement und
             Beton nicht erreichbar. Hintergrund ist, dass rund   Die Studie ist unter                  www.bit.ly/34eJtQz
             Voraussetzungen      undHerstellung
             zwei Drittel des bei der Handlungsfelder     für Klimaneutralität
                                                 von Zement       verfügbar.

                  Verfügbarkeit                 Geeignete                  Rahmen für           Märkte für           Konsens über
                  erneuerbarer               Infrastruktur für            Wettbewerbs-         zunehmend          Technologiemix der
                  Energien und                CO2-Transport               fähigkeit und      CO2-freie Zemente         Zukunft
                   Stromnetze                                              Innovation          und Betone

              Voraussetzungen und Handlungsfelder für Klimaneutralität.

18
Szenario Klimaneutralität – CO2-Minderung bis 2050

in Mio. t CO2                                                                           Prozessemissionen    Reduktion

   25

                                                                                                          - 100 %*
                            -1,0
   20                                   -2,2

                                                  -3,8
                6,8
    15
                                                          -0,2       -0,9
                                                                                -10,4

    10

                13,2
     5
                                                                                              -1,5 -2,2
                                                                                                                              -1,6
     0
           Emissionen   Baunachfrage   Klinker   Zement   Beton      Bau       CCUS**      Recarbona-       Emissionen
             2019                                                                           tisierung         2050          BECCS

    -5

                                                                                                                            Quelle: VDZ

 Die VDZ-Studie beschreibt Pfade zur Minde-                 Die Grafik zeigt den CO2-Minderungspfad im Sze-
 rung direkter CO2-Emissionen für die deutsche              nario Klimaneutralität bis 2050. Die CO2-Reduk-
 Zementindustrie und die gesamte Wertschöp-                 tion in den Bereichen Klinker, Zement, Beton, Bau
 fungskette Zement und Beton. Das „ambitionierte            (-7,1 Mio. t CO2, rund 36 % gegenüber dem Sta-
 Referenzszenario“ basiert im Kern auf dem Ein-             tus quo im Jahr 2019) setzt unter anderen auf
 satz heute verfügbarer CO2-Minderungstechno-
                                                            • die deutliche Steigerung der thermischen Effi-
 logien und legt sehr anspruchsvolle Annahmen
                                                               zienz und des Einsatzes biomassehaltiger alter-
 zugrunde. Es ist kein „business-as-usual“-Pfad.
                                                               nativer Brennstoffe bei der Klinker-/Zementher-
                                                               stellung,
 Das „Szenario Klimaneutralität“ geht noch einmal
 darüber hinaus und stößt damit an die Grenzen              • Einsatz von Wasserstoff als Energieträger,
 des aus heutiger Sicht technisch Machbaren. Es
                                                            • den breiten Einsatz von CO2-effizienten
 setzt zusätzlich auf die Anwendung von Break-
                                                              CEM II/C-Zementen (Klinkeranteil 50 bis 65 %),
 through-Technologien. In diesem Szenario kommt
 auch die Abscheidung von CO2 und dessen                    • die Markteinführung von CEM VI-Zementen
 anschließende Nutzung und Speicherung (CCUS)                  (Klinkeranteile 35 bis 50 %),
 zum Einsatz. Die Anwendung von CCUS soll auf               • durch betontechnologische Maßnahmen CO2-
 diejenigen CO2-Mengen beschränkt werden, die                 optimierter Beton,
 auf anderem Wege nicht gemindert werden kön-
 nen. Weitere nicht direkt beeinflussbare externe           • differenzierter Betoneinsatz nach dem jeweili-
 Effekte sind die natürliche Recarbonatisierung,               gen Anwendungsfeld,
 d. h. die CO2-Aufnahme durch den Beton sowie               • ressourceneffiziente Bauteile,
 ein leichter Rückgang der Baunachfrage.
                                                            • Nutzung thermischer Vorteile von Beton in der
                                                               Nutzungsphase von Gebäuden.

                                                                                                        1 / 2021 punktum.betonbauteile    19
Branche im Blick

     DWA-Umfrage
     Aktuelle Ergebnisse über den
     Zustand der Kanalisation in Deutschland

     Im Abstand von etwa drei Jahren veröffentlicht die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser
     und Abfall (DWA) die Ergebnisse der Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland. Die Daten-
     basis der Umfrage bildet die Erhebung von 423 Kommunen unterschiedlicher Größenordnung. Hoch-
     gerechnet auf die Gesamtheit des etwa 594.000 km langen öffentlichen Kanalnetzes ergibt sich somit ein
     repräsentativer Anteil von 21 % der Kanalisation in Deutschland.

