Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte

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Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
Rundbrief 1/09
März 2009

Braunschweiger Spaziergänge
von Reinhard Bein
                                           wicklung der verschiedenen Parkan-           Berühmt aus Braunschweig
                                           lagen und Friedhöfe in Braunschweig,
    Nach dem großen Erfolg, den unsere     aber differenziert sind sie nicht, zum            Als Diskussionsgrundlage brachte
Arbeitsgruppen mit den beiden Bänden       Spazieren und Verweilen laden sie kaum       ich zur Mitgliederversammlung eine Zu-
„Braunschweiger Spaziergänge“ haben,       ein. Die großen Parks entstanden in          sammenstellung von Persönlichkeiten
stellte sich die Frage, ob wir die Reihe   Braunschweig im Zuge der Entwicklung         des öffentlichen Lebens in Braunschweig
mit weiteren derartigen Stadtführern in    zur Großstadt und dem zunehmenden            im 20. Jahrhundert mit. Die Beschrän-
gleicher Ausstattung fortsetzen sollten.   Bedürfnis der Bevölkerung nach Nah-          kung auf das 20. Jahrhundert fand Bei-
In der Mitgliederversammlung im letz-      erholungsgebieten Mitte bis Ende des 19.     fall, die vorläufige Auswahl stieß auf
ten Jahr wurde diese Frage diskutiert.     Jahrhunderts (Prinzen-, Bürger- und          Kritik, da die Liste auch Namen wie
Zwei mögliche Themen standen zur           Stadtpark, und die nach 1800 zum Teil        Richard Borek und Viktoria Luise ent-
Auswahl:                                   zu Parkanlagen umgewandelten Wall-           hielt. Aber es ging ja zunächst nur um
                                           anlagen). Studienzwecken dienen der          eine Gesprächsgrundlage.
   1. Parks und Friedhöfe                  Botanische und der Schulgarten. Im 20.           Die Idee zu einem solchen Stadt-
   2. Berühmt aus Braunschweig.            Jahrhundert kamen mit dem Wachsen            führer lernte ich in Wien kennen. Der
                                           der Stadt weitere Parkanlagen hinzu.         dortige ist so aufgebaut, dass ein Ein-
   Für die Mitarbeit an beiden Projek-         Bei den Friedhöfen dachten wir we-       stieg mit einem Zitat gewählt wird.
ten meldeten sich jeweils drei Mitglie-    niger an die vielen Stadtteilfriedhöfe als   Dann folgt eine kurze Lebensbeschrei-
der, die Lust hätten, sich in einer        mehr an die zumeist aufgelassenen und        bung und der Bezug zu der Wohnung/
Arbeitsgruppe mit diesen Themen aus-       in Parks verwandelten ehemaligen Ge-         dem Haus, wo die Persönlichkeit gelebt
einanderzusetzen.                          meindefriedhöfe aus der Barockzeit (Mar-     hat. Schließlich folgt meist eine Würdi-
   Da wir uns nicht eindeutig für ein      tini-, Brüdern-, Kreuzkloster-, Katha-       gung.
Projekt entscheiden konnten, haben wir     rinen-, Andreas-, Garnison-, Magni- und          Wir rufen interessierte Mitglieder des
beschlossen, beide Themen zu bearbei-      Domfriedhof, reformierter und jüdischer      Vereins auf, sich mit den beiden Koordi-
ten.                                       Friedhof) und natürlich die zentralen        natoren in Verbindung zu setzen.
                                           Anlagen an der Helmstedter Straße mit        Martina Staats hat sich bereit erklärt,
Parks und Friedhöfe                        ihren ganz unterschiedlichen Bereichen       die erste Arbeitsgruppe zu leiten (Tel.
                                           (Hauptfriedhof, Urnenfriedhof, Aus-          05176 9200180), Reinhard Bein wird die
   Zwar gibt es im Stadtlexikon und an-    länderfriedhof, katholischer, jüdischer      zweite Gruppe betreuen (Tel. 05333
deren Veröffentlichungen knappe Infor-     und muslimischer Friedhof, Friedhofs-        9482280). Die zweite Gruppe beginnt
mationen über die Entstehung und Ent-      museum).                                     Anfang Mai, die erste etwas später.

„Festausschuss“ gesucht
                                           und über die heutige Praxis mit Blick            So sollte die Jubiläumsschrift nicht
von Frank Ehrhardt
                                           auf die Weiterarbeit zu sprechen.            allein eine eher knapp gefasste Chrono-
   Im nächsten Jahr ist es soweit – der                                                 logie wichtiger Veranstaltungen, Veröf-
Arbeitskreis Andere Geschichte kann           Und da der Arbeitskreis in vielem ein     fentlichungen und Projekte sein. Viel-
auf einen 25-jährigen Beitrag zur Ge-      „gewöhnlicher“ Verein geworden ist, fal-     mehr könnte die Frage nach den Leis-
schichtsforschung und -vermittlung in      len einem auch erstmal die traditionel-      tungen und dem Umfeld, in dem diese
Braunschweig zurückblicken. Und            len Formen ein, in denen das Jubiläum        stattfanden, gestellt werden. Welcher
zugleich nimmt der Verein bereits zehn     am 8. Mai 2010 begangen werden soll:         Beitrag wurde zur Erforschung der
Jahre die Betreuung der städtischen        mit einer Festschrift und einer Fest-        Regionalgeschichte erbracht, welche
Gedenkstätte KZ-Außenlager Schill-         veranstaltung. Aber keine Sorge, dieses      Defizite bleiben? Welche Formen der
straße wahr. Beide Jahrestage geben        bedeutet nicht die Aufgabe der kritischen    Geschichts-vermittlung wurden ge-
Anlass, auf die bisher geleistete Arbeit   Ansprüche und der eingeübten                 wählt und sind diese heute noch zeitge-
zurückzublicken, sich der ursprünglich     Diskussionskultur.                           mäß? Wie ist die Arbeit in der Gedenk-
formulierten Ansprüche zu erinnern                                                      stätte im städtischen und nieder-
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
2                                                          Rundbrief 1/09

