REPORT - Handwerkskammer Karlsruhe
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REPORT Magazin der Handwerkskammer Karlsruhe 2020/2021 REPORT | Magazin der Handwerkskammer Karlsruhe 2020/2021 Bambi Dachdeckermeisterin Marisa Braig Smart City Karlsruhe Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble „Carl“ – erstes Holz-Hochhaus in Pforzheim Digitalisierung im Handwerk Firmenporträts
Claudia Ziegler Friseurin Endlich was Anständiges lernen? WWW.HWK-KARLSRUHE.DE HANDWERK.DE 2 report | Handwerkskammer Karslruhe
Joachim Wohlfeil, Präsident, und Gerd Lutz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe. Liebe Leserinnen und Leser des Report 2020/21 ONLINE-MAGAZIN Anfang des Jahres 2020 haben wir uns im Redaktionsteam zusammengesetzt, um die The- Mehr Infos, Texte, men für das Magazin der Handwerkskammer Karlsruhe zu besprechen. Der ökonomische Fotos und Filme zu Hintergrund zu diesem Zeitpunkt war vielversprechend: Die mehr als 19.000 Mitglieds- den einzelnen Themen betriebe der Handwerkskammer Karlsruhe hatten im Jahr 2019 mit ihren Produkten und von REPORT gibt es Dienstleistungen ein Umsatzvolumen von circa 13,6 Milliarden Euro erwirtschaftet, die in unserem neuen Beschäftigungssituation war stabil, fehlende Fachkräfte verhinderten teilweise sogar weitere Online-Magazin unter: Zuwächse. Auf der Jahrespressekonferenz 2020 gingen wir von einem Umsatzplus von 3,5 www.hwk-karlsruhe.de/report Prozent für das laufende Jahr aus. Mit der fortschreitenden Verbreitung des Corona-Virus, der teilweise Komplettschließung vieler Unternehmen und den daraus resultierenden Folgen haben sich die zuversichtlichen Prognosen des Jahresanfangs in Luft aufgelöst. Fast die Hälfte aller Betriebe im Bezirk der Handwerkskammer Karlsruhe musste nach staatlichen Liquiditätshilfen rufen. Die dazu not- wendigen Antragsverfahren wurden von den Teams der Handwerkskammer Karlsruhe rund um die Uhr bearbeitet. Bei der Veröffentlichung des aktuellen Report 2020/21 kann von „Business as usual“ also keinesfalls die Rede sein. Die Konsequenzen der Pandemie sind QR-Code mit dem Mobiltelefon mit spürbar, die Digitalisierung wird eine neue Dynamik erhalten. Die Struktur der Wirtschaft entsprechender Gratissoftware/App wird sich verändern. abfotografieren. Sie werden automatisch zu den hinterlegten Inhalten gesteuert. Für das regionale Handwerk ist dies auch eine Entwicklungs- und Gestaltungschance. Durch nachhaltiges Wirtschaften, kombiniert mit moderner Technologie und Kundennähe, öffnen sich neue Perspektiven für die Zukunft. Die Handwerkskammer Karlsruhe unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe auf diesem Weg. Wir wünschen, mit einem positiven Blick auf die kommenden Jahre, bei der Lektüre des Report 2020/21 viel Freude. Joachim Wohlfeil Gerd Lutz Titelfoto: Michael Bode report | Handwerkskammer Karslruhe 3
Inhalt „Urban Mining“ 3 Editorial 6 Vernetzt in der Zeitkapsel – die Restauratoren des ZKM Karlsruhe Professor Stefan Balkenhol 10 Bambi: Vom Hardtwald auf den Roten Teppich 14 Interview mit dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble 16 Notizen aus der Handwerkskammer: Höhepunkte 2019 und 2020 17 Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe 18 Firmenporträt: Böhm-Hörakustik 20 Kammerstruktur: Mehr als 19.300 Handwerksbetriebe im Kammerbezirk 22 „Urban Mining“ und Kreislaufwirtschaft: Das Bauen der Zukunft 26 Ausbildungs-Bilanz 2019 27 Imagekampagne des Handwerks 28 Firmenporträt: Eisdiele „Eis-Oma“ Restauratoren 4 report | Handwerkskammer Karslruhe
Bambi – das Original 30 Batterie gegen Oberleitung – Das Pilotprojekt „eWayBW“ 34 Firmenporträt: Glaserei Sand 36 Die Ergebnisse der Mitgliederbefragung 38 „Smart City“ – Auf dem Weg Bundestagspräsident zur „schlauen Stadt“ Wolfgang Schäuble 42 Erstes Holzhochhaus in Pforzheim 46 Interview mit der Dachdeckerin Marisa Braig 50 Firmenporträt: Schreinerei Neumayer & Feller 52 Radeln ohne Grenzen im Pamina-Raum 56 Qualifizierungsangebote im Handwerk mit neuen Lernformaten 57 Handwerk zum Ausprobieren für Schülerinnen und Schüler 58 Organigramm und Impressum 60 Im Gespräch: Professor Stephan Balkenhol „Carl“ – Pforzheim mit dem Präsidenten der Handwerkskammer Karlsruhe, Joachim Wohlfeil Fotos: Zooey Braun, Peter Sandbiller, Majolika, Thomas Imo/photothek.net, Peter W. Schmidt Architekten report | Handwerkskammer Karslruhe 5
Vernetzt in der Zeitkapsel Die Restauratoren des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe erhalten und dokumentieren mehr als 8.000 Werke verschiedenster Stilrichtungen des 20. und 21. Jahrhunderts H enrike Mall bringt es auf den Punkt: „Es gibt nichts, was wir nicht machen!“ Laien mag diese Definition des Restauratoren- spektrums am Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe mentiert und gepflegt – Stichwort Schädlingsbekämpfung – werden. Rund 8.000 Kunstwerke umfasst allein die eigene Sammlung des ZKM. Zum Vergleich: Auch das berühmte Amsterdamer „Rijksmuse- zunächst verblüffen, im Gespräch mit der 41-jährigen Leiterin Restau- um” stellt 8.000 Exponate aus. rierung im Bereich Museums- und Ausstellungstechnik erweist sie sich eher als Untertreibung. Wie geht man mit einem Kunstwerk um, „Kunst statt Konto“ das hauptsächlich aus Torf besteht? Welches Raumklima bevorzugen lebende Hühner, welche Betreuung auswärtige Kunst aus Leihgaben Die To-do-Liste der ausgebildeten Gemälderestauratorin, die im ZKM anderer Häuser? Wie müssen Reinigungskräfte, Sicherheitsleute und vor allem im analogen Bereich arbeitet, ist noch längst nicht vollstän- Techniker auf die durchschnittlich zehn Ausstellungen pro Jahr vorbe- dig. „Eigentlich wollte ich ja mehr mit den Händen arbeiten“, verrät reitet werden, wie lassen sich noch nicht real existierende Kunst- sie, aber nach achtjähriger Erfahrung als Projektleiterin im ZKM schien werke umsetzen? Die in Depots lagernden Werke müssen doku- die Übernahme der Abteilung nur konsequent. „Handarbeit“ war aller- 6 report | Handwerkskammer Karslruhe