              Zustand der Abwassernetze in Zahlen

              Die Ergebnisse der aktuellen DWA-Umfrage                                verschlechterung (bezogen auf den Teilnehmer-
              ( www.bit.ly/2YDMcAd) verdeutlichen, dass                               kreis). Hochgerechnet auf das gesamte Netz in
              24,7 % aller Kanäle einen sofortigen bis mittel-                        Deutschland ist jedoch die geringfügige Ten-
              fristigen Sanierungsbedarf aufweisen. Für 34 %                          denz einer Zustandsverbesserung im Bereich der
              der Kanäle wurde ermittelt, dass sie langfris-                          Schäden mit sofortigem bis kurzfristigem Hand-
              tig für Sanierungsmaßnahmen relevant wer-                               lungsbedarf erkennbar. Eine Kehrtwende lässt
              den könnten. Weitere 22,7 % sind schadenfrei,                           dagegen weiterhin auf sich warten. Zudem tra-
              während 18,6 % aller Kanäle noch unbewertet                             gen andauernde Bewertungslücken von Netzen
              sind, sodass der jeweilige Zustand nicht bekannt                        nicht positiv zur Entwicklung einer strategischen
              ist. Gegenüber den Ergebnissen der bisherigen                           Sanierungsplanung bei.
              Befragungen zeigt sich damit eine Zustands-

                100 %

                                        18,6 %                           24,8 %                                              ZK unbewertet

                80 %                                                                                                         ZK schadensfrei
                                        22,7 %
                                                                                                                             ZK 4
                                                                         26,9 %
                60 %
                                                                                                                             ZK 3
                                        18,4 %
                                                                                                                             ZK 2
                40 %                                                     17,7 %
                                        15,6 %                                                                               ZK0-1
                                                                         11,9 %
                                                                                                                                               Grafiken © KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2020 (67) · Nr. 12

                20 %                    14,3 %
                                                     ∑ = 24,7 %          11,0 %                           9,6 %
                                                                                     ∑ = 18,7 %                   ∑ = 19,4 %
                                        10,4 %                           7,7 %                            9,8 %
                0%
                                   Umfrage Gesamt              Hochrechnung Deutschland           Hochrechnung Deutschland
                                                                                                           (2013)
                                       n = 239                              -                                 -
                                    ∑ = 91 709 km                    ∑ = 594 321 km                    ∑ = 575 580 km

              Zustandsklassenverteilung (ZK) – Anteil Befragungsteilnehmer sowie Hochrechnung auf Deutschland.