sächsischen Kontext zu verorten? Wel-
che Herausforderungen stellen sich im             Bericht über die Tätigkeit des
Weiteren? Die Suche nach Autorinnen
und Autoren für entsprechende Beiträ-             Arbeitskreises Andere
ge ist aufgenommen.
                                                  Geschichte e.V. im Jahr 2008
   Und auch das „Geschichtsfest“ soll-
                                                      Der Arbeitskreis Andere Geschichte     der Setzung der „Stolpersteine“ von ver-
te mit einem Tagungsprogramm begin-
                                                  widmet sich der Erforschung und Ver-       schiedenen Schulen erarbeiteten Mate-
nen. Die Fragen nach dem Modell der
                                                  mittlung der Geschichte Braunschweigs      rialien zu verfolgten Braunschweigern
„Ge-schichtswerkstatt“ als Ausgangs-
                                                  im 20. Jahrhundert. Seit Mai 2000 be-      jüdischen Glaubens.
punkt und den heutigen Aneignungs-
                                                  treut der Verein im städtischen Auftrag
weisen von Regionalgeschichte bieten
                                                  die Gedenkstätte KZ-Außenlager Braun-      Betreuung der Nutzer und Besu-
sich für ein Forum an. Ein zweiter
                                                  schweig Schillstraße.                      cher, Sicherstellung der Öffnungs-
Themenkomplex könnte nach der örtli-
                                                      Das zurückliegende Jahr zeichnet       zeiten
chen Geschichte des Nationalsozialis-
                                                  sich dadurch aus, dass es möglich war,
mus fragen, zu deren Erforschung und
                                                  die Besucherzahl in der Gedenkstätte           Die Besucherzahl in der Gedenkstätte
Vermittlung zwar einiges in den letzten
                                                  durch die Präsentation von zwei selbst     konnte gegenüber den Vorjahren deut-
Jahrzehnten beigetragen worden ist, die
                                                  konzipierten Ausstellungen zu steigern.    lich gesteigert werden. Dieses ist zum
aber gerade in Braunschweig noch au-
                                                  Vor allem Schulklassen kamen sehr viel     einen eine Folge der beiden Ausstellun-
genfällige Defizite aufweist. Und dem
                                                  häufiger als in den Vorjahren. – Her-      gen „Kampf der Bilder“ und „Nenner /
dürfte sich eine eher offiziöse Feier mit
                                                  vorzuheben ist auch die positive Publi-    Zähler“ (siehe unten). Zum anderen war
Grußansprachen anschließen und dann
                                                  kumsresonanz auf das neu herausgege-       es möglich, die Zahl der schulischen Nut-
der Tag bei Musik, Buffet und Gesprä-
                                                  bene Buch „Braunschweiger Spaziergän-      zungen fast zu verdoppeln.
chen ausklingen.
                                                  ge – Sieben Führungen durch das Ring-          Die Mehrzahl dieser Schulbesuche
                                                  gebiet“.                                   fand in Verbindung mit den beiden Aus-
    Man sieht, es ist viel vorzubereiten
                                                                                             stellungen statt. Zu den Ausstellungen
und eine kleine Arbeitsgruppe hat da-
                                                  1. Gedenkstätte KZ-Außenlager              waren Lehrerinnen und Lehrer gezielt
mit bereits begonnen. Nächster Termin
                                                                                             angeschrieben worden. Darüber hinaus
ist Montag, 16.3.2009 um 17.30 Uhr                Schillstraße: Offenes Archiv und           gab es eine Reihe von Gedenkstätten-
in der Gedenkstätte. Den Folgetermin              inhaltliche Betreuung                      besuchen von Schulklassen, die nach der
teile ich gerne mit, wenn ich von Ihrer
                                                                                             Besichtigung des in Braunschweig hal-
Bereitschaft an der Mitwirkung erfah-
                                                  Offenes Archiv: Erweiterung des            tenden „Zugs der Erinnerung“ in der
re.
                                                  Bestandes                                  Gedenkstätte nach regionalen Informa-
                                                                                             tionen über Deportationen suchten.
    An der Saale                                      Im Mittelpunkt der Gedenkstätte            Das Spektrum der erreichten Schu-
                                                  steht die von der Hamburger Künstle-       len war sehr unterschiedlich. Sehr er-
    Die Herbstfahrt des Arbeitskreises
                                                  rin Sigrid Sigurdsson initiierte Samm-     freulich ist die ständige Zusammenar-
    2009 führt nach Halle, Merseburg
                                                  lung des Offenen Archivs „Braunschweig     beit mit den benachbarten Berufsschu-
    und Naumburg. Da alle Mitrei-
                                                  – eine Stadt in Deutschland erinnert       len Kastanienallee und Salzdahlumer
    senden des letzten Jahres sich
                                                  sich.“ Die mehr als neunzig Kassetten      Straße, aber auch mit der Neuen Ober-
    spontan für die Fahrt im Jahre
                                                  der Sammlung werden ständig ergänzt.       schule, dem Wilhelm-Gymnasium und
    2009 angemeldet haben, ist diese
                                                  Eine Reihe von neuen Kassetten sind von    der Realschule Kennedyplatz.
    Tour mit 40 Plätzen leider bereits
                                                  den beteiligten Einrichtungen vorberei-        Die Gedenkstätte war regelmäßig am
    vollständig ausgebucht.
                                                  tet worden und steht vor der technischen   Dienstag-, Mittwoch- und Donnerstag-
                      Reinhard Bein
                                                  Herstellung durch eine Buchbinderei.       nachmittag sowie am ersten Sonnabend
                                                  Mit den Gymnasien Kleine Burg und          im Monat für einzelne Besucher geöff-
                                                  Wilhelm-Gymnasium sowie der Berufs-        net. Unter den Besuchern waren zahl-
                                                  bildenden Schule II haben drei Schulen     reiche Schüler, die z. B. Informationen
    Impressum                                     neue Kassetten erarbeitet. Neue Kas-       für Facharbeiten suchten. Das Raabe-
                                                  setten sind auch für die Sammlung          Gymnasium vergab sogar in Absprache
    Herausgeber: Arbeitskreis Andere Geschichte
    e. V., Kramerstr. 25, 38122 Braunschweig
                                                  „Bürgerinnen und Bürger“ sowie für die     mit der Gedenkstätte eine Vielzahl un-
    Telefon: 0531 - 18957 Telefax: 86 61 392      durch die Zeugen Jehovas betreute          terschiedlicher Themen für die Fach-
    Verantwortlich: Martin Kayser                 Sammlung in der Vorbereitung. Zu er-       arbeiten eines Jahrganges, die aus Un-
    Mitarbeiter dieses Rundbriefes: Reinhard      gänzen sind außerdem noch weitere          terlagen des Offenen Archivs bearbei-
    Bein, Frank Ehrhardt, Laura Hofmann, Diet-    Kassetten für die Ausarbeitungen aus       tet werden konnten.
    rich Kuessner, Joachim Schulze                den workcamps mit dem Service Civil            26-mal wurde die Aufsicht während
    Druck: Reese, Braunschweig                    International sowie zur Präsentation der   der Öffnungszeiten durch insgesamt
    Bankverbindung und
    Spendenkonto des Arbeitskreises:
                                                  Materialen der Ausstellung „Kampf der      sechzehn ehrenamtliche Vereins-
    Konto 371 203 307 BLZ 250 100 30              Bilder“.                                   mitarbeiter übernommen, so auch an
    bei der Postbank Hannover                         Ergänzt wurde die bestehende           zusätzlich geöffneten Wochenenden wäh-
                                                  Sammlung u.a. durch die im Rahmen          rend der Ausstellung „Kampf der Bilder“.
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
Rundbrief 1/09                                                                3

                                                                                        Familie Solmitz vor. Dem Sohn Moritz
                                                                        Solmitz gelang der Aufstieg zum wohl-
                                                                                      habenden und angesehenen Braun-
                                                                               schweiger Bürger. – Im zweiten Teil der
  !                                                                                             Veranstaltung berichtete Joachim
                                                                                  
#  
                                                                          Frassl, Kunsterzieher am Jacobson-
!$ %                                                                                   Gymnasium Seesen, über die Errich-
                                          !            !                       !            !
&                                                                                             tung des Seesener Tempels, der mit der
 ""                                                                          von Israel Jacobson 1801 gegründeten
                                                                                 