Auch beim ZKM ist Restauration noch immer viel Handarbeit. dings erst kürzlich gefragt, als die Rahmung eines großen Triptichons Diese Einstellung kann Margit Rosen nur unterstreichen: Das rund von Markus Lüpertz anstand. „Learning by doing“, beschreibt sie ihre zwölfköpfige „Kernteam“ der 2018 unter ihrer Leitung gegründeten eigene Vorgehensweise, die sie auch ihren Volontärinnen und Volo- Abteilung „Wissen“ mit ihrer Bündelung von zeitgenössischer Kunst, ntären empfiehlt. Im Gegensatz zu Kunsthistorikern haben Restaura- Medien- und Videokunst hat ständig den „Horizont des Machbar- toren nach Studium und Volontariat gute Chancen auf dem kulturrel- en“ im Blick. Die 1974 geborene Kunsthistorikerin mit Nebenfach len Arbeitsmarkt – vor allem mit ZKM-Vorlauf! Wer im international Medienkunst steht – wie viele ihrer Kolleginnen – an der Schnitt- führenden Haus für Kunst und Medien ausgebildet wurde, hat nicht stelle analoger und digitaler Welten. Amüsiert verfolgt sie oft die nur ein riesiges Themenspektrum, sondern auch mit vielen interna- verblüfften Reaktionen von Schulkindern auf eine altmodische elek- tional führenden Kunstschaffenden zu tun – beste Voraussetzun- trische Schreibmaschine. „Wir retten Videosammlungen“, nennt Ros- gen für erfolgreiches Networking! Trotz guter Auftragslage – Reich- en einen wichtigen Aufgabenbereich. Viele Werke aus den Anfängen tümer häuft ein Restaurator allerdings kaum an. „Kunst statt Konto“ der Videokunst wären bald verloren, würden sie nicht für das digitale lautet die Devise, aber: „Langweilig wird es nie“, schwärmt Mall. Zeitalter aufbereitet, zumal vieles auch gar nicht „für die Ewigkeit“, report | Handwerkskammer Karslruhe 7
Aber für digitale Kunst braucht es viele moderne Methoden. sondern event- oder festivalbezogen, geschaffen wurde. Neue Tech- darin, die Originale am Leben zu erhalten, um sie der Nachwelt niken werden von Künstlern als Werkzeug und Herausforderung ver- funktionsfähig zu präsentieren“, ergänzt IT-Spezialist Daniel Heiss. standen, wobei das ZKM in einer weltweit einzigartigen Kombination Seit er im Jahr 2005 seine Tätigkeit beim ZKM begann, hat sich im sowohl Kunstschaffende als auch Kunstkonsumenten – vor allem der Besucherverhalten einiges geändert, stellt er klar. Früher waren die Zukunft – unterstützt. „Wir sind in der Region gewachsen“, betont Besucher der Ausstellungen viel ängstlicher, heute werden die inter- Rosen das unglaublich große Interesse von Schulen und anderen Bil- aktiven Angebote so unbefangen genutzt, dass häufig Reparaturen dungseinrichtungen an ZKM-Angeboten. „Vor Corona“ waren es über fällig werden. „Und manchmal hilft dann nur noch der 3D-Drucker 100 Veranstaltungen im Jahr. Als besondere Herausforderung emp- als Ersatzteillieferant bei Ausfällen.“ Die Beherrschung der „alten“ findet sie – ebenso wie ihr Team – die Zusammenarbeit zwischen Computersprachen wie Java gehört zu den Voraussetzung seiner Künstlern und Restauratoren. „Da braucht es oft viele Gespräche und Tätigkeit – ebenso wie Kunstverständnis bei der interdisziplinären Diplomatie, um einen Künstler von der Notwendigkeit der Bearbei- Zusammenarbeit der ZKM-Teams. tung zu überzeugen“, meint sie. „Wir sind hier wie in einer Zeitkapsel“, beschreibt Dorcas Müller ihr Klassiker der Computer-Kunst Reich voller Videogeräte aus fünf Jahrzehnten sowie dutzender Re- gale voller Videokassetten, deren Magnetbänder zukunftsfit gemacht Was darf man machen, ohne die künstlerische Aussage zu ver- werden müssen. Die Leiterin des Labors für antiquierte Videosys- fälschen? Diese Frage stellt sich Morgane Stricot häufig. Ebenso wie teme hat an der benachbarten Hochschule für Gestaltung Medien- ihr Assistent Matthieu Vlaminck hat sie an der Kunsthochschule in kunst studiert und hat als Videokünstlerin ein besonderes Gespür für Avignon studiert und betreut als Restauratorin für Medienkunst die den Wert der Arbeiten, die hier digital aufbereitet werden. Manchmal ZKM-Sammlung. Die frühen Werke der 1960er bis 1990er Jahre sind stößt sie auf wahre Schätze der Vergangenheit, wie etwa ein bis mit den Computern dieser Ära gealtert und müssen nun auf neuen dahin in Vergessenheit geratenes Video von Yoko Ono und John Rechnern für die Zukunft bewahrt werden. „Unser Anspruch besteht Lennon. 8 report | Handwerkskammer Karslruhe
Meditation zu Licht und Klang Als „hoch spannend“ – obwohl trotz der knapp 400 Lämpchen keine Hochspannung im Spiel ist – empfindet Marlies Peller das Werk eines Pioniers der elektronischen Kunst, das gerade auf der Aus- stellungsebene von mehreren Technikern aufgebaut worden ist: Der dem ZKM eng verbundene Walter Giers schuf 1978 mit „Lichtwöl- bung“ ein mit 1,20 mal 1,20 Metern großes Objekt, in dem sich nach Auffassung der Restauratorin Licht und Klang zu einem meditativen Erlebnis – gesteuert von Zufallsgeneratoren – verbinden. Da es kei- nen „Schaltplan“ im handwerklichen Sinn für das Werk gibt, prüft sie zunächst die einzelnen Funktionen. „Dazu reichen meine Grundken- ntnisse“, schmunzelt die Expertin für die Erhaltung zeitgenössischer Kunst und moderner Materialien. „Zum Aufspüren komplizierter Fehlerquellen bitte ich Kollegen dazu.“ Direkt neben der „Lichtwöl- bung“ wartet die „Gebetsmühle“ mit abstrakten „Mönchsgesängen“ auf ihren Check-up. Rund 50 Arbeiten aus dem Nachlass des 2016 verstorbenen Künstlers wird Marlies Peller bis zur im Frühjahr 2021 geplanten „electronic art“-Ausstellung restaurieren. Durch Corona ist der Zeitplan etwas durcheinandergekommen, aufgrund der Ver- legung um rund ein halbes Jahr hat sie jetzt noch mehr Zeit, sich intensiv mit Künstler und Oeuvre zu befassen. Der spannendste Augenblick? „Wenn ich zum ersten Mal den Startknopf drücke oder den entscheidenden Schalter umlege – und es klappt!“ Irene Schröder ¬ Neben Malerei beschäftigen sich die ZKM-Fachleute auch mit den Bändern jahrzehnter- langer Videokunst. Fotos: Peter Sandbiller, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Uli Deck report | Handwerkskammer Karslruhe 9
Vom Hardtwald auf den Roten Teppich Bambi-Gala zwischen Karlsruhe und Baden-Baden 10 report | Handwerkskammer Karlsruhe
D ie heutige Figur wiegt 2,5 Kilogramm, ist aus Bronze und mit 18 Karat vergoldet. Das schillernde Rehkitz, das die Preisträ- ger wie Schauspielerin Naomi Watts, Königin Mathilde von Belgien oder Sängerin Sarah Connor stolz in die Kameras hielten, wird seit 1948 als Auszeichnung für kreatives Filmschaffen vergeben. Seit mehr als 70 Jahren ist der „Bambi“ auch international ein Begriff. Genau genommen seit fast 100 Jahren. Denn hier beginnt bereits die Geschichte des berühmten Bambis, ohne die der Starrummel um das goldene Reh heute nicht denkbar wäre. „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ 1923 erzählt der österreichische Schriftsteller Felix Salten die rüh- rende Geschichte eines kleinen Rehs, das zunächst in der Obhut seiner Mutter aufwächst und die Schönheiten und Gefahren des Lebens kennenlernt. Das Buch „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ wurde ein Bestseller. Bis heute wird es von ver- schiedenen Verlagen immer wieder neu aufgelegt. Salten verkauf- te später, bedingt durch die Wirren des Nationalsozialismus, die Bambi-Filmrechte für gerade mal 1.000 Dollar an Walt Disney, der daraus einen der berühmtesten Filme produzierte, der bis heute Kinder und Erwachsene begeistert und zu Tränen rührt. Erst 1950 lief „Bambi“ auch in deutschen Kinos. Eine Hörspiel-Pro- duktion von Saltens literarischer Vorlage führt in die Stadt, in der die glamouröse Verleihung vom letzten Herbst noch immer nach- hallt: nach Baden-Baden. In einer aufwendigen Produktion, unter- legt mit atmosphärischer Orchestermusik, hört man in der Audio- Version das kleine Rehkitz im Gespräch mit seiner Mutter. Ge- sprochen wurde das junge Reh von einem Jungen, der viele Jah- re später selbst einen „Bambi“ erhielt und dessen Stimme zu den Aus der Bambi-Vorlage markantesten des deutschen Fernsehens wurde: vom damals zehn- ist ein Top-Event mit stets jährigen Frank Elstner. viel Prominenz in der Region geworden. report | Handwerkskammer Karslruhe 11