20
Sichtbarer Boden oder Hohlraum                     Sonstige Schäden
                                                                                      3,5 %                    2,7 %
                                                                        Poröses Rohr
                                                                               1,3 %                             Verformung
                                                                                                                 2,3 %
Zuordnung von Schäden zu Rohr­                               Schadhafte Reparaturen
                                                                              1,2 %
material und Altersverteilung nicht
                                                                                                                              Rissbildung
möglich                                                      Verbindungen
                                                                                                                              25,7 %
                                                     (Verschoben, Dichtung
                                                                einragend)
Die Schadensstatistik verdeutlicht die unter-                       18,6 %
schiedlichen Schadensarten und deren prozen-
tuale Häufigkeit. Hier zeigen sich unter anderem
einragende oder schadhafte Anschlüsse (27,3 %),
Rissbildungen (25,7 %), verschobene oder ein-
ragende Dichtungen (18,6 %) auf den ersten drei                                                                             Rohrbruch/Einsturz
Plätzen. Eine Zuordnung zum jeweiligen Rohr-                                                                                4,3 %
werkstoff bleibt aus, sodass keine Rückschlüsse             Einragender oder
zwischen Schadensart und Rohrmaterial mög-              schadhafter Anschluss                                         Oberflächenschäden
lich sind. Dies wäre jedoch wünschenswert, um                         27,3 %                                          13,1 %
Behauptungen hinsichtlich möglicher Schäden
an Beton- und Stahlbetonrohren aus dem Weg             Schadensverteilung zur baulichen Struktur der Kanäle.
zu räumen. Zum Verständnis ist zwingend zu
erwähnen, dass sich die aktuellen Zustandser-
gebnisse auf alte wie neue Kanäle beziehen und         Erhöhter Investitions- und Sanie-
sodann in einer Schadensstatistik vermischt wer-       rungsbedarf
den. Hier wäre neben der Zuordnung zum jewei-
ligen Rohrwerkstoff ebenso eine Unterteilung in        Die Zustandsverteilung sowie die jährlich sanier-
Altersdekaden sinnvoll, da Beton aus den 1960er        ten Kanalnetzkilometer (1 %) lassen auf unzurei-
und 1970er Jahren mit dem heutigen Hightech-           chende Investitionen in die unterirdische Abwas-
Werkstoff nicht vergleichbar ist. Zudem ist die        serinfrastruktur schließen. Erfahrungsgemäß
Einbauqualität maßgeblich gestiegen und im             liegt die mittlere Abschreibungsdauer bei 60 bis
Zusammenspiel mit den standardisierten Quali-          80 Jahren, sodass bei alleiniger Betrachtung der
tätssicherungsmaßnahmen wird eine Langlebig-           Sanierungsrate die ergriffenen Maßnahmen nicht
keit der Kanäle garantiert.                            ausreichend sind. Hier bedarf es der gezielten
                                                       Erhöhung von Investitionen, die wiederum mit
                                                       einer Erhöhung finanzieller Mittel zusammen-
Mehr als ein Drittel aller Kanäle in                   hängt. Dies spiegelt sich in der Aussage wider,
Deutschland ist aus Beton/Stahlbeton                   dass 60 % der Befragten eine solche Erhöhung
                                                       für erforderlich halten, um dem Sanierungsbedarf
Mit Blick auf die Materialverteilung zeigt sich        mittel- und langfristig gerecht zu werden. Anstatt
erfreulicherweise, dass weiterhin Vertrauen in die     eine Vielzahl an Schäden durch kurzfristig ausge-
altbewährten, robusten und langlebigen Werk-           richtete Reparaturmaßnahmen zu „heilen“, sollte
stoffe Beton/Stahlbeton und Steinzeug gesetzt          vielmehr der Fokus auf eine gezielte Erhöhung
wird. Diese bilden mit 30,8 % (Steinzeug) und          der Erneuerungsrate gesetzt werden. So wird das
39,3 % (Beton/Stahlbeton) in Summe die deut-           Kanalnetzt auf lange Sicht verbessert und die
liche Mehrheit des gesamten Kanalnetzes in             Kommunen haben länger Ruhe vor wiederkeh-
Deutschland ab. Kunststoff stellt hingegen einen       rendem Sanierungsbedarf. Und genau hierfür ist
durchschnittlichen Anteil von 17,7 % der öffent-       die längst überfällige Erhöhung der finanziellen
lichen Kanalisation dar, wobei sich ein starkes        Aufwendungen dringend einzusetzen.
Gefälle von kleinen Kommunen mit erhöhtem
Anteil hin zu großen Kommunen mit prozentua-           Fazit
lem Anteil bis 5 % zeigt. Die Entscheidung für die
Erneuerung einer Kanalhaltung wird bei einem           Beton und Stahlbeton leisten bereits seit Jahr-
Viertel aller Sanierungsmaßnahmen getroffen.           zehnten einen wesentlichen Beitrag zur Aufrecht-
Kostengünstige und im Hinblick auf den Lebens-         erhaltung und zukunftsgerichteten Substanz-
zyklus von Kanälen zeitlich kurzfristig ausgerich-     werterhaltung der öffentlichen Infrastruktur. Es ist
tete Reparaturmaßnahmen stellen den größten            wichtig, dass sich endlich die Erkenntnis durch-
Anteil mit 51 % dar. Einer nachhaltigen und subs-      setzt, dass Werkstoff- und Einbauqualität ver-
tanzwertorientierten Sanierungsstrategie kann          gangener Jahrzehnte mit dem heutigen Hightech-
dies nicht gerecht werden.                             Werkstoff Beton nichts zu tun haben und wir mit
                                                       aktuellen Erkenntnissen in Bezug auf Betontech-
                                                       nologie, Normung, Überwachung und Gütesiche-
                                                       rung die besten Rahmenbedingungen besitzen,
                                                       langlebige, natürliche und recycelbare Produkte
                                                       für die Abwasserentsorgung zu fertigen.

                                                                                                          1 / 2021 punktum.betonbauteile    21
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