                                                                                                        jüdischen Freischule verbunden war.
                                                                                                        Der ungewöhnliche Synagogenbau, der
                                                                                                        die Suche nach einer Verbindung von
Kontakte zu früheren Verfolgten.                        Die vorherige Kontaktaufnahme er-               Tradition mit einer Reform jüdischer
Sicherung von Erinnerungen und                      brachte die Bereitschaft von sechs Zeit-            Religion widerspiegelte, wurde 1938 zer-
anderen Quellen                                     zeugen und der Tochter eines inzwischen             stört.
                                                    verstorbenen Verfolgten, Frau Krebs zu
    Ein in Zusammenarbeit mit der Ge-               Gesprächen willkommen zu heißen.                    b) Vortragsreihe „Braunschweig 1930
meinde Vechelde und dem Gymnasium                   Während des Aufenthalts in Israel konn-             – 1933“
Vechelde für Anfang Mai 2008 vorberei-              te Frau Krebs, die bereits 2006 Inter-
teter Besuch von Izhak Kaufmann                     views in Israel vorgenommen hatte,                      Mit drei Veranstaltungen erinnerte
konnte aus gesundheitlichen Gründen                 nicht allein eine Fülle neuer Informati-            die Gedenkstätte an die Errichtung
nicht stattfinden. Es zeichnet sich ab,             onen erfragen. Sie hatte auch die Mög-              nationalsozialistischer Herrschaft im
dass Besuche von ehemaligen Häftlin-                lichkeit, aus mehreren Familienalben                Land Braunschweig vor 75 Jahren:
gen der Lager in Braunschweig nur noch              Fotografien und Dokumente zu repro-                     Prof. Dr. Michael Wettern berichte-
sehr selten zu realisieren sein werden.             duzieren, die den oft langjährigen Weg              te am 14.2.2008 über die Opfer natio-
Dafür entstehen immer wieder neue                   aus Mitteleuropa über verschiedene                  nalsozialistischer Verfolgung an der
Kontakte zu Verwandten der Verfolgten,              Mittelmeeranrainerstaaten nach Paläs-               Technischen Hochschule Braun-
so im Winter 2008 zu Angehörigen von                tina veranschaulichen. Der Besuch war               schweig. Er gab einen Überblick und
Michael Gumaner in London.                          auch ein Beitrag dazu, den Kontakt zu               beschrieb Beispiele für die politische
    Eine zweitägige Archivrecherche im              den wenigen Zeitzeugen von Deutsch-                 Verfolgung von Studierenden, wissen-
Archiv des Suchdienstes des Internatio-             land aus erneut zu suchen. Die Ergeb-               schaftlichen Mitarbeiter und Professo-
nalen Roten Kreuzes in Arolsen ergab,               nisse der Reise werden von Frau Krebs               ren. Daneben gab es eine Verfolgung aus
dass dort über fast alle überlebenden               derzeit dokumentiert und stehen dann                so genannten „rassischen“ Gründen.
Häftlinge personenbezogene Akten exis-              für eine Umsetzung – möglicherweise                 Derzeit bemüht sich die Hochschule in
tieren, da die Überlebenden in der Nach-            in einer Ausstellung – zur Verfügung.               einem Projekt um weitere Erkenntnis-
kriegszeit häufig den Suchdienst auf der                                                                se zu diesem lange vernachlässigten
Suche nach Angehörigen oder für den                    Gemeinsam mit der Medienstelle im                Thema der Hochschulgeschichte.
Nachweis von Haftzeiten in Anspruch                 Fachbereich Schule wurde ein Interview                  Dr. Werner Sohn setzte am 27.3.2008
nahmen. Diese Akten geben, wie eine                 mit Elisabeth Schumann, Tochter des                 die Vortragsreihe fort. Auf der Grundla-
ausgewertete Stichprobe ergab, auch                 früheren Rabbiners Dr. Gärtner, über                ge seiner Arbeit aus dem Jahr 2003
Auskunft über den Weg der Verfolgten                ihre Kindheit in Braunschweig und die               sprach er über den Nazi-Terror im Jahr
nach der Befreiung, der oft über unter-             erzwungene Emigration der Familie                   1933 und seine strafrechtliche Verfol-
schiedliche Lager für „Displaced                    aufgenommen.                                        gung im Braunschweig der Nachkriegs-
Persons“ in Deutschland führte.                                                                         zeit. Hierbei spielten die Gewaltexzesse
    Dieser Fund machte darauf aufmerk-              Durchführung von Veranstaltungen                    der so genannten SA- und SS-Hilfspolizei
sam, dass im Kontakt mit den früheren               und Ausstellungen                                   und ihre strafrechtliche Ahndung in den
Gefangenen des Lagers Schillstraße                                                                      Verfahren der Nachkriegsjahre eine zen-
bislang wenig Augenmerk auf die Siche-                                                                  trale Rolle.
rung der Erinnerungen an diese „Nach-               a) Lerntag „Juden in Braunschweig –                     Aufgrund der sich abzeichnenden
geschichte“, die oft mit der Einwande-              Wege in das Bürgertum“                              größeren Publikumsresonanz fand die
rung nach Palästina bzw. Israel endete,                                                                 dritte Veranstaltung am 24.4. in der
gerichtet worden ist. Das Vorhaben, ei-                Zum vierten Mal befasste sich ein                Aula des Gymnasiums Neue Oberschu-
nige der hoch betagten Zeitzeugen zu                Lerntag in Verbindung mit dem Ge-                   le statt. So konnten auch zwei Schul-
diesen Lebensstationen zu befragen,                 denktag für die Opfer des National-                 klassen die Veranstaltung besuchen.
fand die Unterstützung der Stiftung                 sozialismus mit der Geschichte der                  Studierende des Historischen Seminars
Niedersächsischer Gedenkstätten und                 Braunschweiger Juden. Im Mittelpunkt                hatten unter Leitung von Dr. Hans-
des Volkswagenwerks Braunschweig.                   stand diesmal der Prozess der staatsbür-            Ulrich Ludewig in einem Seminar Quel-
Die erlangte Förderung ermöglichte im               gerlichen und sozialen Emanzipation der             len zur gewaltbesetzten Auseinanderset-
Dezember 2008 eine zweiwöchige Recher-              Juden im 19. Jahrhundert. Reinhard                  zung der politischen Gruppierungen
che-Reise der Anthropologin Gabriele                Bein stellte dazu das Beispiel der aus              Anfang der 30er Jahre ausgewertet.
Krebs nach Israel.                                  Peine nach Braunschweig kommenden                   Unter dem Titel „Bürgerkrieg in
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
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Besucher der Ausstellung „Kampf der Bilder“.                          Dr. Habbo Knoch spricht zur Eröffnung.
                                                                                                           Fotos: Beate Hornack
Braunschweig 1930 – 1933“ trugen sie        Sammlung Hoffmann in der Bayrischen          Weimarer Republik. Hier muss davon
nun Ergebnisse aus der Lehrveranstal-       Staatsbibliothek. Die Arbeiter-Illustrier-   ausgegangen werden, dass Fotos ver-
tung vor.                                   te Zeitung, der Illustrierte Beobachter,     nichtet wurden, um die Abgebildeten
   Alle Veranstaltungen waren gut be-       die Berliner Illustrirte Zeitung und die     angesichts der NS-Verfolgung ab 1933
sucht. Über die erste und letzte Veran-     Reichsbanner-Illustrierte wurden auf         nicht zu gefährden.
staltung der Reihe berichtete die Braun-    Braunschweig betreffende Bildberichte            Für die Präsentation des Foto-
schweiger Zeitung ausführlich.              hin durchgesehen. Außerdem wurden            materials wurde folgendes Vorgehen ge-
                                            Bildbestände privater Herkunft einbezo-      wählt: Die Ausstellung enthielt durch-
c) Ausstellung „Der Kampf der Bilder“       gen, so u.a. aus der Sammlung von Rein-      gängig zwei unterschiedliche Haupttexte
                                            hard Bein.                                   – einmal zu den historischen Sachver-
    Die Ausstellung „Der Kampf der Bil-         Das aufgefundene Fotomaterial war        halten, zum anderen zum Foto-
der – Braunschweig 1930 -1933 im Spie-      erstaunlich umfangreich und in vielen        geschichtlichen. Sie begann mit einer
gel der Fotografie“ präsentierte Ergeb-     Fällen auch bisher unbekannt. Der Ver-       Einführung über die Zeitsituation und
nisse eines längeren Rechercheprojekts,     gleich ermöglichte Zuordnungen, die          den Stand der Presse- bzw. der privaten
an dem Frank Ehrhardt, Dr. Thomas           bislang aufgrund der unzureichenden          Fotografie, sowie einer Übersicht zu
Kubetzky, Jonathan Voges, Angela            Bildbeschriftungen nicht möglich waren.      wichtigen Ereignissen der Jahre 1930 –
Glatzel und – als Mitarbeiterin in Berlin   Besonders zahlreich war die NSDAP-           1933. Eine anschließende Sequenz stell-
– Gabriele Krebs beteiligt waren. Ziel      nahe Fotografie vertreten, die sich          te Fotografien aus der Arbeiterbewegung
war es, eine Gesamterhebung des Foto-       insbesondere auf den NS-Gautag im            am Beispiel der Jugendorganisation
materials zur politischen Krisensituation   Februar 1931, die Bildung der „Harz-         „Rote Falken“, der KPD und des Reichs-
am Anfang der 30er Jahre im Freistaat       burger Front“ sowie den SA-Aufmarsch         banners Schwarz-Rot-Gold vor. Es folg-
Braunschweig durchzuführen und einen        im Oktober 1931 bezog. Es zeigte sich,       ten mehrere Bildtafeln über die NSDAP-
Teil des aufgefundenen historischen         dass Braunschweig durch die drei Er-         nahe Fotografie und die drei genannten
Fotomaterials zu präsentieren. Dabei        eignisse in der überregionalen NSDAP-        Ereignisse des Jahres 1931. In einer Vi-
sollte nach Möglichkeit auch über Her-      Presse im Jahr 1931 besonders massiv         trine gezeigte Zigarettenbilder-
kunft und Verwendung der Fotografien        vertreten war. Durch die Beteiligung des     Sammelalben informierten über die
sowie die Biographie der Fotografen         offiziösen Parteifotografen Heinrich Hoff-   Verbreitungswege. Abschließend folgten
recherchiert werden. Neben den regio-       mann sind diese Fotografien in der           mehrere nach „Motivgruppen“ geordne-
nalen Archiven und Museen wurden            parteieigenen Traditionspflege als Foto-     te Fotoreihen, so zum „Kampf um die
verschiedene Bildarchive einbezogen, so     karten, für Bildbände oder für               Straße“, zur Veranschaulichung gegne-
das Bundesarchiv, das Archiv der sozia-     Zigarettenbilder-Sammelalben zum Teil        rischer Gewalt, zur Besetzung des Volks-
len Demokratie, das frühere Partei-         millionenfach vertrieben worden und          freund-Gebäudes durch die SS und
archiv der SED, der Ullstein Bilder-        sind insofern in fast jeder Sammlung         zuletzt über die Gleichschaltung des
Dienst, der Bilder-Dienst der Süddeut-      vorfindbar. Sehr viel seltener sind Foto-    Braunschweigischen Landtags. Magrit
schen Zeitung, das Bildarchiv der Stif-     grafien der lokalen Arbeiterbewegung         Telgen von der Agentur apriori design
tung preußischer Kulturbesitz und die       als gegnerischer Konfliktpartei der          übernahm die Gestaltung der 15
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
Rundbrief 1/09                                                             5