Erste „Bambi“-Gala findet in Karlsruhe statt In den Jahren des Wirtschaftswunders boomte die Filmbranche. Deutsche und amerikanische Kinofilme lagen im Trend. Das Inter- esse an Stars und Sternchen wuchs. In Karlsruhe erschienen Ma- gazine wie „Die Filmrevue“ oder „Die neue Filmwoche“. Deren in- novativer Verleger Karl Fritz hatte die Idee, einen Award für die be- liebtesten Filmstars zu kreieren. Bei einem Besuch in der Staat- lichen Majolika Manufaktur im Karlsruher Hardtwald gefiel ihm ein kleines Rehkitz, das schon damals ein Bestseller war, zigfach ver- schenkt wurde und als beliebtes Deko-Objekt in vielen deutschen Wohnzimmern landete. Die Figur stammte von der Heidelberger Bildhauerin Else Bach (1895-1951). Ihre Reh-Skulptur sollte der neue Filmpreis sein! Schauspielerin Marika Rökk war die erste, die den Preis bekam. Allerdings wurden in den Anfangsjahren die Preise noch nicht von Medienrummel begleitet vergeben, sondern sie wurden den Gewinnern nach Hause gebracht. Auf diese Weise soll das Reh- kitz als Filmtrophäe auch zu seinem Namen gekommen sein. „Das sieht ja aus wie das Bambi!“, soll die Tochter von Marika Rökk gerufen haben, als der Preis an ihre berühmte Mama über- geben wurde. Auch Weltstar Sophia Loren hat es schon auf den Bambi-Thron geschafft. 1962/63 übernahm der Burda-Verlag (im Bild unten links Verleger Hubert Burda mit seiner Frau Maria Furtwängler-Burda) „Bambi“ und realisierte seit 1996 gemeinsam mit der ARD eine Live-Übertragung – dieses Konzept wird aktuell überdacht. 12 report | Handwerkskammer Karlsruhe
In Karlsruhe fand 1955 die erste große „Bambi“-Gala statt. Fast ein Auch das Ur-Bambi in Keramik wird nach wie vor in der Staatlichen Jahrzehnt lang kam die Crème-de-la-Crème des Films in die Fä- Majolika Karlsruhe produziert. Die bronzene Burda-Figur wurde cherstadt, um den „Bambi“ als ehrenvolle Auszeichnung zu emp- übrigens mehrfach modifiziert, unter anderem 1958 von dem be- fangen. Darunter waren Stars wie Sophia Loren, Heinz Rühmann, kannten Karlsruher Bildhauer Emil Sutor, der auch den „Nackten Rock Hudson, Brigitte Bardot und viele andere. Später wanderten Mann“, der bis vor kurzem vor dem Wildpark stand, und das Wand- die „Bambi“-Galas durch viele Städte: Berlin, München, Offenburg, relief im Innenhof der Handwerkskammer Karlsruhe gestaltete. Hamburg, Monaco oder Salzburg. Der Burda-Verlag hatte 1962 die Mittlerweile hat sich das ursprünglich erdfarbene Nachkriegs-Bambi, Rechte übernommen. 1998 – zum 50-jährigen Jubiläum des Bam- das noch in vielen Haushalten zu finden ist, einem modernen bi – wurde in einer Jubiläumsausgabe Karlsruhe noch einmal zur Facelifting unterzogen und springt jetzt in Pink, Knallrot oder „Filmstadt“. Ehrengast bei der glanzvollen Verleihung im Zentrum Apfelgrün über die Theke. „Ist die Majolika auf den Hund gekom- für Kunst und Medien (ZKM): die erste Preisträgerin Marika Rökk. men?“, fragen sich derzeit viele, denn neuerdings wird in der Manufaktur erneut eine Filmtrophäe produziert: Für die interna- „Karlina“ für die besten Filme tionalen Filmfestspiele „Independent Days“ in Karlsruhe hat die Künstlerin Hannelore Langhans „Karlina“ geschaffen, einen quietsch- Der Traum, dass die Bambi-Verleihung künftig in Baden-Baden statt- fidelen Mops, der auf den Namen des Festival-Standorts Karlsruhe findet, ist vorerst ausgeträumt. Hintergrund ist die Entscheidung hinweist. der ARD, die Live-Übertragung nicht fortzuführen. Die Veranstalter Ariane Lindemann ¬ müssen ihr Gesamtkonzept überdenken. Ob Baden-Baden dabei als Austragungsort in Zukunft eine Rolle spielt, steht derzeit noch in den Sternen. Die Marke „Bambi“ soll nach Aussage von Burda- Medien jedoch weiterhin bestehen bleiben. majolika.de Bambis gibt es mittlerweile auch in bunt und sie haben in dem Mops „Karlina“ einen Weggefährten gefunden. Fotos: Majolika, Dietmar Kup, Stadtarchiv Karlsruhe/8/BA Schlesiger A9/30/7/25, Eventpress Radke, Brauer Photos/G. Nitschke for report | Handwerkskammer Karlsruhe 13 Hubert Burda Media, Brauer Photos/D. Beckmann for Hubert Burda Media
Handwerk als „Pfeiler des Mittelstandes“ Was verbinden Sie persönlich mit Karlsruhe und seiner Region? oder KFZ-Mechaniker verdrängt. An der Bedeutung des Handwerks als solchem ändert das nichts. Handwerk ist und bleibt ein Pfeiler Wolfgang Schäuble: Historisch die Rolle, die Karlsruhe bei der De- des Mittelstands. Und mittelständische Betriebe sind Rückgrat und mokratisierung Deutschlands gespielt hat. Hier wurde mit dem Motor unserer Wirtschaft. Ständehaus im 19. Jahrhundert immerhin das erste eigenständi- ge Parlamentsgebäude auf deutschem Boden errichtet! Die badi- Sie sind ein überzeugter Europäer, kommt Europa aus Ihrer Sicht sche Verfassung von 1818 enthielt einen eigenen Grundrechtska- auch dem Handwerk zugute? talog, was sie zu einer der freiheitlichsten und fortschrittlichsten ihrer Zeit machte. Nicht zuletzt deshalb ist Karlsruhe der Sitz un- Schäuble: Natürlich. Alle wirtschaftlichen Sektoren profitieren von seres Verfassungsgerichts. Heute verbinde ich mit Karlsruhe auch den Freiheiten des Binnenmarktes, auch das Handwerk. Gerade in Erfindungsreichtum und Innovationskraft. Wichtige Innovationen Grenzregionen wird das deutlich – etwa durch die Ausweitung des gehen vom KIT und anderen Forschungsstätten in und um Karls- potentiellen Kundenkreises. Ein Schneider aus Karlsruhe findet ne- ruhe aus. Die hier tätigen Wissenschaftler, Ingenieure und Techni- ben heimischen Käufern auch Kunden aus Österreich oder Lu- ker machen die Gegend zu einem regionalen Kompetenzzentrum, xemburg, ein Tankwart aus der Region profitiert von durchreisen- das für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet ist. Nur den Autofahrern aus Holland oder der Schweiz und ein Gerüst- fußballerisch gibt es noch immer Luft nach oben … bauer von hier kann Aufträge aus dem benachbarten Elsass über- nehmen, was nur möglich ist, weil und solange wir offene Gren- Wo liegen die Zukunftschancen der Technologieregion Karlsruhe zen haben. Auch die übrigen Freiheiten wirken effizienzsteigernd. an der Grenze zu Frankreich? Sie sichern den Wohlstand, den es ohne Europa nicht gäbe. Schäuble: Etwa im Bereich Bildung und Forschung, einem für die Warum gibt es keine Alternative zu Europa? nachhaltige Sicherung unseres Wohlstands essentiellen Gebiet. Wissen ist unser wichtigster Rohstoff. Peter Sloterdijk, ein Karlsru- Schäuble: Kein Nationalstaat, und sei er noch so groß, ist in der her, hat einmal moniert, Pädagogen würden übersehen, dass der Lage, mit den globalen Problemen allein fertig zu werden. Das geht beste Lehrer der Rivale sei. Wettbewerb ist eben ein zentraler An- nur gemeinsam, gerade in Krisenzeiten. Deshalb ist Europa trotz reiz zur Wissensmehrung. Karlsruhes Nähe zu Frankreich erweist der Abstimmungsprobleme, die es anfänglich im Kampf gegen das sich deshalb als Standortvorteil für die hiesige Technologieregion Corona-Virus gab, die beste Antwort auf all die Herausforderungen mit ihrem mittelständisch-handwerklichen Unterbau. Der Wettbe- des 21. Jahrhunderts, die mit der Pandemie ja nicht geringer ge- werb mit dem Nachbarland stimuliert Forschung und Wirtschaft worden sind. Unter den Bedingungen von Globalisierung und Di- hier wie dort. Noch besser: Aus der Konkurrenz ist vielfach längst gitalisierung sind Staaten und Gesellschaften – ob sie es wollen eine Partnerschaft mit einem funktionierenden Wissenstransfer ge- oder nicht – Teil eines weltumspannenden ökonomischen, politi- worden. Auch deshalb präsentiert sich der Oberrhein auf beiden schen und ökologischen Geflechts. Die Pandemie zeigt zwar die Seiten der Grenze als technologisch florierende Landschaft. Jetzt Schattenseite und die Verwundbarkeit dieses Systems, was teil- müssen wir alles dafür tun, dass dies auch nach der aktuellen Pan- weise zum Umdenken bei weltweiten Lieferketten führt. demie mit ihren Auswirkungen gerade auf die Grenzregion so bleibt. Aber der globale Rahmen wird bleiben, und die EU bildet darin Wie schätzen Sie den Stellenwert des Handwerks – meist in mittel- noch immer den größten Binnenmarkt, sie hat – selbst bei Austritt ständischen Unternehmen – in Deutschland ein? der Briten – politisches Gewicht. Die Krise müssen wir als Chan- ce zu neuer Dynamik in Europa nutzen, um bei der Industriepoli- Schäuble: „Handwerk hat goldenen Boden“, dieser Satz gilt weiter- tik, bei Nachhaltigkeit und Digitalisierung unsere Wettbewerbsfä- hin. Natürlich mit Modifikationen. Die Welt wandelt sich, und Be- higkeit gegenüber den anderen Playern wie den USA und China rufsprofile müssen sich veränderten Bedingungen anpassen. Der zu erhalten und zu verbessern. Von jeder Investition in dieses Pro- Dreher von früher ist doch längst ebenso digital aufgerüstet wie jekt profitieren letztlich auch Wirtschaft und Handwerk. der Mechatroniker, der vielerorts den klassischen Werkzeugmacher Das Gespräch führte Horst Koppelstätter ¬ 14 report | Handwerkskammer Karlsruhe
D A S I N T E R V I E W REPORT sprach mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble über die Technologie- region Karlsruhe, Forscher, Fußballer, die Chancen von Hand- werksberufen, die Nähe zu Frankreich und das Karlsruher Ständehaus im 19. Jahrhundert Foto: Thomas Imo/photothek.net report | Handwerkskammer Karlsruhe 15
Notizen aus der Handwerkskammer Veranstaltungshöhepunkte 2019 und 2020 September 2019 Januar 2020 M it „Karriere im Handwerk“ als zentralem Thema hat sich der „Tag des Handwerks 2019“ in Karlsruhe beschäftigt. Dabei standen die Ausbildungsberatung, die Last-Minute-Lehrstellenver- Bei großen Ausbildungsmessen in Karlsruhe und Pforzheim konnte sich die „Generation Z“, also Kinder und junge Erwachsene zwischen acht und 23 Jahren, über Ausbildungs- und Karrierechancen informieren. mittlung sowie Fort- und Weiterbildungsoptionen im Mittelpunkt. Die Allein in Karlsruhe präsentierten sich mehr als 370 Unternehmen vor Kammer nutzte den „Tag des Handwerks“ auch, um ihre Ausbildungs- fast 20.000 Messebesuchern. Das mehr als 300 Quadratmeter große botschafter – Schülerinnen und Schüler, die in Schulen über Berufs- Handwerker-Areal informierte über 130 verschiedene Handwerksbe- wege informieren – mit einer Urkunde auszuzeichnen. Um „Unter- rufe. Auch beim Neujahrsempfang der Handwerkskammer Karlsruhe nehmensstrategien 2025“ ging es bei „Handwerk im Gespräch“ in mit rund 600 Gästen stand die „Generation Z“ im Mittelpunkt. Als Ettlingen. 200 Handwerkerinnen und Handwerker informierten sich Hauptredner sprach der erst 17 Jahre alte Gründer einer Beratungs- über Strategien für die sich stark verändernde Arbeitswelt. firma, Charles Bahr, darüber, was in Bezug auf das Konsumentenver- halten und zur Gewinnung von Fachkräften aus seiner Generation zu Dezember 2019 beachten ist. Im Jahr 2019 legten 351 Meisterinnen und Meister in 16 Gewerken März 2020 ihre Prüfung ab. Zur Meisterfeier in der Karlsruher Schwarzwaldhalle kamen auch fünf Absolventinnen aus der Schweiz, den weitesten Die Handwerkskammer Karlsruhe hat 20 Betriebe für vorbildliche Aus- Weg legte Gold- und Silberschmied Joakim Jord Johansen aus Ko- bildungsleistungen ausgezeichnet. Daneben wurden die Bundes- und penhagen zurück. Zahlenmäßige Spitzenreiter waren die Kraftfahr- Landessieger des Praktischen Leistungswettbewerbs mit Urkunden zeugtechniker mit 64 Meistern. und Preisen bedacht. 16 report | Handwerkskammer Karslruhe
Joachim Wohlfeil bleibt Kammerpräsident Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe im November 2019 Die Vollversammlung der Handwerkskammer Karlsruhe. W ahlen für die Gremien der Handwerkskammer Karlsruhe finden alle fünf Jahre statt. In der 14. konstituierenden Vollversammlung im November 2019 stellten sich insgesamt 28 Vizepräsident Arbeitgeberseite: Wolfgang Schmitt, Elektroinstallateurmeister, Stutensee (Wiederwahl) Arbeitgebervertreter und 14 Vertreter der Arbeitnehmer zur Wahl. Sie repräsentierten sowohl die unterschiedlichen Gewerke als auch Vizepräsident Arbeitnehmerseite: die Regionen. Diese Vollversammlung war in einer Friedenswahl im Martin M. Schlegel, Fleischermeister, Rheinstetten (Wiederwahl) Sommer 2019 neu gewählt worden. Vorstände der Handwerkskammer Karlsruhe, Arbeitgebervertreter: Die Vollversammlung bestätigte Joachim Wohlfeil erneut für weitere Martin Hirschberger, Maurermeister, Bad Liebenzell (Wiederwahl) fünf Jahre an der Spitze der Handwerkskammer. Der Unternehmer Petra Kirst, Kosmetikerin, Rastatt (Neuwahl) aus Karlsruhe, seit 1999 Präsident der Handwerkskammer Karlsruhe, Martin Reinhardt, Bäckermeister, Knittlingen (Wiederwahl) ist damit in seiner fünften Amtsperiode. Thomas Schönhaar, Glasermeister, Pfinztal (Neuwahl) Gewählt wurden: Vorstände der Handwerkskammer Karlsruhe, Arbeitnehmervertreter: Viola Ferrenberg, Hörgeräte-Akustikerin, Rheinstetten (Wiederwahl) Präsident: Norbert Masson, Elektroinstallateur, Elchesheim (Wiederwahl) Joachim Wohlfeil, Gas- und Wasserinstallateurmeister, Rheinstetten (Wiederwahl) report | Handwerkskammer Karslruhe 17
Entscheidung aus dem Bauch für das Ohr Hörgeräteakustik-Meister Fabian Böhm aus Pforzheim lässt die Branche aufhorchen M an nehme einen Goldschmied mit filigranen Fingerfertigkeit- en, der nebenbei mit viel Leidenschaft elektronische Musik produziert, ermögliche ihm den Umgang mit ausgefeilter Technik sowie Fürsorge bis ins kleinste Detail bescheinigen, sei es nun in der Wahl des optimalen Hörsystems oder bei der Versorgung mit einem Cochlea-Implantat. und Menschen mit ganz besonderen Ansprüchen und Problemen und lasse ihn sowohl seine Marketing- als auch seine Entertain- Dass er einmal eine spontane Entscheidung „aus dem Bauch für mentkompetenzen entfalten. So ungefähr könnte das Anforderungs- das Ohr“ treffen würde, hätte der smarte Handwerksmeister und profil für einen Hörakustiker ausfallen, der seit sechs Jahren nicht Unternehmer nie erwartet, als er zunächst nach der Schule durch nur die eigene Branche aufhorchen lässt. In dieser kurzen Zeit hat den Sieg bei einem Malwettbewerb einen Ausbildungsplatz in ei- Fabian Böhm in einem ehemaligen Friseurgeschäft in der Pforzhei- nem Pforzheimer Schmuckunternehmen ergatterte. So richtig glück- mer Goethestraße sein elegantes Hörstudio mit Wohlfühlcharakter lich war er nach dem Abschluss aber nicht, zudem die Branche etabliert, dem Kunden und Kollegen höchste technische Qualität schwächelte. Er wechselte zunächst in ein Labor für Zahntechnik – verbunden mit einem eigentlich nicht messbaren Standard – und Otoplastik – und war dann nach einem Schnuppertag bei einem 18 report | Handwerkskammer Karslruhe
F I RM ENPORTRÄ T In einem ehemaligen Friseurgeschäft hat Fabian Böhm sein modernes Studio eingerichtet. Hörakustikunternehmen plötzlich sicher, Beruf und Berufung gefun- den zu haben. Nach Meisterprüfung und Studium an der einzigen deutschen Akademie für Hörakustik in Lübeck leitete er mehrere Filialen einer großen Firma, bis 2013 sein Businessplan stand – mit gerade mal 5.000 Euro Eigenkapital. Nicht zuletzt dank der Unter- stützung durch die Handwerkskammer Karlsruhe konnte der junge Meister – Jahrgang 1981 – die nötige finanzielle Unterstützung be- kommen, die ihm die Verwirklichung seines Traums ermöglichte. Knowhow und Training im Studio „Viel Werkstatt gibt es hier nicht mehr zu sehen“, schmunzelt er beim Rundgang durch das mit High-Tech vom Feinsten ausgestatteten Studio – nach seinen Angaben bedürfen die eigentlichen Hör-Hilfen meistens nur noch kleinster Korrekturen. Die wahre „Feinarbeit“ am und mit dem Kunden beginnt viel früher und kann sich über meh- rere Monate hinziehen. Fabian Böhm und sein sechsköpfiges Team sind „ganz Ohr“, wenn es darum geht, die optimale Hörleistung zu erzielen – für sehr unterschiedliche Zielgruppen. Verband man früher mit dem Begriff „Hörgerät“ vor allem Hilfestellung für Senioren mit altersbedingtem Hörverlust, so kommen heute die jüngsten Patient- en im Kinderwagen oder Tragetuch ins Studio. Schon bei Kleinkin- dern ab vier Monaten können medizinische Tests Aufschluss über mögliche Hördefizite geben. Pädakustik lautet der Fachbegriff für die Zusatzqualifikation, die Fabian Böhm erworben hat, um bereits in diesem sehr frühen Stadium Kindern den Start in ein möglichst uneingeschränktes Leben ermöglichen zu helfen. „Die ersten vier Lebensjahre sind unheimlich wichtig für die Entwicklung der Sinne“, betont er – und die Eltern bekommen das notwendige Knowhow Eine entspannte Atmosphäre wird in Arbeit und und Training im Studio. „Die Technik bietet heute ein riesiges Spek- Beratung groß geschrieben. trum an individuellen Möglichkeiten“, erklärt der Experte – und von diesen Möglichkeiten profitiert natürlich eine Personengruppe, die der Laie kaum im Hörstudio vermuten würde: Menschen um die 45 Stichwort Kommunikationsfäigkeit: Diese besondere Aufgeschlos- Jahre, die jetzt unter „Jugendsünden“ leiden: extremer Musikbeschal- senheit für andere Menschen zeichnet Fabian Böhm nicht nur im lung, Knallschäden aus Bundeswehrzeiten und anderen beruflichen Umgang mit seinen Kunden aus. Als Social-Media-Coach für Hör- Lärmschädigungen. Trotz ihrer Beeinträchtigungen können sie per akustik bringt er seinen Kollegen bundesweit auf Veranstaltungen Smartphone kommunizieren, an Videokonferenzen teilnehmen oder die Vorteile dieser neuen Wege zum Beziehungsoptimieren näher – Streaming nutzen, Opernaufführungen oder lebhafte Unterhaltungen Marketing und Teambuilding gehören für ihn zu einem erfolgreichen in großer Runde genießen. Hör-Genuss der besonderen Art gibt es Geschäftsmodell. „Man muss ständig Neues dazulernen“, betont er. unter anderem bei den regelmäßigen Events im Pforzheimer Studio Dazu gehört auch ein Schutzbrief, der für die Dauer von mindestens – bei einem Glas Wein lässt sich hier entspannt plaudern. „Da sind drei Jahren nicht nur für Wartung und Reparaturen, sondern auch für schon echte Freundschaften entstanden“, freut sich Böhm über den Leihgeräte oder Garantierverlängerung, gilt – Qualität in guter Hand- Erfolg seiner ungewöhnlichen Einfälle, bei denen es ihm in ersten werkstradition auch und gerade in Zeiten von Social Media & Co. Linie um ein Ziel geht: Lebensqualität auf hohem kommunikativen Irene Schröder ¬ Niveau. boehm-hoerakustik.de Fotos: Daniel Weisser, Böhm report | Handwerkskammer Karslruhe 19
Das Fliesen- Platten- und Mosaik- legerhandwerk erfuhr in den Jahren der Zulassungsfreiheit einen wahren Gründungsboom. Mehr als 19.300 Handwerks- betriebe im Kammerbezirk Herausforderung im Meister-Handwerk: Jeder fünfte Inhaber älter als 60 Jahre Betriebe im Kammerbezirk Anlage A Anlage B1 Anlage B2 Gesamt 6.193 3.631 3.219 2.778 2.665 2.266 1.537 1.537 1.518 1.638 1.406 1.372 1104 1.156 669 640 501 578 656 522 661 510 333 340 479 384 189 146 Baden-Baden Rastatt Stadt Karlsruhe Landkreis Karlsruhe Pforzheim Enzkreis Calw 20 report | Handwerkskammer Karslruhe Foto: amh