großformatigen Ausstellungstafeln.         sönlichung der Gefangenen. Auf den           schloss. Zwei Video-Einspielungen wur-
    Die Ausstellung wurde am 8. Mai        Fotos auch zu entdeckende unterschied-       den dazu vorgeführt. Die Erwartung,
2008 mit einer gut besuchten Veranstal-    liche Handhaltungen, unterschiedliche        dass die Fotografien ein geeigneter Weg
tung eröffnet. Zur Einführung sprach       Kleidung und Accessoires weisen hinge-       zu einer Aufschlüsselung des gesamten
Dr. Habbo Knoch, Geschäftsführer der       gen auf die Persönlichkeit der Fotogra-      Verfolgungsschicksals im Holocaust sein
Stiftung niedersächsische Gedenkstät-      fierten hin, verleihen den Bildern so        können, hat sich eindeutig bestätigt.
ten, in einem profunden Vortrag über       „subtilen Portraitcharakter“.                   Die Ausstellung war ein weiterer
Fotografie als historische Quelle.             Mit einer gut besuchten Veranstal-       Beitrag dazu, das Medium der Kunst als
    Die Braunschweiger Zeitung, die        tung wurde die Ausstellung eröffnet. Zu      Form der Erinnerungskultur in der
bereits über die vorbereitenden Recher-    Gast waren Beate Passow und Max              Gedenkstätte Schillstraße zu verankern.
chen ausführlich berichtet hatte, wid-     Mannheimer. Der 87-jährige Max               Mit dem Ableben der letzten Zeitzeugen
mete der Ausstellung eine ganze            Mannheimer schilderte in einem bewe-         kommt künstlerischen Auseinanderset-
Zeitungsseite. Ein Faltprospekt wurde      genden Vortrag seine Erinnerungen an         zungen mit dem Holocaust eine wach-
in hoher Auflage versandt und verteilt.    die Einlieferung seiner Familie nach         sende Bedeutung zu, um neben kogniti-
    Die Ausstellung wurde an 31            Auschwitz, die Rituale der Aufnahme im       ven auch andere Formen der Annähe-
Öffnungsnachmittagen von 520 Besu-         Lager und die Kennzeichnung mit der          rung an die Thematik zu ermöglichen.
chern besichtigt. Darunter waren 17        Häftlingsnummer. Anschließend sprach         Die Ausstellung wurde durch die Nie-
Besuchergruppen, die zum Teil von          Barbara Straka, Präsidentin der Hoch-        dersächsische Lotto-Stiftung und die
Angela Glatzel und Jonathan Voges ge-      schule für Bildende Künste Braun-            Richard-Borek-Stiftung gefördert, die
führt wurden. Neben den schulischen        schweig. Sie ging in ihrem sorgfältig for-   Eröffnungsveranstaltung fand in Koope-
Besuchern kamen überwiegend ältere         mulierten Vortrag auf das künstlerische      ration mit der Stiftung Leben und Um-
Braunschweigerinnen und Braun-             Werk Beate Passows und die gezeigte          welt, Heinrich Böll-Stiftung Nieder-
schweiger, die mit den abgebildeten Vor-   Arbeit ein. Herr Mannheimer besuchte         sachsen statt.
gängen sehr unterschiedliche Erinne-       am Folgetag noch zwei Schulen, in de-
rungen verbanden. Die Publikums-           nen er über seinen Verfolgungsweg            Freiwilliges Soziales Jahr / Kultur
resonanz blieb aber angesichts der aus-    sprach.
führlichen Berichterstattung in der Lo-        Vor der Ausstellungseröffnung fand           Im Jahr 2006 / 2007 absolvierte
kalpresse, der sehr aussagekräftigen       ein Pressegespräch mit Frau Passow           Moritz Plate ein Freiwilliges soziales
Fotografien und des für die Ausstellung    und Herrn Mannheimer und einer               Jahr / Kultur in der Gedenkstätte. Sei-
betriebenen Vorbereitungsaufwands hin-     Vertreterin der Braunschweiger Zeitung       ne zentrale Aufgabe war die Vorberei-
ter unseren Erwartungen zurück. Eine       statt, die in einem informativen Artikel     tung eines zweiwöchigen Jugendcamps
erneute Präsentation der Ausstellung zu    berichtete. Ergänzend zum durch die Fa.      mit deutschen und polnischen Jugendli-
einem späteren Zeitpunkt an einem an-      Hinz und Kunst gestalteten Aus-              chen, das im Sommer 2007 in der Ge-
deren Ort / zu einem anderen Anlass        stellungsprospekt wurden in einem ge-        denkstätte stattfand. Ergebnis dieses
bleibt deshalb wünschenswert.              sonderten Rundschreiben etwa 40              workcamps war die Fertigstellung einer
    Die Stiftung niedersächsische Ge-      Fachlehrerinnen und –lehrer auf die          Ausstellung.
denkstätten förderte die Archiv-           Ausstellung hingewiesen. Ein 14-seiti-           Die positiven Erfahrungen mit die-
recherchen. Die Realisierung der Aus-      ges Begleitmaterial, das in der Gedenk-      sem in Zusammenarbeit mit der Landes-
stellung wurde durch Zuwendungen der       stätte erworben werden konnte, infor-        vereinigung kulturelle Jugendbildung
Stiftung Braunschweigischer Kultur-        mierte über die Künstlerin, die Ge-          durchgeführten FSJ/Kultur veranlass-
besitz, des Volkswagenwerks Braun-         schichte des Tätowierens, das Konzen-        te den Arbeitskreis, für 2008/2009 erneut
schweig und der IG Metall Braun-           trationslager Auschwitz und die Tä-          ein solches Angebot zu eröffnen. Wie sich
schweig ermöglicht.                        towierung der Häftlingsnummer in den         zeigte, ist das Interesse von jungen Leu-
                                           Erinnerungen der ehemaligen Häftlin-         ten, nach dem Schulbesuch diese einjäh-
d) Ausstellung „Zähler / Nenner“           ge.                                          rige Freiwilligen-Tätigkeit zu einer Ori-
                                               An 25 Öffnungs-Nachmittagen ka-          entierung in einem kulturellen Berufs-
    Die Ausstellung „Zähler / Nenner“      men 130 Einzelbesucher in die Gedenk-        feld zu nutzen, groß. Es wurden Ge-
mit Fotografien der Münchner Künstle-      stätte. Außerdem wurde die Ausstellung       spräche mit vier der sich meldenden
rin Beate Passow wurde vom 18. Sep-        von 14 Schulgruppen besucht. Das Spek-       Bewerberinnen geführt.
tember bis zum 6. November 2008 in         trum dieser Schulgruppen war groß, so            Seit dem 1. September ist Laura Hof-
der Gedenkstätte Schillstraße gezeigt.     waren sowohl Fachkurse eines Gymna-          mann in der Gedenkstätte tätig. Die
Die 18 ausgewählten, großformatigen        siums als auch Hauswirtschaftsauszu-         Abiturientin erstellte zusammen mit
Abbildungen zeigen die eintätowierten      bildende einer Berufsschule vertreten.       dem Praktikanten Jan Jäckel das
Häftlingsnummern auf den Unterarmen        Die Gruppen befassten sich mit unter-        Begleitmaterial für die Ausstellung „Zäh-
ehemaliger Häftlinge des Konzen-           schiedlicher Intensität mit den Bildern      ler / Nenner“, wobei sie sich insbesondere
trationslagers Auschwitz. Durch einen      als Kunstwerk – in jedem Fall waren          für die Geschichte von Tätowierungen
gleichartigen Hintergrund, die gleichar-   die Fotografien ein Gesprächseinstieg,       als Körperkunst interessierte. Als zen-
tige Perspektive der Abbildungen und       dem sich in der Regel eine intensive Be-     trale Aufgabe wird Frau Hofmann für
einheitliche Rahmung unterstreicht         schäftigung mit dem Verfolgungs-             2009 eine Ausstellung vorbereiten, die
Frau Passow die in der Kennzeichnung       schicksal von Max Mannheimer als ei-         die Lebensgeschichten von Frauen aus
zum Ausdruck kommende Entper-              nem der abgebildeten Häftlinge an-           Braunschweig in der Zeit des Zweiten
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
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Weltkriegs und in der unmittelbaren        Auch kann die Ergänzung der Samm-          Veranstaltungsfolge bildete eine Füh-
Nachkriegszeit zum Thema hat. Sie hat      lung des Offenen Archivs und die dar-      rung von Frank Ehrhardt am 20.9.2008
dazu bereits die Sammlung des Frauen-      auf bezogene Öffentlichkeitsarbeit nicht   im Westlichen Ringgebiet: „Industrie
archivs im Stadtarchiv auf Materialien     zu kurz kommen. Die Entwicklung von        und Wohnquartiere am Ringgleis.“
durchgesehen, die für diese Biographi-     mehr pädagogischen Angeboten bedarf            Sabine Ahrens, Reinhard Bein und
en in Frage kommen. Ergänzend wer-         deshalb einer entsprechenden personel-     Frank Ehrhardt führten darüber hin-
den von Frau Hofmann Zeitzeuginnen         len Voraussetzung, etwa im Rahmen          aus auf Anfrage von Gruppen und Schu-
befragt.                                   eines geförderten, zeitlich befristeten    len. So waren Studierende des Sprachen-
   Im Frühjahr 2009 wird Laura Hof-        Projekts.                                  zentrums der TU, Bundeswehrsoldaten
mann vermutlich drei öffentliche Ge-                                                  im Rahmen der politischen Bildung und
spräche mit Zeitzeuginnen in der Ge-       2. Geschichtsvermittlung und -             Schüler der IGS Franzsches Feld sowie
denkstätte arrangieren. Für den Som-                                                  Mitglieder von Seniorengruppen Teil-
                                           erforschung
mer ist dann wiederum ein Jugendcamp                                                  nehmer thematischer Führungen, vor
in Zusammenarbeit mit dem Service                                                     allem zu Braunschweig in der NS-Zeit.
Civil International und dem Fachbereich    Spaziergänge zur Stadtteil- und
Jugend geplant, das der Fertigstellung     Alltagsgeschichte                          Studienfahrten
der Ausstellung dient.
   Die Kosten des Freiwilligen sozialen        Das diesjährige Programm der öffent-       Eine Tagesfahrt führte am 25.5.2008
Jahrs / Kultur werden ausschließlich       lichen Spaziergänge zur Alltags- und       nach Halberstadt. Erste Station war die
aus Spenden und Vereinsmitteln bestrit-    Stadtteilgeschichte begann am 24.5.2008    Gedenkstätte Langenstein–Zwieberge.
ten.                                       mit einer Führung von Sabine Ahrens,       Die Gedenkstättenleiterin Ellen Fauser
                                           die unter dem Titel „Vom Staatstheater     begleitete die Besuchergruppe zuerst in
Perspektiven                               zur Bernhard-Rust-Hochschule“ vor al-      die Stollenanlage aus der Untertage-
                                           lem Wissenswertes zur NS-Zeit vorstell-    produktion des Zweiten Weltkriegs, die
    Die Resonanz auf die beiden Ausstel-   te. Am 21.6.2008 erläuterte Karl Heinz     Anlass für die Errichtung eines Außen-
lungen in der Gedenkstätte durch Schul-    Löffelsend auf einem Spaziergang           kommandos des Konzentrationslagers
klassen erwies erneut, dass die Nutzung    „Durch das Krähenfeld“ Stationen im        Buchenwald an diesem Ort war. Ein
der Gedenkstätte für den Schulunter-       heutigen Bahnhofsviertel. Bianca Arm-      Gespräch informierte über die Ge-
richt sehr attraktiv ist, wenn Angebote    brecht und Joost Heinken zeigten am        denkstättenarbeit heute. Es blieb nur
gemacht werden, die sich ohne allzu gro-   5.7.2008 Relikte Braunschweiger            noch wenig Zeit für die Besichtigung des
ßen Vorbereitungsaufwand in das            Industriekultur „Am Nordbahnhof“.          früheren Lagergeländes und der schon
Unterrichtsgeschehen integrieren las-      Eine Woche später erläuterte Reinhard      in den 50er Jahren angelegten Gedenk-
sen. Der Arbeitskreis hat deshalb wie-     Bein bürgerliches Wohnen „Am Stadt-        anlage. Nach einer Essenspause schloss
derholt angeregt, in einem größeren        park und Nussberg“. Georg Wittwer lei-     sich ein Rundgang durch das jüdische
Ausmaß als dieses bisher möglich war,      tete eine Gruppe Interessierter am         Halberstadt an, der u.a. in das Gebäude
pädagogische Angebote zur Arbeit mit       30.8.2008 durch das Östliche Ringgebiet    der Klaus-Synagoge und auf einen jüdi-
dem Offenen Archiv zu entwickeln. So       als einem Stadtquartier „wie zu Kaisers    schen Friedhof führte.
wäre zum Beispiel vorstellbar, über Ju-    Zeiten“. Am 6.9. stellte Frieder Schöbel       Reinhard Bein und Regina Blume lei-
gendliche in der NS-Zeit, über die Ver-    die Gedenkstätte an den Schießständen      teten vom 12. bis 14. September die
folgung jüdischer Bürger, über die KZ-     in der Buchhorst vor. Den Abschluss der
Außenlager in der Nachbarschaft, über
Braunschweigs Weg in das „Dritte
Reich“ Konzepte auszuarbeiten, die „ent-
deckendes Lernen“ im Offenen Archiv
mit Informationsmöglichkeiten über er-
gänzende Medien kombinieren. Mehre-
re Schulen haben in schriftlichen Stel-
lungnahmen ihr großes Interesse an An-
geboten für solche Formen der Projekt-
arbeit geäußert.
    Eine Ausdehnung entsprechender
Angebote lässt die bisher kontinuierlich
vorhandene Arbeitskapazität im Um-
fang von 19,5 Wochenstunden nicht zu.
Es kann an dem zentralen Erinnerungs-
ort des städtischen Gedenkstätten-
konzepts nicht vernachlässigt werden,
regelmäßig neue Ergebnisse regional-
geschichtlicher Forschung über den
Nationalsozialismus in Ausstellungen
und Veranstaltungen zu präsentieren.
                                           Die Reisegruppe in Langenstein-Zwieberge                     Foto: Beate Hornack
Rundbrief 1/09 - Arbeitskreis Andere Geschichte
Rundbrief 1/09                                                           7