Z um 31. Dezember 2019 waren im Bezirk der Handwerkskam- mer Karlsruhe insgesamt 19.308 Handwerksbetriebe hand- werklich tätig. Im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt stieg die Zahl Meister-Betriebe meistern Anfangsprobleme oft besser Die Bestandsdauer von Existenzgründungen im zulassungspflichti- damit um 236 Betriebe, wobei nach wie vor der größte Zuwachs im gen Handwerk gegenüber dem zulassungsfreien ist sehr unter- zulassungsfreien Handwerk zu konstatieren ist. Bei den zulassungs- schiedlich. Während im zulassungsfreien Handwerk nach fünf Jahren pflichtigen Betrieben in der Anlage A der Handwerksrolle – hier ist 60 Prozent der Existenzgründer wieder aus der Rolle gelöscht ein Meisterabschluss oder eine gleichwertige Qualifikation Voraus- wurden, sind im Meister-Handwerk nach fünf Jahren immer noch setzung für die selbstständige Ausübung des Handwerks – wurden zwei Drittel der Betriebe am Markt tätig. Mit der Wiedereinführung im letzten Jahr 611 Eintragungen und 604 Löschungen durchge- der Meisterpflicht in zwölf Gewerken ist zu erwarten, dass auf- führt. Der Betriebsbestand erhöhte sich leicht (plus sieben) auf grund der umfassenden Qualifizierung mehr Betriebe die schwie- 10.692 Handwerksbetriebe. rigen Anfangsjahre überstehen und damit langfristig erfolgreich agie- ren können. Auch zusätzliche und neue Arbeits- und Ausbildungs- Viele Soloselbstständige plätze sollten so entstehen. Viel Bewegung gab es im zulassungsfreien Sektor, insbesondere der Altersstruktur wirft Fragen auf Anlage B1. Bei 1.037 Eintragungen und 829 Löschungen erhöhte sich hier der Bestand auf 5.032 (ein Plus von 208 Betrieben). Viele Wirft man einen Blick auf die Altersstruktur im zulassungspflichtigen dieser Betriebe werden von Soloselbstständigen geführt, teilweise Handwerk der Anlage A, sieht man, dass über 20 Prozent der ein- nur im Nebenerwerb. Wie schon in den Vorjahren beschränkten getragenen Meisterinnen und Meister das 60. Lebensjahr erreicht sich die Zuwächse im zulassungsfreien Handwerk auf wenige, dafür haben. Damit stellen sich für jeden fünften Betrieb in den nächsten aber kräftig wachsende Berufe. Diese gehören teilweise auch zu Jahren fundamentale Fragen: Wer übernimmt die Firma, welchen den zwölf Gewerken, die seit 2020 wieder zulassungspflichtig sind. Wert hat das Unternehmen, soll der Betrieb extern oder intern weiter- gegeben werden oder ist eine Betriebsaufgabe notwendig? Auch im handwerksähnlichen Sektor – der Anlage B 2 – nahm die Betriebszahl zu. Am Jahresende waren hier 3.580 Betriebe einge- tragen, 21 mehr als 2018. Insgesamt sind im Handwerk im Bezirk Info der Handwerkskammer Karlsruhe mehr als 100.000 Menschen be- Der Bezirk der Handwerkskammer Karlsruhe umfasst die schäftigt. Die Unternehmen erwirtschafteten einen Umsatz von vier Landkreise Calw, Enzkreis, Karlsruhe sowie Rastatt und circa 13,6 Milliarden Euro. die drei Städte Baden-Baden, Karlsruhe und Pforzheim. Berufsgruppen Anlage A Anlage B1 Anlage B2 Gesamt 5.386 5.013 4.704 4.395 2.587 2.136 1.653 1.525 1.357 1.352 1.155 805 804 768 1.030 552 550 676 451 414 349 268 296 162 2 41 85 100 Bau- und Ausbau Elektro u. Metall Holzgewerbe Bekleidung Lebensmittel Gesundheit Glas, Papier, Sonstige Stand: 31.12.19 report | Handwerkskammer Karslruhe 21
Abrissbirne war gestern „Urban Mining“ und Kreislaufwirtschaft: KIT-Professor Dirk Hebel beschreibt das Bauen der Zukunft 22 report | Handwerkskammer Karslruhe
In der Nähe von Zürich steht das Forschungsgebäude NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies). Das KIT hat darin die Testwohnung UMAR (Urban Mining and Recycling) mit aufgebaut. report | Handwerkskammer Karslruhe 23
Durch bessere Vorplanung hätten sicher auch viele Stoffe aus dem Abriss des Wildpark-Stadions einem „Urban Mining“ zugeführt werden können. S taub breitet sich aus, es knarzt und kracht. Mit seiner Schaufel frisst sich ein Bagger durch das Gemäuer eines Abrisshauses. Es wird dem Erdboden gleichgemacht. Laut dem Onlineportal „statis- sortenrein auseinandernehmen und wiederverwerten kann. So ent- stehen Wertanlagen für künftige Generationen“. ta“ geschieht dies in ganz Deutschland jährlich mit um die 1.500 Hebel ist ein Verfechter von „Urban Mining“, was zu Deutsch so viel Gebäuden, in denen sich drei oder mehr Wohnungen befanden. Die wie „Bergbau in städtischen Gebieten“ bedeutet. Dabei geht es zum unter anderem daraus resultierenden mehr als 50 Millionen Tonnen einen darum, bereits vorhandene Materialien aus der gebauten Um- Bauschutt pro Jahr landen auf immer voller werdenden Deponien welt weiterzuverwenden. „Die deutsche Volkswirtschaft setzt jährlich oder werden einem Recycling etwa zur Gewinnung von Gesteinskör- rund 1,3 Milliarden Tonnen an Materialien im Inland ein“, heißt es nungen für Beton, Mörtel und Asphalt zugeführt. Ein kleinerer Teil dazu beim Bundesumweltministerium. „Davon verbleiben besonders dient zudem als Verfüllmaterial unter neuen Straßen und in stillge- Metalle und Baumineralien oftmals lange Zeit in Infrastrukturen, legten Grubenstollen. Gebäuden und Gütern des täglichen Gebrauchs.“ In Hinblick auf ein- en zunehmenden internationalen Wettbewerb um knappe Rohstoffe Doch stellt dieser heutige Umgang mit Baumaterial schon der könne deren Nutzung dazu beitragen, die natürlichen Ressourcen Weisheit letzter Schluss dar? Für Dirk Hebel ganz sicher nicht! „Der der Erde zu schonen. Und Deutschland könnte unabhängiger von Weg des Materials ist damit zu Ende“, sagt der Professor für Nachhal- Importen werden. tiges Bauen an der Architekturfakultät des KIT (Karlsruher Institut für Technologie). Aber das müsste nicht sein. In „Baustoffen, die schon Den Rückbau gleich einplanen einmal etwas anderes waren“, sieht Hebel dagegen ein riesiges Res- ervoir an derzeit noch kaum genutzten Möglichkeiten. „Nehmen Sie Forscher wie Dirk Hebel streben darüber hinaus aber in sich den Bau eines Kellers“, erklärt er. „Normalerweise wird von außen geschlossene Material-Kreisläufe an – das ist das eigentliche Ziel. eine Dämmung aufgeklebt, als nächstes erfolgt ein Teeranstrich, Irgendwann sollen möglichst viele Materialien sortenrein und ohne dann kommen Plastikfolien drauf und es wird alles zu einem großen großen Aufwand immer wieder dem Bauen zugeführt werden. undefinierten Verbund. Wenn dieser Keller irgendwann rückgebaut Über Generationen hinweg! Schon die Planungen sollen darauf wird, können Sie mit diesen Materialien nichts mehr anfangen, sie eingerichtet sein. „Kreislaufwirtschaft bedeutet, den Rückbau gleich sind Sondermüll und müssen deponiert oder verbrannt werden.“ mit einzukalkulieren“, betont der Professor. „Auf dem Weg dahin ist Schon heute seien aber die Abrisskosten insbesondere durch De- Urban Mining ein Zwischenzustand, der allerdings noch Jahrzehnte poniegebühren außerordentlich hoch – daher „ist es doch eine anhalten wird.“ Der Samen für diese Entwicklung sei aber bereits ganz andere Rechnung, wenn man die Materialien hinterher einfach gelegt. 24 report | Handwerkskammer Karslruhe
Hebel begann vor mehr als einem Jahrzehnt mit der Erforschung von „Urban Mining“. Das KIT gilt heute als eine der führenden Einrich- tungen auf dem Gebiet. Beim letztjährigen „Urban Mining Student Award“ gingen drei der vier Preise an die Karlsruher Universität. Mit besonderen Projekten versuchen die KIT-Forscher zudem immer wieder, „Urban Mining“ der Öffentlichkeit nahe zu bringen. So ha- ben sie in der Nähe von Zürich und zur Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn Gebäude geplant, bei denen ausschließlich kompostier- bare, wiederverwertbare und weiternutzbare Materialien für Kon- struktion und Ausbau verwendet wurden. „Es lässt sich damit zeigen, dass wir heute schon in der Lage sind, im Bauwesen in geschloss- enen Kreisläufen zu operieren“, betont Hebel. Nach seinen Angaben lagen die Baukosten dabei nur um bis zu zwölf Prozent über einer herkömmlichen Bauweise. „Und zwar ohne, dass wir heute schon von Skaleneffekten profitieren können“, erläutert er. Skaleneffekte führen beispielsweise zu Verbilligungen, wenn mehr Menschen die entsprechenden Techniken und Produkte nachfragen. „Auch wenn die Politik etwa mit einer CO2-Steuer andere Anreize setzt, wären die Mehrkosten sicher schon aufgefangen“, rechnet Hebel vor. Nachholbedarf in Deutschland Doch damit die künftige Kreislaufwirtschaft im Bauwesen tatsäch- lich auf den Weg gebracht werden kann, bedarf es für den KIT-Ex- perten vor allem einer veränderten Mentalität. Hebel kann wie aus der Pistole geschossen von etlichen Unternehmen berichten, die bereits „Urban Mining“ betreiben. „Es gibt heute schon eine auf- strebende Industrie“, sagt er und nennt beispielsweise das Unterneh- men Magna Glaskeramik aus Sachsen-Anhalt, das zur Fertigung von Glaskeramik-Platten für Innenausbau, Möbeldesign und Fassaden nur auf Industrie- und Flaschenglasabfälle zurückgreift. Oder den niederländischen Produzenten Desso, der einen vermietbaren und zu hundert Prozent wiederverwertbaren Teppich entwickelt hat. Oder die belgische Demontage-Firma Rotor DC, die mit großem Erfolg Online-Auktionen etwa von Rigipsplatten, Türgriffen oder Fenstern aus Abbruchhäusern durchführt. Und, und, und. Die Mehrzahl von Hebels Vorbild-Unternehmen stammt allerdings nicht aus Deutsch- land. „In der Innovationsfreude zum Thema Kreislaufwirtschaft im Baubereich haben wir hierzulande gegenwärtig durchaus Nachholbe- darf“, sagt Hebel. In solchen Geschäftsmodellen, um mit neuen Methoden und Prinzipien die Grundlagen für eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen, sollten aber gerade für das Handwerk viele Chancen Für die Gartenschau 2019 in Heilbronn stecken, findet er. haben Dirk Hebel und sein Team einen „Mehr.Wert.Pavillon“ aus Recyclingmaterial Kein Verzicht entwickelt. Weshalb ein Umdenken zudem dringend geboten erscheint, wird in eine ökologische und ökonomische Sackgasse hinein.“ Die ange- beim Blick auf die seit den 1960er Jahren anhaltende Verwendung strebte Kreislaufwirtschaft bedeutet für Hebel keineswegs Verzicht. von Verbundstoffen deutlich. Sie sind zu einem großen Teil unge- „Wir sollen auch in Zukunft alles bauen, was wir uns vorstellen und eignet für ein Recycling oder gar eine sortenreine Wiederverwertung. erträumen – nur sollten wir etwas mehr über sortenreine Material- „Beispielsweise startete die Energiewende im ersten Jahrzehnt des ien und deren Verbindungen und Rückbaubarkeit nachdenken, um neuen Jahrhunderts mit einer Initiative zur Gebäudedämmung durch neue und innovative Lösungen zu entwickeln. Und genau hier liegen Wärmedämm-Verbund-Systeme, die heute zum Teil schon wieder als unbedingt neue Chancen und Geschäftsfelder für das Handwerk.“ Sondermüll gelten“, erklärt Hebel. „Da gehen wir sehenden Auges Christoph Ertz ¬ Fotos: Zooey Braun, Peter Sandbiller report | Handwerkskammer Karslruhe 25
Ziel: Abbrüche vermeiden! Ausbildungs-Bilanz 2019 – Zahlen leicht rückläufig .526 Beginner 2018 Beginner 2019, neue Lehrverhältnisse: 2.402 Beginner 2019 I m Bezirk der Handwerkskammer Karlsruhe sind bis zum Stichtag 31.12.2019 insgesamt 2.402 neue Ausbildungsverträge abges- chlossen worden. Dies bedeutet ein Minus von 124 Verträgen ge- genüber dem Vorjahr. Die Zahl der 484 weiblichen Auszubildenden 629 bewegt sich wie in den Vorjahren bei circa 20 Prozent. Der Anteil der Beginner mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit liegt bei 21,3 528 Prozent. Die Lehrlingsrolle weist 212 Neuverträge für Menschen aus Afghanistan, Eritrea, Gambia, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien aus. Die Ausbildungszahl für Menschen aus solchen Zuwan- 322 derungsländern zeigt zweierlei: Zum einen, dass sich die Unterneh- 277 277 men nach wie vor enorm bei der Integration junger Zugewanderter 249 engagieren. Zum anderen ist offensichtlich, dass die Gewinnung von Auszubildenden und Fachkräften eine zentrale gesellschafts- 75 185 120 politische Aufgabe bleibt, bei der das Handwerk die Unterstützung der Politik einfordert. Berufe Sonstige Ka Land Ka Stadt Rastatt Bad.-Bad. Pforzheim Enzkreis Calw Mehr Auszubildende mit Abitur dwerk Die schulische Vorbildung aller Auszubildenden stellt sich wie folgt dar: 44,4 Prozent können eine mittlere Reife vorweisen und 34,8 Prozent einen Hauptschulabschluss. 13,8 Prozent haben das Abitur oder die Fachhochschulreife. Damit setzt sich der Trend der Vorjah- re fort: Immer mehr Jugendliche mit Hochschulreife entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Hilfen gegen Abbrüche 800 Nach wie vor relativ hoch ist allerdings die Zahl der vorzeitig abge- 700 brochenen Lehrverhältnisse: Schon während der Probezeit wurden im letzten Jahr 246 Lehrverhältnisse aus unterschiedlichsten Grün- 600 den wieder gelöscht, ein Sachverhalt, der sowohl für die Lehrlinge als auch die Betriebe unbefriedigend ist. Die Kammer beteiligt sich 500 deshalb an der Maßnahme „Erfolgreich ausgebildet – Ausbildungs- 400 qualität sichern“. Dabei unterstützen Mitarbeiter Auszubildende in 800 gefährdeten Ausbildungsverhältnissen und setzen Impulse, um die 300 Ausbildungsqualität in den Betrieben zu verbessern. Das Programm 700 wird im Rahmen der Initiative „Erfolgreich ausgebildet – Ausbil- 200 dungsqualität sichern“ vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und 600 Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert. 100 500 0 26 report | Handwerkskammer Karslruhe 400