                                                                                       fasst, diese gemeinsam durchgesprochen
                                                                                       und redaktionell überarbeitet hatten.
                                                                                       Das zielgerichtete und kooperative Zu-
                                                                                       sammenwirken nebenberuflich Tätiger
                                                                                       an einem gemeinsamen Projekt über so
                                                                                       einen vergleichsweise langen Zeitraum
                                                                                       verdient Hervorhebung.
                                                                                           Bianca Armbrecht, Frank Ehrhardt,
                                                                                       Joost Heinken, Klaus Hoffmann, Beate
                                                                                       Hornack, Karl-Heinz Löffelsend, Dr.
                                                                                       Norman und Sabine Pingel sowie Georg
                                                                                       Wittwer verfassten Beiträge über 58 Sta-
                                                                                       tionen, die auf den sieben Führungen
                                                                                       aufgesucht werden können. Beschrieben
                                                                                       wurden Stätten der traditionsreichen
                                                                                       Braunschweiger Industrie, für ihre Zeit
                                                                                       typische Wohnanlagen, öffentliche Ein-
                                                                                       richtungen wie Schulen, Kranken-
                                                                                       häuser, Gefängnisse und Kasernen,
                                                                                       Freizeitstätten und Parkanlagen. In ei-
                                                                                       ner Reihe von Fällen geben die Orte heute
                                                                                       keinen Aufschluss mehr über ihren ur-
Teeverkostung in der Hamburger Speicherstadt.                Foto: Manfred Heider      sprünglichen Entstehungszweck, ande-
                                                                                       re sind stadtbekannt. Doch wurden in
Herbstfahrt des Arbeitskreises, die un-     die in den 1990er Jahren in Zusammen-      fast allen Darstellungen Informationen
ter dem Motto „Auf großer Fahrt“ Ziele      arbeit mit Anwohnern umgesetzt wor-        eingearbeitet, die ohne die Auswertung
zu den Themen Salzhandel und Schiff-        den sind. Zugleich war auf die langjäh-    von Archivunterlagen nicht zu erfahren
fahrt im norddeutschen Raum ansteu-         rigen Erfahrungen und Ausarbeitungen       sind. Das Buch bietet insofern sehr vie-
erte. Die Gruppe besuchte die Salzstadt     aus den Spaziergängen zur Stadtteil-       le Neuigkeiten aus einer ansonsten ver-
Lüneburg, verfolgte den Weg des Salzes      und Alltagsgeschichte zurück zu grei-      trauten Lebensumwelt.
nach Lauenburg an der Elbe und fuhr         fen. Hilfreich war auch, dass drei             Das Grafikbüro apriori design sorg-
in die Hafenstadt Hamburg. Dort wa-         Heimatpfleger aus den berücksichtigten     te für eine ansprechende Gestaltung des
ren die historische Speicherstadt und das   Stadtquartieren an der Veröffentlichung    Vierfarbdrucks. Historische Fotos zu
Auswanderermuseum „Ballin-Stadt“            mitwirkten.                                fast jeder Station wurden eingefügt.
Besichtigungsstationen. Wieder auf der          Der ausschließlich ehrenamtliche           Das Taschenbuch wurde in einer ers-
Salzstraße folgte die Hansestadt Lübeck     Arbeitsprozess zog sich über drei Jahre,   ten Auflage von zweitausend Stück ge-
und auf der Rückfahrt das Schiffs-          bis die neun beteiligten Autorinnen und    druckt und im Selbstverlag vertrieben.
hebewerk Scharnebeck am Elbe-Seiten-        Autoren die in dem Stadtführer zu be-      Dadurch ist ein Verkaufspreis von 9.80
Kanal.                                      handelnden Stationen ausgewählt, Re-       Euro möglich.
                                            cherchen vorgenommen und Texte ver-            Braunschweiger Zeitung, neue
Veröffentlichungen