„Wir wissen, was wir tun“ Imagekampagne des Handwerks in der dritten Runde B auen, verändern, bewegen, pflegen oder reparieren: Das Hand- werk bietet ideale Voraussetzungen, um individuelle Begabungen auszuleben. Auf dieser Erkenntnis baut seit Februar 2020 die dritte richtet sich in Inhalt und Media-Planung wieder an ein breites Publi- kum, mit besonderem Augenmerk aber auf angehende Schulabsol- venten, Lehrer, Eltern und alle, die in beratender Funktion aktiv sind. Kampagnenstaffel des Handwerks auf. Unter dem Motto „Wir wissen, was wir tun“ vermitteln ausgewählte Kampagnenbotschafter – vom Mit packenden Bildern, aussagekräftigen Motiven sowie einpräg- Bäcker bis zum Tischler – ihre positiven Erfahrungen. Stellvertretend samen Sätzen ist sie bundesweit im Fernsehen, auf Plakaten, Bus- für über fünf Millionen Handwerker in Deutschland erklären sie, wie sen, Infoscreens und Mall-Videos, im Internet, über die sozialen Me- und warum ihr Beruf ihre Persönlichkeit positiv formt. Damit stehen dien und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit sichtbar. So waren die nicht mehr handwerkliche Tätigkeiten und Werkstücke im Mittelpunkt Kampagnenbotschafter bis Ende Februar auf über 6.000 Plakaten der Kommunikation, sondern Menschen. Die Kampagne stellt erfolg- und 69 Bussen zu sehen. Eine Kombination aus ausdrucksstarken, reiche und zufriedene Handwerkerinnen und Handwerker vor. schwarz-weißen Motiven und knackigen plakativen Statements Für die ersten Folgen sind eine Tischlerin, eine Friseurin, ein Bäcker bringt die individuelle Persönlichkeit der Botschafter und ihren und zwei Gerüstbauer vor die Kamera getreten. Ihnen gemeinsam ist: durch den Handwerksberuf geprägten Charakter perfekt auf den Sie alle haben im Handwerk ihren beruflichen Weg gefunden. Was sie Punkt. Ein eigens produzierter Werbefilm rückt die Persönlichkeiten tun, macht sie selbstbewusst, glücklich, kreativ und erfolgreich. Das der Protagonisten und ihre Berufung als Handwerker ins Zentrum. Handwerk bietet hierfür mit über 130 Berufen eine große Auswahl an individuellen Möglichkeiten. Online, in Apps und den sozialen Medien wird der Film in unter- schiedlichen Längen und Sonderformaten eingesetzt, unter anderem Berufung als Handwerker auf YouTube, der Gaming-Plattform twitch.tv und auf affinen Bloggerkanälen. Allerdings: Bedingt durch die Inhaltlich verantwortlich für die Kampagne in den nächsten fünf Corona-Pandemie mussten ab April Veranstaltungen Jahren ist die Werbeagentur DDB mit Sitz in Berlin. Die neue Staffel abgesagt und das „Wording“ verändert werden. report | Handwerkskammer Karslruhe 27
Die Eismacher aus Grünwinkel Die Großmutter hat das Eis aus der Garage verkauft. Heute ist das familiengeführte Traditionsunternehmen „Eis-Oma“ in ganz Karlsruhe bekannt. Nicht nur die Grünwinkler lieben „ihre“ Eisdiele. Gäste kommen aus der ganzen Region. Der erste geprüfte Speiseeishersteller Deutschlands wurde bei den Kuhns ausgebildet. F ragt man Claus-Jürgen Kuhn, welchen Satz er in seinem Leben am meisten gehört hat und immer noch hört, sagt er: „Ich krieg zwei Bolle Vanille in de Waffel.“ Kuhn, Inhaber der Eisdiele „Eis- Eis ist nicht gleich Eis Das Geheimnis eines guten Eises ist die seidige und cremige Kon- Oma“, hat den Betrieb im Karlsruher Stadtteil Grünwinkel 1989 von sistenz. Die Zutaten einfach zu mischen, reicht nicht aus, wichtige seinen Eltern übernommen. Seine Großeltern haben am heutigen physikalische Grundlagen sind für eine perfekte Eiscreme uner- Standort bereits 1939 Eis aus einer kleinen Garage heraus verkauft. lässlich. „Es gibt verschiedene Produktionsverfahren für Speiseeis“, Heute wird das Unternehmen bereits in der vierten Generation als erklärt Kuhn. „Die Kalt- und Warmverarbeitung. Unser Eis wird im Familienbetrieb geführt. Sein Wissen hat Claus-Jürgen Kuhn bereits Warm-Verfahren produziert. Dafür werden Milch und Sahne zuerst an die beiden Söhne Jerome und Guillaume weitergegeben. auf 85 Grad aufgekocht und danach auf drei Grad heruntergekühlt. 28 report | Handwerkskammer Karslruhe
Familienbetrieb seit vier FI RM ENPORTRÄ T Generationen: Claus-Jürgen Kuhn (Mitte) mit den Söhnen Jerome und Guillaume (rechts). Der so entstehende Eisfond muss zwölf Stunden lang reifen, bevor „Saison 2020 ist gelaufen“ er in der Eismaschine verarbeitet wird. Das ist die Basis für alle un- sere Milcheissorten.“ Das Grünwinkler Eis wurde bereits mehrfach Rund acht Liter Eis verzehrt jeder Deutsche pro Jahr. Kaum einer prämiert. Zuletzt haben Eisfans der traditionsreichen Eisdiele bei kann sich der eiskalten Leidenschaft aus Früchten, Milch, Sahne und einer Umfrage von t-online auf einen Spitzenplatz verholfen. vielen anderen frischen Zutaten entziehen. Kinder lieben die bunten, süßen Kugeln über alles. Doch die Corona-Beschränkungen haben Ausbildung zum handwerklichen Eisprofi auch die „Eis-Oma”-Fans um ihre zartschmelzende Leckerei geb- racht. „Der Frühling ist für uns die wichtigste Jahreszeit“, sagt Kuhn. Die Eiskultur hat sich in den letzten 80 Jahren gewandelt. Neben „Viele glauben, im Hochsommer wird das meiste Eis gegessen. Aber den klassischen Sorten wie Erdbeere, Vanille und Schokolade ge- wenn es im März und April schön warm ist, ist das unser bestes hen heute Kreationen wie Sanddorn-Holunder, Granatapfel oder Geschäft.“ Und das ist für dieses Jahr dahin. „Die Saison 2020 ist Drachenfrucht und neuerdings auch Maulbeere oder Salted Caramel gelaufen. Das können wir nicht mehr aufholen“, sagt Kuhn, der weit- bei der „Eis-Oma” über die Theke. Andernorts macht die Fantasie der ere Filialen in Mörsch und Forchheim betreibt und im Frühjahr 2020 Eishersteller auch vor Sorten wie Spargel, Champagner oder Pumper- nur 20 Prozent seines sonst in dieser Zeit üblichen Umsatzes macht. nickel nicht Halt. Gefragt nach den Longsellern über Generationen Normalerweise können bei der „Eis-Oma“ vier bis fünf Leute gleich- hinweg, sagt Kuhn: „Ganz klar Vanille. Gefolgt von Schokolade, Erd- zeitig bedient werden. Die Schutzmaßnahmen erlauben jedoch der- beere und Waldmeister.“ Warum Vanille an erster Stelle steht? „Das zeit nur jeweils einer Person Zutritt. Wo sonst Platz für 40 Gäste Gewürz, das aus der Orchideenpflanze gewonnen wird und zum ist, wurde jetzt der mit Absperrband markierte Ausgang hinverlegt. Beispiel auf Madagaskar angebaut wird, hat ein unschlagbar warmes Die Stühle stehen gestapelt am Rand. Die Eisdiele ächzt wie viele und feines Aroma“, erklärt Eisprofi Kuhn. „Vanille ist nach Safran das gastronomische Betriebe unter der Corona-Auflagenlast. Mit Liefer- teuerste Gewürz der Welt. Die Gewinnung ist sehr aufwendig. Echte service hält sich der Saisonbetrieb über Wasser. Kuhn hofft, dass das Bourbonvanille ist teurer als Silber.“ Geschäft bald wieder anzieht. Seit 2008 gehört die Speiseeisherstellung zu den traditionellen Handwerksberufen. Die erste „Fachkraft für Speiseeis” in Deutschland Ein Lichtblick mischt sich dennoch in die miserable Situation: wurde bei den Kuhns ausgebildet. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Enkeltochter Alya. Die sechs Monate alte Eis-Erbin bringt für alle Von der professionellen Herstellung von Speiseeis über die Dekoration Familienmitglieder das Lachen zurück. „Wer weiß, vielleicht wird sie der Eisbecher und Desserts bis hin zu Hygienevorschriften reichen die nächste Eis-Oma“, freut sich Kuhn. die Ausbildungsinhalte. Man lernt außerdem, wie man einen eigenen Ariane Lindemann ¬ Betrieb führt und in der Eisdiele den Überblick behält. eisoma.de Bereits seit 1939 wird bei der „Eis-Oma“ Speiseeis gemacht. Fotos: Michael Bode, Kuhn report | Handwerkskammer Karslruhe 29
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