   Nachdem 2007 mit dem Sammel-
band „Lebenswege unter Zwangs-
herrschaft – Beiträge zur Geschichte
Braunschweigs im Nationalsozialismus“
sieben regionalgeschichtliche Fachauf-
sätze herausgegeben worden sind, wen-
dete sich 2008 der Band „Braunschweiger
Spaziergänge – Sieben Führungen
durch das Ringgebiet“ an einen sehr viel
breiteren Kreis an Geschichtsinter-
essierten. Die Publikumsresonanz
machte dann auch deutlich, dass eine
derartige Darstellung zur noch wenig
behandelten Stadtteil-Geschichte des
Braunschweiger Ringgebiets auf großes
Interesse stößt.
   Mit der 196-seitigen Veröffentlichung
konnte der Verein an die stadtteil-
geschichtlichen Projekte anschließen,       Bei der Buchvorstellung des Ringgebietführers.                 Foto: Jürgen Seler
8                                                     Rundbrief 1/09

braunschweiger, Radio Okerwelle, Seni-
orenmagazin Braunschweig Journal
                                            Friedrich Jeckeln in der Literatur
und einzelne Stadtteilzeitungen berich-        Am 24.1. fand in der Gedenkstätte       1941 bis 1944. 2. Aufl. Hamburg 2000
teten über das im Mai vorgestellte Buch.    Schillstraße ein gut besuchter Lerntag         Krausnick, Helmut/Wilhelm, Hans-
Es setzte sofort eine starke Nachfrage      „Tätergeschichte“ statt. Dr. Hans-Dieter   Heinrich: Die Truppe des Weltanschau-
ein, die es ermöglichte, bis zum Herbst     Schmid (Hannover) sprach in einem in-      ungskrieges. Die Einsatzgruppen der Si-
die Hälfte der Auflage und bis zum Jah-     formativen Vortrag über die Biografie      cherheitspolizei und des SD 1938-1942.
resende drei Viertel zu verkaufen.          des SS- und Polizeiführers Friedrich       Stuttgart 1981
    Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach   Jeckeln. Aus der neueren Literatur hat-        Longerich, Peter: Heinrich Himm-
dem 2002 vorgelegten Stadtführer            te er eine Fülle von Hinweisen auf         ler. Biographie. München 2008
„Braunschweiger Frauen. Gestern und         Jeckelns mörderische Tätigkeit in Ost-         Lotfi, Gabriele: KZ der Gestapo.
Heute“ noch einmal an, der in ähnlicher     europa während des Zweiten Weltkriegs      Arbeitserziehungslager im Dritten
Form gestaltet ist. Der Buchhandel          entnommen. Auf mehrfachen Wunsch           Reich. Stuttgart/München 2000
machte durch die gemeinsame Auslage         der Zuhörer schickte uns der Referent          Mallmann, Klaus Michael: Der qua-
auf den Vorläufercharakter dieser Ver-      die folgende Literaturliste:               litative Sprung im Vernichtungsprozeß.
öffentlichung aufmerksam. Die Restauf-                                                 Das Massaker von Kamenez-Podolsk
lage ist dadurch nun auch verkauft –            Angrick, Andrej/Klein, Peter: Die      Ende August 1941. In: Jahrbuch für
das Frauengeschichtsbuch wanderte           „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und        Antisemitismusforschung 10 (2001), S.
damit 2300-mal über den Ladentisch.         Vernichtung 1941-1944. Darmstadt           239-264
    Unter Verantwortung von Martin          2006.                                          Pohl, Dieter: Schauplatz Ukraine.
Kayser wurden zwei Rundbriefe des               Benz, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Einsatz   Der Massenmord an den Juden im
Arbeitskreises im Umfang von insge-         im „Reichskommissariat Ostland“. Do-       Militärverwaltungsgebiet und im Reichs-
samt 24 Seiten erstellt, die für Vereins-   kumente zum Völkermord im Baltikum         kommissariat 1941-1943. In: Norbert
mitglieder und Interessierte Informati-     und in Weißrußland 1941-1944. Berlin       Frei u.a. (Hrsg.), Ausbeutung, Vernich-
onen über das Vereinsgeschehen sowie        1998                                       tung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur
über Neuerscheinungen und Ausstellun-           Birn, Ruth Bettina: Die Höheren SS-    nationalsozialistischen Lagerpolitik,
gen enthielten.                             und Polizeiführer. Himmlers Vertreter      München 2000, S. 135-173
                                            im Reich und in den besetzten Gebie-
Sonstiges                                   ten. Düsseldorf 1985                          Zu Jeckelns Tätigkeit in Braun-
                                                Breitman, Richard: Friedrich           schweig sind zu ergänzen:
    Auf der gut besuchten Mitglieder-       Jeckeln – Spezialist für die „Endlösung“
versammlung des Arbeitskreises am           im Osten. In: Ronald Smelser/Enrico           Sohn, Werner: Im Spiegel der Nach-
10.9.2008 stellte Prof. Dr. Dr. Günter      Syring Hrsg., Die SS. Elite unter dem      kriegsprozesse: Die Errichtung der NS-
Wiemann, unterstützt von Heimat-            Totenkopf. 30 Lebensläufe, Paderborn       Herrschaft im Freistaat Braunschweig.
pfleger Peter Dietrich, seine Recherchen    etc. 2000, S. 267-275                      Braunschweig 2003
zu den Lebenswegen von Hans Löhr und            Gerlach, Christian: Kalkulierte Mor-      Wysocki, Gerhard: Die Geheime
Hans Koch vor, die in den 1920er Jah-       de. Die deutsche Wirtschafts- und          Staatspolizei im Land Braunschweig.
ren in Harxbüttel eine „Landkommune“        Vernichtungspolitik in Weißrußland         Frankfurt/Main 1997
gründeten.
    Frank Ehrhardt sprach auf einer
Gesamtkonferenz der BBS II über die
Biografien von Heinrich Büssing, Agnes
Pockels, Max Jüdel und Sally Perel. Der
Vortrag sollte Anregungen bei der Su-
che nach einer Neubenennung der Schu-
le geben.

Perspektiven

   Die gute Resonanz auf die Stadt-
führer regte dazu an, die Arbeit an wei-
teren Bänden dieser Art aufzunehmen.
Ein Buch über bekannte Braunschwei-
ger(-innen) des 20. Jahrhunderts und
über Park- und Friedhofsanlagen stehen
zur Diskussion. Außerdem wird der Ver-
ein das 25. Jubiläum seiner Gründung
im Jahr 2010 vorbereiten.

    Frank Ehrhardt       Reinhard Bein      Besucher des Lerntages 2009 mit Dr. Hans Dieter Schmid in der Gedenkstätte.
    Geschäftsführer      Vorsitzender
                                                                                                       Foto: Manfred Heider
Rundbrief 1/09                                                            9

„Wenn Träume fliegen lernen“ – Kreativseminar des
Freiwilligen Sozialen Jahres in der Kultur
    Antoine de Saint-Exupery sprach:           Den Einsteig ins Thema erleichter-       Entstehungsprozess fast spannender war
„Wenn du ein Schiff bauen willst, dann     ten uns vier Freiwillige, die an die von     als das eigentliche Resultat.
trommle nicht Männer zusammen, um          Rationalität geprägten Lehrmethoden              Natürlich blieb uns genügend Zeit,
Holz zu beschaffen, Aufgaben zu verge-     unserer Schulzeit erinnerten und uns         bei Bionade und dem guten, vegetari-
ben und die Arbeit einzuteilen, sondern    schlüssig wirkende Definitionen bilden       schen Essen zu klönen. Am Kinoabend
lehre sie die Sehnsucht nach dem wei-      ließen. Schlaftraum, Alptraum,               sahen wir das gedankenreiche Filmdra-
ten, endlosen Meer.“ – Und so begaben      Wunschtraum, Zukunftstraum, Tag-             ma „Wenn Träume fliegen lernen“, wäh-
sich 25 schwermütige Matrosen in der       traum – zahlreiche Traumarten wur-           rend eines Diskussionsabends zum The-
letzten Januarwoche erneut ins             den von einer klugen Menge Jugendli-         ma „Die utopische Stadt“ wurden die un-
Hannover´sche Gleisdreieck zum dies-       cher beinahe zerrissen, um den               terschiedlichsten Stimmen laut. Aus zag-
jährigen Kreativseminar.                   Gedankenfetzen anschließend wieder die       haften Visionären wurden mesantrophe
    Wir jungen FSJ - Kulturler waren       nötige Logik zu verleihen. Um eine kre-      Zukunftswissenschaftler, die sich nicht
gespannt darauf, fünf Tage zum The-        ative Auseinandersetzung nicht zu ver-       scheuten, eine unheilvolle Distropie zu
ma „Träume und Visionen“ zu arbeiten,      hindern, durfte jeder Einzelne persönli-     entwickeln und vorzustellen.
begegneten diesem schwammigen              che Beispiele auf bunt bedruckte,                Am Donnerstag wurden alle Arbei-
Seminartitel jedoch mit Vorsicht. Was      wolkenförmige Papierkarten schreiben.        ten der FSJ – Kulturler bei einer gemüt-
ist eine Utopie? Welche Vorzüge hat ein    Diese wurden anschließend mithilfe von       lichen Abendveranstaltung präsentiert.
visionärer Geist gegenüber Menschen        passenden musikalischen Klängen und          Wir lasen unsere Texte vor, sangen Lie-
ohne Fantasie? Wie viele verschiedene      hoffnungsvollen Fotografien publiziert.      der, stellten eigens kreierte Kompositio-
Traumtypen unterscheiden wir? Endlo-           Für das fünftägige Kreativseminar        nen und die Vertonung einer Geschichte
se Fragezeichen machten sich in unse-      bot die Landesvereinigung Kulturelle         vor, zeigten die musikalische Nutzbar-
rer jugendhaften „Kulturrunde“ bemerk-     Jugendbildung drei verschieden Werk-         keit von tristem Kücheninventar und
bar und erzeugten neben dem Gefühl von     stätten an. „Kreatives Schreiben“,           gestalteten eine kleine Kunstausstellung,
Ratlosigkeit eine inspirierende Neugier.   „Acrylmalerei und Zeichnen“ und „Mu-         die einmal mehr veranschaulichte, dass
    Als wir unsere Unterkünfte betraten,   sik“ lauteten die verheißungsvollen Ti-      jeder seinen eigenen Kopf bezüglich des
wurden wir erneut konfrontiert, nahezu     tel der zukünftigen Produktionsorte un-      Themas „Träume und Visionen“ hat.
„traumatisiert“, um dem Wort eine völ-     serer Fantasie. Ich entschied mich für           Abschließend kann ich sagen, dass
lig neue Bedeutung zu verleihen. Auf       erstere, da sie thematisch sehr gut mei-     ich dieses Seminar als geistige Bereich-
jedem Bett lagen ein kleiner, mit Federn   nen beruflichen Wünschen entsprach.          erung sah und aus dem anfänglichen
geschmückter Traumfänger und ein           Unsere Werkstattleiterin, Tordis Schus-      Zweifeln die Leidenschaft des Sich-sel-
gelbes Blatt, das mit der Überschrift „5   ter, ist eine sehr ambitionierte Kultur-     ber-Ausprobierens entstand.
Tipps zum Erinnern von Träumen“ ver-       wissenschaftlerin und Kinderbuch-                Und so zogen wir völlig beschwingt
sehen war. Es erzählte von den „gängi-     autorin, die das Talent besitzt, aus ei-     zum Hauptbahnhof Hannover, nicht nur
gen“ Methoden zur Erinnerung von           ner müden Menge eine Reihe                   mit der Lust auf Fleisch, sondern auch
Träumen wie ein heißes Bad und folklo-     erfahrungsdurstiger Autoren zu ma-           der Sehnsucht neue Schiffe zu bauen und
ristische Zimmerbeschallung vor dem        chen. So verging die Zeit in rasanter        mit diesen die unergründlichen Weiten
Zu-Bett-Gehen, der Mitnahme eines Dik-     Schnelle und wir probierten uns in           unseres Gedankenmeeres zu durchbre-
tiergerätes und einer Taschenlampe in      Assoziationsübungen, den Methoden zur        chen.
die eigene Schlafstätte und dem ent-       Ideenfindung, Plotgestaltung, Stil- und          Noch heute wundert man sich zu
schlossenen Aufsagen des Satzes „Ich       Genreübungen, thematischer Text-             Hause über unsere eigensinnige Traum-
werde heute Nacht einen Traum an-          entwicklung und vollendender Text-           ausrüstung im Bett und den von uns laut
geln!“.                                    präsentation. Übungen wie das „Auto-         ausgesprochenen, besagten Satz, der sich
    Die neu gewonnenen Informationen       matische Schreiben“, bei welchem man         aus unwissender Ferne wie die Einla-
sorgten für Erheiterung, nicht aber für    20 Minuten ohne Pause zu exzentrischer       dung zum nächtlichen Fischfang anhört.
Antworten.                                 Musik seine Gedanken auf Papier bringt           Um intensiver an meinen eigenen
    Bei der alt bekannten Stuhlrunde, in   und abstrakte Worte, die Tordis minüt-       Träumen festzuhalten, habe ich be-
der zu Anfang der organisatorische Ver-    lich in die Schreiberschaft warf, mit ein-   schlossen mein FSJ Kultur in der Ge-
lauf des Seminars besprochen wird,         baut, füllten unseren schriftstelleri-       denkstätte Schillstraße auf ein halbes
umhüllten uns mit Watte und Wortfet-       schen Erfahrungsreichtum. Auch das           Jahr zu verkürzen und werde mich ab
zen wie „Herzensmut“ oder „Hoffnungs-      Klima innerhalb der Gruppe war mit-          März 2009 ausgiebig um die Vorberei-
schimmer“ beklebte Wände. In dieser        reißend. Wir hörten, wir lobten, wir         tung meines Studiums kümmern.
pittoresken Kulisse gaben wir uns der      kritisierten, wir verbesserten und vor           Ich danke für die Zusammenarbeit
euphorischen Predigt der Seminar-          allem empfanden wir gegenseitige An-         und viele gute Erfahrungen!
leitung hin, stellten das viele Fragen     erkennung für die verschiedenartigen
und Zweifeln ein und öffneten die Au-      Schreibkreationen. In unserer Kreativ-                              Laura Hofmann
gen für eine unbekannte, prickelnde        werkstatt entstanden in vier Tagen zwei
Sphäre.                                    große Geschichten, bei denen der
10                                                     Rundbrief 1/09

Anmerkungen zur Novemberrevolution
    Im November vergangenen Jahres            annahme: Der Streik der Seestreitkräf-      Braunschweig. Als Titel seiner „Anmer-
erschien der Sammelband „Von der Mo-          te wäre nicht der Beginn einer Revolu-      kungen“ wählt Ohnezeit eine Aussage
narchie zur Demokratie. Anmerkungen           tion sondern nur einer Streikbewegung       des auch als Historiker bekannten The-
zur Novemberrevolution 1918/19 in             für den Frieden gewesen. Eine Kapitel-      ologen und Philosophen Ernst Troeltsch:
Braunschweig und im Reich“. In der            überschrift lautet dann auch „Der ver-      „Kein Mann tot für Kaiser und Reich!“
Einleitung wird der Anspruch an diese         deckte Militärstreik im Heer“ und die       Troeltsch meinte diesen Ausspruch nicht
„Anmerkungen“ formuliert: Ziel sei es,        Charakterisierung der politischen Be-       als Aufforderung, sondern wollte
„die Ereignisse des November 1918 und         wegung als „Streik“ wiederholt sich in      angesichts des fehlenden Widerstands
deren Folgen in der allgemeinen Wahr-         verschiedenen Überschriften. Eine ab-       gegen die Revolution seine Verwunde-
nehmung von überlieferten Mythen zu           schließende Zusammenfassung zeigt in        rung ausdrücken. Ohnezeit kommt am
befreien und den Blick stärker zu den         zwölf Punkten noch einmal, wie der          Ende seiner Ausführungen zu dem
Ergebnissen der historischen Forschung        Autor den Verlauf sieht. Wer sich über      Schluss: „Das bürgerlich- konservative
zu lenken.“ Das Buch führt drei Auto-         die Revolution in Braunschweig nach         Lager blieb mehrheitlich bei seiner Ab-
ren zusammen, die zu vier Aspekten ihre       neuestem Quellenstand informieren           lehnung der parlamentarischen Demo-
„Anmerkungen“ entwickeln. Dietrich            möchte, sollte allein wegen dieser Dar-     kratie und trug so zum Niedergang der
Kuessner schreibt über Mythen und             bietung die 14,90 Euro für das Buch auf-    ersten Republik und der späteren Macht-
Legenden sowie über die evangelische          bringen.                                    übernahme bei“ (S. 131).
Landeskirche, Wulf Otte untersucht die                                                        Ohnezeits Beitrag hat zu selten Be-
bürgerliche Braunschweigische Landes-           Dietrich Kuessner, Maik Ohnezeit,         züge zu Braunschweig und macht es
zeitung und Maik Ohnezeit das bürger-           Wulf Otte: Von der Monarchie              dem Leser schwer nachzuvollziehen, wie
lich-konservative Lager.                        zur Demokratie. Anmerkun-                 sich aus dem konservativ-bürgerlichen
    Kuessners erster Beitrag hat den Ti-        gen zur Novemberrevolution                Lager mit der DVP doch eine Partei he-
tel „Braunschweiger Novemberrevoluti-           1918/19 in Braunschweig und               rausbilden konnte, die sich zur Weima-
on. Mythos und Wirklichkeit“. Er ist mit        im Reich, Wendeburg (Verlag               rer Demokratie bekannte, an mehreren
58 Seiten der längste Beitrag des Buches.       Uwe Krebs) 2008                           Regierungen beteiligt war und mit
Aus der Betitelung könnte man durchaus                                                    Gustav Stresemann einen herausragen-
eine Auflistung gängiger Legenden und             Der Beitrag „Die (gelesene) Revoluti-   den Außenminister und Reichskanzler
Mythen erwarten und anschließend die          on 1918/19. Zur Berichterstattung der       stellte. Der Abschnitt ist dennoch reich
Gegenüberstellung der historischen Fak-       Braunschweigischen Landeszeitung“           an Fakten und flüssig geschrieben.
ten. Kuessner fasst aber die Deutungen        von Wulf Otte schließt sich an. Die             Dietrich Kuessner, der evangelischer
zu zwei Komplexen zusammen. Auf der           Landeszeitung war das führende bür-         Pfarrer war und durch seine Arbeiten
politischen Rechten war es die Vorstel-       gerliche Tagesblatt in Braunschweig.        zur regionalen Kirchengeschichte be-
lung der „bolschewistischen Sturzwelle“,      1880 gegründet, war sie bis zur Revolu-     kannt geworden ist, nimmt im letzten
d.h. die Behauptung, dass russische Agi-      tion 1918 das inoffizielle Organ der Na-    Beitrag „Die braunschweigische Lan-
tatoren die deutschen Matrosen aufge-         tionalliberalen. Ottes Anliegen ist es,     deskirche und die sogenannte Novem-
hetzt und so den nahen Endsieg verhin-        „Argumentationslinien herauszuarbei-        berrevolution 1918“ seine Charakte-
dert hätten. Auf der Linken kennzeich-        ten“ (S. 81), wie diese Zeitung über die    risierung der politischen Ereignisse als
net der Stolz auf die besondere Radikali-     Revolution berichtete. Er füllt damit       Streikbewegung wieder auf. Die
tät der Braunschweiger Arbeiterschaft         eine bestehende Forschungslücke zur         Braunschweigische Landeskirche hat in
einen solchen Mythos, der von der Rech-       Pressegeschichte, beschränkt sich           der Revolution enorm an Einfluss und
ten in der Weise geteilt wurde, als sie       allerdings auf die Landeszeitung, „die      Macht verloren. Sie verlor die Schulauf-
diese Radikalität gerade als besondere        rechts-konservative und links orientier-    sicht, sie musste künftig die Trennung
Schande empfanden. Kuessner unter-            te Presse werden ausgeblendet“ (S.81).      von Staat und Kirche hinnehmen. Sie
sucht nun nicht die Entstehung dieser         Otte weist durch Zeitungsausschnitte        verlor in der Person des Herzogs ihr re-
Vorstellungen, sondern beschreibt sehr        auf, wie sich das Tagesblatt peu à peu      gionales Oberhaupt, und in der Rätezeit
fundiert, ausführlich und fast immer          in einem Auf und Ab und Hin und Her         wurde der Religionsunterricht aus der
durch Quellen belegt den Verlauf der          allmählich zu einer pro-republikani-        Schule verbannt.
Revolution, sowohl in der Stadt, als auch     schen Zeitung entwickelte, die sich zum         Kuessner gelingt es, kenntnisreich
im Herzogtum bzw. Freistaat. Mit Fak-         neuen Staat bekannte. Otte kommt zu         und übersichtlich darzustellen, wie die
ten widerlegt er die angesprochenen           dem Schluss, dass die Landeszeitung         evangelische Kirche diesen Macht-
Mythen und Legenden, ohne noch einmal         meistens objektiver über die revolutio-     verlust verkraftete und wie sie aus der
explizit auf sie einzugehen. Auffällig ist,   nären Ereignisse berichtete als die lin-    Konfrontation allmählich zu einer Koo-
dass er die Abläufe in den Kreis- und         ke Presse.                                  peration überging.
Kleinstädten des Freistaats – teilweise           Im dritten Beitrag des Sammelban-           Eine umfassende Bibliografie von
auch in den Dörfern – gleichwertig zu         des beschreibt Maik Ohnezeit das Ver-       Maik Ohnezeit „Die Novemberrevoluti-
denen in der Hauptstadt stellt. Seine         halten des von Otte ausgesparten            on 1918/19 im Reich und Braunschweig
häufigste Quelle ist dabei die Schöninger     rechts-konservativen Lagers. Er be-         in der wissenschaftlichen Literatur“
Zeitung. Gleich an den Anfang stellt er       schreibt dieses Verhalten für das Reich,    schließt die Veröffentlichung ab.
seine kontrovers zu diskutierende Haupt-      nur selten bringt er Beispiele aus                                 Joachim Schulze
Rundbrief 1/09                                                          11

Biegel kann alles besser (?)
    Mit einiger Überraschung entnahm         Zusätzliche Quellen zur Geschichte der       ser Mäzenin beruht sicherlich auf dem
ich der Braunschweiger Zeitung vom 2.        Stiftung sind von ihm nicht ermittelt        Umstand, dass Amalie Löbbecke die ein-
Dezember 2008, dass die Mansfeld-            worden.       Hinzugekommen          sind    zig bekannt gebliebene Vertreterin der
Löbbecke-Stiftung eine neue Stiftungs-       allerdings 25 Druckseiten, die die gegen-    Gründerinnen ist. Aus der Kenntnis der
chronik herausgegeben und als Autor          wärtige Arbeit der sozialen Einrichtung      Gründungsunterlagen erscheint es un-
dafür den bisherigen Leiter des Landes-      beschreiben.                                 gerechtfertigt, Amalie Löbbecke in die-
museums, Prof. Dr. Gerd Biegel, gewon-           Die Darstellung der Stiftungs-           ser Weise hervorzuheben, da ihr Enga-
nen habe. Meine Überraschung rührte          geschichte, die im Umfang nicht wesent-      gement für den Volkskindergarten nicht
daher, dass ich im Jahr 2000 im Auf-         lich mehr Text umfasst als das frühere       das ihrer Mitgründerinnen übertraf.
trag der Stiftung in einem halbjährigen      Buch, ist etwas anders gegliedert und        Warum der jüdische Arzt David Mans-
Arbeitsprozess bereits eine derartige        setzt zum Teil andere Schwerpunkte,          feld als Geschäftsführer der Stiftung bei
Darstellung verfasst hatte, die unter        folgt aber über weite Phasen dem Auf-        Biegel sehr kurz kommt, ist von den
dem Titel „Hirsegrütze und Pizza – Die       bau, den ich 2000 gewählt hatte. Ein         historischen Vorgängen her auch nicht
Geschichte des Volkskindergartens und        inhaltlicher Dissens besteht nicht.          zu erklären. - Eine zweite Auslassung
der Mansfeld-Löbbecke-Stiftung von           Biegel widmet der Wiedergabe von Do-         betrifft die ausführlicher beschriebene
1833“ veröffentlicht wurde. Kritik an        kumenten aus dem Stiftungsarchiv             Entwicklung eines neuen Verständnis-
dieser Arbeit war mir nicht zu Ohren         mehr Raum. Dieses mag die Anschau-           ses der Kleinkinderpädagogik in der
gekommen. Was mochte nach so kur-            lichkeit für den wenig vorinformierten       zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts, die
zer Zeit die Stiftung, die heute vor allem   Leser stärken, ähnlich wie die sehr          im Volkskindergarten zunächst nicht
auf dem Gebiet therapeutischer Jugend-       stark ausgebauten Einführungen zum           nachvollzogen wurde. Hier verweist
einrichtungen tätig ist, zu einer Neu-       jeweiligen Zeitkolorit in der Stadt          Biegel auf mein Buch.
schreibung ihrer Geschichte bewegt ha-       Braunschweig.                                    Insgesamt gesehen entsteht der Ein-
ben, bzw. was konnte Biegel an zusätz-           Dafür lässt Biegel einige Aspekte weg,   druck, dass es nicht inhaltliche Gründe
lichen Erkenntnissen gefunden haben?         die auf mein Interesse gestoßen waren –      gewesen sein können, die die Mansfeld-
    Die Lektüre der großzügig gestalte-      so die Frage nach den Motivationen und       Löbbecke-Stiftung zu einer Neu-
ten 144-seitigen Neuveröffentlichung         der gesellschaftlichen Stellung der          verfassung ihrer Chronik veranlasst
bietet nicht sehr viel an neuen Inhal-       Gründerinnen und Gründer der als             haben.
ten, auch wenn der Text komplett neu         „Pflegestätte für dürftige Kinder“ ins                               Frank Ehrhardt
verfasst ist. Biegel hat im Wesentlichen     Leben gerufenen Einrichtung. Er kon-
mit den Unterlagen des historischen          zentriert sich auf die Herausstellung von
Stiftungsarchivs, die bereits durch mich     Amalie Löbbecke als einer der Gründer-       Gerd Biegel, Kinder – Bürger – Stiftung.
ausgewertet waren, gearbeitet und be-        innen und folgt damit der Stiftungs-         Chronik der Mansfeld-Löbbecke-Stif-
ruft sich ansonsten in den Anmerkun-         traditionspflege der 1950er Jahre. Die       tung 1833 – 2008. Braunschweig (Joh.
gen in der Regel auf meine Darstellung.      späte Benennung der Stiftung nach die-       Heinr. Meyer Verlag) 2008.

Der Maler Götz von Seckendorff

    Götz von Seckendorff (1889-1914) ist     Mutter des Malers geschrieben hat.
für Braunschweig und die Kunstwelt           Etwa 150 Gemälde und Zeichnungen
wieder zu entdecken. Sein Werk ist der       von Götz von Seckendorff können als
klassischen Moderne im Übergang vom          Videoeinspielungen gezeigt werden.
Impressionismus zum Expressionismus              Aufführungen finden u.a. am 19.,
zuzurechnen. 1933 holten die National-       20., 21., 22. März 2009 jeweils 19.30 Uhr
sozialisten zwei seiner Werke aus dem        im Theatersaal des Restaurant Da
Städtischen Museum und vernichteten          Paolo–Lindenhof, Kasernenstraße 20 /
sie als „entartete Kunst“.                   Ecke Humboldtstraße statt. Karten-
    Ein Theaterabend von Gilbert Holz-       reservierungen für die dokumentarische
gang und dem Theater Zeitraum mit            Aufführung „Welch ein Wahnsinn!“ sind
Annagerlinde Dodenhoff, Jürgen Beck-         unter Gilbert.Holzgang@t-online.de mög-
Rebholz und Hans Stallmach informiert        lich.
über den jungen Maler anhand seiner
leidenschaftlichen Briefe, die zum Teil
gespielt, zum Teil gelesen werden, und
anhand einer „Lebensgeschichte“, die die                      Foto: Archiv Holzgang
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